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Full text of "Deutsche Bauzeitung"

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1902 


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DEUTSCHE 


BAUZEITUNG. 


ORGAN  DES 

VERBANDES  DEUTSCHER  ARCHITEKTEN-  UND 
INGENIEUR.VEREINE. 

REDAKTEURE:  ALBERT  HOFMANN  UND  FRITZ  EISELEN. 


SECHSUNDDREISSIGSTER  JAHRGANG. 

1902. 


BERLIN. 


VERLAG  DEUTSCHE  BAUZEITUNG,  G.  m.  b.  H. 


Inhalts-Verzeichniss,  Orts-  und  Sachregister 
zum  XXXVI.  Jahrgang  1902  der  „Deutschen  Bauzeitung“. 

(Den  mit  * bezeichneten  Aufsätzen  sind  Abbildungen  beigefügt.) 


Seite 

Abendbesuch  im  Kunstge- 
weibe-Museum  in  Berlin 

548,  584 

Abort,  Neuerung  an  Klosets, 
Weslfalia  frostfrei  . . . 168 
Abwasser-Reinigung  durch 
das  biolog.  Klärverfahren  171 
durch  Rieselung  . . 432 

— Prüfungsanstalt  für  Abw.- 

Beseitigung  und  Wasser- 
versorgung   505 

— Verein  für  Wasserver- 
sorgung und  Abw.-R. . . 212 

Acetylen-Gasanstalten.  Ver- 
werthuDg  der  Kalkrück- 
stände   53a 

Aeschach  - Hoyren , prot. 

Kirche lai''' 

Afrika.  DerWasserbauinden 
deutsch-afrikan.  Schutzge- 
bieten   178 

— Usambarabahn  in  Deutsch- 

Ostafrika  586 

— Marmoriager  in  Deutsch- 

Südwest-A 560 

Akademie  s.  Hochschulen. 
Aluminothermie,  Das  Gold- 
schmidt’sche  Verfahreu 

in  der 319 

Ammersee.  Landhaus  Curry- 
Reute  in  Riederau  . . 609'*' 

Anemometer-Windfahne 

von  bpengler  ....  340* 

Anliegerbeiträge  ....  240 
Anstellung  der  Reg.-Bmstr. 
der  preuss.  Staatsbauver- 
waltung   78,  93 

Anstriche,  desinfizirende 

Wand-A 186 

— Kautschukbutter  . . . 223 

— derEisenbrückebeiHorch- 

heim 303 

— von  Füllofen-Mänteln  und 

Heizkörpern 316 

Arabien.  Khalifenschloss 
Amra  in  der  Wüste  . . 337 
Arbeitsamt,  studentisches  391 
Arbeitsstelle,  Weg  zur  . . 336 
Architekten.  Hirth’s  Rede 
über  Urheberrecht  ...  30 
“ Gebühren  der  A.  und  Inge- 
nieure als  gerichtl.  Sach- 
verständige ...  70,  132 

— Gewerbesteuer-Pflichtigkeit 

224,  264 

— DipIomprüfungand.Techn. 
Hochschule  in  Berlin  . . 391 

— -Verein  zu  Berlin,  Lebens- 
Erinnerungen  aus  dem  . 259 

Architektur  auf  der  Grossen 
Berliner  Kunstausstellung  ii, 
40,  120,  253,  273 

— auf  der  Industrie-  u.  Ge- 
werbe-Ausst.  in  Düsseldorf 

9Xj  92 

— Das  erzieherischeEIement 

in  der  A 226,  242 

Assuan.  DerNil-Staudamm  650’*- 
Augsburg.  Das  Rathhaus 

329*,  469^^ 

— Bücher-Besprechungen  . 422 

— Die  Fuggerkapelle  . . 441'^ 

— XXXI.Abgeordneten-Ver- 
sammlung  des  Verbandes  459 

— ZurWanderversammlung  413'’' 

— Die  XV.Wanderversamm- 

lung  des  Verbandes  . 457* 

— — Der  äussere  Verlauf  465* 

— — Die  Besichtigungen  473^' 

— — Die  Vorträge  470,  476, 

481,  487 

(Baul,Entwicklung)499'",5io 
Ausbesserung  schadhafter 
Metall-  bezw.  Wellblech- 

Dächer  224 

Ausgrabungen  in  Baalbeck  127 

— am  Dome  zu  Magdeburg  130 

Ausrüstung  für  die  zweck- 
mässige Durchführung  von 
Studienreisen  ....  254* 


Seite 

Ausstellungen  d.  Verbandes 
Österreich.  Kunstgewerbe- 
Museen 315 

— Berlin.  Architektur  u. 
Kunst  des  Innenraumes  auf 
der  grossen  Kunst- A.  ii,  40, 

120,  253,  273 

— — Verein  für  Kunstge- 

werbe ....  584,  599 

— Cbarlottenb.  Schwarz- 

Weiss-A.  Amelang . . . 608 

— Darmstadt,  Künstler- 

Kolonie  . . 28,  354*,  306*, 

630*,  638" 

— Dresden.  Deutsche 
Städte-A.  144,  328,  367,  527 

— Düsseldorf.  Industrie- 
u.  Kunst-A. 

Der  Kunstpalast  141*',  156 

Geschichte  und  An- 
ordnung . 163’'',  169,  618 

— — Konstruktion  u.  Ein- 

richtung einig.  A.-Bauten 
245*,  278*,  306*,  313-!’ 

— — Die  Architektur  der 

Bauten  374'''>377^’,  382*,  389^'' 

— — A.  künstlerischer  Gas- 

Beleuchtungs-Gegeust.  156 

— — Die  Architektur-A.  . 91, 

92,  410 

— — Kunstbistor.  A.  510,  517 

A.  der  Beton-  u.  2em.-  • 

Industrie  421*,  435’*',  447'’’, 
468*,  470 

— Hannover.  A.  für  land- 
wirthschaftl.  Bauwesen  . 619 

— Leipzig.  A.  des  Kunst- 
gewerbe-Museums . . . 567 

— Lond  on.Intern.  Feuer-A.  496 

— München.  StändigeAus- 
stellungs-Bauten  . . .391 

— — Kunstgewerbe -A.  für 

1904  . . . 108,  126,  355 

— Nur  n berg,  bayer.  Landes- 

Industrie-A.  1906  . . . 248 

— Turin.  A.  für  moderne 
dekorative  Kunst  124*,  248, 

262^',  298*,  474*,  594'i= 

— Wien.  Ausstellung  der 

„Secession"  ....  317* 

Austrocknung  von  Neu- 
bauten, Absaugevorrichtung 
für  brennende  Kokskörbe 
von  Leo 47°"' 

Auszeichnungen  an  Künstler 

116,  224,  431,  579 

— anFirmeo  des  Baugewerb.  351 

— an  Techniker  (Herzberg)  624 

— siehe  auch  Ehrenbezeugungen. 

Automobil  siehe  Selbstfahrer. 


Baalbeck,  Ausgrabungen  . 127 

Badeanstalt.  DasMüller’sche 
Volksbad  in  München  445*, 
453*,  458*,  518 

Baden.  Bahnbauten  im  Gross- 
herzogthum   272 

— Neuorganisation  des  Hoch- 
bauwesens . . . 543,  630 

Bagger  beim  Hafenbau  in 
Kiautschou 147 

— Sauge-B.  und  Schwemm- 
apparate   602'^ 

Bahi^öfe,  Aufhalten  von 
Bahnzügen  in  Endbahnh.  10'^ 

— der  elektr.  Hoch-  u.  Unter- 
grundbahn in  Berlin  . 265*, 

273*,  ^if'}  285* 

Bahnhofs-Anlagen  in  Karls- 
ruhe 20i’^-,  209*,  263,  294,  324 

— Umbau  des  Haupt-B.  in 
Stuttgart  ....  170,  220 

— Die  neuen  B.-Anlagen  in 

Wiesbaden 83 

Bankhaus  der  Disconto-Ge- 
selischaft  in  Berlin  485’^,  564* 

Basalte,  Sonnenbrand  der  . 186 

Bastei  in  derSädis.Schweiz. 
Bergaufzug  ....  658* 


Seite 

Baubeamte.  Etatm.  Anstellg. 
derReg.-Bmstr.  der  preuss. 
Staatsbau-Verwaitg.  78,  93 

— Zur  Pensiouir.  der  B.  81,587 

— pensionirte,  und  beeidigte 

höhere  Bautechniker 
(Schwerin) 543 

— Gehalts-  und  Anstellungs- 
Gesetz  der  Baumeister  im 
hamburg.  Staatsdienste  . 558 

— Stellung  der  bayer.  Staats- 

bahn-Ingen 191 

Baudenkmäler.  Abbruch  des 
Hauses  die  „Heydeckerei" 
in  Magdeburg  ....  323 

— Das  Haus  des  Baumeisters 

in  Rothenburg  o.  T.  . 433* 

— Zur  Erhaltung  der  Krypta 
des  Wiperti-Klosters  240,  25a 

— Das  Khalifenschloss  Amra 

in  der  arabischen  Wüste  337 

— UntergangderZecca(Münz- 
geb.)  in  Venedig  . . . 642 

Bauernhaus-Ausschuss,  Be- 
richt   • 599 

— Das  B.  im  Deutsch.  Reiche 

usw 654,  658 

Bauforderungen.  Reichsge- 
setz betr.  die  Sicherung 
der  B 14,  19,  8o 

— Verjährung  der  B.  . . . 642 

Baugewerbe.  Auszeichnun- 
gen an  Firmen  des  . . 351 

Baugewerkschul  - Dir.,  Er- 
nennung zu  Gewerbe- 
Schulräthen 315 

— Neue  Aufnahme-Bestim- 
mungen der  kgl.  preuss. B.  340 

— in  D.-Krone,  Kurse  für 
Meliorat.-Techniker  . . 315 

— in  Erfurt,  Tiefbau-Abth.  . 431 

— in  Nienburg  a.  W. , Tief- 
bau-Abth  567 

Baugrund 168 

Baukonstruktion.  Ulrich’s 
Doppel-Panzerglasung  . 39 

— Verschiebbares  Oberlicht 

über  dem  Kassenhofe  des 
Bankgeb.  der  Disconto- 
Ges.  in  Berlin  . . . 564* 

— Luxfer-Prismen  u.  deren 
Anwendungim  Bauwesen  374''' 

— Billige  Schalungsdächer  530* 

— Drabtkiesleiste  für  Holz- 

zement-Dächer von  Nebe- 
ling 6to* 

— Die  Eggert-Decke  611*,  635 

— Holz-Fachwerkbogen  von 

Stephan  195* 

— Fussboden  in  Kirchen  568* 

— Mack’sFeuerschutz-Mant.  534* 

— Hohlsteinwand  v.  Donath  479* 

— RahmenwändevonGlasur- 

steinen 49i* 

— Automatische  Schiebethür 

von  Merkelbach  . . . 248* 

— Mauerzierankerv.  Schulze- 

Köln  432* 

— Eisenbetonbau  inHamburg  287 

— Betoneisen-Pfahlrost  vom 

Neubau  des  Amtsgerichtes 
Wedding  . . . 582,  647* 

— Abhaltung  von  Schwitz- 
wasser   7a,  120 

Baukünstler,  Hirth’s  Rede 
über  Ulheberrecht  ...  30 

Baukunst.  Eine  charakte- 
ristische Eigenschaft  der 
neueren 190,  202 

— im  Konzert  der  Künste  . 263 

Baumaterialien.  Untersuchung 

der  Abnutzung  durch  Sand- 
strahlgebläse   55 

— Das  Goldschmidt’sche  Ver- 

fahren in  der  Alumino- 
thermie   319 

— Normalformat  oder  Kloster- 

format, Handstrich-  oder 
Maschinensteine  . . 55,  104 

— Kalksandsteine  . . . . ii 


Seile 

Baumaterialien.  Der  Wa- 
benziegel von  Kühn  71,  247* 

— Korkstein  im  Wohnhaus- 
bau   187 

— SantorLnerde  (Mörtel)  . . 439 

— italienischer  Marmor  . . 96 

— Steinplastikum,  Putzmater.  120 
Baupacht-  und  Grundrenten- 
verhältnisse in  England 

606,  610 

Baupolizei.  Anbaufähige 

Strasse 480 

Bausteine,  Sonnenbrand  der 
Basalte 186 

— Dübelsteine  von  Niedern- 
dodeleben  . . 240,  276,  304 

Bauverträge  in  Hamburg  90,468 
Bauwerke.  Mittelalterliche 
B.  aus  der  Mark  • • • 95 

Bayern.  Techn.  vorgebildete 
Verwaltungs-Beamte  . . 168 

— Stellung  der  Staatsbahn- 

Ingen 191 

— Verkehrs-Ministerium  . 260, 

291,  600 

— Landwivthschaftl.  Bau- 
wesen   463 

— Neuregelung  des  kultur- 
techn.  Dienstes  ....  578 

— Volkswirthschaftl.  Preis- 
fragen   368 

— Wildbachverbauung  im 

Hochgebirge  . . 500'’’,  510 

Beamte.  Techn.  vorgebildete 
Verwaltungs-B.  . iö8,  231 
Bebauungsplan  für  ein  gr. 
Gelände  bei  Elberfeld  . 27* 

— der  kgl.  Domäne  Dahlem  13t 

— Die  Stadterweiterung  zu 

Diedenhofen  ....  305'*’ 

— Die  Stuttgarter  Stadter- 
weiterung . . 86*,  97*,  109 

Bebauung.  Welche  Mittel 
besitzt  eine  Stadtverwal- 
tung, die  B.  einer  Strasse 
usw.  nach  bestimmten 
Vorschriften  zu  ermög- 
lichen   160 

Beelitz.  Heilstätten-Anlage, 
Fernheizwerk  . . 132,  134 

Beleuchtung.  Effektbogen- 
lampen  mit  farbigem  Licht 
von  S.  & H 156 

— elektrische  B.  und  Kosten 

derselben  . . . 182,  192 

— Elektr.  Beleuchtung  von 

Zeichensälen  ....  496* 

— Stromerzeugungfürelektr. 

Haus-B 633* 

— von  Landkirchen  . . . 516 

— Luxfer-Prismen  undderen 
Anwendungim  Bauwesen  374* 

Bergautzug  nach  der  Bastei. 

in  der  Sachs.  Schweiz  658* 
Bergbau.  Die  Kohlenfelder 
des  preuss.  Staates  . . 303 

Berlin.  Die  228  Millionen- 
Anleihe  der  Stadt  zu  bau- 
lichen Zwecken  . . .621 

— Die  Architektur  auf  der 
Kunst-Ausstellung  ii,  40,  120, 

253,  273 

— Ausstellung  des  Ver.  für 

Kunstgewerbe  584,  599 

— Besuch  d.  österreichischen 
Fachgenossen  263,  298,  303 

— Denkmal  f.ErnstDircksen  534 

— Die  elektr.  Hoch- u.  Unter- 
grundbahn (Hochbauten)  70, 

265*,  273*,  277*,  285* 

— — Die  statische  Berech- 

nung des  Normal- 
viaduktes  ....  370* 

— Der  Strassenb.-Verkehr  . 429 

— Städt.  Schnellverkehrs- 

Pläne  563 

— Schwebebahn-Projektsög,  634 

— Untertunnelung  der  Str. 
Unter  den  Linden  . . . 119 

— Die  Strassenbrücken  . 173* 


252410 


III 


Seite 

B erlin.  TechnischeHoch- 
schule.  Ehrendottoren  56 

— — ’ Diplomprüfung  . . . 391 

— Lebens-Erinnerungen  aus 
dem  Architekten-Ver.  . 259 

— Neubauten.  Die  Um- 
wandlung und  die  Neu- 
bauten d.Zoolog.Gartens  T37'*^, 

149*,  161*,  169’',  175'“,  i8c*, 
509*)  545*.  549* 

— — Geschäftshaus  Gebr. 

Simon 625* 

Wohnhaus  Henning  353* 

— — Wohnhaus  Müller  . 421* 

Baokgebäude  der  Dis- 

conto-Ges.  485*.  5^4* 
Das  Palais  Staudt 

649*.  657* 

— Ueberwachungs-Anst.  für 
elektr.  Anlagen  ....  64 

— Kehrmaschinen  ....  291 

— Verein  für  Unfallverletzte  324 

— Vorträge  des  Kunstgew.- 

‘Museums 518 

— Abendbesuch  im  Kunst- 
gewerbe-Museum . 548,  584 

Besprengen  chaussirt.  Strass. 

mit  Rohpetroleum  . . . 143 
Besuch,  der  Österreich.  Fach- 
genossen inBerlin263,298, 303 
Beton-Prüfungs-Maschinen  322* 

— -Bauten  auf  der  Düssel- 
dorfer Ausstell.  421*,  435‘*',447’'- 

— -Brücken  bei  den  Niagara- 

Fällen  337* 

Betoneisen  - Pfahlrost  vom 
Neubau  des  Amtsger. 
Wedding  . . . 582,  647'*' 

Böckmann,Wilh.,Geh.Brth 
in  Berlin  zum  70.  Geburts- 
tage ...  42,  63,  557’^  (t) 

Bootshaus  der  Mannheimer 
Rudergesellschaft  . . 557* 

Boston.  Neues  vonderHüch- 
u.  Untergrundbahn  . . 310 
Bozen.  Zollhaus  bei  der 
Talferbrücke  ....  566* 

Brandenburg,  Konservator 
der  Kunstdenkmäler  . . 31 
Bremen. Erweiterungsbauten 
des  Wasserwerks  . . . 366 

— Die  geplanten  Binnen- 
schiffahrts-Anlagen . 554* 

Brückenbau.  Beton-Brücken 

421*,  435-*=,  447« 

— Beitrag  zum  Steinbrücken- 
bau   7* 

— Die  Slrassenbr.  Berlins  173''' 

— DieRheinbrückebelHorch- 

beim 302 

— Umbau  d.  Eisenbahnbrücke 
über  den  Rhein  bei  Mainz  359 

— Um-  oder  Neubau  der 

Augustusbrücke  in  Dres- 
den   637* 

— Die  neue  Strassenbr.  in 
Luxemburg  521*,  533’’',  537^*^ 

— Gewölbte  Brücken  bei 

den  Niagara-Fällen  . 337’" 

Brunnen  in  Augsburg  413''’,  457'” 
Budapest.  Verband  für  Mate- 
rialprüfungen der  Technik  339 
Bücherschau.  Architek- 
tonische Rundschau  . 636 

— Adressbuch  der  Zement- 
fabriken Deutschlands  . 636 

— Augsbu  rg  in  kunstgesch., 

baulicher  und  hygienisch. 
Beziehung 422 

— Das  Bauernhaus  im 
deutschen  Reiche,  in  Oester- 
reich-Ungarn u.  der  Schweiz 

599.  654,  658 

— Baukunde  des  Architekt. 

Bd.  I,  I : Aufbau  der  Ge- 
bäude   615* 

— BerlinsStrassenbrückeni73‘-’' 

— Berlin.  Kalender  1903  535 

— Der  Rothe  Adler,  Bran- 
denburg. Kalender  1903  . 535 

— BrockhausKonversations- 

Lexikon  . . , 135,  224,  404 

— Danzig,  Giebelbauten  und 

Portale 7g,  92 

- Deutsch.BaukalendersSo 

- Förster,  Geschichte  der 
Dresden.  Augustus-Brücke637* 

— Führer  zum  Ausflug  nach 
Landsberg  u.  Füssen  usw.  444 

— Gurlitt,  Geschichte  der 


Kunst 614 

Die  WestthOime  des 

Meissner  Domes  . 357* 


Seite 

Bücherschau.  Haarmann, 

Die  Kritik  des  Eisenbahn- 
gleises   566 

— Haupt,  Zur  Baugeschichte 
des  Heidelberger  Schlosses 

346,  4S4.*,  442 

— Hochbau-Lexikon  . 667 

— Holz,  Wasserkraft-Ver- 
hältnisse in  Skandinavien 
und  im  Alpengebiete  . . 86 

— „Hütte“:  Des  Ingenieurs 

Taschenbuch 630 

— Inhalts-Verzeichniss  vom 

Centralblatt  der  Bauver- 
waltung 1891 — rgoo  . . 667 

— Jänecke,  Die  Entwicklung 

der  Akanthusranke  im  franz. 
Rokoko 471 

— Jahr,  Anleitung  zum  Ent- 
werfen und  zur  stat.  Be- 
rechnung für  gemauerte 
Fabrikscbornsteine  ...  79 

— Karlsruhe,  Der  städt. 

Rheinhafen 483 

— Koch,  Grossherzog  Ernst 

Ludwig  und  die  Ausstellung 
der  Künstler- Kolonie  in 
Darmstadt  1901  254’’-,  306'“, 

630'-’',  638''’ 

— Kossmann,  Die  Bedachung  . 


am  Heidelberger  Otto- 
Heinrichsbau  vor  1689  . 343 

— Krell,  Altrömische  Hei- 

■ Zungen 106 

— Martersteig,  Jahrbuch 

der  bildenden  Kunst  . . 427 

— Müller-Breslau,  Die 
graphische  Statik  der  Bau- 
konstniktionen  Bd.  I . . 195 

— Der  Neubau  des  Bayer. 

National-Museum  s in 
München  . . . 637*,  666 

— Neubauten  der  Stadt 

Berlin 404 

— Nuss  bäum,  Leitfaden  der 

Hygiene 572 

— Oesterreich.  Beiträge 

zur  Hydrographie  O.  . . go 

— Ornament  igo2v.  Bürck  506 

— Peters,  Magdeburg  und 


.seine  Denkmäler  105*,  117'*' 

— Riehl,  Die  Kunst  an  der 
Brennerstrasse  ....  453 

— V.  Salisch.  Forstästhetik  29t 

— Stoy.  Tabellen  zur  Be- 
rechnung liölzernerTräger  668 

— Stuttgart,  Stadterweite- 


rung ....  86'*',  97'^’,  109 

— Sympher.  Wasserwirlh- 
schaftl.  Vorarbeiten  . . 87 

— von  Tein.  Untersuchun- 

gen der  Hochwasser-Ver- 
hältnisse im  deutschen 
Rheingebiet 87 

— Tolkmit.  Leitfaden  für 
das  Entwerfen  und  die  Be- 
rechnunggewölbterBrück.  63c 

— Die  Umschau  . . . . 79 

— Veitmeyer.  Leuchtfeuer 
und  Leuchtapparate  . . gi 


— Wall6.  Eduard  Knoblauch  187 

— Wasserversorgung  u. 
Abwässer  - Beseitigung, 
Mittheilungen  aus  der 
Prüfungsanstalt  ....  505 

— Wildt.  Prakt.  Beispiele 

aus  der  darstellenden 
Geometrie 188 

— Zeitschrift  für  Mathe- 
matik und  Physik  . . . 187 

— Zillicb,  Statik  für  Bau- 

gewerkschulen u.  Bauge- 
werksmstr 79 

— Zimmermann.  Ueber 

Raumfachwerke  . . 325'“ 

Bücherverzeichnisse.  92,  135, 
188,  224,  292,  404,  484,  508, 
535.  631,  636,  668 
Bürgermeister,  Brth.  Stahl 
in  Friedberg  i.  Hessen  . 648 

Bürgersteig  - Anlagekosten 

und  Wegebaupflicbt  . . 368 

Burg  bei  Magdeburg,  Kanali- 
sation und  Wasserver- 
sorgung der  Stadt  . . . 609 


Charlottenburg.Dienstwohn- 
geb.  für  d.  komm.  General 
des  111.  Armeekorps  . . 402 

— Hochschulen  f.  die  bilden- 
den Künste  und  für  Musik  561*, 
569*,  573*,  581* 


Seite 


Charlottenburg.  Schwarz- 
Weiss- Aussteil.  Amelang  608 
— Vereinshaus  „Motiv“  . . 624 
China.  Thätigkeit  der  deut- 
schen Eisenbahntruppen 
I90o''i9or 194 


Chronik.  31,  80,  135,  180,  232, 
264,  304.  324,  353,  376,  379, 
392,  400,  428,  431,  453,  464, 
484,  516,  528,  536,  556,  567, 
580,  592,  600,  612,  656 


Dächer,  billige  Schalungsd.  530’*^ 

— Drahtkiesleiste  für  Holz- 
zement-D.  von  Nebeling  610* 

— Oberlicht  über  d.  Kassen- 
hofe des  Bankgebäudes  d. 
Disconto-Ges.  in  Berlin  564-'’ 

Dachziegel,  gedämpfte  . . 340 
Dahlem,  Bebauungsplan  der 

kgl.  Domäne 131 

Darmstadt.  Ausstellung  der 
Künstler-Kolonie  28,  254*, 
306*,  630*,  638* 
Decken,  Eggert-D.  611*,  635 

— Koenen’sche  Voutenplat- 

ten,  schallsicher  . 72,  lao 

— Einsturz  einer  solchen  in 

Hamburg 130 

— Feuersicherh.v.Balkon-D.  r68 

— feuersichere  Holzbalken- 

D.  von  Esch  ....  367^' 

— in  Beton  auf  der  Ausstell. 

in  Düsseldorf  . . . 450* 

Deichschutz 267* 

Denkmal  für  Ernst  Dirck- 
sen  in  Berlin 534 

— Wettbewerb  um  das  Bis- 
marck-D.  für  Hamburg  33*, 

41*,  45*  5r,  53*,  57.  64,  72 
Desinfektion.  Desinfiz.  Wand- 

anstriche j86 

Deuben,  Glashüttenwerke 

Adlerhütte 456 

Dt.  Krone,  Kurse  für  Meliorat.- 
Techniker  an  der  Bauge- 
werkschule   3C5 

Deutschland.  Entwicklung 
der  Elektrizitäts-Werke  . 71 

— Die  Geburtsstätte  der  Re- 
naissance in  D.  . . . 441* 

Dichtung  von  Muffenrohren 
von  Beinhauer  . 506*,  624 

Diedenhofen.  Die  Stadter- 
weiterung   305* 

Dom  zu  Meissen  ir,  131,  225^’’, 

356*,  367,  450 

— HeizungdesMagdeburg.D.  247 
Dresden.  Deutsche  Städte- 
ausstellung 144,  328,  367,  527 

— Zur  Frage  des  Um-  oder 

Neubaues  der  Augustus- 
Biücke 637''- 

— Fernheizwerk  ....  132 

— Techn.  Hochschule,  Ehren- 
doktoren   224 

— Jakobikirche 63 

— Johannstädt.  Krankenhaus- 

Anlage  63,  134 

— Gottfr.  Semper  über  öffent- 
liche Gebäude  ....  335 

Druckluft-Betriebsmittel  bei 
Kleinbahnen  und  städt. 
Strassenbahnen  206*,  218''', 
221*,  228*,  249’'“ 
Dübelsteln  von  Niederadode- 
leben  ....  240,  276,  304 
Dünenbau  auf  der  Kurischen 

Nehrung 198 

Düsseldorf.  Industrie-  u. 
Gewerbe  - Ausstell. 

Der  Kunstpalast  141*,  156 

— — Geschichte  und  An- 

ordnung r63-'-,  169,  618 
- — Konstruktion  u.  Einrich- 
tung einiger  A. -Bauten 

245’*',  278^^',  306-'’,  313* 

— — Die  Architektur  der 

Bauten  374*i377*, 382*1389* 

— — DieArchitektur-Ausst.  gr, 

92,  410 

— — Die  „Kunsthistor.  Aus- 

stellung“ . . . 510,  S17 

— — Beton-  und  Zement- 

fabrikanten-A.  421'-",  435''^, 
447,  468*,  470 

— — Ausst,  künstler.  Gas- 

beleucht.-Gegenstände  156 

— Die  neue  Rheinwerft  . . 144 

— IX.  internat.  Schiffahrts- 
Kongress  195.3-13,358,363,623 

Duisburg,  ev.  Kirche  . . 497* 


Ehrenbezeugungen  an  Künst- 
ler und  Techniker  16,  44,  63, 
180,  187,  263,  376,  560,  642 

— Ernennung  deutscher  K. 

zu  Mitgl.  der  franz.  Ehren- 
legion ....  16,  40,  56 

— Ehrendoktoren  der  Techn. 
Hochschule  in  Berlin  . . 56 

— Festfeier  zu  Ehren  der 
kgl.  Brthe.  Kayser  & v.  Grosz- 
heim in  Berlin  ....  610 

Einsturz  des  Campanile  von 
San  Marco  in  Venedig  372-'= 
Eisen-Mauerzieranker  . 432* 

Eisenbeton-Bau  Röper  & 
Staacke  in  Hamburg  . . 287 

— -Pfahlrost  vom  Neubau 

d.  Amtsger.Wedding  582,  647* 
Eisenbahnen.Gesetzentwurf 
betr.  die  Erweiterung  der 
Staats-E.  und  Bau  von 
Kleinbahnen 96 

— im  Grossherzogth.  Baden  27a 

Vorarbeiten  und  Landes- 
karten   489,  494 

— Die  Usambarabahn  in 

Deutsch-Ostafrika  . , . 586 

— Thätigkeit  der  deutschen 

E.-Truppen  in  China 
1900/1901 194 

— Druckluft -Betriebsmittel 
bei  Kleinbahnen  u.  städt. 
Strassenbahnen  3o6'^  2i8-'-, 

221*,  ,228*,  249* 

— Elektr.  Versuchsbetrieb 

auf  der  Wannseebahn  . 412 

— Elektr.  Schnell-  u.  Voll- 
bahnen m.  hochgespanntem 
Drehstrom  als  Antrieb  103’'^ 

113*,  119,  122*,  246 

— Schnellverkehr  u.  Dampf- 

Lokomotive  143 

— Elektrischer  Betrieb  der 

Schweizer-E 567 

— Die  elektr.  Hoch-  u.  Un- 
tergrundbahn in  Berlin  70, 

265*,  273^',  277’*=,  283* 

— — Die  statische  Berech- 

nung des  Nornial- 
viaduktes  ders.  . . 370’” 

— Städt.  Schnellverkehrs- 
Pläne  in  Berlin  ....  563 

— Schwebebahn  - Projekt  f. 

Berlin 569,  634 

— Stadt-  u.  Vorortbahnen  in 

Hamburg 179 

— Neues  von  der  Hoch-  u. 
UntergrundbahninBoston  310 

— Die  elektr.  Stadtbahn  von 

Paris 593 

— Aufhalten  von  Bahnzügen 

io  Endbabnhöfen  . . . lo'’- 

— Der  Eisenb.-Lootse  . . 73 

— elektr.  Streckenblockung 
und  Deckung  von  Zügen  505 

— Zugschranken  nach  dem 

System  Röckl  . . . 627* 

Elbe.  Vertiefung  des  Fahr- 
wassers der  Unter-E.  . 406 
Elberfeld.  Bebauungsplan 

für  ein  grösseres  Gelände  27* 

— Schwebebahn  ....  70 
Elektrizitäts-Gesellschaften 

und  die  Wasserstrassen  in 

Oesterreich 463 

Elektrizitäts  - Werke  in 

Deutschland 71 

— in  Karlsruhe  i.  B.  201'^,  215'*' 

— Dasstädt.E.-W.in  Worms  197* 
Elektrotechnik.Effektbogen- 

lampe  mit  färb.  Licht  von 
S.  & H 156 

— Kostend,  elektr.  Beleucht.  192 

— Elektr.  Beleuchtung  von 

Zeichensälen  ....  496* 

— StromerzeugUDgfürelektr. 

Hausbeleuchtung  . . 633'’- 

— Anwendung  des  elektr. 
Starkstroms  im  Hochbau  182 

— Ueberwachungs-Anst.  f. 
elektr.  Anlagen  in  Berlin  64 

— Elektr.  Schnell-  u.  Voll- 
bahnen mit  hochgespann- 
tem Drehstrom  als  An- 
trieb 103*,  113'*“,  119,  122*,  246 

— Elektr.Versuchsbetriebauf 
der  Wannseebahn  . . . 412 

— Elektr.  Betrieb  der  Schwei- 
zerischen Eisenbahnen  . 567 

— Die  elektr.  Stadtb.  v,  Paris  593 
England.  Die  Baupacht- und 

die  Grundrenten-Verhält- 
nisse 606,  610 


IV 


Seite 


Entwässerung  von  Gebäuden 
usw.,  Unrathfänger  mit  Ge- 
ruchverschlussv.  Weithas  3t  ’- 
Erfurt.  Tiefbauabth.  an  der 
Baugewerkschule  . . . 431 

Essen.  Stadttheater  . . 160* 

Etat.  Das  Bauwesen  im 
preuss.  Staatshaushalt  38,  50 


Fahrradwege  in  Ortschaften  142 
Farbe.  Desinfizirende  Wand- 
anstriche   186 

Felsengräber  von  Petra  . 290 
Fenster.  Doppelfenster  von 

Walchner 272 

Fensterrecht,  bezw.  gemein- 
schaftliche Mauern  108,  156, 
180,  240,  480,  528,  536 
Festfeier  zu  Ehren  der  kgl. 
Brthe.  Kayser  & v.  Grosz- 
heim in  Berlin  . . . .610 

Festbauten.  Halle  d.  Sänger- 
bundesfestes in  Graz  . . 376 

Feuchtigkeit  in  einem  Spinn- 
saale   340 

Feuersicherheit  der  Balken- 
decken in  Wohn-  u.  Ge- 
schäftshäusern ....  168 

— Mack’s  Feuerschutz-Man- 
tel   534* 

Fischsterben  in  Flussläufen  531 
Fllnsberg.  Villa  Pintsch  . 85* 
Flussbau  - Laboratorium  in 

Karlsruhe 665 

Forstästhetik 291 

Frankfurt  a.M.  Stadttheater  159* 

— Das  Umlegungsgesetz  . 401 
Frankreich,  Nord.-,  Akadein. 

Studienreise  nach  ps''-,  106 
Franzlus.  Joh.  Ludw.,  Ob.- 
Baudir.  in  Bremen  zum 
70.  Geburtstage  . . . .114 

Franz.-Buchholz,  Herren- 
haus Gravenstein  ...  6'^ 
Freiburg  i.  Br.  Der  Wett- 
bewerb um  Entwürfe  für 
ein  neues  Kollegiengeb. 
der  Universität  523''',  529'^, 
539*,  567 

Friedberg  i.  H.  Wiederher- 
stellung der  Stadlkirche 

233’",  241'’= 

Friedhöfe,  neue,  in  München 

293*,  301*,  341*,  361* 
Fussboden.  Ahorn-F.  . 179* 

— in  Kirchen 568 

— -Heizung  im  kgl.  National- 
Museum  in  München  . öss'’’ 


Gallerien,  moderne,  in  Wien 

und  Prag 515 

Gas.  Verbrennungs  - Kraft- 
maschinen   566 

Gebühren  der  Arch.  u.  Ing. 
als  gerichtl.  Sachverstän- 
dige ....  70,  132,  536 

— -Ordnung  für  die  Arb.  des 
GartenkOnstlers  ....  412 

— — für  Landmesser  in 

Preussen 427 

• für  Vorentwürfe  im  Heiz.- 

543 


534 


und  Lüftungsfaclie 
--  Honorarnorm  für  Arch 
in  Paris 

Geläute  der  Sacre  Coeur- 
Kirche  in  Paris  ....  636 

Gera.  Fürstl.  Theater  . 158* 

Gerichts  - Neubauten  in 

Magdeburg 198 

Gerüste,  leichte,  für  grosse 

Höhen 135 

Geschäftshaus  Gebr.  Simon 

in  Berlin 625* 

Gesetzgebung.  Reichsgesetz 
betr.  Sicherung  der  Bau- 
forderungen . . . . 14,  19 
— Das  Umlegungs-G.  für 

Frankfurt  a.  M 401 

Gesundheitsschutz  in  öffentl. 

Lokalen  159 

Gesundheitswesen. Sanitäre 
Anlagen  und  Einrichtungen 
der  „Bayer.  Metallindustrie 
Tobias  Förster  & Co."  in 

München 351 

Gewächshäuser,  Schalten- 
rollen für 116 

Glashüttenwerke  Adlerhütte 

in  Deuben 456 

Glaskonstruktion,  Ulrich’s 
Doppcl-Panzerglasung  . 39 


Glaskonstruktion.  Luxfer- 
Prismen  u.  deren  Anwen- 
dung im  Bauwesen  . . 374'” 

Glasmalereien  von  Riess  in 
Dessau 220 

— und  Kunstverglasungen 

von  Schiein  in  Zittau  . . 496 

— Atelier  von  Prof.  Linne- 
mann  in  Frankfurt  a.  M.  592 

Glasmosaiken  von  Ravenna  30 
Gleise,  eiserne,  auf  Land- 
strassen   268--' 

Glockenthurm  in  Venedig, 
Einsturz  ....  - 372* 

Grabkammern  im  Felsen 

bei  Petra 290 

Graz.  Halle  des  Sänger- 

bundesfestes 376 

Grundbau.  Betoneis.-Pfahl- 
rost  vom  Neubau  des 
Amtsger.  Wedding  582,  647''’ 

Hafen- Anlagen.  Die  neue 
Rheinwerft  in  Düsseldorf  144 

— Die  geplanten  Binnen- 

schiffahrts-Anlagen in 
Bremen _ 554* 

— -Anlagen  und  -Bauten  in 
Karlsruhe  209’--,  213*,  284 

— Umgestaltung  des  Ro- 
stocker Hafengebietes  . 211 

— Die  geplante  Erweiterung 
des  Hafens  in  Ruhrort  236'’- 

— Winterhafen  in  der  Freu- 
denau bei  Wien  . . . 579 

— in  Kiautschou  ....  147 
Hamburg.  Eisenbetonbau 

von  Röper  & Staacke  . 287 

— Ueber  Bauverträge  90,  468 

— Einsturz  einer  Koenen’schen 

Voutendecke  u.  Umsturz 
eines  Schornsteins  . . . 130 

— Wettbewerb  um  das  Bis- 
marck-Denkmal 33’*“,  41’^',  45’*', 

51.  53*,  57,  64,  72 

— --  Feste  u.  Ausflüge  des' Äixb.- 

und  Ing.-Ver.  igor  . . . 154 

— Gehalts-  und  Anstellungs- 
gesetz der  Baumeister  . 558 

— Kirchen  in  Wandsbeck  u. 

Hammerbrook  . . 69^',  90 

— Fassaden  - Entwürfe  für 

Dr.  Albrecht  ....  570'= 

— Heine-Asyl,  Kuhstall,  Haus 

Jäüisch , Tuberkulosen- 
Heilstätte 183 

— Stadt-  und  Vorortbahn  . 179 

— Die  Alster  und  ihre  Zu- 
flüsse   182 

— Schiffahrts  - Schleuse  bei 

Tiefstack 558 

— Vertiefung  des  Fahrwassers 
der  Unterelbe  ....  406 

— Versenkung  v.  Sieldükern  634 

— Wasserwerk  in  Rothen- 
burgsort   336 

Handelsregister.  Verpflich- 
tung zur  Eintragung  248,  388 
Hannover.  Ausstellung  für 
landwirthschafil.Bauwesen  619 
Harz.  Thalsperren  am  . . 223 
Hebemaschinen,  Vortrag 
von  Prof.  Kämmerer  . . 328 
Heidelberg.  Wiederher- 
stellung des  Schlosses  I*,  II, 
16,  ij\  23,  25%  40,  54.  65’’^, 
99,  131,  342,  434*,  442 

— Kommission  von  Sach- 
verständigen 187,  200,  212 

Heizung.  Fernheizwerke  von 
Dresden  u.  Beelitz  . . . 132 

— elektr.  H.  einer  Küche  . 182 

— Gasheiz,  für  Kirchen  . . 656 

— des  Magdeburger  Domes  247 

— Zur  Kirchen-H.,  mangeln- 
der Zug  im  Schornstein 

580,  620 

— Dauerbrand -Kamin -Ofen 

von  Stauss 90'’- 

— Kachel-Oefen  der  Fabrik 
„Saxonia“  in  Meissen  . 463 

— Strebel’s  Original-Gegen- 

stroni-Gliederkessel  . . 8i‘’- 

— AltrömLsche  Heizungen  . to6 

— Fussboden-H.  im  kgl.  Na- 
tional-Museumin München  635’'' 

— Verbandsrobr  derDtschn. 
Zentralheiz.  - Industriellen  79 

— Absaugevorrichtung  für 

brennende  Kokskörbe  von 
Leo 470* 

Heizkörper,  Anstriche  von  316 


Heizungs-  u.  Lüftungsfach. 
Honorirung  von  Vorent- 


würfen   543 

Hilden.  Rathhaus  . . . 5:7* 


Hochschulen  für  die  bilden- 
den Künste  und  für  Musik 
in  Charlottenburg  561*,  569*, 
573*.  581* 

Hochschulen,  techn.  Be- 
suche an  deutschen  . . 666 

— Kurse  über.  Bau-  u.  Woh- 
nungs-Hygiene . 96,  199,  212 

— B erlin  , Diplomprüfung  . 391 

— — Ehrendoktoren  ...  56 

— Dresden,  Ehrendoktoren  224 

Wasserbautechn.  Ver- 
suche   303 

— Karlsruhe,  Fliissbau- 

Laboratorium 665 

— München.  Arch, Streiter, 

Doz.  für-  Kunstgeschichte  376 

— Nürnberg.  Einrichtung 

einer  T.  H 200 

— Wien.  Die  ei'sten  Dr.- 

Promotionen 116 

Raummangel  ....  160 

Holz  - F achwerkbogen  von 
Stephan  ....  195*,  470 

Honorar  s.  Gebühren. 

Horchheim,  Rheinbrücke  . 302 

Hygiene,  Kurse  über  Bau- 
u.  Wohnungs-H.  an  den 
techn.  Hochschulen  g6, 199,212 


Industrie.  lubiläums-Stiftung 
der  deutschen  Ind.  . 52,  367 

Ingenieure.  Ehrenbezeugun- 
gen an 560 

— Architekten  als  gerichtl. 

Sachverständige  . 70,  132 

Innsbruck.  Kunsthistor.  Kon- 
gress   148 

Italien.  Der  freie  Zutritt  zu 
den  öffentl.  Kunstanstalten  543 

— Der  herzogl.  Palast  in 
GubbiO|Nationaleigenthuni  548 


Jacobsthal,  Joh.  Ed.,  Geh. 
Reg.-Rath  und  Prof,  f . 12, 
>8*,  34,  45 

— Denkmal  in  der  Techn. 
Hochschule  in  Berlin  . . 360 

— Ausstellung  seines  künst- 
lerischen Nachlasses  . . 388 

Jena.  Volksheim  der  Zeiss- 

Stiftung 59z 

Jubiläum.  70.  Geburtstag  des 
Geh.  Brth.  Wilh.  Böckmann 
in  Berlin 4®,  63 

— 70.  Geburtstag  von  Job. 

L.  Franzins  in  Bremen  . 114 

— Zum  70.  Geburtstag  von 
Ob. -Brth.  L.  Gerber  . . 607 

— 70.  Geburtstag  von  Geh. 

Reg -Rath  Launhardt  in 
Hannover 195 

— 50  jähr.  Bestehen  der  Firma 

Büsscber  & Hoffmann  in 
Eberswalde 579 

Jubiläums-Stiftung  derdtscho. 
Industrie  ....  52,  367 


Kali-Bergwerk  Jessenitz  . 280 

Kalksandstein ix 

Kanal,  Der  Königsberger 
Seekanal 59'’’ 

— Der  Panama-K 400 

Kanalisation  von  Paris  i5o-^’,i66'® 

— und  Wasserversorgung  der 
Stadt  Burg  bei  Magdeburg  609 

— Versenkung  von  Sieldükern 

in  Hamburg 634 

— Abwasserreinigung  durch 
das  biolog.  Klärverfahren  771 

— desgl.  durch  Rieselung  . 432 

— Dichtungen  von  Muffen- 
rohren von  Beinhauer  506*, 624 

— Unrathfänger  mit  Geruch- 
verschluss von  Weiüias  31'’' 

— Sinkkasten-Eimer  292,  380 
Kapelle,  Grabk.  der  Fugger 

in  Augsburg  ....  441''' 
Karlsruhe  i.  B.  Allgem.  Ver- 
sorgungsanstalt ....  73* 

— Neue  Verkehrsanlagen; 
Bahnanlagen  20i’’',  209*,  263, 

294,  324 

— Elektrizitätswerk  201“',  275’" 


Karlsruhe  i.  B.  Flussbaii- 
Laboratorium  a.der  T echn. 
Hochschule 665 

— Hafenbauten  209*,  2x3-'',  284 
Kassel.  Rathhaus-Wettbew.  381*, 

393*,  401*.  405*.  415*,  429* 
Katalog  der  Korksteinfabrik 
V.  Grünzweig  & Hartmann  666 
kautschukbutter,  undurch- 
lässiger Anstrich  . . . 223 
Kayser  & v.  Groszheim,  kgl. 

Brthe.,  Festfeier  in  Berlin  610 
Kehrmaschinen,  in  Berlin  . 29  t 
Kiautschou,  Hafenbau  . . 147 
Kirchenbauten.  Prot.  K.  in 
Aeschach-Hoyren  . . 13 1* 

— Jakobi-K.  in  Dresden  . . 63 

— ev.  K.  mit  Pfarrhaus  für 

Duisburg 497'’- 

— Wiederherstellung  der 
Stadt-K.  in  Friedberg  i.  H. 

233*,  241* 

— inHammerbrooku.Wands- 

beck-Hamburg  . . 69’”,  90 

— kath.  Westminster-Kathe- 

drale  in  London  . . 145'’' 

Kläranlage.  Abwasser-Rei- 
nigung durch  das  biolog. 
Klärverfahren  . . . .171 
Klosets,  Neuerungen  an, 

Westfalia  frostfrei  . . . 168 
Köln  a.  Rh.  Stadttheater  585*, 
601*,  6rt 

Königsberg  i.  Pr.  Der  See- 
kanal   59'^ 

Kohlenfelder  des  preuss. 

Staates 303 

Kokskörbe.  Absaugevor- 
richtung für  brennende  K. 

von  Leo 47°* 

Kongress,  kunsthistor.,  in 
Innsbruck 148 

— IX.  Internat.  Schiffahrts- 

K.  in  Düsseldorf  195,  343, 

358,  363 

Konservator  der  Kunstdenk- 
mäler der  Prov.  Branden- 
burg   3 t 

Korkstein  im  Wohnhausbau  187 

— Katalog  der  Fabrik  von 
Grünzweig  & Hartmann  666 

Korkteppich 240 

Kosten  der  elektr.  Beleuch- 
tung   192 

Krankenhaus  - Anlage  in 

Johannstadt-Dresden  63,  134 

— Die  Heilstätten  - Anlage 

bei  Beelitz  . . . 133,  134 

— Das  Rhein.  Diakonissen- 
haus in  Kreuznach  . 129’'^ 

Krankenräume,  ständ.,  in 
Miethwohnungen  . . . 156 

Kreuznach.  Das  Rhein. 

Diakonissenhaus  . . 12g'’- 

Kündigungsfrist  der  Tech- 
niker   ii6j  264 

Künstler,  Auszeichnungen 

an  . . 116,  224,  43t,  579 

Künstler-Kolonie-Ausstellung 
in  Darmstadt  28,  254.*,  306^’, 
630^^=,  638’® 

Künstler  u.  Techniker,  Ehren- 
bezeugungen 16,  44,  63,  180, 
187,  263 

Kunstakademie.  Hochschulen 
für  die  bildenden  Künste 
und  für  Musik  in  Char- 
lottenburg 56 569 573'^',  58  L* 
Kunstdenkmäler,  Form  der 
Verzeichnisse  in  den  preuss. 
Provinzen 426 

— Die  alten  K.  auf  dem  Ka- 
tholikentag in  Mannheim  534 

— Der  herzogl.  Palast  in 
Gubbio,  Nationaleigenth.  548 

Kunstpflege,  staatliche  in 
Oesterreich  . . . 186,  286 


Landesanstalt  für  Gewässer- 
kunde in  Preussen  . 263,  290 
Landeskarten  u.  Eisenbahn- 
Vorarbeiten  . . . 489,  494 

Landtagsgebäudein  München  35  c 
Landwirthschaftl.  Bauwesen 

in  Bayern 463 

Landwirthschaftl.  Bauten  290 
Launhardt,  Geh.  Reg.-Rath 
in  Hannover,  zum  70.  Ge- 
burtstage   195 

Leipzig.  Ausstellung  des 

Kunstgewerbe-Museums  . 567 
— Techn.als  besold.Stadtrih.  186 


V 


Seite 


Seite 


Seite 


Leipzig.  Billige  Wohnungen 
im  Erbbaurecht  ....  i86 
Levy,  Ludwig,  Arch  , techn. 

Ref.  für  Bauwesen  im  Minist, 
des  Inneren  in  Baden  . . 40 
Lichtpaus  - Apparat  „Sim- 
plex" von  Martz  . . 323* 

Linoleum-Korkteppich  . . 240 
London.  Reiseindrücke  über  go 

— katholische  Westminster- 

Kathedrale  ....  145'^ 

— Internat.  Feuerausstellg.  496 
Loschwitz  bei  Dresden, 

Viilen 505* 

Lültung  in  öffenü.  Lokalen  159 
Luxemburg.  Die  neue  Strassen- 
brücke  . . 521*,  533-*,  537* 


Magdeburg.  Schulbauten  . 107 

— Ausgrabungen  am  Dome  130 

— Heizung  des  Domes  . . 247 

— Die  Heydeckerei  . . . 324 

— Justizneubauten  ....  198 
Mainz.  Umbau  der  Eisen- 
bahnbrücke über  d.  Rhein  359 

Malerei,  plastische  von  Schudt  44 

— Augsburger  Fassaden-M.  470 
Mannheim.  Bootshaus  der 

Rudergesellschaft  . . 557'’' 

Marmor,  italienischer  . . 96 

— -Lager  in  Deutsch-Süd- 

west-Afrika 560 

— -Zement  264 

Mauern.  Gemeinschaft!.  . 420 
Mauerzieranker  V.  Schulze- 

Köln  432* 

Meissen,  Ausbau  des  Domes  ii, 
131,  225*,  356*,  367,  450 
Meliorations  - Techniker, 

Kurse  für,  an  der  Bauge- 
werkschule in  Dt.-Krone  315 
Ministerium  der  öffentl.  Arb. 

in  Preussen,' Wechsel  im  333 
Mörtelmischer , Bauart 

Steinbruck-Schmelzer  591* 
Mosaiken,  alte  und  neue  . 239 
München.  Arch.  Streiter, 

Doz.  für  Kunstgeschichte 
an  der  techn.  Hochschule  376 

— Ständige  Ausstellungs- 

bauten 3gx 

--  Kunstgewerbe -Ausstellg. 
für  1904  . . 108,  126,  355 

— DasMüller’scheVolksbad445*, 

453^,  458’^  518 

— Die  neuen  Friedhöfe  29s"'', 

301^*=,  341%  36r'^ 

— Fussbodenheizung  im  kgl, 

Nationalmuseum  . . 635* 

— neues  Landtagsgeb.  . .351 

— Landhaus  Schmidt  bei  . 13* 

— Schloss  Schwaneck  im 
Isarthal  ....  613'*,  621-’' 

— Wohnhaus  Stroblberger 

io  Thalkirchen  . . . i8g''' 

— Reisebericht  über  M.  77,  89 

— Verein  für  Volkskunst  u. 
Volkskunde  . . . 558,  619 

Münster  zu  Strassburg  i.  E.  481 
Museum.  Abeudbesuch  im 
Kunstgewerbe-M.  in  Berlin 

548,  584 

Musterbuch  für  Treppen 
und  Gitter  von  Fritzsche 
in  Leipzig  ....  519,  534 


Niagara  - Fälle  , Gewölbte 

Brücken 337''' 

Niederschläge,  feuchte,  an 
Küchenwänden  ....  464 
Nienburg  a.W.  Baugewerk- 
schule, Tiefbau-Abth.  . 567 
Nil-Standamm  bei  Assuan  650* 
Normalformat,  Feststellung 
des  sogen.  Klosterform. 

55,  104 

Nürnberg,  bayer.  Landes- 
Industrie-Ausstellg.  1906  248 

— Errichtung  einer  techn. 

Hochschule 200 

— Umbau  der  Synagoge  . 556 


Oberlicht,  verschiebbares, 
über  dem  Hauptkassen- 
hofe des  Bankgeb.  der 
Disconto-Ges.  in  Berlin  564'’“ 
Oesterreich.  Die  staatliche 
Kuustpflege  . . . 186,  286 
— Ausstell,  des  Verbandes 
öst. Kunstgewerbe-Museen  315 


Seite 

Oesterreich.  Die  Wasser- 
strassen und  die  ö»terr. 
Elektrizitäls-Ges.  . . . 463 

Oefen.  Strebel’s  Original- 
Gegenstrom-Gliederkessel  81.* 

— Dauerbrand-Kamin-O.von 

Stauss go'- 

Kachel -O.  der  Fabrik 
„Saxonia"  in  Meissen  . . 463 

— Anstrich  von  Füllofen- 

Mänteln  31Ö 

Orgeln  im  Dom  zu  Frank- 
furt a.  M.  und  in  der  Lteb- 
frauenkirche  zu  Trier  553'^ 

Ozon  zur  Trinkwasser-Rei- 
nigung   467 


Palais  Staudt  in  Berlin  649*,  657’’' 

Panama-Kanal 400 

Paris.  Die  Kanalisation  150*,  166* 

— Honorarnorm  für  Arch.  534 

— Die  elektr.  Stadtbahn  . 593 

— Geläute  der  Sacre  Coeur- 

Kirche  636 

Pensionlrung  der  ' Bau- 
beamten . . . . 8r,  587 

Peters,  Geh.  Brth.  in  Dresden  2 19 
Petra.  Felsengräber  . . . 290 
Petroleum.  Besprengen  chauss. 

Strassen  mit  Roh-P.  . . 143 
Photographien,  sprechende  144 
Prag.  Moderne  Gallerie  . .515 
Preisbewerbungen. 

— zur  Handhabung  der  Wett- 
bewerbe   580 

— Konkurrenzwesen  ira  Kunst- 
gewerbe   304 

— Altenburg  i.  S.,  Skat- 
brunnen   43t,  636 

— Amsterdam.  „Ehrenpreis- 
frage“ der  Ges.  zur  Be- 
förderung der  Baukunst  ^ 

— Astrachan.  Elektr.Zen- 
trale  und  Beleuchtung  . 220 

— Barcelona.  Spanische 

Archäologie 392 

— Basel.  Rheinbrücke  . 24,  56 

— Bautzen.  Fassaden-Ent- 

würfe 388 

— Berlin.  Vorrichtung  zum 
Messen  des  Winddrucks  12 

— — Elektr.  Schiffszug  auf 

dem  Teltow.  Kanal  . 31, 

56,  340 

Vorspann-Maschine  mit 

Spiritus  - Motor,  Aus- 
schreiben des  preuss. 

Minist 168 

Stipend.der  L.  Boisson- 

net-Stiftung  . . 428,  619 

Titelblatt  zu  dem  Werke 

„Das  Bauernhaus“  471,484 

— — Plakat  des  Verlages 

d.  „ModernenReklame“648 

— - für  die  Mitgl.  des 

Arch.-Ver.  Ueberdach. 
der  Treppen-Auf-  und 
Abgänge  für  elektr. 
Untergrundbahnen  . 600 

— — — Schinkel -Preisauf- 

gaben . . II,  16,  128 

für  die  Mitglied,  der 

Vereinig.  B.  Arch. 
Umgestaltung  des  Aus- 
stellungsgeb.  31,84,92,108 
Bogenlicht-Kandelaber  264, 

284,  351 

— ~ für  die  Mitgl.  des  Ver. 

Motiv,  zur  Ausschm. 
des  Motivhauses  . . 52 

— — Bebauung  von  Park 

Witzleben  für  d.  Mitgl. 
des  Deutsch.  Techn. 
Verbandes  . . 336,  352 

Grosser  Staatspreis  d. 

Akademie 519 

Ausschr.  d.  Ver.  dtsch. 

Eisenb. -Verwaltungen  187 

— — Ausschr.  d.  Ver.  dtsch. 

Verblendstein-u.Terra- 
kotten-Fabrikanten  212, 
220,  452,  492 

— — Preis  der  Schlichting- 

Stiftung  .....  135 

— — Preisausschreiben  des 

Ver.  d.  Maschin. -Ingen.  144 

Ausschr.  der  Grossen 

B.  Strassenbahn,  Ge- 
schwindigkeitsmesser 444 

— Bern.  Denkmal  zur  Er- 
innerung an  die  Gründung 
des  Weltpost-Vereins  172,  600 


Preisbewerbungen. 

— Bieiefeld.  Synagoge  . 284 

— Bremen.  Gymnasium  u. 
Realvoilanstalt  ....  120 

— — Krematorium  263,  338, 

4^.  320 

— Bremerhaven, Sparkasse  7C 

— Breslau.  Konzerthaus  ,.  248 

— — Bismarck-Bruoiien  . 642 

— Brünn.  General  - Regu- 
lirungsplan . 96,  104,  108 

— Budapest.  Kais.  Elisa- 
beth-Denkmal . . . 44,  96 

— — Kossuth-Mausoleum  . 187 

— Chemnitz.  Bismarck- 
thurm . . . 404,  536,  560 

— Christiania.  Anlagen 

zur  Ausnutzung  des  Was- 
serfalles Halfredsfos  . . 31 

— Danzig.  Fassaden-Ent- 
würfe  . . . 220,  260,  556 

— — Landes-Versicherungs- 

anstalt  ....  376,  572 

— Dortmund.  Theater  . 336 

— Dresden.  Relsestipen- 

dium  der  kgl.  Akademie 
der  Künste 187 

— “ Umgestaltungdeslnne- 

ren  der  Annenkirche  572 

— — Kapelle  der  Ehrlich- 

Stiftung 6i2 

— --  Rathhaus  . . t6,  3t,  62 

Schutzvorrichtung  für 

den  elektr.  Strassen- 
bahnbetrieb  ....  300 

— Dresden-S  tries  en.  ev. 
Kirche  mit  Gemeindehaus  224, 

492,  496,  504 

— Düsseldorf.  Deutsch- 
nation, Kunstausstellung  536 

— Duisburg-Neudorf. 

ev.  Kirche  . . . .'368,  497'^ 

— D urban  (Natal).  Rathhaus  584 

— Eberswalde.  Rathhaus  360, 

376,  612,  619 

— Emden.  Töchterschule 

mit  Lehrerinnen-Seminar  608 

— England.  Sanatorium  für 
Tuberkulose  56,  71,  427 

--Essen  a.  Rh.  Töchter- 
schule mit  Seminar  360,  376, 
619,  648 

— Fr  ankf urt  a.  M.  evangel. 

Kirche 200 

— — höh.  Mädchenschule  . 619 

— Freiburg  i.  Br.  Stadt- 
theater   16,  64 

— Kollegienhaus  der  Uni- 
versität 71,  84,  412,  496,515, 
520,  523-^=,  529=*=,  539’*4  556,  560, 

567,  608 

— Friedbergi.  H.  Krieger- 

Denkmal  284 

--  Garmisch , Ausschr.  zur 
Förderung  des  Blumen- 
schmuckes der  Wohn- 
häuser   232 

— Giessen.  Mädchenschule  135 

— Godesberg  a.  Rh.  ev. 

Gemeindehaus  . . 24,  224 

--  Gothenburg  i.  Schw. 

Bebauungsplan  ....  16 

— Hamborn,  Rathhaus  92,  96, 

108,  izo,  135 

— Hamburg,  Verwaltungs- 
geb, der  Lagerhaus- Ges. 

16,  200 

— — Bismarck-Denkmal  16,  33”', 

41^  45*.  5L  53‘*',  56,  57. 

64,  72,  79,  84,  104 

für  dieMitglied.  des 

Arch.-  u.  Ing.-Ver. 
Musterblätter  für  Dach- 
deckungen ....  287 

— — Fassaden-Entwürfe  570'“ 

— Hannover.  Bismarck- 

Säule  128 

— Honnef.  Stiflsgeb.  148,  180, 
200,  404,  420,  43c,  452,  472 

— Italien.  Ausschreibeoum 
den  Preis  Galileo  Ferraris  304 

— Kassel.  Rathhaus  260,  336, 
376,  381*,  393.  393*,  400,  40i''4 

405*,  4 ‘5*  420,  429’^  43' 

— — Ständehaus  . . 368,  619 

— Kempten.  Brunnen-Denk- 
mal   '.  232 

— Kiel.  Lazareth-Anl.  600,  612 

— Koblenz.  Volksbank  . 128 

— Köln , für  die  Mitgl.  d es 
Arch.-  u.  Ing.-Ver.  für 
Niederrhein,  Gymnasium 

in  Steele 12 


Preisbewerbungen. 

— Königsberg  i.  Pr.  Mu- 
seum   528 

— Koethen.  Hospitalgeb.  24 

— Kolberg.  Quellwasser- 
leitung ii6,  128,  340,  440,480 

— — Kreishaus  284,  300,  403 

— Laibach.  Sparkasse  . . 187 

— Lauban.  Restaurations- 

Geb 336,  451 

— Leipzig.  Volksheilstälte 

in  Sorg 196 

Bucheinband  - Decken 

für  Fritzsche  . . 484,  612 

— Lobenstein.  HansKud- 

lich- Aussichtswarte  . .116 

— St.  Louis.  Wahrzeichen 
der  Weltausstellung  . . 420 

— — Uebertragung  elektr. 

Energie  ohne  Draht- 
leitung   528 

— Lübeck.  St.  Johannis- 
Jungfrauen-Kloster  . . 516 

— Mainz.  Pflegerinnenheim  1 16, 

128,  336 

— Meissen.  Realschule  mit 
Progymnasium  . . 648,  656 

— Metz. Bahnhofsbautensir, 316 

— München.  Gestaltung  der 
Kunstgewerbe-Ausstellg.  3 1 1 

— — Bebauung  des  Ruffini- 


Bazares 496 

— — Zentral-Postgeb.  . . 528 


— — Kochherdanlagen  für 

Mannschaftsküchen  . 336 

für  die  Mitglied,  des 

b aye  risch  en  Arch. - 
u.  Ing.-Ver.,  Präpa- 
randenschule  inLands- 

berg 12 

Krankenhaus  in  Pasing  44 

— — Kath.  Kirche  in  Winds- 

heim   240 

Häusergr.  in  Erding  . 240 

Sparkassengeb.  in  Kauf- 
beuren   352 

— — Schulgeb.  für  Wiseth  420 

Progymnasium  in  Forch- 

heim  . . . 567,  642,  648 

Glasfachschule  in  Zwie- 
sel   567 

— Münster  am  Stein.  Ev. 

Kirche 472,  492 

— Münster  i,  W.  Prov.- 

Museum  . . . . 24,  71,  648 

— Nienburg  a.  W.  Rath- 
haus 252,  260.  276,  428,  452 

— Nürnberg.  Plakat  der 
Firma  Joh.  Faber  . . . 648 

— O bersch  öne  weide. 
Rathhaus  ....  655,  668 

— Patras  (Griechenland). 
Kathedrale  St.  Andree 


567.  371 

- St.  Petersburg.  Haus- 
fassade Besser  ....  200 

. — Zwei  feste  Brücken  . 560 

- Pforzheim.  Hallen- 
schwimmbad 168,  212,  496, 

5'3.  535.  579 

- Philadelphia.  Mc. 
Kinley-Denkmal  444.  655 

- Plauen  i.  V.  Stadtpark  636 

- Prag.  Krematorium  . , 668 

- Recklinghausen. Kreis- 

haus 515,  528 

• Reichenhall.  Brunnen- 
denkmal   292 

- Remscheid.  Kirche  und 

Pfarrhaus 324 

- Saarbrücken.  Kran- 
kenhaus 264,  300,  504,  508 

- Santa-Cruz  auf  Tene- 
riffa. Bebauungsplan  . . 584 

- Schluckenau.  Spar- 
kassengeb. . . . 148,  340 

- Schmalkalden.  Rath- 
haus   160 

- Siegen.  Festhalle  224, 

264,  276 

- Sinziga.Rh.  Fussboden- 
muster  für  die  Mosaik-  u. 
Thonwaarenfabrik  504,  624 

- Stettin.  Bugenhagen- 

Kirche  . . . 3:1,  316,  624 

- Teplitz.  Realschule  135, 


276,  338 

— Teseben. Volksschulhaus 

264,  508 

— Thorn.  Kirche  u.  Pfarr- 
haus   135 

--  Tr  oppau.  Schmetterhaus  52 
Kudlich-Warte  . , . 352 


VI 


Reite 


Preisbewerbungen. 

— Turin.  Preisvertheilung 

auf  der  I.  internat.  Aus- 
steHung  für  moderne  de- 
korative Kunst  . . 520,  528 

— Wien.  Architekten. Aus- 

gestaltung des  Brigitta- 
platzes   592 

Brahms-Denkmal  79,  520 

Kais.  Franz  Josefs- 

Stadtmuseum  . . . 315 

— — Kais.  Elisabeth-Denkm.  519 

— — Bronze-Plakette  . . 180 

katli.  Pfarrkirche  . . 212 

Ausschr.  des  österr. 

log.-  u.  Arch.-Vereins: 

Auf  welcheW eise  kann 
die  Feuchtigkeit  von 
Mauern  behoben  wer- 


den? usw 451 

— Wiesbaden.  Landes- 
haus . . 200,  400,  412,  656 

— Wurzen.Entw.f  Smyrna- 

Teppiche  431 

— Zweibrücken.  Brunnen- 

Denkmal  292 

— Zürich.  Kunstbaus  . . 635 

Preisfragen,  volkswirth. 

schafthebe,  in  Bayern  . . 368 


Preussen.  Ersatz  der  staatl. 
Bauführerprüfung  durch 
das  Diplom-Examen  und 
Uebergangs-Bestiuimung. 
für  die  Zulassung  zur  Dok- 
tor-Promotion ....  608 

— Neue  Aufnahme-Bestim- 
mungen für  die  kgl.  Bau- 
gewerkschulen ....  340 

— Ernennung  von  Bauge- 

werkschul - Dir.  zu  Ge- 
werbe-Schulräthen  . . 315 

— Das  Bauwesen  im  Staats- 
haushalt   381  50 

— Gesetzentw.  betr.  Erweite- 
rung der  Staatseisenbahn, 
und  Bau  von  Kleinbahnen  96 

— Der  Wechsel  im  Minist, 

der  öffentl.  Arb.  . . . 333 

— Etalm.  Anstellung  der  Reg.- 

Bmstr.  der  Staatsbauver- 
waltung   78,  93 

— I.andesanstaltf.  Gewässer- 
kunde . . . . . 263,  290 

— Die  Kohlenfelder  des 

Staates 303 

— Gesundheitsschutz  in  öff- 
entlichen Lokalen  . . . 159 

— Form  der  Verzeichnisse 
der  Kunstdenkmäler  . . 426 

Promotion.  Die  ersten  Dr.- 
Pr.  an  der  techn.  Hoch- 
schule in  Wien  ....  116 

— Ersatz  der  staatl.  Bauführ. 

Prüfung  in  Preussen  durch 
das  Diplom-Examen  und 
Uebergangs-Bestimmungen 
für  die  Zulassung  zur 
Doktor-Pr 608 

Prüfung.  Diplom  - Pr.  für 
Architekten  an  der  Techn. 
Hochschule  in  Berlin  . . 391 

--  von  Materialien  durch 
Sandstrahlgebläse  • • • 55 

— Belastung  von  Zement- 

rohren  mit  verstärkter 
Wandung I57* 

— von  Portland-Zement  nach 

den  „Normen“  . . . 590* 

— Beton-Pr.-Maschinen-  . 322--' 

Prüfungs-Anstalt  für  Wasser- 
versorgung u.  Abwässer- 
Beseitigung 505 

Putzmaterial  Steinplastikum  120 


Quedlinburg,  Wiperti-Krypta 
240,  252 


Radfahrwege  in  Ortschaften  142 
Rathhaus  in  Augsburg  329*,  469“’- 

— in  Hilden 517’'' 

— -Wettbewerb  in  Kassel  381*, 

393*.  401*,  405*,  415*,  429* 
Raumfachwerke , Berech- 
nungsarten von  Zitnmer- 

mann 325* 

Ravenna,  Glasmosaiten  . 30 
Rechenbildkunde  d’Ocagne’s 
und  ihre  Bedeutung  für 
den  Bauingenieur  . . . 596 
Rechentafel  von  Pröll  . . 107 
Rechenstab  von  Beghin  . 134 


Seit? 

Reisen.  Winke  für  die  zweck- 
mässige Durchführung  von 
Studien  R 254 

— Die  österreichischen  Fach- 
genossen in  Berlin  . . 263, 

298,  303 

Reisebericht  über  München 
und  Oberbayern  . . 77,  89 

— über  London 90 

— Akademische  Studienreise 
nach  Nord-Frankreich  93''',  106 

— über  die  Felsengräber  bei 

Petra 290 

— über  die  römische  Cam- 

pagna  439 

Reklame-Schilder  an  land- 
schaftl.  bevorzugten  Stell.  63 

Renaissance,  Die  Geburts- 
stätte der  R.  in  Deutsch- 
land   441* 

Rohre.  Verbandsrohr  der 
dtschn.  Zentralheiz.-Indu- 
striellen  79 

— Zementrohre  mitvevstärk- 

ter  Wandung  ....  157* 

— Dichtung  von  Muffen- 
rohren von  Beinhauer  506’*',  624 

Rostock.  Umgestaltung  des 
Hafengebietes  . . . .an 

Rothenburg  o.  T.  Das  Haus 
des  Baumeisters  . . 433'^ 

Rücksendung  von  Zeug- 
nissen usw.  bei  Stellen- 
gesuchen   T34 

Ruhrort.  Die  geplante  Er- 
weiterung des  Hafens  a36”’- 


Santorinerde  439 

Schallsicherheit  v.Koenen’s 
Voutenplatten  . . 72,  120 

SchattenrolIenfürGewächs- 

häuser 116 

Schiedsrichter-Verfahren  . 656 
Schiffahrt.  Der  Königsber- 
ger Seekanal 59* 

— Die  geplanten  Binnen- 
schiffahrts  - Anlagen  in 
Bremen  .......  554 

— Die  AUter  und  ihre  Zu- 
flüsse   182 

— Vertiefung  des  Fahrvvass. 
der  Unterelbe  ....  406 

— Die  Wasserstrassen  und 
die  österreichischen  Elek- 
trizitäls-Gesellschafien  . 463 

— Der  Panama-Kanal  . . 400 

— Saugebaggeru.  Schwemni- 

apparate 602* 

Schiffahrts-KongressinDüs- 
seldorf  I95,'343i  35®.  363,  <==3 
Schinkel-  (Jahres-)  Fest  des 
Arch.-Ver.  in  Berlin  . . 146 

— -Preisaufgaben  11,  16,  128 
Schleusen  von  Hotopp  im 

Elb-Trave-Kanal  ...  30 

— Schiffahrts-Schl.  bei  Tief- 
stack-Hamburg  ....  598 

Schloss.  Wiederherstellung 
des  Heidelberger  Schl,  i*,  xi, 
16,  17*,  23,  25*,  40,  54.  65*, 
99>  13 1,  342,  434‘^  442 

— — Kommission  von  Sach- 

verständigen 187,  200,  212 

— Scbwaneck  im  Isarthal  bei 
München  . . . 613*,  621* 

— Schwarzenberg  in  Frank- 

ken 515 

— Das  Khahfenschioss  Amra 

in  der  arabischen  Wüste  337 
Schmick,  Reg. -Bmstr.  in 
Frankfurt  a.  M.  z.  vortr. 
Rath  im  hess.  Min.  der 
Finanzen  berufen  . . . 180 

Schneeschutzwehren  . . 464 
Schornstein,  Winddruck- 
Berechnung  n6 

— Neue  Bestimmungen  für 

die  Berechnung  der  Stand- 
festigkeit   395 

— -Umsturz  in  Hamburg  . 130 

— Zug  im  Sch.  und  seine 

Anordnung 620 

Schulbauten  in  Magdeburg  . 107 

— Das  Reform  - Gymnasium 

in  Weinheim  ....  481* 

Schwarzenberg  in  Franken. 
Wiederherstellung  des 

Schlosses  513 

Schwebebahn  in  Elberfeld  70 
— ■ -Projekt  für  Berlin  . 569,  634 

— -Bergaufzug  nach  d.  Bastei 

in  der  Sachs.  Schweiz  .658* 


.Seite 

Schweinfurt  a.  M.  Der 
Grundablass  der  Wehr- 

anlage 645* 

Schweissverfahren.  Das 
Goldschmidt’sche  Verfah- 
ren in  d.  Aluminothermie  319 
Schweiz.  Elektr.  Betrieb 
der  Eisenbahnen  . . . 567 

Schwerin  i.  Meckl.  Pen- 
sionirte  Baubeamte  u.  be- 
eidigte höhere  Bautechn.  543 
Schwitzwasser,  Abhaltung 

von 72,  120,  136 

Selbstfahrwesen  ....  426 
Semper,  Gottfr.,  über  öffent- 
liche Gebäude  ....  325 
Simplon-Tunnel,  mit  Rück- 
blicken auf  die  Bauge- 
schiclite  d.  älteren  Alpen- 
Tunnel  331*,  346*,  349’*=, 
386^=,  389*,  398=*=,  415*  518 
Sinkkasten  der  Strassen- 
kanalisation  . . . 292,  380 

Sonnenbrand  der  Basalte  . x86 
Speyer.  Neue  Hochbauten  282 
Sportanlagen.  Bestrebgn. 
zur  Pflege  des  Körper- 
wohlstandes u.  deren  Ein- 
fluss auf  d. Baukunst  117=*= 

— Bootshaus  d.  Mannheimer 

Rudergesellschaft  . . 557* 

Städtebilder,  bedrohte  526,  634 
Staffelei  von  Th.  Hofmann  258* 
Stallgebäude,  Kuhstall  in 
Hohenbüchen 183 

— Neues  Thor-,  Wohn-  und 

Stallgebäude  im  Zoolog. 
Garten  in  Berlin . . . 509='' 

Statistik.  DerStrassenbahn- 
Verkehr  in  Berlin  . . . 429 

Stauanlagen-Berechtigung  . 440 

— Der  Grundablass  d.Wehr- 
aolagein  Schweinfurt  a.  M.  645''*’ 

— Nil-Staudamm  bei  Assuan  650=*= 
Staukurven-Berechng.  514*,  635 

667. 

Steinplastikum,  Putzmater.  120 
Steuer,  Gewerbest.-Pflicbtig- 
keit  der  Architekten  224.  264 
Stiftung  der  deutschen  In- 
dustrie   52,  367 

— Carl  Zeiss  Stift,  in  Jena, 

VolJvsheim 592 

Stil,  byzantinischer.  . . . ii 

Stipendium  d.L.Boissonnet- 

Stiftung 428,  619 

Strassburg  i.  E.  Was  schul- 
den wir  dem  Münster?  . 481 
Strasse,  anbaufähige  . . . 480 

Strassenbahn  - Verkehr  in 

Berlin 429 

Strassenbau.  Kiesdecke  auf 
Faschinen 172 

— Eiserne  Gleise  auf  Land- 
strassen   268* 

— Beitrag  zu  den  Sti’.-Lasten 
von  den  Anliegern  304,  368 

Strassen  - Reinigung.  Die 
Berliner  Kehrmaschine  . 291 

— Sinkkasten 292 

Stuttgart.  Stadterweiterung  86’*', 

91%  109 

— Umbau  des  Hauptbahn- 
hofes   170,  220 

— Zur  Theaterfrage  . . . 282 

Submission,  s.  Verdingung. 
Synagoge,  Umbau,  in  Nürn- 
berg   556 


Tapeten.  Salubra  und  Tekko  506 
Techniker.  Ehrenbezeugun- 
gen an  . . 16,  376,  624,  642 

— als  besoldete  Stadträthe  186 

— als  Büi'germeister  . . . 648 

— Ernennung  deutscher  T. 

zu  Mitgl.  der  franz.  Ehren- 
legion   16,  40,  56 

— Kündigungsfrist  der  116,  264 

— VersicheruDgspflicht  der  232 
Telegraphie,  drahtlose,  nach 

Marconi,  Slaby  und  Braun 

238,  634 

Thalsperren  am  Harz  . . 223 
Theaterbauten  Seelings  . 158’*= 

— Stadttheater  in  Köln  585’*=, 

601*,  611 

— -frage  Stuttgarts  . . . 282 
TheoretischeUntersuchun- 

gen.  Die  statisch  bestimm- 
ten mehrtheiligen  Streben- 
Fachwerke 74 


Seile 

TheoretlscheUntersuchun- 
gen.  Bestimmungder  Auf- 
lagcrplatten  eines  Frei- 
trägers   322^,  367 

— Die  statische  Berechnung 
des  Normalviaduktes  der 
Berliner  elektr.  Hochbahn  370'*= 

— Ueber  Staukurven  Be- 
rechnung . . 514*,  635,  667 

— Bestimmung  von  Flächen- 
inhalten, Schwerpunkten, 
statischen,  Zentrifugal-  u. 
Trägheits-Momenten  mit- 
tels des  Projektirbogens  581* 

V.  Thielen,  Wechsel  im 
preuss.  Ministerium  der 

öffentl.  Arb 333 

Thür.  Automat.  Schiebeth. 

von  Merkelbach  . . . 248* 

Thurm.  Ausbau  der  Thürme 
des  Meissner  Domes  ir,  131, 
225*,  356*,  367,  450 
Tirol.  Die  Kunst  an  der 
Brennerstrasse  ....  453 
Titel.  Stadlbauratfas-T.  in 
den  Städten 464 

— Das  Recht  zur  Führung 
des  T.  Baugewerksmstr., 
bezw.  M.-  od.  Z.-Mstr.,  643,  668 

Todtenschau  u.  Nekrologe. 

— Bargum,  L.  C,  Bau- 
polizeiinsp.  in  Hamburg  . 388 

— Beutley,  John  Francis, 

Arch.  in  London  . . 145* 

— Bernatz,  Peter,  Stadt- 
baurath in  Würzburg  . . 64 

— Bö ckmann,  Wilh.,  Geh. 
Brth.  in  Berlin  556,  557'*=,  647 

— Bokelberg,  Stadtorth. 

in  Hannover 84 

— Dalou,  Jules,  Bildhauer 

in  Paris 208 

— von  Hänel,  Ad.,  Baudir. 

u.  Prof,  in  Stuttgart  . . 79 

— Hase,  Conr.  Wilh-,  Geh. 
Reg.-Rath  in  Hannover 

172,  261=*' 

— Heyden,  Ad.,  Geh.  Brth. 

in  Berlin 311 

— Dr.  Hobrecht,  James, 

Geh.  Brth.  in  Berlin  480,  48r, 

„ ^ «3*  ®47 

— Hopp  mann,  Ed.,  Arch. 

in  Hamburg 666 

— Jacobsthal,  Joh.  Ed., 

Geh.  Reg.-Rth.  u.  Prof,  in 
Berlin  12,  18*,  34.  45,  360,  388 

— Jolas,  Karl,  Ob.-lng.  io 

Ludwigshafen  a.  Rh.  . . 444 

— Kraus,  Frz.  Xaver  in 

Freiburg  i,  Br 12 

— Krupp,  Fr.  Alfr.  in  Essen  6ri 

— Linnemann , Alexander, 
Prof,  io  Frankf.  a.  M.  506,  552''' 

— Mairich,  Hugo,  Ing.  in 

Gotha 400 

— Muentz,  Eugen,  Prof,  in 

Paris 

— v.PresseI,Wüh.,Eisenb-- 
Ing.  in  Konstantinopel  . s 

— V.  Sauter,  Karl,  Baudir. 

in  Stuttgart 

— Spitta,  Max,  Geh.  Ob.- 
Brth.  in  Berlin  . 

— Steindl,  Emerich,  Prof, 

in  Budapest 5 

— vonStorck,  Jos.  Hofrath 

in  Wien  

— Streckert,WiIh.,WirkI. 

Geh.  Ob. -Brth.  in  Berlin  208 

— Virchow,  Rud.  in  Berlin  479 

— Voigtei,  lüch.,  Geh.  Reg.- 
Rath,  Dombmstr.  in  Köln  534 

— Westendarp,  George, 

Ing.  in  Hamburg  . . . 287 

Tunnel.  Der  Simplon-T.,  mit 
Rückblicken  auf  die  Bau- 
gescbichte  der  > älteren 
Alpen-T.  331*,  346*,  349*,  386*, 
389*  398*,  415*,  518 
Turin.  Ausstellung  für  mo- 
derne dekorative  Kunst  124*, 
248,  262*,  298*,  474*,  594* 


Umsturz  eines  Schornsteins 

in  Hamburg 130 

Unfallverletzte,  Berliner 

Verein  für 324 

Unrathfänger  mit  Geruch- 
verscbluss  von  Weithas  31=*= 
Urheberrecht.  Rede  von 
Georg  Hirth  in  München  30 

VII 


571 


403 

648 


172 


Seite 


Venedig.  Einsturz  des  Cam-  Verelns-Mitthellungen. 

panüe  V.  San  Marco  369’^,  372  — Dresden.  Sachs.  Ing.- 
■ — Untergang  der  Zecca  un.d  Arch,.-Ver.  274,  350,  455 

(Münzgeb.) 642  — Düsseldorf.  Arch.-  u. 

VerantwortlichkeitfürMän-  Ing.-Ver 184,  607 

gel  in  der  Ausführung  .72  — — Ver.  D.  Ing.  220,  323,  327 
Verbrenmings-Krafimascbi-  --  Frankfurt  a.  M.  Ärch.- 

nen 566  u,  Ing.-Ver.  . . . 30,  566 

Verdingungs-Bestinimung  . 300  — Hamburg.  Arch.- u. Ing.- 

— - Aenderungs-Vorschläge  . 392  Ver.  28,  69'’4  77,  89,  106,  130, 

Verein.  Ocsterreicliischer  147,  154,  179,  182,  238,  287, 

ingenieur-  u.  Architekten-  303,  310,  336,  339,  439,  468, 

Verein  in  Berlin  . . ' . 263  570’’',  593,  598,  623,  634,  666 

— für  Volkskunst  und  Volks-  — Karlsruhe.  Bad.  Ardi.- 

kunde  in  München  558,  619  u.  Ing.-Ver 664 

Vereinshaus  „Motiv“  in  Char-  — Köln  a.  Rh.  Arch.-  u. 

lottenburg 624  Ing.-V.  für  Niederrhein  u. 

Vereins-Mittheilungen.  Westfalen  ....  302,  390 

— Verb  an  d deutscher  Arch.-  — Magdeburg.  Arch.-  u. 

u.  Ing.-Ver.  Eingabe  an  Ing.-Ver.  30,  107,  T30,  198, 

den  Reichstag  betr,  Ein-  223,  247,  323 

Stellung  von  Mitteln  zur  — Mecklenburg.  Arch.-u. 
Erhaltung  des  Strassbur-  Ing.-Ver.  , . 43,  211,  280 

ger  Münsters 105  München.  Arch.- u.  Ing. - 

— — Denkschrift  betr.  die  Ver 15,  30,  260 

Stellung  der  Stadt.  Bau-  Ver  für  öffentl.  Ge- 

beamten 301  sundheitspflegc  187,  440 

— — Eingaben  an  die  Mini-  — Nürnberg.  Mittelfränk, 

sterien  betr.  Doktor-  Arch.-  u.  lug, -Ver.  . . 351, 

Promotion  53,  544,  632  556,  618 

— — verschiedene  Bekannt-  — Pfalz.  Kreisgesell- 

inachungen  65,  92,  329’^4  schaft  des  bayer.  Arch.- 

350.  3Ö9,  44U  534  u,  Ing.-Ver 282 

XV.Wanderversaimnl.  — Weimar.  Dtsche.  Gesell- 

inAugsburg4i3'^,457”',465’'',  schaft  für  Volksbäder  . 200 
470, 473'*',  481, 487,  499‘'45io  — Wiesbaden.  Arch.-  u. 

— — XXXI.  Abgeordneten-  Ing.-Ver 83,  171 

Versammlung  . . . 459  Verjährung  von  Bauforde- 

— Berlin,  Arch.-Ver.  11,23,55,  rungen 642 

70,  127,  131,198,259,272,595  Versicherungspflicht  der 

Schinkel-(Jahres-)Fest  146  Techniker 292 

— - — Vereinigung  B.  Arch.  94,  VerwaltungS-Geb.  Allgem. 

132,  158,  239,  302,  597  Versorgungs  - Anstalt  in 

V.  f.  Eiseilbahnkunde  70,  Karlsruhe  i.  B 73'-‘ 

119,  143,  194,  246,  426,  505,  Villa  s,  Wohnhaus. 

566,  634  Vilsbiburg  in  Bayern,  altes 
--  — Deutscher  Beton-V.  . 78  Städtebild  bedroht  . . - 526 

— — V.  D.  Porti. -Zement-  Vorträge  im  Kuiislgewerbe- 

Fabrikanten  ....  90  Museum  in  Berlin  . . . 518 

--  — V.  d.  Verblendstein-  u. 

Terrakotten-Fabrik.  . 90 
D.  Ver.  für  Thon-,  Ze- 
ment- und  Kalk-Indu-  Waarenhaus  Gebr.  Simon 
strie 108  in  Berlin 625’’- 

— — Ver.  für  Wasserver-  Wände  sich  selbst  tragend, 

sorgung  und  Abwässer-  solide  usw.  ...  80,  120 

reinigung 212  — Hohlstcinwand  v.  Donath  479'^ 

— Bremen.  Arch.- u.  Ing.-  — Raliraenwände  v.  Glasur- 

Ver 78,  366  steinen 49'^"' 

— Budapest.  Verband  für  — Niederschläge,  feuchte,  an 

Materialprüfungen  der  Küchenwänden  ....  464 

Technik 339  Wasser.  Reinigung  v.  eisen- 

— Darmstadt.  Mittelrhein.  haltigem 368 

Arch.-  u.  Ing.-Ver.  . . . 237  --  Trinkw. -Reinigung  durch 

— Dresden.  Arch.-V.  62,  131,  Ozon 467 

182,  290  — Zuführg.  z.  ein.  Villa  632,  656 


Seite  Seite 

Wasserbau.  Ursache  und  Wohlfahrtsspflege.  Arbei- 
Wirkgn.  d.  Hochwasser-  ter-Wohlf. -Einrichtungen 

katastrophe  1895  ...  15  d.  Laodes-Versicherungs- 

— in  d.  deutsch-afrikanischen  anstalteii 515 

Schutzgebieten  ....  178  — Car!  Zeiss -Stiftungin  Jena, 

— Ueber  Deichschutz  . 267*  Volksheim  ......  592 

— Wasscrbautechnisch.  Ver-  — Die  Heilstätten  - Anlage 

suche  an  d.  Techn.  Hoch-  bei  Beelitz  , , . . . . 132,  134 

.schule  in  Dresden  . , . 303  — Das  Rhein. -Diakonissen- 

— Wildbach-Verbauungen  im  haus  in  Kreuznach  . 129''' 

bayer.  Hochgebirge  510  Wohnhaus-Bauten  v.  Arch. 

■—  Staukurven-Berechnung  514'''.  Kallmorgen  i.  Hamburg  . 70 
635,  667  — Henning  in  Berlin  W.  . 353'*' 

— Der  Grundablass  d.  Wehr-  — Müller  in  Berlin  . . . 421* 

anlage  inSchweinfurta.M. 645''-  — Palais  Staudt  in  Berlin  649''', 

— Nil-Staudamm  bei  Assuan  650'^^  657* 

Wasserrecht-Benutzung.  . 440  — Gravenstein  für  Erz.  Buch- 
Wasserversorgung  ohne  holz ' . 6’’- 

Kanalisation 412  — Dienstwohngebäude  des 

--  und  Abwässcr-Beseitigg.,  komm.  Generals  vom  III. 

Prüfungsanstalt  . . 212,  505  Armeekorps  i.  Charlotten- 

— und  Kanalisation  d.  Stadt  bürg 402 

Burg  bei  Magdeburg  . . 609  — der  Künstler-Kolonie  in 

Wasserwerk  in  Bremen  . 336  .Darmstadt  254*  306'*^  628*  638* 

— in  Rothenburgsort  - Ham-  — in  Loschwitz  b.  Dresden  5o5"^' 

bürg 336  — Pintsch  in  Flinsberg  . 85* 

Wehranlage  in  Schwein-  — Schmidt  bei  München  . . 13* 

furt  a.  M 645*  — Curry-Reute  in  Riederau  609'“ 

Weinheim  i.  B.  Das  Reform-  — Stroblberger  in  Thal - 
Gymnasium  ....  481’^  kirchen  . . . . . . 189'*' 

Wellblech  - Dächer,  Aus-  — Glade  in  Dt. -Wilmersdorf  59'*' 
bcsserung  schadhafter  . 224  Wohnungen,  billige,  im  Erb- 
Wiederherstellung  desHei-  baurecht  in  Leipzig  . . 186 

delberger  Schlosses  Wohnungsfrage.  Stellung 

II,  16,  17^',  23,  25*,  40,  54.  der  Arch.-  und  Ing.  zur  476 

65*,  99)  13t,  342,  434*1  442  Worms.  Das  städt.  Elek- 

— Kommission  von  Sachver-  trizitätswerk  .... 

ständigen  . . 187,  200,  212 

— der  Stadtkirche  in  Fried- 
berg i.  H.  . . . 233^4  24i‘*= 

— des  Schlosses  Schwarzen-  Zeichnen.  Lichtpaus-Appa- 

berg  in  Franken  . . . 515  rat  „Simplex"  von  Martz  233* 

Wien.  Erhaltung  des  Riesen-  Zement,  Marmor-Z.  . . . 264 

thores  von  St.  Stephan  96  — Prüfung  von  Portland -Z. 

— Ausstellung  der  Secession  nach  den  „Normen“  . 590”' 

317*  Zementrohre  mit  verstärk- 

— Moderne  Gallerie  . . . 515  ter  Wandung  ....  i57* 

— Die  ersten  Dr.-Proraotio-  Zeugnisse,  Rücksendutig  bei 

nen  an  der  techn.  Hoch-  Stellengesuchen  ....  134 

schule 116  — über  Beschäftigung  . ■ 220 

— Raummangel  an  derselben  160  Ziegel,  Klosterformat,  Fest- 

— Winterhafen  an  der  Freu-  Stellung  eines  Normal- 

denau 579  formats 55,  104 

Wiesbaden.  Die  neuen  — Der  Wabenziegel  v.  Kühn 
Bahnhofs-Anlagen  ...  83  71,  347* 

Dt.-Wilmersdorf,  Landhaus  Zollhaus  bei  der  Taifer- 

Glade 59  brücke  in  Bozen  . . 566* 

Winddruck,  f.  Schornsteine  u6  Zoologischer  Garten  in 
Windfahne, Anemometer- ,v.  Berlin  und  seine  Ncu- 

Spengler 340*  bauten  137*,  149*,  161*,  169*, 

Wisby  auf  Gotland,  Erhal-  I75**  181*,  509*,  545'*'.  549'*' 

tung  des  Städtebildes  526,  634  Zürich,  Arch.  Lüthi,  als  Dir. 
Wohlfahrtspflege.  Bestre-  der  Kunstgewerbescbule 

bungenz.Pflege  d.Körper-  berufen 96 

Wohlstandes  u.  deren  Ein-  Zwischenraumsrecht  . . . 188 
fluss  auf  die  Baukunst  1 10*,  r 1 7* 


Besondere  Bildbeilagen. 

1 Plerrenhaus  Gravenstein  für  Frz.  Buchholz 

2 Das  Bismarck-Denkmal  für  Hamburg  von  Schaudt  und  Lederer 

3 Landhaus  Glade  in  Dt.-Wilmersdorf  bei  Berlin 

4 Villa  Pintsch  in  Flinsberg  in  Schlesien 

5 Entwurf  zu  einer  „Kolonie  zur  Leibeserziehung"  von  Architekt  Werle 

6 Das  Verwaltungsgebäude  und  der  Haupteingang  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin  .... 

7 Das  neue  Straussenhaus  im  Zoologischen  Garten  in  Berlin 

8 Villa  Stroblberger  in  Thalkirchen  bei  München 

9 Gebäude  der  Hafenanlagen  in  Karlsruhe  i.  B 

10  Die  Wiederherstellung  der  Stadtkiiche  in  Friedbeig  in  Hessen 

11  Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin 

12  Die  Kuppelhalle  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  dekorative  Kunst  in  Turin 

13  Ausstellung  der  „Vereinigung  bildender  Künstler  Oesterreichs,  Secession“  in  Wien  . . 

14  Die  Halle  für  Trauer-Versammlungen  im  Nördlichen  Friedhof  in  München 

15  Die  Hauptindustriehalle  aut  der  Düsseldorfer  Ausstellung  

16  Der  Wettbewerb  um  den  Bau  eines  Ralbhauses  in  Kassel 

17  Wohnhaus  Müller,  Bellevue-Strasse  13  in  Berlin 

18  Das  Müller’sche  Volksbad  in  München 

19  I.  internationale  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  in  Turin  

30,  Das  Bankgebäude  der  Disconto-Gesellschalt  in  Berlin 

21  Neues  Thor-,  Wohn-  und  Stallgebäude  im  Zoologischen  Garten  in  Berlin 

33  Entwürfe  für  ein  neues  Koliegiengebäude  der  Universität  Freiburg  i.  Br 

33  Die  neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  Petrus.se  in  Luxemburg  

24  Die  kgl.  akademischen  Hochschulen  für  die  bildenden  Künste  und  lür  Musik  in  Charlottenburg 

25  Das  neue  Stadttheater  in  Köln  a.  Rh 

26  Schloss  Schwaneck  im  Isarthal  bei  München 

27  Villa  in  Rosen  der  Künstler-Kolonie  in  Darinstadt 

s8  Das  Bayerische  National-Museum  in  München 

29  Das  Palais  Staudt  in  Berlin,  Regentenstr.  i und  Thiergartenstr,  9,  Diele 

30  desgl.  Musiksaal 


VIII 


Ieutsche 

I XXXVI JAHR- 
^BERLIN  ^ 

Die  Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses,  insbes.  des  Otto  Heinrichs-Baues.*) 

Von  Fritz  Seitz,  Architekt  in  Heidelberg. 

bandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine 


^ ^ 

I AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2.-I/2.  * 
) DEN  4-  JAN.  igo2.  * 


im  Jahre  i886  vorgelegt.  Vgl.Dtsche.Bztg.,  Jahrg.  i886, 
No.  71.  Ein  zur  Veröffentlichung  geeigneter  Theil  der 
Arbeiten  wurde  unter  dem  Titel  „Das  Heidelberger 
Schloss“  von  J.  Ko  ch  und  F.  Seitz  bei  Bergsträsser  in 
Darrastadt  herausgegeben).  Während dersiebenjährigen 
Zeit  der  Thätigkeit  des  Schloss-Baubureaus  ist  im  Jahre 
1884  eine  einzige  Veröffentlichung  von  Durm  im  „Cen- 
tralbl.  d.  Bauverw.“  erschienen,  welche  zu  der  Haupt- 
frage, was  mit  dem  Schloss  geschehen  soll,  Stellung 
nahm.  Eine  endgiltigeBeant  wortung  derFrage,  ob  wieder 
aufzubauen  oder  nur  zu  unterhalten  sei,  vertagtDurm  be- 


|s  sind  jetzt  20  Jahre  her,  dass  der  Verfasser 
in  der  „Deutschen  Bauzeitung“  den  baulichen 
} Zustand  des  Heidelberger  Schlosses  zu  be- 
schreibenversuchte (vgl.  Jahrg.  1882  No.  1 ff.). 

•'  Inzwischen  ist  vonseiten  der  grossherzoglich 
badischen  Regierung  mancherlei  für  die  Erhaltung  des 
Schlosses  geschehen,  und  neuerdings  sind  von  dem 
Finanzminister  einerKommission  von  Sachverständigen 
und  Freunden  des  Baudenkmals  so  weitgehende  Vor- 
schläge für  dessen  Wiederherstellung  zur  ßeurtheilung 
unterbreitetworden,  dass  man  wohl  sagen  kann,  jetzt  ist 
der  kritische  Augenblick  gekommen,  wo  über  das  Schick- 
sal desSchlosses  aufjahrzehnte 
hinaus  entschieden  wird.  Nach- 
dem nunmehr  durcliVeröffent- 
lichung  des  Protokolles  der 
Koraraissions-Berathungen  v. 

15.  Okt.  1901  für  sachliche  Er- 
örterungenin einem  Fachblatte 
die  Grundlage  gegebenist,  wird 
es  den  Fachgenossen  ange- 
nehm sein,  in  nachfolgenden 
Zeilen  Näheres  über  den 
Stand  der  Angelegenheit  zu 
erfahren.  Zunächst  ist  es 
nöthig,  die  Unternehmungen, 
welche  in  den  verflossenen 
20  Jahren  dem  Schlosse  zu 
Lieb  und  zu  Leid  geschahen, 
in  ihrer  Zeitfolge  und  ihren 
Ergebnissen  aufzuzählen. 

Im  Jahre  1883  beschloss  die 
grossherzogl.  Regierung,  vor 
allem  das  Material  zur  Beur- 
theilung  des  baulichen  Zu- 
standes des  Schlosses  zu  be- 
schaffen. Zu  diesem  Zwecke 
wurde  in  Heidelberg  ein  Bau- 
bureau errichtet  mit  zwei  Ar- 
chitekten, dem  Bauinsp.  Koch 
und  dem  Verfasser  als  Vor- 
ständen, welches  die  Aufgabe 
hatte,  das  Schloss  in  allenThei- 
len  aufzunehraen,  zu  zeichnen 
und  zu  beschreiben.  In  Karls- 
ruhe wurde  zurUeberwachung 
der  Arbeiten  des  Schloss-Bau- 
bureaus eine  Bau-Kommission 
gebildet,  der  unter  anderen 

die  Arebitektenßaudir.  Helbing,  Öb.-Brth. Prof.  Lang  greiflicher  Weise  bis  nach  Vollendung  der  Arbeiten  des 
und  Brth,  Prof.  Durra  angehörten.  Die  einzelnen  Schloss-Baubureaus, sprichtaberseineAnsichtdahinaus, 
Bauten  wurden  eingerüstet,  abgezeichnet  und  die  Be-  dass  die  falsche  Sentimentalität  für  die  Romantik  der 
Schädigungen  in  den  Zeichnungen  vermerkt  und  be-  RuincgegenüberderunerbittlichenThatsache,dass 
schrieben;  die  Fundamente  und  der  Baugrund  wurden  BäumeundEpheudasSteinwerkzerstören,nichtbestehen 
möglichst  ge^au  untersucht.  Ein  Mitglied  der  Bau-  könne, unddassimEinzelnenohneregelrechteUeber- 


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P-r  •'  -l  /{ 


kommission,  Prof.  Dr.  Schmidt  in  Heidelberg,  be- 
urtheilte  den  Baugrund  vom  geologischen  Standpunkte 
aus,  (Ira  Einzelnen  wurden  die  Arbeiten  und  die  leiten- 
den Grundsätze,  nach  welchen  die  Untersuchungen  vor- 
genommen wurden,  derWander-Versammlung  des  Ver- 

*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Für  Leser,  welche  der 
Frage  der  Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses  bisher 
ferner  gestanden  haben,  sei  ei-wähnt,  dass  Hr.  Arch.  Fritz  Seitz 
in  Heidelberg  zu  der  kleinen  Gruppe  von  Architekten  — zu  der 
Gruppe  Durm,  Koch,  Schäfer,  Seitz  — gehört,  welche  durch  die 
eingehendsten  und  sorgfältigsten  Untersuchungen  am  Schlosse  über 
den  thatsächlichen  baulichen  Zustand  desselben  in  erster  Linie 
unterrichtet  sind.  — 


dachung  der  Otto  Heinrichs-Bau  auf  die  Dauer 
nicht  zu  halten  sei.  Nach  Abschluss  der  Vorar- 
beiten erhielten  die  grossh.  Baudirektion,  der  Geologe 
Prof.  Dr.Schmidt  für  den  Baugrund,  der  Bildhauer  Heer 
für  die  Figuren  und  die  Vorstände  des  Schloss-Bau- 
bureaus, Bauinsp.  Koch  und  der  Verfasser,  den  Auftrag, 
getrennte  Gutachten  abzugeben  darüber:  „Was  hat  zu 
geschehen,  um  das  Heidelberger  Schloss  vor  weiterem 
Verfall  zu  schützen  und  vornehmlich  in  seinen  künst- 
lerisch werthvollen  Theilen  möglichst  lange  zu  er- 
halten?“ Der  Zeitfolge  nach  zuerst  gaben  die  Vor- 
stände des  Schloss-Baubureaus  ihr  Gutachten  ab. 


Sehen  wir  zunächst  zu,  welcher  Art  die  gefähr- 
lichen Beschädigungen  sind,  und  beschränken  wir  uns 
dabei  auf  den  Otto  Heinrichs-Bau,  dessen  Wiederher- 
stellung in  erster  Linie  infrage  steht,  so  finden  wir, 
dass  hauptsächlich  die  Einflüsse  von  Regen,  Frost 
und  Hitze  den  allmählichen  aber  sicheren  Untergang 
der  Ruinen  veranlassen.  Die  reiche  Hoffassade  is*- 
im  Erdgeschoss  bei  1,15®  Stärke  6,7%  im  i.  Ober 
geschoss  bei  0,93™  Stärke  etwa  5®  und  im.  2.  Ober 
geschoss  bei  0,84“  Stärke  gleichfalls  etwa  5™  hoch.  Un- 
gefähr die  I-Iälfte  der  Fassade  ist  bis  auf  Erdgeschoss- 
höhe durch  eine  durch  den  ganzen  Bau  gehende  Quer 
mauer  und  zwei  etwa  halb  hindurchgehende  massive 
Zwischenmauern  abgesteift.  Die  zwei  Obergeschosse 
stehen  mit  über  10“  Höhe  frei,  die  nördliche  Hälfte  hat 
bei  etwa  12,5”  Länge  auf  die  ganze  Höhe  von  rd.  17"^ 
keinen  Querverband  und  keine  Stütze.  Gerade  in  der 
Mitte  ihrer  Längsausdehnung  (vergl.  Abbildg.  i bei  A) 
hat  die  nördliche  Hälfte  der  Mauer  eine  wahrscheinlich 
von  dem  Einsturz  des  Daches  herrührende  Ausbauchung. 
Das  Maass  der  Ausbauchung  war  zurzeit  der  Auf 
nahmen  nicht  bedenklich,  doch  ist  das  Gefüge  der 
Mauerpfeiler  im  oberen  Stockwerk  gelockert,  und  die 
Fugen  nach  aussen  sind  geöffnet.  Kleinere  Bewe- 
gungen der  Mauer  haben  immer  stattgefunden,  denn 
man  musste  im  vorigen  Jahrhundert  die  Gewölbe  ein- 
schiagen,  weil  man  ihren  Schub  auf  die  Mauern  be- 
merkt hatte,  Das  Material  der  Mauer  ist  rother  Neckar - 
buntsandstein.  Die  Figuren  und  ein  Theil  der  Orna- 
mente sind  aus  Keupersandstein  gefertigt.  Ganz  er- 
hebliche Theile  der  Fassaden-Architektur  sind  in  Ver- 
witterung begriffen.  So  z.  B.  sind  der  reiche  Tri- 
glyphenfries  und  die  darunter  liegenden  Verdachun 
gen  der  Fenster  im  Erdgeschoss  zumtheil  fast  gänz- 
lich zerstört.  Die  Stockgurten  sind  auf  der  Oberfläche 
aufgelagert  und  vielfach  ausser  jeder  Form.  An 
diesen  Stellen  läuft  das  Wasser,  anstatt  abzutropfen, 
auf  die  darunter  liegenden  Fassadenflächen  und  zer- 
stört auch  diese.  Ganz  deutlich  zeigt  sich  die  grössere 
Einwirkung  der  Witterung  da,  wo  kein  Dach  ist:  beim 
Otto  Heinrichs-Bau  an  der  nördlichen  Hälfte  und  beim 
Friedrichs-Bau  an  den  freigestandenen  Giebeln,  und  hier 
wieder  besonders  an  der  Nordseite,  welche  die  Rück- 
seite dem  Wetter  zuwandte;  dort  musste  ein  Giebel 
fast  ganz  neu  ersetzt  werden. 

Es  bedarf  vor  dem  Forum  der  Sachverständigen 
keines  Beweises,  dass  ein  Dach  über  dem  Gebäude 
die  Mauer  auf  der  einen  Seite  den  Einflüssen  des 
Regens  und  der  Sonne  entzieht,  dass  der  Schluss  der 
Fenster  den  Frost  von  der  inneren  Fläche  der  Mauer- 
pfeiler abhält,  und  dass  durch  Einziehen  von  Zwischen- 
decken und  Zwischenmauern  die  ursprüngliche  Ver- 
ankerung der  4 Umfassungsmauern  in  einfachster  Weise 
wieder  hergestellt  werden  kann.  Die,  |Verankerung 
beugt  einem  jedenfalls  nicht  unmöglichen  plötzlichen 
Einsturz  der  Hoffassade  bei  aussergewöhnlichem 
Sturm  vor,  und  die  Erfahrung  an  anderen  Orten  der 
Schlossruine  spricht  dafür,  dass  der  Verwitterungs- 
prozess am  Aeusseren  durch  Abschluss  der  Athmo- 
sphärilien  von  dem  Inneren  verlangsamt  wird.  Für 
die  Vorstände  des  Schlossbaubüreaus  gab  es  daher 
keinen  Zweifel,  dass  konstruktiver  Ausbau  und  Be- 
dachung am  besten  geeignet  seien,  die  künstlerisch 
werthvollen  Architekturtheile  am  längsten  zu  erhalten. 
Es  war  nur  festzustellen,  ob  die  Mauer  imstande  sei, 
die  Daclilast  zu  tragen.  Diese  Frage  konnte  bejaht 
werden.  Die  verwitterten  Architekturglieder  müssten 
vorher  neu  ersetzt,  die  oberen  Theile  der  Hoffassade 
und  die  Pfeiler  an  der  Stelle,  wo  die  Ausbauchung 
sich  befindet,  müssten  abgetragen  und  wieder  auf- 
gebaut werden.  Die  auf  diese  Weise  wieder  in  einen 
guten  baulichen  Zustand  versetzte  Mauer  könnte, 
wenn  sie  noch  durch  Decken  mit  den  übrigen  Mauern 
verbunden  wäre,  die  Dachlast  tragen,  denn  die  Fun- 
damente der  Süd-,  Ost-  und  Westwand  sind  gut,  die 
der  Nordwand  leicht  zu  festigen.  Selbstverständlich 
konnte  ein  stilgemässer  vollständiger  Innenausbau, 
weil  derselbe  nicht  mehr  leistet,  als  ein  lediglich 
konstruktiver,  für  dieVorstände  des  Schloss-Baubüreaus 

2 


zunächst  nicht  inbetracht  kommen.  Hier  spricht  eine 
andere  Erwägung  das  letzte  Wort,  nämlich  die  Sorge 
um  die  Beschaffung  der  Geldmittel. 

Als  unumgänglich  nothwendig,  wenn  man  einen 
theilweisen  Aufbau  (Bedachung  und  Querverbände) 
nicht  ausführen  wolle,  wird  die  Ableitung  des  Regen- 
wassers, die  Abdeckung  der  Mauerkronen  und  der  Vor- 
sprünge mit  harten  Sandsteindeckeln,  die  Auswechse- 
lung der  beschädigten  Hausteine  und  die  Beseitigung 
beginnenderVerwitterung  durchFührungen  empfohlen. 
Ausdrücklich  betonten  die  Gutachten,  dass 
wenn  man  nur  das  unumgänglich  Nothwendige 
ausführe,  das  gesteckte  Ziel  der  längsten  Er- 
haltung nicht  erreicht  werden  wird. 

Das  für  die  Baudirektion  von  Durm  erstattete  Gut- 
achten fürchtet  für  den  romantischen  Zauber,  es  will 
das  Schloss  als  Ruine  belassen  und  nur  die  Figuren 
erneuern  oder  ergänzen.  Prof.  Schmidt  empfiehlt  die 
sachgemässe  Wasserableitung  zur  Sicherung  des  Bau- 
grundes, Prof.  Heer  den  Neuersatz,  bezw.  dieErgänzung 
der  Figuren.  — 

Im  Jahre  1891  wurde  von  der  grossh.  Regierung 
eine  Kommission  berufen,  welche  folgende  Beschlüsse 
fasste: 

1.  Eine  vollständige  oder  theilweise  Wiederher- 
her[stellung  des  Schlosses  kommt  nicht  inbetracht. 

2.  Die  vorzunehraenden  Arbeiten  müssen  bis  in 
die  kleinsten  Theile  auf  Erhaltung  des  Bestehenden 
gerichtet  sein. 

Erneuerungen  sollen  erst  dann  vorgenommen 
werden,  wenn  das  Bestehende  vollständig  oder  schon 
soweit  zerstört  ist,  dass  eine  Ausbesserung  ausge- 
schlossen erscheint.  Dieser  Satz  betrifft  nicht  nur  das 
rein  Bauliche,  sondern  auch  den  künstlerischen  Theil 
der  Ruine,  sowohl  Ornamente  wie  figürliche  Dar- 
stellungen. 

3.  Als  erstes  Erforderniss  ist  zur  Erhaltung  der 
Bauwerke  eine  sachgemässe  Abführung  der  Grund- 
und  Tagwasser  zu  bezeichnen. 

4.  Dieser  Maassregel  würde  sich  eine  Sicherung 
aller  Mauertheile  gegen  Witterungscinflüsse  durch  ent- 
sprechende Ausfugungen,  Abdeckungen,  Versteifungen 
u.  dergl.  anzuschliessen  haben. 

5.  Es  empfiehlt  sich,  den  plastischen  Schmuck 
des  Schlosses  in  den  wesentlichen  Theilen  jetzt  schon 
abzuformen,  damit  bei  eintretender  völliger  Zerstörung 
der  Originale  zuverlässige  Vorbilder  für  die  Erneuerung 
vorhanden  sind. 

Die  übrigen  Thesen  haben  mit  der  Erhaltung 
der  Bauten  nichts  zu  thun.  — 

Eines  geht  aus  den  Thesen  klar  hervor:  Grund- 
sätzlich ist  jeder  Wiederaufbau  ausgeschlossen;  warum, 
wird  nicht  gesagt.  Den  allmählichen  gänzlichen 
Verfall  der  einzelnen  Theile  sieht  die  Kom- 
mission voraus,  wie  alle  Fachleute  vor  ihr. 
Wenn  aber  die  Vorstände  des  Schloss-Baubureaus  von 
den  beschädigten  Theilen  auch  die  entfernen  und 
neu  ersetzen  wollen,  die  eine  Gefahr  für  die  Nachbar- 
schaft bedeuten,  so  will  die  Kommission  immer  erst 
dann  ersetzen,  wenn  ein  Stück  vollständig  zerstört 
ist.  Man  denke  sich  an  der  Fassade  hunderte  von 
Hausteinen,  die  zürn  erheblichen  Theile  in  ganz 
verschiedenen  Verwitterungsstadien  sich  befinden,  und 
man  sieht  ein,  dass  die  Arbeiten,  wenn  man  den 
Kommissions -Beschlüssen  folgt,  nimmer  aufhören. 
Die  Entwässerungsarbeiten  wurden  ausgeführt.  Die 
Thesen  2 und  5 stiessen  bei  der  Ausführung  alsbald 
auf  Schwierigkeiten.  Man  musste  die  Figuren  in 
Stein  nachbilden,  weil  der  Umweg  über  eine  Gipsform 
viel  theurer  geworden  wäre  „und  ausserdem  den  Be- 
stand der  Figuren  infrage  gestellt  haben  würde“.  Die 
n Stein  nachgebildeten  alten  P'iguren  sollten  wieder  in 
die  Nischen  gestellt  werden;  man  kam  aber  auch  davon 
ab,  weil  man  befürchtete,  sie  würden  dabei  zugrunde 
gehen.  So  stehen  jetzt  die  neuen  Figuren  in  den 
Nischen  und  die  alten  im  Trockenen  anstatt  der  aufzu- 
bewahrenden Gipsmodelle,  Der  Zwang  vernünftig  be- 
urtheiiter  Thatsachen  führte  aber  bald  noch  weiter. 
Man  überzeugte  sich,  dass  die  neuen  Figuren,  denen 

No.  1/2. 


über  den  konservativen  Vorsatz  weit  hinausgehend, 
auch  die  fehlenden  Hände,  ja  sogar  wie  bei  Fried- 
rich II.  der  ganze  Oberkörper  neu  anmodellirt  worden 
waren,  doch  nicht  an  eine  Fassade  gestellt  werden 
konnten,  durch  deren  abfallende  Stücke  neue  Zerstö- 
rungen drohten.  So  kamen  auch  die  Gegner  jedes 
energischen  Eingriffes  zu  der  Wiederherstellung  der 
Architekturtheile  ah  der  Fassade  des  Friedrichsbaues, 
Im  Spätjahr  1894  wurde  wieder  eine  Kommission 
berufen,  welche  unter  Durms  Vorsitz  beschloss,  es  solle 
der  Regierung  die  Wiederherstellung  des  Friedrichs- 
Baues  mit  neuer,  bedeutend  erhöhter  Bedachung  und 
mitErsatz  der  beschädigten  Architekturtheile  empfohlen 
werden.  Kleine  mechanische  Schäden  (Schüsse  u.  dergl.) 
sollten  belassen  werden,  um  der  Fassade  das  Alter- 
thümliche  möglichst  zu  bewahren.  Der  Ausbau  des 
Inneren  hat  mit  der  Erhaltung  des  Vorhandenen  nichts 
zu  tbun;  er  geht  darüber  hinaus  und  ist  hier  nicht 
zu  besprechen.  Jetzt  wird  von  den  Gegnern  der 
Wiederherstellung  behauptet,  es  sei  zuviel  geschehen, 
der  bauleitende  Architekt,  Prof.  C.  Schäfer  in  Karlsruhe, 
habe  zu  viele  Steine  ausgewechseltD-  Der  Verfasser  ist 
der  Meinung,  dass  dies  im  Grossen  und  Ganzen  nicht 


Abbildg.  2. 

zutrifft.  Schäfer  musste  den  Bau  in  einen  solchen  Zu- 
stand versetzen,  dass  die  noch  unbeschädigten  Theile 
der  Fassade  den  Fährlichkeitcn  der  Witterung,  welche 
durch  benachbarte  beschädigte  Steine  hervorgerufen 
oder  doch  vergrössert  wurden,  nicht  mehr  unterlagen; 
er  musste  alle  Architekturglieder  neu  ersetzen,  die  nicht 
mehr  am  gesunden  Stein  (durch  Führungen  u.  dergl.) 
ergänzt  werden  konnten,  oder  er  durfte  entsprechend 
dem  189t  er  Kommissions-Beschluss  nur  die  gänzlich 
zerstörten  Steine  ersetzen.  So  wie  er  es  machte,  haben 
wir  jetzt  nur  gesunde  Steine,  neue  und  alte,  im  anderen 
Falle  hätten  wir  gesunde  neue  und  mehr  oder  minder 
zerstörte  alte  Steine  an  den  Fassaden.  Die  Erneuerung 
hätte  alsbald  wieder  zu  beginnen  und  hörte  nie  auf. 
Wir  wollen  versuchen  dies  an  einem  Beispiel  noch 
deutlicher  zu  machen.  In  Abbildung  3 sei  i.  ein  zu 
dreiviertel  und  2.  ein  zur  Hälfte  zerstörtes  Gurt-  bezw. 

Hierzu  lässt  sich  ein  merkwürdiges  Gegenstück  erzählen. 
Nicht'  alle  Figuren  am  Friedrichs-  und  Otto-Heinrichs-Bau  waren 
baufällig.  Einzelne  waren  noch  sehr  gut  erhalten  und  weder  von 
dem  begutachtenden  Bildhauer,  noch  von  den  Vorständen  des 
früheren  Schloss-Baubüreaus  als  ersatzbedürftig  bezeichnet  worden. 
Trotzdem  wurden  ganz  gegen  die  Beschlüsse  der  1891  er  Kom- 
mission alle  alten  Figuren  durch  neue  ersetzt,  aber  nicht  durch 
Schäfer,  sondern  von  denjenigen,  welchen  die  Ausführung  jener 
Beschlüsse  anvertraut  war. 

4.  Januar  1902. 


Friesstück,  während  3.  ein  noch  ganz  gesundes 
Architravstuck  sei.  Hätte  man  nun  i.  belassen  bis 
zur  vollständigen  Zerstörung,  so  wäre  bei  seinem 
Neuersatz  2.  bis  zu  '’U  zerstört  gewesen,  bei  3.  aber 
hätte  wegen  der  inzwischen  sehr  ungünstigen  Schutz- 
formen. von  I.  und  2.  die  Verwitterung  bereits  begon- 
nen. Nach  wenigen  Jahren  wären  auch  2.  und  3.  zum 
Ersatz  reif  gewesen.  Man  hätte  also  in  einer  Anzahl 
von  Jahren  3 neue  Steinstücke.  Schäfer  hat  nun  i. 
und  2.  alsbald  ersetzt;  i.  war  verloren,  2.  dagegen  konnte 
in  halb  verwittertem  Zustand  herausgenommen  und 
aufbewahrt  werden.  3.  wurde  der  gefährlichen  Nach- 
barschaft entzogen  und  ist  so  gut  wie  ein  neuer 
Stein.  So  haben  wir  jetzt  zwei  neue  und  einen 
gesunden  alten  Stein  und  ausserdem  einen  halb  ver- 
witterten Stein  an  sicherem  Ort.  Dieses  Recheii- 
exempel  spricht  doch  eine  klare  Sprache 
gegenüber  den  Ruinenfreunden ; der  Verlust  ist 
auf  ihrer  Seite.  Ganz  ähnlich,  in  mannichfaltiger 
Abwechselung,  Hegen  die  Verhältnisse  am  Otto-FIein- 
richs-Bau. 

Der  bauleitende  Architekt  Schäfer  ist  während 
seiner  Thätigkeit  zu  derselben  Ansicht  gekommen, 
wie  die  Vorstände  des  früheren  Schioss-Bau- 
bureaus,  nämlich,  dass  der  Otto  Heinrichs-Bau, 
insbesondere  die  Fassade,  am  längsten  durch 
Bedachung,  durch  Querverspannung  und  Er- 
neuerung der  in  Verwitterung  begriffenen  Hau- 
steine zu  retten  sei.  Er  hat  im  Auftrag  der  gross- 
herzoglichen  Regierung  Pläne  und  Kostenvoran- 
schläge ausgearbeitet,  sowohl  für  diesen  Bau,  als 
auch  Tür  den  „gläsernen  Saalbau“.  Diese  Pläne 
wurden  am  15.  Okt.  1901  wiederum  einer  Kom- 
mission zur  Begutachtung  vorgelegt.  In  der 
Kommission  waren,  die  Ansichten  getheilt.  Auf 
der  einen  Seite  standen  die  Kunsthistoriker 
Thode-Heidelberg  und  v.  Oechelhäuser- 
Karlsruhe,  und  die  Architekten  Prof.  v.  Seidl- 
München,  sowie  Ob'Brth.  Kircher-Karlsruhe; 
diese  wollten  von  einem  Wiederaufbau  nichts 
wissen.  Für  den  Wiederaufbau  waren,  abge- 
sehen von  dem  Planfertiger  Schäfer,  die  Archi- 
tekten Geh.  Ob.-Brth.  Hofmann-Darmstadt, 
Dombaumstr.  Reg.-  u.  Brth.  Tornow-Metz  und 
die  beiden  Vorstände  des  früheren  Schloss-Bau- 
bureaus, Brth.  Koch  und  der  Verfasser.  Die 
Vertreter  des  grossh.  Finanzministeriums,  der 
Stadt  Heidelberg  und  des  Schlossvereins  hiel- 
ten sich  neutral.  Die  Tagesarbeit  wurde  durch 
den  leitenden  Finanzminister  in  3 Theile  zer- 
legt: in  I.  die  grundsätzliche  Frage  des  Wieder- 
aufbaues, 2.  die  Form  der  Bedachung,  3.  den 
Aufbau  des  gläsernen  Saalbaues. 

Wir  wollen  nun  in  derselben  Ordnung  über 
die  Berathungen  berichten.  Auf  dem  äussersten  Stand- 
punkt im  Sinne  der  1891  er  Kommission  stehen  die 
Kunsthistoriker  Thode  und  v.  Oechelhäuser.  Thode 
will  lieber  das  Bauwerk,  wenn  auch  nur  für  kürzere  Zeit, 
vollständig  unberührt  haben,  als  einen  für  lange  Zeit 
berechneten  veränderten  Bau.  v.  Oechelhäuser  ist  der 
Meinung,  dass  wenn  die  Mauern  noch  ein  Dach  tragen 
könnten,  sie  auch  sonst  zu  erhalten  seien.  Das  Schloss 
verliere  durch  die  Wiederherstellung  an  Schönheit, 
und  die  Pietät  verlange,  dass  kein  Stein  am  Otto 
Heinrichs-Bau  berührt  werde,  bei  dem  sich  dies  nicht 
als  unbedingt  nöthig  erweise.  Die  Anbringung  eines 
Daches  sei  zu  verwerfen,  denn  jedes  Dach,  auch  das 
Schutzdach,  verändere  den  jetzigen  Eindruck.  Die 
Architekten  seien  Schwarzseher  und  wie  die  Aerzte 
geneigt,  jeden  kleinen  Fehler  zu  übertreiben,  v.  Seidl 
und  Kircher  äussern  sich  auch  ablehnend;  v.  Seidl 
giebt  jedoch  zu,  dass  wenn  man  darauf  abhebe,  den 
Bau  für  alle  Zukunft  zu  erhalten,  man  ihn  überdachen 
müsse  und  auch  um  Brandmauern  und  ähnliches  nicht 
herumkomme.  Das  Dach  und  sonstige  Konstruktionen 
müssten  jedoch  durchaus  den  Charakter  eines  Schutz- 
mittels und  überall  untergeordnete  Tendenz  haben.  ’ 
Jedes  Haus  sei  in  fortgesetztem  Verfall,  erhaltende 
Arbeiten  müssten  diesen  Verfall  soweit  als  möglich 


3 


4 


No.  t/2. 


Herrenhaus  Gravenstein  für  Französisch-Buchholz  bei  Berlin.  Architekt:  Heim.  A.  Krause  in  Berlin, 


verhindern.  Dies  könne  durch  fortgesetztes  Flicken  drohen.  Am  Otto  Heinrichs-Bau  habe  er  gegenüber  den 
oder  auf  einmal  radikal  geschehen.  Der  Otto  Heinrichs-  Lothungen  des  früheren  Schloss-Baubureaus  ein  grössc- 
Bau  könne  in  seinem  gegenwärtigen  Zustande  durch  res  Uebersteheri  der  Hauptfassade  feststellen  können. 
Flicken  erhalten  werden,  weil  seine  Steine  doch  nicht  Die  Ruinenfreunde  haben  auf  mehrfache  Auffor- 
zu  Grunde  gehen*)-  Kircher  schliesst  sich  v.  Seidl  derung  in  der  Versammlung  kein  anderes  Mittel  zu 
an;  er  glaubt,  dass  die  Fassade  durch  die  Mittel  der  nennen  gewusst,  um  die  Fassade  zu  erhalten,  als 
modernen  Technik  erhalten  werden  könnte,  und  nennt  Zement  und  Klammern.  Späterhin  wurden  — und 
als  solche  Zementabdeckungen  und  Verklammerungen,  zwar  sachlich,  wie  wir  mit  Dank  anerkennen  — durch 
Auf  der  anderen  Seite  stellt  Hofmann  den  Aufbau  Dr.  Warth  in  Karlsruhe  einige  Maassregeln  zur  Ver- 
als  dringend  nöthig  dar,  weil  in  unserem  Klima  mit  hütung  des  Zerfalles  besprochen  (Bad.  Landes -Ztg. 
Flickwerk  nichts  gethan  sei.  {Giebt  dabei  Beispiele  No.  562).  Er  will  die  verwitterten  Theile  instand 
von  alten  hessischen  Bauten.)  Ihm  seien  keine  Mittel  setzen;  wie  er  das  machen  will,  sagt  er  nicht,  wir 
zur  Erhaltung  der  in  Verwitterung  begriffenen  Steine  müssen  deshalb  auf  das  von  uns  oben  Gesagte  ver- 
bekannt.  Die  als  Koulisse  freistehende  Fassade  be-  weisen,  Die  Gefahren,  welche  der  Fassade  durch  den 
komme*  durch  Dach,  Quermauern  und  Decken  neuen  3 Stockwerk  hohen  freien  Stand  an  sich  und  durch 
Halt.  Tornow  ist  der  Ansicht,  dass  wenn  der  Bau  die  Ausbauchung  drohen,  will  er  durch  „strebepfeiler- 
nocli  länger  als  3 — 4 Jahrzehnte , halten  soll,  er  ein  artige  Hochführung  der  Quermauern“  beseitigen. , An 
Dach  bekommen  müsse.  Koch  und  Seitz  vertreten  der  Stelle,,  wo  die  Ausbauchung  ist,  befand  sich  nie 
ihren  oben  schon  näher  dargelegten  Standpunkt,  eine  Quermauer,  dieselbe  müsste  mitten  durch  den 
Zement  sei  ein  untaugliches  Material  zu  vorliegendem  grossen  Saal  erst  neu  angelegt  werden.  Die  Vor- 
Zweck,  von  den  Steinen  sei  jetzt  schon  etwa  Va  ganz  Schläge  zur  Abdeckung  der  Mauern  sind  ungefähr 
erheblich  verwittert,  nach  jedem  Winter  fielen  eine  dieselben,  die  von  den  Vorständen  des  Schloss-Bau- 
ganze Menge  kleiner  Bautrümmer,  durch  den  Frost  bureaus  als  unumgänglich  nöthig  bezeichnet  wurden, 
gelöst,  zu  Boden.  Koch  ist  ausserdem  der  Meinung,  wenn  man  die  Bedachung  nicht  wolle.  Als 
dass  wenn  man  jetzt  die  Bereitwilligkeit  der  Regie-  Schutzmittel  für  die  Innenflächen  der  Mauern  giebt 
rung  nicht  benutze,  dieselbe  vielleicht  später  nicht  Dr.WarthVerputz,  gegebenenfalls  nach  demKeim’schen 
mehr  in  dem  Maasse  vorhanden  sei.  Verfahren  an.  Wir  glauben  nicht,  dass  der  Verputz 

Schäfer  sucht  an  dem  Beispiel  des  KlostersWalken-  an  den  alten  Mauern  lange  hält  und  verneinen,  dass 
j'ied  nachzuweisen,  wie  freistehende  Mauern  durch  er  in  demselben  Maasse  Regen  und  Frost  abhält,  wie 
pendelnde  Bewegung  und  die  destruktiven  Einflüsse  eine  Bedachung  und  wie  der  Fensterschluss.  Dass 
der  Witterung  allmählich  sich  neigen  und  einzufallen  die  Fassaden  an  den  unbedachten  Theilen  viel  schneller 
lelzleve  ist  ottenbav  ein  Irrihum,  die  Sorge  besteht  eben  ^uch  an  der  Aussepläche  zu  Grunde  gehen,  haben 

hauptsächlich  darin, dassdieSteinedui'chVerwitterungzugnjndegehen.  Wir  scbon  oben  nachgewiesen.  — (Schluss  folgt) 


Herrenhaus  Gravenstein  für  Französisch-Buchholz  bei  Berlin. 

Architekten:  Herrn.  A.  Krause  in  Berlin.  (Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  auf  Seite  4.  und  7,) 

n dem  Berliner  Vororte  Französisch -Buch-  müse-Gartengedacht,  rechtsvonderKutscher-Wohnung 
holz,  in  geringer  Entfernung  von  der  Haupt-,  die  Wagenräume  und  der  Stallhof.  Im  Hintergründe 
Stadt  nördlich  gelegen,  hat  der  Rittergutsbe-  sollte  sich  das  Herrenhaus  erheben,  an  dasselbe  links 
sitzer  Hr,  Gravenstein  einen  über  grossen  anschliessend  das  Wirthschaftsgebäude.  Für  den  Garten 
Besitz,der  mit  einer  Front  von 
etwa  132“  an  die  Dorfstrasse  grenzt  und 
im  übrigen  aus  einem  mit  einem  präch- 
tigen alten  Baumbestand  bewachsenen 
Flinterland  besteht.  Es  war  nun  die  Ab- 
sicht des  Besitzers,  in  der  Nähe  von 
Berlin  einen,  standesgemässen  Landsitz 
zu  haben,  von  welchem  aus  die  Haupt- 
stadt leicht  mit  dem  Wagen  zu  erreichen 
wäre.  Zu  dieseni  Zwecke  sollte  mit  einem 
Aufwandc  von  etwa  loo  ooo  M.  an  der 
Dorfstrasse  ein  Herrenhaus  für  die  Be- 
dürfnisse der  Familie  errichtet  werden, 
welchem  sich  Wirthschafts  - Gebäude, 

Stallungen,  Gärtnerei  mit  Gärtner-Woh- 
nungen usw.  mit  besonderer  Bausurame 
anschliessen  sollten.  Mit  der  Plangestal- 
tung wurde  Hr.  Arch.  Herrn.  A.  Krause 
in  Berlin  betraut.  Wie  er  sich  der  inter- 
essanten Aufgabe  entledigt  hat,  zeigen 
die  Beilage  und  die  Darstellungen  S.  4 u,  7. 

Der  gesammte  Besitz  hat  ungefähr  eine 
r-förmige  Gestalt.  Der  Architekt  schlug 
nun  vor,  den  an  die  Dorfstrasse  grenzen- 
den Theil  des  Besitzes,  welcher  die  Ge- 
bäude zu  tragen  hat,  ira  Sinne  italie-nisch- 
französischer  Gartenanlagen  des  XVIII. 

Jahrhunderts  umzugestalten,  wie  es  der 
Lageplan  zeigt,  und  in.  dieser  architek- 
tonischen Anordnung  des  Gartens  den 
Gebäuden  eine  entsprechende  Stellung 
derart  zu  geben,  dass  vor  dem  Herren- 
hause, eingeschlossen  . von  diesem  und 
den  Wohnhäusern  des  Gärtners  und  des 
Kutschers,  ein  geräumiger  und,  repräsen- 
tativer Vorgarten  liegen  bleiben  sollte. 

Hinter  der  Gärtner- Wohnung  war  der  Ge- 


6 


No.  1/2. 


waren  Laubengäiige  und  eine  Reihe  von  Kleinarclii-  risse  zeigen  seine  Eintheiliing.  Mehr  als  cs  Worte 
tekturen  gedacht.  Das  Herrenhaus  sollte,  obwohl  im  sagen  können,  mögen  die  Abbildungen  für  die  meister- 
inneren dieBedürfnisse  der  feineren  städtischen  Lebens-  hafte  Auffassung  der  Aufgabe  sprechen.  Die  Diele 
haltung  befriedigend,  gleichwohl  im  Aeusseren  den  namentlich  ist  ein  Kabinettstück  grosser  dekorativer 
ländlichen  Charakter  nicht  verleugnen.  Die  Grund-  Gestaltung.  — — H. — 


Ein  Beitrag  zum  Steinbrückenbau,  b 

Von  Reg.-Bnistr.  Probst  in  Mannheim. 


nlässlich  der  Bearbeitung  des  Entwurfes  „Freie  Bahn  C" 
beim  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  einer  zweiten 
Neckarbrücke  in  Mannheim'^)  kam  der  Verfasser  auf 
Fragen  und  Ergebnisse,  welche  einen  weiteren  Leserkreis, 
insbesondere  Freunde  und  Förderer  des  Steinbrückenbaues, 
interessiren  und  sie  womöglich  zu 
weiterer  Mitarbeit  und  Studium  veran- 
lassen dürften.  Will  man  grosse 
Weiten  in  Stein  überbrücken,  so  ist 
erstes  Erfordemiss,  jede  unnütze  Be- 
lastung des  Gewölbes  zu  vermeiden, 
bezw.  den  Gewölbeaufbau  thunlichst 
leicht  zu  gestalten.  Da  die  im  Ge- 
wölbescheitel befindlichen  Lasten  den 
grössten  Einfluss  auf  den  hlorizontal- 
schub  ausüben,  so  ist  hier  ganz  beson- 
ders auf  möglichste  Entlastung  hinzu- 
wirken. Eine  nachtheilige  Einwirkung 
der  bewegten  Lasten  auf  das  Gewölbe 
durch  Erschütterung  ist  nicht  zu  be- 
fürchten, da  sie  gegenüber  den  Eigen- 
lasten der  Brücke  und  den  auftreten- 
den inneren  Kräften  kaum  inbetracht 
kommen.  Bei  dem  oben  erwähnten 
Entwürfe  beträgt  z.  B.  der  Horizontal- 
schub für  Eigenlast  allein  auf  i “ Ge- 
wölbeliefe 471 1,  welchem  eine  grösste 
Einzellast  von  nur  8 ^ — Raddruck 
einer  25  ‘ schweren  Dampfwalze  — 
gegenübersteht.  Inwieweit  hierbei 
obiger  Forderung  nachgekommen  wur- 
de, möge  aus  nachstehender  Tabelle  1 
ersehen  werden.  In  den  Spalten  3a 
bis  5 a sind  die  jeweilig  auf  Gewölbe, 

Pfeiler  und  Fahrbahn  — letztere  unter 
Einschluss  von  Gehweg  und  Brüstung 

— entfallenden  Einzellasten  einer  La- 
melle, in  Spalte  6 a deren  Gesammtlast 
angegeben  — je  für  die  halbe  Brücken- 
breite. In  den  entsprechenden  Spalten 
b ist  der  prozentuale  Antheil  der  Ein- 
zellasten an  der  Gesammtlast  zu  er- 
sehen (vergl.  hierzu  die  Abb.  1—3). 

Aus  der  Tabelle  ist  zu  entnehmen, 
dass  beim  Scheitel  die  Gewölbelast 
aller  Lasten  beträgt,  während  im  Durch- 
schnitt für  die  ganze  Brücke  dieselbe 
etwa  die  Pfeilerlast  V20 
Fahrbahnlast  den  Rest  mit  V5  aller 
Lasten,  oder  also  der  Gewölbeaufbau 
nur  V3  der  Gewölbelast  ausmacht. 

Bei  der  bekannten  Donaubrücke  bei 
Munderkingen  entfällt  auf  den  Aufbau 
1^20  aller  Lasten,  d.  h.  der  Aufbau  ist 
% mal  so  schwer  als  das  Gewölbe 
selbst.  Unter  Annahme  gleichmässiger 
Vertheilung  berechnet  sich  das  Eigen- 
gewicht dieser  50  ™ weit  gespannten 
Brücke  zu  6,40  t,  dagegen  für  den  Ent- 
wurf „Freie  Bahn  C“  bei  113“  Weite 
zu  nur  3*3),  und  für  den  Entwurf 
„Freie  Bahn  B"  bei  derselben  Weite 

— jedoch  in  Eisen  — zu  0,93  * für  i q® 
Fahrbahngrundfläche.  Trotz  leichtester  Konstruktion  ist  also 
die  Steinbrücke  noch  immer  mehr  als  3 mal  so  schwer 
als  die  Eisenbrücke.  Selbst  die  Fahrbahntafel  des  Stein- 
bogens ist  bei  0,7  t/q®  Gewicht  noch  um  40%  schwerer, 
als  die  des  Eisenbogens  mit  0,5  t/q®  unter  Einrechnung  von 

1)  Anmerkung:  der  Redaktion.  Da  %vir  dem  Steini>au  an  der 
rechten  Stelle  stets  das  Wort  geredet  haben,  so  wollen  wir  die  vorstehen- 
den, jedenfalls  sehr  interessanten  Mittheilungen  unseren  Lesern  nicht  vor- 
eothalten,  wenu  wir  auch  die  Forderungen  des  Verfassers  stellenweise 
fflr  zu  weit  gehend  halten  mClsscn.  — 

2)  Vgl.  D.  Bztg.  1901  No.  44;  desgl.  Centralbl.  d.  Bauverwltg.  1901,  No.  54. 
ä)  Interessant  ist,  dass  nach  der  Formel  eine  gleichmflssig 


Quer-,  Läng.s-  und  Windträgern.  Der  Spannungswechsel 
bei  voll-  und  unbelasteter  Brücke  ist  demnach  bei  der 
Steinbrttcke  weit  kleiner,  als  bei  der  Eisenbrücke,  was  für 
die  Dauer  eine.s  Bauwerkes  von  grossem  Einfluss  ist. 
Wenn  nun  aber  bei  grossen  IBrücken  die  Gewölbelast 


Arcliitekt:  fierm.  A.  Krause  in  Berlin. 

3/^  und  mehr  aller  Eigenlast  beträgt,  demnach  auch  ^|^  aller 
Eigengewichtskräfte  durch  die  Gewölbelast  erzeugt  wer- 
den, so  ist  klar,  dass  mit  einer  Vergrösserung  der  Gewölbe- 
stärke eine  nur  geringe  Abnahme  der  Eigengewichts-Bean- 
spruchungen erreicht  wird.  Es  empfiehlt  sich  vielmehr, 
zum  Gewölbe  nur  besten  Baustoff  zu  verwenden  und 
dessen  zulässige  Beanspruchung  auch  voll  auszunutzen, 
worüber  später  noch  mehr  gesagt  werden  wird. 

Will  man  wissen,  welche  Weiten  unter  Aenderung 

f 

des  Pfeilverhältnisses  ' bei  völlig  gleicher  Gewölb-,  Fahr- 
bahn- und  Pfeilerstärke,  sowie  gleicher  Material  - Inan- 
spruchnahme wie  bei  dem  Entwurf  der  Neckarbrücke 
hätten  überbrückt  werden  können,  so  ergiebt  sich  dies 
aus  der  Forderung,  dass  der  Horizontals<niub  und  damit 


4.  Januar  1902. 


7 


T a b e 1 1 e i. 


I 1 2 i 

3 1 

4 

5 

Fahrl 

6 

Lamelle 

No. 

3 

Gewölbe  | 
a ' b 

t ! o/n 

Pfeiler 
a h 

! ^ 

1 Gesamt 
1 

5 

b 

I 

j 79,0 

83  ' 

17 

94,7 

100 

61,4 

84  1 

— 

16 

100 

m 

4,0 

! 63,6 

81 

— 

— 

1 14,8 

78,4 

100 

3,0 

i 49,4 

78 

"0,9 

I 

13,7 

64,0 

100 

3,0 

50,6 

76  ' 

"■■1,7  , 

3 

14,1 

21 

66,4 

100 

2 

22 

68,4 

100 

76  1 

0,6  1 

I 

16,3 

lOO 

3,0 

54-8 

1,0  i 

I 

16.3 

72,1 

TOO 

3,0 

55,2 

76  . 

1,8  i 

3 

15,5 

72,5 

100 

A. 

3,0 

54,4 

75 

2,5 

3 

15,7 

22 

72,6 

100 

3,0 

54,4  : 

74 

3,4 

' 4 

15,9 

22 

73,7 

100 

3,0 

72 

4,3 

6 

16,0 

22 

73,8  ; 

100 

16,2 

22 

74,3  1 

100 

XIV 

6,6  1 

16,3 

22 

100 

49,4 

67 

7,8 

16,4 

22 

73,6  I 

100 

65 

' 16,6 

22 

100 

XVII 

3,5 

5,57  ■ 

6, 

10,7 

13 

16,8 

20 

83,2 

1 100 

I-XVII 

938,3  : 

74,3 

57,2 

4,5 

263,6 

[ a..o 

3259,1 

lOo 

Gewicht  der  Längswäade. 


Übersehen,  dass  zwar  das  Fahrbahngewicht  bei  allen  Brücken 
dasselbe  (im  Falle  von  Strassenbrücken),  dagegen  das  des 
Gewölbes  infolge  grösserer  oder  geringerer,  von  der  Spann- 
weite abhängigen  Bruchfugenstärke  etwas  verschieden  sein 
wird  gegenüber  dem  der  Betrachtung  zugrunde  gelegten 
Fall  der  Neckarbrücke.  Insbesondere  wird  dies  aber  für 
den  die  Fahrbahnlast  auf  den  Gewölberücken  übertragen- 
den Konstruktionstheil  zutreffen.  Schon  aus  Tabelle  i 
Spalte  4 ist  zu  ersehen,  dass  in  der  Nähe  der  Kämpfer 
die  Tragpfeilerlasten  bereits  i/s  der  ganzen  Lamellenlast 
betragen.  Es  ist  jedoch  festzuhalten',  dass  diese  Lasten 
nur  in  Kämpfernähe  grössere  Beträge  annehmen,  woselbst 
ihr  Einfluss  auf  den  Horizontalschub  nur  noch  sehr  gering 
ist.  Durch  möglichst  leichte  Ausbildung,  grösseren  Ab- 
stand dieser  nur  senkrechteLasfen  übertragendenKonstruk- 
tionen  (Ausbildung  als  Monierwände,  Monierröhrensäulen, 
mit  Lochsteinen  gemauerte,  innen  hohle  Pfeiler,  leichte 
weitgespannte  Gewölbe  usw.)  lässt  sich  deren  Gewicht  in 
annehmbaren  Grenzen  halten.  Wenn  daher  auch  die  Er- 
gebnisse der  Tabelle  2 für  die  oberen  und  unteren  Werthe 
nur  als  rohe  Näherungswerthe  angesehen  werden  dürfen, 
so  sind  sie  uns  doch  ein  Fingerzeig,  dass  bei  verfüg- 


auch  annähernd  die  Gewölbekräfte  gleich  sein  sollen,  dass 
O ^2  Q Jß' 

also  H = \-r  = ■ Vv:;-  = konstant  sei. 

0[  o t 

Da  wir  annähernd  q = Q setzen  können,  so  erhalten 
wir  aus  obiger  Gleichgewichts-Bedingung 


Für  die  Neckarbrücke  ist  Z>  = 112  «1  und  F = 9,10 
woraus  sich  ergiebt 

I = 1378  . (-(^j  und 


Unter  Annahme  beliebiger  Werthe  für  das  Verhältniss 


(4) 


erhalten  wir  für  l und  f die  aus  Tabelle  2 ersicht- 


lichen Werthe,  welche  zur  besseren  Veranschaulichung 
in  Abbildg.  4 im  gleichen  Maasstab  dargestellt  sind.  Aus 
denselben  ist  zu  ersehen,  dass  für  gleichmässig  vertheilte 
Last  ein  Halbkreisgewölbe  von  690  Spannweite  den- 
selben Horizontalschub  erzeugt,  also  bei  gleicher  Material- 
Inanspruchnahme  dieselbe  Scheitelstärke  bedingt,  wie  eine 
Flachbrücke  von  nur  27,5  “ Spannweite  und  0,55  «n  Pfeil- 
höhe, dass  also  inbezug  hierauf  beide  Brücken  gleich  be- 
deutend, gleich  kühn  sind^).  Nun  ist  allerdings  nicht  zu 


9 Die  Bedeutung  einer  Brücke  ist  also  weniger  nach  dem  Absolut- 

f 

werti  der  Spannweite  oder  der  Pfeilhöbe  oder  nach  dem  Verhältniss  - - zu  be- 
messen,  als  nach  dem  Scheitelhalbmesser  oder  dem  Werth  Letzterer 


barer  Bauhöhe  selbst  die  grössten  Spannweiten 
in  Stein  überbrückt  werden  können. 

Denn  wir  haben  ja  bisher  unseren  Betrachtungen  nur 
eine  Gewölbescheitelstärke  von  i “ zugrunde  gelegt,  wäh- 
rend bei  sehr  grossen  Weiten  auch  grössere  Gewölbe- 
stärken infrage  kämen.  Die  Rüstkosten  wachsen  aller- 
dings ganz  bedeutend  mit  zunehmender  Gewölbestärke 


Tabelle  2. 


f 

l ■ 

l 

f 

Bemerkungen 

50 

27,5 

\ 

1 0,55 

^5 

55 

2,20 

15 

12,3 

92 

6,10 

9,ro 

Neckarbrücke.  Entwurf  „Freie 
Bahn  C“ 

-JÖ" 

138 

13,80 

~1~5 

183 

24,40  1 

1 

275 

55,00  i 

690 

345,00 

Halbkreisgewölbe 

berechnet  .sich  beispielsweise  für  die  64  m weite  neuerbaute  Eisenbahn- 
brücke bei  Kappel  im  Schwarzwald  zu  256,  für  die  50  m weite  Donau- 
brücke bei  Munderkingen  zu  500  und  für  die  rrsm  weite  Hauptöffnung 
des  Neckarbrücken-Entwurfes  zu  1378. 


No.  1/2. 


und  es  wäre  deshalb  bei  grosser  Rüstungshöhe  über  Thal-  sagende  graphische  Verfahren  durch  die  genauere,  ana- 
sohle  zu  erwägen,  ob  eine  Ausführung,  wie  Abbildg,  5 es  lytische  Berechnung  zu  ersetzen.  Hierin,  wie  auch  im 
zeigt  nicht  besser  und  billiger  wäre.  Auf  einer  schwachen,  Verständniss  der  Stein- und  Mörtelmaterialien,  deren  Her- 
cm  starken  Schaalung,  welche  ihrerseits  auf  frei  vor-  Stellung,  Verwendung  und  Verarbeitung  auf  dem  Bauplatze 
gebauten  in  etwa  2 ® Axabstand  erstellten  leichten  Bogen-  hat  die  Schule  mehr  als  bisher  zu  leisten  und  nachzuhelfen, 
trägem  auflie°t  wird  zunächst  ein  Hilfsgewölbe  ausKIinkern  Stein  ist  und  bleibt  der  erste  Baustoff  des  Technikers.  Es 
so  stark  ausgeführt  dass  es  sein  Eigengewicht  und  das  ist  daher  nur  berechtigt,  wenn  uns  die  Herstellung,  Ver- 
des Hauptgewölbes  ohne  Aufbau  bei  3— 4facher  Sicherheit  Wendung  und  Berechnung  im  Steinbau  ebenso  eingehend 
zu  tragen  vermag  Das  Bogengerüst  wird  sodann  soweit  gelehrt  werden  wie  im  Eisenbau.  Wie  für  die  Maschinen- 
ab^^elassen  dass  sich  das  Hilfsgewölbe  auf  die  Fundamente  Ingenieure  jetzt  überall  Laboratorien  an  den  Hochschulen 
des  Hauptgewölbes  stützt.  Wird  an  einzelnen  Stellen  das  gefordert  und  eingerichtet  werden,  ebenso  noihwendig  sind 
Hilfsgewölbe  mit  dem  Bogengerüst  schon  bei  der  Her-  solche  für  die  Bauingenieure.  Schon  an  der  Hochschule 
Stellung  verbunden  so  werden  die  infolge  ungleichmässiger  muss  der  Studirende  mit  den  Eigenschaften  und  Unter- 
Belastung  während  der  Bauausführung  auftretenden  Bie-  suchungen  der  wichtigsten  Baustoffe  durch,  eigene  Uebun- 
gunss-Momente  vom  Untergerüst  aufgenommen,  so  dass  gen  und  Versuche  völlig  vertraut  und  so  unser  Fach- 
eine i-U/ofache  Steinstärke  des  Hilfsgewölbes  im  allge-  Studium  auf  einer  gesunden  Grundlage  aufgebaut  werden, 
meinen  genügen  dürfte  falls  bei  4— sooi^g  Festigkeit  des  Zur  weiteren  Förderung  des  Steinbrückenbaues  wäre 
Wölbmateriales  Beanspruchungen  bis  150  H zugelassen  es  zu  wünschen,  dass  gemeinsam  von  den  zuständigen  Be- 
werden  Ein  erheblicher  Theil  der  Kosten  für  das  Hilfs-  hörden  des  Reiches  — vielleicht  im  Anschluss  an  eine  best 
gewölbe  wird  so  durch  Ersparnisse  an  der  um  2/g  schwäche-  eingerichtete  Material-Prüfungsanstalt  — eine  Ingenieur-  . 
ren  Schaalung  gedeckt,  während  die  Kosten  für  Erstellung  Abtheilung  ins  Leben  gerufen  würde,  welcher  neben  sach- 
der  leichten  eisernen  oder  hölzernen  Bogenrüstung  sehr  gemässer  Anordnung  und  Ausführung  der  Material-  und 
massige  sind.  Durch  wiederholte  Verwendung  der  letzte-  Konstruktions-Prüfungen  die  Sammlung,  Sichtung  und  Ver- 
ren  bei  Ausführung  des  Hauptgewölbes  in  einzelnen  Rippen  arbeitung  der  in  den  verschiedensten  Fachzeitschriften  der 
werden  die  Rüstkosten  noch  mehr  herabgemindert.  Man  Welt  sich  zerstreut  vorfindenden  wichtigen  Baumittheilun- 
erreicht  durch  diese  Art  der  Herstellung  — statt  Ausführung  gen,  Abänderungs -Vorschläge,  Beschreibungen  neuer  Ent- 
in  einzelnen  übereinander  ge-  j 

lagerten  Ringen,  wobei  der  un-  

tere  stets  als  Stütze  des  oberen 
während  dessen  Herstellung 
dient  — , dass  der  ganze  Ge- 
wölbequerschnitt an  der  Kräfte- 
übertragung theilnimmt,  wäh- 
rend anderenfalls  die  obersten 
Ringschichten  erst  dann  zurWir- 
kung  kommen,  wenn  die  unteren 
bereits  überbeansprucht  sind. 

Da  es  im  technischen  wie 
wirthschaftlichen  Interesse  liegt, 
die  Festigkeit  desWölbmateriales 
voll  auszunutzen,  so  setzt  dies 
voraus,  dass  wir  dessen  Festig- 
keit, insbesondere  im  vermauer- 
ten Zustande,  so  wie  das  Ma- 
terial auf  der  Baustelle  ver- 
wendet wird,  auch  zuverlässig 
kennen.  Zu  diesem  Zwecke 
kann  es  uns  nicht  genügen,  die 
Festigkeit  eigens  hergerichtetcr 
kleiner  Steinwürfel  zu  kennen, 
sondern  wir  sollten  grössere 
Mauerwerkskörper  von  minde- 
stens I Querschnitt  prüfen 
können,  wozu  hydraulische 
Pressen  von  5 — 10  000  t Druck 
erforderlich  wären. 5)  Mit  diesen 
könnte  man  vielleicht  auch  Ver- 
suche über  Druckvertheilung  in 
einem  Mauerwerkskörper  bei 
zentralem  und  exzentrischem 
Druck  — in  und  ausser  dem  mittleren  Fugendrittel  — würfe  und  Erfindungen  usw.  dieses  Litteraturgebietes  ob- 
anstellen,  um  Klarheit  über  die  Druckvertheilung,  bezw,  liegen  würde.  Im  Benehmen  mit  den  Staats-  und  städd- 
über  die  auftretenden  Zugspannungen  zu  erhalten,  was  sehen  Behörden  der  Einzelstaaten  und  des  Auslandes,  des- 
für  die  Gewölbe -Abmessung,  für  Anlage  von  Stütz-  gleichen  mit  den  Brückenbau-Unternehmungen,  wären  um- 
mauern, Pfeilerfundamenten  usw.  von  Wichtigkeit  ist.  Die  fassende  Erhebungen  über  Dauer,  Bau-  und  Unterhaltungs- 
Kosten  einer  solchen  Druckmaschine,  selbst  wenn  sie  sich  kosten  der  Stein-,  Holz-  und  Eisenbrücken  anzustellen,  um 
einschliesslich  der  für  die  ganze  Einrichtung  auf  einige  künftighin  auf  zuverlässigerer  Grundlage  als  bisher  den 
hunderttausend  Mark  belaufen  sollten,  werden  in  kitrzer  Zeit 
durch  Ersparnisse  infolge  weitestgehender  Material-Aus- 
nutzung gedeckt  werden. ß) 

Wird  die  Brückenkonstruktion  durch  Einfügung  von 
Gelenken  statisch  bestimmt  und  dadurch  eine  zuverlässige 
Berechnung  möglich  gemacht,  so  kann  man  sich,  wie  beim 
Eisen,  mit  4— sfacher  Sicherheit  begnügen  und  demnach 
bei  einer  Mindestdruckfestigkeit  der  aus  besten  Stein-  und 
Mörtelmaterialien  hergestellten  Mauerwerkskörper  von 
500—1000  kg/qcm  mit  der  grösst  berechneten  Beanspruchung 
ruhig  auf  100 — 2ook?/qccn  gehen.  Die  Berechnung  ist  natür- 
lich für  die  ungünstigsten  Belastungsfälle  durchzuführen 
und  es  ist  das  bei  so  grossen  Krümmungs- Halbmessern  ver- 


5)  Anmerkung  der  Redaktion.  Vergl.  hierzu  die  Mittheilungen 
auf  S.  43,  Tahrg.  igor  der  Dtschn.  Bzt». 

q Nach  einer  Beschreibung  in  No.  74  d.  Centralbl.  d.  Bauverwaltg. 
1901  weist  die  im  Jahre  jgoo  erbaute  Eiseabahnbrücke  über  die  Gutach 
bei  Kappel  im  Schwarzwald  bei  64  m Lichtweite  und  16  m Pfeilhöhe  eine 
Gewölbstärke  von  am  ini  Scheitel  und  2,8  m im  Kämpfer  auf.  Durch  volle 
Ausnutzung  der  Festigkeit  des  Bausteines  hätten  die  Gewölbestärken,  und 
damit  auch  die  sehr  hohen  Rüst-  und  gesammten  Baukosten,  wahrscheinlich 
erheblich  vermindert  und  so  an  diesem  einen  Bauwerke  schon  grosse 
Summen  erspart  werden  können. 

4.  Januar  1902. 


gesammten  für  Bau,  Unterhaltung  und  Amortisation  er- 
forderlichen Kostenaufwand  feststelien  und  so  im  Zweifels- 
falle sicheren  Entscheid  über  das  zu  wählende  Baumaterial 
treffen  zu  können. 

Was  nun  die  erstmaligen  Baukosten  grosser  Stein- 
brücken betrifft,  so  hat  schon  der  Neckarbrückeii-Wett- 
bewerb  gezeigt,  dass  sie  — selbst  bei  ungünstigsten 


Gründungs-  und  Höhenverhältnissen  — nicht  höher  kom-  Behörden  sich  über  die  Anregungen  und  Vorschläge  dieses 
men,  als  die  Baukosten  für  eine  Eisenbrücke’^),  unter  günsti-  Artikels  äussern,  verständigen  und  sie  in  dieser  oder  jener 
geren  Verhältnissen  und  bei  gleicher  Bausicherheit  der  Weise  zur  Ausführung  bringen  würden.  Man  könnte  dann 
Steinbau  dem  Eisenbau  also  selbst  bezüglich  der  erstmaligen  die  begründete  Hoffnung  hegen,  dass  dem  Steinbrücken- 
bau wieder  der  Platz  zurückerobert  würde,  auf  welchen 
er  Dank  seiner  vielen  Vorzüge  berechtigten  Anspruch  hat. 
Vielleicht  ist  es  dem  neuen  Jahrhundert  Vorbehalten,  durch 
weiteren  Ausbau  und  stetige  Vervollkommnung  den  Ge- 
wölbebau auf  gleiche  Stufe  mit  dem  so  hochentwickelten 
Eisenbrückenbau  zu  bringen. 

Zum  Schlüsse  möge  beistehende  Abbildg.  6 zeigen, 
wie  in  eigenartiger  Weise  etwa  breite,  tief  eingeschnittene 
Gebirgsthäler  in  Stein  überbrückt  werden  könnten.  Es 
ist  angenommen,  dass  das  Thal  bei  der  Höhenlage  der 
Fahrbahn  nicht  in  einer  Spannung  überbruckt  werden 
kann.  Die  beiden  Bögen  stemmen  sich  einerseits  gegen 
das  Thalgehänge  und  andererseits  unter  Vermittelung  eines 
Zwischenpfeilers  gegen  den  Scheitel  des  durch  diese  kon- 
zenirirte  Belastung  entstehenden  Spitzbogengewölbes.  Der 
Aufbau  des  Mitteipfeilers  von  Thalsohle  ab  käme  zufolge 
der  wechselnden  Belastungen  und  der  dadurch  bedingten 
grossen  Schaftstärke  und  der  grossen  Höhe  sehr  theuer 
und  böte  weniger  Standsicherheit  für  die  beiden  Gewölbe, 
wie  das  vorgesehene,  den  Mittelpfeiler  stützende  Spitz- 
Baukosten  überlegen  sein  dürfte,  von  den  weiteren  Vorzügen  bogengewölbe.  Dieses  würde,  wie  früher  beschrieben,  mit 
(grössere  Dauer,  geringere  Unterhaltungsarbeiten,  monu-  fliegender  Rüstung  und  mit  Hilfsgewölbe  erstellt  werden 
mentale  Erscheinung)  ganz  abgesehen.  können,  um  sodann  als  Stütze  für  die  Rüstungen  der 

Es  wäre  zu  wünschen,  dass  die  Interessenten  und  beiden  oberen  Gewölbe  zu  dienen.  — 


Ueber  das  Aufhalten  von  Bahnzügen  in  Endbahnhöfen. 


Hachdem  am  6.  Dez.  vor.  J.  in  der  Bahnhofshalle  zu 
Frankfurt  a.  M.  ein  ankommender  Bahnzug,  der  nicht 
rechtzeitig  zum  Stehen  gebracht  werden  konnte,  den 
Prellbock  umgestossen,  den  Querbahnsteig  durchschnitten, 
dann  die  starke  Hallenwand  durchbrochen  hat  und  noch 
in  den  Wartesaal  vorgedrungen  ist,  ein  Unfall,  der  sich 
ähnlich  im  Pariser  Bahnhofe  Montparnasse  vor  einigen 
Jahren  ereignete,  verlohnt  es  sich,  einmal  wieder  über 
die  Mittel  nachzudenken,  welche  geeignet  sind,  solchen 


d.  h.  der  zurückhaltende  Druck  des  Bremskolbens  des 
Puffers  müsste  mehr  als  8-fach  so  gross  sein  als  das  Zug- 
gewicht, was  kein  Wagen  aushalten  könnte.  Es  ist  daher 
ein  grosses  Glück  für  die  Zugsinsassen  gewesen,  dass  der 
Prellbock  weggefegt  wurde,  dass  auch  Bahnsteigbelag  und 
Umfassungsmauer  nachgaben,  denn  sonst  wären  die  Reisen- 
den wie  das  Zugpersonal  schlimmer  davon  gekommen. 

Will  man  einen  fahrenden  Eisenbahnzug  aufhalten,  so 
muss  dies  auf  einem  möglichst  langen  Wege  allmählich 


Unfällen  vorzubeugen.  Man  wird  sich  nicht  damit  be- 
gnügen können,  aufs  neue  den  Lokomotivführern  einzu- 
schärfen, dass  sie  nicht  zu  schnell  in  stumpf  endende  Gleise 
hineinfahren,  denn  eine  abermalige  Einschärfung  wird  eben- 
sowenig zur  gänzlichen  Verhütung  führen,  wie  sie  es  bis- 
her gethan  hat.  Aber  auch  die  vorhandenen  Sicherheits- 
Maassnahmen,  wie  die  Bedeckung  einer  Schienenlänge 
mit  einer.  Sandschicht  und  die  Aufstellung  von  Prellböcken, 
obwohl  sie,  wie  namentlich  die  hj'draulischen  Prellböcke, 
den  ernsten  Willen  verrathen,  einen  nicht  rechtzeitig  an- 
gehaltenen Zug  zum  Stillstand  zu  bringen,  können  nicht 
genügende  Widerstandsarbeit  leisten.  Erfahrungen  liegen 
vor,  dass  sie  zerstört  wurden  oder  dass  sie  durch  die  bei 
schneller  Fahrt  des  Zuges  unvermeidliche  Steigerung  ihres 
Widerstandes  ein  Aufsteigen  der  Wagen,  wie  z.  B.  in 
Berlin  am  i6.  Nov.  1897  vorgekommen,  herbeiführen.  Was 
würde  aber  aus  den  Insassen  des  Schnellzuges  in  Frank- 
furt geworden  sein,  wenn  ein  hydraulischer  Prellbock  vor- 
handen gewesen  wäre  und  vollkommen  Widerstand  ge- 
leistet hätte?  Dann  hätte  günstigsten  Falles,  abgesehen 
von  der  geringen  Arbeit  der  Wagenpuff  er,  die  Geschwindig- 
keit des  Zuges  vielleicht  ü = 2o“  in  der  Sekunde  auf 
einem  Wege  von  5 = 2,5  vernichtet  werden  müssen. 
Wir  wollen  daher  annehmen,  dass  der  Druck  gleich  mit 
vollem  Betrage  einsetze,  dann  erhalten  wir  als  nothwen- 
dige  Verlangsamung  G für  die  Sekunde,  da 

= Gl=~=  =8om 

’ - 2S  2.2,5 

oder,  da  die  Erdbeschleunigung  g = q,8i  ist,  ein  Ver- 
hältniss  von  (r  80  ^ 

T = ^ = 

Die  Kosten  für  „Freie  Bahn  B und  C“  waien  gleich,  trotzdem  die 
Rustkosten  für  die  Steinbrilcke  wegen  der  durch  die  Schiffahrt  bedingten 
zahlreichen  Eisenrüstträger  sehr  hohe  waren. 

10 


geschehen.  Zu  diesem  Aufhalten  taugt  das  seit  10  Jahren 
bekannte,  von  mir  vorgeschlagene  Sandgleis  und  es  ist 
daher  ein  solches  in  der  Halle  des  Hauptbahnhofes  zu 
Dresden  nach  mehrmals  vorgekommenem  Umbruch  eines 
— nicht  hydraulischen  — Prellbockes  angelegt  worden. 
Dieses  Sandgleis  nimmt  irgend  welchen  nützlichen  Raum 
nicht  ein,  denn  neben  ihm,  in  nur  129 Abstand,  liegt 
das  Fahrgleis,  welches  unverkürzt  regelmässig  benutzt  wird, 
während  das  Sandgleis  völlig  bedeckt  und  unsichtbar  ist. 
Nach  reiflicher  Ueberlegung  ist  die  Einrichtung  so  ge- 
troffen, dass  die  in  das  Sandgleis  leitende  Weiche,  die  wegen 
der  stattfindenden  Rangirbewegungen  geschlossen  ist,  für 
jeden  Zug  kurz  vor  dessen  Ankunft  geöffnet  wird,  also 
offen  steht  und  erst  umgestellt  werden  muss,  um  denselben 
auf  das  Fahrgleis  zu  leiten.  Diese  Umstellung  wird  durch 
einen  besonders  Beauftragten  — Portier  — erst  dann 
vorgenommen,  wenn  durch  Pfeifen  seitens  des  Lokomotiv- 
führers die  gänzliche  Gefahrlosigkeit  des  Einlasses  signa- 
lisirt  worden  ist.  Das  Sandgleis  ist  60  lang,  kommt  also 
in  seiner  Wirkung  bei  etwa  i/i2bis  i/io  passivem  Wider- 
stande der  Sandschicht  einem  ebenso  langen,  um  5“»  an- 
steigenden Gleise  gleich.  Wiegt  die  Zuglänge  auf  60  ^ 
etwa:  Lokomotive  und  Tender  70t,  2 grosse  Personen- 
wagen 60 1 = 130  die  im  Durchschnitt  auf  2,5  gehoben 
werden,  so  ist  die  vernichtete  Arbeit  325  tm  oder  zufällig 
ungefähr  so  gross,  wie  der  vorgesehene  Arbeitswiderstand 
eines  hydrauüschen  Prellbockes  (Uhland,  Konstrukteur 
1898  S.  14). 

Nachdem  die  Frankfurter  Erfahrung  aufs  neue  ergeben 
hat,  dass  man  auch  auf  die  Vernichtung  von  Schnellzugs- 
Geschwindigkeiten  sich  gefasst  machen  möchte,  wird  es 
sich  empfehlen,  die  Sandgleise  länger  herzustellen.  Rechnet 
man,  ohne  den  Prellböcken  einen  Rest  der  Arbeitsver- 
nichtung zu  überlassen,  auf  20  Geschwindigkeit,  so  muss 

No.  1/2. 


der  Sandweg  bei  1/12  bis  i/io  passivem  Widerstande  oder 
etwa  = 0,9™  Verlangsamung  in  der  Sekunde,  eine  Länge 

V,oKor,  0-2  or>2 


Dies  wäre  der  Schwerpunktsweg  und  es  käme  deshalb 
noch  ein  Theil  bis  höchstens  zur  Hälite  der  Zuglänge  hinzu. 
Da  das  Sandgleis  keinerlei  Einschränkung  der  Benutzbarkeit 
des  Fahrgleises  ei'fordert,  so  ist  es  unter  allen  Umständen 
ausführbar,  und  es  giebt  kaum  einen  Grund,  aus  welchem 
man  dergleichen  Gleise  nicht  anlegen  sollte.  Mehr  als  alle 
Vorschriften  und  Signale  kann  zur  Verhütung  der  Wieder- 
kehr des  Frankfurter  Unglücks  das  Sandgleis  beitragen. 

Im  „Centralbl.  der  Bauverw.“  1896  S.  482  hat  Hr.  Geh. 
Brth.  Sarre  das  Sandgleis  für  die  Vorbeugung  von  Un- 
fällen auf  Kopfgleisen  und  zwar  unter  Vorschlag  einer 
selbstthätigen  Stellvorrichtung  empfohlen,  ist  aber  wegen 
der  Schwierigkeit  der  Herstellung  einer  solchen  Stellvor- 
richtung nicht  durchgedrungen;  ich  sollte  denken,  auch 
wenn  man  von  aller  Selbstthätigkeit  Abstand  nimmt,  so 
lässt  sich  gegen  die  Einrichtung  kaum  etwas  einwenden. 
Das  Schlimmste,  was  passiren  könnte,  wäre,  dass  einmal 
ein  Zug,  auch  wenn  keine  Gefahr  bestünde,  irrthümlicher 
Weise  zum  Anhalten  gebracht  würde,  ein  Fall,  dem  man 
wenigstens  ebenso  gut  Vorbeugen  kann,  wie  dem  Durch- 
gehen, nur  mit  dem  Vortheile,  dass  daraus  ein  grosser 


Schaden  nicht  entstehen  würde.  Wenn  in  Glasers  Annalen 
vom  I.  März  1899  Hr.  Ing.  Krahmann  die  Anwendung 
von  Sandgleisen  in  Kopfstationen  bemängelt,  so  geht  er 
von  der  irrigen  Ansicht  aus , dass  dafür  eine  grössere 
Gleislänge  dem  Verkehr  entzogen  werden  müsste,  während 
man  im.  Gegentheil  durch  eine  Sandgleisanlage,  wie  ich 
sie  Vorschläge,  sogar  noch  die  kurzen  Sandbedeckungen 
der  Stumpfgleisenden  sparen  und  so  für  den  Verkehr  be- 
nutzbar erhalten  könnte, 

Dass  in  Frankfurt  Niemand  ums  Leben  gekommen 
ist,  oder  dass,  wie  Hr.  Krahmann  zur  Vertheidigung  der 
hydraulischen  Prellböcke  betont,  nur  Führer  und  Heizer 
bei  dem  Unglücke  am  16.  November  1897  zu  Tode 
kamen,  dürfte  den  Werth,  ja  die  Nothwendigkeit  der 
Einführung  einer  Sicherung  ausser  der  durch  Prellböcke 
gebotenen  wohl  kaum  abschwächen  können.  Die  zur 
thunlichsten  Raumersparung  in  Dresden  getroffene  An- 
ordnung des  Sandgleises,  bei  welcher  die  Fahrschienen 
mit  zum  Schutze  gegen  Entgleisung  dienen,  ist  vor- 
stehend im  Querschnitt  gezeichnet.  Zu  bemerken  bleibt 
nur  noch,  dass  vor  dem  Eingänge  zur  Sandweiche,  zum 
Festhalten  der  Zunge  und  zur  Verhütung  der  Umstellung 
während  des  Passirens  des  Zuges  eine  — Jüdelsche  — 
Druckschiene  eingelegt  ist.  — 

Dresden,  im  Dezember  1901.  Kopeke. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Architekten-Verein  zu  Berlin.  Vortragsabend  mit  Damen 
amii.Nov.i90i,anwes.324Pers.,  Vors.  Hr.  Beer.  An  diesem 
Abend  hielt  Hr.  Franz  Goerke,  Direktor  der  Ges.  Urania, 
einen  fesselnden,  von  trefflichen  und  mit  feinem  künst- 
lerischen Gefühl  aufgenommenen  Lichtbildern  begleiteten 
Vortrag  „Malerische  Wand  erungen  durch  die  Mark“, 
welcher  der  zahlreichen,  den  grossen  Saal  des  Architekten- 
hauses dicht  füllenden  Zuhörerschaft  einen  hervorragenden 
Genuss  bereitete.  — 

Vers.  V.  25.  Nov.  1901.  Vors. Hr. Beer,  bezw.Hr. Hoss- 
feld, anwes.  78  Mitgl. 

Nach  Mittheilungen  des  Vorsitzenden  hat  der  Verein 
durch  den  Tod  wiederum  eine  Anzahl  von  Mitgliedern 
verloren.  Es  sind  dies  die  Hrn.  Brth.  A.  Ritzel  in  Neu- 
stadt O.'S..  Bauinsp.  C.  Miiow  in  Saarbrücken.  Brth. 
Zekeli  und  Geh.  Brth.  Bluth  in  Berlin.  Das  Andenken 
der  Verstorbenen  wird  durch  den  Vorsitzenden  in  warm 
empfundenen  Worten  der  Erinnerung,  durch  die  Ver- 
sammlung durch  Erheben  von  den  Sitzen  geehrt. 

Es  folgte  sodann  die  Verlesung  des  Programmes  der 
neuen  Schinkel- Preisaufgaben  durch  die  Hrn.  Reimer, 
Roloff  und  Mellin.  Als  Aufgabe  für  Architekten  ist  der 
Entwurf  zu  einem  Künstlerheim  in  Rom,  für  Wasser- 
bauer der  Entwurf  zu  einer  Schwebefähre  über  den 
Kaiser  Wilhelm-Kanal  bei  Brunsbüttel,  für  den  Eisen- 
bahnbau ein  Entwurf  zum  Umbau  der  Bahnanlagen 
bei  Elm  (Strecke  Bebra-Frankfurt  a.  M)  unter  Beseitigung 
der  jetzt  vorhandenen  Spitzkehre  gewählt. 

Es  knüpft  sich  dann  an  die  Mittheilung  des  Hrn.  Hoss- 
feld, dass  in  diesem  Jahre  eingegangen  sind:  16  Ent- 
würfe für  den  Hochbau,  4 für  den  Wasserbau  und  5 für 
den  Eisenbahnbau,  was  als  ein  Rückschritt  gegen  früher 
anzusehen  ist,  die  Bemerkung,  dass  die  Aufgaben  wohl 
zu  gross  seien,  nachdem  der  Umfang  der  Baumeister- 
Arbeiten  wiederum  herabgesetzt  worden  ist;  jedenfalls 
müsse  darauf  Rücksicht  genommen  werden. 

Zu  längeren  Erörterungen  Veranlassung  gaben  Aus- 
führungen des  Arch.  Hrn.  Sixt  über  Kalksandsteine 
einer  in  Neuhammer  an  der  Queiss  gelegenen  Fabrik,  und 
über  eine  neue  Ausführung  von  Brunnen  zur  Wasser- 
gewinnung mit  grossen  durchlochten  Steinen  dieser  Art, 
welche  auch  das  seitliche  Wasser  über  der  Sohle  des 
Brunnens  aufzunehmen  gestatten.  Redner  verbreitet  sich 
zunächst  über  die  Herstellung  der  Steine,  die  bei  einer 
Zusammensetzung  von  i Theil  Kalk  auf  10  Theile  Sand 
unter  der  Einwirkung  von  Hochdruckdampf  erfolgt.  Die 
betr.  Fabrik  stellt  auch  Stücke  in  Werksteinform  her,  mit 
kieselsäurehaltigen  Farben  gefärbt,  glasirte  Flächen  usw. 
An  der  Debatte  betheiligen  sich  die  Hrn.  Blankenstein, 
Dümmler,  Hacker,  Marggraff,  wobei  namentlich  die 
Frage  der  Feuerbeständigkeit  erörtert  wird,  über  die  ver- 
schiedene Meinung  herrscht. 

Sodann  hielt  Hr.  Hasak  einen  interessanten,  von 
schönen  Lichtbildern  begleiteten  Vortrag  über  das  Thema: 
„Ist  es  gerechtfertigt,  den  byzantinischen  Stil 
den  Byzantinern  zuzuschreiben?“  Redner  kommt 
durch  Vergleich  zwischen  den  Bauten  dieses  Stiles  in 
Ravenna  und  den  im  Orient  befindlichen  Bauten,  sowie 
durch  Studium  der  Quellen  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  un- 
gerechtfertigt sei,  den  Ursprung  dieses  Stils  im  Orient  zu 


suchen,  die  Ausbildung  auf  griechische  Meister  zurückzu- 
führen.  Im  Gegentheil  lassen  die  Namen  der  in  den 
Quellen  genannten  Meister  auf  germanischen,  longobar- 
dischen,  gothischen  Einfluss  schliessen.  Die  scharfsinnigen 
Betrachtungen  des  Redners  wurden  von  den  Zuhörern  mit 
Interesse  verfolgt. 

Unter  2 Fragen,  welche  sich  im  Briefkasten  befanden, 
war  diejenige  von  Interesse,  ob  es  den  Kreisen  gestattet 
sei,  den  Titel  „Kreisbaurath“  zu  verleihen.  An  der 
Besprechung  betheiligten  sich  die  Hrn.  Hossfeld,  Blan- 
kenstein und  Walle,  welche  übereinstimmend  der  An- 
sicht waren,  dass  die  Gemeinden  nur  solche  Titel  ver- 
leihen könnten,  welche  eine  bestimmte  Amtsthätigkeit  aus- 
drückten. Als  Beispiel  wurde  der  kürzlich  entschiedene 
Fall  angeführt,  dass  es  dem  Magistrat  von  Berlin  durch 
die  AuLichtsbehörde  nicht  gestattet  wurde,  den  Magistrats- 
assessoren den  Titel  Magistratsrath  zu  geben.  — 

Fr.  E. 

Vermischtes. 

Zur  Frage  der  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs- 
Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss  wird  durch  die  Ber- 
liner Tagesblätter  neuerdings  eine  Kundgebung  verbreitet, 
unter  welcher  sich  eine  Reihe  hochangesehener  Namen 
von  Vertretern  der  Baukunst  befinden.  Dieser  Umstand 
zwingt  uns,  eingehender  auf  sie  zurückzukommen;  das 
kann  aber  erst  geschehen,  wenn  der  an  der  Spitze 
unserer  heutigen  Nummer  beginnende  Aufsatz  des  Hrn. 
Architekten  Fritz  Seitz  in  Heidelberg,  des  ehemaligen 
Mitvorstandes  des  Schloss-Baubüreaus  dorten,  vollständig 
vorliegt,  denn  er  giebt  dasjenige  Material,  ohne  dessen 
Kenntniss  die  so  bedeutungsvolle  Frage  nicht  mit  der 
strengen  Sachlichkeit  beurtheilt  werden  kann,  die  ihr 
zukommt.  — 

Architektur  und  Kunst  des  Innenraumes  auf  der  Grossen 
Berliner  Kunst-Ausstellung  1902.  Wie  im  vergangenen  Jahre, 
so  soll  auch  in  diesem  Jahre  auf  der  am  3.  Mai  zu  er- 
öffnenden und  bis  zum  28.  Sept.  dauernden  Grossen  Ber- 
liner Kunst-Ausstellung  am  Lehrter  Bahnhof  eine  um- 
fassende Betheiligung  der  Architektur  und  der 
Kunst  des  Innenraumes  stattfinden.  Dafür  stehen  die 
gleichen  Räume  zur  Verfügung,  wie  das  vergangene  Jahr. 
Die  Einsendung  der  Kunstwerke  muss  zwischen  dem 
15.  März  und  3.  April  erfolgen.  Besondere  Einla- 
dungen ergehen  diesmal  nicht.  Die  Anmeldung 
der  einzuUefernden  Werke  muss  bis  spätestens  10.  März 
erfolgt  sein.  Um  für  die  Innenräume,  die  sich  in  ihrer 
Ausdehnung  ungefähr  an  die  Maasse  4:6®  halten  können 
und  für  welche  in  der  Hauptsache  Oberlicht,  Seitenlicht 
dagegen  nur  ausnahmsweise  zur  Verfügung  steht,  mög- 
lichst bald  die  Raumanordnung  treffen  zu  können,  sind 
Skizzen  mit  Angabe  der  ungefähren  Raumanordnung  noch 
vor  dem  genannten  Zeitpunkte,  am  besten  umgehend, 
einzusenden.  Sämmtliche  Zusendungen  sind  zu  richten 
an  „die  Geschäftsleitung  der  Grossen  Berliner  Kunst-Aus- 
stellung“, Landes-Ausstellungs-Gebäude  am  Lehrter  Bahn- 
hof, Berlin  NW.  — 

Ueber  den  Ausbau  des  Domes  in  Meissen  ist  in  den 
jüngsten  Tagen  entschieden  worden.  Zur  Erlangung  von 
Entwürfen  für  die  Thurmaufbauten  erging  an  die  Hrn. 


4.  Januar  1901. 


II 


Reg.-  u.  Brth.  Tornow-Metz,  Geh.  Brth.  Steinbrecht- 
Marienburg,  Ob.-Brth.  Schäfer  in  Karlsruhe,  Prof,  Gabr. 
von  Seidl  in  München  und  Arch.  Linnemann  in  Frank- 
furt a.  M.  eine  entsprechende  Aufforderung,  welcher  die 
Hrn.  Linnemann,  Schäfer  und  v.  Seidl  durch  Vorlage  von 
Entwürfen  auch  entsprachen.  Steinbrecht  und  Tornow 
- mussten  ablehnen.  Linnemann  gab  eine  gthürmige  Lösung 
(s.  Jahrg.  1898  No.  60).  Die  beiden  übrigen  Architekten 
eine  zweithürmige.  Die  Wahl  fiel  in  der  Hauptversamm- 
lung des  Dombauvereins  mit  50  gegen  4 Stimmen  auf 
den  Entwurf  des  Hrn.  Ob.-Brth.  Prof.  K.  Schäfer  in 
Karlsruhe.  Der  vorberathenden  Sachver.ständigen-Kom- 
mission  gehörten  an  die  Hrn.  Ob.-Hfbrth.  Dünger,  Hfrth. 
C.  Gurlitt,  Brth.  Schmidt,  Prof.  Seitler,  Geh.  Brth. 
Temper  und  Geh.  Brth.  Wallo  t,  sämmtiieh  in  Dresden.  — 


Todtenschau. 

Franz  Xaver  Kraus  -j-.  In  St.  Remo  starb  am  29.  Dez. 
1901  an  einer  Magenblutung  der  grossh.  bad.  Geh.  Plofrath 
Prof.  Franz  Xaver  Kraus  in  Freiburg  i.  ßr.  Mit  Kraus 
ist  einer  der  fruchtbarsten  und  bekanntesten  deutschen 
Kunsthistoriker  aus  diesem  Leben  geschieden.  Am  18.  Sept. 
1840  in  Trier  geboren,  erreichte  der  Verstorbene  ein  Alter 
von  etwas  über  6r  Jahren,  ein  verhältnissmässig  geringes 
Alter  für  das  reiche  Lebenswerk,  welches  er  hinterlassen. 
Kraus  studirte  in  Freiburg  und  Bonn  Theologie  und  Philo- 
logie und  legte  bei  einem  längeren  Studienaufenthalte  in 
Paris  die  Grundlage  zu  seinen  archäologischen  Studien, 
die  er  in  der  Folge  als  ausserordentlicher  Professor  der 
Archäologie  der  christlichen  Kunst  an  der  Universität 
Strassburg  bethätigte.  Sechs  Jahre  lehrte  er  hier,  um 
1878  nach  Freiburg  i.  Br.  zu  gehen,  wo  er  sich  bis  zu 
seinem  vorzeitigen  Ende  einer  hervorragenden  Lehrthätig- 
keit  und  einer  reichen  schriftstellerischen  Bethätigung 
widmete.  Von  seinen  kunstarchäologischen  Werken  und 
anderen  Schriften  seien  u.  a.  genannt:  „Die  christliche 
Kunst  in  ihren  frühesten  Anfängen“  (Leipzig  1872);  „Ueber 
das  Studium  der  Kunstwissenschaft  au  den  deutschen 
Hochschulen“  (Strassburg  1874),  „Kunst  und  Alterthum  in 
Elsass-Lothringen“  (Strassburg  1876— 92);  „Synchronistische 
Tabellen  zur  christlichen  Kunstgeschichte“  (Freiburg  1880); 
„Realencyclopädie  der  christlichen  Alterthüraer“  (Freiburg 
1882—1886).  Hervorragenden  Antheil  hatte  Kraus  an  der 
Herausgabe  der  „Kunstdenkmäler  des  Grossherzogthums 
Baden“,  dem  grossen  badischen  Inventarisationswerke; 
wiederholte  Studien  betrafen  die  frühromanischen  Bau- 
werke auf  der  Insel  Reichenau  im  Bodensee.  Als  ein  Er- 
gebniss  dieser  Studien  ist  das  Werk:  „Die  Wandgemälde 
der  St.  Georgskirche  zu  Oberzell  auf  der  Insel  Reichenau“ 
(Freiburg  1884)  zu  betrachten;  fernerhin  gab  er  noch  „die 
Wandgemälde  von  San  Angelo  in  Formis“  (Freiburg,  1893) 
heraus.  Ein  umfangreiches  Werk  über  „die  Geschichte 
der  christlichen  Kunst“  ist  nicht  bis  zur  Vollendung  ge- 
diehen. Von  dem  Werke  liegen  2 stattliche,  reich  und 
vornehm  illustrirte  Bände  vor.  Das  Werk  zeugt,  wie  auch 
seine  übrigen  Schriften,  von  einem  gereifteren  Verständ- 
niss  für  die  Werke  der  bildenden  Kunst,  als  es  bei  den 
.Berufsgenossen  des  Verstorbenen  gemeinhin  gefunden 
werden  kann.  Insbesondere  auch  der  Architektur  stand 
Kraus  mit  mehr  Verständniss  gegenüber,  wie  viele  andere 
Vertreter  der  christlichen  Archäologie.  In  seinen  kunst- 
schriftstellerischen Arbeiten  verband  er  mit  einem  univer- 
sellen Wissen  ein  feines,  reifes  Kunsturtheil.  Die  freiere 
Richtung  innerhalb  der  katholischen  Kirche,  zu  welcher  er 
sich  zählte,  kommt  in  seiner  Kunstkritik  zu  sympathischem 
Ausdruck.  So  entbehren  seine  Werke,  wenn  sie  auch  die 
LebensstellungihresUrhebersnichtganzverleugnenkönnen, 
doch  der  einseitigen  Parteinahme  und  werden  in  dieser 
Vereinigung  liberaler  Anschauung  mit  tiefem  und  um- 
fassendem Wissen  zu  werthvollen  Bestandtheilen  des 
deutschen  Besitzes  an  Kunstlitteratur.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  einer  Vorrichtung 
zum  Messen  des  Winddruckes  erlässt  der  kgl.  preuss.  Hr. 
Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  für  Personen  des  In- 
und  Auslandes  mit  Frist  zum  i.  April  1903.  Es  gelangen 
3 Preise  von  5000,  3000  und  2000  M.  zur  Vertheilung;  ausser- 
dem erhält  derjenige  Bewerber,  dessen  Vorrichtung  nach 
längerer  Beobachtung  für  den  Gebrauch  zu  staatlichen 
Zwecken  am  meisten  geeignet  befunden  wird,  einen  wei- 
teren Preis  von  3000  M.  Dem  Preisgerichte  gehören  an 
die  Hrn.  Hauptmann  der  Luftschifferabtheilung  Bartsch 
von  Sigsfeld  in  Schöneberg,  Ob  -Ing.  Böcking  in  Düssel- 
dorf, Ziv.-lng.  Brth.  R.  Gramer  in  Berlin,  Assist,  der 
Deutschen  Seewarte  in  Hamburg  Dr.  von  Hasenkamp, 
Geh.  Reg.-Rath  Jäger  in  Berlin,  Ziv.-lng.  R.  Kohfahl  in 
Hamburg,  Mar.-Ob.-Brth.  Kretschmer  in  Berlin,  Geh. 
Reg.-Rath  Prof.  Müller-Breslau  in  Grunewald,  Wasser- 
werk-Dir.  Schmetzer  in  Frankfurt  a.  0,,  Geh.  Ob.-Brth. 
Dr.  Zimmerraann  in  Berlin  und  ein  im  Einverständniss 
mit  der  Deutschen  GeselLchaft  für  Mechanik  und  Optik 
zu  bestimmender  Vertreter  der  Feinmechanik.  Der  Druck- 
rae.sser  muss  so  eingerichtet  sein,  dass  er  gestattet,  die 
Grösse  der  Mittelkraft  des  Winddruckes  auf  Flächen  und 
Körper  einschliesslich  der  etwa  vorhandenen  Saugwirkung 
auf  der  Leeseite  so  zu  bestimmen,  dass  die  Beobachtungs- 
Ergebnisse  für  statische  Berechnungen  verwendbar  sind. 
Die  Aufzeichnung  muss  selbstthätig  so  erfolgen,  dass  eine 
ununterbrochene  bildliche  Darstellung  des  zeitlichen  Ver- 
laufes der  Winddrucke  gewonnen  wird.  Die  Bewerbung 
kann  durch  Druckmesser  selbst  oder  durch  betriebsfähige 
Modelle  mit  Anschluss  ergänzender  Zeichnungen  und  Be- 
rechnungen erfolgen.  Patentrechte  für  die  Entwürfe  sind 
voi\,d6r  Einsendung  an  das  Preisgericht  zu  sichern.  — 

Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine  Präparandenschule 
in  Landsberg.  Im  Aufträge  des  Magistrates  der  Stadt 
Landsberg  eröffnete  der  Münchener  Arch.-  u.  Ing.-Verein 
unter  seinen  Mitgliedern  einen  Wettbewerb  zur  Erlangung 
von  Plänen  für  eine  Präparandenschule  daselbst.  Von 
den  it  Bearbeitungen,  welche  durchweg  sehr  gute  Lei- 
stungen darstellen,  wurde  dem  Entwurf  mit  dem  Kenn- 
zeichen „T.'2  12"  (Arch,  C.  Jäger)  der  I.  Preis,  demjenigen 
mit  dem  Kennwort  „Süddeutsch“  (Arch.  Gebr.  Rank)  der 
II.  Pr.,  der  Arbeit  mit  dem  Kennzeichen  „99“  (Arch.  Rosen- 
stock)  der  ILI.  Pr.  zuerkannt. 

Das  Ergebniss  dieses  Wettbewerbes  ist  ein  ganz  un- 
erwartet erfreuliches.  Es  wäre  nur  zu  wünschen,  dass 
der  Arch.  u.  Ing.-Verein  durch  Zuwendung  ähnlicher  Auf- 
gaben grösseren  und  kleineren  Umfanges  in  seinem  Stre- 
ben, auf  dem  Wege  des  Wettbewerbes  der  Allgemeinheit 
zu  nützen,  recht  fleissig  unterstützt  würde.  — 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwurfskizzen 
für  ein  Gymnasium  mit  Turnhalle  und  Direktorwohnung 
der  Stadt  Steele,  unter  den  Mitgliedern  des  Architekten- 
und  Ingenieur-Vereins  für  Niederrhein  und  Westfalen  aus- 
geschrieben, wurde  am  30.  Dezbr.  v.  J.  vom  Preisgericht 
dahin  entschieden,  dass  der  I.  Preis  von  1800  M.  dem 
Arch,  Otto  Müller,  der  II.  Preis  von  1200  M.  dem  Arch. 
Constantin  Wille,  der  III.  Preis  von  800  M.  den  Reg.- 
Baumeistern  Bohrer  u.  Kleefisch,  alle  in  Köln,  zuge- 
sprochen wurde.  — 


Inhalt;  Die  Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses,  insbes. 
des  Otto  Heinrichs-Baues.  — Herrenhaus  Gravenstein  für  Französisch-Buch- 
holz  bei  Berlin.  — Ein  Beitrag  zum  SteiubrOckenbau.  — Ueber  das  Auf- 
Iialien  von  Balinzügen  in  Kndbahnhöfen.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — 
Vermischtes.  — Todtenschau.  — ITeisbewerbungeu. 


Hierzu  eine  Bildbeilage:  Herrenhaus  Gravenstein  für 
Französisch-Buchholz  bei  Berlin. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofmaiin,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


Johann  Eduard  Jacobsthal  f. 

An  der  Wende  des  Jahres,  am  Nachmittag  des  Neujahrstages,  entschlief  nach  langem,  schwerem 
Leiden  der 'Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin,  Geheimer  Regierungsrath  Johann 
Eduard  Jacobsthal,  im  Alter  von  wenig  mehr  als  62  Jahren.  Mit  ihm  ist  einer  der  feinsinnigsten 
Vertreter  der  nachschinkelschen  Schule  dahingegangen,  ein  Architekt,  dessen  fruchtbares  und  her- 
vorragendes Wirken  als  Lehrer  und  Bauküiistler  sich  mehr  in  der  Stille  des  Lehrsaales  und  des 
Ateliers  als  in  der  Oeffentlichkeit  vollzog.  Wir  werden  dem  reichen  Lebenswerke  des  Verstor- 
benen, dem  eine  unbegrenzte  Verehrung  seiner  zahlreichen  Freunde  und  Schüler  ins  Grab  folgt, 
eine  eingehendere  Betrachtung  widmen.  — 


12 


No.  1/2. 


ERRENHAUS  GRAVENSTEIN  FÜR 
FRANZÖSISCH-BUCHHOLZ  BEI 
BERLIN  * ANSICHT  DER  DIELE  * 
ARCHITEKT:  HERM.  A.  KRAUSE 
IN  BERLIN  ******** 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG  = 
XXXVI.  JAHRGANG  1902  N2.-  1-2  * 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  3.  Berlin,  den  8.  Januar  1902. 


Landhaus  Schmidt  bei  München. 

Avch.:  Mart.  Dülfer  in  Mfinchen. 

mas  auf  einem  Hügel  am  Unken  Isarufer  liegende  wird,  die  aus  anderen  Gebäudearten  auf  uns  überkommen 
Landhaus  Schmidt  bei  München,  zu  dessen  An-  sind  und  in  der  Wohnlichkeit  eine  Rolle  nicht  spielen, 
sichten  und  Grundrissen  wir  nur  wenig  zur  Er-  Thürme  und  hochgelegene  Aussichtsterrassen,  die  dem 
läuterung  hinzuzufügen  haben,  kann  als  ein  interessantes  Festungsbau  und  der  Anlage  grosser  adeliger  Herrensitze 
Beispiel  für  das  Bestreben  der  Münchener  Architektur  entnommen  sind,  können  beim  modernen  Landhause  wohl 


gelten , die  werthvollen  Eigenschaften  des  Bauernhauses,  entbehrt  werden,  denn  die  Bewohner  des  Hauses  wollen 
seine  Farbenfreudigkeit,  seine  Wahrheit  im  Aufbau  usw.  die  Schönheiten  einer  Gegend  im  täglichen  Verkehr  mit 
auf  das  städtische  Landhaus  zu  übertragen.  Zu  dieser  der  Natur  und  ohne  Mühe  gemessen,  und  nur  in  örtlichen 
Wahrheit  gehört  es  unter  anderem  auch,  dass  bei  dem  Ausnahmefällen  sind  Anordnungen  zu  treffen,  welche  den 
modernen  Landhause  auf  alle  die  Bildungen  verzichtet  Naturgenuss  trennen  von  der  behaglichen  Wohnlichkeit. 


13 


Der  durch  die  freie  Lage  des  Landhauses  ermöglichte 
Naturgenuss  bedingt  Form  und  Lage  der  Fenster,  beide 
richten  sich  somit  nach  den  örtlichen  Bedingungen  des 
Hauses,  und  beide  sind  so  zu  wählen,  dass  sie  aus  der 
Landschaft  möglichst  günstige  Bilder  ausschneiden. 

In  der  äusseren  Erscheinung  zeigt  das  Landhaus 
Schmidt  den  Fachwerkbau  in  Verbindung  mit  dem  Putz- 


bau, beide  in  malerischer  Weise  und  mit  ungebrochenen 
Farben  behandelt,  welche  der  Einfluss  des  Wetters  abzu- 
stimmen berufen  ist,  wenn  die  Patina  der  Jahre  die  ur- 


sprüngliche Grundfarbe  in  eine  Skala  von  Untertönen  zer- 
legt hat.  Der  Verputz  ist  durch  verschiedenartige  Flächen- 
behandlung zu  lebendiger  Wirkung  gebracht,  das  Dach 
ist  mit  rothen  Bieberschwänzen  gedeckt,  das  Holzwerk 
ist  schwarzbraun  getheert,  die  Fenster  sind  weiss  gehalten, 
die  Thüren  bestehen  aus  geöltem  Eichenholz.  Die  reichen 
Gitter  sind  kornblumenblau  gestrichen,  durch  Vergoldung 
aufgehöht  und  durch  grüne  und  rothe  Lasuren  abgestimmt. 
Grün  sind  auch  die  Dachrinnen  und  die  Abdeckungen  der 
Giebelmauer.  Das  Dach  springt  weit  vor,  es  soll  das  Haus 
und  die  offenen  Sitzplätze  schützen.  Je  einfacher  seine  Gei- 
stalt,  desto  besser  schützt  es  gegen  den  Einfluss  der 
Witterung.  Es  soll  die  Möglichkeit  gewähren,  auch  dann 
im  Freien  zu  sitzen,  wenn  die  Witterung  einen  Aufenthalt 
im  Garten  nicht  erlaubt. 

Zu  erwähnen  wäre,  dass  auf  Wunsch  des  Bauherrn 
durch  Zumauern  der  Oeffnung  an  der  Diele  bei  a das  Haus 
zu  einem  Zweifamilienhause,  Erdgeschoss  und  Unterge- 
schoss für  die  eine,  Ober-  und  Dachgeschoss  für  die  andere 
Familie,  gemacht  werden  kann. 

Haus  Schmidt  kostete  58000  M.  oder  22  M.  für  i cbm 
umbauten  Raumes,  gemessen  von  der  Kellersohle  bis  zur 
Kehlbalkenhöhe.  — 


lieber  den  neuen  Entwurf  eines  Reichsgesetzes  betreffend  die  Sicherung  der  Bauforderungen. 


Von  R.  Goldschni: 

■ nter  dem  5.  Mai  1898  hatte  der  Verfasser  Gelegenheit, 
in  der  Dtschn.  Bztg.  über  den  von  einer  Kommission 
des  kgl.  preuss.  Staats-Ministeriums  ausgearbeiteten 
Entwurf  zu  einem  Reichsgesetz  betr.  die  Sicherung  der 
Bauforderungen  kritisch  zu  berichten.  Die  vielfachen  Ein- 
wände, die  gegen  den  Entwurf  erhoben  wurden,  haben 
zur  Folge  gehabt,  dass  sich  die  Kommission  noch  einmal 
mit  demselben  Stoff  zu  beschäftigen  hatte.  Das  Ergeb- 
niss  ist  der  jetzige,  in  2 verschiedenen  Vorschlägen  vor- 
liegende Entwurf,  der  nunmehr  wiederum  den  bethei- 
ligten Kreisen  zur  Begutachtung  zugestellt  ist.  Eine  amt- 
liche Ausgabe  des  Entwurfes  mit  den  Begründungen  ist 
in  R.  von  Deckers  Verlag  erschienen. 

Das  von  dem  kgl.  Justiz-Ministerium  beobachtete  Ver- 
fahren,' auch  den  geänderten  Gesetzentwurf  der  öffent- 
lichen Erörterung  zu  übergeben,  verdient  besonderen  Dank 
und  Aberkennung.-  Es  wäre  erwünscht,  wenn  andere  Be- 
hördeij  sich  hieran  ein  Beispiel  nehmen  und  auch  ihrerseits 
bei  ähnlichen  wichtigen  Entwürfen  dieselbe  Rücksicht  auf 
die  Betheiligten  üben  wollten.  Die  neuen  Entwürfe  zeugen 
von  fleissiger  und  geschickter  Weiterarbeit,  alle  Einwände 
gegen  den  ersten  Entwurf  sind  erwogen  und  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  berücksichtigt  worden;  man  hat  die  Em- 
pfindung, dass  das  Gesetz  für  den  Schutz  der  Bauhand- 
werker das  Erreichbare  leisten  würde.  -Trotzdem  ist  zu 
wünschen,  dass  der  Schutz  der  Flandwerker  in  anderer 
Weise  erreicht  werden  möge  als  durch  dieses  Gesetz,  denn 
seinen  Vortheilen  für  die  Bauhandwerker  stehen  schwere 
Nachtheile  für  den  Bauherrn,  den  Geldgeber  und  den  aus- 
übenden Architekten  gegenüber.  Es  kann  daher  nur  an- 
gerathen  werden,  dass  sich  die  Architektenschaft  frühzeitig 
genug  mit  dem  Entwürfe  beschäftigen  und  gegen  denselben 
Stellung  nehmen  möge,  damit  sie  nicht,  wenn  er  Gesetz 
geworden,  durch  seine  Unzuträglichkeiten  unangenehm 
überrascht  werde. 

Ist  es  nicht  möglich,  für  diejenigen  Elemente,  die  mit 
der  nöthigenSachkenntniss  und  den  entsprechenden  Mitteln 
bauen,  und  deren  Zahl  doch  immer  noch  bei  weitem  die 
Mehrheit  bildet,  aus  den  Zwangsbestimmungen  des  Ge- 
setzes herauszukommen,  sei  es  nach  dem  früherenVorschlage 
des  Verfassers  durch  eine  hinreichende,  wirklich  geleistete 
Anzahlung  auf  die  erkaufte  Baustelle,  sei  es  durch  Stellung 
von  Sicherheiten,  so  erscheint  der  Entwurf  unannehmbar. 

Zunächst, sei  der  Inhalt  des  Gesetzes  wiedergegeben: 
Durch  landesherrliche  Verordnung  kann  angeordnet  wer- 
den, dass  für  einzelne  Gemeinden  im  Falle  der  Errichtung 
eines  Neubaues  ein  Bauvermerk  in  das  Grundbuchbiatt 
des  bezüglichen  Grundstückes  eingetragen  werde.  Dieser 
Bauvermerk  sichert  die  Stelle,  an  der  später  nach  Fertig- 
stellung des  Baues  eine  Bauhypothek  für  die  Handwerker 
eingetragen  werden  kann.  Der  Bauvermerk  und  mit  ihm 
die  genannte  Hypothek  haben  stets  den  Rang  hinter  dem 
von  der  Behörde  abgeschätzten  Werth  der  Baustelle.  Sind 
auf  der  Baustelle  bereits  Hypotheken  in  grösserer  Höhe 
als  dieser  abgeschätzte  Baustellenwerth  vorhanden,  so 
muss  von  dem  Bauherrn  der  Unterschied  zwischen  diesen 
und  dem  Baustellenwerth  in  baar  oder  in  mündelsicheren 
Papieren  zur  etwaigen  späteren  Vertheilung  an  die  Bau- 
gläubiger hinterlegt  werden.  Hierdurch  ist  vorgebeugt, 
dass  letztere  durch  zu  hohe  Voreintragungen  zu  kurz 
kommen  können.  Zu  bemerken  ist,  dass  im  Gegensatz 

14 


dt,  Reg.-Baumeister. 

ZU  dem  früheren  Entwurf  dieses  Gesetz  also  nicht  nur  für 
eigentliche  Neubaubezirke,  sondern  stets  für  ganze  Ge- 
meinden, z.  B.  für  ganz  Berlin  Geltung  erlangen  wird. 

Neubau  im  Sinne  des  Gesetzes  ist  jedes  zu  Wohn- 
oder  gewerblichen  Zwecken  bestimmte  Gebäude,  das  auf 
einer  Baustelle  errichtet  wird,  welche  zurzeit  der  Erthei- 
lung  der  Bauerlaubniss  unbebaut  oder  nur  mit  Gebäuden 
geringer  Art  besetzt  ist.  Es  sind  hiernach  also  alle  Um- 
bauten und  Neubauten  an  Stellen,  an  welchen  ein  älteres 
Gebäude  durch  ein  neues  ersetzt  werden  soll,  von  dem 
Gesetze  ausgeschlossen.  Begeht  man  jedoch  die  Unvor- 
sichtigkeit, den  alten  Bau  vor  Ertheilung  der  Bauerlaubniss 
abzureissen,  so  fällt  der  Neubau  trotzdem  unter  dasselbe. 
Im  übrigen  soll  die  Polizei  das  Recht  haben,  den  Umfang 
der  Baustelle  nachzuprüfen,  und  2.  B.  eine  Aussonderung 
der  Baustelle  zu  verlangen,  um  dort  einen  Neubau  im 
Sinne  des  Gesetzes  zu  schaffen,  wo  auf  grösseren,  schon 
mit  einem  oder  mehreren  Gebäuden  besetzten  Grund- 
stücken noch  weitere  erbaut  werden  sollen.  Diese  der 
Polizei  eingeräumte  Machtvollkommenheit  erscheint  viel  zu 
weit  gehend.  Die  Gefahr,  dass  ein  Grundstückspekulant, 
um  seine  Käufer  aus  dem  Banne  des  Gesetzes  herauszu- 
bringen, die  einzelnen  verkauften  Parzellen  nicht  zu  selbst- 
ständigen Grundstücken  macht  und  die  Käufer  auf  dem 
ungetrennten  Gelände  bauen  lässt,  erscheint  wegen  der 
daraus  entstehenden  schwierigen  Eigenthums-  und  Be- 
leihungsverhältnisse als  ganz  ausgeschlossen.  Gewiss 
kommt  etwas  ähnliches  in  dem  Falle  vor,  dass  Bausteilen- 
verkäufer die  verkauften  Grundstücke  erst  dann  im  Grund- 
buche auf  ein  besonderes  Blatt  abschreiben  lassen  und 
sie  dem  Käufer  auflassen,  wenn  der  Bau  schon  von  dem- 
selben bis  zu  einer  gewissen  Flöhe  getrieben  ist.  Aber 
das  ist  denn  doch  ganz  etwas  anderes.  Hier  ist  das  Grund- 
stück schon  einerseits  durch  den  Kaufvertrag,  andererseits 
durch  die  der  Polizei, eingereichten,  von  einem  Landmesser 
beglaubigten  Pläne  festgelegt,  und  die  Polizei  kann  bereits 
heute  aufgrund  der  Bestimmungen  der  Bauordnungen  vor 
Ertheilung  der  Bauerlaubniss  verlangen,  dass  die  Baustelle 
auch  im  Grundbuche  als  selbständiges  Grundstück  hinge- 
stellt werde.  Ist  diese  Machtvollkommenheit  der  Polizei 
also  nicht  nöthig,  um  eine  Umgehung  des  Gesetzes  zu  ver- 
hindern, so  ist  sie  ihr  auch  nicht  zuzugestehen,  weil  ihre 
Anwendung  unter  Umständen  zu  einer  unmittelbaren  Bau- 
behinderung werden  kann.  Will  z.  B.  der  Besitzer  eines 
grösseren,  bereits  bebauten  Grundstückes  noch  ein  weiteres 
selbständiges  Haus  der  besseren  Ausnutzung  wegen  auf 
demselben  bauen,  so  kann  die  Polizei  verlangen,  selbst 
wenn  es  sich  nur  um  ein  Hintergebäude  handelt,  dass  für 
den  Bau,  damit  er  unter  das  Gesetz  falle,  das  erforderliche 
Bauland  von  dem  Hauptgrundstücke  abgezweigt  werde. 
Erheben  hiergegen  aber  die  Hypothekengläubiger  Ein- 
spruch, und  ein  Recht,  dieselben  zu  zwingen,  hat  der  Be- 
sitzer nicht,  so  muss  der  Bau  eben  unterbleiben. 

Ein  weiterer  Paragraph  des  Entwurfes  bestimmt,  dass 
die  Bauerlaubniss  von  der  Baupolizeibehörde  nur  ertheilt 
werden  kann,  wenn  der  Bauvermerk  bereits  eingetragen 
ist.  Man  hat  also,  bevor  man  die  Bauerlaubniss  erhält, 
erst  von  einer  besonderen  Behörde  den  Grundstellenwerth 
einschätzen  zu  lassen,  dann  hat  man  aufgrund  dieser  Ab- 
schätzung die  Eintragung  des  Bauvermerkes  zu  beantragen, 
gegebenenfalls  eine  Sicherheit  zu  stellen.  Hat  das  Gericht 

No.  3. 


die  Eintragung  verfügt  und  hat  die  Polizei  davon  Kennt- 
niss  erlangt,  so  steht  der  Ertheilung  des  Bauscheines  nichts 
mehr  entgegen.  Hier  dürfte  die  Frage  wohl  nicht  so  un- 
berechtigt erscheinen,  wieviel  länger  noch  als  heute  wird 
später  auf  die  Erledigung  eines  Baugesuches  zu  warten 
sein,  da  man  noch  mit  2 Behörden  mehr  zu  thun  hat, 
als  schon  jetzt?  Ist  die  Bauerlaubniss  ertheilt,  so  hat  der 
Eigenthümer  vor  Beginn  des  Baues  dem  Grundbuche  eine 
Erklärung  einzureichen,  aus  welcher  ersichtlich  sind: 

1.  Die  Personen  der  nach  § 6 als  Baugläubiger  anzu- 
sehenden Unternehmer  des  Bauwerkes  oder  einzelner 
Theile  desselben; 

2.  Der  Betrag  der  jedem  Unternehmer  zu  zahlenden 
Vergütung; 

3.  Die  Fristen,  in  denen  die  Vergütung  zu  zahlen  ist. 

Werden  die  Verträge  mit  den  Unternehmern  abge- 
ändert, so  hat  der  Bauherr  unverzüglich  eine  Erklärung 
beim  Gericht  einzureichen,  welcher  die  in  Absatz  i vor- 
gesehenen Angaben  enthält  oder  berichtigt. 

Zu  welchen  Umständlichkeiten  diese  Bestimmung 
führen  kann,  zeigt  das  folgende  Beispiel:  Habe  ich  nach- 
träglich mich  entschlossen,  in  einem  Neubau  statt  einer 
Stuckdecke  eine  Plolzdecke  anzunehmen,  so  muss  ich  so- 
fort dem  Gerichte  anmelden,  dass  der  Stukkateur  nunmehr 
300  M.  weniger  zu  fordern  hat,  der  Tischler  1000  M.  da- 
für mehr,  ähnlich  wenn  ich  statt  eines  hölzernen  Abwasch- 
tisches einen  solchen  aus  Marmor  verwende  usw. 

Nach  dem  Gesetze  steht  ferner  Jedermann  das  Recht 
zu,  Einsicht  von  den  Verträgen  und  Verabredungen  für 
den  Bau  auf  dem  Grundbuchamte  zu  nehmen,  ausserdem 
kann  jeder  am  Bau  beschäftigte  Unternehmer  die  An- 
sprüche des  anderen  bestreiten,  falls  „die  vereinbarte 
Vergütung  die  übliche  Vergütung  offenbar  in  erheblichem 
Maasse  übersteigt". 

Wie  wir  oben  gesehen  haben,  soll  der  Bauvermerk 
im  Grundbuche  nur  die  Stellung  festlegen,  an  welcher 
später  die  Bauhypothek  zu  Gunsten  der  Handwerker  ein- 
getragen werden  kann.  Ein  unwiderrufliches  Recht  an 
dieser  Bauhypothek  steht  jedem  an  dem  Bau  beschäftigt 
gewesenen  Handwerker  in  Höhe  seiner  Forderung  zu,  vor- 
ausgesetzt, dass  er  die  letztere  binnen  einer  Frist  von  3 Mo- 
naten, nachdem  die  Baupolizei  im  Reichsanzeiger  die  er- 
folgte Gebrauchsabnahme  veröffentlicht  hat,  anmeidet.  Da 
die  Veröffentlichung  spätestens  einen  Monat  nach  der  Ge- 
brauchsabnahme erfolgen  soll,  hat  man  imganzen  ziemlich 
4 Monate  zu  warten,  bevor  man  wieder  frei  über  sein 
Grundstück  verfügen  und  eine  Regulirung  der  Hypotheken 
vornehmen  kann.  Haben  Handwerker  während  dieser 
Frist  Anmeldungen  aufgrund  von  Bauforderungen  bewirkt, 
so  wird  diesen  nach  Ablauf  der  Frist  eine  gemeinschaft- 
liche Hypothek  mit  gleichen  Rechten  als  Sicherheits-PIypo- 
thek  eingetragen.  Will  der  Eigenthümer  die  Eintragung 
der  Bauhypothek  vermeiden,  damit  ihm  die  Möglichkeit  ge- 
geben wird,  eine  feste  Hypothek  an  geeigneter  Stelle  auf- 
zunehmen, so  muss  er  entweder  die  Handwerker  befrie- 
digen, oder  wenn  er  die  Forderungen  ohne  weiteres  nicht 
anerkennen  kann,  eine  entsprechend  hohe  Kaution  stellen, 


damit  die  Anmeldungen  im  Grundbuche  gelöscht  werden. 
— Die  Anmeldefrist  von  .imganzen  4 Monaten,  die  sich 
in  Wirklichkeit  immer  wohl  auf  6 Monate  dadurch  ver- 
längern dürfte,  dass  die  meisten  geldgebenden  Anstalten 
nicht  im  Laufe  des  Vierteljahres,  sondern  nur  am  Anfang 
eines  solchen  Geld  flüssig  machen  können,  ist  viel  zu  lang. 
Dieselbe  müsste  unbedingt  auf  einen  Monat  herabgesetzt 
werden,  wie  ich  schon  in  meinem  vorigen  Aufsatz  vor- 
geschlagen habe.  Diese  lange  Frist  führt  zu  einer  Be- 
nachtheiligung  der  Bauherren  wie  der  Handwerker.  Da 
sich  unter  dem  neuen  Gesetze  Gelder  auf  Hypotheken, 
mit  Ausnahme  der  eine  Sonderstellung  geniessenden  Bau- 
gelder, während  der  Bauzeit  schwer  aufnehmen  lassen, 
so  werden  die  Handwerker  meistens  und  zwar  gerade 
bei  den  für  sie  günstigen  Bauten  den  grössten  Theil 
ihres  Geldes  erst  nach  der  Aufnahme  der  endgiltigen 
Hypothek,  d.  h.  ein  halbes  Jahr  , nach  Fertigstellung  des 
Baues  erhalten.  Sie  bekommen  also  ihre  in  den  Bau  ge- 
steckten Gelder  ein  halbes  Jahr  später  wieder  zur  Ver- 
fügung und  verlieren  dazu  das  halbe  Jahr  die  Zinsen. 

Wir  kommen  im  Weiteren  zur  Stellung  des  Baugeldes 
dem  Bauvermerk  gegenüber.  Nimmt  JemandBaugeider  auf, 
so  kann  die  für  dieselben  haftende  Hypothek  nur  vorerst 
hinter  demBauvermerk  eingetragen  werden.  Jedoch  muss 
dieser  dem  Betrage  der  jedesmaligen  Zahlungen,  welche 
von  den  Baugeldern  zur  Tilgung  von  Bauforderungen  ge- 
macht werden,  den  Vorrang  geben,  so  dass  diese  Beträge 
schliesslich  insgesammt  vor  der  Bauhypothek  stehen  wer- 
den. Hierbei  ist  stets  vorausgesetzt,  dass  die  einzelnen 
Baugelderraten  auch  wirklich  nur  zur  Tilgung  von  Bau- 
forderungen für  den  fraglichen  Bau  verwandt  worden 
sind.  Gegen  letztere  Forderung  war  seinerzeit  der  Ein- 
wand erhoben  worden,  dass  die  Banken  fernerhin  kaum 
noch  Baugelder  geben  könnten,  da  ihnen  die  Kontrolle 
über  die  Verwendung  derselben  kaum  möglich  wäre.  Unter- 
liessen  sie  aber  eine  solche,  so  blieben  sie  in  steter  Ge- 
fahr, die  bevorzugte  Stelle  im  Grundbuche  und  damit  die 
nöthigen  sicheren  Unterlagen  zu  verlieren.  Um  diesem 
Uebeistande  vorzubeugen,  hat  nun  der  Entwurf  einen,  wie 
mir  scheint,  sehr  bemerkenswerthen  Vorschlag  gemacht. 
Zur  Vermittelung  der  von  dem  Baugeldgeber  zu  leisten- 
den Zahlungen  kann  auf  seinen  Antrag  ein  Treuhänder 
für  den  Bau  bestellt  werden.  Dieser  Treuhänder,  der  auch 
durch  eine  Behörde  ersetzt  werden  kann,  ertheilt  die  An- 
weisung auf  die  Rate  nur,  wenn  er  sich  überzeugt  hat, 
dass  dieselbe  zur  Deckung  von  Bauforderungen  verwandt 
wird.  Da  alle  in  dieser  Weise  durch  den  Treuhänder  an- 
gewiesenen Zahlungen  den  Vorrang  vor  der  Bauhypothek 
unbestreitbar  erlangen,  können  die  Baugeldgeber  in  alter 
Weise  ohne  Gefahr  die  Zahlungen  leisten.  Dadurch,  dass 
die  Ratenzahlungen  nunmehr  genau  kontrollirt  werden 
und  stets  nur  zur  Tilgung  von  Bauschulden  verwandt 
werden  können,  wird  die  Häufigkeit  der  Zwangsversteige- 
rung unfertiger  Bauten  wesentlich  seltener  werden.  Das 
dürfte  wieder  zur  Folge  haben,  dass  das  Baugeld  billiger 
werden  kann,  da  ein  guter  Theil  des  damit  verbundenen 
Risikos  fortfällt.  — (Schluss  folgt.) 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Münchener  Arch.-  und  Ing.-Verein.  Die  diesjährigeVor- 
tragsreihe  eröffnete  am  21.  Nov.  1901  Hr.  Prof.  Paul  Pfann 
mit  der  Vorführung  einer  grossen  Anzahl  von  Lichtbildern 
ländlicher  Bauten  aus  Tirol,  sowie  einer  Reihe  von  Aqua- 
rellen, welche  mit  bekannter  Pfann’scher  Sicherheit  mit 
wenigen  Farben  hingesetzt,  durch  die  Frische  der  Dar- 
stellung und  die  malerische  Auffassung  der  Motive  über- 
raschten. Angesichts  dieser  trefflichen  Darstellungen  ent- 
wickelte sich  nach  Schluss  der  Vorführung  eine  lebhafte 
Besprechung  über  das  fortschreitende  Verschwinden  der 
Bauhandwerkskunst  auf  dem  Lande,  mit  besonderem  Be- 
zug auf  die  nähere  Umgebung  Münchens. 

Von  allen  Rednern  wurde  festgestellt,  dass  neben 
dem  Verschwinden  des  künstlerischen  Empfindens  bei 
den  ländlichen  Baugewerksmeistern  undHandwerkern  auch 
vielfach  das  geringe  Kunstverständniss  der  Gemeindevor- 
stände und  Pfarrherren  die  Ursache  bildet,  dass  deshalb 
auf  dem  Lande  höchst  selten  architektonisch  bemerkens- 
werthe  Bauten  entstehen,  und  die  noch  vorhandenen  Reste 
einer  früheren  Kunstepoche  immer  mehr  verschwinden. 
Vielfach  üben  auch  die  Behörden  durch  Festsetzung  von 
Baulinien  einen  Zwang  auf  die  malerische  Entwicklung 
unserer  Dörfer  und  Städte  aus.  Durch  die  Pierausgabe 
des  Werkes  „Das  Bauernhaus“  ist  hierin  schon  ein  be- 
deutsamer Schritt  zur  Besserung  geschehen.  Dieses  Werk 
muss  auch  zur  Kenntniss  der  Landbevölkerung  gebracht 
werden,  damit  sie  darauf  aufmerksam  wird,  welche  Kunst- 
schätze ihre  Dörfer  und  Städte  bergen. 

8.  Januar  1902. 


Auch  durch  Aufschlussertheilung  und  Bearbeitung  von 
wichtigen  Fragen  auf  dem  Wege  von  Wettbewerben  kann 
den  Landgemeinden  durch  den  Architekten- Verein  Hilfe 
und  Unterstützung  gebracht  werden.  — 

Am  28.  Nov.  berichtete  Hr.  kgl.  Oberbauinsp.  Marg- 
graff  vor  einem  sehr  zahlreich  erschienenen  Zuhörer- 
kreis über  die  Plochwasserkatastrophe  i8q9,  ihre 
Ursachen,  Wirkungen  und  Lehren.  Anhand  eines 
mit  vieler  Mühe  gesammelten  Zeichnungen-,  Tabellen-  und 
Photographien-Materials  schilderte  er  die  Verheerungen 
und  Schäden,  sowie  die  nunmehr  mit  grossen  Kosten  ge- 
troffenen Maassnahmen,  um  der  Wiederkehr  einer  ähn- 
lichen Katastrophe  nach  Möglichkeit  vorzubeugen. 

Ein  besonders  übersichtliches  Bild  entwarf  Redner 
von  den  grossartigen  Aufwendungen,  welche  seitens  des 
Staates,  und  in  kleinerem  Maasstabe  seitens  der  Stadt 
München,  gemacht  wurden,  um  den  von  der  Katastrophe 
betroffenen  Gemeinden  und  Privaten  helfend  zur  Seite  zu 
stehen.  Die  Gesammt-Aufwendungen  übersteigen  bereits 
den  Betrag  von  20  Mill.  M. 

Die  hieraus  zu  folgernden  Lehren  gaben  den  Behör- 
den Veranlassung,  durch  Gründung  von  Uferschutz-Ge- 
nossenschaften, durch  Gesetzentwürfe  gegen  unrationelle 
Abforstung  der  Gebirgswaidungen,  hauptsächlich  aber 
durch  Herstellung  6— 8 mal  grösserer  Fluss-Querschnitte  bei 
Brückenbauten  Sorge  zu  tragen,  dass  in  Zukunft  ähnliche 
Unfälle  vermieden  werden. 

Der  ausserordentlich  fleissig  durchgearbeitete  Vortrag 
fand  die  ungetheilte  Zustimmung  der  Anwesenden.  — 


35 


Vermischtes. 

Zur  Frage  der  Fortführung  der  Wiederherstellungs- 
Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss.  Die  Seite  ii  erwähnte 
Erklärung  hat  den  folgenden  Wortlaut: 

„Die  Unterzeichneten  Architekten  ei’klären  sich  hiermit 
grundsätzlich  gegen  den  Wiederaufbau  weiterer  Theile  des 
Heidelberger  Schlosses.  Nach  ihrer  Ansicht  wird  auch 
die  in  Aussicht  genommene  Wiederherstellung  des  Otto 
Heinrichs-Baues  das  Bild  vernichten,  welches  seit  Jahr- 
hunderten durch  seine  unvergleichliche  Schönheit  das 
deutsche  Volk  begeistert  hat  und  ein  Besitz  der  ganzen 
gebildeten  Welt  geworden  ist.  — Die  Unterzeichneten  er- 
achten es  als  eine  Pflicht  der  deutschen  Architekten,  die 
Ruine  des  Heidelberger  Schlosses  lediglich  gegen  den 
Verfall  zu  schützen,  ohne  den  gegenwärtigen  Gesammt- 
ein druck  zu  verändern“. 

Berlin,  den  29.  Dezember  1901. 

Eggert.  Gessner.  Geyer.  Graef.  Grisebach.  L.  Hoffmann. 
V.  d.  Hude.  Ihne,  Kieschke.  Kröger.  March.  Messel. 
Reinhardt.  Reuters.  0.  Riethn  Roensch.  Schaede. 
Schmieden.  Schwächten.  Sehring.  Siedle.  Süssenguth. 

Tiede.  Vollmer. 

Ernennung  deutscher  Künstler  und  Techniker  zu  Mit- 
gliedern der  französischen  Ehrenlegion.  Aus  Anlass  der 
Pariser  Weltausstellung  sind  eine  Reihe  von  deutschen 
Künstlern  und  Technikern  zu  Mitgliedern  der  französischen 
Ehrenlegion  ernannt  worden.  Wir  geben  die  in  unser  Ar- 
beitsgebiet fallenden  Namen  nach  den  Tageszeitungen  und 
ohne  Gewähr  für  Vollständigkeit  der  Aufzählung  wieder. 
Zu  Offizieren  des  Ordens  der  Ehrenlegion  wurden  ernannt : 
Prof.  Friedr.  v.  Thiersch,  Prof.  Gabr.  v.  Seidl  und 
Prof.  Em.  Seidl  in  München.  Zu  Rittern  wurden  er- 
nannt die  Hrn.  Ing.  Eug.  Hartmann-Frankfurt  a.  M.,  Prof. 
O.  Rieth-Berlin,  Brth.  Rieppel-Nürnberg,  Arch.  Br. 
Möhring-Berlin,  Brth.  Herzberg-Berlin,  Ing.  F eueiTein- 
Berlin,  Ing.  Haueisen-Ludwigshafen.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Techniker.  Das  Ehrenmitglied 
der  kgl.  bayer.  Akademie  der  bildenden  Künste  in  Mün- 
chen, Arch.  Prof.  Georg  Hauberrisser,  erhielt  den  Ver- 
dienstorden der  Bayerischen  Krone  und  damit  den  per- 
sönlichen Adel.  — 

Preisbewerbungen. 

Schinkelwettbewerb  1903  des  Berliner  Arch.-Vereins. 
Für  die  Bewerbung  um  den  Schinkelpreis  des  Jahres  1903 
sind  für  die  Mitglieder  des  Berliner  Arch.-Vereins  folgende 
Aufgaben  gestellt. 

a)  Auf  dem  Gebiete  der  Architektur:  Entwurf 
zu  einem  deutschen  Künstlerheim  in  Rom.  Der- 
selbe soll  auf  einem  in  der  nächsten  Nähe  Roms  belegenen 
Gartengrundstück  von  200/250  ® Grundfläche,  das  in  seiner 
Längsrichtung  etwa  30®  ansteigt,  erbaut  werden  und  einer- 
seits deutschen  Künstlern,  die  längere  Zeit  zu  Studien  in 
Rom  verweilen.  Wohn-  und  Arbeitsräume  gewähren,  ande- 
rerseits die  Fest-,  Gesellschafts-  und  Ausstellungsräume  der 
deutschen  Künstlerschaft  aufnehmen. 

b)  Auf  dem  Gebiete  des  Wasserbaues:  Entwurf 
zu  einer  Schwebefähre  über  den  Kaiser  Wilhelm- 
Kanal  in  der  Nähe  der  Brunsbütteler  Schleuse  als  Ersatz 
für  die  vorhandenen,  nicht  mehr  ausreichenden  Einrich- 
tungen daselbst.  Die  Fähre  soll  zur  Beförderung  von 
Personen,  Last-  und  Eisenbahn -Wagen  dienen.  Im  Zu- 
sammenhänge mit  der  Anlage  soll  eine  theilweise  Umge- 
staltung bezw.  Erweiterung  der  vorhandenen  Löscheinrich- 
tungen am  Binnenhafen  vorgenommen  werden. 

c)  Auf  dem  Gebiete  des  Eisenbahnbaues:  Ent- 
wurf zur  Beseitigung  der  Spitzkehre  in  der  Bahn- 
linie Bebra-Frankfurt  a.  M,  bei  Elm.  Bei  der  Lösung 
der  Aufgabe  ist  nicht  nur  die  technische,  sondern  auch 
die  wirthschaftliche  Seite  sowohl  hinsichtlich  der  Kosten 
des  Baues,  wie  des  Betriebes  bei  der  Begründung  der 
gewählten  Linienführung  zu  berücksichtigen. 

Alle  Arbeiten  sind,  mit  einem  Kennwort  versehen, 
bis  zum  20.  November  1902  im  Architekten-Hause,  abzu- 
liefern. Bewerber  müssen  sich  spätestens  bis  31.  März 
1902  zur  Aufnahme  in  den  Verein  gemeldet  haben.  — 

Ein  zweiter,  allgemeiner  Wettbewerb  für  deutsche 
Architekten  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues 
Dresdener  Rathhaus  soll,  wie  wir  aus  zuverlässiger  Quelle 
erfahren,  ausgeschrieben  werden.  Wir  begrüssen  diese 
Nachricht  mit  aufrichtiger  Freude  und  hoffen,  dass  sie 
sich  bestätigt.  — 

Engerer  Wettbewerb  Stadttheater  Freiburg  i.  Br.  Auf- 
grund der  von  der  Theater-Baukommission  vorgenorame- 
nen  Prüfung  der  eingelangten  22  Vorentwürfe  für  den 
Neubau  des  Stadttheaters  beschloss  der  Stadtrath,  dem 

16 


Antrag  der  Kommission  entsprechend,  vorbehaltlich  der 
Zustimmung  des  Bürger- Ausschusses:  a)  den  Entwurf  des 
Archit.  Hrn.  Heinrich  Seeling  in  Berlin  als  Unterl’age  für 
den  endgiltigen  Plan  anzunehmen  und  die  Ausarbeitung 
des  letzteren  dem  genannten  Architekten  zu  übertragen; 
b)  abgesehen  von  der  Erwerbung  der  Entwürfe  der  zum 
Wettbewerb  eingeladenen  Architekten  Heilmann  & 
Littmann  und  Martin  Dülfer  in  München  sollen  aus 
der  Zahl  der  freiwilligen  Bewerber  noch  folgende  Ent- 
würfe angekauft  werden:  i.  von  Arch.  R.  Krausz  in 
Wien,  2.  von  Arch.  W.  Hentschel  in  Berlin,  3.  von 
Prof.  Ratzel  in  Karlsruhe,  4.  vom  Verfasser  des  Ent 
Wurfes  mit  dem  Motto  „Meinem  Liebling  gewidmet!“.  Die 
Vorentwürfe  sollen  zur  Besichtigung  im  kleinen  Rathsaal 
ausgestellt  werden  für  die  Allgemeinheit  vom  ii.  bis  mit 
25.  d.  Mts.,  jeweils  von  10  Uhr  Vorm,  bis  4 Uhr  Nachm.  — 

Zum  Wettbewerb  der  Stadt  Gothenburg  in  Schweden, 
betr.  den  Entwurf  für  den  Bebauungsplan  eines  Theiles 
der  Stadt  (vgl.  No.  100,  jhrg.  1901)  erhalten  wir  noch  die 
Mittheilung,  dass  angekauft  worden  sind:  zum  Preise  von 
je  1000  Kr.  die  Arbeiten  der  Hrn.  Arch,  Valfrid  Karlson 
in  Boras,  Bertel  Jung  & Oscar  Bomanson  in  Helsingfors, 
Siegfr.  Sitte  in  Wien;  zum  Preise  von  je  300  Kr.  die 
Entwürfe  des  Hrn.  Ing.  Carl.  O.  Aquist  in  Gothenburg 
und  der  Hrn.  Leut.  Helge  G.  Torulf  und  Arch.  Ernst 
T.  Torulf  in  Stockholm.  — 

Wettbewerb  Verwaltungsgebäude  der  Hamburger  Frei- 
hafen-Lagerhaus-Gesellschaft.  Das  mit  einem  Kostenauf- 
wande  von  350000  M.  zu  errichtende  Gebäude  ist  ein 
Eckgebäude  „Bei  St.  Annen“.  Dasselbe  soll  im  Keller- 
geschoss Archivräume,  ein  Frühstückszimmer  der  Beamten, 
Garderoben  usw.,  im  Erdgeschoss  Räume  für  Direktor, 
Inspektor,  für  das  Betriebsbüreau  usw.,  im  I.  Obergeschoss 
einen  Sitzungssaal  mit  Nebenräumen,  Direktorzimmer, 
Direktionsbüreaus  usw.,  im  II.  Obergeschoss  Räume  für 
den  Maschineninspektor,  für  Konstrukteure,  Architekten, 
für  Konferenzen,  Korrespondenzen  und  Rechnungswesen 
usw.,  im  III.  Ober-  und  im  Dachgeschoss  Wohnungen  ent- 
halten. Das  Aeussere  soll  sich  in  würdiger  Weise  den 
bereits  im  nördlichen  Freihafengebiet  errichteten  Gebäude 
der  Hamburger  Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft  harmo- 
nisch anschliessen;  für  die  Architekturtheile  sind  Sandstein 
und  Granit,  für  die  Flächen  Backstein  zu  verwenden.  Mit 
Anerkennung  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
die  Absicht  besteht,  dem  Verfasser  des  nach  dem 
Urtheil  des  Preisgerichtes  hierfür  empfehlens- 
werthesten  Entwurfes  die  Ausführung  zu  über- 
tragen. Indessen  bleibt  die  Entscheidung  Merüber  der 
Gesellschaft  Vorbehalten.  Wir  zweifeln  nicht,  dass  der 
Wettbewerb  eine  starke  Betheiligung  findet.  — 

In  dem  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Bismarck- 
Denkmal  in  Hamburg  erhielt  den  I.  Preis  von  10000  M. 
die  Arbeit  der  Hrn.  Bildh.  Hugo  Lederer  und  Arch. 
Emil  Schaudt  in  Berlin.  Je  ein  II.  Preis  wurde  zuer- 
kannt den  Entwürfen  der  Hrn.  Bildh.  Beyerer  & Arch. 
Rank  in  München,  Arch.  William  Müller  in  Berlin  und 
Bildhauer  Prof.  Hundrieser  in  Berlin.  Durch  einen 
ni.  Preis  wurden  ausgezeichnet  die  Entwürfe  der  Hrn. 
Arch.  Schmidt  in  Berlin,  Bildhauer  Prof.  Behrens  in 
Breslau  und  Arch.  Prof.  O.  Rieth  in  Berlin.  Je  einen 
IV.  Preis  erhielten  die  Bildhauer  Norbert  Pfretzschner, 
Peterich,  Hartmann  und  Scharff.  Vier  Entwürfe 
wurden  zum  Ankauf  empfohlen.  Das  Ergebniss  wird  als 
ein  sehr  erfreuliches  bezeichnet  und  es  scheint,  dass  die 
Baukunst  daran  lebhaften  Antheil  hat.  — 

Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  D.  W.  in  Charlottenburg.  Wir  müsse«  Sie 
bitten,  sich  mit  einem  Brutnienmacher  in  Verbindung  zu  setzen, 
was  wir  auch  thun  müssten.  Ihre  Anfrage  entbehrt  zudem  des 
allgemeinen  Interesses-  — 

Hrn.  C.  G.  in  Dresden.  Wir  haben  leider  keine  Kenntniss 
über  die  Bewährung  des  „Grundin- Anstriches“  als  Ersatz  von 
Leinölfirniss.  Vielleicht  erhalten  wir  aus  dem  Leserkreise  Mit- 
theilungen  darüber.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Bei  der  Neueinrichtung  eines  Kolonialwaaren  - Geschäftes  ist 
beabsichtigt,  sämmtliche  Flüssigkeiten,  wie  Oele,  Essig,  Speiseöle 
usw.  im  Kellergeschoss  unter  und  im  I.  Obergeschoss  über  dein 
Verkaufslokal  in  einem  Raume  aufzubewahren  und  von  dort  aus 
mittels  Fall-  oder  Druckleitung  nach  dem  betr.  Zapfort  zu  führen. 
Wer  fertigt  derartige  Leitungen  nebst  feuer-  und  explosionssichercn 
Gefässen  als  Spezialität  an  und  wo  sind  in  Süd-  oder  Mitteldeutschland 
derartige  Einrichtungen  ausgeführt?  — FL  W.  in  Heiibronn. 

Inhalt:  Landhaus  Schmidt  bei  München.  — lieber  den  neuen  Entwurf 
eines  Reichsgesefzes  betreffend  die  Sicherung  der  Banforderungen.  — 
Mittlieilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief- 

und  Fragekasten, 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeituug,  G.  m,  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofmanii,  Berlin.  Druck  von  Willi.  Greve,  Berlin. 

No  3. 


EUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
>!«  BERLIN  ❖ 


2t 

AUZEITUNG. 
GANG.  * * N2:  4.  >:• 
* 


Die  Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses,  insbes.  des  Otto  Heinrichs-Baues. 

(Fortsetzung  statt  Schluss.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  20  uud  ai. 


he  wir  uns  der  Frage  über  die  Dachform 
des  Otto  Heinrichs-Baues  selbst  zuwenden, 
wollen  wir  einige  Bemerkungen  allgemeiner 
Art  vorausschicken.  Esistdiesumsonöthiger, 
als  schon  vorVcröffentlichungdes  sachlichen 


muss  sich  zu  dem  zwar  harten,  aber  klaren  Ausspruch 
Thode's:  „lieber  auf  kurzeZeit  unberührt,  als 
auf  längere  Zeit  verändert“,  aufschwingen. 

Noch  vor  30  Jahren  hatte  das  Schloss  ein  völlig 
anderes  Aussehen  als  heute.  Damals  war  die  ganze 


Materials  sich  in  Tagesblättern  ein  unerquicklicher  Gebäudegruppe  in  eine  überall  wuchernde  Vegetation 
Streit  für  und  gegen  die  Wiederherstellung  des  Otto  eingebettet.  Im  Inneren  der  dachlosen  Gebäude  wuchs 
Heinrichs-Baues  entwnckelt  hat,  der  geeignet  ist,  den  hohes  Strauchwerk,  im  Schlosshofe  w-ar  der  Friedrichs- 


eigentlichen Kern  der 
Sache  zu  verdecken. 

Man  muss  hier  daran 
erinnern,  dass  schon 
seit  mehr  als  30  Jahren 
immer  und  immer  wie- 
der, von  Berufenen  und 
Unberufenen,  darauf  hin- 
gew'iesen  wurde,  dass 
die  Schlossbauten  all- 
mählich zugrundegehen, 
und  dass  etwas  ge- 
schehen müsse,  wenn 
man  insbesondere  die 
künstlerisch  werthvollcn 
Thcile  erhalten  wolle. 

Niemand  hätte  daran 
gedacht,  in  den  Bestand 
derRuinen  einzugreifen, 
wenn  es  nicht  nöthig 
gewesen  wäre.  Bei  dem 
badischen  Finanz -Mi- 
nister ist  cs  sicher  nicht 
die  Freude  am  Bauen, 
die  Freude  an  der  Wie- 
derherstellung an  sich, 
die  ihn  zum  Oeffnen  des 
Geldbeutels  veranlasst 
hat,  und  man  wird  nicht 
fehlgehen , wenn  man 
annimmt,  dass  er  gern 
sein  Geld  zu  anderen 
Staatszwecken  verwen- 
det, wenn  ihm  nachge- 
wiesen wird,  dass  seine 
Sorge  um  das  Schloss 
unbegründet  gewesen 
ist;  diesen  Nachweis 
können  die  Gegner  des 
Aufbaues  aber  nicht 
bringen.  Die  Freunde 
der  Wiederherstellung 
und  insbesondere  die 
Vorstände  des  früheren 
Schloss-Baubüreaus.die, 
wie  hier  ausdrücklich 
hervorgehoben  werden 
soll,  persönlich  gar  nichts  mit  den  Wiederher- 
stellungs-Arbeiten zu  thun  haben,  nehmen  für 
sich  in  Anspruch,  dass  sie  für  die  Reize,  welche  das 
Alter  und  das  Ueberlassen  an  die  Natur  auf  die 
Bauwerke  hervorbringt,  durchaus  empfänglich  sind. 
Ganz  gern  unterschreibt  der  Verfasser  den  Satz 
Dehio’s:  „Dass  Alter  auch  alt  erscheinen  soll,  mit  allen 


Johann  Eduard  Jacobsthal 


bau  durch  einen  mäch- 
tigen Lindenbaum  halb 
verdeckt;  die  Pflaste- 
rung aus  grossen  un- 
regelmässigen Steinen 
mit  Grasw'uchs  in  den 
Fugen  gab  einen  male- 
rischen Vordergrund. 
Die  Wandflächen  des 
Otto  Heinrichs  - Baues 
waren  mit  Epheu  über- 
sponnen,  aus  dem  die 
Nischenfiguren  wie  neu- 
gierige Zuschauer  her- 
vorlugten, und  auf  den 
Gurten  und  Vorsprün- 
gen blühte  wilder  Gold- 
lack wie  auf  der  Burg 
zu  Bracciano.  Aus  den 
Wasserspeiern  am  Frie- 
drichsbau  und  an  den 
Thürmen  schossen  bei 
Regen  Wetter  ra  ächtige 
Wasserstrahlen  in  die 
Tiefe,  Heute  ist  das 
Bild  ganz  verändert. 
Keine  Spur  von  Grün 
wächst  heute  mehr  in 
den  Wohngebäuden, 
schwarzer  Asphaltboden 
bedeckt  alle  horizon- 
talen Flächen,  Einfall- 
schächte und  Schlamm- 
sammler mit  gusseiser- 
nen Deckeln  unter- 
brechen seine  nützliche 
Scheusslichkeit.  Ver- 
schwunden sind  die 
herrlichen  Durchsichten 
im  Erdgeschoss  des 
Otto  Heinrichs-Baues; 
die  halbverwitterten 
Thürgestelle  sind  ge- 
blieben und  sind  be- 
deckt mit  einem  nur 
die  Zweckmässigkeit 
betonenden  Zinkdach. 
Schwarze  Abfallrohre  iheilen  die  Wände,  die  Fugen 
sind  auszementirt,  die  Mauerkronen  abgedeckt;  der 
Schlosshof  ist  schön  gepflastert  und  die  wenigen  noch 
vorhandenen  Sträucher  und  Bäume  werden  ängstlich 
unter  der  Scheere  gehalten,  damit  sie  den  Ruinen  nicht 
zu  Leibe  kommen.  Alles  das  war  nothwendi^, 
aber  von  malerischen  Ansichten  im  Sinne  der  Einheit 


Spuren  des  Erlebten  und  wären  es  Runzeln  und  Wun-  von  Natur  und  Bauwerk  ist  keine  Spur  mehr  vorhanden, 
den,  ist  psychologisch  tief  begründetes  Verlangen“ ; Wenn  Dehio  weiter  schreibt  „der  ästhetischeWerth  des 
nur 'muss  man  alsdann  auch  gar  nichts  thun,  um  Schlosses  liegt  nicht  in  erster  Linie  in  dieser  oder 
mit  künstlichen  Mitteln  das  fortschreitende  Altern  jener  Einzelheit,  er  liegt  in  dem  unvergleichlichen,  über 
und  den  unvermeidlichen  Tod  zu  verhindern;  man  Alles,  was  man  blos  mit  architektonischen  Mitteln  er- 


17 


vcicten  konnte,  weit hinausgehenden  Stirainungsakkord  was  sie  konnten,  und  zwat  am  Otto  Heinrichs- 
des  oanzen  , so  muss  man  doch  sagen,  der  künstle-  Bau,  nicht  an  den  Festungswerken.  Der  Verfasser 
rische  Stimmungsakkord  ist  längst  vorüber,  braucht  kein  Reizmittel  für  sein  deutsches  Einigkeits- 
Das  altersgraue  und  doch  so  lebendige“  der  Ruine  ist  gefühl,  aber  er  hätte  seine  grösste  Freude  daran  wenn 
künstliches  Alter  und  künst-  ’ 

liches  Leben,  dem  man  alsbald 
unter  die  Schminke  sieht,  und 
was  dem  Schlosshof  heute 
noch  seinen  Zauber  verleiht, 
ist  nur  die  unverwüstliche 
Schönheit  der  Architektur,  die 
zu  erhalten  das  Ziel  der 
Freunde  des  Wiederaufbaues 
ist.  Dagegen  gesteht  der  Ver- 
fasser gerne  zu,  dass  er  ge- 
wissen Empfindungen,  die 
mancher  aus  geschichtlichen 
Erinnerungen  schöpft,  keine 
tiefere  Theilnahme  entgegen- 
bringen kann.  Gurlitt  z.  B. 
fühlt  in  seinem  ersten  Artikel 
gegen  die  Wiederherstellung 
in  schön  vorgetragener  patrio- 
tischer Rede,  dass  uns  die 
Ruine  als  Mahnung  wirken 
soll,  „als  gellender  Aufruf  zur 
Einigkeit“.  Der  Verfasser  ist 
in  der  üblen  Lage,  hinter  die 
Kulissen  gesehen  zu  haben, 
oder  vielmehr  in  Bauakten  und 
sonstige  Schriftstücke , die 
sich  in  pfälzischer  Zeit  mit 
dem  Schloss  und  seinem 
Schicksal  beschäftigen.  Dort 
hat  er  gefunden,  dass  im  30- 
jährigen  Kriege  das  Schloss 
Noth  gelitten  hat,  dass  die 
Franzosen  die  Festungswerke 
gesprengt  und  die  übrigen 
Bauten  schwer  beschädigt 
haben;  aber  auch,  dass  nur 
materielles  Elend  der  Regie- 
rung und  der  Bürger  die  Wie- 
derherstellung in  ursprüng- 
lichem Glanze  verhinderte, 
dass  allmählich  das  Interesse 
der  Pfalzgrafen  an  ihrem 
Stammschloss  erlosch,  und 
dass  endlich  leider  die  Deut- 
schen selbst,  und  darunter 
die  Heidelberger  Studen- 
ten, „welche  in  der  Kreuz- 
woche in  Prozession  aufs 
Schloss  zogen“,  demolirten 


Das  Heidelberger  Schloss  nach  den  in  Stuttgart  aufgefundenen  Zeichnungen, 


Zur  Erinnerung  an  Eduard  Jacobsthal. 

(Hierzu  die  Abbildung  auf  Seite  17.) 

mas  neue  Jahr  hat  für  uns  mit  einem  herben  Verluste 
begonnen,  dessen  Schwere  in  nichts  dadurch  ge- 
mildert wird,  dsss  man  ihn  seit  geraumer  Zeit  vor- 
aussehen konnte.  Trauernd  steht  mit  seiner  Familie  und 
seinen  näheren  Freunden  die  deutsche  Fachgenossenschaft 
an  dem  frischen  Grabe  Eduard  Jacobsthals.  Denn  wenn 
das  Lebenswerk  des  Verstorbenen,  der  jedes  öffentliche 
Hervortreten  mit  zarter  Schetr  vermied, "auch  scheinbar 
in  der  Stille  sich  abgespielt  hat,  so  haftet  die  Erinnerung 
an  sein  segensreiches  Walten  doch  in  den  Herzen  aller 
der  Tausenden,  die  seit  einem  Menschenalter  als  Schüler 
ihm  nahe  getreten  sind.  Und  was  er  neben  dieser  seiner 
Lehrthätigkeit  als  schaffender  Baukünstler  geleistet  hat, 
ist  so  umfangreich  und  trägt  so  unverkennbar  das  Gepräge 
einer  einheitlichen,  mit  dem  Ernst  innigster  Ueberzeugung 
nach  den  höchsten  Zielen  strebenden  Persönlichkeit,  dass 
es  sich  Achtung  und  dankbare  Anerkennung  auch  bei 
denen  erringen  musste,  die  jene  Ziele  auf  einem  anderen 
Wege  erreichen  wollen. 

Für  die  Deutsche  Bauzeiiung  hat  Jacobsthals  Tod  noch 
eine  besondere  schmerzliche  Bedeutung.  Denn  wie  er  zu 
gren  Begründern  zählte,  so  hat  er  seit  35  Jahren  in  treuer 
Hin^be  an  ihren  Schicksalen  theilgenommen,  hat  er  uns 
mit  Rath  und  That  jederzeit  willig  zurseite  gestanden,  hat 

18 


er  mit  uns  gewirkt  und  geschafft  bis  ans  Ende  seiner  Tage. 
Doch  neben  der  Klage  um  den  uns  Entrissenen  wird  in 
unserem  Herzen  das  Gefühl  freudigen  Stolzes  laut,  dass 
er  der  Unsere  gewesen  ist.  — -- 

Johann  Eduard  Jacobsthal  ist  am  17.  .September 
1839  zu  Stargard  in  Westpreussen  als  Sohn  eines  Kauf- 
mannes geboren  worden.  Seine  Schulbildung  erhielt  er 
auf  dem  Gymnasium  zu  Danzig,  wo  er  im  Herbst  1856, 
also  im  Alter  von  kaum  17  Jahren,  die  Abiturienten-Prü- 
fung  bestand.  Dass  er  schon  als  Schüler  eine  nicht  ge- 
ringe Fertigkeit  im  Zeichnen  sich  erworben  hatte,  ist  wahr- 
scheinlich und  ebenso  ist  anzunehmen,  dass  auf  seinen 
Entschluss,  sich  dem  Baufach  zu  widmen,  die  künstle- 
rischen Eindrücke  von  Einfluss  gewesen  sind,  die  er  von 
den  herrlichen  Bau-  und  Kunstdenkmalen  der  alten  Hanse- 
sta.dt  empfangen  hatte.  Mit  fast  schwärmerischer  Zu- 
neigung hing  er  auch  später  an  diesen  mit  den  Erinnerungen 
seiner  Jugend  verwebten  Werken,  die  er  auf  jeder  Reise 
nach  seiner  Ileimath  wiederzusehen  bedacht  war,  und  es 
steht  mir  noch  lebhaft  das  freudige  Behagen  im  Gedächt- 
niss,  mit  dem  er  bei  meinem  ersten  Besuche  Danzigs  sie 
mir  vorführte.  Geringere  Nahrung  für  seine  künstlerischen 
Neigungen  fand  er  dagegen  bei  seinem  ersten  Eintritt  in 
den  gewählten  Beruf;  denn  dieser  führte  ihn  zunächst  als 
Baueleven  in  das  Büreau  des  damals  als  Kreisbaumeister 
zu  Neustadt  i.  W.-Pr.  angestellten  Ingenieurs^E.  H.  Hoff- 

No.  4. 


er  vor  dem  wiedererstandenen  Schloss  sagen  könnte : 
„Dank  unserer  durch  Einigkeit  gefundenen  Kraft  und 
unserem  Wohlstand,  dank  der  Theilnahme  unseres 
Grossherzogs  und  seiner  Regierung,  konnten  wir  die 
Spuren  deutscher  Zerrissenheit,  fremder  Bedrückung 
und  Zerstörungswuth  beseitigen“.  — 

Wenn  man  zu  der  Ansicht  gekommen  ist,  der 
Otto  Heinrichs-Bau  müsse  wieder  ein  Dach  erhalten, 
so  hat  man  für  dessen  allgemeine  Gestaltung  zwei 
verschiedene,  durch  Zeichnungen  aus  früherer  Zeit  be- 
glaubigte Formen  zu  beachten.  Die  eine,  aus  der  Zeit 
vor  dem  30-jährigen  Krieg,  zeigt  einen  Doppelgiebel; 
nach  dem  Krieg,  wann,  ist  nicht  mehr  genau  festzu- 
stellen — es  scheint  als  ob  die  Notiz  in  den  Bauakten, 
die  von  der  Renovirung  des  „gegen  den  (Hof)  zu  ein-  ■ 
gefallenen  halben  Giebels“  spricht,  sich  noch  auf  die- 
alte  Form  bezöge  — , liess  Karl  Ludwig  zwei  getrennte 
Zwerghäuser,  ähnlich  wie  die  am  Friedrichs, -Bau,  er- 
lichten, und  man  wird  nicht  fehl,  gehen,  wenn  man 
annimmt,  dass  die  Geldnoth  zu  dieser  zweiten  schwäch- 
lichen Bildung  führte. 

Der  Verfasser  hat  zum  ersten  Mal  (Deutsche  Bau- 
zeitung 1882)  auf  die  Merkwürdigkeit  des  Doppelgiebels 
in  der  Merian'schen  Zeichnung  aufmerksam  gemacht 
(vergl.  Mitth.  des  Schlossvereins  Bd.  1,  Heft  2—4).  An 
sich  misstrauisch  gegen  solche  Abbildungen,  hätte  er 
der  Sache  weiter  kein  Gewicht  beigelegt,  wenn  nicht 
durch  Zangemeister  eine  Anzahl  älterer  Zeichnungen 
gefunden  und  veröffentlicht  worden  wären  (Mitth.  des 
Schlossvereins  Bd.  I),  die  jeden  Zweifel  an  der  ur- 
sprünglichen Dachforra  beseitigt  haben  (siehe  die  Ab- 
bildungen S.  18).  Die  Thatsache,  dass  über  der 
Fassade  sich  ein  grosser  Doppelgiebel  erhob,  der 
sich  nach  der  Ostseite  in  zwei  neben  einander  stehende 
Giebel  theilte,  konnte  nicht  mehr  übersehen  werden. 
Aus  diesen  Erwägungen  entstand  des  Verfassers 
Zeichnung  in  dem  Schlosswerke  von  Koch  und  Seitz, 
und,  den  nämlichen  Anhaltspunkten  folgend,  Schäfers 
Entwurf  (Abbildg.  S.  21).  (Die  Architekten,  welche 


sich  für  die  Dachform  interessiren,  mögen  nach  den 
Anhaltspunkten  der  älteren  Zeichnung  über  die  Fassade 
den  Doppelgiebel  aufzeichnen,  und  sie  werden  alsbald 
zu  der  Ueberzeugung  kommen,  dass  eine  andere  • Ge- 
samratform  garnicht  gefunden  werden  kann).  Schon 
früher  hatten  feinfühlige  Beobachter  das  mächtige,  auf 
einer  Freitreppe  aufgebaute  Portal  mit  seinem  giebel- 
artigen Abschluss  als  eine  Störung  empfunden.  Der 
Verfasser,  und  später  Durm,  konnten  jedoch  den  tech- 
nischen Zusammenhang  des  Portals  mit  der  Fassade 
feststellen.  Die  schweren  Verdachungen  der  Fenster 
der  oberen  Stockwerke  wirken  inmitten  des  sonst  so 
diskreten  Reliefs  der  Fassade  viel  zu  stark  und  wur- 
den gewöhnlich  als  deutsche  Rohheit  gegenüber 
italienischer  Feinfühligkeit  angesehen.  Diese  berech- 
tigten Ausstellungen  werden  hinfällig,  wenn  der  Doppel- 
giebel über  die  Fassade  gezeichnet  wird.  Die  Masse 
des  Portals  wird  gemildert  und  seine  Form  durch 
die  ähnlich  aufsteigenden  Giebelumrisse  erklärt;  die 
Fensterverdachungen  wirken  als  angenehme  Accente. 
Der  Doppelgiebel  ist  durchaus  einleuchtend  und  er- 
gänzt die  Fassade  richtig,  diese  wirkt  als  Gesaramt- 
fonn  mit  einem  Worte  selbstverständlich;  die  Ruine 
daneben  gesehen,  erscheint,  als  wäre  sie  eben  zerstört, 
und  man  empfindet  mit  tiefem  Bedauern  die  verlorene 
architektonische  Einheit. 

In  der  Konferenz  vom  15.  Oktober  v.  J.  waren 
alle  Mitglieder  von  der  gelungenen  künstlerischen 
Lösung  des  Doppelgiebels  an  sich  überzeugt;  Aus- 
stellungen im  Einzelnen  machten  nur  v.  Oechelhäuser 
und  Kirchcr.  Aber  als  nothwendiges  Ergebniss  der 
Dachform  wurden  die  Giebel  von  Thode,  von  v.  Seidl 
und,  wenn  der  Verfasser  richtig  verstand,  von  Kircher 
nicht  anerkannt.  Schäfer  gab  zu,  dass  sein  Entwurf 
noch  kein  endgiltiger  sein  solle,  und  dass  er  sich  Ab- 
änderungen im  Einzelnen  Vorbehalte.  Der  Verfasser 
stellte  den  Antrag,  es  möge,  vor  der  Ausführung  ein 
Modell  der  ganzen  inbetracht  kommenden  Gebäude- 
gruppe gemacht  werden.  — (Schluss  folgt) 


Ueber  den  neuen  Entwurf  eines  Reichsgesetzes  betreffend  die  Sicherung  der  Bauforderungen. 

(Schluss.) 


mie  sonstigen  Bestimmungen  des  Gesetzes  zum  Schutze 
der  Bauforderungen  betreffen  die  Stellung  der  Bau- 
hypothek bei  der  Subhastation  und  unter  dem  Erb- 
baurecht usw.  Sie  sind  für  uns  weniger  von  Bedeutung. 
Dagegen  ist  über  die  schon  früher  erwähnte  zweite  Form 
des  Gesetz-Entwurfes  noch  einiges  zu  sagen.  Die  Variante 
ist  entstanden,  wie  in  der  Vorrede  zum  Gesetz  gesagt  wird, 
weil  die  Kommission  sich  über  einige  wichtige  Be- 
stimmungen des  Entwurfes  nicht  einigen  konnte.  Es  handelt 
sich  da  wesentlich  um  zwei  Punkte.  Beide  beziehen  rieh 
auf  eine  Erweiterung  des  Kreises  der  durch  das  Gesetz 
zu  schützenden  Personen.  Der  erste  betrifft  die  Frage, 


mann,  des  bekannten  Verfechters  eines  „rationellen  Stein- 
baues“ nach  der  Hagerischen  Theorie.  Hier  bildete  die 
Berechnung  parabolischer  Bögen  den  Haupttheil  seiner 
Beschäftigung.  Immerhin  ist  vielleicht  auch  die  bei  Hoff- 
mann  verbrachte  Zeit  für  die  Entwicklung  des  jungen 
Baueleven  nicht  ganz  umsonst  gewesen.  Bei  aller  Ein- 
seitigkeit war  die  originelle  Persönlichkeit  seines  Lehrers 
doch  imstande,  manche  Anregung  zu. gewähren,  vor  allem 
aber  die  seinem  Wesen  eigenthümliche  Richtung  auf  das 
Ideale  zu  unterstützen. 

Im  Oktober  1857  bezog  Jacobsthal  die  Berliner  Bau- 
akademie und  hier  war  es,  wo  ich  bald  darauf  zuerst  seine 
Bekanntschaft  machte;  Zwar  nicht  auf  der  Bauakademie 
und  im  Kolleg  — denn  im  Unterricht  des  ersten  Kursus 
waren  die  verschiedenen  Semester  streng  von  einander 
geschieden  — , wohl  aber  im  „Motiv",  das  in  jenen  Jahren 
wohl  die  Mehrzahl  der  strebsamen  Elemente  unter  den 
Studirenden  unserer  Alma  Mater  vereinigte.  So  wie  er 
damals  sich  gab,  ist  er  im  Wesentlichen  auch  für  alle 
Folgezeit  geblieben:  eine  sinnig-stille,  in  sich  gekehrte 
Natur,  ernst  und  doch  der  Fröhlichkeit  nicht  abhold,  seines 
Werthes  sich  bewusst  und  niemals  sich  wegwerfend,  aber 
dabei  tief  bescheiden,  selbstlos  und  allezeit  hilfsbereit.  Wie 
seine  erste  fachliche  Entwicklung  sich  gestaltete,  ist  mir 
aus  dem  oben  angegebenen  Grunde  unbekannt  geblieben; 
als  wir  8 Jahre  später  nähere  Freunde  wurden,  war  er 
schon  ein  Fertiger.  Doch  weiss  ich,  dass  er  infolge  seiner 

II.  Januar  1902. 


ob  ausser  den  Bauhandwerkern  auch  noch  die  Bauliefe- 
ranten unter  den  Schutz  des  Gesetzes  zu  stellen  sind.  Der 
erste  Entwurf  sagt  hierzu  „nein“,  der  zweite  „ja“.  Da  die 
dem  ersten  Entwurf  beigegebene  Begründung  sehr  be- 
zeichnend ist,  sei  sie  hier  im  Auszuge  angeführt: 

„Haben  die  Lieferanten  auch  Antheil  an  der  Bauhypo- 
ihek,  so  muss  diese  naturgemäss  bis  zum  vollen  Werthe 
des  Grundstückes  anwachsen.  Den  Bauhandwerkern  sei 
aber  mit  einer  Hypothek  nicht  gedient,  die  nur  dann  zu 
ihrer  Befriedigung  führen  könne,  wenn  der  volle  Werth 
des  bebauten  Grundstückes  bei  der  Versteigerung  geboten 
werde.  Erfahrungsmässig  werde  bei  der  Subhastation 


künstlerischen  Begabung  und  seines  Fleisses  bald  unter 
seinen  Studiengenossen  hervorragte  und  dass  er  schon 
damals  Anschluss  an  denjenigen  unserer  Lehrer  gewann, 
der  es  unter  aEen  einzig  oder  doch  am  besten  verstand, 
die  jungen  Geister  anzuziehen  und  anzuregen  — an  Fried- 
rich Adler,  der  kurz  vorher  als  Hilfslehrer  F.  v.  Arnims 
im  Kolleg  für  Entwerfen  seine  akademische  Laufbahn  be- 
gonnen hatte.  Zu  Karl  Boetticher,  den  er  später  er- 
setzen sollte,  ist  Jacobsthal  dagegen  — wohl  infolge  seiner 
bescheidenen  Zurückhaltung  — weder  damals  noch  später 
in  nähere  persönliche  Beziehungen  getreten.  Es  hinderte 
dies  freilich  nicht,  dass  er  — wie  so  viele  andere  mit 
heissem  Bemühen  nach  dem  Geheimniss  der  Kunst  strebende 
und  eines  anderen  Weges  unkundige  junge  Berliner  Ar- 
chitekten — einem  eifrigen  Studium  der  Boetticher’schen 
„Tektonik  der  Hellenen“  sich  ergab.  Sie  ist,  wie  noch 
später  zu  erwähnen  sein  wird,  für  die  von  ihm  einge- 
schlagene künstlerische  Richtung  von  entscheidendem  Ein- 
fluss gewesen. 

Nicht  unerwähnt  darf  unter  seinen  damaligen  Lehrern 
auch  der  Maler  Prof.  Eduard  Biermann  bleiben,  der 
an  der  Bauakademie  das  Fach  des  Landschaftszeichnens 
und  Aquarellirens  vertrat.  Jacobsthal,  der  bald  zu  den 
Lieblingsschülern  des  Meisters  gehörte  und  diesem  bis  zu 
dessen  Tode  verbunden  blieb,  hat  ihm  neben  mannig- 
fachen Anregungen,  unter  welchen  er  den  Hinweis  auf 

(Fortsetzung  auf  Seite  22-) 


9 


niemals  ein  dem  vollen  Werthe  des  GrundsiQckes  ent- 
sprechender Erlös  erzielt.  Schliesse  man  dagegen  die 
Lieferanten,  deren  Forderungen  25—35%  auszumachen 
pflegen,  aus,  so  werde  dieselbe  für  die  Bauhandwerker 
um  so  werthvoller.  Andere  Mitglieder  der  Kommission 
waren  dagegen  der  Meinung,  dass  die  Aufnahme  der 
Lieferanten  in  den  Kreis  der  Baugläubiger  geboten  sei, 
Diese  Aufnahme  werde  nicht  nur  durch  die  Billigkeit  ge- 


die  Lieferanten  aber  ausgeschlossen,  so  ist  es  unbillig  und 
bringt  andere  wirthschaftliche  Nachtheile.  Mich  dünkt, 
das  kommt  fast  einer  Verurtheilung  des  Gesetzes  gleich. 
Im  übrigen  ist  der  Wortlaut  auch  des  ersten  Entwurfes 
so  wenig  bestimmt  gefasst,  dass  er  die  Lieferanten  unter 
Umständen  nicht  ausschliesst.  Durch  die  Hinterthür,  dass 
einzelne  Handwerker  die  Lieferung  des  Materiales  mit 
übernehmen,  wie  z.  B.  der  Maurermeister  die  Lieferung 


Ilolfront  des  gläsernen  Saalbaues  und  Schnitt  durch  den  Otta  Heinrichs-Bau.  1:300. 


Gläserner  Saal  bau.  Erdgeschoss. 


Hohes  Erdgeschoss,  i : 500, 
Otto  Heinrichs-Bau. 


Die  Wiederherstellung  des  Heidelberger 
Schlosses. 

Nach  dem  Entwurf  von  Ob.-Brth.  Prof. 

K,  Schäfer  in  Karlsruhe. 


fordert,  sondern  auch  aus  wirthschaftlichen  Gründen,  weil 
der  Entwurf  sonst  den  Lieferanten  die  Möglichkeit  nehme, 
auf  den  Kredit  des  Gebäudes  zu  liefern  und  hierdurch 
zur  Folge  ^ben  werde,  dass  die  Unternehmung  von 
Bauten  zu  einem  Monopol  des  Grossbetriebes  werde.“ 
Also:  Sollen  die  Lieferanten  zu  den  Baugläubigern 
gehören,  so  ist  das  Gesetz  ein  Schlag  ins  Wasser,  werden 


der  Steine  und  des  Mörtels,  können  sie  doch  alle  hinein- 
kornmen.  Will  man  dieselben  grundsätzlich  ausschliessen, 
so  ist  eine  andere  Fassung  von  Nöthen.  Diese  wird  am 
zweckmässigsten  dadurch  erreicht,  dass  man  die  Materi- 
alien getrennt  anführt,  deren  Lieferung  keinen  Anspruch 
auf  die  Bauhypothek  geben  soll,  wie  z.  B.  Mauer-  und 
Werksteine  aller  Art,  Mörtel  und  dessen  Bestandtheile, 


No.  4. 


20 


Die  Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses.  Das  Heidelberger  Si-hloss  nach  dem  Gemälde  von  Jacob  Focquier. 


II.  Januar  1902. 


21 


gewahte,  unbearbeitete,  eiserne  Träger  und  Bauhölzer 
für^Balkenlagen  und  Zimmerkonstruktionen. 

Der  andere  Punkt,  in  dem  sich  der  zweite  Entwurf 
von  dem  ersten  unterscheidet,  ist  die  Einführung  der  so- 
genannten Nachmänner  in  den  Kreis  derer,  die  Ansprüche 
an  die  Bauh3'pothek  haben  sollen.  Naclimänner  nennt  das 
Gesetz  diejenigen  Handwerksmeister,  welche  nicht  un- 
mittelbar für  den  Bauherrn  gearbeitet  haben,  sondern 
nur  mittelbar.  Jemand  hat  z.  B.  einen  Bau  im  Ganzen 
übernommen.  Dieser  giebt  die  Maurerarbeiten  an  einen 
bezüglichen  Meister  weiter.  Letzterer  überträgt  die  Erd- 
arbeiten an  einen  Schachtmeister,  der  sich  wiederum  für 
Fortschaffung  der  Erdmassen  einen  Fuhrherrn  verpflichtet. 
Der  Maurermeister  bis  herab  zum  Fuhrherrn  bilden  für 
diesen  Fall  die  Nachmänner.  Alle  diese  sollen  nun  das 
Recht  haben,  genau  wie  der  unmittelbar  beschäftigte 
Generalunternehmer  (der  Vormann),  natürlich  nur  im 
Verhältniss  des  auf  sie  fallenden  Anspruches,  Anmeldungen 
zur  Bauhypothek  zu  machen  und  damit  die  Regulirung 
der  Hypotheken  dem  Bauherrn  zu  erschweren,  beziehent- 
lich ihn  zu  zwingen,  bis  zur  Feststellung  des  Anspruches 
den  Betrag  als  Kaution  zu  hinterlegen. 

Man  kann  sich  auch  ohne  besondere  Erläuterungen 
denken,  welche  Schwierigkeiten  aus  dieser  Bestimmung 
dem  ganzen  Baubetrieb  erwachsen.  Allerdings  soll  der 
Nachraann  im  allgemeinen  nur  Anspruch  auf  die  noch 
nicht  an  den  Vormann  geleisteten  Beträge  haben,  doch 
giebt  es  hiervon  zwei  Ausnahmen.  Erstens  in  dem  Falle, 
in  welchem  der  Nachmann  seine  Forderungen  an  den 
Bauherrn  angemeldet  hat,  bevor  der  Vormann  Zahlung 
erhalten  und  zweitens,  wenn  die  eingangs  besprochene, 
vor  Baubeginn  an  das  Grundbuchamt  zu  machende  Er- 
klärung über  Höhe  und  Fälligkeit  der  an  den  Bauunter- 
nehmer zu  machenden  Zahlungen  unterblieben  oder  nur 
mangelhaft  ergänzt  war.  Konnte  der  Nachmann  aus  den 
beim  Gerichte  niedergelegten  Materialien  nicht  genau  er- 
sehen, wann  und  in  welcher  Höhe  die  Zahlungen  an  den 
Vormann  fällig  wurden,  so  bleibt  der  Bauherr  dem  Nach- 
manne gegenüber  unter  allen  Umständen  haftbar.  Es 
kann  Vorkommen,  dass  er  gewisse  Beträge  doppelt  zahlen 
muss,  wenn  von  Seiten  der  Bauleitung  irgend  ein  Ver- 
sehen oder  Vergessen  bei  den  Anzeigen  zum  Grundbuche 
vorgekommen  ist.  Wird  die  Berücksichtigiing  der  Nach- 
männer Gesetz,  so  ersieht  man  aus  Obigem,  welche  Fülle 
•von  Verantwortung  der  ausführende  Architekt  neu  zu  über- 
nehmen hat.  In  ganz  eigenihümliche  Verhältnisse  geräth 
aber  fernerhin  ein  Architekt,  der  einen  Bau  in  General- 
Entreprise  auszuführen  hat.  Der  Bauherr  wird  alsdann 
verlangen  müssen,  dass  alle  Anweisungen  an  ihn  wie  bei 
den  Baugeldempfängern  durch  den  Treuhänder  gehen, 
d.  h.  der  Architekt  muss  sich  der  Kontrolle  unterziehen, 
dass  er  alle  erhaltenen  Beträge  sofort  zur  Tilgung  von 
Bauforderungen  verwendet  hat.'  Sonst  hat  der  Bauherr 
keine  Sicherheit,  dass  ihm  nicht  das  Grundbuchblatt  seines 
Grundstückes  mit  Eintragungen  von  Bauforderungen  aller 
Art  belastet  werde,  was  der  Architekt  nach  Lage  des  Ge- 
setzes mit  dem  besten  Willen  nicht  verhindern  kann.  — 

Nachdem  die  Gesetzentwürfe  vorstehend  in  grossen 
Zügen  behandelt  wurden,  dürfte  wohl  mancher  Leser  mit 


dem  Verfasser  der  Ansicht  geworden  sein,  dass  dieselben 
grosse  Unzuträglichkeiten  für  unseren  Stand  zurfolge  haben 
würden.  Nur  wenn,  wie  schon  des  öfteren  wiederholt, 
für  die  anständigen  Elemente  Mittel  und  Wege  geschaffen 
werden,  um  aus  der  Bevormundung  des  Gesetzes  herau.s- 
zukommen,  ist  es  für  diejenigen  Elemente,  für  die  es  ur- 
sprünglich bestimmt  war,  gewisse  Aenderiingen  voraus- 
gesetzt, denkbar.  Da  nun  aber  nach  der  den  Entwürfen 
beigegebenen  Begründung  wenig  Neigung  besteht,  Aus- 
nahmen zuzulassen,  so  sei  es  gestattet,  hier  einen  Vor- 
schlag zu  machen,  der  fast  ohne  jede  gesetzliche 
Neuerung  denselben  Zweck  erreicht  und  die  Miss- 
bräuche aus  dem  Baugewerbe  ausmerzt,  ohne  dabei  das 
gesunde  Baugeschäft  irgend  wesentlich  zu  treffen. 

Anlass  zu  dem  Gesetzentwürfe  haben  bekanntlich  die- 
jenigen zweifelhaften  Baustellenkäufer  gegeben,  die  ohne 
eigene  Mittel  und  Kredit  eine  Baustelle  erkauften  und  das 
leicht  zu  erreichende  Baugeld  für  sich  und  zu  anderen 
Zwecken  verwendeten,  als  für  die  es  bestimmt  war.  Die 
Lage  der  heutigen  Gesetz-Bestimmungen  machte  es  mög- 
lich, dass  hierbei  der  Baustellen-Verkäufer  wenig,  dagegen 
der  Bauhandwerker  alles  verlieren  konnte.  Wohl  kommt 
es  auch  vor,  dass  Handwerker  bei  Bauten  Verluste  haben, 
die  von  gut  situirten  Bauherren  unternommen  werden, 
das  sind  dann  aber  unglückliche  Zufälle,  die  in  jedem  Be- 
rufszweige eintreten  können  und  gegen  die  keine  besondere 
Gesetzgebung  nöthig  ist.  Abhilfe  heischt  nur  der  erstge- 
nannte FalL  Ist  also  zuzugeben,  dass  nur  die  Bauherren, 
die  mit  fremden  Baugeldern  bauen,  unter  strengere  Kon- 
trolle zu  stellen  sind,  so  giebt  cs  ein  auch  im  Entwurf 
bereits  angedeutetes  Mittel,  das  ohne  den  Aufwand  des 
ganzen  schwierigen  Gesetzes  dasselbe  Ziel  erreicht.  Ich 
meine  die  zwangsweise  Einführung  der  Treuhän- 
der für  diesen  Zweck.  Müssen  sämmtliche  Zahlungs- 
Anweisungen  auf  die  ßaugelder  die  Bestätigung  des  Treu- 
händers haben,  die  derselbe  erst  geben  kann,  wenn  er  der 
Ueberzeugung  ist,  dass  mit  denselben  Bauforderun- 
gen getilgt  werden,  so  ist  der  grösste  Theil  der  Schädi- 
gungen der  Bauhandwerker  behoben.  Zu  dieser  zwangs- 
weisen Einführung  des  Treuhänders  bedarf  es  nur  ge- 
ringer gesetzlicher  Vorschriften.  Da  die  meisten  Baugelder 
von  den  Hypothekenbanken  gegeben  werden,  die  einer 
staatlichen  Aufsicht  unterliegen,  genügt  vielleicht  dazu  eine 
einfache  Verfügung  der  Behörde.  Für  sonstige  private 
Baugeldgeber  ist  ein  Gesetzes-Paragraph  mit  demTnhäTte  zu 
schaffen,  dass  diejenigen,  die  ihr  Geld  dem  Bauherrn  geben, 
ohne  sich  darum  zu  kümmern,  ob  Bauforderungen  davon 
getilgt  werden  oder  nicht,  für  den  möglichen  Ausfall  den 
Handwerkern  gegenüber  haftbar  werden. 

Ist  der  Treuhänder  als  gesetzmässiger  Faktor  einge- 
führt, so  erhalten  die  Bauunternehmer  zweifellos  das  ganze 
Baugeld,  das  sind  65-70%  der  ganzen  Baukosten.  Da- 
bei ist  festziihalten,  dass,  damit  kein  Unternehmer  oder 
Lieferant  zu  kurz  komme,  die  Forderung  jedes  Einzelnen 
nur  ira  Verhältniss  genannter  65— 70  % aus  den  Baugeldern 
beglichen  werden  darf. 

Ist  man  nun  damit  noch  nicht  zufrieden,  dass  die 
Unternehmer  diesen  Prozentsatz  ihrer  Forderungen  un- 
bestritten erhalten,  so  giebt  es  noch  ein  weiteres  Mittel, 


die  Nothwendigkeit  strengster  Gewissenhaftigkeit  in  der 
Zeichnung  aller  architektonischen  Einzelheiten  gern  her- 
vorhob, insbesondere  seine  glänzende  Aquarell-Technik 
zu  danken.  Er  hat  die  letztere  bis  zu  seinem  Lebensende 
mit  grosser  Liebe  gepflegt,  — 

Nach  glänzend  bestandener  Bauführer-Prüfung,  die 
ihm,  wenn  ich  nicht  irre,  ein  Reisestipendium  eintrug, 
ging  Jacobsthal  gegen  Ende  des  Jahres  1859  nach  seiner 
Heimathprovinz  zurück,  um  dort  der  vorgeschriebenen 
zweijährigen  „Praxis“  sich  zu  widmen.  Es  war  jedenfalls 
als  eine  Auszeichnung  zu  betrachten,  dass  ihm  die  Aus- 
führung eines  von  Stüler  entworfenen  Kirchenbaues  der 
in  gothischen  Backsteinformen  gestalteten  katholischen 
Kirche  zu  Wielkalonka  übertragen  wurde.  Ob  er  nach 
diesem,  von  ihm  mit  vieler  Liebe  durchgeführten  Werke 
noch  andere  Bauten  geleitet  hat,  bevor  er  in  den  zweiten 
Kursus  des  akademischen  Studiums  an  der  Bauakademie 
cintrat,  ist  mir  eben  so  wenig  bekannt,  wie  ich  — in  jener 
Zeit  von  Berlin  entfernt  — Näheres  darüber  anzugeben 
weiss,  wie  sich  für  ihn  der  Verlauf  der  nächsten  dort 
zugebrächten  Jahre  gestaltete,  Dass  er  an  dem  Unterricht 
.Stracks  im  Entwerfen  theilnahm,  steht  allerdings  ebenso 
fest,  wie  dass  seine  Beziehungen  zu  Prof.  Adler,  der 
mittlerweile  den  Vortrag  über  Geschichte  der  Baukunst 
und  den  Unterricht  in  der  mittelalterlichen  Baukunst  über- 
nommen hatte,  noch  engere  wurden.  Nicht  sicher  bin  ich 
dagegen,  ob  er  eine  Zeit  lang  auch  dem  Atelier  Stülers 
angehört  hat,  oder  ob  es  lediglich  dessen  Werke  waren, 
die  auf  seine  künstlerische  Fortentwicklung  einwirkten. 


Unterbrochen  wurde  diese  zweite  akademische  Lehrzeit 
durch  eine  längere  Studienreise,  die  den  jungen  Archi- 
tekten nach  Süd-  und  West-Deutschland,  Frankreich  und 
Italien  führte,  sowie  durch  die  Betheiligung  Jacobsthals 
an  dem  i,  J.  1863  von  der  Kunstakademie  ausgeschriebenen 
Wettbewerb  um  den  grossen  Staatspreis,  für  den  als  Auf- 
gabe der  Entwurf  eines  Theaters  gestellt  war.  Die  von 
ihm  gelieferte,  in  hohem  Grade  anerkennenswerthe  Ar- 
beit, in  welcher  namentlich  der  äussere  Aufbau  des 
Theaters  eine  sehr  bezeichnende,  in  den  Massen  fein  ab- 
gewogene Lösung  gefunden  hatte,  vermochte  allerdings 
nicht  den  Preis  zu  erringen,  sondern  musste  hinter  dem 
Entwürfe  Hubert  Stiers  zurückstehen;  sie  wurde  ihrem 
Verfasser  indessen  als  Baumeister-Arbeit  angerechnet. 

Doch  nicht  nur  auf  akademische  Aufgaben  und  Studien 
erstreckte  sich  schon  damals  das  künstlerische  Schaffen 
Jacobsthals,  sondern  es  hatte  sich  sein  Ansehen  bereits  so 
weit  gesteigert,  dass  ihm  mehrfach  der  Auftrag  zutheil 
wurde,  auch  Entwürfe  zu  wirklichen  Bauausführungen  zu 
liefern.  Eine  dieser  Arbeiten,  der  i.  J.  3865  aufgestellte 
(jedoch  nicht  verwirklichte)  Entwurf  zu  einer  Wohnhaus- 
Fassade  für  Berlin  ist  von  uns  im  Jhrg,  1870  d.  Bl.  (S.  29) 
veröffentlicht  worden.  Auch  die  Mehrzahl  der  kleineren 
Entwürfe  zu  Landhäusern,  Kapellen,  Denkmälern  usw.,' 
von  denen  Jacobsihal  eine  Sammlung  zur  internationalen 
Münchener  Kunstausstellung  von  1869  eingesandt  hatte 
und  die  m.  W.  theilweise  im  Architektonischen  Skizzen- 
buche veröffentlicht  sind,  dürfte  wirklichen  Aufträgen 
entstammen,  während  andere  vielleicht  durch  die  Monats- 


denselben  zu  erhöhen.  Die  Baupolizei  brauchte  nur  Sollte  das  nicht  auch  den  weitgehendsten  Ansprüchen, 
vor  Ertheilung  jeder  Bauerlaubniss  die  Stellung  einer  die  ein  Unternehmer  an  die  Sicherheit  seiner  Forderungen 
Kaution,  von  z.  B.  lo  % der  Baukosten,  zu  verlangen,  die  stellen  kann,  genügen?  Meiner  Ansicht  nach  dürfte  er 
den  Bauunternehmern,  falls  ihre  Forderungen  in  gewisser  diese  Art  der  Sicherung  unweigerlich  der  Sicherung  in 
Zeit  nicht  beglichen  sind,  zur  Verfügung  stände;  dann  ganzer  Höhe  durch  den  papiernen  Schein  einer  ßau- 
wären  ihnen  gar  75--8o^/(,  der  Forderungen  gesichert,  hypolhek  vorziehen.  — G. 


Zur  Frage  der  Fortführung  der  Wiederherstellungs-Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss. 


fH^ylu  dieser  Frage  hat  nunmehr  auch  der  Berliner 
\W^  Architekten-Verein  in  seiner  Sitzung  vom  6.  Jan. 

d.  J.  Stellung  genommen.  Es  lag  der  Wortlaut  eines 
Beschlusses  vor,  den  Hr.  Geh.  Brth.  Blankenstein  dem 
Verein  zur  Annahme  empfahl,  etwa  dahingehend,  dass 
der  Ausbau  des  Otto  Heinrichs-Baues  nicht  nur  eine  tech- 
nische Nothwendigkeit  sei,  um  diesen  auf  längere  Dauer  zu 
erhalten,  sondern  auch  aus  nationalen  Gründen  geboten 
erscheine,  um  die  Erinnerung  an  eine  Zeit  deutscher  Er- 
niedrigung auszulöschen. 

Der  Vorsitzende,  Hr.  Geh.  Brth.  Hossfeld,  leitete  die 
Verhandlungen  durch  eine  kurze  sachliche  Darstellung  ein, 
die  sich  auf  den  jüngst  erschienenen  Bericht  über  die 
letzte  Schlossbau-Konferenz  stützte,  und  charakterisirte  die 
Stellungnahme  der  einzelnen  Mitglieder  derselben.  (Wir 
verweisen  in  dieser  Flinsicht  auf  den  gleichzeitig  erscheinen- 
den Artikel  von  Seitz).  Darüber  seien  sich  alle  einig, 
dass  das  Schloss  erhalten  werden  solle.  Nur  über  das 
Wie  werde  gestritten.  Da  dies  aber  eine  vorwiegend 
technische  Frage  ist,  so  sei  der  Architekten-Verein  be- 
rufen, auch  seine  Stimme  in  dieser  Frage  zu  erheben. 

Gegen  den  Ausbau  des  Otto  Heinrichs-Baues  sprachen 
sodann  die  Hrn.  Geh.  Brth.  Kieschke,  Geh.  Ob.-Brth. 
Prof.  Adler,  Brth.  Graef  und  Hofrth.  Prof.  Dr.  Cornelius 
Gurlitt  aus  Dresden  als  Gast.  Ersterer  vertritt  die  An- 
schauung, der  Verein  könne  nicht  beschliessen,  dass  die 
Erhaltung  im  jetzigen  Zustande  unmöglich  sei,  denn  es 
hätten  doch  zwei  angesehene  technische  Mitglieder  in  der 
Schlossbau-Konferenz  den  gegentheiligen  Standpunkt  ver- 
treten. Er  schlägt  die  Annahme  der  Resolution  vor,  die 
von  24  Mitgliedern  der  Vereinigung  Berliner  Architekten 
und  des  Arch.-Vereins  bereits  veröffentlicht  sei.  (Vergl, 
den  Abdruck  in  No.  3.)  Hr.  Adler  hält  ebenfalls  eine 
Erhaltung  der  Ruinen  für  möglich  und  bezieht  sich 
dabei  auf  die  Ausführungen  von  Ob.-Brth.  Prof.  Dr. 
Warth  in  Karlsruhe.  Er  verweist  dann  auf  die  von  ihm 
bereits  in  einem  längeren  Artikel  in  der  National-Ztg.  ver- 
öffentlichten Momente  allgemeiner  Natur,  die  gegen  einen 
Ausbau  sprächen,  und  wendete  sich  schliesslich  gegen  eine 
Restaurirung  des  Otto  Heinrichs-Baues  vom  Standpunkte 
des  Kunsthistorikers  und  Aesthetikers.  Da  Unterlagen  nicht 
vorhanden  seien,  aus  denen  mit  voller  Sicherheit  die  Ge- 
stalt des  Baues  vor  der  Zerstörung  festgestellt  werden 
könne,  so  solle  man  schon  aus  diesem  Grunde  auf  eine 
Wiederherstellung  verzichten.  Auch  wolle  die  Stadt 
Heidelberg,  ihr  Bürgermeister  an  der  Spitze,  eine 
solche  nicht.  Hr.  Graef  vertritt  ebenfalls  den  Stand- 
punkt, dass  man  nicht  über  das  Warth’sche  Gutachten 
hinweggehen  könne,  und  beantragt  Abstimmung  über  die 
schon  von  Hrn.  Kieschke  erwähnte  Resolution.  Hr. 


Gurlitt  warnt  vor  einer  Restaurirung,  mit  der  der  ur- 
sprüngliche Reiz  des  alten  Bauwerkes,  die  Eigenart  der 
alten  Arbeit  unrettbar  verloren  gin^e  und  führt  als  Beispiel 
die  Restaurirung  des  Zwingers  in  Dresden  an , wo  das 
Charakteristische,  Interessante  ganz  verwischt  sei.  Man 
solle  alles  genau  aufnehmen,  abformen  und  nur  solche 
Steine  erneuern,  die  ganz  zerstört  seien.  So  werde  jetzt 
auf  seine  Veranlassung  bei  dem  einzigen  noch  nicht  re- 
staurirten  Theile  des  Zwingers,  dem  sog.  Nymphenbad, 
verfahren.  Auch  beim  Heidelberger  Schloss  solle  man 
so  Vorgehen  und  werde  dann  die  Ruine  noch  lange  Zeit 
in  ihrem  ursprünglichen  Reiz  erhalten. 

Die  Hrn.  Hossfeld,  Blankenstein  und  Brth.  Böck- 
mann  sprechen  für  den  Ausbau.  Ersterer  stellt  zunächst 
die  Behauptung  richtig,  dass  der  Bürgermeister  von  Heidel- 
berg sich  gegen  den  Ausbau  des  Otto  Heinrichs-Baues 
ausgesprochen  habe.  Er  habe  zwar  im  Prinzip  einen 
solchen  nicht  gewünscht,  aber  betont,  dass  er  dem  Aus- 
bau dann  zustimmen  würde,  wenn  die  Techniker  einen 
solchen  für  unbedingt  nöthig  halten  würden.  FIr.  Blanken- 
stein vertritt  die  Fassung  seines  Antrages,  bekämpft  den 
Adler’schen  Standpunkt,  dass  man  das  Schloss  nicht 
restauriren  dürfe,  weil  man  vielleicht  Fehler  machen 
könnte,  denn  dann  müsse  man  das  Restauriren  überhaupt 
und  an  jeder  Stelle  aufgeben,  während  Redner  ja  selbst 
alte  Bauten  hergestellt  habe.  Die  vorhandenen  Unter- 
lagen seien  ausserdem  ausreichend,  um  sich  ein  Bild 
des  früheren  Zustandes  zu  machen.  Schliesslich  führt  er 
als  Beispiel  für  den  Verfall  eines  nicht  überdachten  Bau- 
werkes den  Part h enon  an,  der  zufällig  fast  ebenso  lange  in 
Trümmern  liege,  wie  das  Heidelberger  Schloss,  nachdem 
er  vorher  mit  Ueberdachung  zwei  Jahrtausende  lang 
widerstanden  habe.  Jetzt  sei  man  in  Verlegenheit,  wie 
man  ihn  erhalten  solle.  Mit  kleinen  Mitteln  könne  man  das 
Heidelberger  Schloss  vielleicht  noch  erhalten,  aber  wie 
lange  noch? 

Hr.  Böckmann  beleuchtete  die  Frage  eingehend  vom 
technischen  Standpunkte  aus,  indem  er  zunächst  die  ver- 
schiedenen Mittel  durchging,  mit  welchen  die  Ruine  in 
ihrem  jetzigen  Zustande  erhalten  werden  solle,  also  Be- 
seitigung der  Vegetation,  Abdeckung  der  Mauern,  der 
Fenstersohlbänke,  Aussteifung  usw.  Was  bliebe  da  noch 
von  dem  früheren  Reiz?  Aber  alles  das  würde  nicht  ein- 
mal für  längere  Zeit  nützen.  Ja  selbst  wenn  die  Mauern 
der  Schlossruine  mit  ganz  neuem  Material  von  Grund  aus 
aufgeführt  würden,  könne  man  nicht  für  die  Haltbarkeit 
einer  solchen  völlig  freistehenden  Fassade  aufkommen. 
Denn  wenn  ein  solches  Mauerwerk  von  Schnee  und  Regen 
durchnässt,  noch  dem  Frost  ausgesetzt  würde,  müsste  der 
Ruin  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  eintreten.  So  lange 


Wettbewerbe  des  Architektenvereins  veranlasst  worden 
waren,  in  den  er  frühe  schon  eingetreten  war.  Alle 
diese  Entwürfe,  die  zumtheil  in  antiken,  zumtheil  in  mittel- 
alterlichen, meist  dem  Backsteinbau  angepassten  Formen 
gehalten  sind,  zeigen  bereits  eine  völlig  entwickelte  Indi- 
vidualität: ausgeprägten  Sinn  für  schöne  Verhältnisse  und 
eine,  durch  die  schlichte  Ausgestaltung  der  Einzelheiten 
bedingte,  für  einen  jungen  Künstler  ungewöhnliche  monu- 
mentale Haltung.  Ob  und  welche  derselben  zur  Aus- 
führung gelangt  sind,  entzieht  sich  meiner  Kenntniss. 

Einen  wichtigen  Umschwung  für  Jacobsthal,  der  für 
die  äussere  Lebensstellung  und  die  Richtung  seiner  weiteren 
künstlerischeuThätigkeitentscheidend  werden  sollte,  brachte 
das  Jahr  1867.  Nachdem  er  1866  auch  die  Baumeister- 
Prüfung  abgelegt  und  1866,67  iri  der  städtischen  Bauver- 
waltung gearbeitet  hatte,  war  er  Anfang  1867  bei  der 
Berliner  kgl.  Ministerial-Baukommission  eingetreten,  um  — 
unter  dem  damaligen  Bauinsp.  Blankenstein  — zunächst 
den  Erweiterungs-  und  Umbau  des  alten  Hauses  der  Ab- 
geordneten am  Dönhoffsplatz  auszuführen.  Die  bald  darauf, 
auf  Anregung  und  unter  dem  Schutze  der  Kronprinzessin 
Victoria  erfolgte  Gründung  des  Deutschen  Gewerbe- 
Museums  berief  unter  die  Lehrkräfte  dieser  neuen  An- 
stalt auch  Jacobsthal,  der  schon  im  Mai  1866  eine  Stelle 
als  Hilfslehrer  im  Unterricht  für  Ornamentzeichnen  an 
der  Bauakademie  übernommen  hatte.  Waren  diese  Lehr- 
Aufträge  zunächst  und  noch  auf  einige  Jahre  hinaus  auch 
nur  Nebenämter,  so  hatte  der  Künstler  mit  Antritt  der- 
selben doch  den  Boden  beschritten,  dem  er  fortan  den 


Haupttheil  seiner  Kraft  widmen  und  auf  dem  er  die  segens- 
reichste Wirksamkeit  entfalten  sollte.  Welche  Erfolge  er 
gleich  nach  Beginn  seiner  Lehrthätigkeit  auf  diesem  Felde 
zu  erzielen  wusste  und  welche  Würdigung  diesen  zutheil 
wurde,  beweist  wohl  am  besten  die  Thatsache,  dass  man 
ein  Jahr  später,  als  Baumeister  Kölscher,  der  Leiter  der 
sogen.  Kompositions-Klasse  am  Deutschen  Gewerbe-Mu- 
seum, seiner  Thätigkeit  durch  einen  plötzlichen  Tod  ent- 
rissen wurde,  Jacobsthal  zu  seinem  Nachfolger  bestimmte. 

Auch  an  dieser  bedeutungsvolleren  Stelle  hat  Jacobs- 
thal mit  Hingebung  und  gutem  Erfolge  seines  Amtes  ge- 
waltet, bis  er  1872  vor  die  Entscheidung  gestellt  wurde, 
ob  er  dieses  ihm  nur  von  einer  Privat  - Gesellschaft 
verliehene  Amt  (das  Deutsche  Gewerbe  Museum  ist  erst 
später  als  Kunstgewerbe-Museum  in  die  Staatsverwaltung 
übergegangen)  aufgeben,  oder  auf  den  Eintritt  in  den 
Staatsdienst  verzichten  solle.  Er  entschied  sich  — wohl 
nicht  ohne  dass  ihm  schon  damals  Aussichten  auf  seine 
spätere  Stellung  gemacht  worden  waren  — für  das  erstere 
und  wurde  unter  Verleihung  des  Titels  als  Landbaumeister 
zunächst  als  technischer  Hilfsarbeiter  in  die  Ministerial- 
Baukommission,  bald  darauf  aber  in  das  technische  Bureau 
des  Ministeriums  für  Handel,  Gewerbe  und  öffentliche 
Arbeiten  berufen,  während  er  seine  Hilfslehrer-Stelle  an 
der  Bauakademie  nach  wie  vor  beibehielt  und  auch 
1870—76  Lehrer  an  der  Kunstschule  blieb.  Etwa  2 Jahre 
ist  Jacobsthal  an  der  Zentralstelle  der  preussischen  Staats- 
Bauverwaltung  thätig  gewesen  und  hat  während  dieser 
Zeit  an  zahlreichen  Entwürfen  mitgearbeitet,  zu  denen  die 


II.  Januar  1902. 


23 


man  keinen  Kitt  erfunden  habe,  um  Hausteine  so  aneinander 
zu  befestigen,  dass  die  abwechselnde  Einwirkung  von 
Durchfeuchtung  und  Frost  denselben  nicht  trennt,  könne 
man  kein  Mauerwerk  aufführen,  welches  diesen  Elementen 
auf  die  Dauer  widersteht.  Auch  Zement  ist  ein  solcher 
Kitt  nicht,  da  die  Ausdehnungs-Koeffizienten  von  Zement 
und  Sandstein  nicht  ganz  übereinstimmen.  Man  könne 
dies  an  freistehenden  Bauwerken,  Grabdenkmälern,  Frei- 
treppen aller  Art  beobachten,-  die  schon  nach  kürzerer 
Zeit  trotz  sorgfältiger  Herstellung  der  Ausbesserung  be- 
dürfen. Dagegen  sei  eine  aus  Quadern  hergestellte  Fassade 
deshalb  haltbarer,  weil  sie  der  Durchfeuchtung  nur  von 
einer  Seite  in  geringerem  Maasse  ausgesetzt,  von  der 
inneren  ausserdem  durch  die  Wärme  des  Flauses  gegen 
Durchfrieren  geschützt  sei.  Redner  legt  dann  die  Fassung 
einer  Resolution  vor,  die  lediglich  die  technische  Seite 
der  Frage  berühre,  da  man  von  dem  Architekten-Verein 
in  erster  Linie  nach  dieser  Seite  hin  ein  Gutachten  er- 
warte, und  da  die  Gefühlsfrage  in  den  Tagesblättern  schon 
genügend  erörtert  sei.  Nachdem  Hr.  Blankenstein  sich 
bereit  erklärt  hat,  seinen  Antrag  unter  Weglassung  der 


allgemeinen  Momente  mit  dem  Böckmann’schen  zu  ver- 
schmelzen, wird  zur  Abstimmung  geschritten  und  die  nach- 
stehende Resolution  mit  115  gegen  27  Stimmen  angenommen : 

„Der  Architekten-Verein  zu  Berlin  hat  sich  in  seiner 
Sitzung  am  6.  Januar  d.  J.  mit  der  Frage  der  Wiederher- 
stellung des  Heidelberger  Schlosses  beschäftigt  und  erklärt : 

Die  Bautechnik  hat  keine  Mittel,  die  freistehenden 
Umfassungsmauern  des  Otto  Heinrichs-Baues  in  ihrem 
jetzigen  Zustande  zu  erhalten.  Wollte  man  durch  Aus- 
besserungen, Verstrebung  und  Verankerung  der  Ruine 
noch  eine  gewisse  Lebensfrist  sichern,  so  würde  ohne 
Zweifel  der  Reiz  des  Bauwerkes  verloren  gehen.  Den 
Otto  Heinrichs -Bau  gegen  weiteren  Verfall  zu  sichern, 
kann  nur  durch  gründlichen  Schutz  gegen  die  Einwirkung 
der  Feuchtigkeit,  des  Frostes  und  des  Sturmes  geschehen. 
Nur  durch  Bedachung  und  Ausbau  des  Schlosses  wird 
der  Zweck  erreicht. 

Der  Architekten-Verein  spricht  daher  die  Hoffnung 
aus,  dass  die  badische  Regierung,  unbeirrt  durch  alle 
Widersprüche,  die  Wiederherstellungsarbeiten  fortsetzen 
und  zu  einem  glücklichen  Ende  führen  möge".  — 


Preisbewerbungen. 

Preisbewerbung  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
evangelisches  Gemeindehaus  in  Godesberg.  Das  Preisaus- 
schreiben, welchem  wir  auf  S.  568  v.  J.  unsere  Empfehlung 
leider  versagen  mussten,  ist  nunmehr  in  anderer  Form 
erlassen.  Es  handelt  sich  um  die  Errichtung  eines  Ge- 
bäudes für  Konfirmanden-Unterricht,  Versammlungen  der 
Jünglings-,  Männer-  und  Frauenvereine,  Festlichkeiten  usw. 
Das  Gebäude  soll  aus  einem  Hauptgebäude  mit  anschliessen- 
dem Saalbau  bestehen,  letzterer  für  600  Personen.  Stil 
und  Material  sind  den  Bewerbern  überlassen,  doch  sollen 
vollständige  Putzfassaden  vermieden  werden.  Die  Zeich- 
nungen sind  1:500  und  1:200  verlangt.  Die  Ausstattung 
ist  so  zu  halten,  dass  mit  einem  Einheitspreise  von  15  M. 
für  das  Vorderhaus  und  12  M.  für  den  Saalbau  das  Aus- 
kommen gefunden  wird.  Termin  ist  der  i.  April  1902. 
Es  gelangen  3 Preise  von  750,  500  und  250  M.  zur  Ver- 
theilung;  es  kann  auch  der  I.  Preis  getheilt  verliehen  wer- 
den. Ein  Ankauf  nicht  preisgekrönter  Entwürfe  für  je  150  M. 
ist  Vorbehalten.  Ueber  die  Ausführung  sind  die  Entschiies- 
sungen  der  Gemeinde  Vorbehalten.  Dem  Preisgerichte  ge- 
hören als  technische  Beurtheiler  andieHrn.  Prof.  Dr.  Karl 
Huppertz,  kgl.  Reg.-Bmstr.  in  Bonn,  Arch.  Eberhard  in 
Köln  und  Kommunal-Bmstr.  Georg  Dress  in  Godesberg. 

Im  Wettbewerb  für  den  Neubau  der  mittleren  Rhein 
brücke  in  Basel,  vergl.  Dtsch,  Bztg.  S.  328  Jhrg.  3901,  so- 
wie die  Vorbemerkung  auf  S.  644,  hat  den  I.  Preis  von 
7000  Fres.  der  Entwurf  einer  Steinbröcke  erhalten.  Ver- 
fasser dieser  Arbeit  mit  dem  Kennwort  „Granit  II"  sind 
die  Firma  Alb.  Buss  & Cie.,  die  Ing.  J.  Rosshändlerf 
und  J.  Mast,  sämmtlich  in  Basel,  sowie  die  Arch.  Prof. 
Fr.  V.  Thiersch  In  München  und  E.  Faesch  in  Basel. 
Den  II.  Preis  von  6000  Fres.  erhielt  der  Entwurf  „Rhein" 
mit  eisernem  Ueberbau  auf  Steinpfeilern,  Verf.  Prof. 
Zschokke  in  Aarau,  Basler  Baugesellschaft!,  Arch. 
A.  Visscher,  Gute  Hoffnungshütte,  Prof.  Krohn. 
Drei  III.  Preise  zu  je  4000  Fres.  wurden  den  Entwürfen 


durch  den  politischen  Aufschwung  des  Staates  gesteigerte 
Bauthätigkeit  Veranlassung  gab,  Es  darf  wohl  angenommen 
werden,  dass  der  künstlerische  Theil  dieser  Entwürfe  in 
den  meisten  Fällen  sein  geistiges  Eigenthum  war,  wenn 
er  auch  mehrfach  wenig  geneigt  war,  sich  dieses  Eigen- 
thums zu  rühmen,  nachdem  der  von  anderer  Hand,  ohne 
seine  Mitwirkung  zur  Ausführung  gebrachte  Entwurf  ein 
ihm  fremdes  Gesicht  bekommen  hatte.  Er  hat  in  dieser 
Beziehung  — damals  wie  auch  später  — trübe  Erfahrungen 
gemacht  und  es  waren  wohl  diese,  die  ihn  in  einem  1881 
geschriebenen  Nekrologe  auf  Martin  Gropius  zu  der  folgen- 
den Aeusserung  geführt  haben: 

„Mit  harter  Arbeit  begann  er  seine  Laufbahn  und 
bis  zum  letzten  Augenblick  ermüdete  er  nicht,  wenn  auch 
in  der  letzten  Zeit  der  Umstand  ihm  manche  schwere 
Stunde  bereitete,  dass  einzelne  Bauten,  zu  denen  er 
mühevolle  und  oft  durchgearbeitete  Entwürfe  geliefert 
hatte,  ohne  seine  weitere  Mitwirkung  zur  Durchführung 
gebracht  wurden.  Allerdings  das  härteste  Geschick  in 
der  Laufbahn  eines  Architekten,  namentlich  wenn  — wie 
bei  fast  allen  Bauten  der  Neuzeit  ~ die  hoch  entwickelten 
Ansprüche  an  die  Ausführung  des  Bauwerks  nach  allen 
Richtungen  bis  zum  letzten  Augenblicke  des  Baues  dem 
Architekten  Probleme  zur  künstlerischen  Lösung  stellten, 
die  im  Entwurf  allein  nicht  gelöst  werden  konnten." 

Von  den  Entwürfen,  an  denen  Jacobsthal  damals  be- 
theiligt war,  weiss  ich  nur  die  zu  den  Bankgebäuden 

24 


mit  den  Kennworten  „Stein  und  Eisen",  „Porta  Helvetiae, 
Stein  2“  und  „St.  Jakob  I“  zuerkannt.  Die  beiden  letzt- 
genannten Entwürfe  sind  in  Stein  bezw.  Stein  und  Beton 
gedacht,  Als  Verfasser  ergaben  sich  in  der  Reihenfolge 
der  Kennworte:  Masch.-Fabrik  Esslingen,  Ob.-Ing. 
Brth.  Kübler,  Arch.  Brthe.  Eisenlohr  & Weigle  in 
Stuttgart,  Bauunternehmung  C.  Baresel;  Ph.  Holzmann 
& Cie.,  Dir.  Lauter  und  Ritter  in  Frankfurt  a.  M.,  Arch. 
E.  la  Roche  in  Basel;  Prof.  Zschokke  in  Aarau,  Basler 
Baugesellschaft,  Ing.  E.  Travlos,  Arch.  A.  Visscher, 
P.  Huber  & Sturm.  Die  mit  den  Entwürfen  einge- 
reichten Angebote  für  die  Uebernahme  der  Ausführung 
stellten  sich  auf  2678420,  2036132,  2783750,  2720000, 
2164496  Fres.  Die  Entwürfe  sind  vom  ii.  bis  einschl. 
26.  Januar  in  Basel  im  Gewerbe-Museum  ausgestellt.  — 

Wettbewerb  Hospitalgebäude  usw.  Koethen.  Unter  27 
rechtzeitig  und  i verspätet  eingegangenen  Entwürfen  er- 
rang den  I.  Preis  von  2000  M.  der  Entwurf  „Anhalt"  der 
Hrn.  Kraaz  & Becker  in  Berlin-Schöneberg;  den  II.  Preis 
von  1000  M.  der  Entwurf  „Ein  Vorschlag"  des  Hrn.  C. 
Kujath  in  Charlottenburg.  Die  III.  Preise  von  je  500  M. 
fielen  an  die  Entwürfe  der  Hrn.  Otto  Kuhlmann  in  Char- 
lottenburgundan  die  gern  einsame  Arbeit  der  Firn  H.  Heinz  e 
in  Hannover,  in  Verbindung  mit  den  Hrn.  C Mohr  und  C. 
Krause  in  Charlottenburg.  Sämmtliche  Entwürfe  sind  bis 
20.  Jan.  d.  J.  im  Rathhause  in  Koethen  öffentlich  ausgestellt. 

Wettbewerb  Provinzial  Museum  zu  Münster.  Zu  die- 
sem Wettbewerb  sind  35  Entwürfe  eingegangen.  Leider 
kann  das  Preisgericht  wegen  Behinderung  einiger  Mit- 
tglieder erst  am  31.  Jan.  zusammentreten.  — 

Inhalt:  Die  Wiederherstellung;  des  Heidelberg;er  Schlosses,  insbes. 
des  Otto  Heinrichs  - Baues  (Fortsetzung).  — Zur  ErinneruDg  an  Johann 
Eduard  Jacobsthal.  — Ueber  den  neuen  Entwurf  eines  Reichsgesetzes  be- 
treffend die  Sicherung  der  Bauforderungen  (Schluss).  — Zur  Frage  der 
Fortführung  der  Wiederherstellungs-Aj'beiten  am  Heidelberger  Schloss.  — 
Preisbewerbungeil. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofniann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


für  Hannover,  Kassel  und  Köln,  zu  der  Blindenanstalt  in 
Steglitz,  zu  dem  Regierungs-  und  Justizgebäude  in  Kassel 
und  dem  Gerichts -Gebäude  in  Posen  mit  Bestimmtheit 
zu  nennen;  die  letzteren  beiden  hat  er  in  Gemeinschaft 
mit  Him.  Oberbaudir.  Herrmann,  die  erstgenannten  in 
Gemeinschaft  mit  Hrn.  Geh.  Ober-Brth.  Giersberg  be- 
arbeitet. Doch  hat  er  unter  Hrn.  Geh.  Ober-Brth.  Salzen- 
berg auch  an  der  Aufstellung  verschiedener,  meist  wohl 
kleinerer  Kirchen  - Entwürfe  theilgenommen.  Für  die 
städtische  Banverwaltung  Berlins  hat  er  die  Entwürfe 
zum  Humboldt-Gymnasium  und  zur  Neugestaltung  der 
Friedrichs-Brücke  geliefert.  Unmöglich  ist  es  nicht,  dass 
noch  andere  Entwürfe  zu  Staaisbauten  schon  aus  jener 
Zeit  stammen.  Von  1871 — 72  nahm  J.  unter  Strack  am 
Bau  der  Siegessäule  theil. 

Seine  endgiltige  Gestalt  erhielt  der  Lebensgang  Jacobs- 
thals, als  Professor  Karl  Boetticher,  der  den  Schwerpunkt 
seiner  Thäügkeit  schon  längst  in  seine  Steilung  als  Direktor 
der  Skulpturen- Abiheilung  des  Alten  Museums  verlegt  hatte, 
aus  dem  Lehrkörper  der  Bauakademie  ausgeschieden  war 
und  es  vollzog  sich  wie  ein  selbstverständliches  Ereigniss, 
dass  Jacobsthal  zu  seinem  Nachfolger  berufen  wurde.  Unter 
Niederlegung  seines  Amtes  bei  der  Staats-Bauverwaltung 
trat  dieser,  1881  zum  Professor  ernannt,  das  Lehramt  für 
Ornamentik  an  der  Bauakademie  an,  dem  sich  ein  Jahr 
später  noch  das  gleiche  Lehramt  an  der  Gewerbe- Akademie 
zugesellte.  — (Schluss  folgt.) 

No.  4. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  5.  Berlin,  den  15.  Januar  1902. 


Die  Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses,  insbes.  des  Otto  Heinrichs-Baues. 

(Schluss.) 

fer  Verfasser  könnte  seine  Besprechungen  nemlich  die  vier  Seulen  oder  Pfeiler  ira  grossen  Saal  unnd 
mit  den  Worten  des  Finanzministers,  dass  der  Stuben,  sanibt  das  Wapen  ob  der  Einfahrth  des  Thors 
für  die  endgiltige  Lösung  nur  inbetracht  hawen  unnd  verfertigen  lassen,  damit  man  werben  kan  und 
komme,  was  einmal  gewesen  sei,  scnliessen, 
wenn  es  nicht  im  Interesse  der  Sache  gälte, 


Irrthümer,  die  in  der  Versammlung  zum  Ausdruck 
kamen  und  in  späteren  Streitschriften  energisch  fest- 
gehalten wurden,  zu  berichtigen.  Nämlich  die  Kunst- 
historiker, welche  sich  als  Gegner  des  Schäfer’schen 
Entwurfes  bekannt  haben  (v.  Oechclhäuser,  Rosen- 
berg, Thode,  Dehio,  Gurlitt),  versuchen,  denselben  zu 
Fall  zu  bringen,  indem  sie  behaupten,  es  stehe  wissen- 


die  Notturfft  erfordert. 

Item  die  zwey  grösser  Bilder  in  beiden  Gestellen, 
und  dann  die  sechs  Bilder  ob  den  Gestellen,  iedes  von 
fünff  Schuhen  gehawen  werden  solle. 

Item  Alexander  Bildthawer  solle  auch  funff  grosser 
Leowen  hawen  unnd  fertigen,  vermög  Anzeig  und  Visirunge. 

Item  sechs  railhesamen  Thürgestell,  so  inwendig  in 
den  Baw  kommen,  alles  vermög  einer  ieder  Visirung,  so 
darüber  ufgericht. 

Item  sieben  mittelmessige  Thürgestell,  alles  vermÖg 


schaftlich  fest,  dass  die  Fassade  ursprünglich  mit  unnd  inhalter  darüber  gestelter  Visirung. 


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Ostfront  nach  dem  Entwurf  von  Ob.-Brth.  Prof.  K.  Schäfer  in  Karlsruhe.  1:300. 


einem  horizontalen  Abschluss  geplant  gewesen  und 
nur  durch  Hinzutreten  Colins  die  deutsche  Giebel- 
form zum  Nachtheil  des  Gebäudes  ausgeführt  worden 
sei;  wir  könnten  eigentlich  froh  sein,  dass  wir  die 
Ruine  jetzt  mit  wagrechtem  Abschluss  wieder  hätten. 
Einer  der  Historiker,  v.  Oechclhäuser,  will  dies  aus 
dem  Vertrage  mit  Colins  herauslesen  und  ist  auch 
überzeugt,  dass  die  Architektur  der  Fassade  in  un- 
mittelbarem Zusammenhänge  mit  den  Bauten  der  Früh- 
Renaissance  in  Oberitalien  steht. 

Den  Vertrag,  welcher  in  Gegenwart  der  kurfürstl. 
Hofbmstr.  Caspar  Fischer  und  Jacob  Leyder  abge- 
schlossen worden  ist,  lasse  ich  hier  in  seinen  sach- 
lichen Theilen  folgen: 

. . . haben  verdingt  dem  erbarn  Alexander  Colins  von 
der  Stadt  Mechel  Bildthawer,  alles  gehawen  Steinwercks, 
so  zu  diesem  newen  Hofbaw  vollent  gehörig,  zu  hawen,  . . . 

Erstlichen.  Item  soll  gemalter  Alexander  Bildthawer 
zum  fürderlichsten  unnd  zum  eheisten  die  ftinff  Stück, 


Item  das  Thürgestell,  so  Anthonj  Bildthawer  ange- 
fangen hat,  soll  gemelter  Alexander  vollendt  aussmachen. 

Item  die  zwey  Camin,  eins  in  meines  Gnädigsten  Herrn 
Cammer,  das  anäer  im  grossen  Saale. 

Nota.  An  seinem  vorigen  Geding  sein  noch  viertzehen 
Bilder  vermög  Visirung  zu  hawen,  Soll  er  dickgemelter 
Alexander  ietz  inn  seinem  Costen  hawen  und  vor  iedes  Bildt 
XXViiJ  fl.  Daneben  Xiiij  Fenster-Posten  vor  iedes  V fl.  zu 
hawen,  Ihme  dissmals  auch  eingeleibt,  solches  zu  befürdern. 

Man  kann  aus  dem  Vertrage  für  die  Fassade  nur 
entnehmen,  dass  Colins  das  Wappen  über  dem  Ein- 
gänge, 14  Fensterpfosten  und  14  Bilder,  wenn  man 
diese  durchaus  für  die  Nischenfiguren  halten  will,  nach 
Zeichnungen  auszuführen  übernahm.  Heute  sind  au  der 
Fassade  16  Nischenfiguren,  4 grössere  und  2 kleinere 
Figuren  an  dem  Portal,  28  Fensterpfosten  und  noch 
in  demselben  Material  wie  die  Figuren  die  Seiten- 
reliefs und  die  Bekrönung  des  Portals.  Welche  unter 
diesen  die  von  Colins  übernommenen  Skulpturen  sind, 


ist  nicht  zu  sehen.  Doch  schien  es  noch  keinem  Sach- 
verständigen zweifelhaft,  dass  alle  aus  hellem  Stein 
gefertigten  Bildwerke  aus  derselben  Hand  sind.  „Wer 
aber  das  Wappen,  die  figürlichen  Reliefs  und  die  Frei- 
figuren gemacht  hat,  hat  sicher  auch  die  Bekrönung 
gefertigt.“  (Durm  a.  a.  O.)  Dagegen  behaupten  die 
Gegner,  das  Cartouchen werk  sei  später  hinzugekommen, 
und  weil  mit  den  14  Figuren  die  16  vorhandenen  nicht 
erschöpft  sind,  sollen  auch  die  obersten  -2  zugefügt 
sein.  Am  Bau  selbst  ist  festzustellen,  dass  die  Mittel- 
figur über  dem  Portal  sammt  ihrer  Nische  in  die  Höhe 
gerückt  ist,  dass  sie  mit  ihrer  Flinte  zur  Hälfte  auf 
der  vorher  versetzten  Bekrönung  steht,  und  dass 
sämmtliche  Figuren,  auch  die  beiden  oberen,  auf  der 
Rückseite  roh  und  der  Nischenform  angepasst  sind. 
Ohne  jeden  Zwang  könnte  man  annehmen,  dass  einer 
der  beiden  Baumeister,  welche  den  Vertragsabschluss 
bezeugt  haben,  der  Planfertiger  war,  nach  dessen 
Visirungen  Colins  arbeitete;  man  könnte  auch  aus  der 
Uebereinstimmung  säraratlicher  Skulpturen  schliessen, 
dass  Colins  oder  sein  Vorgänger,  der  in  derselben  Art 
gearbeitet  hat  (flämisch),  das  Wesentliche  an  der  Fassade 
machten;  dazu  würden  auch  die  Fenster  im  Erdgeschoss 
passen.  Aus  dem  Vertrage  aber  auf  irgend  eine  Form 
des  Baues  einen  Schluss  zu  ziehen,  geht  wirklich  nicht 
an;  es  steht  davon  keine  Silbe  in  dem  Vertrage. 

Lübke  macht  in  seiner  Geschichte  der  deutschen 
Renaissance  eine  Bemerkung,  welche  besagt,  dass  ein 
Antonius  von  Theodor  am  Portal  des  Piastenschlosscs 
zu  Brieg  gearbeitet  habe.  Es  wird  nun  behauptet, 
die  Architektur  dort  stimme  mit  derjenigen  am  Otto 
Heinrichs-Bau  überein,  und  jener  Antoni  könne  ganz 
gut  der  Anthonj-Bildthawer  sein,  der  unterlassen  hat,, 
das  im  Vertrage  mit  Colins  genannte  Thürgestell  fertig 
zu  machen.  Sehen  wir  zu,  wie  es  sich  damit  in  Wahr- 
heit verhält.  Folgende  Aufzeichnungen  sind  die  ein- 
zigen, die  der  Verfasser  über  Antoni  von  Theodor 
erhalten  konnte: 

Im  cod.  dipl.  Siles  IX  Urkdn.  der  Stadt  Brieg,  ed. 
Grünhagen,  findet  sich  auf  S.  21 1 unter  No.  1557  fol- 
gende Notiz:  1547  ohne  Tag.  Brieg.  Der  Bürger- 
meister Simon  Rogithan  lässt  die  Schule  auf  dem 
Pfarrkirchhofe  neubauen  und  der  folgende  Bürgerm. 
Pet.  Horrle  sie  1548  vollenden  durch  2 Walen  (Wälsche) 
Meister  Jacob  Bawor  u.  Antoni  v.  Theodor.  Brieger 
Stadtbuch  II  39. 

In  Schönwalder  Ortsnachr.  von  Brieg  II  64  wird 
an  die  Bemerkung,  es  seien  damals  wälsche  Baumeister 
in  Brieg  thätig  gewesen,  folgendes  angeschlossen: 
„Meister  Jakob  Bawor  od  Bafor,  ein  Wale,  welcher 
das  Gymnasium  baute,  u.  Meister  Antoni  v.  Theodor, 
welcher  1547  mit  Bafor  zusammen  die  Stadtschule 
um  ein  Stockwerk  erhöhte“. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  beiden  Angaben 
eine  und  dieselbe  Quelle,  jenes  zweite  Brieger  Stadt- 
buch, zugrunde  liegt,  und  es  scheint  auch,  dass  über 
jenen  Antoni  di  Th.  nur  eben  diese  Stelle  handelt  und 
seiner  gedenkt*). 

Dr.  Luchs  schreibt  in  seinem  Aufsatz  „Bildende 
Künstler  in  Schlesien“  i.  d.  Zeitschr.  für  Gesch.  und 
Alterth.  Schlesiens  V.  S.  15  ff.,  indem  er  als  Quelle 
Schönwalder  Ortsnachrichten  angiebt:  „Nachdem  er 
(Jacob  Bahr  s.  oben)  1547  die  Stadtschule  in  Brieg 
mit  Meister  Antoni  v.  Theodor  gebaut,  wird  das 
Schlossportal  gebaut“;  weiterhin  S.  17  erfahren  wir 
durch  einen  Schutzbrief  des  Herzogs,  dass  Bahr  am 
Schloss  gebaut  hat.  Luchs  sagt  also  nirgends,  dass 
Antoni  am  Schloss  gebaut  habe,  er  sagt  nicht  ein- 
mal, an  welchem  Ort  Bahr  (richtig  Bawor)  am  Schloss 
thätig  war. 

Dr,  Wernike  schreibt  in  Schlesiens  Vorzeit  1878; 
Die  italienischenArchitekten  in  Brieg:  „1544  begann  der 
Herzog  den  Umbau  des  Piastenschlosscs  ....  viel- 
leicht arbeiteten  von  .1544  daran  ....  die  Welschen 
Antoni  von  Theodor  und  Jakob  Bavor,  welche  unter 
Bürgermeister  P.  Hörle  die  Stadtschule  ....  vollenden“. 

Diese  Notizen  verdanke  ich  der  Freundliclikeit  des  Hrn. 
Geh.  Archivraths  Prof.  Dr.  Grünhagen  in  Breslau  durch  die 
gütige  Verniittlung  des  Hrn,  Kollegen  Carl  Grosse  daselbst. 


Lübke  II,  S.  186  sagt:  „Mit  Meister  Antonius 
V.  Theodor  erbaute  er  (Bawor)  zugleich  die  Stadt- 
schule und  vollendet  1553  das  imposante  Portal  des 
Schlosses“.  (Bezieht  sich  auf  Dr.  Luchs  s.  o.).  Lübke 
verwandelt  also  das  Mögliche  zum  Sicheren. 

Weiter  ist  aus  den  angeführten  Quellen  ersicht- 
lich, dass  die  urkundlich  nachgewiesenen  Italiener  in 
Brieg  Maurer  und  keine  Steinmetzen  waren  (Wernike 
S.  308).  Die  Steinmetzen  des  Portals  seien  Deutsche 
gewesen,  weil  überall  auf  den  Skulpturen  Steinmetz- 
zeichen seien  (ebenda  S.  310  und  von  demselben 
1896  S.  135).  „Jakob  Bawor,  Baumeister  und  Maurer“ 
übernimmt  „die  Giebel  aufs  beste  und  zierlichste  zu 
machen“  (nämlich  am  Rathhaus;  S.  269).  Endlich  ar- 
beitet 1568  ein  Meister  Casper,  und  zwar  ein  Deutscher, 
auch  in  italienischer  Manier  am  Schloss  (Luchs  Schl.- 
Vorz.  1872  S.  149). 

Aus  diesen  kurzen  Bemerkungen,  die  zu  prüfen  und 
zu  vervollständigen  der  Architekt  dem  Historiker  über- 
lassen muss,  geht  hervor,  dass  Antoni  v.  Theodor’s 
Thätigkeit  am  dortigen  Schlossbau  nicht  nachgewiesen 
ist;  ferner  war  derselbe  nicht  Bildhauer  sondern  Maurer, 
kann  also  der  „Antonj  Bildthawer“  nicht  sein.  Es  geht 
aber  auch  daraus  hervor,  dass  der  Italiener  Bawor 
dort  seine  italienische  Kunstgewohnheit  dem  deutschen 
Verlangen  nach  Giebelaufbauten  unterordnete,  und 
dass  der  Baumeister  Casper,  ein  Deutscher,  in  ita- 
lienischer Art  baute.  Die  Historiker  wollen  nament- 
lich die  Ornamentik  am  Portal  des  Otto  Heinrichs- 
Baues  dem  „Antonj  Bildthawer“  zuschreiben.  Thatsache 
ist,  dass  die  betreffenden  Werksteine  ebenfalls  Stein- 
metzzeichen tragen,  und  dass  auch  sie  von  deutschen 
Steinmetzen  gemacht  wurden.  So  wenig  man  aus  den 
wenigen  annähernd  ähnlichen  Einzelheiten  des  Portals 
am  Piastenschloss  zu  Brieg  auf  eine  Beziehung  zum 
Otto  Heinrichs-Bau  schliessen  darf,  so  wenig  sind  die 
Steigerung  Lübke’s  und  die  ungeprüfte  Uebernahme 
seiiier  Aussage  vonseiten  der  Schlosshistoriker  und  deren 
phantasievolle  Ueberfragung  auf  den  „Antonj- Bildt- 
hawer“ für  andere  als  geduldig  Gläubige  annehmbar. 

Die  weitereBehauptung,dieArchitektur  derFassade 
des  Otto  Heinrichs-Baues  stehe  mit  der  oberitalienischcn 
Renaissance  in  unmittelbarem  Zusammenhänge,  und 
zwar,  wie  die  Historiker  wollen,  in  dem  Sinne,  dass  da- 
durch der  horizontale  Abschluss  bedingt  sei, 
ist  durchaus  unrichtig.  Es  weiss  jeder,  dass  die  deutsche 
Renaissance  in  ähnlicher  Beziehung  zu  der  italienischen 
Renaissance  steht,  wie  diese  zur  römischen  Antike. 
Hier  wie  dort  ist  nicht  plötzHch  ein  neuer  Baustil 
entstanden,  für  den  aufmerksamen  Beobachter  ist  die 
Kontinuität  der  Forracnentwicklung  nirgends  unter- 
brochen, Die  Renaissance  war  nichts  weniger  als 
eine  Wiedergeburt  der  Antike;  es  bleiben  vielmehr 
alle  wesentlichen  Bauformen,  wie  sie  sich  in  der  vor- 
hergegangenen Gothik  aus  Lebensgewohnheiten  und 
örtlichen  Verhältnissen  gestaltet  hatten  — der  Grund- 
riss und  die  Komposition  der  Fassade  — , erhalten; 
das  steile  Dach  und  der  der  Schauseite  zugewandte 
Giebel  sind  deutsche  Art.  Die  überlieferten  Bauforraen 
wurden  zunächst  mit  antikisirenden  Einzelheiten  aus- 
gestattet, die  sich  namentlich  durch  Kleintheilung  und 
Reliefbehandlung  dem  herrschenden  Formgefühl  an- 
passten. Das  Raum-  und  Flächengefühl  in  Italien  war 
schon  zurzeit,  als  noch  gothisch  gebaut  wurde,  ein 
ganz  anderes,  als  in  Deutschland  und  ist  es  auch 
während  der  Herrschaft  der  Renaissance  geblieben. 
Deutsche  Steinmetzen  haben  nach  unserer  eigenen 
Wahrnehmung  ihre  Zeichen  in  den  alten  Theil  des 
Domes  zu  Piacenza  eingemeisselt,  ein  Deutscher  hat 
die  Franziskaner -Kirche  in  Assisi  gebaut,  aber  in 
beiden  Fällen  mussten  sich  die  Deutschen  den  ita- 
lienischen Formgewohnheiten  fügen.  Der  Italiener 
Bawor  musste  umgekehrt  in  Brieg  zierKche  Giebel 
bauen. 

An  einen  italienischen  Architekten  aus  der  Mitte 
des  XVI.  Jahrh.  ist  schon  gar  nicht  zu  denken.  Man 
überlege,  dass  in  Venedig  schon  die  Biblioteca  gebaut 
war;  Serlio’s  Buch  war  schon  erschienen;  die  Lehren 
Alberti's  waren  durch  die  antiquarischen  Kenntnisse 


No,  5 


26 


längst  verdrängt.  Man  vergleiche  auch  den  Gesainrat- 
aufbau  und  die  Em2elformen  des  im  Jahre  1536  durch 
einen  eigens  aus  Italien  berufenen  Architekten  gebauten 
Belvedere  in  Prag  mit  dem  Otto  Heinrichs-Bau,  so 
wird  man  die  ganz  andere  Tonart  leicht  erkennen. 
Mit  Lübke  kann  man  einverstanden  sein,  dass  die 
Formen  unseres  Baues  an  diejenigen  gewisser  Back- 
steinbauten in  Oberitalien  erinnern.  Die  Eigenthüm- 
üchkeit  des  Backsteinmaterials  bedingt  geringe  Aus- 
ladungen und  ein  eigenartiges  Relief  der  Architektur- 
glieder, die  Behandlung  des  Ornaments,  namentlich 
dort,  wo  der  Schmuck  in  den  wie  Bruchstein  versetzten 
Backstein  eingemeisselt  war,  hat  eine  kleine  Aehnlich- 
keit  mit  dem  Ornament  in  dem  Buntsandstein  des 
Otto  Heinrichs-Baues. 

Uebereinstimmungim  Gegenständlichen  kann  an  den 
deutschen  und  italienischen  Bauten  vielfach  festgestellt 
werden.  So  finden  sich  Kaiserköpfe  in  Medaillons  an 
vielen  Orten;  ganz  ähnlich  denen  am  Otto  Heinrichs-Bau 
sind  die  an  der  Capella  Colleoni  zu  Bergamo,  schon 
weniger  ähnlich  die  an  demSockelderCertosabei  Pavia. 
Mit  Ornament  geschmückte  Pilasterfüllungen  sind  an 
den  Häusern  zu  Mailand,  Piacenza,  Ferrara,  Bologna 
und  a.  O.  dutzendweise  zu  zählen.  Den  Triglyphen- 
fries  zeigen  mehrere  Paläste  zu  Bologna  (Pal.  Ranuzzi 
u.  a.),  ähnliche  Fensterbekrönungen  der  Dom  zu  Como 
usw.  Aber  nicht  der  dargestellte  Gegenstand,  son- 
dern die  künstlerische  Behandlung  giebt  die  Stilform, 
nicht  der  Text,  sondern  die  Töne  machen  die  Musik. 
Thode  hat  das  Rathhaus,  die  sogenannte  Loggia  zu 
Brescia,  Oechelhäuser  gar  die  Certosa  bei  Pavia  als 
vorbildliche  Beispiele  in  Italien  genannt.  Die  Archi- 
tekten kennen  diese  Bauten,  wir  glauben  aber  nicht, 
dass  es  einen  giebt,  der  die  behauptete  Aehnlichkeit 
zuzugeben  geneigt  ist.  Das  Rathhaus  in  Brescia  hat 
unten  eine  offene  Halle  und  darüber  ein  stattliches 
Obergeschoss,  welches  ursprünglich  mit  einer  Kuppel 
gekrönt  war,  das  Ganze  in  den  ausg'ereiften  Formen 
des  Cinquecento.  Die  Fassade  der  Karthäuserkirche 
ist  „das  erste  Dekorationsstück  Italiens“,  dessen  Zier- 
formen mit  jener  Weichheit,  Biegsamkeit  und  Zier- 
lichkeit, mit  jener  Vollendung  und  Leichtigkeit  in 
Marmor  gemeisselt  sind,  die  den  Vorzug  und  die 
Schwäche  der  italienischen  Renaissance  aus  jener 
Zeit  ausmachen;  dagegen  am  Otto  Heinrichs-Bau  — 
ich  rede  jetzt  nicht  von  Colins  Werk  — die  durch- 
aus naive  Verwendung  italienischen  Zierraths  aus 
einer  dort  längst  entschwundenen  Kunstepoche  in 
deutschem  Sinne,  unbekümmert  um  tektonische  Ge- 
setzmässigkeit, fern  von  jedem  technischen  Raffine- 
ment, von  deutschen  Steinmetzen  in  ehrlichem  Neckar- 
sandstein ausgeführt,  aber  gerade  wegen  seiner  Naive- 
tät  von  ewig  neuem  Reiz. , Man  könnte  mit  demselben 
Recht  eine  Landschaft  von  Claude  Lorrain  mit  einer 
solchen  von  einem  Niederländer  vergleichen.  Der 
Verfasser  hat  den  Otto  Heinrichs-Bau  gezeichnet,  er 
hat  vorher  und  nachher  zum  öfteren  die  oberitalieni- 
schen Bauten,  die  in  Städten  und  Orten  zwischen 
Turin  und  Udine,  zwischen  Venedig  und  Rimini,  zwi- 
schen Mailand  und  Florenz  und  zwischen  Genua  und 
Livorno  liegen,  gesehen,  nirgends  hat  er  ein  Gebäude 
mit  der  Gesammt-Komposition  des  Otto  Heinrichs- 


Baues,  nirgends  solche  Pilaster  und  Fensterbildungcii, 
wie  am  Erdgeschoss,  nirgends  solch’  kleine  Wand- 
flächen, solche  enggedrängte  Fenster  gesehen.  Die 
schwer  profilirten  Bedachungen,  die  von  dem  Archi- 
trav  weit  überlagerten  dünnen  Gewändbildungen  der 
Fenster  in  den  (Obergeschossen  sind  in  Italien  einfach 
undenkbar.  Dagegen  könnte  man  manchen  urdeut- 
schen  Bau  einem  italienischen  Vorbild  nähern,  wenn 
man  ihm  seine  charakteristischen  Giebel  nähme. 

Die  Gegner  der  Wiederherstellung  wollen  sich 
das  gewohnte  Bild  des  Schlosses  erhalten,  dabei 
verkennen  sie  nicht,  dass  die  Ruinen  ohne  künstliche 
Schutzmaassregeln  weiter  zerfallen.  Weder  in  den 
Konferenzen,  noch  in  späteren  gedruckten  Erörte- 
rungen konnte  ein  Mittel  namhaft  gemacht  werden, 
mit  dem  man  die  Verwitterung  der  Steine  aufhalten 
könnte,  auch  die  „moderne“  Technik  kennt  kein 
solches  Mittel.  Zur  längeren  Erhaltung  der  Substanz 
der  Ruinen  wurden  in  der  Konferenz  von  1901  Zement 
und  Klammern  vorgeschlagen,  spätere  sachliche  Be- 
sprechungen nannten  noch  Verputz  nach  Keimschera 
Verfahren  und  Strebepfeiler.  Alle  übrigen  Vorschläge 
gingen  nicht  über  die  schon  von  den  Vorständen 
des  Schloss-Baubureaus  vorgeschlagenen,  aber  auch 
als  unzureichend  für  das  gesteckte  Ziel  der  längsten 
Erhaltung  bezeichneten  Maassregeln  hinaus.  Die  von 
der  grossherz.  Regierung  ehrlich  unternommene  Aus- 
führung der  1891  er  Beschlüsse,  zu  denen  sich  die 
Gegner  bekennen,  führte  durch  den  Zwang  der  That- 
sachen  zum  Ausbau  des  Friedrichsbaues.  Sie  führten 
aber  auch  dazu,  die  Ruinen  ihres  malerischen  Reizes, 
soweit  er  nicht  in  der  schönen  Architektur  besteht, 
zu  entkleiden,  sie  in  ein  Scheinbild  künstlichen  Alters 
zu  verwandeln.  Zu  dem  Rüstzeug  der  Gegner  gehört 
auch  die  Behauptung,  der  bauleitende  Architekt 
Schäfer  habe  am  Friedrichsbau  zuviel  gethan,  wo 
und  wie  dies  geschehen  ist,  hat  keiner  clargelegt. 

Die  Freunde  der  Wiederherstellung  wollen  einen 
radikalen  Neuersatz  aller  beschädigten  Theile,  und 
sie  wollen  den  gesundeten  Mauern  denjenigen  Schutz 
schaffen,  den  die  Baukunst  für  ein  Gebäude  normaler 
Weise  kennt.  Den  technischen  Schutz  — die  Dächer 
und  den  konstruktiven  inneren  Ausbau  — wollen  sie 
in  derselben  Art,  wie  das  anfänglich  geschehen  war, 
formen.  Den  Nachweis,  dass  dieses  Verfahren  die 
noch  gesunde  Substanz  der  Bauwerke  am  längsten 
erhält,  glaubt  der  Verfasser  erbracht  zu  haben.  Die 
Befürchtung,  dass  die  erneuerten  Bauwerke  inmitten 
der  Ruinen  schlecht  aussähen,  ist  hinfällig,  weil  die 
Regierung  geneigt  ist,  eventuell  das  ganze  Schloss 
aufzubauen. 

Um  ein  künstlerisch  empfindendes  Auge  zu  be- 
friedigen, giebt  es  nur  zwei  Wege:  Entweder  man 
lässt  die  Ruine,  wie  Thode  ganz  richtig  sagt, 
auf  kürzere  Zeit  unberührt,  man  thut  dem  Wir- 
ken der  Natur  nirgends  Einhalt,  mit  einem 
Wort,  man  lässt  die  Ruine  allmählich  zer- 
fallen, oder  man  muss  sich  dazu  verstehen, 
das  Schloss  in  alter  Pracht  und  alter  Herr- 
lichkeit wieder  aufzubauen.  — 

Heidelberg,  im  Dezember  1901.  Fr.  Seitz. 


Bebauungsplan  für  ein  grösseres  Gelände  bei  Elberfeld. 

Von  Stadtbauinspektor  Voss,  Elberfeld. 

(Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  29.) 


Büdlich  von  dem  Weichbilde  der  Stadt  Elberfeld  er- 
hebt sich  zwischen  der  Kronenberger  Strasse,  dem 
Ostersiepener  Thal  und  der  Jägerhofstrasse  ein  Ge- 
lände, welches  auf  Verlangen  eines  Theiles  der  Grund- 
eigenthümer  für  die  Bebauung  aufgeschlossen  werden  soll. 
Die  Höhenlage  dieses  Geländes  bewegt  sich  zwischen  den 
Ordinaten  185  und  336  “ über  N.  N.  Die  Fläche  weist  also 
Höhenunterschiede  von  150“  auf.  Das  Gebiet,  welches 
eine  Grösse  von  über  50  ha  besitzt,  zeigt  eine  wellige  Ober- 
fläche, die  ihre  grösste  Höhe  an  der  Jägerhofstrasse  er- 
reicht und  sowohl  nach  der  Kronenberger  Strasse,  als 
auch  nach  dem  Ostersiepener  Thal  hin  stark  abfällt.  — 
Der  von  den  Hauptbetheiligten  der  Grundeigenthümer 

15.  Januar  1902. 


zuerst  zur  Genehmigung  eingereichte  Entwurf  hatte  den 
Mangel,  dass  die  Strassenzüge  von  geraden  Linien  ge- 
bildet wurden,  welche  der  Gelände-Gestaltung  keine  Rech- 
nung trugen.  Ausserdem  fehlte  es  auch  an  charakteristischen 
Strassenzügen,  und  es  war  kein  Werth  gelegt  worden  auf 
die  sachgemässe  Ausgestaltung  der  Längen-Nivellements. 

Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  die  Aufstellung  zweck- 
mässiger Strassenpläne  in  dem  Elberfelder  stark  durch- 
schnittenen Gelände  mit  ausserordentlichenSchwierigkeiten 
verbunden  ist.  Umsomehr  wurde  es  daher  für  erforder- 
lich gehalten,  den  Entwurf  vollständig  neu  zu  bearbeiten, 
wobei  den  vorerwähnten  Gesichtspunkten  in  möglichst 
sorgfältiger  Weise  Rechnung  getragen  wurde. 


27 


Zunächst  sei  erwähnt,  dass  die  Jägerhofstrasse  bereits 
ausgebaut  ist  und  dass  die  Anlagen,  die  die  Bezeichnung 
„Friedenshain“  führen,  bereits  vorhanden  sind.  Auch  der 
Spielplatz  der  Ober-Realschule  war  schon  vor  der  Auf- 
stellung dieses  Strassennetzes  angelegt. 

Das  neu  aufgestellte  Sirassennetz  enthält  nun  eine 
Hauptstrasse,  welche  vom  Punkte  C des  Lageplans  (Ab- 
bildg.  2)  bis  zum  Punkte  A,  dem  Sandplatz,  sich  erstreckt. 
Die  Strasse  erhält  Fluchtlinien  im  Abstande  von  15  m und 
besondere,  um  6,5  m hinter  den  Strassenfluchtlinien  zurück- 
liegende Baufluchtlinien  zur  Herstellung  von  Vorgärten, 
so  dass  zwischen  den  Gebäuden  also  eine  Breite  von  28  ^ 
vorhanden  ist.  Die  Einschränkung  der  eigentlichenStrassen- 
breite  auf  15  m empfiehlt  sich  aus  Rücksicht  auf  die  Ge- 
ländegestaltung. Vom  Punkte  C aus  erhält  die  Strasse  zu- 
nächst ein  Gefälle  von  1:36,  welches  allmählich  in  ein 
solches  von  rd.  i : 17  übergeführt  wird.  Die  Strasse  um- 
fährt mit  immer  flacher  werdendem  Gefälle  bis  i : 150  die 
Mulde  des  Ostersiepener  Thaies  und  steigt  darauf  in  dem- 
selben Verhältniss  an  der  anderen  Seite  des  Thaies  in  die 
Höhe;  sie  durchbricht  einen  kleinen  Rücken  in  einem  Ein- 
schnitt und  fällt  dann  i : 18  bis  zum  Sandplatz.  Die  Führung 
ist  so  gewählt,  dass  die  Erdarbeiten  möglichst  gering  sind. 

Ausser  dieser  Hauptstrasse  sind  noch  zwei  Haupt- 
Verkehrsstrassen  vorgesehen,  und  zwar  die  Strassen  F-E 
und  G-D.  Beide  Strassen  erhalten  eine  Breite  von  je  13  m 
und  beiderseitige  5 m breite  Vorgärten.  Für  diese  Strassen 
sind  über  die  Jägerhofstrasse  einerseits  und  die  Kronen- 
berger Strasse  andererseits  hinaus  bereits  Fortsetzungen 
vorgesehen,  welche  das  in  Rede  stehende  Strassennetz 
mit  anderen  zukünftigen  Bebauungs-Schwerpunkten  in 
Verbindung  bringen. 

Von  diesen  Strassen  steigt  die  mit  D-G  bczeichnete 
zunächst  schwach,  dann  allmählich  steiler  an;  sie  über- 
schreitet dann  den  Höhenrücken  in  einem  sanften  Bogen 
und  fällt  schliesslich  mit  einem  Gefälle  von  rd.  i : 17  bis 
zur  Kronenberger  Strasse.  Die  Führung  dieser  Strasse 
ist  so  gewählt,  dass  letztere  im  Grundriss  einen  Bogen 
bildet,  durch  welchen  die  Wölbungen  im  Höhenplan  dem 
Auge  möglichst  verdeckt  werden.  Dieselbe  Regel  ist  auch 
bei  den  übrigen  Strassen  nach  Möglichkeit  beachtet  worden. 

Die  Strasse  E F senkt  sich  ständig  mit  wechselndem 
Gefälle  bis  zur  Kronenberger  Strasse. 

Besonders  zu  erwähnen  ist  noch  die  im  Ostersiepener 
Thal  vorgesehene  Strasse,  welche  mit  einer  Steigung  von 
1 : 12,  d.  h.  der  steilsten  in  dem  Strassennetz  vorkoraraen- 
den  Steigung,  die  Kronenberger  Strasse  mit  der  zuerst 


erwähnten  Hauptstrasse  verbindet.  Diese  Strasse  erhält 
eine  Breite  von  15  und  3111  breite  Vorgärten. 

Die  übrigen  Strassen  sind  Auftheilungs-Strassen,  bei 
denen  aber  auch  nach  Möglichkeit  darauf  Rücksicht  ge- 
nommen worden  ist,  dass  sich  durchgehende  Verbindungen 
ergeben.  Für  sie  sind  Breiten  von  12  und  10  vorge- 
sehen und  beiderseitige  Vorgärten  von  je  5 m. 

Südlich  vom  mittleren  Theile  der  Hauptstrasse  soll 
eine  dreieckige  Schmuckanlage  von  ii  000  q®  Flächeninhalt 
angelegt  werden,  für  welche  die  Hauptbetheiligten  in  an- 
erkennenswerther  Weise  bereis  die  erforderliche  Fläche 
zur  Verfügung  gestellt  haben.  Die  hier  inbetracht  kom- 
mende Fläche  zeigt  Höhenunterschiede  bis  zu  22 

Ungefähr  im  gleichen  Abstande  dieser  Anlage  von 
der  bereits  vorhandenen  Anlage  „Friedenshain“  ist  auf 
der  anderen  Seite  des  Ostersiepener  Thaies  in  der  Nähe 
des  Sandplatzes  eine  weitere  Anlage  in  Aussicht  genom- 
men worden. 

Da,  wo  die  Hauptstrasse  die  Ostersiepener  Thalmulde 
umfährt,  verbietet  der  grosse  Unterschied  in  der  Höhen- 
lage zwischen  dieser  Strasse  und  der  Jägerhof-Strasse  die 
Herstellung  von  Verbindungs-Strassen.  Damit  aber  doch 
Fussgängern  Gelegenheit  gegeben  wird,  ohne  zu  grosse 
Umwege  von  der  einen  Strasse  zur  anderen  kommen  zu 
können,  so  sind  Geländestreifen  der  Bebauung  vorent- 
halten worden,  welche  geschlängelte  Fusswege  mit  einge- 
legten Stufen  erhalten  sollen.  Die  neben  diesen  Wegen 
liegenden  freien  Flächen  können  bepflanzt  werden.  Zur 
freundlichen  Ausbildung  der  Strassenzüge  soll  ferner  noch 
durch  Herstellung  von  Baumreihen  an  geeigneten  Strassen 
beigetragen  werden. 

Ueber  die  Art  der  Bebauung  sind  besondere  Vor- 
schriften bisher  noch  nicht  erlassen  worden.  Es  ist  unter 
den  Betheiligten  Neigung  vorhanden,  durchweg  die  land- 
hausmässige  Bebauung  zur  Ausführung  zu  bringen,  und 
zwar  wird  beabsichtigt,  Einfamilienhäuser  in  einer  solchen 
Ausstattung  herzustellen,  dass  es  auch  dem  Minderbe 
güterten  ermöglicht  ist,  ein  solches  Einzelhaus  zu  einem 
massigen  Preise  zu  miethen,  oder  auch  zu  einem  nicht  zu 
hohen  Kaufpreise  zu  erwerben. 

Im  Hinblick  auf  die  Schwierigkeit,  welche  das  Ent- 
werfen eines  zweckentsprechenden  Strassennetzes  in  dem 
Elberfelder  Gelände  verursacht,  ist  auch  der  bewährte 
Rath  des  Geh.  Brths.  Stübben  in  Köln  eingeholt  worden, 
welcher  dem  vom  Elberfelder  Stadtbauamte  ausgearbeite- 
ten Plane  zustimmte  und  einige  Anregungen  gab,  die  bei  der 
weiteren  Bearbeitung  Beachtung  gefunden  haben.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Berichtigung. 
Das  Manuskript  des  Berichtes  über  die  Versammlung  vom 
4.  Okt.  1901  enthielt  einige  Angaben,  die  der  Berichtigung 
bedürfen.  Nicht  Hr.  Wolff,  sondern  Hr.  Bauinsp.  Wulff 
hielt  den  Vortrag  über  das  Bergedorfer  Schloss. 

Ferner  ist  die  am  Schlüsse  des  Berichtes  erwähnte 
Wiederherstellung  des  Landherren-Zimmers  nicht  nach 
Zeichnungen  des  Malers  Schwindrazheim  erfolgt;  vielmehr 
sind  die  Entwürfe  des  Zimmers  und  seiner  Ausstattung 
sämmtlich  aus  dem  Büreau  des  Hrn.  Vortragenden  her- 
vorgegangen, während  Hr.  Schwindrazheim  nur  die  Zeich- 
nungen zu  den  Intarsien  des  Mobiliars  und  der  Täfelungen 
geliefert  hat.  — 

Vers,  am  i.  Nov.  1901.  Vors.  Hr.  Zimmermann, 
anw.  96  Pers.  Aufg.  als  Mitgl.  Bmstr.  Wilh.  Hecker,  Ing. 
Jesso  Ohrt. 

Nach  Erledigung  innerer  Vereins-Angelegenheiten  er- 
stattet Hr.  H.  Olshausen  Bericht  über  die  diesjährige 
Abgeordneten-Versammlung  des  Verbandes  in  Königsberg. 
Redner,  welcher  zum  ersten  Male  als  Abgeordneter  der 
Versammlung  beiwohnte,  hat  die  günstigsten  Eindrücke 
empfangen  über  die  Art,  wie  dort  in  sachlicher,  würdiger 
Form  die  Interessen  unseres  Faches  vertreten  wurden. 
Auch  über  die  liebenswürdige  Aufnahme  durch  die  ost- 
preussischen  Kollegen  äussert  derselbe  sich  mit  warmer 
Anerkennung. 

Es  folgt  eine  Reihe  von  Mittheilungen  über  Eindrücke 
beim  Besuche  der  „Ausstellung  der  Künstlerkolonie 
in  Darmstadt“.  Hr.  Groothoff,  erläutert  zunächst  die 
praktische  Unterlage  des  Unternehmens.  Der  junge  Gross- 
herzog Ernst  Ludwig  von  Hessen,  erfüllt  von  dem  Wunsche, 
das  Kunstgewerbe  in  seinem  Lande  zu  heben,  zog  sieben 
junge  Künstler,  die  Maler  Behrens,  Bürck,  Christiansen, 
den  Architekten  Olbrich,  die  Bildhauer  Habich  und  Bosselt 
und  den  Kunstgewerbler  Huber  heran,  stellte  bedeutende 
Mittel  zur  Verfügung  und  gründete'^die  Künstlerkolonie 
auf  der  schön  gelegenen  MathitdenhÖhe  bei  Darrastadt. 
Er  selbst  Hess  aus  eigenen  Mitteln  das  Ernst-Ludwighaus 


mit  7 Ateliers  für  die  7 Künstler  erbauen,  stellte  die 
letzteren  in  den  Dienst  des  hessischen  Kunstgewerbes, 
ohne  ihre  weitere  Thätigkeit  nach  aussen  zu  beschränken, 
und  verhalf  vieren  dieser  Künstler  zu  einem  eigenen  Haus- 
bau; die  drei  anderen  erhielten  Wohnungen  im  Ernst- 
Ludwighaus.  Ausser  diesen  Künstlerwohnungen  sind  vier 
weitere  Villen  auf  dem  Gelände  erbaut,  und  diese  8 Wohn- 
häuser mit  ihrer  vollständigen,  bis  ins  Kleinste  von  den 
Künstlern  selbst  geschaffenen  inneren  Einrichtung  bilden 
den  I-Iauptgegenstand  der  Ausstellung. 

Redner  giebt  sodann  eine  eingehende  Schilderung  der 
Häuser  mit  ihrer  überraschend  reichen,  eigenartigen,  aber 
theilweise  auch  absonderlichen  und  übertriebenen  Aus- 
stattung. Er  fasst  sein  Urtheil  über  die  vielumstrittenen 
Leistungen  als  ein  günstiges  zusammen.  Er  habe  viel 
Anregung  empfangen,  er  sei  nicht  blind  gegen  die  zutage 
getretenen  Auswüchse,  aber  ebensowenig  blind  gegen  das 
ehrliche  Streben  und  die  geradezu  aufopfernde  Thätigkeit, 
mit  welcher  die  Sieben  für  ihre  Ideen  und  ihre  Aus- 
stellung gearbeitet  haben. 

Hr.  Löwengard  bezeichnet  es  als  einen  Fehler,  dass 
die  Darmstädter  durch  die  Reklame  so  lange  vorher  die 
Erwartungen  auf  das  Höchste  gespannt  hätten;  dadurch 
sei  vielfach  Enttäuschung  entstanden.  Er  habe  zwar  auch 
manche  Anregung  gefunden;  allein  dass  mit  dieser  Aus- 
stellung eine  neue  Aera  der  Kunst  anbrechen  würde, 
konnte  wohl  niemand  erwarten,  ebensowenig,  dass  die- 
selbe uns  die  „Moderne“  erst  zeigen  sollte.  Denn  die 
Kunstformen  seien  nichts  anderes,  als  die  sonstige  „Mo- 
derne“, die  man  überall  hat  entstehen  sehen,  und  die  nicht 
plötzHch  aus  dem  Boden  springt,  sondern  wie  alle  neue 
Kunst  sich  allmählich  entwickelt. 

Redner  geht  auf  die  Betrachtung  mancher  Einzelheiten 
ein  und  erörtert  namentlich  die  architektonischen  Leistun- 
gen Olbrich’s,  die  insofern  dem  Ganzen  ihr  Gepräge  ver- 
liehen haben,  als  von  ihm  ausser  sämmtlichen  übrigen 
Ausstellungsbauten  sieben  der  acht  Wohnhäuser  herrühren. 
Letztere  haben  dadurch,  besonders  im  Grundrisse,  etwas 
Einförmiges  erhalten;  im  Inneren  sei  die  Ausstattung  über- 
all viel  zu  reich  und  stehe  nicht  im  Verhältniss  zur  Grösse 

No.  5. 


28 


der  Räume  und  zur  Lebensführung  der  Insassen.  In  dieser 
Hinsicht  seien  die  Dachkammern  das  beste,  deren  Ein- 
richtung allein  in  einem  bürgerlichen  Hause  denkbar  sei. 

Zum  Schlüsse  betont  Redner,  dass  die  sieben  Künstler 
meist  talentvoll  seien,  dass  ihre  Behauptung,  von  der  alten 
Kunst  nichts  gelernt  zu  haben,  aber  nicht  zutreffe  — so 
wenig  wie  bei  den  übrigen  Modernen.  Von  dem  erst 


Kunst",  wie  die  Künstler  ihre  Schöpfung  in  stolzem  Kraft- 
gefühl bezeichnet  haben,  von  der  humoristischen  Seite, 
wozu  die  vielfachen  Absonderlichkeiten  sowohl  in  den 
architektonischen  Leistungen,  als  in  der  Ausschmückung 
der  Räume,  der  Gestaltung  der  Möbel  usw.  ein  dankbares 
Feld  bieten.  Zum  Schlüsse  giebt  Redner  Mittheilungen 
aus  einer  von  den  Künstlern  selbst  verfassten  Parodie  auf 


23jährigen  Bildhauer  Habich  dürfe  man  noch  Grosses  er- 
warten; er  habe  kein  geringeres  Vorbild  als  Michel  Angelo, 
den  er  eifrig  studirt  habe,  seine  grossen  Figuren  am  Ernst- 
Ludwighause  seien  vortrefflich. 

Als  dritter  behandelt  Hr.Faulwass  er  nach  Erläuterung 
seines  vortrefflichen,  in  grossem  Maasstabe  dargestellten 
Grundplanes  der  Gesammtanlage  das  „Dokument  deutscher 

15.  Januar  1902. 


ihre  eigene  Schöpfung,  welche  darin  als  „Ueberdokument 
deutscher  Kunst"  mit  einem  „Ueberhauptkataloge"  be- 
zeichnet wird. 

Der  letzte  Redner,  Hr,  Grell,  bedauert,  im  Interesse 
einer  Besprechung  den  Vorrednern  keine  Opposition 
machen  zu  können,  da  er  die  gleichen  Eindrücke  erhalten 
habe.  Er  betont  auch  die  Uebertreibung  und  Ueberladung 


29 


der  inneren  Ausstattung;  man  müsse  unterscheiden  i:  wischen 
dem  Schönen  fürs  Auge  und  dem  Schönen  für  den  täg- 
lichen Bedarf.  Ein  Haus  mit  lauter  in  höchster  Raffinirtheit 
eingerichteten  Zimmern  sei  nicht  gut  zu  bewohnen,  denn 
es  setze  voraus,  dass  alle  übrigen  Lebensgenüsse  ebenso 
raffinirt  seien.  Es  sei  aber  dem  Menschen  nicht  möglich, 
fortwährend  Kaviar  zu  essen,  süsse  Musik  zu  hören  und 
feinsten  Duft  zu  athmen.  Redner  geht  noch  des  Weiteren 
auf  einzelne  charakteristische  Besonderheiten  ein  und 
schliesst  mit  der  Bemerkung,  dass  man  beim  Verlassen 
der  Ausstellung  trotz  aller  Fehler  das  Bewusstsein  hatte, 
dass  dieselbe  nicht  von  Stümpern,  sondern  von  wirklichen 
Künstlern  geschaffen  sei. 

In  seinem  Ausdruck  des  Dankes  an  die  Redner  hebt 
der  Vorsitzende  hervor,  wie  dieselben  in  schätzenswerther 
Weise  gegenüber  dem  vielfach  phrasenhaften  Gerede  der 
Kunstkritiker  den  interessanten  Gegenstand  im  Sinne  ernster 
erfahrener  Sachverständiger  beleuchtet  haben.  — jyjo 

Arch.-  u.  Ing.-Vereln  zu  Magdeburg.  Sitzung  am  27.  Nov. 
1901.  Vors.  Hr.  Reg.-  u.  Brth.  Mackenthun.  Es  hält  Hr. 
Brth.  Claussen  einen  Vortrag  über  die  Hotopp’schen 
Schleusen  des  Elbe-Travekanals.  Er  giebt  zunächst 
ein  allgemeines  Bild  über  Geschichte,  Länge,  Verkehr 
und  Kosten  des  im  Jahre  1900  eröffneten  Kanals,  bespricht 
dabei  das  Gebiet,  welches  derselbe  durchläuft,  und  den 
Stecknitzkanal,  in  welchen  derselbe  mündet,  und  beschreibt 
die  Zweckbestimmung  des  letzteren,  der  bereits  im  Jahre 
1336  gebaut  ist,  aber  wegen  seines  geringen  Querschnittes 
kaum  mehr  als  den  Namen  eines  Grabens  verdiente.  Er 
geht  über  zur  Erklärung  der  epochemachenden  Erfindung 
der  Hotopp’schen  Schleuse  und  erläutert  durch  Tafel- 
skizzen und  Zeichnungen  die  Schleuse,  deren  Kammern, 
die  Wirkung  des  Wassereinlasses,  die  Anwendung  eines 
als  Saugheber  wirkenden  Röhrensystems  und  den  als  Saug- 
glocke wirkenden  eingemauerten  Kessel.  Die  grossen 
Vortheile,  die  diese  Sdileusenanlage  anderen  gegenüber 
hat,  liegen  nach  den  Ausführungen  des  Redners  in  der  tadel- 
losen Funktion  der  einzelnen  Apparate,  der  schnellen  Füllung 
und  Leerung  der  Kammern,  in  dem  vollkommen  ruhigen 
Heben  und  Senken  der  Schiffe  in  der  Kammer  und  schliess- 
lich in  der  ausserordentlich  einfachen  Bedienung,  die  durch 
eine  einzige  Person  vom  Wärterhause  aus  bewirkt  wird. 
Nachdem  noch  Angaben  über  die  Grössenverhältnisse  der 
Gesammtanlage,  Anzahl  der  Schleusen,  Baukosten  und 
Rentabilität  gegeben,  sowie  Vergleiche  mit  anderen  An- 
lagen gezogen  waren,  sprach  der  Vortragende  den  Wunsch 
aus,  dass  diese  Schleusen-Erfindung  bei  der  Entwurfs-Bear- 
beitung des  zukünftigen  Mittellandkanals  Würdigung  finden 
möge.  Auf  die  Veröffentlichung  der  patentirten  Hotopp’- 
schen Erfindung  in  der  „Zeitschrift  des  Vereins  deutscher 
Ingenieure“  wies  der  Redner  besonders  hin.  Eine  allge- 
meine Besprechung  und  lebhafter  Dank  der  Versammlung 
schlossen  sich  dem  Vortrage  an. 

Hr.  Branddir.  Stolz  besprach  seine  im  verflossenen 
Sommer  gefertigten  und  im  Saale  aufgehängten  Nafurauf-, 
nahmen  in  Oel-  und  Aquarell-Ausführungen  aus'  Danzig. 
Stimmungsvolle  Architekturbilder,  Landschaften,  Staffagen 
usw.  in  meisterhafter  Durchführung  erfreuten  die  An- 
wesenden und  brachten  dem  Meister  Dank  und.  Aner-, 
kennung.  — Xh. 

Münchener  Arch.-  u.  Ing.-Verein.  lieber  die  „Glas- 
mosaiken von  Ravenna“  sprach  in  der  Wochenver- 
sammlung vom  5.  Dez.  1901  Hr.  Arch.  und  Kunstmaler  Th. 
Rauecker.  Nach  einer  geschichtlichen  Einleitung  über 
die  musivische  Kunst  überhaupt  erläuterte  der  Vortragende 
an  Fland  zahlreicher  Lichtbilder  und  Aquarelle  die  ravenna- 
tische Mosaikkunst.  Besonderes  Interesse. bot  seine  Schilde- 
rung der  Mosaiken  des  Mausoleums  der  Galla  Placidia,  der 
um  das  Jahr  425  n.  Chr.  erbauten  angeblichen  Grabstätte 
jener  Regentin,  des  Battisterio  San  Giovanni  in  fonte,  der 
bekannten  Friese  der  Basilika  Sant  Apollinare  nuovo,  so- 
wie des  berühmten  Chores  von  San  Vitale,  alles  Werke 
aus  dem  5.  und  6.  Jahrhundert,  welche  mit  wahrschein- 
licher Zuziehung  griechischer  Mosailckünstler  entstanden 
sind.  Die  dargestellten  Lichtbilder  gaben  leider  nur  die 
zeichnerisch  hochinteressanten  Kompositionen,  nicht  aber 
die  hauptsächlich  den  hohen  Kunstwerth  begründenden 
Farben  wieder.  Das  Kolorit  all’  dieser  Flächendekorationen 
ist  ein  stimmungsvolles  und  in  der  Gesammtwirkung  vor- 
treffliches, dass  der  Beschauer  darüber  ganz  die  Mangel- 
haftigkeit der  zeichnerischen  Darstellung  vergisst.  Die 
Technik  der  damaligen  Künstler,  welche  die  Ausschmückung 
eines  solchen  Raumes  als  Lebenswerk  betrachten  mussten, 
war  gegen  die  heutige  eine  ungleich  einfache,  da  die  Farb- 
steinchen,  vorgezeichneten  Konturen  entsprechend,  in  den 
frischen  Kalkmörtel  eingedrückt  wurden.  Dass  Porträt- 
Aehnlichkeit  dabei  nur  selten  erreicht  wurde,  ist  natürlich. 
— In  der  anschliessenden  Besprechung  des  Vortrages, 


an  der  sich  sehr  lebhaft  die  Firn.  Prof.  v.  Schmidt  und  Prof. 
Ho  che  der,  sowie  Hr.  Solerti  betheiligten,  trat  besonders 
das  Verlangen  hervor,  dass  zu  der  oben  geschilderten 
Technik  im  Interesse  einer  originelleren  Zeichnung  zurück- 
gekehrt werden  möge. 

Nach  den  fachmännischen  Ausführungen  des  Hrn. 
Solerti  scheitere  dies  jedoch  hauptsächlich  daran,  dass 
einerseits  die  Zeit  zur  Durchführung  zeitraubender  Arbei- 
ten fehlt,  andererseits  heute  die  Mosaikkunst  nicht  mehr 
als  Flächendekoration  für  Innenräume,  sondern  vielmehr 
als  Ersatz  für  die  in  unserem  Klima  unbeständige  Fresko- 
malerei zur  Ausschmückung  der  Fassaden  Anwendung  finde. 

Zum  Schlüsse  erklärte  sich  Hr.  Solerti  bereit,  in  einem 
Vortrag  auf  das  vorher  Gesagte  näher  einzugehen.  — 

Hr.  Ob.-Brth.  Stemp  el  eröffnete  die  Versammlung  am 
12.  Dez.  190  t unter  Hinweis  auf  die  beherzigenswerthen 
Zeilen,  welche  Dr.  Gg.  Hirth  .in  der  „Jugend“  Th.  Fischer 
ganz  besonders,  aber  der  Architektenschaft  im  Allgemeinen 
widmete.  Wir  veröffentlichen  die  Ausführungen  auszugs- 
weise an  anderer  Stelle. 

Der  hierauf  folgende  Vortrag  des  Hrn.  Ing.  M.  Finkei- 
stein über  Eisenbetonbau  System  Hennebique 
brachte  so  viel  Neues  über  das  in  Frankreich,  England, 
Italien  und  in  letzter  Zeit  auch  in  Mitteldeutschland  ver- 
breitete Bausystem,  dass  der  Abend  zu  den  interessantesten 
der  letzten  Zeit  gezählt  werden  darf. 

An  Hand  einer  grossen  Zahl  von  Lichtbildern  ausge- 
führter und  in  Ausführung  begriffener  Bauten  und  Kon- 
struktionszeichnungen gab  Vortragender  in  freier  Rede 
ein  Bild  von  der  unbeschränkten  Anwendbarkeit  des 
Systems  auf  alle  Arten  von  Hoch-  und  Tiefbauten,  wie 
Fabrikbauten,  Waaren-  und  Geschäftshäuser,  Banken,  Ge- 
treidespeicher, dann  Böschungsmauern,  Piloten,  Wasser- 
leitungen, Hochreservoire  usw.  Eine  sehr  ausgedehnte 
Anwendung  fand  das  System  bei  den  Bauten  der  Pariser 
Weltausstellung  (etwa  3000000  M.),  woselbst  besonders 
die  rasche,  ungehinderte  Herstellung  grosse  Vortheile  bot. 

Die  anschliessende  Besprechung,  an  der  sich  die  Hrn. 
Ing.  Strecker  und  Arch.  Könyves  betheiligten,  brachte 
noch  recht  interessante  Erläuterungen. 

Hr.  Stempel  sprach  zum  Schluss  dem  Vortragenden 
den  Dank  des  Vereins  aus  mit  dem  Wunsche,  dass  sich 
das  System,  welches  eigentlich  der  Praxis  entsprungen, 
durch  Theorie  unterstützt,  sich  immer  weiter  ausbildete, 
auch  in  München  ausgedehnte  Anwendung  finden  möge.  — 

Frankfurter  Arch.-  und  Ing.-Verein.  Der  Vorstand  für 
das  Vereinsjahr  1901/2  ist  wie  folgt  zusammengesetzt: 
Vors.  Arch.  L.  Neher,  Stellv.  Arch.  Frz.  von  Floven, 
Schriftf.  Reg.-Bmstr.  R.  Schmick,  Säckelmeister  Arch. 
Ferd.  Abs,  Bibliothekar  Arch.  With.  Müller,  Vorträge 
und  Referate  Arch.  A.  Lüthi,  Ing.  Otto  Luck,  Festordner 
Arch.  E;  Lemme,  Arch.  Th.  Martin.  — 


Vermischtes. 

Aus  einer  ungehaltenen  Rede  von  Georg  Hirth  in 
München.  „Noch  niemals  hat  es  eine  Zeit  gegeben,  in  wel- 
cher das  geistige  und  namentlich  das  künstlerische  Eigen- 
thum so  persönhch  und  individuell  verherrlicht  worden 
wäre,  wie  heute.  Jeder  Zeitungsreporter  darf  seinenUeber- 
nachtoffenbarungen  die  Zügelseines  unsterblichen  Namens 
hinzufügen,  und  wenn  ein  junges  Volk  tanzt,  oder  ältere 
Flerren  und  Damen  mit  Musik  soupiren,  dann  kündet  uns 
das  „Programm“  sorglich  die  weltberühmten  Namen  Strauss, 
Waldteufel  oder  — Waldmann.  Ueberall,  wohin  wir 
blicken,  selbst  an  den  kleinsten  und  unscheinbarsten  Er-, 
Zeugnissen  des  Kunstgewerbes  finden  wir  die  Spuren 
des  gravitätisch  einherschreitenden  Urheberrechts.  Nur 
an  den  Kirchen,  Palästen,  Museen,  Rathhäusern,  Kasernen, 
Theatern,  Schulhäusern,  Villen,  Brücken,  Brunnen  usw. 
finden  wir  davon  nichts.  Warum?  Nicht  etwa,  weil  es 
diesen  allerstärksten  Dokumenten  des  öffentlichen  Geistes 
an  Kunst  gebricht,  sondern  weil  es  seit  uralten  Zeiten 
so  Sitte  ist  und  weil  unsere  heutigen  Künstler-Baumeister 
nicht  das  erforderliche  Selbstbewusstsein  entfalten,  um 
sich  das  beizulegen,  was  sonst  jeder  Schlossergeselle  thun 
darf,  nämlich  sein  Werk  zu  signieren.  Ich  betrachte  das 
als  einen  grossen  Fehler.  Es  handelt  sich  um  die  moderne 
Hochburg  geistiger  Arbeit  und  Freiheit.  Man  berufe  sich 
nicht  auf  die  Urkunde  im  Grundstein,  die  erst  wieder  zu 
Tage  kommt,  wenn  der  Bau  zerstört  wird;  sie  könnte 
uns  Lebenden  nur  nützen,  wenn  wir  mit  Röntgenbiicken 
bewaffnet  wären.  Was  würden  unsere  „Kunstmaler“ 
dazu  sagen,  wenn  sie  ihre  Namen  in  einem  verschlossenen 
Kouvert  auf  der  Rückseite  ihrer  Bilder  anheften  müssten? 
Wie  viel  mehr  würden  unsere  Architekten  als  Künstler 
nicht  nur  dem  grossen  Pirblikum,  sondern  namentlich 
auch  ihren  Auftraggebern,  den  Fürsten,  den  Magistraten 

No.  5. 


30 


und  privaten  Bauherren  iraponiren,  wenn  sie  ihr  Urheber- 
recht breit  und  stark  und  weithin  sichtbar,  wenn  auch 
künstlerisch-geschmackvoll  an  der  Hauptfassade  — nicht 
etwa  in  einem  verlorenen  Winkel  des  Treppenhauses!  — 
hervorheben  wollten.  Wie  viel  alt-  und  neudeutscher 
Humor  Hesse  sich  dabei  entfalten!  Und  welches  Leben 
würde  die  Baugeschichte  unserer  Städte  gewinnen,  wie 
viel  mehr  würde  man  sich  infolge  der  Betonung  des 
persönlich-künstlerischen  Momentes  auch  für  das  Unter- 
scheidende, das  Spezifische  und  Individuelle  in  der  Bau- 
kunst interessiren.  Darum  rufe  ich  den  verehrten  Künstlern 
von  der  Bauhütte  zu:  Wer  ein  Haus  baut  an  der  Strassen, 
muss  die  Leute  reden  lassen,  — denn  das  ist  ihr  gutes 
Recht;  aber  verfallet  nicht  in  die  ärmliche  Bescheidenheit 
unserer  alten  deutschen  Meister,  die  an  Kirchen  und  auf 
herrlichen  Altarbildern  wohl  die  Namen  und  Gesichter 
der  Stifter  anbrachten,  aber  von  ihrer  eigenen,  tausend- 
mal interessanteren  Person  uns  keine  Kunde  gaben! 
Indem  Ihr  Euer  k;ünstlerisches  Urheberrecht  an  Euren 
Werken  öffentlich  zum  Ausdruck  bringet,  wahret  Ihr 
Eure  höchsten  Güter!  Dann  wird  man  auch  sehen,  wess 
Geistes  Kinder  Ihr  seid,  und  ein  Jeder  wird  sich  die 
grösste  Mühe  geben , dem  deutschen  Namen  Ehre  zu 
machen.  Bauet  immerhin  gut  deutsch,  von  Innen  nach 
.A-ussen,  versenket  meinetwegen  die  Geschichte  Eurer 
Sorgen  in  den  Grundstein  zur  Erbauung  späterer  Archäo- 
logen, aber  vergesset  draussen  nicht  Euer  gutes  Recht, 
das  Zeichen  des  Stolzes  der  ganzen  Bauhütte!"  — 

(Jugend.) 

Unrathfänger  mit  Geruchverschluss  D.  R.  G.  M.  No.  157989 
von  C.  F.  Weithas  Nachf.  in  Leipzig-Lindenau.  Der  in 
beistehender  Abbildung  zur  Darstellung  gebrachte  Un- 
rathfänger mit  Geruchverschluss  für  Strassen-  und  Plof- 

Sinkkasten,  der  von 
oben  genannterFir- 
ma  seit  einiger  Zeit 
in  den  Handel  ge- 
bracht wird,  ver- 
meidet in  seiner 
Konstruktion  dieje- 
nigen Uebelstände, 
welche  die  bisher 
üblichen  . Wasser- 
Verschlüsse,  Sy- 
phons,  Bogenrohre, 
mehr  oder  weni- 
ger zeigen,  nämlich 
leichte  Verstopf  bar- 
keit  durch  Ver- 
unreinigungen und 
Frost , erschwerte 
Reinhaltung  usw.  Der  Unrathfänger 
besteht  aus  einem  oben  offenen,  mit 
Füssen  versehenen  Hohlzylinder  mit 
rostartigem  Boden,  dessen  Wandung 
- , . äuf'2/3  des  Umfanges  ebenfalls  durch- 

upundnss.  bohrt  ist.  Der  nicht  durchlochte 
Manteltheil  bildet  zusammen  mit  dem  umgelegten  Rande  und 
den  senkrechten  Rippen,  welche  Theile  dicht  in  den  Sink- 
schacht passen,  sowie  mit  dem  Wasser  den  Geruch  Verschluss 
der  Abflussleitung  bei  a.  Da  sich  alle  Sinkstoffe  aber  in 
dem  leicht  herausnehmbaren  Zylinder  sammeln,  so  ist  eine 
Verstopfung  ausgeschlossen,  eine  Reinigung  sehr  einfach. 
Der  Verschluss,  von  dem  einige  Hundert  schon  länger  im 
Gebrauch  stehen,  besitzt  also  praktische  Vorzüge,  die  ihm 
eine  Anwendung  in  weiterem  Umfange  versprechen.  — 


Ansiclit 


In  der  Stellung  des  Provinzialkonservators  der  Kunst- 
denkmäler der  Provinz  Brandenburg  ist  ein  bedeutungs- 
voller Wechsel  eingetreten.  Der  bisherige  Konservator, 
Hr.  Geh.  Brth.  Bluth,  hochverdient  um  die  Denkmalpflege 
in  der  Provinz  Brandenburg,  ist  kürzlich  gestorben  und  an 
seiner  Stelle  Hr.  kgl.  Landbauinsp.  Georg  Büt  tn  er  in  Steglitz 
zum  Provinzial-Konservator  ernannt  worden.  Büttner,  der 
im  Jahre  1858  in  Krofoschin  geboren  w'urde,  war  bei  den 
Wiederherstellungsarbeiten  am  Dome  zu  Erfurt  beschäftigt 
und  hat  auch  ausserdem  reiche  Gelegenheit  gesucht  und 
gefunden,  die  Fürsorge  für  die  werthvolien  alten  Denk- 
mäler zu  pflegen.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  um  Entwürfe  für  eiektr.  Schiffs- 
zug auf  dem  Teltow-Kanal  erlässt  die  Kanal-Bauverwaltung 
mit  Frist  z.  i.  Mai  d.  J.  Es  sind  3 Preise  von  5000,  3000 
und  2000  M.  ausgesetzt,  ausserdem  stehen  2000  M.  zum 
etwaigen  Ankauf  weiterer  Entwürfe  zur  Verfügung.  Preis- 
richter sind  die  Hrn.  Ob.-Baudir,  v.  Doemming,  Geh.  Brth. 
Germelmann,  kgl.  Brth.  Havestadt,  General-Sekr.  d. 

15.  Januar  1902. 


Verb-  deutsch.  Elektrotechniker  Kapp,  Geh.  Ob. -Brth. 
Wiehert,  Reg.-  u,  Brth.  Wittfeld,  säramtlich  in  Berlin, 
und  Hr.  Geh.  Brth.  Teubert  in  Potsdam.  Bedingungen 
(ohne  Plananlagen)  kostenlos  von  der  Kanal-Verwaltung, 
Wilmersdorf,  Berlinerstr.  157.  — 

Wettbewerb  Umgestaltung  des  Ausstellungs-Gebäudes 
zu  Berlin.  Zu  Preisrichtern  sind  in  diesem,  auf  die  Mit- 
glieder der  Vereinigung  Berliner  Architekten  beschränkten 
Wettbewerbe  gewählt:  i.  seitens  der  kgl.  Akad.  der  Künste: 
Prof.  Hans  Hermann,  Prof.  Hans  Meyer;  2.  seitens  des 
Vereins  Berliner  Künstler:  Prof.  Max  Koch,  Prof.  E. 
Herter;  3.  seitens  der  Vereinigung:  Brth.  v.  d.  Hude, 
Arch.  R,  Wolffenstein,  Prof.  H.  Solf.  — 

Zweiter  Wettbewerb  Rathhaus  Dresden.  Unserer  bez. 
Nachricht  in  No.  3 können  wir  heute  hinzufügen,  dass  aus- 
schlaggebend für  den  neuen  Wettbewerb  die  Einschrän- 
kung des  Bauplatzes  für  das  neue  Rathhaus  gewesen  ist. 
Die  Ueberbrückung  der  Gewandhaus-Strasse  unterbleibt 
und  der  zwischen  Gewandhaus-  und  Ringstrasse  Hegende 
Theil  des  Bauplatzes  soll  als  freier  Platz  vor  dem  Rath- 
hause liegen  bleiben.  Das  Rathhaus  würde  demnach  in 
seiner  Ausdehnung  verringert  und  damit  auch  die  Bau- 
summe ermässigt  werden.  Gleichwohl  bliebe  die  Aufgabe 
noch  eine  solche  von  höchstem  Interesse.  — 

Im  Wettbewerb  um  den  Entwurf  zu  den  Anlagen  zur 
Ausnutzung  des  Wasserfalles  Halfredsfos  am  Flusse  Glom- 
men bei  Christiania  ist  der  I.  Preis  der  Arbeit  mit  dem 
Kennwort  „Norjes  Fremtid"  des  Hrn.  Prof.  Holz,  Aachen, 
unter  Mitwirkung  der  Hrn.  Reg.-Bfhr.  Escher  u.  Diplom- 
;-Ing.  Köhler  in  Aachen,  sowie  Baugewerkssch. -Lehrer 
Sohlberg  in  Christiania  zugefallen.  Es  handelt  sich  um 
die  Ausnutzung  des  rd.  38  km  von  der  Stadt  entfernten 
Falles,  dem  20000  P.  S.  abgewonnen  werden  sollen.  Die 
Kraftübertragung  nach  Christiania  findet  auf  elektrischem 
Wege  statt.  — 


Chronik. 

Die  Kirche  des  Franziskaner-Klosters  in  Karlowitz  b. 
Breslau  wurde  am  15.  Nov.  dem  Gottesdienste  übergeben.  Der 
Rau  zeigt  eine  dreisebiffige  gewölbte  basil.  Anordnung  ohne  Kreuz- 
sehiff;  das  Mittelschiff  ist  13,5  m breit,  25111  hoch,  das  15  m lange 
Priesterchor  ist  mit  dem  Klostergebäiide  verbunden.  Der  mächtige, 
breite,  etwa  33  m hohe  Giebel  mit  dreitheiligem  Portalvorbau  ist  von 
Treppenthünnchen  flankirt.  Gleich  dem  Klostergebäiide  ist  die 
Kirche  in  Backsteinbau  ausgeführt.  Entwurf  und  Bauleitung  lagen  in 
den  Händen  des  Arch.  L.  Schneider  in  Oppeln.  Die  Entwürfe 
für  die  reiche  Innenausstattung  .sind  von  einem  Klosterbruder  ge- 
fertigt woi'den.  Die  Baukosten  ohne  Inneneinrichtung  belaufen  sich 
auf  rd.  200000  M.  Das  .Schiff  fasst  etwa  2500  Kirchenbesucher.  — 
Eine  Wiederherstellung  des  Schlosses  und  des  Parkes 
von  Versailles  ist  durch  die  französische  Regierung  seit  2 Jahren 
in  Angriff  genommen  und  wird  fortgesetzt.  Zu  diesem  Zwecke 
sind  für  das  nächste  Jahr  260000  Fres.  bewilligt.  Die  Wiederher- 
stellungsarbeiten erstrecken  sich  auf  die  Schiossfassaden,  auf  l'rianon, 
auf  die  Orangerie,  auf  das  Bacchus-Becken,  auf  das  „Parterre  du 
midP',  auf  den  „Garten  des  Königs"  usw.  — 

Die  Franziskaner-Kirche  in  Salzburg,  ein  im  Wesentlichen 
aus  dem  XIII.  Jahrhundert  stammender  Bau  mit  gothischen  Theilen 
und  barocken  Zuthaten,  wurde  nach  einer  Wiederherstellung  durch 
Brth.  J.  W e s s i k e n , eines  Schülers  Schmidt’s,  dem  Gottesdienste 
wieder  übergeben.  — 

Ein  neues  Theater  in  Wien  ist  für  den  Bezirk  Landstrasse 
geplant.  Mit  dem  Bau  des  hinter  dem  Hauptzollamte  zu  errichten- 
den Hauses  soll  bereits  im  kommenden  Frühjahre  begonnen  werden. 

Ein  neues  Gebäude  für  das  Kriegsministerium  in  Wien 
ist  mit  einem  Aufwande  von  15  Mül.  Kr.  am  Stubenring  geplant. 
Als  Baustelle  ist  der  Platz  zwischen  dem  Oesterreichischen  Museum 
für  Kunst  uud  Industrie  und  dem  Donaukanal  in  Aussicht  ge- 
nommen. Der  Entwurf  ist  lin  Kriegsministerium  selbst  ausgearbeitet 
worden.  Der  österr.  Ing.-  und  Arch.-Vereio  hatte  gebeten,  ihn 
zum  Gegenstände  eines  MIgemeinen  Wettbewerbes  zu  machen.  — 
Ein  neues  städtisches  Krankenhaus  in  Karlsruhe  ist  auf 
einem  westlichen  Waldgelände  mit  einem  Aufwande  von  3,5  Mill.  M. 
bei  einem  Belag  von  500  Betten  geplant.  — 

Die  Errichtung  eines  Monumental-Brunnens  auf  dem 
Residenzplatze  in  Passau  aus  Anlass  der  1903  stattfindenden 
Jahrhundertfeier  der  Einverleibung  des  Fürslbisthums  Passau  zur 
Krone  Bayerns  ist  beschlossen  worden.  — 

Eine  neue  evang.  Kirche  in  Bocholt,  nach  dem  Entwurf 
des  Firn.  Arch.  Otter  in  Wesel  mit  einem  Kostenaufwand  von 
rd.  160000  M.  (ohne  Glocken,  Kanzel,  Orgel)  errichtet,  wurde  am 
15.  Nov.  d.  J.  eingeweilit.  — 

Die  Vollendung  der  Fassade  von  Santa  Maria  in  Venedig, 
der  an  der  Riva  dei  Schiavoni  gelegenen  Kirche  mit  den  Meister- 
werken des  Moretto  und  des  Tiepolo,  ist  durch  ein  der  Stadt 
Venedig  zugefallenes  Legat  von  2 Mill.  Lire  gesichert.  Man  denkt 
an  einen  Wettbewerb.  — 

Die  Feuersgefahr  des  Louvre  und  des  Schlosses  in  Ver- 
sailles, verursacht  bei  ersterem  durch  die  in  dem  Gebäude  ent- 
haltenen zahlreichen  Wohnungen,  bei  letzterem  ausserdem  durch 
den  Mangel  einer  geeigneten  Wasserleitung,  ist  Gegenstand  der  Er- 
wägungen der  bez.  französischen  Behörden,  ~ 

Ein  neues  Wiener  Theater  soll  mit  einem  Kostcuaufwande 
von  1200000  Kr.  für  den  Bau  im  Bezirk  Meidling  errichtet  und  ini 
Verlaufe  eines  Jahres  fertig  gestellt  werden.  — 


31 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Garn.-Bauinsp.  Krebs  in  Berlin  ist 
als  techn.  Hilfsarb.  zur  Int.  des  Gardekorps  und  der  Garn.-Rauinsp. 
Ku  hs  c in  Bonn  wird  z.  i.  April  nach  Bitsch  versetzt.  — Garn  -Bau- 
iiisp.  Seemann  in  Berlin  scheidet  z.  1.4.  aus  der  Garn.-Bauverwltg. 

Der  char.  Brth,  Müller  bei  d.  Int.  des  XII.  (r.  k.  sächs.) 

. Armee-Korps  ist  z.  Int.-  u.  Brth.  und  der  Reg.-Bmstr.  B a r t h o 1 d 
in  Zittau  ist  z.  Garn.-Bauinsp.  ernannt. 

Den  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  bei  der  Reichseisenb.  Stöc kickt 
XI.  Kriesche  in  Strassburg  i.  E.,  Lawaczeck  in  Saargennind 
und  Drum  in  Colmar  ist  der  Char.  als  Brih.  mit  dem  persönl. 
Range  eines  Rathes  IV.  Kl.  verliehen. 

Bayern.  Versetzt  sind:  Die  Ob.-Bauinsp.  Fahr  in  Würzburg 
nach  Ochsenfurt,  als  Vorst,  der  Eisenb.-Bausektion  , Fries  in 
Bamberg  nach  Aschaffenburg,  Wagner  in  Nürnberg  nach  Bam- 
berg, der  Dir. -Ass.  Haselbeck  in  München  zur  Eisenb.-Betr.- 
Dir.  Nürnberg  und  der  Eisenb.-Ass.  Wörner  in  München  zur 
Gen. -Dir.  der  Staatseisenb. 

Bez.-Ing.  Theuern  er  in  Weiden  ist  in  Ruhestand  getreten. 

Hamburg.  Die  lug.  B u n n i e s und  G r a n 2 i n sind  zu 
Bmstrn.  der  Baudeput.,  Sekt.  f.  Strom-  u.  Hafenbau,  ernannt, 

Preussen.  Dem  Int-  u.  Brth.  a.  D Geh.  Brth.  Bandke  in 
Strassburg  i,  E.  ist  der  Rothe  Adler-Orden  III.  Kl.  mit  der  Schleife 
dem  Dir.  der  Mechan.-Techn.  Versuchsanst.  in  Charlottenbiirg  Geh. 
Reg.-Rath  Prof.  Martens  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  KL,  dem 
Prof,  an  der  Techn.  Hochschule  in  Hannover,  Geh.  Reg.-Rath 
Barkhausen  der  königl.  Kronen-Orden  IlL  Kl.  und  dem  etatm. 
Prof,  an  der  Techn.  Hochschule  in  Berlin  Strack  ist  der  Char. 

. als  Geh.  Reg.-Rath  verliehen. 

Den  Reg.-  u.  Brthn.  Brandt  in  Hannover  und  Winde  in 
Minden  ist  die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  des  ihnen 
verlieh.  Ehrenkreuzes  III.  Kl.  des  fürstl.  schaumburg-lippischen 
Hausordens  ertheilt. 

Der  Geh.  Brth,  u.  vortr.  Rath  im  Min.  der  öff.  Arb.  Hoff- 
mann  ist  z.  Geh.  Ob.-Bvth.  ernannt 

Den  Kr.-Bauinsp.  Gruhl  in  Osterode,  Kruse  in  Siegen, 
L ü r i g in  Aachen,  P r i e s s und  Ochs  in  Magdeburg,  S c h ö cl  r e 3' 
in  Saarbrücken,  Wosch  in  Wiesbaden,  Harms  in  Magdeburg, 
S c h u 1 1 e s s in  Karthaus , Prof.  Baske  in  Potsdam,  Walther 
in  Schweidnitz,  Killing  in  Leobschütz,  Heinz  e in  Stendal, 
Wiehert  in  Insterburg,  Abesser  in  Wittenberg,  Elkisch  in 
Delitzsch,  D o e h 1 e r t in  Stralsund , Bergmann  in  Rastenbnrg, 
M e 1 1 k e in  Aniswalde,  Hohenberg  in  Friedeberg  und  Stock 
in  Rüdesheira,  — den  Landbauinsp.  K ö r b e r in  Berlin,  W en  d o r ff 
in  Königsberg  i.  Pr,,  Molz  in  Trier,  Fr.  S c h u 1 1 z e,  Eh  r h ar  d t 
und  de  Bruyn  in  Berlin,  — den  Rauinsp.  Reissbrodt  in 
Berlin,  Lehmann  in  Rixdorf  und  Hiller  in  Berlin,  — den 
Wasser-Bauinsp.  Graevell  in  Posen,  Unger  in  Danzig,  Stelkens 
in  Rubprt,  Kopplin  in  Stade,  Harnisch  in  Marienburg,  Voss 
in  Tapiau,  Ehlers  in  Krossen  a.  O.,  Richter  in  Lüneburg, 
Roloff  in  Berlin,  Rössler  in  Koblenz,  Schulz  in  Fürsten 
walde,  Twiehaus  in  Magdeburg,  Schnack  in  Hirscliberg, 
Taut  in  Marienwerder,  Kersjes  in  Tilsit,  Nizze  in  Plön, 
Bindemann  in  Berlin  und  Off  ermann  in  Buenos-Aires,  — 
den  Hafen-Bauinsp.  Müsset  in  Memel  und  Nakonz  in  Pillaii 
dem  Masch.-Insp,  Rudolph  in  Bredow  ist  der  Char.  als  Brth. 
mit  dem  persönl.  Range  der  Räthe  IV.  Kl.  verliehen. 

Den  Gew.-Insp,  Toruier  in  Inowraziaw,  Rinne  b erg  in 
Guben  u.  Kn  oll  in  M.-Gladbach  ist  der  Char.  als  Gew. -Rath 
mit  dem  pers.  Range  der  Räthe  IV.  Kl.,  Brth.  Poetsch,  Assist, 
an  der  Techn.  Hochschule- Berlin,  das  Prädikat  Prof,  verliehen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Heinr.  S c h w e i c h c 1 aus  Wildeshausen,  Rieh. 
Rössing  aus  Hannover  und  Aifr.  L 0 e b e 1 1 aus  Berlin  (Wasser- 
u.  Strassenbfeh.)  — Emil  Haupt  aus  Kosten,  Joh.  Cleve  aus 
Elberfeld  u.  Rieh.  Pie  hl  aus  Quittainen  (Eisenbfeh.),  — Friedr, 
Engelhardt  aus  Berlin  u.  Paul  Ehrhardt  aus  Soest  (Masch.- 
Bfch.)  sind  zu  Reg. -Bmstrn.  ernannt. 

Den  Rcg.-Bmstrn.  Jul.  Rolffs  in  Chai-lottenburg,  Ernst 
Bocrschmann  in  Halensee  und  Wilh.  Goette  in  Berlin  ist 
die  nachges.  Entlassung  aus  d.  Dienste  d.  allgem.  Bauvorwalt,  ertheilt. 

Sachsen.  Der  Geh.  Brth.  u.  vortr.  Rath  Temper  in  Dresden 
ist  in  den  Ruhestand  getreten  und  erhielt  das  Komtliurkreuz  II.  Kl. 
des  Albrechts-Ordens.  — ■ Den  Brthn.  Baumann  in  Bautzen  und 
T r a u t m a n 11  in  Dresden  ist  das  Ritterkreuz  I.  Kl.  vom  Albreclils- 
Orden  verliehen. 

Der  Ob.-Brth.  Prof.  Dr.  Ulbricht  bei  der  Gen.-Dir.  der 
Staatseisenb.  ist  z.  Geh,  Brth.  u,  techn.  vortr-.  Rath  und  der  Ein.-  u. 
Brth.  Reichelt  bei  der  Plochb.-Verwaltg,  zum  techn.  Hilfsarb. 
im  Fin.-Minist.  ernannt. 

Dem  Brth.  Schmidt  in  Dresden  I ist  der  Tit.  u.  Rang  eiires 
Fin.-  u,  Brths.  in  Gruppe  i dev  IV.  Kl.  der  Hofrangordnung  ver- 
liehen, und  ist  derselbe  den  techn.  Räthen  des  Fin.-Minist.  zur 
Unterstützung  und  Vertretung  beigegeben. 

Dem  Brth.  Gläser  in  Plauen  ist  das  Landbauamt  I in  Dresden 
übertragen  und  der  Landbauinsp.  Heinpel  in  Leipzig  ist  z.  Brth. 
u.  Vorst,  des  Laadbauamts  Plauen  i.  V.  ernannt.  — Dem  Land- 
bauinsp. Gel  brich  in  Chemnitz  ist  der  Tit.  u.  Rang  eines  Brths. 
in  Gruppe  14  der  IV.  KI.  der  Hofrangordnung  verliehen.  — Der 
Reg.-Bmstr.  U h 1 i g in  Dresden  ist  z Landbauinsp.  ernannt. 

Der  Reg.-Bmstr.  Lautensack  in  Chemnitz  ist  auf  s.  Ansuchen 
aus  dem  Staatsdienste  entlassen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Dettelbach  in  Leipzig,  Gretzschcl  in 
Lengenfeld,  Hempel  in  Burgstädt,  Hennig  in  Weissenberg, 
P a h I i s c h in  Mylau  und  Michauck  in  Chemnitz  sind  zu  Reg.- 
Bmstrn.  bei  den  Staatseisenb,  ernannt. 

Ob.-Brth.  Pfeiffer,  Mitgl.  d.  Gen.-Dir.  d.  St.-E.-B.  ist  gestorben. 

Württemberg.  Der  Masch-Insp.  Kassier  io  Heilbronn  ist 
auf  die  Stelle  eines  Vorst,  der  Eisenb.-Werkst.-Insp,  Aalen  ver- 
setzt. Der  Reg.-Bmstr.  Ru  pp  in  Süssen  ist  z.  Abth.-Ing.  b.  dem 
bauteclin.  Bür.  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  beförderl. 


Dem  Brth.  Findeisen  bei  der  Minist. -Abth.  für  das  Hoch- 
bauwesen ist  das  Ritterkreuz  I.  Kl.  des  Friedrichsordens  verliehen. 

Der  Telegr.-Insp,,  tit.  Brth.  Wagner  in  Stuttgart  ist  in  den 
Ruhestand  versetzt  und  ist  demselben  der  Titel  u.  Rang  eines  Ob.- 
Brths.  verliehen.  — Der  Reg.-Bmstr.  F i s c h e r in  Ulni  ist  z.  etatm. 
Reg.-Bmstr.  im  Fin.-Depart.  ernannt. 

Der  Brth.  Dr.  C.  Schick  in  Jerusalem  ist  gestorben. 

Brief-  und  Fragekasten. 

Anmerkung  der  Redaktion.  Die  Anfragen  für  unseren  Brief- 
und  Fragekasten  häufen  sich  in  der  letzten  Zeit  in  einer  solchen 
Weise,  dass  die  Beantwortung  derselben  bei  dem  bescheidenen 
Raum,  den  wir  dieser  nur  zur  Verfügung  stellen  können,  sich  gegen 
unseren  Willen  vielfach  verzögert.  Wir  sehen  uns  daher  zu  der 
Bemerkung  genöthigt,  dass  wir  künftig  nur  die  Anfragen  von  all- 
gemeinem Interesse  berücksichtigen  können,  welchen  d e r 
Nachweis  des  Bezuges  unseres  Blattes  beigefügt  ist. 
Wenig  Aussicht  auf  Beantwortung  haben  ausserdem  die  Anfragen, 
deren  Erledigung  auf  dem  Wege  der  Anzeige  möglich  ist.  Grund- 
sätzlich sollte  der  Briefkasten  nur  dann  in  Anspruch  genommen 
werden,  wenn  andere  Wege  versagen.  — 

Hrn.  Arch.  Herrn.  Sch.  in  St.  J.  Ihrer  Sachdarstellung  ist 
zu  entnehmen,  dass  Sie  die  Preisausschreibungen  für  den  Besteller 
des  Werkes  besorgt  und  damit  in  dessen  Vollmacht  gehandelt 
haben.  Ist  dem  so,  dann  gebührten  die  eingegangenen  Angebote 
Ihrem  Vollmachtgeber  und  nicht  Ihnen.  Er  hat  also  ein  Recht, 
deren  Herausgabe  zu  verlangen  und  würde  in  einem  bezüglichen 
Rechtsstreite  obsiegen.  Sollte  jedoch  die  Fassung  des  Vertrages 
eine  andere  Deutung  zulassen,  was  nur  aus  seinem  Wortlaute  zu 
beurtheilen  ist,  so  würde  selbstredend  die  vorstehende  Antwort 
nicht  zutreffen,  — Auch  in  dem  zweiten  Falle  kann  wegen  fehlenden 
Wortlautes  des  Vertrages  die  Antwort  nur  bedingt  ausfallen. 
Ist  das  Anbringen  eines  Schildes  Ihnen  nicht  ausdrücklich  zuge- 
standen, so  braucht  der  Besteller  sein  Anbringen  nicht  zu  dulden. 
Ist  indess  das  Schild  auf  dem  Bürgersteige  ohne  Verbindung  mit 
dem  Bauwerk  oder  Bauzaun  angebracht,  so  würde  allerdings  der 
Bauherr  in  dessen  Bestand  keinen  Eingriff  in  seine  Rechte  nacli- 
weisen  können  und  folgeweise  nicht  befugt  sein,  die  Wegnahme 
zu  erwirken.  Wohl  aber  könnte  er  durch  Vermittelung  der  Polizei 
sein  Ziel  erreichen,  welche  die  Verengung  der  öffentlichen  Wege 
durch  Bauwerke  nicht  gestatten  soll.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  C.  R.  in  Iserl.  Eine  Abrede  des  von  Ihnen 
wiedergegebenen  Wortlautes  widerspricht  weder  dem  gellenden 
Rechte  noch  den  guten  Sitten.  Vielmehr  darf  der  Besteller  eines 
Werkes  vollen  Schadensersatz  für  den  Ausführungsverzug  fordern. 
Uebersteigt  sein  nachweisbarer  Schaden  den  Betrag  einer  verein- 
barten Vertragsstrafe,  so  darf  neben  der  letzteren  diese  Differenz 
gefordert  wei  den  (B.  G.  B.  § 340).  K.  H-e. 

Hrn.' Mrmstr.  P.  Kr.  in  'Wurzen.  Ein  billiges  Mittel  wird 
dem  beobachteten  Schaden  überhaupt  nicht  dauernd  abhelfen 
können.  Es  wäre  zunächst  ein  Versuch  dahin  zu  machen,  die 
Ventilations-Oeffnungen  so  gross  anzulegen  und  sie  einander  gegen- 
über derart  anzuordnen,  dass  unter  den  Balken  ein  lebhafter  Zug 
entsteht.  Dadurch  würde  die  Feuchtigkeit  zweifellos  etwas  ge- 
mildert werden.  Will  man  weiter  gehen  und  dauernde  Abhilfe 
schaffen,  so  würde  nichts  anderes  übrig  bleiben,  als  den  Holzboden 
aufzunchraen  und  auf  den  Mutterbodeu  eine  Betonschicht,  sowie 
auf  diese  eine  Asphaltschicht  aufzubringen.  Das  würde  eine  zwar 
theure,  aber  eine  voraus.sichtlkh  gründliche  Abhilfe  sein  — 

Hrn.  O.  K.  in  Kattowitz.  Fussböden  und  Decken  eines 
Rathhauses  unterscheiden  sich  nicht  von  denen  anderer  Verwaltungs- 
gebäude. Wir  müssen  Sie  deshalb  auf  die  üblichen  Lehrbücher, 
z.  B.  unsere  „Baukunde  des  Architekten“  (Verlag  „Deutsche  Bau- 
zeitung, G.  m.  b H.“,  Bernburgerstr.  31)  verweisen.  Fragen  dieser 
Art  ermangeln  des  allgemeinen  Interesses  und  eignen  sich  infolge- 
dessen nicht  zur  Beantwortung  im  Briefkasten.  — 

Hrn.  Bmstr.  F.  H.  in  Neustadt.  Wenn  Ihnen  eine  Grati- 
fikation vor  Zeugen  zugesichert  ist,  haben  Sie  allerdings  einen 
rechtlichen  Anspruch  darauf.  Die  Höhe  derselben  würde  Gegen- 
stand einer  gutachtlichen  Festsetzung  vom  Gericht  sein  müssen. 
Mit  nachträglichen  Forderungen  für  Ueberstunden  würden  Sie  da- 
gegen kaum  Erfolg  haben.  Ihre  übrigen  Fragen  lassen  sich  ohne 
genauere  Kenntniss  der  mit  Ihnen  getroffenen  besonderen  Ab- 
machungen nicht  beantworten,  bezw.  würde  auch  hier  das  Urtheil 
der  gerichtl.  Sachverständigen  entscheiden.  — 

Hrn.  Arch.  P.  W.  in  Hameln.  Wiederholt  haben  wir  an 
dieser  Stelle  erklärt,  dass  bei  der  Anwendung  der  Honorarnorm 
die  Vorbildung  des  Architekten  ganz  gleichgiltig  ist,  dass  es  viel- 
mehr nur  darauf  ankomnit,  ob  der  Gehalt  der  Arbeit  ein  solcher 
ist,  dass  die  Norm  zur  Anwendung  gelangen  kann.  — 

Hrn.  H.  B.  in  Salzwedel.  Ihre  Anfrage  entzieht  sich  unserem 
Arbeitsgebiet,  tragen  Sie  dieselbe  einem  chemischen  Laboratorium  vor. 

Hrn.  Bfhr.  W.  S.  in  Schwerte.  Da  die  Abwässer  in  den 
Kellern  übelriechende  Gase  entwickeln,  so  müssen  Sie  den  An- 
schluss an  den  Abflusskanal  von  aussen  suchen.  — 

'Hrn.  Ing.  L.  H.  in  Reutlingen.  Wir  müssen  Sie  mit  Ihrer 
Anfrage  auf  den  Anzeigentbeil  unserer  Zeitung  vei-weisen.  — 
Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Erfahrungen  liegen  vor  über  Bodenbelag  in  Turn- 
hallen, wenn  diese  unterkellert  sind  und  nicht  allein  zum  Turnen, 
sondern  auch  bei  Festlichkeiten  als  Tanzboden  benutzt  werden 
sollen?  C.  D.  iu  Höchst  a.  M. 

Welche  Werke  behandeln  die  Anlage  von  Drahtseilbahnen? 

R.  S.  in  W. 


Inhalt:  Die'Wiederherstellung  des  Heidelberger  Schlosses,  insbes.  des 
Otto  Heinrichs-Baues  (Schluss).  — Bebauuagsplau  für  ein  grösseres  Gelände 
bei  Elberfeld.  — Mittheilungeo  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preishe- 
werbungen.  — Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b,  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwoitl.  Albert  iiofmanii,  Berlin.  Druck  von  'Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  5. 


32 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N9;  6.  ^ 

. ig02.  * 


Die  Gestalt  Bismarcks  nach  dem  Modell  von  Hugo  Lederer. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bismarck-Denkmal 

in  Hamburg.  (Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildung  auf  Seite  37.) 


m 30.  Juli  1898  starb  Fürst  Otto  von  Bis- 
marck, der  Schöpfer  des  neuen  deutschen 
Reiches,  sein  erster  Kanzler.  An  einem 
mythischen  Tage,  am  i.  April  1815,  geboren, 
erreichte  er  das  mythische  Alter  von  1000 
Monaten.  Die  Weihe  des  Mythos  umgab  nicht  nur 
sein  Ende,  sie  umgab  schon  seinen  Lebensabend  seit 
seinem  Scheiden  aus  dem  Dienste.  Denn  nunmehr 
wurde  sein  warnendes  Wort  zum  Worte  des  Pro- 
pheten; die  Periode  Bismarck’scher  Staatskunst  lebte 
fort  und  lebte,  so  lange  ihr  Träger  lebte.  Erst  nach 
seinem  Hinscheiden  hatte  das  deutsche  Volk  das  Ge- 
fühl, dass  nunmehr  der  Abschnitt  deutscher  Zeitge- 
schichte zu  Ende  sei,  der  den  gew’altigen  Namen  des 
Bismarck'schen  führt.  Erst  als  er  todt  war,  kam  man 
zu  dem  vollen  Bewusstsein  der  Grösse  des  Verlustes. 
Und  nun  trat  allerorten  das  Bestreben  hervor,  sein 
Andenken  zu  erhalten.  Er  aber,  der  ein  anderer 
deutscher  Mann  war,  als  die,  welche  die  Geschichte 
bis  dahin  als  leuchtende  Gestirne  bezeichnete,  er,  der 
der  Grösste  und  Edelste  war  unter  allen  denen,  die 
dem  deutschen  Volke  je  erstanden  waren,  sein  An- 
denkenkonnte nicht  in  der  überkommenen  Art,  welche 
dem  Andenken  der  anderen  nur  eben  gerecht  geworden 
war,  festgehalten  werden.  Schon  in  Frankfurt  a.  M. 
sollte  dem  grossen  Kanzler  ein  Denkmal  Schillings 
erstehen,  welches  seine  von  dem  Herkömmlichen 
abweichende  Form  auf  den  Ausspruch  stützt,  den 
Bismarck  1867  that:  „Setzen  wir  Deutschland  in  den 
Sattel,  reiten  wird  es  schon  selber“.  Eine  Germania 
hoch  zu  Ross,  das  bereit  zum  Ansprung  ist,  Bismarck 
daneben,  dem  Ross  die  Zügel  lassend,  das  ist  der 
eigenartige  Gedanke  des  Denkmales  an  der  ehe- 
maligen Grenzscheide  zwischen  Nord  und  Süd. 
Eigenartiger  aber  noch  und  urwüchsiger  fasste  die 
deutsche  Studentenschaft  ihren  Plan.  Ueberall  in 


deutschen  Landen,  wo  ein  kräftiges  Gemeinwesen 
unter  dem  Schutze  des  geeinten  Vaterlandes  em- 
porblühen konnte;  überall  da,  wo  die  Alten  sich 
freuen,  dass  der  Traum  ihrer  Jugend  so  herrlich  in 
Erfüllung  gegangen;  da  allenthalben,  wo  die  Jungen 
von  der  erstrittenen  Machtstellung  des  Reiches  den 
Blick  auf  hohe,  weltumspannende  Ziele  richten,  da 
sollen  zum  ewigen  Gedächtniss  des  Kanzlers  Bis- 
marcksäulen errichtet  werden. 

Am  I.  April,  dem  Tage,  an  welchem  Bismarck  vor 
beinahe  neun  Jahrzehnten  in  einem  Deutschland  geboren 
wurde,  welches  wohl  einen  deutschen  Bund  bildete, 
aber  kein  Deutsches  Reich  war  und  alles  besass,  nur 
keine  nationale  Einheit,  und  dann  an  dem  anderen  Tage, 
am  21.  Juni,  als  dem  Tage  der  altgermanischen  Sonn- 
wendfeier, für  diese  beiden  Tage  erging  der  Ruf  der 
Studentenschaft  an  dieDeutschenallcrOrten,sich  zu  ver- 
einigen zu  einem  Feste  der  Freude  am  Reich  und  an 
seinem  Gedeihen.  Vor  den  Denkmälern  sollen  sie, 
wenn  auch  Parteiungen  sie  spalten,  in  aller  Zukunft 
sich  erinnern,  dass  der  Deutsche  wieder  ein  Vaterland 
besitzt,  ein  Vaterland,  welches  er  mit  Stolz  nennen 
kann,  ein  Vaterland,  welches  ihm  ein  einziger  Mann 
wiedergegeben  hat.  Am  Abend  der  Gedenktage  w'erden 
lodernde  Feuerscheine  von  den  Spitzen  der  Bismarck- 
säulen herab  verkünden,  dass  der  Gedanke  an  Bismarck 
und  sein  Werk  eine  lebendige  Kraft  im  deutschen 
Volke  ist,  so  lange  die  Säulen  dauern.  Härtester 
deutscher  Granit  sollte  für  sie  verwendet  werden;  ein 
Wettbewerb  wurde  um  ihre  Form  ausgeschrieben,  der 
wie  kein  anderer  begeisterten  Anklang  fand  und  der 
wie  kein  anderer  grosse  und  deutsche  Gedanken  zu- 
tage förderte.  Mit  ihm  war  die  Uebcrlieferung  in  der 
deutschen  Denkmalkunst,  die  immer  mehr  verflachte, 
wieder  durch  einen  frischen  Strom  neuer  Gedanken 
durchbrochen.  Zum  zweiten  Mal  seit  langer  Zeit  durch- 


33 


brochen,  nachdem  Bruno  Schmitz  die  erste  Bresche 
in  das  gleichmüthige  Herkommen  gelegt  und  Theodor 
Fischer  in  München  seinen  gewaltigen  und  eigen- 
artigen Bismarckthurm  am  Starnberger  See  errichtet 
hatte.  Wilhelm  Kreis  in  Dresden  war  es,  welcher  im 
Wettbewerb  der  deutschen  Studentenschaft  mit  wuch- 
tiger Hand  der  Ueberlieferung  den  zweiten  Streich  ver- 
setzte. Was  er  schuf,  war  neu,  gross  und  dauernd, 
was  er  gab,  war  würdig,  der  Erinnerung  eines  Riesen 
zu  dienen.  Ihm  folgten  andere  auf  der  betretenen  Bahn, 
weniger  neu,  weniger  gross,  immer  aber  noch  grösser, 
als  das,  was  bis  dahin  dargeboten  werden  konnte. 

Und  die  dritte  Bresche  in  die  verblassende  Ueber- 
lieferung hat  der  Hamburger  Wettbewerb  um  Entwürfe 
für  ein  Bismarck-Denkmal  gelegt. 

Am  Lebensabend  des  Fürsten  Bismarck  ist  die 
Stadt  Hamburg  in  engere  Beziehungen  zum  Kanzler 
getreten,  in  Beziehungen,  welche  in  der  Bevölkerung 
die  Verpflichtung  reiften,  sein  Andenken  in  einer  Weise 
zu  erhalten,  die  den  gleichen  Bestrebungen  der  Reichs- 
hauptstadt nicht  nachstände,  den  Bestrebungen  aller 
anderen  Städte  des  Reiches  aber  vorangehe.  Das  war 
auch  das  Gefühl  de-  Künstlerschaft  und  als  daher  das 
zuständige  Comite  am  15.  Juni  1901  einen  allgemeinen 
Wettbewerb  um  Entwürfe  für  ein  Bismarck-Denkmal 
in  Hamburg  unter  den  Künstlern  deutscher  Reichs- 
angehörigkeit ausschrieb,  wurde  derselbe  mit  um  so 
grösserer  Freude  begrüsst,  als  das  Bismarck-Denkmal 
in  der  Reichshauptstadt  nicht  das  verkörperte,  was 
das  deutsche  Volk  in  seinem  ersten  Kanzler  sah.  Ins- 
besondere die  Künstlerschaft  blickte  mit  grösseren  Er- 
wartungen auf  Hamburg  und  brachte  ihr  Vertrauen 
auf  die  Möglichkeit,  hier  ein  der  ungewöhnlichen  Be- 
deutung des  Staatsmannes  entsprechendes  Denkmal 
erstehen  zu  sehen,  in  einer  so  reichen  Beschickung 
des  Wettbewerbes  zum  Ausdruck,  wie  sie  selten  noch 
dagewesen  ist.  Obwohl  die  Preise  an  Zahl  und  Höhe 
erheblich  geringer  waren,-  wie  die  Preise,  welche  bei 
dem  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  das  Bismarck-Denk- 
mal in  Berlin  verliehen  wurden,  überstieg  doch  die 
Anzahl  der  eingelieferten  Arbeiten  in  Hamburg  weit 
mehr  als  das  Doppelte  die  Zahl  der  Entwürfe  für  das 
Berliner  Denkmal.  Unzweifelhaft  kommt  in  diesem 
Zahlenverhältniss  auch  eine  Stellungnahme  der  deut- 
schen Künstlerschaft  zu  der  Berliner  Kunstpolitik  zum 
Ausdruck  und  ebenso  unzweifelhaft  ist  die  reiche  Be- 
schickung des  Hamburger  Wettbewerbes  zum  nicht 
geringen  Theile  auf  das  Vertrauen  der  deutschen 


Künstlerschaft  zu  der  Zusammensetzung  des  Preis- 
gerichtes für  diesen  Wettbewerb  zurückzuführen.  Der. 
Bestimmung  des  Programmes  entsprechend,  dass  unter 
Berücksichtigung  einer  Kostensumme  für  das  Denk- 
mal von  400  000  M.  die  Bewerbung  sowohl  durch 
Zeichnungen  wie  durch  Modelle  oder  durch  beides 
erfolgen  konnte,  und  dass  sowohl  architektonische  wie 
bildnerische  Entwürfe  oder  eine  Verbindung  beider 
zum  Wettbewerb  gestellt  werden  konnten,  bestand 
das  Preisgericht  ausser  drei  Nichtkünstlern  als  Ver- 
treter der  Stadt  Hamburg  aus  drei  Architekten  — 
Martin  Haller,  Camillo  Sitte,  Paul  Wallot — , zwei 
Bildhauern  — Robert  Diez,  Rudolf  Maison — , und 
dem  Vorstande  der  Skulpturen-Sammlung  in  Dresden, 
Dr.  Treu,  aus  lauter  Beurtheilern,  welche  im  Kunst- 
leben der  Gegenwart  eine  erste  Stellung  einnehmen 
und  durch  ihre  künstlerische  und  kunstschriftstellerische 
Thätigkeit  erwarten  Hessen,  dass  sie  den  eingelieferten 
Werken  mit  der  unbefangenen  Fähigkeit  gegenüber- 
treten würden,  der  besten,  eigenartigsten,  der  dem 
ungewöhnlichen  Gedanken  der  Aufgabe  am  meisten 
entsprechenden  Arbeit  zum  Siege  zu  verhelfen.  Dieses 
Vertrauen  der  deutschen  Künstlerschaft  ist  glänzend 
gerechtfertigt  worden.  Und  nicht  in  letzter  Linie  ist 
der  reiche  Erfolg  des  Wettbewerbes  auf  den  Umstand 
zurückzuführen,  dass  sich  das  Denkmal-Comite  zwar 
das  Recht  der  freien  Wahl  des  auszuführenden  Ent- 
wurfes vorbehielt,  indessen  gleichzeitig  erklärte,  dass 
es  den  Wunsch  hege,  „den  mit  dem  ersten  Preise 
ausgezeichneten  Entwurf  zur  Ausführung  zu 
bringen.“  Wir  hatten  schon  mehrfach  Gelegenheit, 
auf  die  Gesundung  des  vielfach  an  dem  schweren 
Siechthum  der  Anrufung  der  deutschen  Künstlerschaft 
auf  dem  Wege  der  Wettbewerbe  ohne  Uebernahme 
der  praktischen  Folgerungen,  die  aus  dem  Spruche 
der  Preisgerichte  abzuleiten  sind,  leidenden  deutschen 
Konkurrenzwesens,  auf  die  Gesundung,  wie  sie  nament- 
lich von  Hamburg  aus  mit  besonderem  Nachdruck 
vertreten  wird,  hinzuweisen.  Den  Künstlerkreisen 
Hamburgs  und  insbesondere  den  dortigen  Ver- 
tretern der  Architektur  gebührt  für  die  andauern- 
den Bemühungen,  der  Künstlerschaft  die  durch  harten 
Kampf  wohlerworbenen  Rechte  praktisch  zu  sichern, 
der  wärmste  Dank  der  deutschen  Fachgenossenschaft, 
und  mit  Freuden  kann  an  dem  inrede  stehenden  Wett- 
bewerb der  schöne  künstlerische  Erfolg  für  diese  Be- 
strebungen festgestellt  werden.  Dem  Vernehmen  nach 
sind  bereits  Verhandlungen  mit  den  Verfassern  des 


Zur  Erinnerung  an  Eduard  Jacobsthal. 

(Fortsetzung  statt  Schluss.)] 

eit  dem  vollständigen  Uebertritt  Jacobsthals  zum  Lehr- 
fach*) hat  sich  sein  Leben  in  verhältnissmässig  so 
einfachen  Formen  und  in  so  ruhigem  Gleichraaass 
abgespielt,  dass  es  kaum  erforderlich  sein  dürfte,  die  ein- 
zelnen Ereignisse  desselben  in  geordneter  Zeitfolge  anzu- 
führen. Als  Bau-  und  Gewerbe- Akademie  zur  Tech- 
nischen Hochschule  vereinigt  wurden,  trat  er  in  den 
Lehrkörper  der  neuen  Anstalt  über,  an  deren  Entwicklung 
er  nicht  nur  durch  den  an  ihr  ertheilten  Unterricht,  son- 
dern auch  durch  seine  niemals  versagende,  thätige  Mit- 
wirkung an  den  organisatorischen  Arbeiten  der  Verwaltung 
eifrigen  und  erfolgreichen  Antheil  genommen  hat.  Wieder- 
holt ist  er  Vorsteher  der  Abtheüung  für  Architektur  und 
i.  J.  1889/90  Rektor  der  Hochschule  gewesen;  im  Frühjahr 


*)  Durch  einen  Druckfehler  ist  auf  S.  24  als  der  Zeitpunkt  dieses 
Uebertrittes  das  Jahr  1881  angegeben  -worden.  In  Wirklichkeit  fällt  die 
Berufung  Jacobsüials  zum  ordentlichen  Lehrer  an  der  Bauakademie  in  den 
November  1873,  seine  Ernennung  zum  Professor  in  den  Januar  1874,  seine 
Berufung  an  die  Gewerbe-Akademie  in  das  Jahr  1876. 

Durch  die  Zuschrift  eines  Lesers,  der  im  Herbst  1856  auf  dem  Danziger 
Gymnasium  die  Afaiturienten-Prüfung  bestanden  hat,  des  Hrn.  Dir.  Swiderski 
in  Dresden,  wird  noch  die  Mitthellung  berichtigt,  dass  Jacobsthal  seine 
Schulbildung  auf  dieser  Anstalt  empfangen  habe.  Ich  habe  die  bezgl. 
Angabe  einem  mir  zur  Verfügung  gestellten  Auszuge  aus  den  Personal- 
Akten  des  Verstorbenen  entnommen,  obwohl  ich  selbst  mich  zu  erinnern 
glaubte,  von  ihm  gelegentlich  gehört  zu  haben,  dass  er  auf  einer  Realschule 
ausgebildet  worden  sei.  Es  ist  die  letztere,  durch  jene  Zuschrift  wohl 
unzweifelhaft  festgestellte  Thatsache  namentlich  insofern  von,  Interesse,  als 
sie  beweist,  dass  Jacobsthal  seinen  Entschluss,  sich  dem  Baufach  zu  widmen, 
erst  unmittelbar  vor  seinem  Abgänge  von  der  Schule  gefasst  haben  kann. 
Denn  die  im  März  1855  inkraft  getretene  Vorschrift,  nach  welcher  die  Zu- 
lassung zur  Bauakademie  fortan  auf  Abiturienten  der  Gymnasien  beschränkt 
werden  sollte,  kann  frühestens  zu  Anfang  d.  J.  1856  aufgehoben  worden 
sein,  nachdem  sie  mittlerweile  Gegenstand  eindringlicher  Beschwerden  im 
Landtage  gewesen  war. 


1894  wurde  ihm  der  Charakter  als  Geheimer  Regierungs- 
Rath  verliehen.  — An  den  Prüfungen  der  angehenden 
Staats-Baubeamten  war  er  als  Mitglied  des  Technischen 
Prüfungsamtes  von  1876—1879,  und  als  Mitglied  des  Tech- 
nischen Ober  - Prüfungsamtes  von  1880 — 1884  betheiligt. 
Als  i.  J.  1880  die  Akademie  des  Bauwesens  begründet 
wurde,  zählte  Jacobsthal  zu  den  7 Architekten,  die  neben 
einer  gleichen  Anzahl  leitender  Staatsbaubeamten  des  Hoch- 
baufaches zunächst  als  ordentliche  Mitglieder  in  dieselbe 
berufen  wurden;  er  hat  ihr  seither  ununterbrochen  ange- 
hört. 1883  wurde  ihm,  als  einem  der  ersten  unter  den 
deutschen  Architekten,  die  i.  J.  1881  gestiftete  Denkmünze 
für  Verdienste  um  das  Bauwesen  (in  Silber)  verliehen. 

Doch  nicht  nur  als  Lehrer  und  in  den  oben  genannten 
Nebenämtern  hat  Jacobsthal  dem  Staat  seine  Dienste  ge- 
widmet, sondern  es  nahm  der  letztere  auch  noch  wieder- 
holt seine  künstlerische  Kraft  in  Anspruch,  indem  er  ihm 
weiterhin  die  Aufstellung  der  Entwürfe  zu  verschie- 
denen Staatsbauten  übertrug.  In  grossem  Umfange 
ist  dies  in  den  70  er  Jahren  insbesondere  durch  die  Ver- 
waltung der  Reichs-Eisenbahnen  geschehen;  Jacobsthal  hat 
für  diese  nicht  nur  die  beiden  grössten,  von  ihr  zur  Aus- 
führung gebrachten  neuen  Bahnhofs-Empfangsgebäude  zu 
Metz  und  Strassburg  (veröffentl.  i.  d.  Jhrg.  1879  bezw.  1883 
d.  Dtsch.  Bztg.),  sondern  auch  eine  ansehnliche  Zahl  kleine- 
rer Stationsgebäude  entworfen.  Seitens  der  preussischen 
Staats-Eisenbahn -Verwaltung  wurde  er  zu  den  Entwürfen 
für  die  Hochbauten  der  Berliner  Stadtbahn  herangezogen, 
unter  denen  die  Bahnhöfe  Bellevue  und  Alexanderplatz 
sowie  die  Gestaltung  vieler  Einzelheiten,  insbesondere  an 
den  Strassen-Uebergängen  sein  Werk  sind;  später  hat  er 
für  sie  noch  die  Entwürfe  zu  der  künstlerischen  Aus- 
gestaltung der  in  Eisen  konstruirten  grossen  Halle  und 
zu  dem  Wartesaal-Gebäude  des  neuen  Kölner  Zentral- 


st 


No.  6 


an  erster  Stelle  ausgezeichneten  Entwurfes  über  die 
Ausführung  desselben  eingeleitet.  Möchte  über  ihnen 
ein  günstiger  Stern  walten! 

Das  Denkmal  soll  auf  dem  vom  Senate  und  der 
Bürgerschaft  von  Hamburg  bewilligten,  in  unserem 
Lageplan  mit  Ä bezeichneten  Platze  des  Elbparkes, 
an  der  Grenze  zwischen  Hamburg  und  Altona,  an 
einer  durch  Lage  und  Form  gleich  ausgezeichneten 
und  der  Bedeutung  des  Denkmals  gerecht  werdenden 
Stelle  errichtet  werden.  Der  Denkmalplatz  ist  ein 
Theil  der  die  innere  Stadt  umgebenden  parkartigen 
Wallanlagen  und  bildet  ein  halbkreisförmiges,  von 
Bäumen  eingefasstes  Plateau  auf  einer  Anhöhe,  welche 
gegen  Süden,  Westen  und  Norden  eine  freie,  die  Um- 
gebung beherrschende  Lage  hat  und  nach  diesen  drei 
Seiten  stark  abfällt,  während  sie  an  der  vierten,  der 
östlichen  Seite,  sich  mit  schwächerem  Gefäll  an  die 
dichtbebaute  innere  Stadt  anschliesst  und  von  hier 
aus  wenig  zu  Gesicht  kommt.  Die  vor  der  Anhöhe 
liegende  grosse  Thalmulde  wird  von  den  durch  den 
Elbpark  zum  Hafen  hinabführenden  Fahrwegen,  der 
Helgoländer  und  der  Cuxhavener  Allee,  durchschnitten 
und  von  grossen  Strassenzügen,  wie  dem  Millernthor- 
damm,  dem  Circusweg,  der  Strasse  am  Elbpark  und 
der  Seewartenstrasse  mit  der  Kersten-Milesbrücke  um- 
geben. Von  jeder  dieser  Strassen,  von  welchen  der 
Millernthordamm  die  verkehrsreichste  ist,  wird  das 
Denkmal  auf  geringere  Entfernung  in  die  Erscheinung 
treten.  Unsere  Abbildung  giebt  die  Ansicht  des  Denk- 
raalplatzes  von  der  Helgoländer  Allee  aus  wieder.  Es 
wird  nun  im  Wettbewerbs-Programm  die  Hoffnung  aus- 
gesprochen,dass  dasDenkmal  aus  grösserer  Entfernung 
von  dem  mit  Seeschiffen  belebten  Fahrwasser  der 
Elbe  zu  sehen  sein  werde  und  dass  Jeder,  der 
aus  Deutschland  hinausfahre  auf  das  Weltmeer,  von 
ihm  einen  letzten  Gruss,  eine  letzte  Erinnerung  an 
eine  grosse  Heimath  mitnehme,  und  Jeder,  der  vom 
Weltmeere  nach  Deutschland  heimkehre,  bei  seinem 
ersten  Betreten  deutschen  Bodens  durch  das  Denkmal 
an  die  grossen  Zeiten  deutschen  Heldenkampfes 
und  an  das  in  ihm  Errungene  gemahnt  werde.  Ob 
diese  Hoffnung  eintritt,  ob  das  Denkmal  an  der  Elbe 
frei  oder  doch  zum  grösseren  Theil  frei  zu  sehen  ist 
und  somit  diesem  idealen  Gedanken  gerecht  werden 
kann,  erscheint  uns  nicht  ohne  Weiteres  sicher,  denn 
auf  eine  geringere  Entfernung  werden  die  Kersten-Miles- 
Brücke  und  das  Gebäude  unterhalb  der  Seewarte,  auf 
eine  grössere  Entfernung  dieses  Gebäude,  sowie  das  See- 


Bahnhofes,  zu  dem  Umbau  des  Empfangs-Gebäudes  auf 
Bahnhof  Halle  und  zu  den  Portalen  der  neuen  Weichsel- 
und  Nogatbrücken  bei  Dirschau  und  Marienburg  (veröffentl. 
i.  Jhrg.  1894  d.  Dtsch.  Bztg.)  geliefert.  Sämmtlich  Auf- 
träge, die  ihm  mehr  Freude  machten,  als  seine  frühere 
Thätigkeit  im  Staatsbauwesen,  da  ihm  bei  der  Ausführung 
der  betreffenden  Bauten  ein  gewisser  Einfluss  zugestanden 
wurde. 

Von  öffentlichen  Bauten  anderer  Bestimmung,  an 
denen  Jacobsthal  in  diesen  späteren  Jahren  betheiligt 
war,  ist  mir  nur  das  Landgerichts- Gebäude  in  Dortmund 
bekannt,  dessen  Entwurf  er  in  Gemeinschaft  mit  dem 
damaligen  Baumeister  Peltz  bearbeitet  hat.  Das  Heran- 
wachsen eines  jüngeren  leistungsfähigen  Architekten-Ge- 
schlechtes  auch  unter  den  Staatsbaubearaten  und  die 
Abkehr  der  leitenden  Persönlichkeiten  von  der  durch 
Jacobsthal  vertretenen  künstlerischen  Richtung  mögen 
es  veranlasst  haben,  dass  man  auf  seine  weitere  Hilfe 
verzichtete.  Ob  der  in  den  Formen  des  spät-mittelalter- 
lichen Backsteinbaues  gestaltete  Entwurf  zum  Umbau  des 
Kirchthurmes  in  Mittenwalde,  den  der  Künstler  i.  J.  1878 
zur  Berliner  Kunstausstellung  eingesandt  hatte,  einem 
amtlichen  oder  einem  privaten  Aufträge  seine  Entstehung 
verdankte,  sei  dahin  gestellt.  Soviel  ich  indessen  weiss, 
ist  Jacobsthal,  dem  das  Talent  zum  „Bauherrn-Fange“  völlig 
'ibging,  mit  Ausnahme  seiner  Jugendzeit  überhaupt  niemals 
ils  Privat- Architekt  thätig  gewesen;  ein  einziges  Mal  nur 
hat  er,  zu  Ende  der  6oer  oder  Anfang  der  70er  Jahre, 
in  beschränktem  Wettbewerb  mit  mehren  anderen  Ar- 
chitekten einen  Entwurf  zu  einer  Villa  für  Alfred  Krupp 
geliefert,  der  jedoch  nicht  zur  Annahme  gelangte.  — 

Auch  dem  Konkurrenzwesen,  das  in  der  Thätigkeit 
so  vieler  gleichalteriger  und  jüngerer  Fachgenossen  den 
breitesten  Raum  behauptete,  hat  Jacobsthal  — abgesehen 

18.  Januar  1902. 


mannsheim  die-Erscheinung  des  Denkmals  wahrschein- 
lich beeinflussen.  Ein  idealer  Standpunkt  wäre  für 
dasselbe  eine  der  Höhen  unmittelbar  an  der  Elbe,  an 
der  Weltverkehrs-Strasse  gewesen,  indessen  es  ist  auch 
hier  mit  dem  Möglichen  zu  rechnen,  und  dieses  Mög- 
liche wird  dem  grossen  Zwecke  immer  noch  in  her- 
vorragender Weise  gerecht.  In  der  That  ist  der  Stand- 
ort für  das  Denkmal  ein  so  günstiger  und  wird  seiner 
künstlerischen  Erscheinung  so  gerecht,  wie  er  kaum 
besser  gedacht  werden  kann,  wenn  man  das  Unmög- 
liche nicht  in  Rechnung  zieht. 

Auch  diese  günstige  Lage  und  Form  des  Denk- 
malplatzes mögen  viel  zu  dem  schönen  Erfolge  des 
Wettbewerbes  beigetragen  haben.  Die  Anzahl  der 
eingereichten  Entwürfe  beträgt  219;  neben  ihnen  wur- 
den zwei  Ideenangaben  eingereicht,  welche  den  Be- 
dingungen des  Preisausschreibens  nicht  entsprachen 
und  daher  von  der  Beurtheilung  ausgeschlossen  wer- 
den mussten.  Bei  einer  ersten  Sichtung  wurden  137 
Entwürfe  ausgeschieden,  bei  einer  zweiten  .Sichtung 
weitere  46  Arbeiten,  sodass  36  Entwürfe  auf  der 
engeren  Wahl  verblieben.  In  einer  mehrfach  wieder- 
holten dritten  Sichtung  wurden  von  ihnen  noch  17 
Arbeiten  zurückgestellt,  sodass  die  folgenden  19  Ent- 
würfe auf  die  engste  Wahl  kamen:  „An  die  Elbe“, 
„Eckart“,  „Ich  will  (a)“,  „Unvergänglich“,  „Ein  Dankes- 
opfer“, „Granit“  [Variante),  „O.  v.  B.“,  „Monumentum 
Hammoniae“,  „An  der  Elbe“,  „Einigkeit  und  Kaiser- 
krone“, „Dem  Riesen“,  „Bismarck“  (umrändert),  „Vom 
Fels  zum  Meer“,  „Heros“,  „Faust  II.“,  „Abiit  non 
obiit“,  „Dem  Gutsherrn  von  Friedrichsruh“,  „Ekkehart“ 
und  „Unser  Stolz“.  Die  Verhandlungsschrift  erklärt 
nun,  bei  Abwägung  der  zu  vertheilenden  Preise  habe 
sich  ergeben,  dass  die  im  Preisausschreiben  vorge- 
sehene Anzahl  von  zwei  II.  Preisen  von  je  5000  M. 
nur  ungenügend  ausreichte  für  die  Auszeichnung  der 
infrage  kommenden  Entwürfe,  und  dass  daher  die 
Vertheilung  eines  dritten  II.  Preises  von  5000  M.  be- 
antragt und  auch  bewilligt  wurde.  Die  Künstlerschaft 
wird  hierfür  dem  Preisgericht  wie  dem  Denkmal- 
Comite  besonderen  Dank  wissen.  Von  dem  in  Aus- 
sicht gestellten  Ankauf  von  Entwürfen  für  je  1000  M. 
wurde  für  4 Arbeiten  Gebrauch  gemacht,  sodass  dem- 
nach von  den  19  Entwürfen  der  engsten  Wahl  15  zur 
Auszeichnung  gelangen  konnten  und  nur  4 leider  ohne 
Auszeichnung  bleiben  mussten.  Es  wurden  nunmehr 
verliehen:  der  I.  Preis  von  10000  M.  dem  Entwurf 
„Dankesopfer“  der  Hm.  Bildhauer  Hugo  Lederer 


natürlich  von  seiner  Betheiligung  als  Preisrichter  an  m ehreren 
grösseren  Wettbewerben  — in  späteren  Jahren  völlig  fern 
gestanden,  während  mir  aus  früherer  Zeit  nur  jene  aka- 
demische Konkurrenz  um  den  grossen  Staatspreis,  der 
Wettbewerb  um  das  Arndt-Denkmal  auf  dem  Rugard  und 
eine  Anzahl  von  Konkurrenzen  des  Berliner  Architekten- 
Vereins  bekannt  sind,  an  denen  er  sich  betheiligte;  aus 
einer  der  letzteren  ist  der  reizvolle  Entwurf  zu  einem 
Kriegerdenkmal  auf  dem  Schlachtfelde  von  Vionville  her- 
vorgegangen, der  im  Jahrg.  1872  d.  Bl.  veröffentlicht  wurde. 
Es  war  diese  Zurückhaltung  des  Meisters  jedoch  keines- 
wegs in  einer  grundsätzlichen  Abneigung  gegen  das  Kon- 
kurrenzwesen begründet,  sondern  mehr  das  Ergebniss  der 
ihm  eigenthümlichen  Art  künstlerischer  Arbeit,  bei  welcher 
weniger  der  erste  „glückliche  Wurf“  als  die  gewissenhafte 
und  liebevolle  Ausgestaltung  des  in  . sorgfältiger  Erwägung 
gereiften  Grundgedankens  die  Hauptrolle  spielte  und  die 
deshalb  naturgemäss  nur  langsam  vonstatten  ging.  — Ueber 
seine  schöpferische  Thätigkeit  für  das  Kunstgewerbe 
und  die  dekorative  Kunst  ist  selbst  seinen  nächsten  Freun- 
den nur  wenig  bekannt  geworden,  doch  weiss  ich,  dass 
er  des  öfteren  namentlich  Entwürfe  für  Möbel,  Gewebe- 
Muster,  Tapeten  usw.  geliefert  hat;  die  Mehrzahl  dieser 
Arbeiten  dürfte  indessen  einer  früheren  Zeit  angehören. 
Als  dekorative  Arbeiten  sind  der  Entwurf  des  neuen  Vor- 
hanges für  das  kgl.  Schauspielhaus  in  Berlin  (1889),  sowie 
der  Entwurf  für  die  Ausgestaltung  der  Aula  des  Joachims- 
thal’schen  Gymnasiums  in  Berlin  zu  nennen.  — In  der  letzten 
Zeit  beschäftigten  ihn  neben  fortgesetzten  Studien  zur  Ent- 
wicklungs-Geschichte des  Ornaments  besonders  auch  solche 
über  die  Ornamentik  der  orientalischen  Völker,  bei  denen 
er  neben  den  Momenten  der  Form  und  der  Farbe  auch 
das  Moment  der  technischen  Herstellung  berücksichtigte 

(Fortsetzung  auf  Seite  38.) 


3.S 


und  Architekt  E.  Schaudt  in  Berlin;  ein  II.  Preis  „welche  von  reichem  Talent  und  bewusstem  Wollen 
von  5000  M.  dem  Entwurf  „Granit“  (Variante)  der  Zeugniss  ablegen  und  die  volle  Würdigung  und  An- 
Hrn.  Bildhauer  Ed.  Beyrer  jun.  und  Architekt  Franz  erkennung  der  Preisrichter  gefunden  haben.“  Die 
Rank  in  München;  ein  weiterer  II.  Preis  von  Berichterstattung  kann  sich  diesem  allgemeinen  Ur- 
5000  M.  dem  Entwurf  „Unser  Stolz"  des  Hrn.  Archi-  theile  in  vollem  Umfange  anschliessen ; der  Wettbe- 


Ansicht  des  Denkmalplatzes  und  Lagcplan 
des  Bismarck-Denkmals  in  Hamburg. 


tekten  William  Müller  in  Berlin,  und 
der  dritte  II.  Preis  von  5000  M.  dem 
Entwurf  „Vom  Fels  zum  Meer“  des 
Hrn.  Bildhauer  Hans  Hundrieser 
in  Charlottenburg.  Einen  III.  Preis 
von  2000  M.  errang  der  Entwurf 
„Faust  II“  des  Hrn.  Architekten  Wil- 
helm Kreis  in  Dresden;  einen  weite- 
ren III,  Preis  von  2000  M.  der  Ent- 
wurf „Dem  Gutsherrn  von  Friedrichs- 
ruh“ des  Hm.  Architekten  Prof.  Otto 
Rieth  in  Berlin;  den  dritten  III.  Preis 
von  2000  M.  der  Entwurf  „Abiit  non 
obiit“  der  Hrn.  Architekt  Prof.  Bruno 
Schmitz  und  Bildhauer  Prof.  Chr. 

Behrens  in  Charlottenburg  bezw. 

Breslau.  Mit  einem  IV.  Preise  von 
je  1000  M.  wurden  ausgezeichnet  die 
Entwürfe  „O.  v.  B.“  des  Hrn.  Archi- 
tekten Arnold  Hartmann  in  Grune- 
wald  bei  Berlin;  „Eckart"  des  Hrn. 

Bildhauer  Paul  Peterich  in  Berlin; 

„An  die  Elbe"  des  Hrn.  Bildhauer 
N.  Pfretzschner  in  Charlottenburg 
und  „Einigkeit  und  Kaiserkrone"  des 
Hrn.  Bildhauer  Cäsar  Scharff  in 
Hamburg.  Zum  Ankauf  für  je  1000  M. 
gelangten  die  Entwürfe  „Ich  will“  des 
Hrn.  Bildh.  Hermann  Hidding  in 
Gross-Lichterfelde ; ,, Unvergänglich“ 
des  Hrn.  Bildh.  Prof.  Peter  Breuer 
in  Berlin;  „Bismarck"  des  Hrn.  Ar- 
chitekten Wilhelm  Kreis  und  des 
Hrn.  Bildh.  Aug.  Hudler  in  Dres- 
den, und  „Ekkehart“  des  Hrn.  Archi- 
tekten Jos.  Reuters  in  Wilmersdorf 
bei  Berlin. 

Das  Gutachten  des  Preisgerichtes 
über  die  preisgekrönten  und  ange- 
kauften Entwürfe  erklärt  vor  Eingang 
in  die  Einzelbeurtheilung,  der  inrede 
stehendeWettbewerb  sei  „nachlnhalt  undUmfang  einso  werb  gehört  zu  den  künstlerisch  werthvollsten  der 
hervorragender,  dass  derselbe  einen  vollgiltigen  Beweis  letzten  20  Jahre  und  reiht  sich  würdig  den  grossen 
für  das  Können  und  Wollen  der  deutschen  Künstler"  Wettbewerben  an,  für  welche  eine  grosse  Zeit  die 
erbracht  habe.  Ausser  den  preisgekrönten  und  ange-  dankbaren  Aufgaben  gestellt  hat.  — 
kauften  Arbeiten  seien  auch  viele  eingereicht  worden,  (Fortsetzung  foigt.i 


36 


No.  6. 


i8.  Januar  1902. 


Das  Bauwesen  im  preussischen  Staatshaushalt  für  1902. 


Hach  dem  preussischen  Etatsentwurf  für  1902,  welcher 
am  9.  d.  M.  dem  Abgeordnetenhause  zuging,  belaufen 
sich  die  gesammten  Einnahmen  und  Ausgaben  des 
Staates  für  das  Rechnungsjahr  1902  auf  2614167144  M., 
bleiben  also  um  34  847  462  M.  hinter  den  Ansätzen  des 
Entwurfes  im  Vorjahre  zurück.  Von  dieser  Gesammt- 
summe  entfallen  auf  die  einmaligen  und  ausserordentlichen 
Ausgaben  146709970  M.  und  davon  wieder  auf  das  Bau- 
wesen der  verschiedenen  inbetracht  kommenden  Ver- 
waltungen rd.  138  Mül.  M.j  also  etwa  93%.  Das  Verhält- 
niss  ist  also  zwar  höher  als  im  Vorjahre,  aber  die  Gesammt- 
summe  der  für  bauliche  Zwecke  vorgesehenen  Ausgaben 
ist  um  rd.  42  Milk  M.  niedriger,  als  im  Voranschläge  für  1901. 

Die  Eisenbahn  - Verwaltung  steht  naturgemäss 
wieder  an  der  Spitze  der  einmahgen,  ausserordentüchen 
Ausgaben  mit  91640500  M.  Der  Ansatz  bleibt  damit  um 
9 246  500  M.  hinter  dem  Voranschlag  für  1901  zurück.  Ent- 
sprechend dem  allgemeinen  wirthschaftüchen  Rückgang 
sind  die  Einnahmen  aus  dem  Ordinarium  für  .1902  (nament- 
lich aus  dem  Güterverkehr)  um  25081009  M.  niedriger 
veranschlagt,  als  für  1901,  während  anderseits  die  ordent- 
lichen Ausgaben  um  8 Mill.  M.  höher  angesetzt  werden. 
Der  Ueberschuss  wird  dadurch  um  mehr  als  33  Mill.  M. 
geringer,  als  1901.  Von  den  Ausgaben  des  Extra-Ordi- 
nariums  sind  wiederum  37  Mill.  M.  zur  Vermehrung 
der  Betriebsmittel  ausgesetzt,  2 Mill.  M.  zu  Land- 
erwerb, I Mill.  M.  für  Dienst-  und  Miethswohnge- 
bäude  für  untere  Eisenbahnbeamte  in  den  östlichen 
Provinzen  (letzte  Rate)  und  1,6  MULM,  für  elektrische 
Sicherungsanlagen  und  Ausfahrts-Sign ale.  Ebenfalls 
dem  Zweckte  der  Erhöhung  der  Betriebssicherheit  dienen 
2,5  Mill.  M.,  die  zur  Verbesserung  von  Weichen  und 
Signalstellwerken  auszugeben  sind.  Auf  die  einzelnen 
Direktionsbezirke  vertheilen  sich  dann  noch  44  740  500  M. 
für  Bahnhofsneu-  bezw.  Erweiterungs-  und  Umbauten,  Her- 
stellung zweiter,  stellenweise  dritter  und  vierter  Gleise  usw 
Den  höchsten  Betrag  erfordert  in  diesem  Jahre  der 
Direktionsbezirk  Elberfeld  mit  6,2  Milk,  darunter  allein 
eine  IV.  Rate  von  2,5  Mill.  für  den  Bau  einer  Hauptwerk- 
stätte bei  Opladen,  je  i MiU.  für  die  Bahnhöfe  von 
Vohwinkel  und  Mülheim  a.  Rh.  Demnächst  folgt 
Altona  mit  5,85  Milk,  worin  wieder  5 Mill.  für  die  Bahn- 
hofs-Neubauten in  Hamburg  bestimmt  sind.  Köln  und 
Essen  erfordern  je  über  4 Mill.  Im  ersteren  Bezirke  sind 
hauptsächlich  weitere  Raten  für  die  Bahnhöfe  in  Koblenz, 
Krefeld,  Neuss,  M.-Gladbach  vorgesehen.  An  5.  Stelle 
erst  steht  die  Eisenbahn-Direktion  Berlin  mit  nicht  ganz 
4 Milk  Es  handelt  sich  hier  in  erster  Linie  um  die  schon 
eingeleiteten  grossen  Arbeiten  zum  Ausbau  der  Schlesi- 
schen, der  Ostbahn  und  der  Görlitzer  Bahn,  Herstellung  be- 
sonderer Vororlgleise  usw.  Von  den  Ansätzen  sind  ins- 


gesammt etwa  t/4  ganz  neue  Posten,  für  welche  die  i.  Raten 
gefordert  werden.  Es  handelt  sich  hierbei  vorwiegend 
um  Bahnhofs-Umbauten,  in  7 Fällen  um  Werkstätten-An- 
lagen,  5 um  Herstellung  zweiter  Gleise,  5 um  Verstärkung 
und  Ergänzung  vorhandener  Brücken. 

Im  Etat  der  Eisenbahn-Verwaltung  überwiegen  naturge- 
mässalljährlichdiefür  bauliche  Zwecke  aufzuwendenden 
dauernden  Ausgaben  die  einmaligen  um  ein  Vielfaches. 
So  sind  für  Unterhaltung,  Erneuerung  und  Ergänzung 
der  baulichen  Anlagen  angesetzt  rd.  i7r,5Mill.M.  (eutspr. 
den  erweiterten  Anlagen  (4318000  M.  mehr  als  igor)  und 
rd.  145,3  Mill.  M.  desgk  für  Betriebsmittel  und  maschi- 
nelle Anlagen  (759000  M.  mehr  als  1901).  Zur  Unter- 
haltung der  baulichen  Anlagen  werden  62120  Arbeiter  mit 
einem  Lohnaufwand  von  42,9Mül.M.  beschäftigt;  64,4  Mill.M. 
sollen  für  Gleisumbauten,  21,4  Mül.  M.  für  die  Unterhaltung 
des  Bahnkörpers  und  aller  sonstigen  baulichen  Anlagen 
ausgegeben  werden.  Von  den  145,3  fhr  Betriebs- 

mittel usw.  sind  90,3  MUI.  M.  auf  die  gewöhnlichen  Unter- 
haltungsarbeiten zu  rechnen,  darunter  51,5  Mül.  für  Löhne. 
55  Milk  M.  sind  zur  Beschaffung  ganzer  Fahrzeuge  aus- 
geworfen und  zwar  für  500  Stück  Lokomotiven,  650  Per- 
sonenwagen versch.  Gattung,  5000  Stück  Gepäckwagen.  — 

Die  einmaligen  ausserordentlichen  Ausgaben  der  Bau- 
verwaltung sind  mit  13250050  M.  bemessen,  also  nicht 
weniger  als  19,67  Milk  M.  niedriger  als  die  im  vorigen  Etat 
zu  gleichen  Zwecken  angesetzten  Gesammtbeträge.  Es 
sind  alle  Positionen,  die  sich  auf  die  grosse  wasserwirth- 
schaftliche  Vorlage  bezogen,  herausgefallen,  sodass  der 
Verwaltung  bedeutende  Aufgaben  durch  den  Etat  selbst 
nicht  gestellt  werden.  Diese  Summe  vertheilt  sich  folgen- 
dermaassen:  Zur  Regulirung  der  Wasserstrassen 
und  Förderung  der  Binnenschiffahrt  3655400  M. 
(ausserdem  im  Ordinaidum  für  ähnliche  Zwecke  noch  rd. 
13,4  Mill.  M.),  für  Seehäfen  und  Seeschiffahrts- 
Verbindungen  2895500  M.  (im  Ordin.  noch  4744383  M.), 
zum  Bau  von  Strassen,  Brücken  und  Dienstge- 
bäuden 6699150  M.  (im  Ordin.  zur  Unterhaltung  usw. 
848  845  M.).  In  der  ersten  dieser  3 Gruppen  des  Extra- 
Ordinariums  finden  sich  an  neuen  Posten:  I.  Rate  von 
T50  000  M.  für  Verbesserung  der  S chiff  ahrtsstrass  e der 
(|)der  von  Ratibor  bis  Kosel  und  Anlage  eines  Hafens 
bei  Kosel,  Gesammtsumme  330000  M.,  dazu  113000  M. 
als  Zuschuss  zu  dem  von  der  Stadt  zu  erbauenden  Sicher- 
heitshafen; I.  Rate  von  200000  M.  für  Herstellung  eines 
Durchstiches  bei  Nedlitz  in  der  Wasserstrasse  Sakrow- 
Paretz  als  dem  wichtigsten  Gliede  der  Wasserverbindung 
der  Oder  und  Spree  einerseits  und  der  Elbe  anderseits. 
Die  jetzigen  Verhältnisse  bereiten  dem  bedeutenden  Schiffs- 
verkehr, 38000  Schiffe  mit  3,5  Mül,  t jährlich,  grosse 
vSchwierigkeiten,  Gesammtkosten  475000  M.  usw. 


und  vor  allem  das  Ziel  in’s  Auge  fasste,  ob  und  inwieweit 
aus  jenen  Schöpfungen  einer  alten  Kultur  Gewinn  für  das 
künstlerische  Schaffen  der  Gegenwart  gezogen  werden 
könne.  AlsFrüchte  dieser  zeitraubenden  mühseligen  Studien 
sind  seine  Veröffentlichungen  über  das  Mausoleum  des 
Mahmud  Pascha  in  Konstantinopel  und  über  die  Bauten 
zu  Nachtschewän  im  Araxesthale  (Jahrg.  1888  und  1899  der 
Dtschn.  Bauztg.)  ans  Licht  getreten.  — 

Als  Schriftsteller  ist  Jacobsthal  nur  wenig  hervor- 
getreten, obgleich  er  klar  und  anziehend  zu  schreiben 
wusste.  Die  Mehrzahl  dessen,  was  er  veröffentlicht  hat, 
ist  in  der  „Deutschen-Bauzeitung“  erschienen:  in  den  ersten 
Jahrgängen  derselben  einige  Bücher-Besprechungen  und 
Ausstellungs-Berichte  (insbesondere  über  die  Nordische 
Ausstellung  in  Kopenhagen  1872  und  über  die  Kunst- 
gewerbe- und  Industrie  Ausstellung  in  Dresden  1875),  ferner 
die  Nekrologe  auf  Martin  Gropins  (1881),  Hermann  Spiel- 
berg (1886)  und  Carl  Elis  (1890),  sowie  der  Text  zu  seinen 
Veröffentlichungen  über  das  Empfangsgebäude  des  Bahn- 
hofes Strassburg,  das  Mausoleum  des  Mahmud  Pascha  und 
die  Baudenkmale  von  Nachtschewän.  Die  letztere  hat  er 
in  einem  Sonder-Abdruck  als  Festgabe  zur  hundertjährigen 
Jubelfeier  der  Technischen  Hochschule  erscheinen  lassen, 
während  er  zu  der  Festschrift,  welche  die  Lehrer  der 
Hochschule  gelegentlich  des  Einzuges  derselben  in  ihr 
neues  Haus  (1884)  herausgaben,  einen  sehr  anziehenden 
Beitrag  über  „Araceenformen  in  der  Flora  des  Ornaments“ 
beigesteuert  hatte.  Auch  von  dieser  Schrift,  die  i.  Jhrg. 
1885  d.  Bk  im  Auszuge  mitgetheilt  wurde,  ist  später  ein 
Sonder-Abdruck  veranstaltet  worden.  Sonst  sind  als 
litterarische  Arbeiten  Jacobsthals  noch  eine  im  Jahre  1872 
für  den  Verband  Deutscher  Arch.-  u.  Ing.-V.  verfasste 
Denkschrift  über  den  Musterschutz,  einige  Festreden  aus 
dem  Jahre  seines  Rektorates  und  einzelne  kleinere  Mit- 
theüungen  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  sowie  in 


einigen  botanischen  Zeitschriften  zu  nennen.  An  einer 
Denkschrift  „Für  das  Haus  des  deutschen  Reichstages“,  die 
er  i.  J,  1874  in  Gemeinschaft  mit  mir  herausgab  und  in 
der  wir  die  Wahl  eines  anderen  Bauplatzes  für  jenes 
Haus  sowie  eine  den  eigenartigen  parlamentarischen  Ver- 
hältnissen des  Reichstages  angepasste  Form  und  Ein- 
richtung des  Sitzungssaales  befürworteten,  beschränkt  sich 
der  Antheü  Jacobsthals  ira  Wesentlichen  auf  die  Archi- 
tektur der  zur  besseren  Erläuterung  unserer  Vorschläge 
beigegebenen  Entwurfs-Skizze;  es  ist  in  dieser  jedoch  die 
künstlerische  Ricutung  des  Verfassers  zu  sehr  bezeichnen- 
dem Ausdruck  gelangt. 

Wichtiger  als  jene  litterarischen  sind  die  rein  künst- 
lerischen Veröffentlichungen  Jacobsthals:  die  als 
Ergebniss  seiner.  Lehrthätigkeit  und  der  für  diese  unter- 
nommenen Studien  anzusehende,  bereits  in  3 Auflagen 
vorliegende  „Grammatik  der  Ornamente“  (1874—77) 
und  die  grösstentheils  auf  seinen  eigenen  Aufnahmen  be- 
ruhende Sammlung  „Süditalienische  Fliesen-Orna- 
mente“  (1886).  Mit  der  ersteren,  bei  Springer  in  Berlin 
erschienenen  Veröffentlichung  verfolgte  Jacobsthal  den 
Zweck,  dem  Zeichenunterrichte,  welcher  bis  dahin  fast 
überall  nur  als  sogenannte  „praktische  Uebung"  betrachtet 
wurde,  mehr  wissenschaftliche  Auffassung  und  eine  syste- 
matischere Behandlung  zutheil  werden  zu  lassen.  Er  zer- 
legte den  Zeichenunterricht  in  3 Abschnitte:  in  die  dar- 
stellende Geometrie,  in  die  Darstellung  der  Naturkörper 
und  in  die  Lehre  von  den  Kunstformen.  Dem  letzteren 
Abschnitt  ist  die  „Grammatik  der  Ornamente“  gewidmet, 
als  deren  Ziel  er  bezeichnet,  auf  Grundlage  von  Böttichers 
Forschungen  „die  Bildungsgesetze  der  hauptsächlichsten 
Kunstformen,  welche  namentlich  seit  ihrem  einheitlichen 
Auftreten  in  den  hellenischen  Kunstwerken  die  allgemein 
gütigen  Gesetze  einer  Formensprache  geworden  sind,  in 
möglichst  handlicher  Form  zur  Darstellung  zu  bringen.“ 


38 


No,  6. 


Unter  den  Kosten  für  Seehäfen  tisw.  sind  namentlich 
die  Verbesserungs-Arbeiten  in  Swinemünde,  die  Ver- 
längerung der  Südmole  im  Hafen  zu  Memel  (II.  Rate 
400000  M.),  die  Anlage  eines  Fischereihafens  bei  Alk- 
nicken (I.  Rate  250000  M.,  Gesammtsumme  657000  M.), 
sowie  besonders  die  Arbeiten  zur  Erweiterung  der  Hafen- 
anlagen in  Harburg  hervorzuheben-.  Für  letztere  sind  5 
neue  offene  Tidebecken  nach  Hamburger  Muster  vorge- 
sehen, von  denen  zunächst  3 zu  bauen  sind;  Kosten  der- 
selben einschl.  Gesammtgrunderwerb  8 Mül.  M.,  wovon  der 
Staat  2,5  Milk  M.  übernimmt,  dazu  etwa  6^^  Land  kosten- 
los hergiebt.  Die  übrigen  Kosten  trägt  die  Stadt,  die  auch 
als  Bauherr  auftritt  (I.  Rate  für,  1902  nur  50000  M.). 

Unter  den  aufzuwendenden  Kosten  für  Wegebau, 
Brücken  usw.  erfordert  den  Hauptantheil  ein  Betrag  von 
3 Mill.  M.  zur  Uebertragung  staatsseitig  zu  unterhaltender 
Wege,  Brücken,  Fähren  an  Kommunal-Verbände  (seit 
1897/98  dafür  bereits  bewilligt  27,72  Mill.  M.).  Von  grösseren 
Bruckenbauten  ist  der  Umbau  der  Geestebrücke  zwi- 
schen Bremerhafen  und  Geestemünde  zu  nennen; 
I.  Rate  350000  M.,  Gesammtkosten,  an  denen  auch  der 
Staat  Bremen  nebst  den  beiden  Gemeinden  und  den 
Werftbesitzern  betheiligt  sind,  630000  M. 

Unter  den  auszuführenden  Hochbauten  steht  das  Ge- 
schäftshaus beider  Häuser  des  Landtages  mit  einer 
XI.  Rate  von  600000  M.  an  erster  Stelle.  (Ges.- Kosten 
12,653  Mill.  M.,  davon  bereits  10,55  bewilligt).  Ein  grösse- 
rer Neubau  ist  für  das  Regierungs-Gebäude  in  Pots- 
dam vorgesehen,  der  2,963  Mill.  M.  kosten  soll.  Beantragt 
ist  eine  I.  Rate  von  i Mill.  M.  einschl.  der  Kosten  des 
Grunderwerbes.  Für  Frankfurt  a.  O.  und  Koblenz  sind 
weitere  Raten  vorgesehen,  für  Minden  200000  M.  als 
I.  Rate  für  das  Regierungs -Gebäude.  Posen,  Erfurt, 
Hannover  usw.  erfordern  kleinere  Beträge.  — 


Von  Interesse  sind  einige  Angaben  persönlicher  Natur 
aus  den  dauernden  Ausgaben.  Im  Ministerium  ist  für  die 
zum  I.  April  d.  J.  neu  zu  schaffende  „Zentralstelle 
für  Gewässerkunde“  die  Stellung  eines  Vortragenden 
Rathes  (die  27.)  als  Leiter  der  Anstalt,  sowie  für  2 Reg.- 
und  Bauräthe  als  Abth.-Vorsteher  und  2 ständige  Hilfs- 
arbeiter (Bauinspektoren)  nebst  entsprechendem  Hilfsper- 
sonal vorgesehen.  Ges.- Aufwand  83600  M.  Im  Tech- 
nischen Büreau  soll  die  Zweitheilung  nach  Hoch-  und 
Wasserbau  durch  Schaffung  einer  ständigen  Stelle  eines 
Reg.-  u.  Baurathes  im  Wasserbau  zu  einer  bleibenden 
Einrichtung  gemacht  werden. 

Von  der  Bauverwaltung  ist  zu  erwähnen,  dass  die 
Stellung  der  Strombau-Direktoren,  die  sich  nach 
Umfang  und  Bedeutung  ihrer  Thätigkeit  mehr  und  mehr 
von  derjenigen  eines  technischen  Referenten  des  Chefs  der 
Strombauverwaltung  zu  der  eines  technischen  Dirigenten 
erhoben  hat,  durch  entsprechende  Gehaltserhöhung  und 
spätere  Verleihung  des  Charakters  als  Ober-Baurath  mit 
dem  Range  der  Qb.-Reg.-Räthe  auch  äusserlich  gekenn- 
zeichnet werden  soll. 

Vorgesehen  ist  ferner  für  das  Berliner  Polizei- 
präsidium die  Schaffung  einer  2.  technischen  Rathsstelle 
für  Hochbau,  da  der  Umfang  der  Geschäfte  und  die  Man- 
nichfaltigkeit  derselben  eine  solche  neben  dem  ingenieur- 
technischen Rathe  erforderlich  macht.  Auch  bei  den  Re- 
gierungen ist  die  Neuschaffung  einiger  2.  Stellen  für  Reg.- 
und  Bauräthe,  sowie  die  Neuanstellung  einer  Anzahl  von 
Bauinspektoren  vorgesehen,  letzteres  allerdings  auf  Kosten 
des  Remunerations-Betrages  für  Reg.-Baumeister  und  Bau- 
führer durch  Absetzung  der  entsprechenden  Summen  dort. 
Imganzen  sind  118  Stellen  für  Reg.-  und  Bauräthe,  591  für 
Bauinspektoren,  7 für  Maschinenbau-  bezw.  Maschinen- 
inspektoren im  Etat  aufgeführt.  — (Schluss  folgt.) 


Vermischtes. 

Ulrich’s  Doppel-Panzerglasung.  Eine  konstruktive  An- 
ordnung für  Glashäuser,  welche  die  Bauanstalt  C.  H. 
Ulrich  in  Charlottenburg  eingefuhrt  hat,  bezweckt,  durch 
Beseitigung  der  Hauptfehler  der  alten  Glaskonstruktion, 
wie  Durchtropfen  des  Regenwassers,  Schwitzen  der  Glas- 
flächen und  Abtropfen,  Unterhaltung  des  Anstriches  und 
des  damit  verbundenen  Bruches  und  Verschmierens  der 
Glasfläche,  lästige  Hitze  im  Sommer  und  theure  Heizung 
im  Winter  usw.  die  mit  Glas  gedeckten  Räume  in  höherem 
Grade  benutzbar  und  auch  wohnlich  zu  machen.  Mit  der 
Doppel-Panzerglasung  glaubt  die  Firma  Räume  schaffen 
zu  können,  die  so  widerstandsfähig  und  wohnlich  sind, 
wie  die  Räume  zwischen  festen  Decken  und  Wänden. 
Die  im  Durchschnitt  nur  30101  starke  Glasscheibe  bietet 
keinen  genügenden  Schutz  gegen  das  Wetter  in  unseren 


Daher  auch  die  Bezeichnung  „Grammatik“.  In  dieser  fin- 
den sich  bereits  die  Ansätze  für  die  naturwissenschaftliche 
Methode,  welche  Jacobsthal  bei  seinen  Ornamentstudien 
immer  in  die  erste  Reihe  stellte  und  die  dann  nach  ihm 
namentlich  Meurer  versuchte  weiter  auszubilden.  Mit 
Interesse  wird  man  heute  eine  Stelle  lesen,  in  welcher 
Jacobsthal  sich  über  den  Ausgangspunkt  seines  Unter- 
nehmens ausspricht:  „Angesichts  des  sich  überstürzenden 
Laufs  der  von  der  Tradition  losgelösten  Moderichtungen 
der  Neuzeit,  musste  wiederum  auf  dem  Boden  geankert 
werden,  der  auf  diesem  wie  auf  anderen  Gebieten  oft 
schon  den  Fortschritt  getragen  hat,  und  noch  immer  die 
Grundlage  jedes  derartigen  Unterrichts  bildet,  der  antiken 
Kunst.“  Also  schon  1874  ein  sich  „überstürzender  Lauf“ 
der  Dinge,  „von  der  Tradition  losgelöste  Moderichtungen 
der  Neuzeit“! 

Bei  den  „Süditalienischen  Fliesen-Ornamenten“,  die  bei 
Wasmuth  in  schönen  Farbendrucken  erschienen,  knüpfte 
er  an  Werke  wie  Fischbach’s  „Südslavische  Ornamente“, 
Lessing’s  ,, Altdeutsche  Leinen-Stickereien“  und  Grunow’s 
„Kerbschnitt-Ornaraente“  an,  um  der  Nachwelt  gleich  diesen 
Veröffentlichungen  die  anspruchslosen  Werke  zu  erhalten, 
in  welchen  die  alte  Kunsttechnik  noch  weiter  lebt.  Hierzu 
wählte  er  die  ziemlich  in  sich  abgeschlossene  Gruppe  der 
heute  noch  im  südlichen  Italien  fabrikmässig  hergestellten 
Thonfliesen  zur  Wandbekleidung  und  als  Fussbodenbelag. 
„Die  durch  eine  einfache  Herstellungsweise  bedingte  an- 
spruchslose, ja  flüchtige  Detaildurchführung  der  Zeichnung, 
die  oft  herbe  Farbgebung  hat  sie  verwandten,  namentlich 
älteren  Bildungen  gegenüber  bisher  nicht  zur  verdienten 
Würdigung  gelangen  lassen,  zumal  in  ihrer  Fleimath  Natur 
Und  hohe  Kunst  wetteifern,  Sinn  und  Gedanken  des 
Menschen  mit  den  erhabensten  Eindrücken  ganz  zu  er- 
füllen. Wer  achtet  da  der  auf  den  Weg  gestreuten  Rosen?“ 
Jacobsthal  erkannte  in  diesen  schlichten  und  natürlichen 

18.  Januar  1902. 


Zonen,  die  Firma  verwendet  deshalb  2 Glaslagen  derartig, 
dass  die  äussere  Glasdeckung  auf  die  oberen  Flansche  der 
I-Eisen,  und  die  innere  Glasiage  an  den  unteren  Flanschen 
befestigt  wird.  Zwischen  beiden  Glaslagen  bildet  sich  ein 
Hohlraum  entsprechend  der  Höhe  der  Träger.  Die  äussere 
Verglasung  liegt  in  dichter  Kittlage  schuppenartig.  Nach 
Fertigstellung  der  äusseren  Verglasung  wird  die  Eisen- 
konstruktion weiss  gestrichen  und  lackirt  und  sogleich  die 
innere  Verglasung  angebracht.  Für  dieselbe  können  be- 
liebig gefärbte  Gläser  verwendet  werden;  sie  greifen  eben- 
falls übereinander  und  sind  so  befestigt,  dass  sie  sich 
zwecks  Auswechselung  zerbrochener  Scheiben  oder  gründ- 
licher Reinigung  leicht  abnehmen  lassen.  Die  Längsstösse 
werden  mit  sauber  polirten  Holzleisten  bekleidet  und  alle 
Fugen  staubdichtwerstrichen.  Die  Vortheile  bestehen  darin, 
dass:  i.  Glas  auf  Glas  gedeckt  wird,  welches  gleichen  Ver- 
änderungen bei  Temperaturwechsei  unterliegt.  Das  Dich- 


und  deshalb  so  wirkungsvollen  Werken  das  Bestreben, 
innerhalb  der  durch  Zweck,  Material  und  Technik  gege- 
benen Grenzen  die  Aufgabe  „aus  sich  heraus“  zu  lösen, 
was  ganz  den  „heutigen  Anschauungen“  entspreche. 

Beide  Werke  bedeuteten  einen  grossen  Erfolg  so- 
wohl für  seine  Lehrbefähigung,  wie  auch  für  seine  künst- 
lerische Anschauungsweise.  — - 

Man  sollte  meinen,  dass  eine  Lehrthätigkeit  von  dem 
Umfange  derjenigen,  wie  sie  Jacobsthal  ausgeübt  hat,  so- 
wie die  Beschäftigung  mit  den  vorgenannten,  meist  auf- 
grund eingehendster  Vorstudien  unternommenen  und  nie- 
mals flüchtig  hingeworfenen,  sondern  stets  auf  das  sorg- 
fältigste ausgestalteten  künstlerischen  und  kunstwissen- 
schaftlichen Arbeiten  vollauf  genügt  hätten,  um  eine 
Manneskraft  in  Anspruch  zu  nehmen.  Und  doch  war 
dies  bei  Jacobsthal  durchaus  nicht  der  Fall.  Wie  er 
innerhalb  der  engeren  Grenzen  seines  Faches  bemüht 
war,  den  Umfang  seines  Wissens  ständig  zu  erweitern 
und  alle  neueren  Erscheinungen  der  Fachlitteratur,  auch 
wenn  sie  nicht  unmittelbar  seinen  Zwecken  dienten,  mit 
Aufmerksamkeit  verfolgte,  so  widmete  er  ein  reges  Inter- 
esse noch  verschiedenen  anderen  Gebieten  der  Wissen- 
schaft und  versuchte  es,  in  persönlichem  Umgänge  mit 
den  berufsmässigen  Vertretern  derselben  Anregung  und 
Belehrung  zu  gewinnen.  So  gehörte  er  nicht  nur  dem  Ar- 
chitekten-Verein  in  Berlin  und  später  noch  der  Vereinigung 
Berliner  Architekten  als  Mitglied  an,  sondern  zugleich  der 
Archäologischen  und  Anthropologischen  Gesellschaft,  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde,  dem  Botanischen  Verein  u,  a. 
Und  seine  Mitgliedschaft  bei  allen  diesen  Vereinen  war 
keineswegs  nur  eine  nominelle;  wenn  er  auch  nur  selten 
oder  nie  als  Redner  auftrat,  so  war  er  doch  ein  häufiger 
und  aufmerksamer  Theilnehmer  an  ihren  Versammlungen 
und  Ausflügen  und  wusste  sich  überall  Achtung  zu  er- 
werben. Vielleicht  die  engste  Fühlung  hatte  er  mit  den 


39 


tungsmaterial  wird  daher  nicht  rissig,  wie  sonst  zwischen 
Eisen  und  Glas;  2.  die  dem  Wetter  ausgesetzte  Kittfuge 
zwischen  den  Glastafeln  ist  schmal  und  bietet  diesem  keine 
Angriffsfläche  dar;  3.  die  Eisenkonstruktion  ist  völlig  mit 
Glas  überzogen,  sie  kann  daher  nicht  rosten  und  braucht 
nicht  mehr  gestrichen  zu  werden;  4.  die  Aussenfläche  ist 
glatt,  es  können  keine  Schnee-  und  Schmutzmassen  an- 
getrieben werden;  5.  jeder  durch  die  äussere  Verglasung 
dringende  Tropfen  wird  durch  die  zweite  Glaslage  aufge- 
fangen; 6.  die  isolirende  Luftschicht  zwischen  den  Glaslagen 
verhindert  ein  Schwitzen  der  Scheiben,  es  kann  somit  auch 
kein  Sch  weisswasser  abtropfen ; 7.  sie  verhindert  ein  schnelles 
Entweichen  der  Wärme  im  Winter  und  schützt  gegen  über- 
mässige Hitze  im  Sommer.  Das  Glashaus  wird  hierdurch 
wohnlich  mit  normalen  Temperatur-  und  Luftverhältnissen. 
Mittels  eingedeckter  Haken  ist  das  äussere  Glasdach  überall 
zugänglich;  zerbrochene  Scheiben  können  leicht  ausge- 
wechselt werden,  auch  für  Schneefänge,  Drahtgeflecht  und 
Lüftung  sind  Vorkehrungen  getroffen.  — 

Architektur  und  Kunst  des  lunenraumes  auf  der  Grossen 
Berliner  Kunst  - Ausstellung  190a.  Wie  im  vergangenen 
Jahre,  so  soll  auch  in  diesem  Jahre  auf  der  am  3.  Mai 
zu  eröffnenden  und  bis  zum  28.  September  dauernden 
Grossen  Berliner  Kunst-Ausstellung  am  Lehrter  Bahnhof 
eine  umfassende  ßetheiligung  der  Architektur 
und  der  Kunst  des  Innenraumes  stattfinden.  Dafür  stehen 
die  gleichen  Räume  zur  Verfügung,  wie  das  vergangene 
Jahr.  Die  Einsendung  der  Kunstwerke  muss  zwischen 
dem  15.  März  und  3.  April  erfolgen.  Die  Anmeldung 
der  einzuliefernden  Werke  muss  bis  spätestens  10.  März 
erfolgt  sein.  Um  für  die  Innenräume  in  beschränkter 
Zahl,  die  sich  in  ihrer  Ausdehnung  ungefähr  an  die  Maasse 
4 halten  können  und  für  welche  in  der  Hauptsache 
Oberlicht,  Seitenlicht  dagegen  nur  ausnahmsweise  zur 
Verfügung  steht,  möglichst  bald  die  einheitliche  Raum- 
anordnung treffen  zu  können,  .sind  Skizzen  mit  Angabe 
der  ungefähren  Raumanordnung  noch  vor  dem  genannten 
Zeitpunkte,  am  besten  umgehend,  einzusenden.  Sämmt- 
liche  Zusendungen  sind  zu  richten  an  „die  Geschäfts- 
leitung der  Grossen  Berliner  Kunst-Ausstellung",  Landes- 
Ausstellungs-Gebäude  am  Lehrter  Bahnhof,  Berlin  NW.  — 
Zur  Frage  der  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs- 
Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss  verbreitet  die  „Süd- 
deutsche Reichskorrespondenz“  die  Nachricht,  die  grossh. 
badische  Regierung  erachte  die  Frage  noch  nicht  für 
spruchreif  und  unterlasse  es  daher,  schon  dem  gegen- 
wärtigen Landtage  eine  entsprechende  Vorlage  zu  machen. 
Da  nun  die  badischen  Stände  nur  alle  zwei  Jahre  zu- 
sammentreten, so  würde  die  Entscheidung  über  die  An- 
gelegenheit zunächst  bis  1904  verschoben  sein.  — 

Zum  technischen  Referenten  für  Bausaohen  im  grossh. 
badischen  Ministerium  des  Inneren  wurde  anstelle  des  ver- 
storbenen Ob.-Brths.  Hanser  der  Professor  an  der  Bau- 
gewerkschule in  Karlsruhe,  Architekt  Ludwig  Levy  er- 
nannt. Die  Wahl  Levy’s,  der  1854  in  Landau  geboren 


Vertretern  der  Botanik,  zu  welcher  ihn  nicht  nur  sein 
sehr  entwickelter  Natursinn  hinzog,  sondern  der  er  auch 
mannichfaltige  Anregung  für  seine  Forschungen  über  die 
Entwicklungs-Geschichte  des  Ornamentes  zu  danken  hatte. 

Dass  er  die  glückliche  Ferien-Musse  des  Hochschul- 
lehrers dazu  benutzte,  um  seine  Fachbildung  auch  auf 
Reisen  zu  erweitern,  liegt  wohl  sehr  nahe.  Wiederholt 
noch  hat  er  — einmal  in  Gemeinschaft  mit  Friedrich 
Adler  — Italien  besucht,  daneben  die  nordischen  Länder, 
England,  die  Niederlande,  Belgien  und  Frankreich,  Russ- 
land, die  europäische  und  asiatische  Türkei,  Griechenland 
und  Aegypten;  zu  einer  Reise  nach  Spanien,  die  er  zu- 
sammen mit  mir  unternehmen  wollte  und  auf  die  wir  uns 
schon  seit  Jahren  gefreut  hatten,  ist  es  nicht  mehr  ge- 
kommen. Niemals  hat  Jacobsthal  auf  seinen  Reisen  mit 
der  Hast  des  Touristen  nur  nach  flüchtigen  Eindrücken 
gehascht;  überall  hat  er  emsig  studirt  und  gesammelt, 
insbesondere  in  den  Museen,  die  seinem  scharfen  Auge 
vielfach  noch  ungehobene  Schätze  enthüllten.  Ob  er 
hierüber  Aufzeichnungen  hinterliess,  ist  mir  unbekannt.  — 

Im  übrigen  hat  er  seine  Jahre  äusserlich  in  der  Stille 
emes  deutschen  Künstler-  und  Gelehrten-Lebens  verbracht. 
Seit  der  Verlegung  der  Technischen  Hochschule  nach 
Charlottenburg  war  auch  er  nach  dieser  Stadt  über- 
gesiedelt und  hatte  sich  dort  — anfangs  in  einem  er- 
mietheten,  später  in  einem  zu  eigen  erworbenen  Hause 
der  Marchstrasse  — ein  dem  Geräusch  des  Verkehrs  ent- 
rücktes behagliches  Heim  geschaffen,  dem  der  Reiz  eines 
kleinen,  von  ihm  mit  Liebe  gepflegten  und  u.  a.  auch  zur 
Akanthus- Zucht  benutzten  Gärtchens  nicht  fehlte.  Um 
grössere  Geselligkeit  zu  pflegen,  fehlte  Jacobsthal  sowohl 
die  Zeit,  wie  auch  vor  allem  die  Neigung;  wenn  er  und 


wurde,  an  der  Technischen  Hochschule  in  Karlsruhe 
studirte  und  nach  erfolgreicher  Praxis  1888  Professor  an 
der  Baugewerkschule  in  Karlsruhe  wurde,  darf  als  eine 
glückliche  bezeichnet  werden,  da  Levy  mit  den  Eigen- 
schaften eines  feinsinnigen  Künstlers  die  für  das  ihm  nun- 
mehr anvertraute  Amt  werthvollen  Eigenschaften  ge- 
winnenden Wesens  vereinigt.  — 

Ernennung  deutscher  Künstler  und  Techniker  zu  Mit- 
gliedern der  französischen  Ehrenlegion.  Zu  den  S.  16  ge- 
nannten Namen  sind  noch  als  Offiziere  des  Ordens  zu 
nennen:  Dir.  Prof.  K.  Hoffacker  in  Karlsruhe  und  kgl. 
Brth.  J.  Radke,  Beigeordneter  in  Düsseldorf. 

Ein  Verlagsverzeichniss  der  Firma  Seemann  & Co.  in 
Leipzig,  welches  dieser  Nummer  beiliegt,  giebt  eine  gute 
Uebersicht  über  die  Verlagswerke  der  Firma  aus  den  Ge- 
bieten der  Architektur  und  des  Kunstgewerbes  und  ent- 
hält zugleich  ansprechende  Illustrationsproben.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Reg.-  u.  Brth.  End  eil  in  Düsseldorf,  dem 
Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp,  Biedermann  in  Berlin  und  b.  Ueber- 
tritt  in  den  Ruhestand  dem  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Bornmüller  in 
Gelnhausen  ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  dem  Reg.-  u.  Brth., 
Geh.  Brth.  T i e m a n n b.  Uebertritt  in  den  Ruhestand  der  kgl. 
Kronen-Orden  II.  Kl.,  dem  Prof,  an  der  Techn.  Hochschule  in 
Berlin  Geh.  Brth.  Wo  1 f f und  dem  Reg.-  u,  Brth.  H a s a k in  Berlin 
ist  der  kgl.  Kronen-Orden  111.  Kl.  verliehen. 

Dem  Geh.  Brth.  Dr.  Steinbrecht  in  Marienburg  ist  die 
Annahme  u.  Anlegung  des  ihm  verlieh.  Ritterkreuzes  I.  Kl.  des 
königl.  sächs.  Albrechts-Ordens  gestattet. 

Akademie  des  Bauwesens.  Die  ausserord.  Mitgl.  Ob.- 
Baudir.  v.  Doemming  u.  Geh.  Ob.-Brth.  Dr.  Zimmermann, 
Dr.  Ing.,  Brth.  v.  d.  Hude,  Geh.  Ob.-Brth.  Rei  mann,  Geh. Admiral. - 
Rath  Rechtem  sind  zu  ordentl.  Mitgl.,  das  ordentl.  Mitgl.  Ob.- 
Baudir,  Kummer  z.  Z.  in-Montevideo  und  die  vortr.  Räthe  Geh. 
Ob.-Brth.  W i e s n e r u.  Geh.  Brth.  Hossfeld  in  Berlin  sind 
zu  ausserordentl.  Mitgl.  ernannt. 

Dem  Garn.-Bauinsp,  Holland  in  Berlin  ist  die  kgl.  Haus- 
fideikommiss.-Bauinsp.  in  Berlin  verliehen. 

Der  Bauinsp.  Brth.  Lehmbeck  in  Danzig,  der  Landbauinsp. 
Achenbach  in  Frankfurt  a.  0.  und  der  Mel.-Bauinsp.  Brth. 
Fischer  in  Liegnitz  sind  zu  Reg.-  u.  Brthn.  ernannt.  — Die  Reg.- 
u.  Brthe.  Lehmbeck  u.  Achenbach  sind  den  kgl.  Reg.  in 
Danzig  bezw.  Bromberg  überwiesen. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Walther  Friehe  in  Charlottenburg  ist  die 
nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienste  ertheilt. 

Der  Brth.  z.  D.  Becker  in  Bremen  ist  gestorben. 

Sachsen.  Dem  Hofbrth.  Dünger  ist  der  Titel  eines  Hof- 
Ober-Brths.  mit  dem  Range  in  der  III.  Kl.  und  dem  Hofarch. 
Frölich  der  Titel  eines  Hofbrths.,  mit  dem  Range  in  der  IV.  Kl. 
der  Hofrang-Ordnung  verliehen. 


Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bis- 
marck-Denkmal in  Hamburg.  — Zur  Erinnerung  an  Johann  Eduard  Jacobs- 
thal (Fortsetzung).  — Das  Bauwesen  im  preussischen  Staatshaushalt  für 
1902.  — Vermischtes.  — Personal-Nachrichten. 


Hierzu  eine  Bildbeilage:  Bismarck-Denkmal  in  Hamburg. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktioa 
veranwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


seine  ihm  gleichgesinnte  Gattin,  die  ihm  seit  1867  vermählt 
war,  gelegentlich  einen  kleinerenFreundeskreis  um  sich  ver- 
sammelten, oder  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  seine  ihm  näher 
stehenden  Schüler  zu  einem  fröhlichen  Zusammensein  ent- 
bot, waren  es  für  die  Theilnehmer  stets  festliche  Stunden. 

Leider  liess  die  Gesundheit  Jacobsthals  schon  längere 
Zeit  zu  wünschen  übrig.  Eine  frühere  schwere  Er- 
krankung, die  ihn,  — als  eine  Folge  geistiger  und  körper- 
licher Ueberanstrengung  — gegen  Ende  der  70er  Jahre 
befallen  und  zu  einem  Winteraufenthalte  an  der  Riviera 
genöthigt  hatte,  hatte  er  anscheinend  glücklich  über- 
wunden. Doch  machten  sich  bei  ihm  allmählich  mehr  und 
mehr  Anzeichen  bemerkbar,  die  auf  die  Ausbildung  eines 
Herzleidens  schliessen  Hessen.  Ein  Aufenthalt  in  Aegypten 
während  des  Winters  1899/1900  brachte  ihm  vorüber- 
gehende Linderung,  aber  nicht  Heilung  und  schon  während 
des  letzten  Sommers  hatte  die  Krankheit  einen  Höhe- 
punkt erreicht,  der  kaum  hoffen  liess,  dass  der  Kranke  sich 
des  Ruhestandes,  iu  den  er  zu  Ostern  1902  treten  wollte, 
noch  werde  erfreuen  können.  In  schweren,  nur  selten 
durch  ruhigere  Stunden  und  Tage  unterbrochenen  Qualen 
hat  er  dann  mannhaft  und  gefasst  mit  dem  Tode  gerungen, 
bis  er  am  Nachmittage  des  Neujahrstages  erlöst  wurde. 
Am  4.  Januar  ist  er  unter  dem  zahlreichen  Gefolge  seiner 
Amtsgenossen  von  der  Hochschule,  von  Studirenden  der 
letzteren  und  seiner  Freunde  auf  dem  alten  Luisen- 
kirchhof bei  Westend  beigesetzt  worden.  Neben  seiner 
Wittwe  hat  er  einen  einzigen  Sohn  hinterlassen,  der  in 
die  akademische  Laufbahn  des  Arztes  eingetreten  ist; 
eine  ältere  Tochter,  die  noch  als  Kind  gleichfalls  einem 
Herzleiden  erlegen  ist,  war  dem  Vater  im  Tode  voraus- 
gegangen. — (Schluss  folgt.) 


40 


No.  6. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  7.  Berlin,  den  22.  Januar  1902. 


Entwurf  „Faust  II"  des  Hrn.  Architekten  Wilhelm  Kreis  in  Dresden.  Ein  III.  Preis. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bismarck-Denkmal 


in  Hamburg.  (Fortsetzung;.) 

as  Gutachten  des  Preisgerichtes,  welches  den  über,  ob  die  letztere  Erwartung  cintrifft,  haben  wir 
künstlerischenWerth  der  preisgekrönten  und  schon  weiter  oben  berührt;  hier  sei  noch  bemerkt,  wie 
angekauften  Entwürfe  mit  bemerkenswerther  erwünscht  es  scheine,  dass  an  dem  grossen  Eintritts- 
Sicherheit  trifft,  bemerkt  von  dem  mit  dem  thor  für  Deutschland,  Hamburg,  eine  riesenhafte  Bis- 
I.  Preise  ausgezeichneten  Entwurf  „Dankes-  marck-Gestalt  in  ähnlichcrWcisezurMahnungundNach- 

eiferung  die  Wacht 


Opfer“,  dass  die  Dar- 
stellung Bismarcks 
als  „reckenhafter  Ro- 
landriese auf  wuch- 
tigem , wirkungsvoll 
abgestuftem  Unter- 
bau“ dieser  Arbeit 
die  einstimmige  An- 
erkennung des  Preis- 
gerichtes gewonnen 
habe.  Diese  Auf- 
fassung verkörpere 
in  treffender  Weise 
nicht  nur  „die  sich 
im  Volksbewusstsein 
allmählich  vollziehen- 
de Steigerung  der 
GestaltBismarcks  ins 
Heldenhafte“,  son- 
dern entspreche  auch 
am  besten  dem  Auf- 
stellungsorte, der  ein 
weither,  womöglich 
auch  vom  Hafen  aus 
sichtbares  Standbild 
erwünschterscheinen 
lasse.  Die  Frage  dar- 


inneres des  Entwurfes  „Faust  II", 


halte,  wie  die  Bar- 
tholdi’sche  Freiheits- 
statue an  dem  gros- 
sen Eintrittsthore  für 
Amerika,  am  Hafen 
von  New- York.  Aus 
diesen  Gesichtspunk- 
ten heraus  wird  der 
Wunsch  rege,  die 
Statue  näher  an  der 
Weltverkehrsstrasse 
der  Elbe  und  von 
dieser  aus  möglichst 
unverdeckt  errichtet 
zu  sehen.  — Das  Gut- 
achten verzeichnet 
weiterhin  mit  Aner- 
kennung, dass  die 
Schwierigkeiten,  wel- 
che die  Tracht  un- 
serer Zeit  in  einem 
Kolossalbilde  berei- 
ten, Umstände,  die 
z.  B.  bei  dem  durch 
einen  II.  Preis  ausge- 
zeichneten Entwurf 


4 


„Granit“  durch  geschickte  plastische  Behandlung  ge- 
jnildert,  keineswegs  aber  aufgehoben  sind,  dass  diese 
Schwierigkeiten  durch  die  mittelalterliche  Rüstung  ver- 
mieden seien.  Geringe  Aenderungen  in  der  Haltung  der 
Arme  durch  festeren  Anschluss  derselben  an  den  Körper 
werden  empfohlen  und  zum  Schluss  gesagt,  es  bildeten 
„der  geschlossene  Umriss  des  Ganzen  und  die  gross  ge- 
dachte Umgestaltung  des  Denkmalplatzes  weitere  Vor- 
züge dieses  hervorragenden  Entwurfes“. 

Diese  letztere  Bemerkung  veranlasst  uns,  auf  den 
gegenseitigen  Antheil  beider  Künstler  an  dem  Entwurf 
näher  einzugehen.  Die  allgemeine  Presse  hat  bisher  fast 
immer  nur  von  demBildhauer  gesprochen  und  den  Archi- 
tekten kaum  nebenher  erwähnt.  Nun  ist  es  aber  eine  unbe- 
streitbare Thatsache,  dass  in  diesem  hervorragenden 
Wettbewerbe,  der,  was  künstlerische  Bedeutung  anbe- 
langt, zu  den  ersten  der  letzten  zwanzig  Jahre  gehört,  in 
erster  Linie  die  Baukunst  den  Sieg  davon  getragen 
und  damit  wieder  den  Nachweis  geführt  hat,  dass  bei 
einem  Denkmal  die  Darstellung  innerer  Grösse  vor- 
wiegend nur  durch  die  Kunstmittel  der  Baukunst  zu 
erreichen  ist.  Hr.  Architekt  Emil  Schaudt  schreibt 
uns,  dass  „der  gesammte  Entwurf  für  das  Denkmal 
ohne  irgend  einen  Einfluss  von  Seiten  des  Bildhauers“ 
von  ihm  herrühre;  auch  das  architektonische  Modell 
sei  ein  Werk  des  Architekten.  Von  Hrn.  Bildhauer 
Lederer  sei  „nur  die  Figur  des  Roland-Bismarck“. 
Wir  geben  diese  Ausführung  wieder,  ohne  damit  das 
Verdienst  des  Bildhauers  schmälern  zu  wollen,  denn 
wenn  auch  der  gesammte  Denkmalentwurf  eine  so 
glückliche  Einheit  verräth,  dass  er  nur.  aus  einem 
Kopfe  entsprungen  sein  kann,  so  liegt  zweifellos  doch 
auch  in  der  ebenso  glücklichen  bildnerischen  Einzel- 
behandlung der  Bismarckfigur  ein  hohes  Verdienst, 
welches  den  ungewöhnlichen  Erfolg  des  Werkes  mit 
lierbeigeführt  hat.  Wenn  wir  recht  unterrichtet  sind, 
so  machte  Hr.  Schaudt,  der  bisher  in  weiteren  Kreisen 
nicht  bekannt  war,  seine  Studien  in  Stuttgart,  zunächst 
unter  Prof.  Seubert  an  der  Kunstgewerbeschule,  später 
unter  Neckelmann  an  der  Technischen  Hochschule; 
im  weiteren  Verlauf  seiner  Ausbildung  trat  er  dann 
in  den  Schülerkreis  Wallot’s  ein.  Hr.  Hugo  Lederer, 
am  i6.  Nov.  1871  in  Znaim  geboren,  ist  ein  Schüler 
Schillings  in  Dresden  und  lebt  seit  einiger  Zeit  in  Berlin. 

Die  Verfasser  erklären  in  ihrem  Begleitberichte, 
dass  es  ihnen  nothwendig  erschienen  sei,  die  natürliche 
Form  des  Hügels,  auf  welchem  das  Denkmal  errichtet 
werden  soll,  zu  erhalten  und  auf  ihm  das  letztere 


zu  einer  die  Umgebung  beherrschenden  Höhe  zu  ent- 
wickeln. Ein  im  Hintergründe  anzulegender  Eichen- 
hain steigere  die  Umrisslinie  des  gesammten  Denkmals 
zu  feierlicher  Grösse.  Bismarck  könne  nach  der  An- 
sicht der  Künstler  in  dieser  Denkmalfrage  unmöglich 
als  Soldat,  Diplomat  oder  als  der  alte  Herr  von  Fried- 
richsruh aufgefasst  werden.  „Die  Verkörperung  einer 
grossen  Epoche  und  seiner  eigenen  unvergänglichen 
Thaten,  lebt  er  im  Volke  als  deutscher  Nationalheros, 
als  „Eiserner  Kanzler“.  Sein  Name  ist  ein  Helden- 
name.“ Diesen  Gedanken  strebten  die  Künstler  in 
monumentaler  Weise  zu  verkörpern  und  sie  schufen 
ein  Denkmal  „einfach  und  feierlich,  wie  es  die  Würde 
der  Aufgabe  verlangte“. 

Das  unter  diesen  Gesichtspunkten  geschaffene 
Denkmal  ist  eines  der  eigenartigsten  Werke  der  neue- 
ren Denkmalkunst.  Es  hat  nichts  von . der  Ueber- 
lieferung,  es  weicht  so  sehr  ab  von  den  herkömm- 
lichen Formen,  dass  der  Beschauer  gezwungen  ist, 
sinnend  vor  ihm  zu  verweilen  und  nachzudenken. 
Wenn  die  Verfasser  den  Fürsten  als  den  eisernen 
Kanzler,  als  den  erzumspannten,  trotzig  starkenKämpfer 
für  Deutschlands  Einheit,  wenn  sie  ihn  in  dieser  Eigen- 
schaft in  Verbindung  brachten  mit  der  mythischen 
Gestalt  des  Helden  von  Roncesvales,  des  Paladins 
Karls  des  Grossen,  wenn  sie  ihm  die  Gestalt  der 
niederdeutschen  Rolandsfiguren  verliehen,  so  ent- 
sprachen sie  damit  einer  weit  verbreiteten  Volks- 
stimmung, einer  Auffassung  des  Volkes,  bei  welchem 
sich  der  Hüter  seiner  Rechte,  der  Kämpfer  für  das 
Werden  und  Gedeihen  der  Städte  und  mit  ihnen  des 
Reiches  in  den  wuchtigen  Riesenstandbildern  ver- 
körperte, welche  die  Märkte  der  norddeutschen  Niede- 
rungen als  weithin  ragende  Wahrzeichen  schmücken. 
Insbesondere  bei  einem. Denkmal  für  die  alte  Hanse- 
stadt Hamburg  hatten  diese  Beziehungen  volle  Be- 
rechtigung, weil  in  Hamburg  Fürst  Bismarck  schon 
bei  Lebzeiten  in  Beziehung  zu  dem  sagenhaften  Pala- 
din Karls  des  Grossen  gebracht  wurde,  weil  man  ihn 
hier  schon  im  Jahre  1887  als  den  „neuen  Roland  des 
neuen  Reiches“  bezeichnete  und  wo  seitdem  und  be- 
sonders nach  seinem  Tode  sein  Bild  in  dieser  Ge- 
stalt fortlebte. 

Es  hat  nun  bei  der  kritischen  Veranlagung  der 
Deutschen,  die  sich  auch  dem  Besten  und  Schönsten 
gegenüber  äussert,  nicht  an  Einwendungen  gegen  die 
erwähnte  Gedankenverbindung  und  die  symbolische, 
stilisirte  Auffassung  des  Kanzler-Denkmales  gefehlt. 


Zum  siebenzigsten  Geburtstage  Wilh.  Böckmann’s. 

I^^lm  29.  Januar  d.  J.  vollendet  Baurath  Wilhelm  Böck- 
15^^  mann  in  Berlin  sein  siebenzigstes  Lebensjahr.  Die 
I Feier  dieses  Tages  wird  nicht  im  engeren  Kreise 
seiner  Freunde  und  Fachgenossen  sich  abspielen;  denn 
zu  gross  ist  die  Zahl  derjenigen,  die,  ausserhalb  desselben 
stehend,  dem  Jubilarin  Anhänglichkeit  und  Verehrung  sich 
verpflichtet  fühlen  und  ihren  Antheil  an  dem  Zoll  der 
Ehrungen  beanspruchen,  der  ihm  aus  solchem  Anlass  ge- 
widmet werden  soll.  Es  wird  zu  diesem  Zwecke  vielmehr 
ein  Fest  grösseren  Stils  im  Zoologischen  Garten  stattfin- 
den, das  in  seinen  Darbietungen  vermuthiich  die  eigen- 
artigste Huldigung  werden  dürfte,  die  jemals  einem  Archi- 
tekten zutheil  geworden  ist. 

Aber  wenn  die  Fachgenossenschaft  bei  dieser  öffent- 
lichen Feier  auch  in  den  Hintergrund  treten  sollte,  so 
werden  ihre  Gedanken  an  jenem  Tage  doch  in  ganz  be- 
sonderer Art  um  Wilhelm  Böckmann  verweilen,  dem  sie 
für  das,  was  er  in  seiner  Lebensarbeit  für  sie  gethan,  auf- 
richtigen Dank  schuldet.  Und  unsere  Pflicht  ist  es,  diesen 
Gedanken  wenn  auch  nur  kurze  Worte  zu  leihen. 

Es  kann  sich  hier  nicht  darum  handeln,  ein  vollstän- 
diges und  chronistisch  getreues  Lebensbild  Böckmann’s  zu 
liefern.  Und  zwar  um  so  weniger,  als  der  Haupttheil 
seiner  Berufsthätigkeit,  seine  Arbeit  innerhalb  der  Archi- 
tekten-Firma  Ende  & Böckmann,  mit  derjenigen  seines 
Freundes  und  Genossen  Hermann  Ende  zusamraenfällt, 
die  an  dieser  Stelle  schon  vor  3 Jahren  — bei  Gelegen- 
heit von  dessen  70.  Geburtstage  — geschildert  worden  ist. 
Die  Begründung  jener  Firma  fällt  in  das  Jahr  1860.  Böck- 
mann, der  als  Sohn  eines  hochverdienten  Schulmannes  zu 
Elberfeld  geboren  ist  und  nach  Vollendung  seiner  Studien 
auf  der  Berliner  Bauakademie  Ende  der  fünfziger  Jahre  die 


Baumeister-Prüfung  bestanden  hatte,  ist  demnach  schon  im 
Alter  von  28  Jahren  in  seine  selbständige  Wirksamkeit 
eingetreten. 

Wie  sich  diese  im  einzelnen  gestaltet  und  in  welchem 
Verhältniss  sie  zu  derjenigen  Ende’s  gestanden  hat,  ent- 
zieht sich  selbstverständlich  der  Kenntniss  jedes  Dritten. 
Böckmann,  der  der  Künstlerschaft  seines  Freundes  noch 
heute  die  höchste  Bewunderung  zollt,  hat  zwar  an  dem  künst- 
lerischen Verdienst  der  aus  ihrem  Atelier  hervorgegan- 
genen Werke  niemals  einen  Antheil  beansprucht  und  sich 
damit  zufrieden  gegeben,  dass  die  Volksstimme  ihn  ledig- 
lich als  den  Vertreter  des  technischen  und  geschäftlichen 
Gebietes  bezeichnete.  Wie  indessen  Ende  an  letzterem 
keineswegs  unbetheiligt  blieb,  so  ist  wohl  anzunehmen,  dass 
Böckmann,  der  schon  durch  seinen  Sieg  bei  dem  Schinkel- 
fest-Wettbewerb  des  Jahres  1858  seine  architektonische 
Befähigung  dargethan  hatte,  auch  auf  die  Konzeption  und 
die  künstlerische  Gestaltung  der  von  der  Firma  entworfenen 
und  ausgeführten  Bauten  nicht  ohne  Einfluss  geblieben  ist. 
War  es  ihm  doch  — nicht  gegenüber  seinem  Genossen, 
wohl  aber  gegenüber  jenen  Zweiflern  an  seiner  Bethätigung 
als  Architekt  — eine  gewisse  Genugthuung,  dass  der  Sieg, 
den  die  Firma  bei  dem  öffentlichen  Wettbewerbe  i.  J.  1887 
um  Entwürfe  für  das  „Deutsche  Haus“  in  Brünn  errungen 
hatte,  aufgrund  eines  von  ihm  angegebenen  Entwurfes  er- 
folgte, während  sein  Freund  Ende  in  Japan  weilte.  Jedenfalls 
wäre  es  ungerecht,  alle  Ehren,  die  den  aus  ihrer  gemein- 
samen Thätigkeit  liervorgegangeneh  Werken  gespendet 
werden,  auf  diesen  allein  zu  häufen. 

Vornehmlich  eine  Eigenschaft  hat  Böckmann  als  Mit- 
inhaber der  Firma  auf  das  unzweifelhafteste  zur  Geltung 
gebracht:  sein  organisatorisches  Talent,  das  seiner 
ungewöhnlichen  kaufmännischen  Begabung  zum  mindesten 

(FortsetzuDg-  auf  Seite  44.) 


No.  7. 


Die  Bestimmung  der  unter  dem  Namen  Roland- 
säulen, auch  Rulandssäulen  oder  Rutlandsbilder 
die  Märkte  der  Städte  der  norddeutschen  Tiefebene 
schmückenden,  vielfach  roh  gearbeiteten,  fast  immer 
streng  und  linkisch  stilisirtcn  steinernen  Bildsäulen, 
wie  sie  sich  in  Bremen,  Magdeburg,  Nordhausen,  Halle, 
Brandenburg,  Perleberg,  Stendal  und  an  zahlreichen 
kleineren  Orten  finden,  und  wie  sie  auch  Berlin  be- 
sessen haben  soll,  ist,  so  vielseitig  die  Forschung  an 
sie  herangetreten  ist,  noch  nicht  mit  Sicherheit  fest- 
gestellt. Dass  sie  Zeichen  der  Gerichtsbarkeit  waren 
oder  die  Reichsfreiheit  einer  Stadt  zum  Ausdruck 
bringen  sollten,  lässt  sich  nicht  nachweisen;  für  wahr- 


scheinlicherwird gehalten,  dass  sie  alssichtbareZeichen 
des  Marktrechtes  der  Städte,  auf  deren  Markt  sie  sich 
erhoben,  galten.  Wie  sic  bei  dieser  Bedeutung  zu 
dem  Namen  des  Helden  Roland  der  Karlssage  kommen, 
ist  noch  weniger  erforscht,  wie  ihre  Bedeutung  an 


sich.  Wie  weit  der  Held  aus  Einhards  „vita  Caroli 
Magni“  mit  diesen  Ueberresten  mittelalterlichen  Städte- 
wesens zusammenzubringen  ist,  ist  heute  um  so  weniger 
mehr  nachzuweisen,  als  die  Säulen  thatsächlich  auf 
weit  zurückliegende  Zeiten  zurückzugehen  scheinen, 
wofür  die  rohe  und  steife  Form,  die  an  uralte  Götzen- 
bilder erinnert,  spricht.  Diese  Erinnerung  in  Verbin- 
dung mit  der  Rolandssage  ist  es,  durch  welche  die 
Säulen  ihre  mythische  Bedeutung  erlangt  haben  und 
durch  welche  sie  in  das  moderne  Denkmalwesen  für 
nicht  alltägliche  Vorwürfe  eingeführt  wurden. 

Die  wahrscheinlichere  Bedeutung  der  Rolands- 
säulen als  Marktzeichen  ist  es  nun,  welche  Hamburger 
Gelehrtenkreise  zu  einemW^iderstand  gegen 
die  Form  des  an  erster  Stelle  preisgekrön- 
ten Bismarck  - Denkmales  veranlasst  hat. 
Man  meint,  ihre  Entstehung  weise  auf  die 
Zeit  der  sächsischen  Könige  und  auf  die 
Freiheiten  und  Privilegien  hin,  welche  die 
Ottonen  den  sächsischen  Städten  verliehen 
haben.  Eine  Rolandssäule  verherrliche  die 
königlicheVerleihung  des  Stadtrechtes,  der 
eigenen  Gerichtsbarkeit,  der  Marktgerech- 
tigkeit, der  städtischen  Unverletzlichkeit. 
In  dieser  Bedeutung  sei  die  Säule  kaum 
ein  künstlerisches  Motiv  für  ein  Bismarck- 
denkmal. Auch  in  der  Verbindung  mit  dem 
Helden  von  Roncesvales  sei  sie  für  diesen 
Zweck  nicht  verwerthbar.  „Denn  eine 
solcheVerwerthung  beruht  auf  einer  durch- 
aus künstlichen,  der  historischen  Logik  ent- 
behrenden Vorstellung  und  sie  würde,  trotz 
aller  künstlerischen  Schönheit  in  der  Aus- 
führung, auf  einem  dem  Denken  des  deut- 
schen Volkes  zugemutheten  Trugschlüsse 
ihre  Grundlage  haben“.  Wie  doch  die  un- 
ergründliche deutsche  Gelehrsamkeit  sich 
selbst  aller  Genüsse  berauben  kann!  Statt 
glücklich  darüber  zu  sein,  dass  eine  Denk- 
malform gefunden  ist,  in  welche  das  Volk 
seit  Jahrhunderten  gewöhnt  war,  etwas 
Ausserordentliches  zu  legen;  statt  in  freu- 
diger Zustimmung  mit  dazu  beizutragen, 
dass  die  glücklich  gefundene  schöne,  eigen- 
artige, dem  Denkmalinhalte  gerecht  wer- 
dende Denkmalform  vor  allen  Fährlichkeiten 
bewahrt  zur  Ausführung  gelange;  statt 
sich  dieses  nicht  gewöhnlichen  Gewinnes 
unserer  modernen  Kunstübung  mit  voller 
spekulationsloser  Hingabe  zu  freuen,  ver- 
mag es  eine  allzu  kritische  Gelehrsam- 
keit, in  den  entlegensten  Gebieten  die  Be- 
weise dafür  zusammen  zu  suchen,  dass  der 
logische  Zusammenhang  zwischen  dem  Ge- 
danken der  Denkmalform  und  der  beab- 
sichtigten Ehrung  nicht  vorhanden  ist.  Als 
ob  die  Volksmassen,  die  am  Denkmal  jetzt 
und  nach  Jahrhunderten  vorüberfluthen, 
sich  Rechenschaft  über  die  stilistische  Rich- 
tigkeitdesselbenablegten!  ln  gleicherweise 
wie  man  schon  im  15.  und  16.  Jahrhundert 
die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Roland- 
säulen nicht  mehr  kannte,  sondern  in  ihnen 
nur  Wahrzeichen  aus  einer  glücklichen  Ver- 
gangenheit ehrte,  wird  man  in  der  Bismarck- 
säule lediglich  das  ehrfurchtgebietende  Denkmal  sehen, 
welches  einem  Helden  aus  grosser  Zeit  in  dankbarer 
Gesinnung  gesetzt  wurde.  Darum  möge  unbeirrt  von 
allen  gelehrsamen  Ausgrabungen  der  Entwurf  „Dankes- 
opfer“ bald  Gestalt  gewinnen!  — (Schluss  folgt) 


Entwurf  „Abiit  non  obiit“  der  Hrn.  Prof.  Bruno  Schmitz  in  Charlottenburg 
^und  Prof.  Chr.  Behrens  in  Breslau.  Ein  III.  Preis. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 
Mecklenburg.  Arch.-  u.  Ingen.-Vereln  in  Schwerin.  Ver- 
sammlung vom  12.  Okt.  1901;  anwes.  12  Mitgl,  Vors.  Hr. 
Brth.  Loycke.  Der  Schriftführer,  Bauinsp.  Brüssow,  trug 
den  Bericht,  der  Kassenführer,  Ob.-Maschinenmstr.  D o d e 11, 
die  Rechnungsablage  über  das  verflossene  Vereinsjahr  vor. 
Baudir.  Hübbe  berichtete  über  den  Erfolg  der  von  ihm  mit 

22.  Januar  1902. 


dem  Vorstande  der  grossh.  Regierungs-Bibliothek  wegen 
Uebernahme  und  Verwaltung  der  dem  Vereine  gehörigen 
Druckwerke  geführten  Verhandlungen,  welche  zu  einem 
Vertragsentwürfe  geführt  haben,  der  die  endgiltige  Geneh- 
migung der  Versammelten  fand;  die  einheimischen  wie  aus- 
wärtigen Mitglieder  des  Vereins  können  diese  Druckwerke 
fortan  gleich  den  übrigen  Büchern  der  Bibliothek  von  deren 
Verwaltung  unter  den  üblichen  Bestimmungen  entleihen. 


43 


Vom  Vorstande  wird  der  Abschluss  der  Verträge  mit  dem 
„Allgemeinen  deutschen  Versicherungs-Verein“  in  Stuttgart 
wegen  Versicherung  von  Vereins-Mitgliedern  gegen  Haft- 
pflicht und  Unfall  unter  Vorzugs-Bedingungen  zur  Kenntniss 
gebracht.  Nachdem  Landbmstr.  Dreyer  Bericht  über  die 
Verbands-Versammlung  in  Königsberg  i.  Pr.  erstattet  hatte, 
entspann  sich  eine  längere  Erörterung  über  das  Bismarck- 
Denkmal  in  Hamburg.  — 

Am  9.  Nov.  tpoi  gedachte  die  Versammlung  des  ver- 
storbenen Mitgl.  Baudir.  Oppermann-Schwerin,  und  hörte 
einen  Vortrag  des  Hrn.  Baudir.  Hübbe  über  die  „Ver- 
kehrs-Erschwerungen in  städtischen  Strassen“, 
und  zwar  durch  Anlagen  in  und  an  den  Strassen  und  durch 
die  Ungeschicklichkeit  der  zu  Fuss,  Ross  und  Wagen  ver- 
kehrenden Menschen.  — 

Am  14.  Dez.  1901  hielt  unter  Hrn.  Loycke’s  Vorsitz 
Hofbmstr.  Liss  einen  durch  eine  reichhaltige  Sammlung 
von  Photographien  iUustrirten  Vortrag  über  seine  im  letzten 
Sommer  ausgeführte  Studienreise  zur  PariserWelt- 
ausstellung  und  den  französischen  Schlössern  an  der 
mittleren  Loire  (Blois,  Chambord,  Cheverny,  Chaumont, 
Amboise,  Chenonceau,  Azai  le  Rideau),  sodann  nach  Fon- 
tainebleau und  nach  der  Stadt  Rouen.  — 

Am  II.  Jan.  1902  wurden  unter  Hrn.  Loycke’s  Vorsitz 
Kommissionen  zur  Vorbereitung  der  Beantwortung  der 
Verbandsfragen  wegen  der  „Gebühren  der  Architekten 
und  Ingenieure  als  gerichtliche  Sachverständige“  aus  den 
Hrn.  Hamann,  Hennemann  und  Dodell,  und  wegen 
der  „Stellungnahme  der  Techniker  zur  Frage  der  Be- 
schaffung billiger  Wohnungen“  aus  den  Hrn.  Plenne- 
mann,  Hübbe  und  Wohl  brück  ernannt  und  vom  Schrift- 
führer Hübbe  mitgetheilt,  dass  über  die  Verwendung 
einzelner  Druckwerke  des  Vereins,  welche  auf  der  Re- 
gierungs-Bibliothek bereits  vorhanden  seien,  demnächst 
noch  Beschluss  zu  fassen  sein  werde.  — H. 


Vermischtes. 

Plastische  Malerei.  Der  Kunstmaler  Herrn.  Schudt 
aus  Frankfurt  a.  M.  hat  ein  Verfahren  zur  Herstellung 
plastischer  Malerei  und  stuckähnlich  farbiger  Verzierungen 
erfunden,  welches  in  allen  Kulturstaaten  patentirt  ist.  Das 
Verfahren  besteht  darin,  dass  eine  besondere,  weiche 
Masse,  welche  schon  nach  24  Stunden  zu  Stein  erhärtet, 
ohne  rissig  oder  spröde  zu  werden,  angetragen  wird.  Zur' 
Formgebung  dient  ein  Füllmittel  aus  präparirter  Schnur. 
Die  Masse  hat  die  Eigenschaft,  dass  sie  sich  mit  jeder 
Unterlage,  gleichviel  ob  Putz,  Stein,  Marmor,  Holz,  Eisen 
oder  insbesondere  Glas  unlösbar  verbindet,  sodass  den 
nach  dieser  Technik  ausgeführten  Arbeiten  grosse  Dauer- 
haftigkeit zugesprochen  wird;  auch  sollen  Witterungsein- 
einflüsse auf  die  Masse  ohne  schädliche  Einwirkung  sein. 
Die  Technik  ist  eine  sehr  einfache.  Nehmen  wir  an,  es 
soll  eine  Zimmerdecke  ornamentalen  Schmuck  erhalten, 

die  Wage  hält  und  dem  die  von  beiden  Genossen  erzielten 
thatsächlichen  Erfolge  wohl  ebenso  zu  danken  sind,  wie 
dem  künstlerischen  Schaffen  Ende’s.  Wenn  dieser  es  bei 
seinem  Jubiläum  als  das  grösste  Glück  seines  Lebens  pries, 
dass  ihm  auf  seinem  Wege  ein  Freund  wie  Böckmann 
zurseite  gestanden  habe,  so  hat  er  damit  sicherlich  seiner 
innigsten  Ueberzeugung  Worte  geliehen.  Wer  mit  Böck- 
mann’s  geschäftlicher  Thätigkeit  jemals  in  Berührung  ge- 
kommen ist,  wird  es  würdigen,  was  dieser  kraft  jenes 
Talentes  geleistet  hat;  wie  er  mit  klarem  Blick  jederzeit 
die  verwickeltsten  Verhältnisse  zu  überschauen,  wie  er  — 
sein  Ziel  im  Auge  — günstige  Bedingungen  zu  benutzen, 
schädliche  Einflüsse  abzuwehren,  wie  er  die  richtigen 
Kräfte  an  der  rechten  Stelle  zu  verwenden  wusste.  Eine 
glänzende  Probe  hierfür  hat  er  ausserhalb  seines  Berufes 
als  Architekt  insbesondere  als  Gründer  und  Leiter  mehrerer 
Terrain-Gesellschaften,  sowie  noch  in  jüngster  Zeit  als 
Vorstand  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin  erwiesen, 
dessen  glänzende  Neugestaltung  sein  Werk  ist. 

Doch  wieviel  er  auch  immer  durch  seine  Berufsthätig- 
keit  und  die  infolge  derselben  erlangte  äussere  Stellung 
zur  Erhöhung  des  Ansehens  der  Fachgenossenschaft  mittel- 
bar beigetragen  haben  mag,  so  fällt  für  diese  an  seinem 
Ehrentage  doch  noch  mehr  das  ins  Gewicht,  was  er  durch 
sein  gemeinnütziges  Wirken  innerhalb  desFaches 
gethan  hat.  Und  seine  Verdienste  in  dieser  Beziehung  sindso 
gross,  dass  sie  wohl  mit  denen  jedes  anderen  hervorragenden 
deutschen  Architekten  oder  Ingenieurs  sich  messen  können. 
Niemals  hat  Böckmann,  wie  so  manche  Andere,  den  Inter- 
essen seiner  Fachgenossen  gleichgiltig  gegenüber  gestanden, 
auch  wenn  ihn  diese  persönlich  nicht  berührten.  Ein 
eifriges  Mitglied  des  „Berliner  Architekten-Vereins“  und  Mit- 
begründer der  aus  diesem  hervorgegangenen  „Vereinigung 
Berliner  Architekten“,  hat  er  sich  keiner  Aufgabe  entzogen. 


so  wird  die  Zeichnung  nach  dem  Entwurf  an  Ort  und 
Stelle  auf  die  glatt  geputzte  Decke  aufgepaust.  Der  Aus- 
führende legt  nun  mit  der  mit  Masse  getränkten  Schnur, 
der  Zeichnung  folgend,  die  Kontur  und  füllt  die  breiteren 
Stellen  mit  Masse  aus,  sie  mit  einem  Spachtel  glättend. 
Die  Arbeit  nach  dieser  Technik  wird  als  schneller  be- 
zeichnet, als  die  der  bisherigen  Antrage-Technik,  weshalb 
die  Ausführungen  auch  im  Preise  wesentlich  niedriger 
sein  sollen.  Aehnlich  wie  die  Flächen  der  Innenräume 
lassen  sich  dieFlächen  von  kunstgewerblichen  Ausstattungs- 
stücken behandeln.  Die  Technik  wird  unter  dem  Titel 
„Plastische  Malerei“  G.  m.  b.  H.,  Bernburgerstr.  14,  Berlin, 
verwerthet.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Künstler.  Die  kgl.  Akademie 
der  schönen  Künste  in  Stockholm  hat  Hrn.  Geh.  Brth, 
Prof.  Dr.  P.  Wallot  in  Dresden  zum  „membre  actif  de 
la  classe  des  etrangers“  ernannt.  — 

Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Kaiserin  Elisabeth- 
Denkmal  in  Budapest.  Für  dieses  Denkmal,  für  welches 
eine  hohe  Summe  aufgebracht  wurde,  wurde  unter  unga- 
rischen Künstlern  ein  Wettbewerb  ausgeschrieben,  der 
am  22.  d.  M.  abläuft  und  zu  welchem  die  Betheiligung  von 
10  Künstlern  erwartet  wird.  Da  das  Denkmal  anstelle  des 
Hentzi-Denkmales  in  der  Nachbarschaft  der  Ofener  Königs- 
burg errichtet  werden  wird,  so  lud  man  den  Architekten 
der  Neubauten  der  Königsburg,  Hausmann,  ein,  in  das 
Preisgericht  einzutreten,  und  berief  ausserdem  als  aus- 
wärtige Preisrichter  den  Architekten  Prof.  Bruno  Schmitz 
in  Berlin  und  die  Bildhauer  Aug.  Bartholdi  in  Paris,  so- 
wie Jos.  Lambeaux  in  Brüssel.  — 

Zu  einem  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Distrikts- 
Krankenhaus  in  Pasing  liefen  15  Arbeiten  ein.  Den  I.  Preis 
von  600  M.  errang  der  Entwurf  „Mit  Gott“  des  Hrn.  Josef 
Sibitz  in  Pasing;  den  II.  Preis  von  400  M.  der  Entwurf 
„Licht  und  Luft“  der  Hrn.  Müller&Kollmusin  München. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  J.  N.  B.  in  W.  Der  Umstand,  dass  Ihr  Hr.  Kollege 
Schweizer  ist,  könnte  bei  dem  Wettbewerb  zu  einer  formalen  Be- 
anstandung führen.  Wenn  Sie  daher  gemeinsam  arbeiten  wollen, 
so  wird  nichts  anderes  übrig  bleiben,  als  dass  nur  der  Name  des 
deutschen  Bewerbers  genannt  wird.  — 

Hrn.  Stdtbmstr.  Br.  in  Beuthen.  Wir  müssen  Sie  bitten, 
Ihre  Anfrage  unmittelbar  an  den  Patentinhaber  oder  an  das  Kais. 
Patentamt  in  Berlin  za  richten.  — 


Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bis- 
marck-Denkmal in  Hamburg  (Fortsetzung).  — Zum  siebenzigsten.  Geburts- 
tage Wilh.  Böckmanns.  — Mittheilungeii  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — 
Preisbewerbnngen.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


die  an  ihn  in  dieser  Beziehung  herantrat.  Wiederholt  hat  er 
durch  längere  Zeit  den  Vorsitz  des  Architekten-Vereins  ge- 
führt. Auch  an  der  Gründung  des  Verbandes  deutscher  Ar- 
chitekten- und  Ingenieur-Vereine  war  er  in  hervorragender 
Weise  betheiligt;  er  hat  als  erster  an  dessen  Spitze  ge- 
standen und  später  noch  mehrfach  den  Abgeordneten- 
Versammlungen  desselben  angehört.  Und  wenn  es  etwas 
zu  erkämpfen  galt,  was  er  als  Fortschritt  des  Faches  an- 
sehen  zu  müssen  glaubte,  so  hat  er  stets  in  der  vordersten 
Reihe  der  Kämpfer  gestanden  und  weder  Mühe  noch  Opfer 
gescheut,  um  der  von  ihm  vertretenen  Sache  den  Sieg 
zu  sichern,  für  den  seine  Mitwirkung  nicht  selten  ent- 
scheidend war.  Sein  offenes  Herz  für  die  akademische 
Jugend  des  Faches  hat  dem  „Motiv“  erst  jüngst  die  Gründung 
eines  „Motivhauses“  eingetragen.  — 

Zuletzt,  aber  mit  besonders  warmem  Danke,  sei  der 
BetheiligungBöckmann’sanderGründungder,^  Deutschen 
Bauzeitung“  gedacht.  Unter  den  7 Fachgenossen,  die 
sich  im  Dezember  1866  zur  Herausgabe  des  „Wochen- 
blattes, herausgegeben  von  Mitgliedern  des  Architekten- 
Vereins  zu  Berlin“  entschlossen,  war  er  nicht  nur  an 
Jahren  der  Aelteste,  sondern  zugleich  der  Einzige,  dessen 
Name  sich  nach  aussen  hin  schon  eines  gewissen  An- 
sehens erfreute.  Dank  diesem  Ansehen  und  seinem  ge- 
schäftskundigen Rathe  gelang  es  uns,  schneller  Boden  zu 
gewinnen,  als  wir  sonst  wohl  hätten  hoffen  dürfen.  Er 
hat  uns  in  den  verflossenen  35  Jahren  nicht  nur  als  Mit- 
arbeiter unterstützt,  sondern  dem  Gedeihen  unseres  Unter- 
nehmens fortdauernd  sein  regstes  persönliches  Interesse 
gewidmet.  Noch  heute  steht  er  als  Vorsitzender  an  der 
Spitze  unserer  Gesellschaft. 

Möge  er  uns  und  der  deutschen  Fachgenossenschaft 
noch  lange  erhalten  bleiben!  — p 


44 


No.  7. 


AUZEITUNG. 

GANG.  ^ * NO-  8.  ^ 
DEN  25.  JAN.  1902.  * 


Entwurf  „Unser  Stolz".  Architekt:  William  Müller  in  Berlin.  Ein  II.  Preis. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bismarck -Denkmal 

in  Hamburg. 

(Fortsetzung  statt  Schluss)  Hierzu  die  Abbildungen  in  No.  9. 


ie  Verfasser  des  mit  einem  II.  Preise  gekrön- 
ten Entwurfes  „Granit“,  die  Hrn.  Bildhauer 
E.  Beyrer  jun.  und  Arch.  Fr.  Rank  in 
München,  haben  den  Versuch  unternommen, 
das  Denkmal  als  geschichtete  Kolossal-Figur 
des  Kanzlers  aufzufassen  und  diese,  welche  in  das 
Zeitkostüm  gekleidet  ist,  so  weit  von  dernaturalistischen 


Behandlung  zu  entfernen,  also  zu  stilisiren,  dass  die 
technische  Möglichkeit  für  das  Herausarbeiten  aus  dem 
geschichteten  Stein-Aufbau  gegeben  ist.  Der  Versuch 
ist  interessant  und  fand  auch  die  Anerkennung  des  Preis- 
gerichtes, w'elches  „die  kraftvoll  schlichte  und  charakte- 
ristische Gestalt  Bismarcks“  als  „gut  gedacht  in  ihrer 
massigen  Behandlung  und  Eigenart  für  Quaderbau“ 


Zur  Erinnerung  an  Eduard  Jacobsthal. 

(Schluss.) 

Ig^^o  der  äussere  Verlauf  eines  Lebens,  das  nach  dem 
alten  Psalmisten-Worte  „köstlich“  gewesen  ist,  weil 
es  von  rastloser  Mühe  und  Arbeit  erfüllt  war  und 
dem  es  auch  an  köstlichen  Früchten  nicht  gefehlt  hat. 

Wie  verlautet,  betrachtet  es  die  Architektur- Abtheilung 
der  Technischen  Hochschule,  deren  Zierde  Jacobsthal  war, 
als  ihre  Ehrenpflicht,  eine  Ausstellung  der  von  diesem 
hinterlassenen  architektonischen  und  kunstgewerblichen 
Entwürfe  und  Aufnahmen,  sowie  der  unter  seiner  Leitung 
entstandenen  Schülerarbeiten  zu  veranstalten.  Ein  Unter- 
nehmen, wie  es  s.  Z.  auf  Anregung  des  Verstorbenen  dem 
künstlerischen  Nachlasse  Hermann  Spielbergs  gewidmet 
worden  ist,  das  aber  in  diesem  Falle  noch  grösseren  Er- 
folg verspricht,  weil  einerseits  die  Thätigkeit  Jacobsthals 
eine  weit  umfassendere  war  und  weil  andererseits  ein 
namhafter  Theil  seiner  Arbeiten  bereits  von  ihm  selbst 
auf  einzelnen  Kunstausstellungen  vorgeführt,  also  in  eine 
für  diesen  Zweck  geeignete  Form  gebracht  worden  ist. 
Wir  dürfen  demnach  hoffen,  in  dieser  mit  wärmstem  Dank 
zu  begrüssenden  Ausstellung  ein  Bild  von  dem  Lebens- 
werk des  Meisters  zu  erhalten,  das  sein  Streben  und  Kön- 
nen wie  seine  Bedeutung  für  den  Zeitabschnitt,  dem  er 
angehörte,  in  überzeugender  Weise  auch  denen  klar  machen 
wird,  die  bisher  keine  Gelegenheit  hatten,  ihn  näher  ken- 


nen zu  lernen.  Sogar  denen,  die  ihn  kannten,  dürfte  eine 
solche  Ausstellung  manches  Neue  bringen,  da  nicht  wenige 
seiner  Arbeiten  bisher  im  Verborgenen  geblieben  sind. 
Freilich  steht  für  sie  jenes  Bild  schon  längst  fest  und  kann 
höchstens  durch  einige  Züge  bereichert  und  vervoll- 
ständigt werden.  — 

Die  Fachgenossen,  welche  ihren  akademischen  Studien 
nicht  auf  der  Berliner  Hochschule  obgelegen  haben  und 
die  weiteren  Kreise  des  Volkes,  soweit  diese  überhaupt 
an  künstlerischen  Angelegenheiten  Intere.sse  nehmen,  haben 
in  Jacobsthal  zunächst  nur  den  Architekten  gesehen 
und  ihr  Urtheil  über  ihn  nach  den  von  ihm  ausgeführten 
oder  veröffentlichten  Bauten  sich  gebildet.  Bei  einer 
Würdigung  seiner  künstlerischen  Persönlichkeit,  wie  sie 
mir  nunmehr  obliegt,  muss  daher  diese  Seite  seiner  Thätig- 
keit voran  gestellt  werden,  obwohl  sie  keineswegs  die  be- 
deutendere ist.  Sie  konnte  dies  schon  aus  dem  Grunde 
nicht  sein,  weil  es  ihm  niemals  vergönnt  gewesen  ist,  mit 
einer  Aufgabe  ersten  Ranges  betraut  zu  werden  und  der 
Lösung  einer  solchen  in  voller  Müsse,  mit  Einsetzung 
seiner  ganzen  Kraft  sich  hinzugeben.  Doch  werden  auch 
seine  nächsten  Freunde,  die  gewiss  geneigt  sind,  seinen 
Leistungen  die  grösste  Werthschätzung  angedeihen  zu 
lassen,  sich  nicht  verhehlen  dürfen,  dass  ihm  durch  die 
besondere  Art  seiner  Begabung  und  die  Einflüsse,  die  für 
seine  Entwicklung  bestimmend  gewesen  sind , gewisse 
Schranken  gesetzt  waren,  welche  ihm  die  Erreichung 


45 


und  die  Zeittracht  als  für  diesen  Zweck  geschickt  ver- 
wendet erklärte.  Nicht  gleichen  Beifall  fand  der  archi- 
tektonische Theil  des  Entwurfes. 

Auf  einen  Gedanken,  den  Schinkel  bei  dem  Grab- 
denkmal für  den  General  Scharnhorst  verwendete,  den 
auf  einem  stelenartigen  Pfeiler  lagernden  Löwen,  geht 
der  zweite  mit  einem  II.  Preis  gekrönte  Entwurf,  der 
Entwurf  „Unser  Stolz“  des  Hrn.  Arch.  William  Müller 
in  Berlin,  mit  dem  Unterschiede  zurück,  dass  die 
Maassverhältnisse  des  Pfeilers  in  das  thurraartige  ge- 
steigert und  derselbe  in  seinen  unteren  Theilen  mit 
umfangreichen  architektonischen  Anlagen  umgeben 
ist.  Das  Preisgericht  war  der  Meinung,  dass  „die 
Mächtigkeit  und  Einfachheit  des  Aufbaues,  die  einheit- 
liche Anordnung  des  Grundrisses,  die  reizvolle,  vor- 
nehm empfundene  Verbindung  der  Brunnenanlage  mit 
den  ernsten  Massen  des  Denkmal-Unterbaues,  sowie 
die  maassvolle  und  geschickte  Anwendung  von  Platt- 
formen in  verschiedenen  Höhen  der  Denkmalsanlage“ 
dem  Entwurf  einen  besonderen  Werth  verleihen,  ein 
Urtheil,  dem  man  sich  wohl  anschliessen  kann.  Mit 
gleicher  Anerkennung  gedenkt  das  Preisgericht  des 
Gedankens,  „das  grosse  Werk  des  Reichskanzlers 
durch  die  Gestalt  eines  gewaltigen  Löwen  zu  versinn- 
bildlichen“; der  Verfasser  fügt  hinzu:  „mit  stolz  ge- 
hobenem Haupte“,  den  Blick  auf  die  Lebensader  Ham- 
burgs, auf  die  Elbe  gerichtet.  Die  Charakterisirung 
des  Denkmals  als  eines  Bismarck-Denkmals  erfolgt 
durch  das  an  dem  oberen  Thcile  der  Vorderseite  an- 
gebrachte Medaillonbild  des  Fürsten.  Der  Urheber 
dieses  Entwurfes,  welcher  sich  schon  bei  dem  Wett- 
bewerb um  Entwürfe  zu  Bismarck- Säulen  der  deut- 
schen Studentenschaft  auszeichnete,  arbeitete  unter 
Alfr.  Messel,  Otto  Rieth  und  Ludwig  Hoffmann.  Wir 
geben  seinen  schönen  Entwurf  vorstehend  wieder. 

Der  Vorzug  des  dritten,  an  zweiter  Stelle  preis- 
gekrönten Entwurfes,  des  Entwurfes  „Vom  Fels  zum 
Meer“  des  Hrn.  Bildh.  Hans  Hundrieser  in  Char- 
lottenburg, liegt  in  der  trefflich  modellirten  Kolossal- 
gestalt des  Fürsten,  die  der  Pose  nicht  ganz  entbehrt, 
diese  aber  nicht  in  einem  Umfange  zeigt,  dass  der 
Ernst  und  die  Grösse  der  Gestalt  beeinflusst  würden. 

Es  ist  ein  leidiges  Schicksal,  welches  bei  unseren 
Wettbewerben  immer  wiederkehrt,  dass  Entwürfe  von 
besonderer  Eigenart  eist  hinter  Arbeiten  zur  A.ner- 
kennang  gelangen,  welche  sich  von  einem  gewissen 
überlieferten  Durchschnittsgedanken  nicht  allzuweit 
entfernen.  So  musste  die  Gruppe  der  drei  Entwürfe, 


welche  durch  einen  dritten  Preis  ausgezeichnet  wurden, 
es  sich  gefallen  lassen,  dass  sie  erst  hinter  den  Ent- 
würfen „Granit“  und  „Vom  Fels  zum  Meer“,  welche 
in  ihrer.  Form  keineswegs  der  eigenartigen  Bedeu- 
tung des  Denkmalgedankens  gerecht  werden,  zur  Aus- 
zeichnung gelangten.  Es  verdient  die  Aufmerksamkeit 
auf  die  erkennbar  wärmere  Anerkennung  hingewiesen 
zu  werden,  welche  die  Verhandlungsschrift  der  letztge- 
nannten Gruppe  von  Entwürfen  zutheil  werden  lässt. 
Von  dem  schönen  Entwurf  „Faust  II“  des  Hrn.  Arch. 
Wilhelm  Kreis  in  Dresden,  den  wir  S.  41  Wieder- 
gaben, hatte  das  Preisgericht  den- Eindruck  gewonnen, 
dass  er  unter  den  rein  architektonischen  Lösungen 
„durch'  imposante  Einfachheit  des  Grundrisses  und 
feierliche  "Würde  des  Aufbaues“  hervorrage.  Jedoch 
erwecke  „der  fast  finstere  Ernst  des  Inneren  wie  des 
Aeusseren“  mehr  den  Eindruck  eines  Mausoleums,  wie 
den  der  vom  Verfasser  beabsichtigten  Ruhmeshalle. 
Ist  der  Eindruck  wirklich  so  finster?  Nach  Berührung 
einiger  architektonischer  Beanstandungen  erklärt  die 
Verhandlungsschrift:  „Im  übrigen  ist  die  gewaltige, 
durch  die  einfachsten  architektonischen  Mittel  erreichte 
Wirkung,  die  Vermeidung  überlieferter  Form  und  das 
Fernhalten  allen  rein  dekorativen  Beiwerkes  nicht 
genug  zu  loben“.  Auch  der  Darstellungsweise  des 
Entwurfes  wird  mit  hoher  Anerkennung  gedacht. 

Otto  Rieth  unternahm  in  seinem  interessanten, 
in  No.  g dargestellten  Entwurf  „Dem  Gutsherrn  von 
Friedrichsruh"  den  Versuch,  einerseits  der  Bedeutung 
des  Fürsten  Bismarck  als  Nachbar  von  Hamburg  ge- 
recht zu  werden  und  diese  Eigenschaft  des  Gutsherrn 
im  Denkmal  in  zurücktretender  Weise  anzudeuten, 
den  Schwerpunkt  des  Denkmalgedankens  aber  immer- 
hin auf  das  Lebenswerk  des  Kanzlers  zu  legen.  Er 
gab  demzufolge  der  Krönung  des  Denkmals  die  „Form 
eines  gewaltigen  .Germaniahauptes,  dem  2 Genien  zur 
Seite  stehen,  welche  den  Eichenkranz  halten.  Das 
Lebenswerk  Bismarck’s,  die  deutsche  Kaiserkrone,,  das 
Ziel  seiner  Politik  und  der  Stolz  des  deutschen  Volkes, 
schliesst  die  oberste  Gruppe,  ab.“  ...Das  Preisgericht 
anerkennt  zwar  die  geschickte -Lösung  -der  Anifgabe 
und  rühmt  namentlich  den  Unterbau  mit  den  Treppen- 
läufen, führt  aber  aus,  „gegenüber  dieser  Auffassung 
Bismarck’s  als  des  Hamburg  benachbarten  Gutsherrn 
von  Friedrichsruh  tritt  jedoch  der  gewaltige  Kanzler 
und  Gründer  des  Reiches  zu  sehr  in  den  Hintergrund.“ 
Vielleicht  hat  der  Künstler  diese  Beurtheilung  seines 
so  interessanten  Entwurfes  durch  die  Wahl  seines 


der  höchsten  baukünstlerischen  Ziele  zum  mindesten  er- 
schwerten. 

In  welcher  Richtung  das  Streben  Jacobsthals  sich  be- 
wegte und  welchem  architektonischen  Glaubensbekenntniss 
er  huldigte,  lässt  sich  kaum  bezeichnender  ausdrücken, 
als  durch  die  Worte,  mit  denen  er  selbst  s.  Zt.  den  Ent- 
wicklungsgang und  die  persönliche  Eigenart  eines  seiner 
ihm  am  nächsten  stehenden  künstlerischen  Gesinnungs- 
genossen, Hermann  Spielbergs,  geschildert  hat  (Jahrg. 
1886,  S.  589  d.  BL): 

„Sein  für  edle  einfache  Schönheit  empfänglicher  Sinn 
wurde  vor  allem  durch  das  Studium  der  künstlerischen 
HinterlassenschaftSchinkels  beeinflusst;  von  seinenLehrern 
zog  ihn  am  meisten  Karl  Boetticher  an,  der  dem  Verständ- 
niss  der  Meisterwerke  griechischer  wie  mittelalterlicher 
Baukunst,  der  Vorbedingung  modernen  Kunstschaffens, 
neue  Pfade  eröffnet  hatte.  Im  engen  Anschluss  an  ihn 
und  den  Kreis  der  zu  ihm  stehenden  Fachgenossen  bildete 
er  sich  sein  künstlerisches  Ideal.  Den  damals  gewonnenen 
Anschauungen,  dass  Konstruktion,  Form  und  inneres  Wesen 
eines  Bauwerkes  nothwendig  im  Zusammenhänge  stehen 
müssen,  und  dass  vornehmlich  ein  solcher  Zusammenhang 
in  jenen  Blütheepochen  alter  Kunst  zur  charakteristischen 
Erscheinung  des  Gesammt- Aufbaues,  zu  vollkommenem  Or- 
ganismus der  einzelnen  Theile  geführt  hat,  ist  er  bis  zum  letz- 
ten Augenblicke  seines  Schaffens  niemals  untreu  geworden“. 

Ich  irre  wohl  nicht  in  der  Annahme,  dass  Jacobsthal 
in  diesen  Worten  nicht  nur  ein  aus  objektiver  Beobachtung 
gewonnenes  Urtheil  ausgesprochen,  sondern  zugleich  eine 
Art  Selbstbekenntniss  abgelegt  hat.  Denn  namentlich  der 
letzte  Satz  hat  volle  Geltung  auch  für  ihn,  während  seine 
Entwicklung  allerdings  in  etwas  anderer  Weise  sich  voll- 
zogen hatte,  als  die  jenes  um  12  Jahre  älteren  Meisters. 
Wie  gross  auch  immer  der  Einfluss  gewesen  sein  mag, 


den  das  Studium  der  Boetticher'schen  „Tektonik  der 
Hellenen“  auf  ihn  ausübte,  so  fand  derselbe  doch  seine 
Ergänzung  in  den  Anregungen,  die  er  gleichzeitig  und 
wenig  später  aus  dem  Semper’schen  „Stil“  und  dem  „Dic- 
tionnaire  raisonne  d’architecture“  Viollet-Ie-Ducs  schöpfte, 
und  entbehrte  der  unmittelbaren  Unterstützung,  die  den 
älteren  Schülern  Boettichers  durch  den  engeren  persön- 
lichen Verkehr  mit  diesem  zutheil  geworden  war.  So  hat 
sich  Jacobsthal  zwar  zu  einem  überzeugten  Anhänger  und 
Vertreter  der  von  Schinkel  begründeten  und  nach  diesem 
von  Stüier  geführten  Berliner  Architekturschule  entwickelt 
und  als  solcher  mit  dem  um  die  Fahne  der  Tektonik  ge- 
schaarten  Architektenkreise  vielfach  in  Uebereinstimmung 
gestanden,  ohne  doch  zu  den  eigentlichen  „Tektonen“  zu 
gehören.  Niemals  hat  er  einem  bünden  Glauben  an  die 
alleinseligmachende  Kraft  der  hellenischen  Formen  ge- 
huldigt und  sich  einer  unbefangenen  Würdigung  der  in 
anderer  Stilfassung  geschaffenen  Werke  verschlossen,  so- 
bald die  letzteren  in  sich  logisch  gestaltet  und  nicht  aus 
reiner  Willkür  hervorgegangen  waren;  nur  den  Schöpfun- 
gen der  sogen.  „Moderne“,  bei  denen  er  letzteres  an- 
nehmen zu  müssen  glaubte,  stand  er  schlechthin  ablehnend 
gegenüber.  Wenn  er  in  seinen  eigenen  Arbeiten  treu  an 
den  Ueberlieferungen  der  antiken,  durch  Schinkel  zu  neuem 
Leben  erweckten  Baukunst  festhielt  und  es  verschmähte, 
sein  künstlerisches  Schaffen  den  wechselnden  Stilmoden 
anzupassen,  so  leitete  ihn  hierbei  einfach  das  Bewusstsein, 
in  jenen  Ueberlieferungen  das  seinem  innersten  Wesen 
am  besten  entsprechende  Ausdrucksmittel  für  seine  Ge- 
dankenwelt zu  besitzen.  Sie  aufzugeben,  hätte  für  ihn 
etwa  das  Gleiche  bedeutet,  wie  ein  Verzicht  auf  seine 
Muttersprache. 

Es  ist  diese  ehrliche  Ueberzeugungstreue  des  Meisters 
•von  allen  nrtheilsfähigen  Fachgenossen  voll  gewürdigt 


No.  8 


Kennwortes  selbst  herb  eigeführt.  Aus  der  Denkmal- 
form an  sich  ergiebt  sie  sich  nicht  in  diesem  Umfange, 
denn  die  reliefartige  Wiedergabe  der  Gestalt  Bismarcks 
als  Gutsherrn,  etwa  im  Sinne  des  figürlichen  Schmuckes 
der  altgriechischen  Grabstelen,  tritt  doch  erheblich  zu- 
rück gegen  den  Reichsgedanken,  welcher  die  Denk- 
malform als  Ganzes  beherrscht. 

Ein  Entwurf  von  hoher  Eigenart,  neben  dem  sieg- 
reichen vielleicht  der  eigenartigste  des  ganzen  Wett- 
bewerbes, ist  der  Entwurf  „Abiit  non  obiit“  der  Hrn. 
Prof.  Bruno  Schmitz  in  Charlottenburg  und  Prof. 
Chr.  Behrens  in  Breslau  (S.  43).  Die  Ausführung 
des  Denkmals  ist  in  schweren  Granitquadern  aus  dem 
Odenwald  oder  aus  den  bei  Achern  im  Schwarzwald 
gefundenen  derben  Granitfindlingen  gedacht.  „Die  in 
dreiviertel  Ansicht  aus  felsartigem  Mauerblock  hervor- 
tretende Gestalt  Bismarck’s  inmitten  einer  kreisförmi- 
gen Dolmenumhegung  von  rohen  Quadern  fand  in 
ihrer  neuen  und-  stimraungsvolk -schroffen  Eigenart 
hohes  Lob“  beim  Preisgericht,  und  nicht  nur  bei  die- 
sem allein.  Wenn  dasselbe'  aber  weiterhin  erklärt, 
der  Entwurf  erscheine  „gerade  wegen  dieses  eigen- 
artigen Charakters  eher  für  eine  Gebirgslandschaft  als 
für  eine  Stadt  geeignet“,  so  liegt  hierin  wohl  eine 
kleine  Uebertreibung.  In  Gegensatz  gebracht  zu  einer 
Gebirgslandschaft  mit  ihrer  natürlichen  Schroffheit 
und  Grösse  würde  der  Gedanke  seinen  Charakter  und 
seine  Berechtigung  wohl  verlieren,  denn  gerade  in 
dem  Gegensatz  seiner  „stimmungsvoll  schroffen  Eigen- 
art“ zu  einem  Stadtbilde  mit  der  Gleichmässigkeit 
seiner  modernen  Anlagen  liegt  der  überzeugende  Ein- 
druck, den  der  Entwurf  auf  den  Beschauer  ausübt. 
Uebrigens  ist  der  Standort  für  das  Denkmal  land- 
schaftlich frei  genug  und  hinreichend  bewegt,  um 
das  absichtliche  Verlassen  von  überlieferten  Kultur- 
formen zu  gunsten  der  urwüchsigen  Kraft  der  Natur- 
formen zu  rechtfertigen, 

Aus  der  Gruppe  der  vier  mit  IV.  Preisen  ausge- 
zeichneten Entwürfe  geben  wir  S.  49  den  des  Hrn. 
Arch.  Arnold  Hartmann  in  Grunewald  bei  Berlin 
wieder.  Er  zeigt  einen  Obelisken  mit  umgebendem 
Steingehege,  davor  Bismarck  als  Parlamentarier.  Das 
Preisgericht  rühmt  an  der  Gesammtauffassung  des 
Entwurfes  „grosse  Züge  und  eine  geschickte,  klare 
Anordnung  der  Massen“,  glaubt  aber  andererseits  das 
Verhältniss  der  Architekturtheile  zu  den  bildnerischen 
Theilen,  sowie  der  Statue  zum  Obelisken  nicht  so 
günstig  beurtheilen  zu  können.  In  den  Entwürfen 


worden  und  hat  seiner  Person  allgemeine  Achtung  ein- 
getragen. Geringere  Anerkennung  bei  der  Mehrheit  haben 
dagegen  seine  Werke  gefunden,  die  als  echte  Kinder  jener 
älteren  Berliner  Schule  zwar  deren  Vorzüge,  aber  auch 
deren  Mängel  zeigen.  Sorgfältig  durchdacht  bis  in  alle 
Einzelheiten,  schlicht,  aber  stets  monumental,  fein  abge- 
wogen in  Verhältnissen  und  Gliederungen  und  — nament- 
lich bei  den  kleineren  Aufgaben  — nicht  selten  von  be- 
stechender Anmuth,  hätten  sie  ein  oder  einige  Jahrzehnte 
früher  ihren  Erfinder  vermuthlich  mit  in  die  erste  Reihe 
der  deutschen  Architekten  gestellt.  Aber  die  Welt  hat 
mittlerweile  mit  anderen  Augen  sehen  gelernt.  Sie  hat 
von  den  Leistungen  einer  vorwiegend  aus  dem  Verstände 
geschöpften  Kunst  sich  abgekehrt;  sie  verlangt  stärkere 
Anregung  der  Phantasie  und  Steigerung  des  malerischen 
Eindrucks.  Statt  der  kühlen  Gemessenheit  schulgerechter 
Werke,  die  nothwendig  zu  einer  gewissen  Einförmigkeit 
führen  muss,  will  sie  nur  Schöpfungen  gelten  lassen,  in 
denen  das  warme  Blut  einer  künstlerischen  Persönlichkeit 
pulsirt.  Und  dieser  Wandel  des  Geschmacks,  durch  den 
nachträglich  selbst  die  von  ihrer  Zeit  am  höchsten  ge- 
schätzten Architekten  entthront  worden  sind,  dem  man 
aber  sein  gutes  Recht  unmöglich  absprechen  kann,  ist 
auch  für  Jacobsthal  verhängnissvoll  geworden;  er  hat  es 
vereitelt,  dass  dieser  als  schaffender  Baukünstler  die  Er- 
folge errungen  hat,  die  er  bei  seiner  hohen  Veranlagung 
und  dem  heiligen  Ernst  seines  unermüdlichen  Strebens 
hätte  erreichen  können  und  müssen.  Dass  wohl  keines 
seiner  . Werke  darauf  Anwartschaft  hat,  in  die  Annalen 
der  Kunstgeschichte  überzugehen,  ist  freilich  ein  Schick- 
sal, das  er  mit  den  meisten  und  selbst  mit  dem  grössten 
Theil  seiner  gefeiertsten. Fachgenossen  gemein  hat.  Aber 
es  war  bitter  für  ihn,  dass  es  ihm  trotz  seiner  vielfachen 
Betheiligung  an  Kunstausstellungen  niemals  geglückt  ist, 

25.  Januar  1902. 


,, Eckart“  des  Hrn.  Bildhauers  P.  Peterich  in  Berlin  und 
,,An  die  Elbe“  des  Hrn.  Bildhauers  N.  Pfretzschner  in 
Charlottenburg  sind  es  vorwiegend  die  Bismarck-Ge- 
stalten, welche  die  Arbeiten  zu  einer  Auszeichnung 
gebracht  haben  und  welchen  die  Gesammtanlage  er- 
heblich nachsteht.  In  dem  Entwürfe  „Einigkeit  und 
Kaiserkrone“  des  Hrn.  Bildhauer  Caesar  Scharff  in 
Hamburg,  des  einzigen  Hamburger  Künstlers,  der  zu 
einer  Auszeichnung  gelangte,  ist  mit  dem  Gutachten 
des  Preisgerichtes  „die  wirkungsvolleMassenvertheilung 
und  die  einheitlich  geschlossene  Gesammtstimmung 
sowohl  des  beziehungsreichen  Gesammtinhaltes  der 
raannichfachen  Darstellungen,  wie  auch  der  stilistisch 
ernsten“  Einzelheiten  zu  rühmen.  Die  architektoni- 
schen Theile  des  Entwurfes  sind  in  schön  aufgefasstem 
romanischem  Stil  gehalten. 

Ungleich  werthvoller  als  die  Gruppe  der  mit  einem 
IV.  Preise  ausgezeichneten  Entwürfe  erscheinen  uns 
zwei  angekaufte  Arbeiten.  In  erster  Linie  der  präch- 
tige Entwurf  „Ekkehart“  des  Hrn.  Arch.  Jos.  Reuters 
in  Wilmersdorf  bei  Berlin,  zu  welchem  wir  auf  S.  37 
eine  Vorstudie  veröffentlichten  und  den  wir  S.  48  in 
Grundriss  und  Aufriss  selbst  wiedergeben.  Eine  Frei- 
treppe führt  auf  einen  Festplatz,  von  welchem  man 
durch  einen  überwölbten  Haupteingang  in  das  Innere 
einer  Halle  gelangt,  in  der  in  einer  Nische  eine 
Büste  Bismarck’s  aufgestellt  gedacht  ist.  Das  Preis- 
gericht zeichnet  den  köstlichen  Entwurf  mit  der  Be- 
merkung aus,  dass  ,,die  schöne  und  . eigenartige  Ge- 
staltung des  Aufbaues,  besonders  in  seinem  oberen 
Theile“,  die  Gesichtspunkte  waren,  welche  eine  Em- 
pfehlung zum  Ankauf  herbeiführten.  Wir  haben  die 
Empfindung  gehabt,  dass  diese  Anerkennung  und  die 
Auszeichnung  dieses  interessanten  Entwurfes  lediglich 
durch  Ankauf  etwas  sparsam  seien.  In  zweiter  Linie 
ist  in  dieser  Gruppe  der  Entwurf ,, Bismarck“  der  Hrn. 
Bildh.  Aug.  Hudler  und  Arch.  Wilh.  Kreis  in  Dresden 
hervorgehoben.  Das  Preisgericht  rühmt  an  ihm  die 
architektonische  Gesammtanordnung.  Nach  derselben 
ist  die  Höhe  des  Hügels  zur  Anlage  eines  gewaltigen 
Sockels  benutzt,  welcher  mit  4,5  “ hohen  Figuren  be- 
lebt ist,  die  Mythe  und  Geschichte  des  germanischen 
Stammes  darstellen.  Rechts  und  links  führen  Frei- 
treppen zu  einer  Plattform,  auf  welcher  auf  würfelför- 
migem Sockel  Bismarck’s  Kolossalfigur  in  Marmor  sitzt. 

Aus  der  reichen  Fülle  der  übrigen  Entwürfe  seien 
die  folgenden  in  aller  Kürze  erwähnt:  „Dem  Riesen“, 
eine  interessante  geschichtete  Kolossalfigur;  ,,Fröh- 


für  seine  dort  vorgeführten  Werke  eine  Auszeichnung  zu 
erlangen  und  dass  es  den  Anstrengungen  seiner  Fachge- 
nossen erst  i.  J.  1894  gelang,  gegenüber  den  in  der  Ber- 
liner Akademie  der  Künste  vorwiegenden  Malern  und 
Bildhauern  seine  Wahl  zum  MitgUede  dieser  Körperschaft 
durchzusetzen.  Er  hat,  wie  ich  aus  gelegentlichen  An- 
deutungen von  ihm  schliessen  konnte,  unter  diesem  Mangel 
an  Anerkennung  schwerer  gelitten,  als  er  zugestanden 
hätte,  und  ich  kann  mich  der  Meinung  nicht  entschlagen, 
dass  das  hierdurch  hervorgerufene  Gefühl  der  Enttäuschung 
und  Zurücksetzung  an  der  melancholischen  Stimmung, 
die  ihn  während  der  letzten  Jahrzehnte  beherrschte,  einen 
nicht  unerheblichen  Antheil  hatte.  — - 

Ueber  die  Bethätigung  Jacobsthal’s  auf  den  Gebieten 
des  Kunstgewerbes  und  der  architektonischen  De- 
koration ein  zusammenfassendes  Urtheil  sich  zu  bilden, 
wird  aus  den  schon  früher  angeführten  Gründen  erst  mög- 
lich sein,  wenn  es  gelingen  sollte,  eine  grössere  Zahl  seiner 
diesen  Gebieten  angehörigen  Arbeiten  ans  Licht  zu  ziehen; 
Indessen  darf  man  im  voraus  annehmen,-  dass  sie  — auf 
demselben  Boden  erwachsen  wie  seine  baulichen  Ent- 
würfe — ein  diesen  durchaus  verwandtes  Gepräge  tragen 
und  dem  Besten  ebenbürtig  sind,  was  andere  Meister  der 
älteren  Berliner  Schule  in  gleicher  Art  geleistet  haben. 
Als  eine  kleinere  dekorative  Arbeit  von  bescheidener  Hal- 
tung, in  der  -jedoch  das  eigenartig  sinnige  Talent  des 
Künstlers  in  liebenswürdiger  Weise  sich  ausspricht,  darf 
vielleicht  noch  nachträglich  der  Rahmen  angeführt  wer- 
den, den  Jacobsthal  zu  dem  am  13.  März  1881  in  der 
Deutschen  Bauzeitung  veröffentlichten  Bilde  des  Schinkel- 
schen  Schauspielhauses  entworfen  hat.  — 

Ihren  Schwerpunkt  fand,  wie  schon  hervorgehoben 
wurde,  die  Lebensarbeit  Jacobsthals  unstreitig  in  seinem 
Wirken  als  Lehrer.  Schöpferisch  befähigt  und  doch 


47 


Ent%vurf  „Ekkehart“. 
Angekauft. 


liehe  Weihnachten", 
eine  bemerkenswerthe 
Arbeit,  die  wir  in  No.  9 
wiedergeben;  »Bis- 
marck s te  i n",  einrecht- 
eckiges  Steingehege  mit 
Freitreppe  und  Thurm 
mit  Büste,  das  wenige 
Ornament  sehr  eigenar- 
tig; ,, Rolandsbogen", 
eine  monumentale  Auf- 
fassung verrathend  und 
Bismarck  in  heraldischer 
Umbildung  zeigend ; 

„Monumentum  Ham- 
monia^',  ein  strenger 
ernster  Bntwuri  mit  vor- 
wiegend architektoni-  Maasstab  etwa  1 : 650. 
scher  Haltung;  „Ein 

Stein",  ausgezeichnet  durch  eine  interessante  Fhurm- 
architektur  mit  neogräken  Anklängen  und  mit  grund- 
sätzlicher Anwendung  der  Farbe;  ,, Ehrensäule" 
(Arch.  Arnold  Hartmann  in  Grunewald),  das  Riesen- 


bild des  Kanzlers  vor 
einer  Säule;  „Seiner 
Schwesterkunst“,ein 
hervorragender  Entwurf 
den  wir  S.  49  wieder- 
geben (Verf.  Arch.  Her- 
mann Billing  in  Karls- 
ruhe); „Hügelkrone", 
ein  kreisrundes,  den  Hü- 
gel wie  eine  Krone  ab- 
schliessendes Steinge- 
hege; „Unvergäng- 
lich“, schwerer  Stein- 
aufbau; „Du  und  Dein 
Werk“,  eine  sitzende 
Bismarck  - Kolossalfigur 
vor  einem  thurmartigen 
Aufbau,  der  in  No.  9 zur 
Darstellung  gelangende 
Entwurf  zeigt  Merkmale  Lederer’scher  Kunst;  „Gode 
Wind“,  eine  schlichte,  grosse  Architektur-Anlage,  da- 
vor die  einfache  Gestalt  Bismarcks;  „Kanzler“,  ein 
Entwurf  von  schöner,  geschlossener  Wirkung,  vier  ge- 


kritisch,  ausgerüstet  mit  dem  Werkzeug  eines  ungewöhn- 
lichen Wissens  und  Könnens  und  doch  unablässig  nach 
neuer  Erkenntniss  suchend,  erfüllt  von  tiefem  Wohlwollen 
für  die  strebende  Jugend  und  allezeit  freudig  bereit,  ihr 
freigebig  von  seinem  Kunstschatze  zu  spenden,  war  er 
für  den  Beruf  eines  Hochschullehrers  wie  geschaffen  und 
hat  auf  diesem  Felde  die  grössten  Erfolge  erzielt.  Denn 
was  ihm  als  ausübendem  Architekten  ein  Hinderniss  ge- 
worden war:  der  Widerspruch  zwischen  seinem  künst- 
lerischen Glaubensbekenntniss  und  der  Zeitströmung,  kam 
bei  dem  von  ihm  vertretenen,  von  jener  Strömung  kaum 
berührten  Fach  der  Ornamentik  um  so  weniger  inbetracht, 
als  die  antike  Kunst  wohl  für  immer  als  der  beste  Aus- 
gangspunkt und  die  sicherste  Grundlage  jedes  Kunst- 
unterrichtes wird  angesehen  werden. 

lieber  die  Thätigkeit  eines  Lehrers  erhält  man  die 
unmittelbarste  Auskunft  von  seinen  Schülern.  Ich  habe 
mich  an  einen  Schüler  Jacobsthals  aus  dessen  mittleren 
Jahren,  der  mit  ihm  in  stetem  Zusammenhänge  geblieben 
ist,  Hrn.  Bauinspektor  Hans  Schliepmann  gewandt  und 
von  ihm  eine  Aeusserung  über  seinen  Meister  erbeten. 
Er  schreibt  mir  Folgendes; 

„Unter  der  grossen  Zahl  der  eigentlichen  Schüler 
Jacobsthals  ist  keiner,  der  von  dem  Meister  anders  als 
in  schwärmerischer  Verehrung  spräche.  Wer  seines  Ver- 
trauens und  seiner  Unterweisung  gewürdigt  wurde,  dem 
offenbarte  er  als  Künstler,  als  Denker  und  als  Mensch  eine 
so  einzigartige,  so  vorbildliche  Persönlichkeit,  dass  sein 


Einfluss  dem  Schüler  lebenslang  als  köstlicher  Besitz 
lebendig  blieb.  Aber  freilich:  nicht  ohne  weiteres  gelangte 
man  zu  diesen  Schätzen.  Jacobsthal  war  kein  Lehrer  der 
Menge.  Er  riss  nicht  alle  Hörer  im  Sturme  fort  und  er 
gab  sich  nicht  dazu  her,  dem  Kollegabsitzer  Examenbläiter 
fertigzustellen.  Erwidmete  sich  voll  immer  nur  denernstlich 
Strebenden.  Es  war  ihm  selbstverständlich,  dass  sein 
„Fach“  ein  künstlerisches  sei  und  dass  er  daher  mehr  als 
Meister  denn  als  Lehrer  wirken  müsse.  Den  Unzuläng- 
lichen blieb  er  verschlossen,  um  dort  säen  zu  können,  wo 
er  eine  Ernte  erhoffte;  „das  allgemeine  Unterrichtsziel  zu 
erreichen“,  schien  ihm  niemals  Strebenszweck.  So  galt 
er  denn  den  „zu  vielen“,  deren  er  sich  bewusst  erwehrte, 
oft  als  schroff.  Alle  aber,  die  durch  die  harte  Schale  an 
den  köstlichen  Kern  Vordringen  durften,  alle  haben  es 
bald  erfahren,  dass  seine  Art,  floskellos  und  ohne  Rück- 
sicht auf  persönliche  Empfindlichkeiten  seine  Meinung  aus- 
zusprechen, nur  der  Ausfluss  seines  lauteren  Wesens  war, 
seiner  reinen  Sachlichkeit,  seiner  Wahrhaftigkeit,  die  sich 
niemals  zu  einer  Phrase  — auch  künstlerisch  nicht  — be- 
quemen konnte,  seiner  unbeirrbaren  Kritik  und  seines 
Vertrauens,  dass  jeder  die  Dinge  so  nehmen  müsse  wie 
er,  der  in  seiner  grenzenlosen  Selbstlosigkeit  immer  nur 
an  die  Sache  dachte,  dem  alle  persönliche  Eitelkeit  oder 
Empfindlichkeit  weltenfern  lag.  Daraus  entsprang  denn 
auch,  dass  er  selbst  für  sachliche  Einwände  stets  das 
offenste  Ohr  hatte,  dass  er  auf  jede  fruchtversprechende 

(ForUetzuQg  auf  Seite  50.) 


48 


No.  8. 


Entwurf  „Seiner  Schwesterkunst“.  Architekt:  Hermann  Billing  in  Karlsruhe. 


Entwurf  „O.  v.  B."  Architekt:  Arnold  Hartmann  in  Grunewald  bei  Berlin.  Ein  IV.  Preis. 


Entwurf  „Roland“. 


25.  Januar  1902. 


49 


kuppelte  romanische  Säulen  mit  bekrönender  Ritterfigur, 
davor  die  Gestalt  des  Kanzlers;  „Parsifal“,  strenger 
Thurmaufbau  ohne  äussere  Charakterisirung;  „Heil  dir 
Gewaltiger“,  pyramidenartiger  Aufbau  mit  Krone; 
„Befreiung“,  rechteckiges  Steingehege  mitThurm  und 
Büste;  „Largo“,  strenger  Thurmbau  mit  Möglichkeit 
zur  Entfaltung  bildnerischen  Schmuckes;  „Menhir“, 
schlichte,  grosse  Nischen-Architektur  mit  dem  Bronze- 
standbild des  Fürsten;  „Kerndeutsch  und  echt“, 
gross"  gedachte  Bogen- Architektur;  „Roland“,  inter- 


essanter Steinkörper  aus  Findlingen,  davor  der  Kanzler 
in  Kupfer  oder  Bronze  (S.  49);  „Eiserne  Faust“,  ausge- 
zeichnet durch  ein  köstliches  Sechsgespann  aus  Löwen, 
mit  der  Figur  der  Germania;  „Ehrenbürger“,  ein 
strenger  Obelisken- Aufbau,  davor  die  Figur  Bismarcks; 
„Roland“,  ein  schwerer  dorischer  Rundbau;  „Eine 
Vision“,  ein  ernster  Thurmbau  mit  St.  Michael; 
„Thaten  sind  Saaten“,  ein  schöner,  offener  Thurra- 
bau,  vielleicht  etwas  zu  viel  gegliedert;  „Hünenmal“, 
ein  strenger  Obelisk,  usw.  — (Schluss  folgt.) 


Das  Bauwesen  im  preussischen  Staatshaushalt  für  1902. 

(Schluss.) 


as  Kultusministerium  verlangt  für  seine  baulichen 
Aufgaben  eine  Gesammtsumme  von  rd.  14,2  Mill.  M., 
bleibt  damit  also  um  fast  ii  Mill.  hinter  dem  Vorjahre 
zurück.  Es  liegt  dies  daran,  dass  die  ausserordentliche  Bei- 
hilfe von, 13  Mill  M.,  die  1901  an  nicht  leistungsfähige  Schul- 
verbände  für  den  Bau  von  Volksschulen  bewilligt  wurde, 
in  diesem  Jahre  nur  einen  Nachtrag  von  3 Mill,  M.  er- 
halten hat.  Im  übrigen  vertheilen  sich  die  bewilligten 
Mittel folgendermaassen:  Neubau  des  Geschäftshauses 
des  Ministeriums  [Gesammtsumme  1270000  M.)  II.  Rate 
mit  450000  M.,  Universitäten  2769197  M.,  dazu  aus 
Anleihemitteln  für  den  botanischen  Garten  in  Dahlem 
483125  M.,  höhere  Lehranstalten  926205  M.,  Ele- 
mentarschulen (einschl  der  schon  erwähnten  3 Mill.  M.) 
4494314  M.,  Kunst-  und  wissenschaftliche  Zwecke 
946^0  M.,  technische  Hochschulen  2418760  M., 
Medizinalwesen  423 000  M.  und  dazu  aus  Anleihemitteln 
für  die  Charitebauten  i 258  400  M. 

Von  den  Mitteln  für  höhere  Lehranstalten  sind  grössere 
Summen  bestimmt  für  Gymnasial-Neubauten  in  Gum- 
binnen,, Posen,  Spanciau  und  Trarbach.  Von 
der  Gesammtsumme  für  Elementarschulwesen  entfallen 
I277314  M.  auf  Neu-  und  Erweiterungsbauten  vonSemi- 
naren,  desgl.  217  000  M.  auf  Dienstwohnungen  für  Schul- 
inspektoren, beides  hauptsächlich  für  die  östlichen  Pro- 
vinzen. Von  den  Universitäten  ist  Berlin  mit  Ein- 
schluss der  Summe  für  Dahlem  mit  972  325  M..  am  reichsten 
bedacht.  Hervorzuheben  ist  eine  I.  Rate  von  230000  M. 
für  das  polyklmische  Institut  für  innere  Medizin, 
eine  .letzte  Rate  von  218000  M.  für  den  Umbau  des 
alten  chemischen  Instituts  zu  anderen  Zwecken. 
Demnächst  folgt  Greifswald  mit  534000  M.,  darunter  eine 
I.  Rate,  für  eine  Irrenklinik  mit  200000  M.  (Gesammtkosten 
322  600  .M.).  Bedeutende  Beträge  sind  auch  wieder  für 
Kiel  äusgeworfen  in  Höhe  von  525327  M.,,  darunter 
I.  Raten  von. 100000  bzw.  150000  M.  für  Frauenklinik 
und  chirurgische  Klinik  (Gesammtsumme  590000  M.). 
Die  Universität  Halle  a.  S.  beansprucht  379060,  Göt- 
tingen 287500,  Bonn  212 210,  Marburg  1^300,  Bres- 
lau 128200,  Königsberg  41 100  und  Münster  7000  M. 
Von  den  technischen  Hochschulen  soll  Berlin 
989900  M.,  darunter  700000  M.  als  II.  Rate  für  den  Neu- 


bau der  mechanisch-  und  chemisch-technischen  Versuchs- 
anstalt erhalten,  Hannover  37  240  M.,  Aachen  44  600  M. 
Für  die  Bauten  der  Hochschule  in  Danzig  sind  weitere 
1247000  M.  .ausgeworfen,  darunter  eine  IV.  Rate  von 
900000  M.  für  den  Neubau  des  Hauptgebäudes  und 
150000  M,  als  I.  Rate  für  ein  chemisches  Institut, 

Unter  den  Ausgaben  für  Kunstzwecke  ist  eine  letzte 
Rate  von  636000  M.  für  die  Bauten  auf  der  Museums- 
Insel  in  Berlin  (Gesammtsumme  5906000  M.),  sowie  eine 
II.  Rate  von  250000  M.  für  den  Erweiterungsbau  des 
Kunstgewerbe-Museums  daselbst  zu  erwähnen  (Bau- 
kosten 1782000  M.).  Von  den  Ausführungen  der  Me- 
dizinal-Verwaltung  sind,  abgesehen  von  den  ausser- 
etatsmässigen  Charitöbauten,  hauptsächlich  Mittel  für 
Quarantaine- Anstalten  in  Neufahrwasser,  Swine- 
münde, Emden  bereit  gestellt,  ausserdem  für  besondere 
Barackenbauten  für  die  Charitö  zu  Zwecken  der  Krebs- 
forschung. 

Aus  dem  Ordinariura  des  Kultusministeriums 
interessiren  namentlich  die  Ansetzungen  für  neue  Lehr- 
kräfte an  den  Technischen  Hochschulen.  Für 
Berlin  sind, 3 neue  etatsmässige  Stellen  vorgesehen  für 
Baukonstruktionslehre  in  der  Abth.  f.  Bauingenieure,  für 
praktischen  Schiffbau  und  für  den  konstruktiven  Unterricht 
in  der  Abth.  f.  Chemie  und  Hüttenwesen.  Die  Professur 
für  Kunstgeschichte  wird  in  eine  voll  dotirte  umgewandelt. 
Ausserdem  werden  beträchtliche  Mittel  für  die  Vermehrung 
der  Hiifslehrkräfte,  Assistentenstellen  usw^.,  eingesetzt.  Für 
Aachen  ist  ebenfalls  die  Umwandlung  zweier  Professuren 
in  voll  dotirte  vorgesehen,  darunter  die  bisherige  Dozenten- 
stelle für  Wasserbau  vom  kulturtechnischen,  gewerblichen 
und  hygienischen  Standpunkt.  • — 

Der  Etat  der  Justizverwaltung  stellt  sich  nur  auf 
5 577  800 , bleibt  also  um  mehr  als  7 Mill.  M.  hinter  dem 
Vorjahre  zurück.  Von  dieser  Summe  beansprucht  der 
Bezirk  des  Kammergerichts  1637600  M.  für  sich, 
davon  800000  M.  als  I.  Rate  für  den  Erweiterungsbau  des 
Strafgerichts-  und  Untersuchungs-Gefängnisses  Moabit  und 
650000  M.  als  VII.  Rate  für  das  Land- und  Amtsgericht  I. 
in  Berlin.  Nächstdem  macht  das  Oberlandgericht  in 
Celle  mit  927  350  M.,  hauptsächlich  für  Grunderwerb,  die 
höchsten  Ansprüche,  dann  Naumburg  a.  S.,  Hamm, 


Idee  bei  Ausgestaltung  der  Entwürfe  mit  demselben  Eifer 
einging,  als  ob  er  sie  selbst  gefunden,  ja  dass  gerade  meist 
bei  den  Einwürfen  ihm  plötzlich  die  Lippen  entsiegelt 
wurden  und  die  Erörterung  auf  alle  möglichen  Gebiete 
überfloss,  so  dass  sein  erstaunlich  weites  Wissen,  seine 
reichen  Erfahrungen  und  seine  immer  auf  eigenem  Stamme 
gewachsenen  Ansichten  den  Hörern  Gesichtskreise  er- 
schlossen, die  weit  über  den  augenblicklichen  Fachgegen- 
stand hinaus  gingen,  aber  Grundsteine  künstlerischer  Er- 
ziehung abgaben. 

Dass  er  das  Handwerkliche  seiner  Kunst,  im  höchsten 
Sinne,  beherrschte  und  mitzutheilen  verstand  wie  Wenige, 
das  wussten  auch  diejenigen,  die  nur  seinem  Kolleg  über 
die  Entwicklung  der  Ornamentformen  gefolgt  waren  und 
seine  unfehlbare  Sicherheit  im  Wandtafelzeichnen  be- 
staunt, oder  die  ihn  „Töne  ansetzen“  gesehen  hatten. 
Aber  er  gab  mehr,  er  gab  alles,  was  überhaupt  lehrbar 
in  der  Kunst  oder  doch  wenigstens  vorbildgebend  ist: 
Wahrhaftigkeit,  Folgerichtigkeit,  Sachlichkeit,  Vorurtheils- 
losigkeit  und  nimmermüde  Selbstkritik.  Seine  Entwick- 
lung der  Örnamentformen  zeigte  ein  logisches  Gefüge, 
eine  Klarheit , und  Selbstverständlichkeit  , dass  sie  des 
glänzenden  Vortrages  nicht  bedurfte,  um  zu  überzeugen. 
(Uebrigens . sprach  Jacobsthal  immerhin  noch  besser,  als 
er  selbst . meinte.)  Seine  Ansichten  und  Scheidungen 
werden  noch  lange  die  Grundlage  für  eine  kritische  Be- 
trachtung des  Ornamentwesens  bilden,  zumal  sein  vor- 
urtheilsloser  Blick  von  der  Antike  bis  zum  Rokoko  alle 
logisch  entwickelten  und  verwendeten  Formen  mit  gleichem 
Verständniss  umschloss.  Wie  er  aber  lehrte,  ein  Motiv 

50 


auf  seine  Urformen  zurückzuführen,  aus  der  Naturform 
zu  entwickeln,  materialgerecht  zu  stüisiren,  wie  er  Farben- 
stimmungen herausholte  und  nie  müde  ward  zu  bessern 
und  zu  versuchen,  wie  er  damit  in  die  echte  Schaffens- 
freude hineinführte,  das  wird  allen  unvergesslich  sein, 
unvergesslich  wie  die  rührende  väterliche  Fürsorge  und 
der  lebendige  Antheil,  die  er  weit  über  die  Studienzeit 
hinaus  allen  seinen  .Schülern  allezeit  bewiesen  hat!“ 

Ich  habe  diesen  Aeusserungen  einer  wohlthuenden  und 
überzeugenden  Pietät  wenig  mehr  hinzuzufügen.  Wenn 
in  ihnen  nicht  nur  das  Verhältniss  Jacobsthals  zu  dem 
regeren  Kreise  seiner  für  einen  wirklichen  Kunstunterricht 
empfänglichen  Schüler,  sondern  auch  seine  Stellung  zu 
der  grossen  Masse  der  durchschnittsmässigen  „KoIIeg- 
absitzer“  berührt  wird,  so  wird  wegen  der  letzteren  wohl 
kein  Einsichtiger  dem  Lehrer  einen  Vorwurf  machen.  Es 
ist  ja  noch  immer  ein  verhängnissvoller  Mangel  unserer 
technischen  Hochschulen,  dass  sie  ihre  Pforten  einer  über- 
wiegenden Anzahl  von  Studirenden  Öffnen  müssen,  welchen 
das  von  ihnen  erwählte  Fach  lediglich  ein  Brotstudium 
bedeutet,  und  welche  unmittelbar  von  der  Schule  her  in 
dasselbe  eintreten,  ohne  die  für  eine  berufsmässige  Aus- 
bildung unentbehrlichen  Vorkenntnisse  und  technischen 
Handfertigkeiten  — ja  zuweilen  nicht  einmal  das  Talent 
zu  deren  Aneignung  — zu  besitzen.  Der  Unterricht, 
namentlich  in  den  ersten  Semestern,  wird  somit  theilweise 
zum  Elementar-Unterricht  herabgedrückt  und  dem  Lehrer, 
wenn  er  seine  beste  Kraft  nicht- fruchtlos  vergeuden  will, 
bleibt  nichts  übrig,  als  sich  jenen  Schülern  gegenüber  auf 
eine  mehr  oder  weniger  formelle  Erfüllung  seiner  Pflichten 

No.  8. 


Frankfurt  a.  M.  Meist  handelt  es  sich  um  die  Fortsetzung 
des  Baues  bereits  in  Angriff  genommener  Gerichts-  bezw. 
Gefängniss- Gebäude.  — 

Das  Finanzmini  sterium  weist  gegenüber  dem  Vor- 
jahre ein  Mehr  von  fast  2,5  Mül.  M auf,  nämlich  imganzen 
4215348  M.  Davon  entfallen  4 Mill.  M.  auf  die  I.  Rate 
für  Erwerbung  und  Aufschliessung  des  Geländes 
der  inneren  Festungs-Umwallung  von  Posen.  Der 
Staat  tritt  hier,  da  die  Stadt  nicht  leistungsfähig  genug  ist, 
als  Unternehmer  auf,  kauft  das  gesammte  Gelände  vom 
Militärfiskus  für  11,25  Mill.  M.  und  schliesst  es  dann  durch 
Einebnung,  Herstellung  von  Strassen  und  Plätzen  mit 
einem  Kostenaufwande  von  6 Mill.  M.  auf.  Es  ist  hierfür 
ein  Zeitraum  von  4 Jahren  in  Aussicht  genommen.  Die 
Stadt  Posen  zahlt  hierzu  i Mill.  M.  als  festen  Beitrag.  Der 
Werth  der  Bauplätze  wird  auf  18  Mill.  M.  geschätzt.  Von 
der  Restsumme  entfallen  139  500  M.  als  letzte  Rate  auf 
den  Neubau  des  Museums  in  Posen,  68000  M.  auf  Ar- 
beiten im  kgl.  Thiergarten  und  die  Umgestaltung  des 
Königsplatzes  in  Berlin,  der  Rest  auf  die  kgl.  Theater.  — 
Das  Ministerium  des  Inneren  verlangt  2633870  M., 
davon  75800  M.  als  letzte  Rate  zum  Erweiterungsbau 
des  Ministeriums  selbst  (Gesammtsumme  445800  M.), 
r 460430  M.  für  Neubauten  von  Polizeidienstgebäuden, 
darunter  300000  M.  als  I.  Rate  für  Stettin  und  weitere 
Raten  für  Danzig,  Hannover,  Rixdorf,  243190  M.  für 
Dienstwohnungen  für  die  Landgendarmerie  in  den 
östlichen  Provinzen,  854450  M.  für  den  Bau  von  Straf- 
anstalten, so  eine  I.  Rate  für  Lüttringhausen,  ferner  für 
Dienstwohnungen  von  Strafanstalts-Beamten  usw.  — 
Im  Etat  des  Ministeriums  für  Landwirthschaft 
usw.,  das  im  Vorjahre  vorwiegend  für  bauliche  Zwecke 
10,4  Mill.  M.  forderte,  sind  naturgemäss  alle  diejenigen 
Posten  fortgefallen,  die  nur  im  Zusammenhänge  mit  der 
grossen  wasserwirthschaftlichen  Vorlage  bewilligt  werden 
sollten.  Es  sind  jetzt  nur  2318900  M.  angesetzt,  wovon 
659600  M.  auf  Meliorationen  verschiedener  Art,  namentlich 
grössere  Drainirungen,  Beihilfe  an  Deichverbände,  Fest- 
legung von  Wanderdünen  usw.  entfallen.  259  300  M.  sind 
für  bauliche  Anlagen,  darunter  für  die  Verlegung  der 
Gärtnerschule  von  Wildpark  nach  Dahlem,  für  Er- 
weiterungen in  Poppelsdorf  usw.  vorgesehen.  1,4 Mill. M. 
sind  eingesetzt  als  Darlehen  an  die  Genossenschaft  für 
Viehverwerthung  in  Deutschland  für  Errichtung  eines 


Magerviehhofes  in  Lichtenberg-Friedrichsberg  bei  Ber- 
lin. Ges.-Kosten  für  die  baulichen  Anlasen  1,6  Mill.,  für  die 
Eisenbahn- Anlage  i Mill.,  zus.  2,6  Mill.  M.,  die  nach  Bedarf 
in  mehreren  Raten  gewährt  werden  sollen. 

Im  Ordinarium  sieht  das  Ministerium  2 neue  Bau- 
inspektorstellen  (fliegende),  i remunerirte  Baumeisterstelle 
und  15  Meliorationsbauwarte  mit  Rücksicht  auf  die  erheb- 
lich gesteigerten  Aufgaben  der  Verwaltung  vor.  — 

Eine  Summe  von  1396000  M.  wird  für  die  Domänen- 
verwaltung ausgeworfen,  die  damit  auch  weit  hinter 
dem  Vorjahre  zurückbleibt.  Den  Hauptantheil  daran  hat 
ein  Zuschuss  in  Höhe  von  500000  M.  zum  Domänen- 
baufonds, 250000  M.  zur  Vermehrung  und  Verbesserung 
der  Arbeiterwohnungen  auf  den  Domänen,  500000  M. 
für  grössere  Erweiterungs-  und  Neubauten  in  den  fis- 
kalischen Bädern,  insbesondere  in  Ems,  Langenschwal- 
bach  und  Neuendorf,  sowie  für  die  Mineralquelle  Marienfels. 

Die  Gestütverwaltung  hat  sich  ebenfalls  einge- 
schränkt, Sie  verlangt  nur  528658  M.,  wovon  der  grössere 
Theil  auf  Neubauten  im  Gestüt  Georgenburg  bezw.  im 
Hauptgestüt  Trakehnen  entfällt.  — 

Von  denjenigen  Verwaltungen,  die  nur  mit  kleineren 
Beträgen  an  den  Gesammtausgaben  für  bauliche  Zwecke 
betheiligt  sind,  seien  noch  genannt:  das  Ministerium  für 
Handel  und  Gewerbe  mit  375600  M.,  davon  250000  M. 
als  I.  Rate  für  den  Umbau  des  Staatsministeriums  zu  einer 
Dienstwohnung  für  den  Minister  (Ges.-Kosten  340000  M.); 
die  Forstverwaltung  mit  850000  M.  für  Wegebauten, 
Herstellung  von  Dienstgebäuden  für  Forstbeamte,  probe- 
weise Beschaffung  von  Insthäusern  für  die  Forstarbeiter 
(dazu  kommen  noch  ira  Einzelnen  nicht  ersichtliche  Mittel 
für  die  Herstellung  von  Strassen  in  Forstgrundstücken  in 
der  Nähe  Berlins,  die  zur  Bebauung  aufgeschlossen  wer- 
den sollen);  die  Berg-,  Hütten-  und  Salinen-Ver- 
waltung  mit  1273000  M.,  worin  die  Herstellung  einer 
Wasserleitung  im  oberschlesischen  Industriebezirke  mit 
I Mill.  M.  die  Hauptrolle  spielt;  die  Verwaltung  der  indi- 
rekten Steuern  mit  528160  M.,  darunter  173000  M,  als 
II.  Rate  zurVerbesserung  der  Lösch-  und  Ladeeinrichtungen 
des  Packhofes  in  Königsberg  i.  Pr.;  die  Verwaltung  der 
Staatsarchive  mit  97  500  M.  als  letzte  Rate  für  Danzig; 
die  Staatsschulden  - Verwaltung  und  die  Ober- 
Rechnungskammer  mit  zus.  37185  M.  für  grössere 
bauliche  Aenderungen.  — 


Vermischtes. 

Zur  Frage  des  Hamburger  Bismarck-Denkmals.  Wie 
aus  den  Hamburger  Tageszeitungen  zu  ersehen,  ist  die 
Einstimmigkeit , mit  der  das  Preisgericht  den  Schaudt- 
Lederer’schen  Entwurf  als  den  besten  erklärte,  keines- 
wegs auch  in  der  grossen  Bürgerschaft  vorhanden;  die 
öffentliche  Meinung  ist  dort  über  die  Ausführungsfrage 
stark  erregt,  und  es  ist  anzunehmen,  dass  die  Trennung 
in  zwei  Lager  „für  und  gegen  Roland'*  sich  noch  weiter 
verschärfen  wird.  Die  Einen , die  sich  auf  einen  rein 
künstlerischen  Standpunkt  zu  stellen  vermögen,  stimmen 


zu  beschränken.  Das  hat  auch  Jacobsthals  Vorgänger,  Karl 
Boetticher,  in  noch  viel  höherem  Maasse  gethan,  ohne  doch 
der  kleinen  Minderzahl  der  Auserwählten  das  zu  bieten, 
was  jener  seinen  Schülern  gespendet  hat. 

Denn  von  vornherein  war  es  das  Bestreben  Jacobsthals, 
den  Unterricht  in  der  Ornamentik,  der  in  Berlin  bis  dahin 
fast  nur  als  ein  solcher  im  Ornamentzeichnen  gehandhabt 
-worden  war,  in  der  einer  Hochschule  angemessenen  Art 
so  zu  vertiefen,  dass  es  den  strebsamen  Schülern  erleichtert 
wurde,  einen  Einblick  in  das  Wesen  dieses  Kunstgebietes 
zu  gewinnen.  Ueber  die  Lehrmethode,  die  er  zu  diesem 
Zwecke  befolgte,  sind  bereits  in  dem,  was  früher  über 
seine  „Grammatik  der  Ornamente"  gesagt  wurde,  und  in 
den  Schliepmann’schen  Mittheilungen  einige  Andeutungen 
gegeben  worden.  Ich  möchte  diese  noch  durch  eine  An- 
führung aus  dem  Vortrage  ergänzen,  den  Jacobsthal  vor 
dem  Berliner  Architektenverein  im  Jahre  1871  „über 
kunstgewerblichen  Unterricht"  gehalten  hat*).  Es 
heisst  in  ihm  (etwas  gekürzt)  bei  Schilderung  des  von  dem 
Redner  am  damaligen  deutschen  Gewerbemuseum  er- 
th eilten  Unterrichtes: 

„Endlich  werden  in  dem  „Kursus  der  elementaren 
Ornamentik"  die  Schüler  mit  den  Kunstformen  bekannt 
gemacht,  ein  kurzes  Studium  der  Naturformen  mit  ein- 
begriffen. Dieselben  werden  vor  den  Augen  der  Schüler 


“)  Abgedruckt:  Jahrg.  1871  der  Deutschen  Bauzeitung,  No.  12  u.  flgd. 
Durch  ein  Versehen  ist  es  versäumt  worden,  diesen  in  der  Forderung 
eines  gesetzlichen  Schutzes  für  das  geistige  Eigenthum  auf  künstlerischem 
Gebiet  gipfelnden  Vortrag  unter  den  schriftstellerischen  Arbeiten  Jacobsthals 
anzufahren. 

25  Januar  1902. 


in  voller  Würdigung  der  hervorragenden  Schönheit  der 
Lederer’schen  Idealgestalt  des  „Bismarck-Rolandes"  für 
dessen  Ausführung,  und  haben  von  ihrem  Standpunkt 
hierzu  das  beste  Recht.  Die  Anderen,  die  man  die  Ver- 
treter des  historischen  Standpunktes  nennen  kann,  for- 
dern in  erster  Linie  eine  lebenswahre  Darstellung  des 
Alt-Reichskanzlers,  mit  der  Begründung,  dass  es  Pflicht  sei, 
vor  allem  an  die  nachkommenden  Geschlechter  zu  denken, 
die  nicht  mehr  die  lebende  Gestalt  des  grössten  deutschen 
Mannes  mit  eigenen  Augen  gesehen  haben,  und  ein  treues 
Abbild  seiner  Persönlichkeit  in  diesem  Denkmal  über- 
liefert erhalten  müssen  — auch  diese  sind  unstreitig  von 


mit  Kohle  auf  Pappbogen  gezeichnet,  erklärt  und  von 
dem  Schüler  in  einfachen  Linien  nachgezeichnet.  Die 
Resultate  der  Tektonik  der  Hellenen  von  K.  Boetticher 
bilden  den  Ausgangspunkt;  sie  müssen  entsprechend 
schematisirt  werden,  zudem  durfte  ein  Hinweis  auf  die 
späteren  Katastrophen  nicht  umgangen  werden.  Ich  habe 
versucht,  den  Stoff  nach  einem  System  zu  gliedern, 
welches  nicht  synchronistisch  vorgehend,  die  einzelnen 
Kunstformen  als  Ausdruck  der  Idee  von  ihrem  Entstehen 
zur  Blüthe,  zum  Verfall  verfolgt.  Es  ist  das  System  von 
Viollet-le-Duc  in  seinem  „Dictionnaire"  in  grossartigem 
Maasstabe  für  eine  begrenzte  Zeitepoche  befolgt;  Boetticher 
hat  die  Vortheile  eines  solchen  für  das  Studium  der 
Kunst  durch  die  neuerdings  erfolgte  Gliederung  der 
Sammlung  von  Abgüssen  im  hiesigen  „Neuen  Museum"  dar- 
gelegt. Bei  einem  solchen  System  musste  natürlich  der 
Hinweis  auf  das  Material  auf  das  nothwendigste  beschränkt 
und  auf  einen  höheren  Kursus  verwiesen  werden.“ 

An  dieser  vor  mehr  als  30  Jahren  geschaffenen  Grund- 
lage hat  der  Meister  bis  zu  seinem  Tode  festgehalten,  ob- 
gleich er  sein  Sj'^stem  in  den  Einzelheiten  natürlich  noch 
weiter  ausgestaltete.  Dass  dasselbe,  trotzdem  es  von  den 
Ergebnissen  der  Boetticher’schen  Forschung  ausging,  doch 
einen  vollständigen  Gegensatz  zu  dem  System  des  letz- 
teren und  einen  gewaltigen  Fortschritt  darstellte,  brauche 
ich  wohl  kaum  weitläufig  auszuführen.  Ganz  abgesehen 
von  der  zweckmässigeren  äusseren  Form  des  Unterrichtes 
ist  es  die  Bevorzugung  der  naturwissenschaftlichen, 
den  Entwicklungsgang  der  Dinge  ins  Auge  fassenden,  vor 
der  unfruchtbaren  philosophischen  Anschauungsweise, 

Sr- 


ihrem  Standpunkte  vollkommen  im  Recht.  Nun  wäre 
es  aber  nach  Lage  der  Verhältnisse  vielleicht  nicht 
schwer,  diese  beiden  sich  widerstreitenden  Meinungen 
zusammenzuführen,  ohne  dabei  aus  dem  künstlerischen 
oder  aus  dem  historischen  Lager  eine  Anfechtung  be- 
fürchten zu  müssen:  Man  führe  den  herrlichen  Schau  dt-. 
Lederer’schen  Entwurf  in  seinem  gesammten  äusseren 
Aufbau  so  aus,  wie  ihn  die  Künstler  ersonnen  haben  — 
ein  schöneres  Denkmal  an  dieser  Stelle  ist  meines  Er- 
achtens kaum  ausdenkbar  — lasse  aber  den  inneren  Hohl- 
raum des  mächtigen  Rundsockels  nicht  ungenutzt  liegen, 
sondern  baue  diesen  zu  einer  Bismarck-Gedenkhalle 
aus,  die  durch  ein  ringförmiges  Oberlicht  weihevoll  zu 
erleuchten  ist,  und  als  deren  Mittelpunkt,  in  einer  dem 
mittleren  Denkmals-Fundament  abzugewinnenden  Nische, 
ein  Standbild  des  „Schlossherrn  von  Friedrichsruh'' 
aufzustellen  wäre,  das  an  diesem  Standorte  der  Historie 
völlig  getreu  gebildet  werden  kann. 

Es  befinden  sich  unter  den  vielen  Entwürfen  der  Aus- 
stellung, wie  der  Augenschein  lehrt,  mehrere  recht  gute 
Bismarck-Gestalten,  die  zu  einer  solchen  Ausführung  ge- 
eignetwären ; es  ist  hierbei  allerdings  nur  an  die  Vorschläge 
zu  denken,  die  die  Gestalt,  mit  Gehrock  und  Schlapphut 
angethan,  so  dargestellt  haben,  wie  sie  den  Hamburgern 
von  Friedrichsruh  her  in  lebendiger  Erinnerung  ist. 

Es  kann  solcherart  sicherlich  nicht  Anstoss  erregen, 
dass  das  Standbild  des  Gefeierten  zweimal  am  Denkmal 
vertreten  ist.  Der  Lederer’sche  Bismarck  ist  und  bleibt 
das,  was  der  Künstler  gewollt  hat:  die  geistvolle  Apotheose 
des  alles  Fleischlichen  und  Vergänglichen  entkleideten, 
versteinerten  Nationalhelden,  dessen  Abbild,  mit  wahrhaft 
künstlerischer  Empfindung  in  Baukunst  umgesetzt,  in  wun- 
derbarem Zusammenfluss  mit  dem  machtvollen  Unterbau, 
zum  Wahrzeichen  der  Stadt  Hamburg  wird  — drinnen 
aber,  überragt  von  dem  zu  Stein  erstarrten,  vergeistigten 
Heldenbilde,  thront  die  lebensvolle  Gestalt  des  „Alten  von 
Friedrichsruh“.  - KOrber,  kgi.  Baurath. 

Die  Jubiläumsstiftung  der  Deutschen  Industrie,  welche 
bekanntlich  gelegentlich  der  Hundertjahr-Feier  der  Tech- 
nischen Hochschule  zu  Berlin  im  Oktober  1899  aus  den  frei- 
willigen Beiträgen  unserer  Grossindustrie  errichtet  wurde, 
verfügt,  wie  wir  aus  einem  Berichte  über  die  am  ii.  Januar 
d.  J.  abgehaltene  1.  Sitzung  des  Kuratoriums  entnehmen, 
an  welches  jetzt  die  Verwaltung  übergegangen  ist,  z.  Z, 
über  ein  Vermögen  von  1752000  M.  üeber  die  Verwen- 
dung dieser  Mittel  bestimmen  die  Satzungen  der  Stiftung: 

„Es  können  Mittel  gewährt  werden  zur  Ausführung 
wichtiger  technischer  Forschungen  und  Untersuchungen, 
zu  Forschungs-  und  Studienreisen  hervorragender  Ge- 
lehrter und  Praktiker,  zur  Berichterstattung  über  solche 
Reisen,  zur  Herausgabe  technisch-wissenschaftlicher  Ar- 
beiten, zur  Stellung  von  Preisaufgaben,  zu  Lehrzwecken, 
zur  Gründung  und  Förderung  von  technisch-wissenschaft- 
lichen Anstalten  und  zu  sonstigen  Zwecken,  welche  die 
Förderung  der  technischen  Wissenschaften  im  Auge  haben". 

Und  zwar  ist  diese  Bestimmung  so  aufzufassen,  dass 
in  solchen  Fällen,  in  welchen  hervorragend  wichtige  Auf- 


gaben oder  Ziele  von  hoher  nationaler  Bedeutung  es  zweck- 
mässig erscheinen  lassen,  nicht  nur  die  Zinsen,  sondern 
auch  das  Stiftungskapital  selbst  ganz  oder  theilweise  -zur 
Verwendung  gebracht  werden  dürfen. 

Den  Satzungen  zufolge  ist  der  jeweilige  Vertreter  der 
Techn.  Hochschule  zu  Berlin  zugleich  I.  Vors,  des  Kura- 
toriums, das  ist  z.  Zt.  Hr.  Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Rietschel. 
Ferner  wurden  gewählt  zum  stellvertr.  Vors.  Hr.  Gen. -Dir. 
v.  Oecheihäuser-Dessau,  zu  Schriftführern  die  Hrn.  Bau- 
Dir.  Prof.  v.  Bach-Stuttgart  und  Brth.  Rieppel-Nürn- 
berg,  zum  Schatzmeister  Komm.-Rth.  Paul  Heckmann- 
Berlin,  zu  dessen  Stellvertreter  Geh.  Bergrth.  Prof.  Lede- 
bur-Freiberg i.  S.  Im  übrigen  gehören  dem  Kuratorium 
eine  Reihe  hervorragender  Namen  der  technischen  Wissen- 
schaft und  Praxis  an  und  zwar  je  i Vertreter  der  9 deutschen 
technischen  Hochschulen  zu  Berlin,  Hannover,  Aachen, 
München,  Dresden,  Stuttgart,  Darmstadt,  Karlsruhe  und 
Braunschweig,  je  i Vertreter  der  3 Bergakademien  zu 
Berlin,  Clausthal  und  Freiberg,  sowie  12  Mitglieder  der 
deutschen  Industrie.  Für  sämmtliche  Mitglieder  sind  auch 
für  den  Verhinderungsfall  die  Vertreter  bestimmt. 

Auf  ein  bei  dieser  Sitzung  an  Se.  Majestät  den  Kaiser 
gesandtes  Huldigungs-Telegramm  hat  dieser  dem  Vertrauen 
Ausdruck  gegeben,  „dass,  nachdem  diese  hochherzige  Stif- 
tung nunmehr  ins  Leben  getreten  ist,  die  angebahnte  Ver- 
einigung von  Theorie  und  Praxis  für  die  deutsche  Indu- 
strie hervorragende  Erfolge  zeitigen  möge“,  ein  Wunsch, 
dem  nur  von  vollem  Herzen  zugestimmt  werden  kann.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  des  akademischen  Vereins  Motiv  in 
Berlin  für  seine  Mitglieder  zum  10.  Febr.  betrifft  Skizzen 
für  die  Wand-  und  Deckenflächen  des  grossen  und  kleinen 
Kneipsaales  im  Motivhaus,  für  Einrichtungs-Gegenstände 
und  für  ein  dekoratives  Wahrzeichen  des  Motiv.  — 

Wettbewerb  Schmetterhaus  Troppau.  Der  Entwurf 
„Hie  gut  deutsch“  der  Hrn.  Rieh.  Walter  und  Hugo 
Heger  in  Charlottenburg  wurde  angekauft.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  H.  H.  in  S.  Wenn  bei  der  angewendeten  Mischung 
1:2:4  den  Wandstärken  des  Tunnels  von  i.  M.  1,42m  und 

der  Sohlenstärke  von  0,8  m der  Tunnel  nicht  wasserdicht  ist,  so 
muss  zunächst  auf  einen  Mangel  in  der  Ausführung  geschlossen 
werden.  Vermuthlich  ist  der  Beton  nicht  genügend  gestampft  oder 
es  ist  der  im  Inneren  aufgebrachte  Wandputz  nicht  sachgemäss  her- 
gestellt,  oder  es  wirken  beide  Ursachen  zusammen.  Allerdings  ist 
die  Aufgabe  eine  sehr  schwierige)  es  hätte  der  Zuziehung  eines 
ei'fährenen  Spezialisten  bedurft,  wozu  wir  Ihnen  noch  nachträglich 
unbedingt  ratlien.  Wir  halten  es  dann  für  nicht  gerade  unwahr- 
scheinlich, dass  ein  solcher  (aber  auch  nur  ein  solcher)  des  Uebels 
Herr  wird,  ohne  dass  wesentliche  Aenderungen  an  dem  Tunnel- 
mauei'werk  sich  als  nothwendig  erweisen.  — 

' .[Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bis- 
’^arck-Denkmal  in  Hamburg  (Fortsetzung).  — Zur  Erinnerung  an  Eduard 
Jacobsthal  (bchlass).  — Das  Bauwesen  im  preuss.  Staatshaushalt  für  1902 
(Schluss’.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief-  und  Fragekasten. 
Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


die  vor  allem  ins  Gewicht  fällt.  Sie  schliesst  zugleich  in 
sich  die  Abkehr  von  der  schroffen  Einseitigkeit  Boetticher’s, 
wenn  es  auch  nicht  ausbleiben  konnte,  dass  auch  Jacobs- 
thal unwillkürlich  von  der  ihm  zur  zweiten  Natur  gewor- 
denen Formenwelt  beeinflusst  wurde  und  ihm  fremdere 
Züge  gelegentlich  in  seine  Handschrift  umschrieb.  Immer- 
hin werden  die  unter  seiner  Leitung  entstandenen 
Schülerarbeiten  beweisen,  dass  er  als  Lehrer  keines- 
wegs ausschliesslicher  Hellenist  war,  sondern  sich  be- 
mühte, allen  künstlerischen  Leistungen  unbefangen  gegen- 
über zu  stehen,  namentlich  die  Ornamentik  des  Orients 
in  ihrer  farbenprächtigen  Haltung  galt  ihm  fast  ebensoviel 
wie  diejenige  der  antiken  Kunst.  Eine  von  ihm  eingeführte, 
nicht  zu  unterschätzende  Bereicherung  des  Unterrichtes  ist 
endlich  der  stete  Hinweis  der  Schüler  auf  das  Studiren 
der  Naturformen  und  der  verschiedenartigen,  während  des 
Wachsthums  der  Pflanze  sich  entwickelnden  Bildungen. 
Hatte  er  es  doch  durchgesetzt,  dass  zur  Beschaffung  der 
hierfür  erforderlichen  Pflanzen  ein  besonderes,  seiner 
Leitung  unterstelltes  Pflanzenbaus  an  den  Neubau  der 
Technischen  Hochschule  angeschlossen  wurde. 

So  darf  man  wohl  nicht  nur  die  persönlichen  Erfolge 
Jacobsthals  als  Lehrer  rühmen.  Sein  unvergänglicher 
Ruhm  ist  vielmehr,  dass  er  auf  dem  von  ihm  gepflegten 
Lehrgebiet  ein  Bahnbrecher  und  Pfadfinder  gewesen  ist, 
dessen  Arbeit  auch  für  die  kommenden  Geschlechter  sich 
fruchtbar  erweisen  wird.  — 

Im  nahen  Zusammenhänge  mit  der  Lehrthätigkeit 
Jacobsthals  stehen  seine  Studien  als  Kunstforscher, 
die  ja  zum  grossen  Theile  zum  Zwecke  jener  unternom- 


men worden  sind.  Seine  Abhandlung  über  „ Araceenformen 
in  der  Flora  des  Ornaments“  gewährt  neben  einem  vollen 
Einblick  in  die  eigenartige  Anschauungsweise  des  Ver- 
fassers infolge  ihres  überall  geistvolle  Anregungen  dar- 
bietenden, aber  jede  ästhetische  Phrase  vermeidenden 
Vortrages  einen  wirklichen  Genuss;  man  kann  nur  auf- 
richtig bedauern,  dass  sie  die  einzige  ihrer  Art  geblieben 
ist.  Auch  die  Ergebnisse  seiner  Studien  über  einige  deko- 
rative Werke  islamitischer  Kunst  sind  von  entschiedenem 
Werth  und  werden  sicher  noch  vorbildlich  wirken.  — 
Wie  die  menschliche  Persönlichkeit  Jacobsthals  im 
Verkehr  mit  seinen.  Schülern  sich  offenbarte,  ist  aus  jener 
oben  mitgetheilten  Aeusserung  zu  ersehen.  . Einen  ähn- 
lichen Eindruck  von  ihr  haben  jederzeit  auch  seine  Freunde 
empfangen.  Vor  ihrer  Seele  steht  sein  Bild  als  das  eines 
Mannes  von  lauterster  idealer  Gesinnung,  dem  jede  un- 
reine und  niedrige  Regung  fremd  war,  immer  bereit  zur 
neidlosen  Anerkennung  fremden  Verdienstes,  unermüd- 
lich strebend  und  doch  frei  von  Ehrgeiz,  im  Besitz  reifer 
Weisheit  und  dennoch  nicht  verlustig  des  köstlichsten 
Jugendgutes  — einer  schlichten,  für  jeden  unmittelbaren 
Eindruck  empfänglichen  Naivetät.  Er  hat  wohl  einzelne 
Gegner  und  vielleicht  auch  Neider,  aber  niemals  einen 
Feind  besessen.  Auch  von  ihm  gilt,  was  einer  unserer 
durch  tiefste  Menschenkenntniss  ausgezeichneten  Dichter, 
Theodor  Fontane,  seinem  Lieblingshelden  ins  Grab  nach- 
rufen  lässt:  „Er  war  ein  Mann  und  ein  Kind!“  — 
Möge  er  sanft  ruhen!  — Er  hat  es  verdient.  — 
Waren,  im  Januar  1902.  K.  E.  O.  Fritsch. 


52 


No.  8. 


Wettbewerb  um  Entwürfe  für  ein  Bismarck-Denkmal  in  Hamburg. 


Entw.  „Fröhliche  Weihnachten“  (Arch.:  Rieh.  Berndl-Mönchen). 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Nachstehend  bringen  wir  diejenigen  Eingaben  zur  Kenntniss  der  Verbands-Mitglieder,  welche  der 
Vorstand  entsprechend  den  Beschlüssen  der  Königsberger  Abgeordneten-Versanunlung  in  der  Frage  der 
Zulassung  der  Staatsbaubeamten  zur  Doktor-Promotion  an  die  zuständigen  Ministerien  usw.  der  Bundes- 
staaten mit  eigener  Technischer  Hochschule  gerichtet  hat.  Eine  Rückäusserung  in  dieser  Angelegenheit  ist 
bisher  nicht  erfolgt.  (Vergl.  auch  Heft  47  der  Verb.-Mitth.  S.  91  u.  ff.)  — 

Dresden-Berlin,  den  20.  Januar  1902. 

Der  Vorstand  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine. 

Der  Vorsitzende:  Waldow.  Der  Geschäftsführer:  F.  Eiselen. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  9.  Berlin,  den  29.  Januar  1902. 


Entwurf  „Dem  Gutsherrn  von  Friedrichsruh“. 
Architekt:  Prof.  Otto  Rieth  in  Berlin.  Ein  III.  Preis. 


I.  Eingabe  an  den  preussischen  Herrn  Kultusminister. 

Dresden-Darmstadt,  den  20.  September  1901. 

Euer  Excellenz 

beehrt  sich  der  Unterzeichnete  Vorstand  des  Verbandes  deutscher 
Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  zur  Frage  der  Anerkennung  der 
Staatsbauprüfung  als  Vorbedingung  für  die  Zulassung  zur  Doktor- 
Promotion  an  den  technischen  Hochschulen  Preussens  Folgendes 
ehrerbietigst  zu  unterbreiten: 

Als  durch  Allerhöchsten  Erlass  vom  ii.  Oktober  1899  den 
technischen  Hochschulen  Preussens  das  Recht  beigelegt  wurde,  die 
Würde  eines  Doktor-Ingenieurs  zu  verleihen,  war  man  in  den 
weitesten  Kreisen  des  technischen  Berufes  der  Anschauung,  dass 
diese  Anerkennung  allen  Zweigen  der  Technik  gelten  sollte,  dass 
demnach  die  Erlangung  der  Doktorwürde  an  einer  technischen  Hoch- 
schule allen  Technikern  mit  voller  akademischer  Vorbildung  frei 
stehen  und  nicht  an  die  Ablegung  einer  besonderen  Vorprüfung 
geknüpft  sein  würde. 

Die  Promotionsordnung  der  preussischen  technischen  Hoch- 
schulen verlangt  jedoch  als  Vorbedingung  die  Ablegung  des  Diplom- 
Examens,  schliesst  also  damit  die  Architekten  an  denjenigen  tech- 
nischen Hochschulen,  welche  eine  Diplom-Prüfung  für  dieses  Fach 
nicht  besitzen,  von  der  Erlangung  der  Doktorwürde  völlig  aus  und 
erschwert  denjenigen  Ingenieuren,  welche  entweder  schon  die 
.Staatsprüfung  abgelegt  haben  oder  sich  dem  Staatsdienste  nach 
Ablegung  der  Bauführerprüfung  widmen  wollen,  die  Erlangung 
dieser  Würde,  da  sie  sich  mindestens  einer  Nachprüfung  unter- 
ziehen und  sich  zura  Diplom-Ingenieur  ernennen  lassen  müssen. 

Diese  Regelung  des  Promotionsrechtes,  wie  sie  nach  den 
bisher  vorliegenden  Bestimmungen  erscheint,  ist  nicht  nur  von  den 
derzeitigen  Studirenden  der  technischen  Hochschulen,  sondern  in 
den  weitesten  Kreisen  des  Staatsbaufaches  als  eine  Zurücksetzung 
des  letzteren  schmerzlich  empfunden  worden.  Sie  trifft  vor  allem 
die  Architekten  und  nächstdem  die  Bauingenieure,  welche  letztere 
an  den  technischen  Hochschulen  z.  Z.  in  der  überwiegenden  Mehr- 
zahl die  Staatsprüfung  ablegen,  um  in  den  Staats-  bezw.  Kommunal- 
dienst einzutreten. 

Es  liegt  dem  Verbände  fern,  an  dieser  Stelle  die  Frage  des 
grösseren  wissenschaftlichen  Werthes  der  Diplomprüfung  oder  der 
Bauführerprüfung  erörtern  zu  wollen,  es  sei  jedoch  darauf  hinge- 
wi’esen,  dass  beide  Prüfungen  die  Berechtigung  zur  Ilabilitirung 
an  den  preussischen  technischen  Hochschulen  geben,  und  dass  die 
bisherige  Diplomprüfung,  die  nach  dem  Erlass  vom  3.  April  1901 
bis  auf  Weiteres  hinsichtlich  des  Promotionsrechtes  anerkannt  wor- 
den ist,  sich,  abgesehen  von  einer  häuslichen  Probearbeit,  in  der 
Form  nicht  wesentlich  von  der  Bauführer-Prüfung  unterscheidet. 
Wird  auch  die  eine  Prüfung  lediglich  von  der  akademischen  Behörde 
abgenommen,  so  haben  die  Professoren  in  der  Bauführer-Prüfung 
doch  einen  wesentlichen  Antheil,  und  schliesslich  stützen  sich  beide 
auf  das  gleiche  akademische  Studium.  Wenn  daher  die  erste  Haupt- 


53 


Prüfung  der  Diplom -Prüfung  hinsichtlich  der  Zulassung 
zur  Doktor-Promotion  gleichgestellt  würde,  so  dürfte  ein 
derartiges  Vorgehen  wohl  kaum  als  ein  Eingriff  in  die 
freie  Selbstbestimmung  der  technischen  Hochschulen  an- 
gesehen werden  können. 

- - --In  den -anderen  Bundesstaaten  liegen  die  Verhältnisse 
z.  Th.  ebenso,  wie  in  Preussen,  und  nur  z.  Th.  etwas 
günstiger  für  die  Staatsbaubeamten. 

Der  Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine,  welcher  mit  seinen  38  sich  auf  ganz  Deutschland 
vertheilenden  Vereinen  mit  einer  Gesammtzahl  von  über 
7000  Mitgliedern  sich  wohl  als  der  Vertreter  der  deutschen 
Architektenschaft  und  der  Bauingenieure  betrachten  darf, 
hat  es  bei  dieser  Sachlage  als  seine  Pflicht  betrachtet,  zu 
der  Frage  der  Doktor-Promotion  an  den  deutschen  tech- 
nischen Hochschulen  Stellung  zu  nehmen.  Die  XXX.  Ab- 
geordneten-Versammlung  des  Verbandes,  welche  am  23. 
und  24.  August  in  Königsberg  i.  Pr.  tagte,  hat  es  als  die 
Aufgabe  des  Verbandes  festgestellt,  dahin  zu  wirken,  dass: 

1.  die  Staatsbaubeamten  (Bauführer  und  Baumeister) 
in  allen  Bundesstaaten,  unter  Vermeidung  weiterer 
Prüfungen  zur  Doktor-Promotion  zugelassen  werden, 

2.  die  neuen  Diplom-Prüfungsordnungen  möglichst  ein- 
heitlich für  alle  Bundesstaaten  gefasst  und  auf  alle 
Abtheiiungen  der  technischen  Hochschulen  ausge- 
dehnt werden. 

Wir  richten  an  Euer  Excellenz  die  ehrerbietige  Bitte, 
in  diesem  Sinne,  welcher  den  Wünschen  der  überwiegenden 
Mehrheit  der  Staatsbaubeamten  entspricht,  eine  Regelung 
der  Zulassungsbedingungen  zur  Doktor -Promotion  sowie  der 
neuen  Diplom-Prüfungsordnungen  herbeiführen  zu  wollen. 
Der  Vorstand  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  u.  Ing.-V. 

Der  I.  Vorsitzende  Der  II.  Vorsitzende 

Waldow.  V.  Weltzien. 

2.  Abschrift  vorstehender  Eingabe  istdempreuss. 
Hrn.  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  mit  fol- 
gendem Anschreiben  übersandt  worden: 

Dresden-Darmstadt,  den  20.  September  1901. 

Euer  Excellenz 

beehrt  sich  der  Unterzeichnete  Vorstand  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine,  eine  an  den 
Herrn  Kultusminister  gerichtete  Eingaoc  in  Sachen  der 
Anerkennung  der  I.  Staatsprüfung  im  Baufache  als  Vor- 
bedingung für  die  Zulassung  zur  Doktor-Promotion  mit  der 
ehrerbietigen  Bitte  zu  überreichen,  als  der  berufene  Ver- 
treter des  Staatsbaufaches  für  die  Interessen  der  Staats- 
baubeamten  in  dieser  Frage  in  einem  Sinne  eintreten  zu 
wollen,  welcher  den  Wünschen  der  überwiegenden  Mehr- 
zahl der  Staatsbaubeamten  entsprechen  würde.  — 

3.  Dieselbe  Eingabe  ist  ferner  den  Senaten  der 
drei  preussischen  technischen  Hochschulen  zu 
Berlin,  Hannover,  Aachen  mitgetheilt  worden  mit 

folgendem  Anschreiben: 
Dresden-Darmstadt,  den  20.  September  1901. 

Einem  hohen  Senate 

beehrt  sich  der  Unterzeichnete  Vorstand  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  im  Aufträge 


der  XXX.  Abgeordneten -Versammlung  des  Verbandes, 
welche  am  23.  und  24.  August  in  Königsberg  i.  Pr.  getagt 
hat,  eine  an  den  Herrn  Kultusminister  in  Sachen  der  An- 
erkennung der  I.  Staatsprüfung  im  Baufache  als  Vorbedin- 
gung für  die  Zulassung  zur  Doktor  Promotion  gerichtete 
Eingabe  beifolgend  mit  der  Bitte  zu  überreichen,  sich  den 
in  dieser  Eingabe  im  Sinne  der  überwiegenden  Mehrheit 
der  Staatsbaubeamten  ausgesprochenen  Wünschen  nicht 
verschliessen  zu  wollen.  — 

Während  die  entsprechenden  Eingaben  an  die  zu- 
ständigen Minister  und  technischen  Plochschulen,  sowie 
an  die  anderen  infrage  kommenden  Bundesstaaten  vor- 
bereitet wurden,  erschien  die  neue  sächsische  Diplom- 
Prüfungsordnung. 

Es  sind  darauf  an  die  zuständigen  Ministerien  des 
Kultus  und  Unterrichtes  der  anderen  Bundesstaaten  die 
nachstehenden,  etwas  veränderten  Anschreiben  gerichtet 
worden,  welche  wiederum  mit  besonderem  Anschreiben 
den  Ministerien  zugeschickt  wurden,  welchen  in  dem  betr. 
Bundessstaat  das  Bauwesen  unterstellt  ist,  sowie  den  betr. 
technischen  Hochschulen. 

4.  Eingabe  an  die  Kultusministerien  der  übrigen 
Bundesstaaten,  welche  eine  eigene  technische 
Hochschule  besitzen. 

Dresden-Darmstadt,  den  15.  Oktober  1901. 
Euer  Excellenz 

beehrt  sich  der  Unterzeichnete  Vorstand  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  zur  Frage 
der  Anerkennung  der  Staatsbauprüfung  als  Vorbedingung 
für  die  Zulassung  zur  Doktor-Promotion  an  den  tech- 
nischen Hochschulen  Deutschlands  ehrerbietigst  Folgendes 
zu  unterbreiten: 

Die  Promotionsordnungen  der  sämmtlichen  technischen 
Hochschulen  Deutschlands  stellen  als  Vorbedingung  für  die 
Zulassung  zur  Doktor-Promotion  die  Forderung  der  vor- 
herigen Ablegung  der  Diplom-Prüfung.  Sie  erschweren  da- 
mit denjenigen  Technikern,  welche  die  erste  Staatsprüfung 
bereits  abgelegt  haben  oder  sich  nach  Ablegung  der  ersten 
Staatsprüfung  dem  Staatsdienste  widmen  wollen,  die  Err 
laiigung  der  Doktorwürde,  da  sie  sich  bei  der  überwiegen- 
den Mehrzahl  der  technischen  Hochschulen  einer  Nach- 
prüfung unterziehen  und  sich  zum  Diplom-Ingenieur  er- 
nennen lassen  müssen.  Letzteres  gilt  auch  für  diejenigen, 
welche  bereits  die  zweite  Staatsprüfung  abgelegt  haben. 

Diese  Regelung  des  Promotionsrechtes,  wie  sie  nach 
den  bisher  vorliegenden  Bestimmungen  erscheint  und  wie 
sie  durch  die  kürzlich  erlassene  Diplom-Prüfungsordnung 
für  die  technische  Hochschule  in  Dresden  bereits  festgelegt 
ist,  wird  nicht  nur  in  den  Kreisen  der  Studirenden,  sondern 
in  den  weitesten  Kreisen  des  Staatsbaufaches  schmerzlich 
empfunden.  Sie  trifft  vor  Allem  die  Architekten  und  Bau- 
ingenieure, welche  wohl  an  allen  technischen  Hochschulen 
z.  Z.  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  die  Staatsprüfung 
ablegen,  um  sich  sodann  dem  Staats-  bezw.  Gemeinde- 
dienst zu  widmen. 

Der  Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine,  weicher  usw.  — 

(Schluss  wie  bei  Anschreiben  i.  — ) 


Zur  Frage  der  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs-Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss. 


Hir  entsprechen  gerne  einem  Wunsche  des  Hrn.  Prof. 
Gabriel  von  Seidl  in  München  und  lassen  nachr 
stehend  die  Aeusserungen  folgen,  die  derselbe  über 
die  Heidelberger  Schlossfrage  im  Münchener  Arch.-  u.Ing.- 
Verein  vortrug,  der  sich  über  die  Angelegenheit  zwar  einer 
Abstimmung  enthielt,  aber  seine  Sympathie  zu  den  Aeusse- 
rungen des  Vortragenden  zum  Ausdruck  brachte. 

„Durch  die  vielfachen  Erörterungen  über  den  Ausbau 
des  Heidelberger  Schlosses,  welche  erfreulicher  Weise  die 
Gemüther  sehr  lebhaft  beschäftigen,  geht  ein  Zug,  als  wenn 
für  die  Erhaltung  des  jetzigen  Bestandes  fast  ausschliess- 
lich nur  Kunsthistoriker  und  Kunstfreunde  einträten,  welche 
vom  Gefühlsstandpunkt  aus,  begeistert  von  der  Schönheit 
und  Stimmung  des  Bauwerkes,  diesen  Wunsch  verfechten, 
während  vom  Standpunkt  des  Architekten  aus  der  Ausbau 
gefordert  werden  müsse.  Es  erscheint  mir  angezeigt,  die- 
ser irrigen  Annahme  gegenüber  vom  Standpunkte  des 
Architekten  aus  die  Frage  zu  beleuchten. 

In  der  Baukunst  ist  es  bekanntlich  vor  allem  wichtig, 
bei  jeder  Vornahme  sich  über  die  Folgen  derselben  klar 
zu  sein,  und  zumal  bei  Eingriffen  in  eine  vorhandene  Bau- 
gruppe vorher  zu  prüfen,  ob  die  Harmonie  nicht  gestört, 
ob  ein  schöner  Schlussakkord  erzielt  wird.  Dies  gilt  ge- 
wiss im  stärksten  Grade,  wenn  es  sich  darum  handelt, 
an  ein  so  erhabenes  Baudenkmal  wie  das  Heidelberger 
Schloss  Hand  anzulegen.  Hier  darf  die  Bedachungsfrage 


nicht  für  einen  bestimmten  Bautheü  oder  eine  Baugruppe 
allein  behandelt,  sondern  sie  muss  für  die  gesammte 
Schlossgruppe  aufgeworfen  werden,  wenn  man  später 
nicht  in  Verlegenheit  kommen  will. 

Klar  ist,  dass  es  den  unangenehmsten  Gegensatz  her- 
vorrufen  würde,  wenn  die  eine  Baugruppe  mit  Dächern 
versehen  und  ausgebaut  wäre,  und  daneben  wirkliche 
Ruinen  bestehen  blieben.  Dies  müsste  die  Gefühle  des 
Architekten  wie  der  Allgemeinheit  gröblich  verletzen. 
Also  dürfte  man  mit  der  Aufsetzung  vereinzelter  Dächer 
überhaupt  nicht  anfangen,  bevor  man  sich  nicht  über  die 
Möglichkeit  oder  Unmöglichkeit  der  Dachaufsetzung  bei 
den  übrigen  Baulichkeiten  klar  geworden  ist.  Ein  Urtheil, 
hierüber  Hesse  sich  schon  einigermaassen  gewinnen,  wenn 
man  in  grosse  Photographien  von  den  verschieaensten 
Standpunkten  — besonders  auch  vom  Hofe  und  vom  Stück- 
garten aus  — alle  geplanten  Bedachungen  und  Wieder- 
herstellungen einzeichnen  würde.  Ich  habe  die  Ueber- 
zeugung,  dass  schon  diese  Probe  die  Undurchführbarkeit 
der  Gesammt-Dachaufsetzung  beweisen  wird.  Dächer, 
welche  den  Charakter  von  Schutzdächern  hätten,  wären 
für  die  ganze  Schlossgruppe  wohl  kaum  befriedigend.  Das 
Dach  des  bewohnten  Hauses  aber,  mit  all’  den  leben- 
digen kleinen  Reizen  und  Nothwendigkeiten,  dieses  ent- 
zückende, poetische  deutsche  Dach  kann  man  hier  doch 
nicht  machen,  und  es  künstlich  nachahmen,  wäre  noch 


54 


viel  weniger  wünschenswerth.  Hierbei  wäre  zu  beachten, 
dass  so  wenig  als  möglich  neue  Architekturtheile  hinzu* 
gefügt  werden  dürften,  denn  diese  vertragen  sich  nicht 
mit  dem  Reiz  der  historischen  Mauern.  Sie  würden  wie 
Gift  neben  ruinenartigen  Beständen  wirken,  die  man  nicht 
alle  beseitigen  kann,  ohne  schliesslich  einen  völligen  Neu- 
bau aufzuführen,  dessen  Kosten  und  Wirkung  schwer  zu 
berechnen  sein  würden.  Also  darf  man  für  Herstellung 
eines  vereinzelten  Bauiheiles  oder  einer  vereinzelten  Bau- 
gruppe auch  dann  nicht  eintreten,  wenn  die  Pläne  für  die 
Wiederherstellung  an  sich  sehr  hübsch  sind. 

Als  Zeichnung  genommen  sind  die  Pläne  des  Hrn. 
Ob.-Brth.  Schäfer  zur  Otto  Heinrichs-Fassade  gewiss  sehr 
hübsch.  Ihre  Ausführung  würde  aber  die  unheilvollsten 
Gegensätze  hervorrufen  und  zu  unlösbaren  Folgen  führen. 
Der  Ausbau  des  gläsernen  Saalbaues  im  Inneren  beeinflusst 
das  Aeussere  nicht,  wenn  er  kein  sichtbares  Dach,  son- 
dern eine  unterhalb  des  Hauptgesimses  liegende  wagrechte 
Asphalt-Ueberdachung  erhält. 

Was  nun  die  Befürchtungen  für  die  Haltbarkeit  des 
Otto  Heinrichs-Baues,  vor  allem  für  dessen  prachtvolle 
Hoffassade  anbelangt,  so  glaube  ich,  dass  die  meisten  Fach- 
männer beim  Augenschein  an  Ort  und  Stelle,  beim  Ein- 
druck der  gewaltigen,  aus  bestem  Material  gebauten  Mauern 


jedes  Bedenken  fallen  lassen  werden,  Man  braucht  nicht 
auf  Gerüsten  herumzuklettern,  um  sich  hierüber  ein  Ur- 
theil  bilden  zu  können,  da  man  dem  Mauerwerk  von  ver- 
schiedenen Stellen  aus  nahe  treten  kann.  Der  Haupt- 
eindruck, der  Gesammtüberblick  vom  Flofe  aus,  ist 
aber  der  wichtigste  Faktor  für  die  Beurtheilung  desselben. 
Es  zeigt  sich,  dass  gar  kein  nennenswerther  statischer 
Mangel,  kein  Sprung,  keine  Setzung  vorhanden  ist,  und 
es  wird  auch  meines  Wissens  von  keiner  Seite  aus  ein 
solcher  festgestellt*),  — wozu  also  die  Angst?  Die  Frage, 
ob  Steine  ausgewechselt  werden  sollen  oder  wie  viele, 
hat  mit  den  Dächern  nichts  zu  thun  und  mit  der  Standsicher- 
heit nur  in  zweiter  Linie.  Es  ist  dies  ein  eigenes  wich- 
tiges und  langes  Kapitel  für  sich. 

Es  läge  nahe,  auch  auf  Einzelfragen  einzugehen,  die  hier 
sehr  interessanterNatur  sind  und  die  alle  laut  dafür  sprechen, 
die  Einheitlichkeit  des  jetzigen  historischen  Charakters  der 
Bauten  nicht  aufzuheben  oder  zu  stören.  Indessen,  es  seien 
hier  nur  Hauptgesichtspunkte  berührt,  die  für  den  Archi- 
tekten entscheidend  sind,  wenn  auch  er,  Hand  in  Hand 
gehend  mit  den  Kunsthistorikern  und  Kunstfreunden,  ver- 
langt, es  möge  die  jetzige  Schönheit  des  Heidelberger 
Schlosses  nicht  aufs  Spiel  gesetzt  werden,  sondern  auch  die 
kommenden  Geschlechter  noch  entzücken  und  begeistern.“ 
Gabriel  Seidl. 


_ kirchen  usw.  sollten  diese  Steine  Verwendung  finden, 

Mittheilungen  aus  Vereinen.  Bedarf  verschwindend  klein  sei  gegenüber 

Architekten-Verein  zu  Berlin.  Vers,  vom  9.  Dez.  1901.  dem  Material  an  Steinen  kleineren  Normalformates.  Die 
Vors.  Hr.  Beer.  — Nach  kurzen  Mittheilungen  des  Vor-  Fabrikation  werde  also  in  keiner  Weise  bedroht. 


Entwurf  »Du  und  Dein  Werk“. 

Wettbewerb  um  Entwürfe  für  das  Bismarck-Denkmal  in  Hamburg. 


sitzenden  über  die 
für  die  Bibliothek 
eingegangenen  Ge- 
schenke erstattete 
Hr.  Hossfeld  Be- 
richt zu  einem 
Anträge  des  Hrn. 

Dümmler,  der  Ver- 
ein möge  beim  Hrn. 

Minister  d.  öffentl. 

Arbeiten  vorstellig 
werden,  dass  er  zu- 
gezogen werde  zu 
den  Berathungen 
über  die  Feststell- 
ung eines  Normal- 
formates für  Zie- 
gel grossen  Forma- 
tes (Klosterformat) 
ebenso  wie  die  an 
der  Fabrikation  in- 
teressirten  ande- 
ren Vereine.  Er 
hebt  zunächst  her- 
vor, dass  überhaupt 
nicht  die  Absicht 
bestände,  die  Inter- 
essenten zu  den  Be- 
rathungen hinzu  zu 
ziehen,  dass  diese  vielmehr  im  Wesentlichen  abgeschlossen 
seien.  Dagegen  sollen  die  Ergebnisse  vor  endgiltiger  Fest- 
setzung den  Interessenten  noch  vorgelegt  werden.  Es 
liege  also  ein  Grund  zu  dem  Anträge  nicht  vor.  Zur  Sache 
selbst  bemerkte  er,  dass  allerdings  sich  als  wünschens- 
werth herausgestellt  habe,  für  das  Klosterformat  Normal- 
maasse festzustellen,  damit  sich  die  Ziegeleien  danach 
richten  könnten  und  in  Zukunft  leichter  und  billiger  solche 
Steine  für  bestimmte  Zwecke  zu  erlangen  wären.  Nach 
Umfrage  bei  sämmtlichen  Lokalbauinspektionen  schwank- 
ten die  alten  Maasse  zwischen  24— 33c«n  Länge,  10 — 17  t:“ 
Breite,  6,5—11  Dicke.  Vorgeschlagen  seien  die  ge- 
mittelten Maasse  28,5  : 13,5  :9<='".  Die  Fugenstärke  bei  den 
alten  Bauten  beträgt  1,5—2  «m,  gewählt  sind  1,5  c“  für 
Stoss-  und  Lagerfuge.  Als  Verband  kommen  der  polnische 
(Wechsel  von  je  i Binder  und  i Läufer  in  jeder  Schicht) 
und  der  märkische  vor  (je  2 Läufer , abwechselnd  mit 
I Binder  in  jeder  Schicht),  die  zwar  vielleicht  keinen  so 
guten  Verband  ergeben  wie  der  Kreuzverband  und  der 
Blockverband,  aber  ruhiger  wirken.  Der  Verband  solle 
keinesfalls  den  Eindruck  einer  Musterung  hervorrufen, 
das  wirke  kleinlich.  Die  geringen  Uebelstände  des  nicht  so 
vollkommenen  Verbandes  müsse  man  in  den  Kauf  nehmen. 

Die  Steine  sollten  nicht  maschinell,  sondern  als  Hand- 
strichsteine hergestellt  werden.  Das  sei  vom  ästhetischen 
Standpunkte  vorzuziehen.  Keine  Maschinenarbeit  könne 
die  charakteristische  Wirkung  des  rauhen  Handstrichsteines 
nachahmen.  Hiergegen  wendeten  sich  hauptsächlich  die 
Fabrikanten,  die  Befürchtungen  derselben  seien  aber  ganz 
unbegründet.  Nur  bei  alten  Bauten,  bei  einfachen  Dorf- 


Im  Anschlüsse  an 
dieseAusführungen 
entspinnt  sich  eine 
lebhafte  Auseinan- 
dersetzung. Hr. 
Dümmler  vertritt 
den  Standpunkt, 
dass  die  Hauptfrage 
die  sei;  Maschinen- 
oder Handstrich- 
Steine?  Vom  Stand- 
punkt der  Fabrika- 
tion seien  erstere 
unbedingt  vorzu- 
ziehen. Die  Hand- 
strichsteine  wür- 
den, da  sie  im 
grossen  Formate 
schwerer  durch- 
brennen, vielfach 
verderben,  sehr 
theuer  werden.  Auf 
Vorrath  werde  aus- 
serdem doch  kein 
Fabrikant  arbeiten 
können.  Hr.  Blan- 
kensteinkannsich 
für  das  grosse  For- 
mat nicht  erwär- 


men, hält  den  Gedanken  für  einen  Rückschritt.  Auf  alle 
Fälle  müsse  man  sich  in  der  Anwendung  auf  alte  Bauten 
beschränken.  Hr.  Hossfeld  stimmt  dem  Redner  zu,  so- 
weit es  sich  um  Bauten  in  der  Stadt  handelt.  Aber  draussen 
in  der  freien  Natur  gebe  das  grosse  Format  den  Bauten 
erst  die  kräftige  Wirkung,  der  Ziegelfeinbau  erscheine  da 
geleckt,  sdiwächlich.  An  den  Erörterungen  betheiligten 
sich  noch  die  Ilm.  Becker,  Hacker  und  Beer.  Ein 
Beschluss  in  der  Sache  wird  nicht  gefasst.  — 

Hr.  Ing.  Gary,  Abth.-Vorsteher  an  der  kgl.  Mechan.- 
Techn.  Versuchsanstalt,  Charlottenburg,  sprach  sodann  über 
ein  neues  Verfahren  zur  Prüfung  von  Materialien  auf  ihren 
Widerstand  gegen  Abnutzung,  der  bisher  nur  mittels  Ab- 
schleifen auf  einer  röhrenden,  geschmirgelten  Scheibe  be- 
stimmt wurde.  Der  natürliche  Vorgang  der  Einwirkung 
des  Sandes,  der  durch  den  Wind  gegen  das  Gestein  an- 
geblasen wird,  dessen  Oberfläche  angreift  und  durch 
Erosion  des  weicheren  Materiales  vielfach  zu  über- 
raschenden, interessanten  Bildungen  geführt  hat,  legte 
den  Gedanken  nahe,  diesen  Vorgang  künstlich  nachzu- 
ahmen. So  ist  die  Anwendung  des  Sandstrahlgebläses  als 
ein  neues  Hilfsmittel  der  Untersuchung  hinzugetreten,  das, 
wie  der  Redner  an  einer  grossen  Zahl  ausgestellter  Proben 
zeigte,  über  die  innere  Struktur  der  Materialien  inter- 
essante Aufschlüsse  giebt  und  als  eine  vorzügliche  Er- 
gänzung des  alten  Mittels  des  Abschleifens,  das  nur  einen 
zahlenmässigen  Aufschluss  über  den  Widerstand  gegen 


*)  Die  uQwesentliche  Ausbauchung  eines  oberen  Theiles  kommt  nicht 
in  Rechnung,  da  ja  die  Mauer  beim  Ausbau  sogar  noch  sehr  hohe  neue 
Giebel  tragen  könnte. 


29.  Januar  1902. 


35 


mechanische  Abnutzung  ermöglicht,  anzusehen  ist.  Nament- 
lich hinsichtlich  der  für  den  Techniker  vor  allem  wichtigen 
Erkenntniss  von  den  charakteristischen  Eigenschaften  der 
Baustoffe,  insbesondere  über  die  Härteverhältnisse,  die 
Struktur,  die  Bearbeitungs-Möglichkeit  giebt  die  neue  Me- 
thode vortrefflichen  Aufschluss. 

Die  Ausführungen  des  Redners  wurden  mit  Interesse 
und  Beifall  aufgenommen.  Der  vorgeschrittenen  Stunde 
wegen  mussten  die  übrigen  Gegenstände  der  Tagesordnung 
dann  unerledigt  bleiben.  — 


Vermischtes. 

Ehrendoktoren  der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin. 

Gelegentlich  der  Feier  des  Geburtstages  Sr.  Maj.  des  Kaisers 
hat  die  Technische  Hochschule  zu  Berlin  eine  Reihe  von 
Männern,  die  sich  um  die  Förderung  der  technischen 
Wissenschaften  hervorragende  Verdienste  erworben  haben, 
zum  S)Dftor»3'üÖ-  Ehren  halber  ernannt  und  zwar: 

Auf  Antrag  der  Abth.  für  Bauing.-Wesen  den  Ob.-Bau- 
dir.  Ludwig  Franzius  in  Bremen,  „den  auf  wissenschaft- 
licher Grundlage  unermüdlich  schaffenden  Ingenieur,  den 
Förderer  der  deutschen  See-  und  Binnenschiffahrt,  den 
erfolgreichen  Lehrer  der  Wasserbaukunst“, 

ferner,  auch  auf  Antrag  der  Abth.  f.  Masch.-Ing.-Wesen, 
den  Eisenb.-Dlr.  a.  D.  Geh.  Reg.-Rth.  August  Wöhler  in 
Hannover,  ,,der  mit  seltener  Ausdauer  auf  dem  Gebiete  des 
Material-Prüfungswesens  bahnbrechend  gearbeitet  und  da- 
durch die  Entwicklung  des  Eisenbaues  in  allen  seinen 
Zweigen  wesentlich  gefördert  hat“, 

auf  Antrag  der  Abth.  für  Chemie  u.  Hüttenwesen  den 
Kommerz.-Rth.  Dr.  Theodor  Fleitmann  in  Iserlohn,  „den 
Begründer  der  Nickel-Industrie  in  Anerkennung  seiner 
grossen  Verdienste  um  die  wissenschaftl.  Chemie“, 

sowie  den  Geh.  Rath  und  Prof,  an  der  kgl.  sächs. 
Bergakademie  Dr.  Clemens  Winkler  in  Freiberg  i.  S., 
den  Entdecker  des  Germaniums,  „in  Anerkennung  seiner 
Verdienste  um  die  Beseitigung  der  gasförmigen  Neben- 
produkte, insbesondere  um  die  technische  Begründung 
des  Schwefelsäure-Kontaktverfahrens“ 

und  den  Geh,  Rath  Prof.  Dr.  Adolf  Ritter  v.  Baeyer 
in  München  „in  Anerkennung  seiner  bahnbrechenden 
wissenschaftlichen  und  technisch-chemischen  Arbeiten,  na- 
mentlich der  Synthese  des  Indigos  und  dessen  technischer 
Herstellung“, 

endlich  auf  Antrag  der  Abth.  für  allg:  Wissenschaften 
den  Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Dr.  Hittorf  in  Münster  „in  An- 
erkennung seiner  grundlegenden  Entdeckungen  ülser  die 
Wanderung  der  Jonen  und  über  die  Kathodenstrahlen“. 
Die  Anträge  sämmtl.  Abth.  waren  einstimmig  gestellt. 

Ernennung  deutscher  Künstler  und  Techniker  zu  Mit- 
gliedern der  französischen  Ehrenlegion.  Auch  Hr.  Ob.-Ing. 
Adolf  Ramm  aus  Hannover,  Vertreter  der  Firma  Koerting 
fröres  in  Paris,  ist  zum  Ritter  des  Ordens  ernannt  worden 
und  zwar  als  einziger  der  in  Paris  lebenden  deutschen 
Techniker.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  internationalen  Wettbewerb  betr,  Entwürfe  für 
ein  Sanatorium  für  Tuberkulose  in  England,  zu  welchem 
wohllhätige  Mittel  zur  Verfügung  stehen,  erlässt  ein  bez. 
Comite  zu  dem  kurzen  Termin  des  15.  April  d.  J.  Das 
Sanatorium  ist  für  50  männliche  und  50  weibliche  Kranke 
bestimmt  und  soll  bei  aller  Sparsamkeit  in  der  Anlage 
die  neuesten  hygienischen  Einrichtungen  und  wissenschaft- 
lichen Forschungen  berücksichtigen.  An  dem  Wettbewerb 
können  entweder  Aerzte  aller  Nationen  allein  oder  Aerzte 
in  Verbindung  mit  Architekten  sich  betheiligen.  Es  ge- 
langen 3 Preise  von  10000,  4000  und  2000  M.  zur  Ver- 
theilung  und  zwar  „nach  dem  Grade  des  Verdienstes  auf 
die  Empfehlung  des  berathenden  Comites“.  Dieses  besteht 
lediglich  aus  englischen  Beurtheilern  — Sir  William  B r o a d- 
bent,  Sir  Richard  Douglas  Powell,  Sir  Francis  Laking, 
Sir  Felix  Semon,  Sir  Hermann  Weber  und  Dr.  C.  Theod. 
Williams.  Das  Ausschreiben  lässt  nicht  erkennen,  ob 
dieses  Comitö  auch  Architekten  enthält.  Die  in  englischer 
Sprache  zu  verfassenden  und  mit  der  Schreibmaschine  zu 
schreibenden  „Aufsätze“  sind  sammt  den  sie  etwa  be- 
gleitenden Plänen  an  einen  der  Sekretäre  des  Comites, 
Dr.  P.  Hoston-Smith,  15  Upper  Brook  Street,  London,  W. 
oder  Dr.  John  Broadbent,  35  Seymour  Street,  London,  W. 
zu  senden. 

Die  Art  der  Ausschreibung  des  Wettbewerbes  erweckt 
in  uns  nicht  den  Eindruck,  dass  Architekten  an  seinen  Vor- 
arbeiten betheiligt  waren,  und  wir  glauben  auch  bei  der 
einseitigen  Zusammensetzung  des  Preisgerichtes  nicht,  dass 
deutsche  Bewerber  Aussicht  auf  eine  Auszeichnung  hegen 
können.  Wir  wollen  aber  für  etwaige  deutsche  Bewerber 


nicht  unterlassen  darauf  hinzuweisen,  d^s  in  dem  bei 
Arnold  Bergsträsser  in  Stuttgart  erschienenen  trefflichen 
und  sehr  eingehenden  Werke  über  Krankenhäuser  von 
Prof.  F.  O.  Kuhn  in  Berlin  werthvoUe  Anhaltspunkte  über 
die  einschlägigen  englischen  Verhältnisse  für  eine  Lösung 
der  Aufgabe  gefunden  werden  können.  — 

Wettbewerb  mittlere  Rheinbrücke  in  Basel.  Ergänzend 
zu  dem  Berichte  über  den  Ausfall  dieses  Wettbewerbes 
in  No.  4 sei  aus  dem  jetzt  vorliegenden  Urtheil  des  Preis- 
gerichtes noch  hinzugefügt,  dass  das  letztere  mit  Rücksicht 
auf  die  grossen  Kostenunterschiede  der  verschiedenen  Ent- 
würfe (1563750— 3744028  Frcs.,  bei  den  5 preisgekrönten 
Arbeiten  etwa  zwischen  2,2  und  2,8  Mill.  Frcs.)  nach  die- 
ser Richtung  hin  noch  weitere  Prüfungen  für  nöthig  hielt 
und  daher  darauf  verzichtete,  einen  bestimmten  Entwurf 
zur  Ausführung  zu  empfehlen.  Es  wird  jedoch  ausdrück- 
lich in  erster  Linie  die  Ausführung  in  Stein  vorgeschlagen. 
Abgesehen  von  allgemeinen  Rücksichten  soll  damit  ein 
neues  Element  in  das  Stadtbild  gebracht  und  eine  be- 
stimmte Unterscheidung  von  den  beiden  anderen  Brücken 
erreicht  werden.  Bezüglich  der  architektonischen  Behand- 
lung des  endgiltigen  Entwurfes  ist  das  Preisgericht  der 
Anschauung,  dass  es  durchaus  nothwendig  sei,  der  reiz- 
vollen mitteialterlichen  Brückenkapelle  der  alten  Brücke, 
die  wieder  auf  dem  neuen  Bauwerke  zur  Aufstellung 
kommen  soll,  gegenüber  den  weiten  Spannungen  und 
schweren  Massen  durch  irgend  welche  Mittel  eine  stärkere 
Wirkung  zu  geben. 

Auf  das  Urtheil  des  Preisgerichtes  selbst,  das  sich  in 
seiner  Begründung  in  anerkennenswerther  Weise  auch  mit 
der  Kritik  der  nicht  präraiirten  Entwürfe  befasst,  können 
wir  ohne  Beigabe  von  Zeichnungen  nicht  näher  eingehen. — 

Wettbewerb  um  den  Entwurf  für  elektrischen  Schiffszug 
auf  dem  Teltowkanal.  Als  Ergänzung  zu  der  Mittheilung 
über  dieses  Preisausschreiben  in  No.  5 seien  noch  einige 
Angaben  aus  den  besonderen  Bedingungen  gegeben. 

Verlangt  werden  eine  vollständige  Beschreibung  und  Be- 
rechnung^  des  vorzuschiagenden  Schleppbetriebes,  welche 
durch  Zeichnungen  zu  erläutern  sind.  Diese  haben  Schlepp- 
motorboote in  1:25,  Schlepplokomotiven  oder  andere 
Schlepp-  und  Fortbewegungs-Mechanismen  in  1:5  oder 
I ; IO,  die  allg.  Anordnung  etwaiger  elektr.  Arbeitsleitungen, 
Gleisanlagen  usw.  in  1 : 100,  Einzelheiten  dieser  Anordnun- 
gen 1:5  bezw.  1:10,  bei  neuem  Oberbausystem  in  natür- 
lichen Grössen  darzustellen.  Die  Rechnungen  haben  sich  zu 
erstrecken  auf  die  Festigkeit  und  Standsicherheit  der  haupt- 
sächl.  Theile  der  vorgeschlagenen  Einrichtungen,  auf  den 
Energiebedarf  und  Wirkungsgrad,  auf  die  Leistungsfähigkeit 
des  Betriebes.  Der  Kostenüberschlag  ist  so  aufzustellen,  dass 
daraus  auch  eine  Umrechnung  auf  eine  andere  Verkehrs- 
grösse_  oder  Länge  der  Verkehrsstrecke  möglich  ist.  Von 
patentirten  Konstruktionen  sind  die  Patentgebühren  anzu- 
geben. Es  ist  ferner  eine  möglichst  eingehende  Betriebs- 
Kosten-Berechnung  aufzustelleri.  Erläuterungsbericht  und 
Kostenanschlag  sind  in  deutscher  Sprache  abzufassen.  Das 
Programm  giebt  noch  einige  Angaben  über  Linienführung 
und  bauliche  Verhältnisse  des  Kanales,  Wasserstärke  und 
Querschnitte,  Bodenbeschaffenheit,  Betriebsbedingungen 
und  Verkehr  nebst  Schiffsgrössen.  (Die  zeichnerischen 
Anlagen  sind  für  10  M.,  die  später  zurückerstattet  werden, 
von  der  Kanal-Bauverwaltung  zu  beziehen.) 

Die  mit  Preisen  ausgezeichneten  bezw.  angekauften 
Arbeiten  verbleiben  dem  Kreise  Teltow.  Dieser  ist  be- 
rechtigt, alle  Gedanken,  weiche  in  diesen  Arbeiten  ent- 
halten sind,  bei  dem  auf  dem  Teltow-Kanale  einzurichten- 
den Betriebe  ohne  weitere  Entschädigung  zur  Anwendung 
zu  bringen,  soweit  diese  Gedanken  nicht  bereits  vor  Ein- 
reichung der  Preisarbeit  patentirt  oder  beim  Patentamt 
angemeldet  waren.  — 

Der  Wettbewerb  um  Entwürfe  zum  Bismarck-Denkmal  in 
Hamburg  hat  erfreulicher  Weise  den  Ausgang  genommen, 
den  wir  erhofften.  Das  grosse  Comite  hat  nach  der  Voss. 
Ztg.  in  seiner  Sitzung  vom  25.  d.  M.  mit  28  gegen  2 Stimmen 
beschlossen , den  mit  dem  I.  Preise  ausgezeichneten  Ent- 
wurf der  Hrn.  Arch.  Schaudt  und  Bildhauer  Lederer 
in  Berlin  zur  Ausführung  zu  bringen  und  die  beiden 
Sieger  mit  dieser  Arbeit  zu  betrauen.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Litteratur  giebt  es  über  die  Verankerung  der  Funda- 
mente von  Gebäuden  in  den  Bergwerksgegenden?  W.  Th.  in  D. 

Inhalt:  Der  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  eia  Bismarck -Denkmal  in 
Hamburg.  — Verband  deutscher  Arch.-  und  Ing. -Vereine.  — Zur  Frage  der 
Fortsetzung  der  Wiederherstellungs- Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss.  — 
Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief- 
und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzcitun^  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann, 'Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


5^  No.  9. 


EUTSCHE 

XXXVI.JAHR- 

^BERLIN 


AUZEITUNG. 
GANG.  * * N2;  10.  * 
DENi.  FEBR.  1902. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Bismarck -Denkmal 

in  Hamburg.  (Schluss.) 


ine  frohe  Kunde  ist  in  diesen  Tagen  über 
die  deutschen  Lande  verbreitet  worden: 
Das  Bismarck-Denkmal  für  Hamburg,  das 
Denkmal,  auf  welches  die  Augen  der  künst- 
lerischen WeltDeutschlands  mit  leidenschaft- 
licher Erwartung  gerichtet  sind,  das  Denkmal,  an 
welches  die  deutsche  Künstlerschaft  die  durch  eine 
lange  Kette  von  Enttäuschungen  genährte  Hoffnung 
knüpft,  dass  es  ein  monumentaler  Protest  sein  werde 
gegen  eine  Kunst  des  landläufigen  Tagesgeschmackes, 
eine  Kunst,'  die  nicht  mehr  wie  früher  ein  Stück  künstle- 
rischer Gewissensforschung,  sondern  mehr  und  mehr 
ein  Theil  materiellen  Erwerbslebens  ge'worden  ist, 
dieses  Denkmal,  von  dessen  heissumstrittener  Gestalt 
die  Kreise  nicht  lassen  wollten,  welche  in  der  Monu- 
mentalkunst mehr  sehen,  als  die  Befriedigung  eines 
oberflächlichen  Triebes,  welche  von  ihr  verlangen, 
geistige  Phänomene  in  eine  dauernd  beachtete  sinn- 
lich wahrnehmbare  Form  zu  kleiden,  dieses  Denkmal 
soll  in  der  That  in  der  eigenartigen  Gestalt  erstehen, 
welche  zwei  treffliche  Künstler,  die  ihren  Weg  abseits 
vom  allgemeinenHeerpfade  suchen,  ihm  gegeben  haben. 
So  wird  denn  die  blühende  Hansestadt  am  unteren  Lauf 
der  Elbe  mit  dem  Denkmal  beschenkt  werden,  welches 
wie  kein  anderes  auf  deutschem  Boden  das  Wesen 
des  Schöpfers  des  neuen  Reiches  zum  Ausdruck  bringt, 
jenes  Wesen,  welches  dieser  selbst  im  preussischen 
Staatsministerium  in  den  sechziger  Jahren  in  die  Worte 
kleidete:  „Wenn  ich  etwas  will,  so  will  ich  es  heute 
und  morgen  und  will  es  jede  Stunde  und  jede  Minute, 
bis  der  Zweck  erreicht  ist“.  Wille  und  Ziel!  Die 
Welt  als  Wille  und  Vorstellung!  Wer  hätte  es  ge- 
dacht, dass  das  Hauptwerk  des  Frankfurter  Philo- 
sophen des  Pessimismus,  welches  nicht  durch  Zufall 
in  der  politischen  Leere  nach  den  Befreiungskriegen 
entstanden  ist,  und  welches  diese  Welt  als  die  schlech- 
teste unter  den  möglichen  Welten  darstellte,  auf  der 
einen  Seite  schon  nach  50  Jahren  eine  so  glänzende 
thatsächliche  Widerlegung  erfahren  und  auf  der  ande- 
ren Seite  eine  ebenso  glänzende  Verherrlichung  durch 
das  Denkmal  am  Strande  der  Elbe  finden  würde! 

Denn  die  Bismarck’sche  Politik  ist  in  der  That 
die  „Welt  als  Wille  und  Vorstellung“.  Schopenhauer 
sah  im  Willen  nicht  nur  das  bewusste  Begehren,  son- 
dern auch  den  unbewussten  Trieb,  die  Naturkraft.  In 
diesem  Sinne  sagte  Bismarck  zu  seinem  amerikanischen 
Studiengenossen  Motley:  „Der  Mensch  kann  das  Schiff 
lenken,  das  auf  dem  Strome  fährt,  aber  den  Strom 
selber  lenkt  er  nicht“.  Und  in  Versailles  äusserte  er 
zu  einem  badischen  Minister:  „Die  grossen  Dinge 

macht  der  Mensch  nicht;  das  Einzige,  was  er  kann, 
ist,  den  natürlichen  Lauf  der  Dinge  beobachten  und 
was  der  zur  Reife  gebracht  hat,  zu  sichern.  Im  Uebrigen 
ist  er  wie  ein  Forstmann,  der  in  Geduld  warten  muss, 
bis  der  Wald  schlagreif  geworden.“  Die  Welt  als 
Wille!  Daneben  aber  die  Welt  als  Vorstellung,  die 
Welt  im  Intellekt:  „Wenn  ich  etwas  will,  so  will  ich 
es  heute  und  morgen  und  will  es  jede  Stunde  und 
jede  Minute,  bis  der  Zweck  erreicht  ist.“  Welt  und 
Wille,  Wille  und  Vorstellung,  das  ist  das  Hamburger 
Bismarck-Denkmal.  In  seiner  einfachen  Grösse,  in 
seiner  überwältigenden  Gestalt,  in  seiner  machtvollen 
Erscheinung  ist  es  die  überzeugende  Verkörperung 
der  langsam  gereiften  Frucht  des  Gedankens,  der 
politischen  Ausprägung  der  geistigen  Bildung,  der 
Triumph  der  Kulturarbeit  eines  Jahrhunderts.  Es  ist 
ein  Werk,  welches  seine  Grösse  in  sich  selbst  trägt, 


das  durch  seine  Errichtung  zeigt,  dass  mit  dem  Reiche 
auch  ein  Volk  geworden  ist.  Sein  Inhalt  ist  Geschichte 
und  Leben,  sein  Held  ein  Mensch  in  dem  sophokleischen 
Sinne,  nach  welchem  vieles  Gewaltige  lebt,  doch  nichts 
gewaltiger,  als  der  Mensch. 

Wäre  es  möglich  gewesen,  diesen  Eindruck  un- 
gewöhnlicher Grösse  mit  den  überlieferten  Mitteln  der 
Plastik  zu  erreichen?  Der  Wettbewerb,  der  nach  dem 
Urtheile  eines  der  Preisrichter,  nach  einem  Worte  des 
Archäologen  Georg  Treu,  „wie  kaum  ein  anderer  ein 
Bild  von  all  dem  verwirrenden  Widerstreit  darbietet, 
der  in  der  Gegenwart  der  deutschen  Kunst  herrscht, 
aber  auch  von  ihrem  Reichthum“,  er  beantwortet  die 
Frage  mit  einem  bestimmten  Nein. 

Hier  standen  alle  Richtungen,  welche  in  der 
Gegenwart  um  ihre  Berechtigung  kämpfen,  neben  ein- 
ander; „der  kühlere  Eklektizismus  früherer  Zeit  neben 
dem  erstarkten  Wirklichkeitssinn  der  neueren ; Erzeug- 
nisse zierlicher  Zuckerbäckerei  neben  dem  plastischen 
Bombast  und  der  theatralischen  Schaustellung,  die 
gegenwärtig  für  offizielle  Denkmäler  an  der  Tages- 
ordnung sind.“  Daneben  aber  auch  Entwürfe,  „die 
ihre  Wirkung  in  echt  steinmässiger  Schlichtheit  und 
Geschlossenheit,  in  Wucht  und  Grösse  suchen  — und 
zwar  sowohl  im  Bau-,  wie  im  Bildwerk.  Es  ist  das 
die  entschlossene  Abkehr  von  der  eingerissenen  Ver- 
äusserlichung  der  Kunst,  ihrer  Abhängigkeit  von  der 
Nachahmung  des  Fremdländischen  in  Vergangenheit 
und  Gegenwart,  das  Ringen  nach  Schlichtheit,  Inner- 
lichkeit und  Kraft,  kurz,  nach  einer  manchmal  noch 
etwas  ungeschlachten,  aber  doch  ausgesprochen  deut- 
schen Eigenart  in  Wurf  und  Werk.  Mit  hoffender 
Seele  erkennen  und  begrüssen  wir  diesen  starken 
jungen  Trieb  unserer  neuen  Kunst.  Hamburg  hat 
diesem  boden  wüchsigen  Sinn  durch  seinen  freien  Wett- 
bewerb den  Muth  zum  Erfinden  gegeben.“  Und  diese 
neue  Kunst  ist  im  Wesentlichen  eine  Weise  der  Bau- 
kunst. Der  HamburgerWettbewerb  hat  es  überzeugend 
dargethan,  dass  nur  die  Architektur  es  vermag,  Werthe 
von  monumentaler  Grösse  zu  schaffen  und  Werke 
hervorzubringen,  deren  Inhalt  gegenüber  die  Plastik 
mit  ihren  überkommenen  Mitteln  sich  als  unzulänglich 
erwiesen  hat.  Die  Grenzen  der  Kunst,  über  die  so 
viel  gestritten  wurde,  namentlich  seit  Lessing  seinen 
Laokoon  geschrieben  und  damit  die  künstlerische  Her- 
vorbringung von  mehr  als  einem  Jahrhundert  in  den 
spanischen  Schnürleib  der  aesthetischen  Kunstgesetze 
gezwängt  hatte,  sie  wurden  allenthalben  durchbrochen 
und  bestehen  heute  kaum  mehr  in  der  Erinnerung. 
Die  Zeiten  sind  vorbei,  in  welchen  der  Künstler  den 
„grossblumigen  Schlafrock“  der  Aesthetik  anlegte,  in 
dem  man  sich  gerne  zeigte,  weil  er  bequem  und  ge- 
eignet war,  manchen  Schaden,  manchen  Mangel  zu 
verdecken.  Das  künstlerische  Auge  ist  heute  unbe- 
schadet der  Verehrung  aller  Ideale  mehr  auf  das 
Wirkliche,  denn  auf  das  Abstrakte,  mehr  auf  die 
natürliche  Empfindung  denn  auf  ästhetische  Seil- 
tänzerei gerichtet.  Daraus  entspringt  die  Erkenntniss 
der  Unzulänglichkeit  rein  plastischer  Mittel  für  grosse 
Vorwürfe,  ja  selbst  die  Erkenntniss  der  Unzulänglich- 
keit der  Mittel  für  Aufgaben  des  eigenen  Gebietes. 
Jüngst  ist  aus  hohem  Munde  die  Aeusserung  gefallen, 
es  müsse  der  Bildner  sich  die  Postamente  und  archi- 
tektonischen Theile  seiner  Denkmäler  selbst  entwerfen 
und  es  müsse  der  Maler  sich  die  Architektur  des  von 
ihm  auszumalenden  Saales  selbst  schaffen.  Es  ist 
möglich,  dass  dabei  an  eine  gewisse  Einheit  der  Kunst 


57 


gedacht  war,  wie  sie  in  der  Renaissance  bestand.'  Wir 
wollen  nun  aber  versuchen,  zwei  unpartheiische  Zeugen 
über  ihre  eigene  Kunst  zu  hören,  um  daraus  Schlüsse 
zu  ziehen,  ob  die  durch  Kaiser  Wilhelm  II.  vor  kurzem 
gegebene  Anregung  bei  der  mangelnden  Sammlung 
des  Kunstlebens  von  heute  überhaupt  möglich  ist. 

„Lehrjahre  in  der  Plastik“  ist  eine  Schrift  betitelt, 
welche  der  Bildhauer  Edmund^  Hellmer,  Professor 
an  der  Akademie  der  bildenden  Künste  in  Wien,  im 
Jahre  1890  herausgegeben  hat.  Er  ist  ein  gewiss  un- 
befangener Beurtheiler.  Ihm  lastete  seit  Jahren  die 
Frage  auf  der  Seele,  warum  die  Bildhauerei  unserer  Zeit 
so  sehr  im  Argen  liege,  ,, warum  diese  Kunst,  so 
positiv  aus  dem  Volke  hervorgegangen,  beim  Volke 
so  wenig  Verständniss  findet“.  Er  giebt  die  Antwort, 
„weil  die  Bildhauerei  von  heute  keine  Kunst  unserer 
Zeit“  sei.  „Unsere  modernen  Bildhauer  sind  nur  Mo- 
delleure. Thon,  Wachs  sind  ihre  Gestaltungskörper. 
Ich  kenne  unter  den  jetzt  schaffenden  Künstlern  keine 
fünf  oder  sechs,  die  zu  meissein  verstehen,  kaum 
einen,  der  imstande  ist,  sein  Werk  in  Bronze  zu 
giessen,  zu  ziseliren“.  Der  Bildhauer  von  heute  „kennt 
und  lernt  nicht  inbetracht  ziehen  die  Sprödigkeit  des 
Gesteines,  die  Schwierigkeit,  in  Bronze  zu  bilden“. 
Der- Bildhauer  lerne  wohl,  eine  Arbeit  bestechend  in 
Lehm  oder  Wachs  zu  modelliren,  beim  Uebertragen 
aber  in  Marmor  oder  Bronze  lasse  sich  dann  erkennen, 
dass  sie  nicht  aus  dem  Material  „hervorgewachsen“ 
ist.  „Alle  Individualität  der  Formengebung.  jeder  Vor- 
trag geht  verloren.  Nichts  von  jenem  berückenden,  hin 
reissenden  Nervenspiel,  keine  Ausnutzung  von  Zufällig- 
keiten, kein  kraftvoller  Eigenwille,  nicht  hingebungs- 
volle Liebe  — einfach  eine  interesselose  schwache 
Kopie“.  Darum  dürfe  der  Bildhauer  nicht  auf  Zeichnen 
und  Modelliren  gedrillt  werden,  er  müsse  ,.von  Jugend 
auf  meissein,  für  Bronze  bosseln,  in  Metall  giessen, 
ziseliren,  schnitzen“.  Der  Bildhauerkunst  ist  demnach 
anderes  Noth,  als  sich  auf  ihr  naturgemäss  fremde 
Gebiete  zu  wagen.  Freilich,  keine  Kunst  ist  so  reich, 
dass  sie  nicht  durch  Hinübergreifen  auf  benachbarte 
Gebiete  an  Reichthum  gewönne.  Aber  so  lange  es  nach 
Hellmer  noch  „nichts  Geringeres  gilt,  als  eine  grosse 
schöne  Kunst,  die  dem  modernen  Geschlechte  ver- 
loren zu  gehen  droht,  uns  zurück  zu  gewinnen“,  so 
lange  hat  die  Plastik  alle  Ursache,  ihre  natürlichen 
Grenzen  nicht  zu  überschreiten. 

Und  wie  sieht  es  mit  der  Malerei  aus,  welcher  die 
Anregung  gegeben  wurde,  die  durch  sie  auszumalen- 
den Säle  selbst  zu  bilden,  um  in  ihnen  die  nöthige 
Harmonie  zu  erzeugen?  Gewiss  zeigen  nicht  wenige 
Werke  dieser  Art  einen  inneren  Zwiespalt.  Nicht  aber 
durch  die  Schuld  des  Architekten,  welchem  durch  die 
allgemeine  Anlage  und  Konstruktion  des  Bauwerkes 
das  architektonische  Gerüst  desselben  gegeben  ist,  son- 
dern durch  die  Schuld  des  Malers,  welcher  sich  nicht  zur 
Unterordnung  verstehen  kann,  was  doch  selbst  Michel- 
angelo, Paul  Veronese  und  Tiepolo  thun  mussten  und 
thaten  und  was  in  unserer  Gegenwart  durch  Puvis  de  Cha- 
vannes  so  meisterhaft  geschieht.  Kann  man  wirklich  der 
Ansicht  zu  neigen,  dass  der  Thronsaal  des  PalazzoCaffa- 
relli  in  Rom  das  geworden  wäre,  was  er  heute  ist,  wenn 
nicht  ein  feinfühligerArchitekt  für  die  Ausschmückung  die 
Führung  übernommen  hätte?  Was  verlangt  z.  B.  Max 
Klinger  in  „Malerei  und  Zeichnung“  für  die  Malerei 
als  Raumkunst,  als  welche  sie  hier  ausschliesslich  in 
Betracht  kommt?  „Vor  allem  aber  fehlt  uns  die  erste 
Grundlage  der  Kunst,  eine  strenge,  der  Raumkunst 
gewachsene  Anschauung  und  Beherrschung  der  mensch- 
lichen Form  ....  Die  Einheit  des  Raumes  und  die 
Eindringlichkeit  seinerBedeutung  fordern  geradezu  auf, 
die  sonst  so  streng  einzuhaltenden  Formen-  und  Farben- 
gesetze der  Natur  aufzulösen  zu  Gunsten  einer  rein 
dichterischen  Verwendung  der  Mittel“.  Und  wo  fin- 
den wir  in  der  Gegenwart  eine  solche  Kunst?  Klinger 
sagt  es  uns  selbst:  „Die  Anläufe  der  Neuzeit  zu  solchen 
Werken  sind  durch  die  herrschenden  künstlerischen 
Verhältnisse  derart  zerfahren,'  dass  man  eigentlich  da- 
von nicht  sprechen  kann“.  So  lange  sich  Malerei  „für 
uns  auf  den  Begriff  „Bild“  beschränkt“,  so  lange  durch 


die  ganze  moderne  Kunst  ein  „Drang  nach  Novellistik“ 
geht  und  Maler  und  Bildhauer  nicht  darauf  verzichten, 
die  Kunst  im  „Abenteuer“  zu  suchen,  statt  im  Men- 
schen und  in  der  Natur,  so  lange  also  auch  die  Malerei 
noch  auf  ihrem  eigensten  Gebiete  genügend  zu  thun 
hat,  sich  zur  wahren  Kunst  heraufzuarbeiten,  so  lange 
wird  auch  sie  bei  einem  Uebergreifen  auf  die  Archi- 
tektur von  Erfolg  nicht  begleitet  sein.  Sie  thut  es  aber 
häufig  dennoch,  wenn  auch  ohne  Erfolg.  Das  veran- 
lasste  Klinger  zu  dem  harten  Worte:  „Und  so  leben 
wir  heutzutage  in  jeder  Kunst  auf  Raub“.  Leider 
haben  wir  keine  Kunst  als  „gesammelten  Ausdruck 
unserer  Lebensanschauung“;  wir  haben  nicht  mehr 
eine  Kunst,  denn  Architekt,  Maler  und  Bildhauer  schei- 
nen zu  natürlichen  Gegnern  geworden  zu  sein,  von 
welchen  jeder  eine  innere  Genugthuung  empfindet, 
dem  anderen  von  seinem  Gebiete  möglichst  viel  zu 
nehmen.  „Mit  historischen  Genrebildern  und  Illu- 
strationen schmücken  wir  unsere  Staatsgebäude,  mit 
Monumental-Allegorien  unsere  Cafes.  Der  Baumeister 
drückt  durch  Leisten,  Paneele,  Halbpfeiler  aller  Epochen 
und  Stilarten,  durch  Stuck  an  allen  Ecken  und  Enden 
den  Maler  zum  Veduten-  und  Teppichkünstler  herab, 
und  der  Maler  vergilt  es  ihm  mit  dem  Farbenselbst- 
zweckbau: dem  Panorama“.  Nichts  wahrer,  als  das! 

Kein  Wunder  daher,  wenn  Klinger  die  Zeit  der 
Renaissance  als  Idealzeit  betrachtet.  „Von  der  An- 
schauung ausgehend,  dass  Baukunst,  Malerei,  Bild- 
hauerei durchaus  mit  einander  verbunden  sein  müssten, 
dass  jede  einzelne  der  anderen  bedürfe,  um  zur  vollen 
Höhe  sich  aufschwingen  zu  können,  blieb  die  Haupt- 
aufgabe, das  Ideal  jener  Zeiten,  die  Ausgestaltung  des 
Raumes  zum  Kunstwerke,  Bei  solchem  Zusammen- 
wirken fand  das  Bedürfniss,  in  künstlerischer  Form  die 
Vorgänge  der  Seele  auszusprechen,  vollste  Befriedi- 
gung. Und  in  diesem  Bewusstsein  wurde  gearbeitet. 
Der  Baumeister  wusste  für  den  Maler  Flächen  und 
Licht,  nachdem  Plan  und  Proportion  festgestellt  waren, 
zu  schaffen,  für  den  Bildhauer  die  zweckmässigen 
Plätze  nicht  durch  Zuviel  seiner  Zuthat  unmöglich 
zu  machen.  Ein  Jeder,  da  er  wusste,  wo  und  für 
was  er  seine  ganze  Kraft  einzusetzen  hatte,  unter- 
liess  es,  durch  Kleinigkeiten  dem  Mitwirkenden  Raum 
und  Luft  zu  nehmen“.  Das  wai*  zur  Zeit  der  Re- 
naissance, in  welcher  die  Einheit  im  Künstler 
das  Werk  erleichterte.  Aber  auch  heute  ist  es  viel- 
fach noch  der  Fall.  Die  Gelegenheiten  sind  zahlreich 
und  bedeutend,  in  welchen  dem  Maler  durch  den 
Architekten  ein  weites  Feld  der  Bethätigung  geboten 
wurde.  Die  mangelnde  Anerkennung  dieses  Umstan- 
des liegt  aber  nicht  so  sehr  in  der  Verkennung  der  Ab- 
sichten des  Architekten,  als  in  dem  häufigen  Unvermögen 
des  Malers,  einer  grösseren  Aufgabe  gerecht  zu  wer- 
den. Der  Monumentalmaler  von  früher  ist  zum  BiJd- 
maler  geworden,  der  Fres-komaler  von  früher  zum 
Vedutenraaler.  Wie  viele  Monumentalmaler  besitzen 
wir  heute  überhaupt  und  wieviel  Freskomaler  sind 
unter  ihnen?  Eine  Hand  reicht  vollkommen  aus,  sie 
aufzuzählen.  Bei  diesem  Eingeständniss  eigenen  Un- 
vermögens ist  es  der  Malerei  nicht  wohl  möglich,  ihr 
fremde  Gebiete  zu  betreten,  so  sehr  man  dies  auch 
vielleicht  im  Sinne  einer  Bereicherung  dieses  Kunst- 
gebietes wünschen  könnte.  Die  moderne  Arbeitstheilung 
ist  leider  auch  auf  die  Kunst  übergesprungen.  Eine 
Einheit  im  Sinne  der  Renaissance  kann  heute  kaum 
mehr  erreicht  werden,  es  handle  sich  denn  um  ein 
auserwähltes  Individuum.  Es  scheint  uns  daher  schon 
am  besten,  man  lasse  die  Kunst  von  heute  eine  Kunst 
ihrer  Zeit  werden,  ohne  Rückgreifen  auf  Zeiten,  die 
zurückzurufen  wir  unter  den  Lebensbedingungen  un- 
serer Tage  nicht  in  der  Lage  sind.  Wer  heute  etwas 
Grosses  leisten  will,  der  muss  mehr  denn  je  im  kleinsten 
Punkte  die  höchste  Kraft  sammeln.  Das  hat  in  so 
überzeugender  Weise  der  Hamburger  Wettbewerb  um 
das  Bismarck-Denkmal  dargethan.  — 

Wenn  dieses  Denkmal  dereinst  vollendet  ist,  wenn 
man  es  mit  lauter  Begeisterung  und  mit  dem  über- 
strömenden Jubel  des  Augenblicks  enthüllt  haben  wird ; 
wenn  der  Nebel  der  Freudenschüsse  aus  den  Baum- 


No.  10. 


krönen  der  Wallanlagen  sich  verzogen  hat,  dann  wird 
man  das  Werk  preisen  als  eines  der  schönsten  seiner 
Art.  Mit  bitterem  Schmerz  wird  man  sich  vor  ihm  er- 
innern, wie  die  schillernde  Seifenblase  so  mancher 
grossen  Denkmal-Vorgeschichte  durch  die  Entstehung 
des  Denkmals  selbst  zu  einem  kümmerlichen  Tröpfchen 
der  Enttäuschung  verdichtet  wurde,  und  man  wird 
das  Elamburger  Denkmal-Comite  mit  lauten  Worten 
rühmen,  dass  es  durch  die  Art  der  Durchführung 
des  Wettbewerbes  den  Grund  gelegt  hat  zu  einem 
Vertrauen  auf  die  Zukunft,  zu  dem  Vertrauen,  dass 
die  deutsche  Denkmalkunst  ini  Norden  nicht  unrett- 
bar dem  Niedergange  verfallen  ist.  Herder  hat  es 
einmal  in  seinen  „Ideen“  ausgesprochen,  man  müsse 
bei  allen  Denkmalen  nicht  blos  auf  die  Ursachen  sehen, 
die  solche  befördern,  sondern  auch  auf  die  Wirkungen, 
die  dadurch  gefördert  werden,  denn  kein  Kunstwerk 
stehe  todt  in  der  Geschichte  der  Menschheit.  Für- 
wahr,  Hamburg  war  von  den  Herder’schen  Ideen  voll 
erfüllt,  als  es  die  so  weite  Kreise  ziehende  Bewegung 
für  sein  Bismarck-Denkmal  einleitete. 


Eine  Münchener  Zeitschrift,  die  „Jugend“,  hat  man- 
ches satirische  und  aufrichtige  Wort  über  die  moderne 
Denkmalkunst  gesprochen.  Die  Wahrheit  [läuft  viel- 
fach in  der  Schellenkappe  einher,  aber  sie  ist  dafür 
nur  um  so  wahrer.  Wenn  es  der  Fall  sein  sollte,  dass 
der  Oelbaum  der  Minerva,  dessen  Gedeihen  an  anderen 
Orten  schwer  beeinträchtigt  wurde,  an  den  Gestaden 
der  Elbe  von  Neuem  zu  einer  nordischen  Blüthe 
kommt,  dann  wollen  wir  eifersüchtig  darüber  wachen, 
dass  nicht  rauher  Reif  diese  schöne  Blüthe  wieder 
vernichte.  Die  beiden  Künstler  aber,  welche  sich  an- 
schicken, hier  zum 'ersten  Male  ihr  Flohes  Lied  der 
Kunst,  zugleich  ein'Fleldenlied  zu  singen,  wollen  wir 
mit  der  Hoffnung  ^bei  ihrem  erhabenen  Werke  be- 
gleiten, dass  das  Denkmal  nach  seiner  Vollendung 
hinklinge  über  alles  Land  rings  umher  und  das  Volk 
darauf,  dass  seine  mahnende  und  anfeuernde  Kraft 
reiche  von  der  Ewigkeit  des  Wassers  bis  zur  Majestät 
der  Berge,  vom  Fels  zum  Meer,  und  dass  es  den  Namen 
Bismarck  so  lange  erhalte,  wie  der  ewige  Granit 
dauert,  aus  dem  es  gefügt  wird.  — 

Albert  Ho  fm  ann. 


Landhaus  Glade  in  Dt.-Wilmersdorf  bei  Berlin. 

Architekt:  Erich  Peters  in  Halensee. 


(Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  auf  Seite  6i.) 


as  Landhaus  des  Hrn.  Generalkonsul  H.  F. 
Glade  ist  im  Jahre  1900  mit  einem  Kosten- 
aufwand von  rd.  220000  M.  erbaut  worden. 
Als  Bauplatz  wurde  ein  — mit  Ausnahme 
eines  in  anderem  Besitze  befindlichen  Eck- 
grundstückes — über  1000  Quadratruthen  grosses  Park- 
gelände ausersehen,  welches  im  Norden  auf  101,19® 
von  der  Hildegardstrasse,  im  Osten  auf  91,26®  Länge 
von  der  Kaiser-Allee  begrenzt  wird  und  ein  in  dem 
südwestlich  von  Berlin  liegenden  Vororte  Dt. -Wilmers- 
dorf belegenes,  nicht  ausschliesslich  dem  Villcnbau 
vorbehaltenes  Gelände  bildete. 

Aus  letzterem  Grunde  wurde  die  Errichtung  des 
Gebäudes  auf  der  Westgrenze  beschlossen,  einerseits, 
um  von  der  Süd-  und  Ostseite  den  freien  Ausblick 
auf  den  geräumigen  Park  zu  haben,  andererseits,  um 
ein  Eiiibauen  des  Bauwerkes  und  die  Lage  von  Fronten 
nach  der  Wetterseite  zu  umgehen.  Weiterhin  waren 
als  Wünsche  des  Bauherrn  beim  Entwurf  zu  berück- 
sichtigen: die  Schaffung  grosser  luftiger  Räume,  eines 
grossen  Winter-  und  eines  tiefen  Vorgartens. 

Ersteren  beiden  Punkten  ist  in  weitestem  Maasse 
Rechnung  getragen  und  auch  der  Vorgarten  weist 
die  immerhin  ansehnliche  Tiefe  von  12®  auf.  Da  je- 
doch bis  zur  Baufluchtlinie  nur  eine  Vorgartentiefe 
von  5“  vorhanden  war,  so  wurde,  um  bei  späterer 
Bebauung  des  westlichen  Nachbargrundstückes  nich< 
den  unschönen  Anblick  eines  freien  hohen  Nachbar- 
giebels gewärtigen  zu  müssen,  ein  bis  zur  Bauflucht- 
linie vortretender  Flügel  geplant. 


Dem  Wunsche  des  Bauherrn  entsprechend  wurden 
drei  Geschosse  vorgesehen  — ein  Untergeschoss,  ent- 
haltend Küche  und  Wirthschaftsräume,  Heizraum, 
Diener-  und  Mädchen-  sowie  zwei  Reservezimmer;  ein 
hochgelegenes  Erdgeschoss  für  die  Wohn-  und  Ge- 
sellschafts-, und  ein  Obergeschoss  für  die  Schlaf-  und 
Fremdenräume.  Ausserdem  war  auf  die  Anlage  ge- 
nügender Balkons  und  im  Dachgeschoss  auf  Schaffung 
einiger  Reserveräume  Bedacht  zu  nehmen.  Die  Lage 
aller  Räume  nach  der  günstigsten  Himmelsrichtung 
war  ein  Hauptgesichtspunkt  des  Entwurfes. 

An  der  Ausführung  waren  betheiligt  für  die 
Maurer-  und  Zimmerarbeiten  Theodor  Hardtke,  die 
Steinmetzarbeiten  Gehr.  Zeidler,  die  Klempnerarbeiten 
P.  Thom,  die  Dachdeckerarbeiten  W.  Neumeister, 
die  Warmwasser  - Heizungsanlage  A.-Ges.  Weser- 
Bremen,  die  Gas-  und  Wasserleitungsanlage  und  Ka- 
nalisation R.  Siebert,  die  elektrische  Lichtanlage 
A.-Ges.  vorm.  Schuckert  & Co.,  die  sonstigen  elektr. 
und  für  die  Blitzableiteranlage  A.-Ges.  Mix  & Genest, 
die  Stückarbeiten  Schroeder  & Below,  die  Fliesen- 
arbeiten N.  Rosenfeld  & Co.,  die  Marmorarbeiten 
M.  L.  Schleicher,  die  Parkettarbeiten  A.  Leibe  & Co., 
die  Tischlerarbeiten  Gebr.  Schaar,  die  Schlosserar- 
beiten A.L.Benecke,  die  Glaserarbeiten  Adolf  Rogge, 
Gustav  Schulze  & Jost  und  Adolf  Schell-Offenburg, 
die  Kunstschmiedearbeiten  Methling  & Gleichauf, 
die  Tapezierarbeiten  Rommel  & Nölting  und  die 
Malerarbeiten  E.  Sobotta,  während  die  Garten--und 
Parkanlagen  Julius  Vormerker  herstellte.  — 


Der  Königsberger  Seekanal. 

Von  F.  Jerosch  in  Königsberg. 


Hie  im  November  v.  Js.  stattgehabte  uneingeschränkte 
Eröffnung  des  „Königsberger  Seekanals“  für  die 
Schiffahrt  bringt  ein  Werk  zum  Abschluss,  von  dem 
man  eine  wesentliche  Belebung  des  Königsberger  Handels 
erwartet  und  das  auch  in  technischer  Beziehung  durch  die 
Eigenart  seiner  Ausführung  besonderesinteresse  erwecken 
dürfte. 

Hinsichtlich  der  Entwicklung  des  Flandels  ist  Königs- 
berg unter  der  Zahl  der  deutschen  und  russischen  Ost- 
seehäfen während  der  letzten  Jahrzehnte  des  vergangenen 
Jahrhunderts  mehr  und  mehr  von  der  Stellung  zurück- 
gekömmen,  die  ihm  durch  sein  bedeutendes  Hinterland, 
dessen  weitaus  grösster  Theil  allerdings  in  Russland  liegt, 
gebührt.  Dies  ist  um  so  mehr  zu  beklagen,  als  die  Ver- 
hältnisse für  Handel  imd  Schiffahrt  in  Königsberg  keines- 
wegs ungünstige  sind.  Der  Vorhafen  Pillau  hat  gute  Eis- 
verbältnisse  und  er  sowohl  wie  der  Pregel  von  seiner 
Mündung  ins  Frische  Haff  bis  Königsberg  hinauf  bieten 
natürliche  Tiefen  dar,  die  für  die  Bedürfnisse  der  Schiff- 
fahrt imganzen  genügen.  Das  Haupthinderniss  für  eine 

£.  Februar  1903. 


gedeihliche  Entwicklung  der  Königsberger  Schiffahrt  lag  bis- 
her in  den  ungenügenden  Tiefenverhältnissen  de.s  Frischen 
Haffs,  und  zwar  machten  sich  diese  angesichts  der  immer 
zunehmenden  Zahl  von  Dampfern  grös>eren  Tiefganges 
immer  unerträglicher  fühlbar.  Ein  grosser  Theil  der  voll- 
beladen in  Pillau  ein-  oder  au-gehenden  Schiffe  mus>te 
dort  einen  Ttteil  der  Ladung  in  Leichierfahrzeuge  umladen 
bezw.  von  denselben  erst  dort  einnehmen,  um  mit  ge- 
ringerem Tiefgang  das  Haff  durchqueren  zu  können.  Die 
hierdurch  jährlich  entstehenden  Unkosten  an  Urolade- 
Gebühren,  Leichterfracht,  Zeitverlust  und  Beschädigung 
des  Ladegutes  wurden  schon  vor  20  Jahren  zu  500000  M. 
geschätzt.  Zwar  sorgten  fortlaufende  Baggerungen  für  die 
Erhaltung  einer  Mindesttiefe  im  Fahrwasser  der  Seeschiffe, 
diese  betrug  aber  nur  3,27  “ bei  N.-W.  und  hätte  nur  unter 
Aufwendung  ganz  erheblicher  Unkosten  auf  ein  höheres 
Maass  gebracht  und  darauf  erhalten  werden  können. 

Wie  ausserordentlich  ungünstig  hier  die  ursprünglichen 
Verhältnisse  lagen,  mag  daraus  erhellen,  dass  nach  alten 
Angaben  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  die  natürliche 


.59- 


Tiefe  des  Haffs  in  der  Nähe  der  Pregelmündung  nur  etwa  sind  so  bedeutend,  dass  ihre  vollständige  Beseitigung  durch 
2 m betrug.  Solche  ausserordentlich  geringen  Tiefen  fin-  Baggerung  den  ganzen  Sommer  inanspruch  nehmen  würde, 
den  sich  rings  an  den  Rändern  des  Hafis,  wo  oft  kilo-  sodass  während  der  Hauptperiode  der  Schiffahrt  niemals 
meterweit  vom  Ufer  in  das  Haff  hinein  die  Wassertiefe  ein  ganz  normaler  Zustand  vorhanden  wäre.  Von  den 
nicht  mehr  als  i — 2 m beträgt.  Diese  Erscheinung  erklärt  Preisrichtern  wurde  vielmehr  als  richtiger  der  dem  ande- 
sich  aus  der  Eigenschaft  des  Haffs  als  natürliches  Klär-  ren  Theil  der  Entwürfe  zugrunde  liegende  Gedanke  aner- 
becken  für  die  in  dasselbe,  mündenden  Flüsse,  deren  Sink-  kannt,  in  flachem  Wasser,  längs  dem  Ufer  des  Haffs,  eine 
Stoffe  als  nahezu  wagrecht  abgelagerter  Schlick  vielfach  ganz  neue  Rinne  herzustellen  und  diese  durch  einen  Damm 
den  Boden  des  Haffs,  und  zwar  naturgemäss  am  meisten  gegen  Strömungen  und  Eindringen  von  Sinkstoffen  zu 
in  der  Nähe  der  Flussmündungen  bedecken.  Im  mittleren  schützen.  Dieser  Schutzdamm  bot  fernerhin  den  wesent- 
Theil  des  Plaffs  sind  dagegen  auch  grössere  Tiefen  vor-  liehen  Vortheil,  von  den  auf  dem  Kanal  sich  bewegenden 
handen,  bis  5“  etwa.  (Siehe  die  in  Metern  eingeschrie-  Schiffen  in  den  Zeiten  zu  Beginn  und  Schluss  der  Schiff- 
benen  Tiefenmaasse  der  Uebersichtskarte  Abbildg.  i.)  Die  fahrt  die  gefährlichen  Eisschiebungen  des  offenen  Haffs 
flachen  Ränder  des  Haffs  wurden  nun  seit  Mitte  des  abzuhalten.  Auch  für  die  Bauausführung  mussten  sich 
18.  Jahrhunderts  durch  Baggerungen  bei  Pillau  in  Ver-  hier  Vonheile  ergeben,  da  der  durch  Baggerung  gewonnene 
längerung  des  Seetiefs  und  an  der  Pregelmündung  in  der  Boden  gleich  an  Ort  und  Stelle  zur  Herstellung  des  Dam- 
Stromrichtung  durchbrochen,  es  entstanden  die  sogen,  mes  verwandt  werden  konnte,  also  grössere  Massentrans- 
Pillauer  und  Königsberger  Rinnen,  deren  Tiefen  je  nach  porte  fortfielen.  — Unter  der  Zahl  derjenigen  Entwürfe, 


den  für  diesen  Zweck  vor-  . .■ 

handenen  Mitteln  bald  in 
grösseren,  bald  in  gerin- 
geren Maassen  erhalten 
wurden,  bis  es  sich  dann 
in  den  70  er  Jahren  desver- 
gangenen  Jahrhunderts 
mehr  und  mehr  heraus- 
stellte, dass  auf  diesem  Abbildg.  3.  Querschniii 

Wege  bei  den  modernen 

Bedürfnissen  der  Schiffahrt  ein  erspriesslicher  Zustand 
nicht  erreichbar  sei. 

In  dieser  Erkenntniss  schrieb  die  Königsberger  Kauf- 
mannschaft einen  internationalen  Wettbewerb  zur  Er- 
langung von  Entwürfen  für  die  Herstellung  einer  Wasser- 
strasse von  6 m Tiefe  bei  M.-W.  zwischen  Königsberg  und 
Pillau  mit  dem  i.  Juli  1880  als  Termin  aus.  Von  den 
eingelaufenen  12  Entwürfen  hatte  der  eine  Theil  das  be- 
stehende Fahrwasser  beibehalten  und  nur  eine  Vertiefung 
desselben  bis  auf  das  vorgeschriebene  Maass  durch  Bagge- 
rung vorgesehen.  Wenn  auch  dieser  Gedanke  vielleicht 
der  naheliegendste  war,  so  wurde  derselbe  doch  mit  Recht 
verworfen,  da  namentlich  die  Erhaltung  einer  Rinne 
von  grösserer  Tiefe  in  dem  weichen  Schlickboden  bei  un- 
gehindertem Zutritt  von  Sinkstoffe  mit  sich  führenden 
Strömungen  nahezu  unmöglich  ist.  Die  während  des 
Winters  und  Frühlings  entstehenden  Schlickablagerungen 


Abbildg.  3.  Querschnitt  durclQden  Schutzdanim 


die  diesen  Gedanken  ver- 
folgten, wurde  derjenige 

des  jetzigen  Geh.  Brths. 

— Natus  mit  dem  I.  Preise 
ausgezeichnet,  er  wurde 
■/V.  ':  : : . . auch  im  wesentlichen  der 

: • _ i späteren  Ausführung  zu- 

i.o  JO-  grundegelegt.  Nach  die- 

durch^den  Schutzdanim.  sem  Plan  führte  die  Linie 

des  Kanals,  rechts  an  der 
Pregelmündung  beginnend,''’ am  Nordufer  des  Haffs  in 
einem  Abstand  vom  1—2  entlang.  Die  Rinne  des  Kanals 
war  gegen  das  Haff  durch  einen  Damm  aus  Pfählen  mit 
Steinpackung  geschützt,  im  grösseren  Theil  der  Fischhäuser 
Bucht  lag  die  Rinne  aber  ganz  ungeschützt.  Der  Kanal 
lief  unmittelbar  in  das  Pillauer  Tief  aus.  Seine  Linie  ist 
in  der  Karte  angedeutet.  — 

Alsbald  nach  der  Entscheidung  des  Wettbewerbes  nahm 
sich  auf  Betreiben  der  Königsberger  Kaufmannschaft  die 
kgl.  Regierung  der  Angelegenheit  an.  Unter  ihrer  Leitung 
wurde  in  Verhandlungen  der  Interessenten  mit  Zuziehung 
von  Sachverständigen  der  endgütige  Entwurf  festgelegt,  so 
wie  er  in  Lageplan,  Querprofilen  und  Einzelheiten  in  den 
Abbildg.  1—3  dargestellt  ist.  Die  Hauptpunkte  jener  Ver- 
handlungen und  zugleich  die  Hauptschwierigkeiten  des 
Planes  waren  folgende: 

I.  Der  Anschluss  desKanals  andenPregelbei 


60 


dessen  Mündung.  Es  musste  hier  verhindert  werden, 
dass  das  mit  Sinkstoffen  beladene  Pregelwasser  in  dem 
durch  einen  Damm  gegen  das  Maff  abgeschlossenen  Kanal 
weilerströmte,  vielmehr  waren  Sinkstoffe  wie  Strömungen 
von  dem  Kanal  möglichst  fern  zu  halten.  Der  Entwurf 
von  Natus  glaubte  diesen  Zweck  dadurch  zu  erreichen, 
dass  die  ersten  1600®  des  Kanals  ohne  Damm  blieben. 
Dagegen  wurde  eingewandt,  dass  die  ungeschützte  Rinne 
gerade  in  der  Nähe  der  Flussmündung  in  besonderem 
Maasse  der  Verschlammung  ausgesetzt  sein  würde,  des- 
gleichen auch  die  Eisschiebungen  des  Haffs  an  dieser 
Stelle  besonders  gefährlich  seien.  Ausgeführt  ist  hier  eine 
rechtsseitige  Abzweigung  unmittelbar  oberhalb  der  Pregel- 
mündung,  an  welcher  der  Schutzdamm  sofort  beginnt. 
Das  Pregelwasser  nimmt  im  Wesentlichen  seinen  alten 
Weg  unmittelbar  in  das  Haff  hinein,  während  der  Kanal 
von  vornherein  gegen  Strö- 
mung, Sinkstoffe  und  Eis- 
schiebungen geschützt  ist. 

2.  Die  Durchquerung 
der  Fischhäuser  Bucht. 

Hier  handelte  es  sich  um  die 
Frage,  ob  beiderseitige  Schutz- 
dämme durchgeführt  werden 
sollten,  so  dass  die  Bucht  ganz 
vom  offenen  Haff  abgeschnit- 
ten worden  wäre,  oder  ob  eine 
mehr  oder  weniger  grosse  Un- 
terbrechung der  Dämme  statt- 
finden sollte.  Mit  Rück?icht  auf 
die  Schilfahrt  und  die  Unter- 
haltung des  Kanals  wäre  die 
erstere  Lösung  vorzuziehen 
gewesen,  doch  stand  einer  der- 
artigen Ausführung  der  Ein- 
spruch derFischereiundSchiff- 
fahrt  treibenden,  an  der  Bucht 
gelegenen  Ortschaften  entge- 
gen, welche  die  freie  Einfahrt 
in  das  Haff  offen  gehalten 
wissen  wollten,  auch  eine  Ge- 
fährdung des  Fischbestandes 
in  der  Bucht  durch  die  Ab- 
schliessung befürchteten.  Auch 
die  technische  Frage  der  Spül- 
wirkung des  Haffbeckens  auf 
das  Pillauer  Seegatt  kam  hier 
in  Erwägung.  Aehnliche  Wir- 
kungen wie  bei  anderen  Fluss- 
mündungen 'durch  Ebbe  und 
Fluth',  werden  beim  Pillauer 


Landhaus  Glade  in  Dt. -Wilmersdorf 
bei  Berlin. 

Architekt:  Erich  Peters  ln  Halensee. 


sicht  herrscht,  dass  bei  der  verhältnissmässigen  Kürze  der 
offenen  Sirecke  Schiffe  leicht  einen  geeigneten  Zeitpunkt 
abpassen  können,  um  unbelästigt  hindurchzukommen. 

3.  Die  Sohlenbreite  des  Kanals.  Das  bedeutende 
Maass  von  75  welches  in  dem  Entwurf  von  Natus  an- 
genommen war,  wurde  für  einen  durch  Dämme  geschützten 
Kanal  als  unnöthig  gross  erachtet.  Ausgeführt  ist  bei  einer 
Tiefe  von  6,5  “ unter  M.  W.  in  geraden  Strecken,  soweit 
dort  Schutz  durch  Dämme  vorhanden  ist,  eine  Sohlen- 
breite von  30  in  Ausweichestellen  von  40  in  den 
Krümmungen  findet  eine  entsprechende  Erweiterung  statt, 
desgleichen  in  der  Fischhäuser  Bucht  bei  ungeschützter 
Rinne  bis  auf  75“.  Die  Mindestsohlenbreite  entspricht 
den  Ausführungen  bei  anderen  Kanälen,  die  der  Seeschiff- 
fahrt dienen.  So  hat  der  Amsterdamer  Seekanal  bei  7“» 
Tiefe  27  der  Kaiser  Wilhelm-Kanal  bei  9 ™ Tiefe  22  “ 
Sohlenbreite.  Zu  berücksich- 
tigen ist  bei  diesem  Vergleich 
noch,  dass  ein  Verkehr  gleich 
grosser  Dampfer,  wie  auf  jenen 
Kanälen,  beim  Königsberger 
Seekanai  nie  eintreten  dürfte. 

Ausser  dem  bereits  Ge- 
sagten mögen  noch  folgende 
Bemerkungen  zur  Erläuterung 
des  ausgeführten  Bauwerkes 
dienen.  Die  Rinne  ist  in  Sand- 
boden nach  dem  Verhältniss 
1 : 2,5,  in  Schlickboden  1:5  ge- 
böscht. Zu  beiden  Seiten 
schiiessen  sich  zunächst  Ban- 
ketts an,  einschliesslich  deren 
die  Breite  des  Kanals  102,5  m 
beträgt.  Ueber  den  Banketts 
beträgt  die  Wassertiefe  2 m bei 
M.  W , sodass  hier  noch  Platz 
für  den  Verkehr  kleinerer 
Fahrzeuge  ist,  während  ein 
weiterer  Zweck  dieser  Anord- 
nung ist,  das  Auslaufen  der 
von  den  Schiffen  aufgeworfe- 
nen Bugwelle  zu  erleichtern. 
Die  Banketts  gehen  in  die  na- 
türliche Haffsohle  über,  die 
sich  auf  der  Landseite  längs 
dem  Ufer  mangels  stärkerer 
Wellen- Bewegung  allmählich 
mit  Vegetation  bedeckt  und 
mit  der  Zeit  verlanden  dürfte. 
Auf  der  Haffseite  befindet  sich 
2t  m vom  Bankett  oder  etwa 


Tief  durch  ausgehenden  und  eingehenden  Strom  hervorge- 
bracht, ein  Wechsel,  dessen  Ursache  in  den  verschiedenen 
Windrichtungen  und  Stärken  zu  suchen  ist.  Beim  ein- 
gehenden Strom  bildet  das  Haff  ein  Staubecken  für  be- 
trächtliche Wassermengen,  die  natürlich  sich  verringern 
würden,  wenn  ein  Theil  des  Haffs  durch  Abdämmung  der 
Erfüllung  dieser  Aufgabe  entzogen  würde.  Bei  westlichen 
stürmischen  Winden,  die  das  Haffwasser  nach  Osten  trei- 
ben, kommt  aber  als  Staubecken  nur  der  östlichste  Theil 
des  Haffs  in  Frage,  von  dem  die  Fischhäuser  Bucht  einen 
wesentlichen  Theil  bildet.  Aus  diesen  Gründen  wurden 
beiderseitige  Dämme  nicht  ganz  durchgeftihrt,  vielmehr 
sind  solche  nur  kurze  Strecken  weit  vom  Peyser  und 
Kamstigaller  Haken  aus  hergeslellt,  während  in  der  Mitte 
ein  Stück  der  Rinne  von  4 km  Länge,  ähnlich  wie  bei  dem 
preisgekrönten  Entwurf,  ungeschützt  verläuft,  v Den  Ge- 
fahren der  Verschlammung  hat  man  durch  eine  wesent- 
liche Verbreiterung  dieses  Theiles  der  Rinne  zu  begegnen 
gesucht,  während  hinsichtlich  der  Eisschiebungen  die  An- 


72 m von  der  Kanalmitte  aus  der  Schutzdamm.  Er  ist 
gebildet  durch  eine  Doppelreihe  von  Pfählen , die  je 
nach  der  Wassertiefe  3—5  “ lang  sind.  Auf  einer  6 ® 
breiten  Sandschüttung  sind  dann  Faschinen  kreuzweise 
zwischen  den  Pfählen  verlegt  und  schliesslich  ist  der  Raum 
zwischen  den  Pfahlreihen  durch  Steinpackung  ausgefüllt. 
Oben  darauf  sind  besonders  grosse  Steine  zur  Deckung 
gelegt.  Diese  Anordnung  hat  sich  erprobter  Weise  am 
besten  in  derartigen  Verhältnissen  bewährt.  Eine  Stein- 
schüttung allein  ist  ebenso,  wie  ein  Damm  aus  Pfählen 
allein,  dem  Eisgang  gegenüber  nicht  widerstandsfähie  genug. 
Die  Krone  dieses  Dammes  liegt  80  cm  über  M.  W.,  das 
höchste  Hochwasser  geht  über  den  Damm  hinweg,  doch 
ist  hierin  kein  Nachtheil  zu  erblicken,  da  erfahrungsgemäss 
Hochwasser  und  Eisgang  nicht  Zusammentreffen,  also  in 
der  Regel  Eis  aus  dem  offenen  Haff  in  den  Kanal  nicht 
gelangen  kann.  Auf  der  Haffseite  des  Dammes,  ist  der 
bei  der  Baggerung  der  Kanalrinne  gewonnene  Boden  ab- 
gelagert. Es  war  zunächst  beabsichtigt,  hier  einen  Erd- 


I.  Februar  1902. 


6r 


damrn  von  mehi-  als  Hochwasserhöhe  in  regelmässiger 
Profilirung  herzustellen,  doch  wäre  bei  dem  breiig  ausein- 
anderfliessenden  Material  eine  solche  Ausführung  äusserst 
kostspielig,  wenn  nicht  unmöglich  gewesen.  So  begnügte 
man  sich  mit  einer  unregelmässigen  Aufschüttung  bis  zur 
Höhe  von  Mittelwasser  etwa  und  gab  dem  losen  Sand  bezw. 
den  Schlickmassen  einen  festen  Zusammenhalt  durch  Be- 
pflanzen mit  Weidenstecklingen,  die  jetzt  auch  bereits  über- 
all Wurzel  gefasst  haben  und  den  Damm  mit  dichtem  Busch- 
werk bedecken. 

Eine  Schwierigkeit  bot  noch  der  Umstand,  dass  die 
am  Nordufer  des  Haffs  gelegenen  Dörfer  mit  fischerei- 
treibender Bevölkerung  nicht  vom  Haff  abgeschnitten  wer- 
werden  durften.  Da  also  an  den  betreffenden  Stellen 
Durchfahrts-Oeffnttngen  im  Schutzdamm  gelassen  werden 
mussten,  so  entstand  weiterhin  die  Frage,  ob  diese  Oelf- 
nungen  durch  Bootsschleusen  geschlossen  werden,  oder 
dauernd  offen  bleiben  sollten.  Man  entschied  sich  für 
letzteres,  obwohl  man  sich  nicht  verhehlen  kann,  dass  an 
diesen  Stellen  durch  das  bei  wechselnden  Wassersländen 
aus-  und  einströmende  Haffwasser  Versandungen  der  Rinne 
entstehen  werden.  Regelmässige  Nachbaggerungen  wer- 
den also  diesen  Uebelstand  bekämpfen  müssen.  In  un- 
serem Lageplan  sind  diese  Durchlässe  mit  den  Buchstaben 
D bezeichnet,  es  sind  deren  imganzen  8 vorhanden. 

Der  Kanal  hört  vorläulig  in  der  Nähe  des  Pillauer 
Vorhafens  auf  und  ist  durch  eine  Baggerrinne  mit  dem 
Fahrwasser  des  Tiefs  verbunden.  Ob  er  später  in  den 
Vorhafen  hineingeführt  werden  wird,  ist  augenblicklich 
noch  unentschieden.  Die  Meinungen  über  die  Zweckmässig- 
keit dieser  Anordnung,  die  im  Ausführungs-Entwurf  vor- 
gesehen ist,  gehen  sehr  auseinander. 

Ueber  die  Tiefe  des  Kanals  ist  noch  zu  bemerken, 
dass  sie  0,50  grösser  ausgeführt  ist,  als  seinerzeit  bei 
dem  Wettbewerb  verlangt  war,  nämlich  mit  6,50  bei 
M.  W.  Dieses  Maass  erscheint  in  Anbetracht  der  immer 
zunehmenden  Zahl  tiefgehender  Dampfer  auch  durchaus 
geboten,  namentlich  wenn  man  bedenkt,  dass  dasselbe 
sich  bei  N.  W.  auf  6“  ermässigt. 

Einige  Worte  seien  noch  der  Bauausführung  gewidmet. 
Nach  jenem  Wettbewerb  im  Juli  1880  vergingen  noch  nahe- 
zu IO  Jahre  mit  Verhandlungen  und  Ueberlegungen,  bis 
es  zum  Beginn  des  Baues  kam.  Erst  im  Frühling  1890 
schriit  man  zur  Ausführung.  Von  drei  Punkten  aus  wur- 
den die  Arbeiten,  und  zwar  im  Eigenbetrieb  der  Hafenbau- 
Inspektion  zu  Piliau,  in  Angriff  genommen:  von  den  eigens 
zu  diesemZweck  angelegten  drei  kleinen  Bauhäfen  bei  Kam- 
stigall,  Zimmerbude  und  Gr.-Heydekrug  (in  unserer  Karten- 
skizze mit  dem  Buchstaben  B bezeichnet).  Die  Schwierig- 
keiten waren  grösser,  als  man  angenommen  hatte,  sodass 
sowohl  der  ursprünglich  aufgestellte  Kostenanschlag,  wie 
die  vorgesehene  Bauzeit  wesentlich  überschritten  wurden. 
Der  preisgekrönte  Entwurf  von  Natus  war  mit  5,25  Mill.  M. 
veranschlagt,  welche  Summe  jedoch  bei  der  Nachprüfung 
seitens  der  Regierung  auf  9.3  Mül.  M.  erhöht  wurde.  Schliess- 
lich sind  imganzen  12,3  Mill.  M.  für  den  Bau  bewilligt  und 


verbraucht  worden,  wobei  allerdings  zu  bemerken  ist, 
dass  die  jetzt  ausgeführte  Anordnung  mit  den  Banketts 
von  Natus  nicht  vorgesehen  war,  wie  ferner,  dass  in  der 
Bausumme  auch  die  Kosten  für  die  gleichmässige  Ver- 
tiefung der  Pregelstrecke  von  Königsberg  bis  zur  Mündung 
und  die  Anschaffungskosten  für  die  grossen  Schwemm- 
bagger mit  enthalten  sind.  Unter  Berücksichtigung  dieser 
Ausgaben  stellen  sich  die  Kosten  für  ik-m  auf  etwa  300  000  M. 
Die  Bauzeit  war  auf  höchstens  8 Jahre  geschätzt,  hat  aber 
imganzen  12  Bausommer  inanspruch  genommen.  Aller- 
dings waren  die  Arbeiten  schon  ira  Herbst  1900  soweit 
gefördert,  dass  Schiffen  bis  5,5  Tiefgang  die  Benutzung 
des  Kanals  Ireigegeben  werden  konnte.  Die  Ausführung 
erfolgte  derart,  dass  streckenweise  zunächst  der  aus  Pfählen 
mit  Steinpackung  bestehende  Damm  hergestellt  wurde. 
Darauf  wurde  der  mittels  grosser  Eimerbagger  gewonnene 
Schlick-  und  Sandboden  durch  Kreiselpumpen  mit  Rohr- 
leitungen hinter  den  Damm  geschwemmt.  Den  Schluss  bil- 
dete dleBepflanzung  der  Anschüttung  mit  Weidenstecklingen. 

Die  Zukunft  wird  nun  lehren,  ob  der  Kanal,  die  Frucht 
jahrzehntelanger  Bemühungen  und  erheblicher  Geld-Auf- 
wendungen, die  auf  ihn  gesetzten  Hoffnungen  erfüllen  wird. 
Es  giebt  unter  den  Königsberger  Kaufleuten  solche,  die  sehr 
skeptisch  über  diesen  Punkt  urtheilen.  Solchen  Zweifeln 
gegenüber  wollen  wir  uns  die  bestimmt  zu  erwartenden 
Vortheile  des  Kanals  im  Vergleich  zu  den  bisherigen  Verhält- 
nissen vergegenwärtigen.  Erstens  ist  in  Zukunft  den  grössten 
für  Königsberg  inbetracht  kommenden  Dampfern  die  Mög- 
lichkeit gegeben,  mit  voller  Ladung  ihr  eigentliches  Ziel, 
Königsberg,  zu  erreichen  und  ebenfalls  mit  voller  Ladung 
die  Rückfahrt  von  hier  aus  anzutreten.  Zweitens  wird  die 
Fahrt  auf  der  Kanalrinne  sicherer  und  Zufällen  weniger 
ausgesetzt  sein,  als  ira  offenen  Haff,  da  sie  einerseits  durch 
das  nahe  Land  gegen  Stürme,  andererseits  durch  den 
Damm  gegen  Strömungen  und  Eisschiebungen  geschützt, 
das  Fahrwasser  auch  deutlicher  kenntlich  ist.  Ein  bestimmt 
zu  erwartender  Nutzen  ist  ferner  der,  dass  die  Schiflahrt 
im  Winter  mindestens  imganzen  4 Wochen  länger  bis 
Königsberg  wird  offen  gehalten  werden  können  wie  bis- 
her, ein  Gewinn,  dessen  Bedeutung  gewiss  von  allen  Seiten 
uneingeschränkt  anerkannt  werden  dürfte.  Solange  das 
Eis  noch  schwach  ist,  kann  bei  nicht  zu  heftigem  Frost 
durch  hin-  und  herfahrende  Einbrecher  leicht  eine  Fahr- 
rinne im  Kanal  offen  gehalten  werden,  desgleichen  ira 
Frühjahr,  wenn  das  Eis  mürbe  zu  werden  beginnt.  In 
der  offenen  Haffrinne  wurden  derartige  Bemühungen  so- 
fort vereitelt,  \venn  ein  stärkerer  Wind  die  Eisfläche  des 
Haffs  in  Bewegung  setzte. 

So  bedarf  es  für  den  Einsichtigen  wohl  keines  weite- 
ren Beweises,  dass  die  Konkurrenzfähigkeit  Königsbergs 
gegenüber  den  russischen  Ostseehäfen  durch  den  Seekanal 
eine  wesentliche  Förderung  erfahren  wird,  sodass  Königs- 
berg mit  der  Hoffnung  der  Zukunft  entgegensehen  kann, 
allmählich  seinen  Mitbewerbern  das  ihm  durch  die  Ungunst 
der  Verhältniose  entrissene  Handelsgebiet  wieder  abzu- 
gewinnen.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Dresdener  Archltekten-Verein.  Sitzung  vom  2.  Juli  190t. 
Vors.  Hr.  0.  Haenel. 

Auf  eine  Zuschrift  des  Vereins  zur'  Erhaltung  des 
alterihümlichen  Charakters  von  Rothenburg  o.  d.  T.  be- 
schliesst  die  Versammlung,  den  bisherigen  Jahresbeitrag 
wiederum  zu  bewilligen.  — Infolge  eines  schon  in  einer 
vorhergehenden  Versammlung  gefassten  Beschlusses  wird 
vom  Vorsitzenden  die  Abfassung  einer  an  den  Rath  zu 
Dresden  zu  richtenden  Eingabe  bezügl.  der  erneuten  Aus- 
schreibung eines  Wettbewerbes  für  das  neue  Dresdener 
Rathhaus  zum  Vortrag  gebracht  und  zwar  mit  dem  Er- 
suchen, dieses  Preisausschreiben  unter  deutschen  Archi- 
tekten zu  erlassen.'*')  Begründet  wurde  dieses  Ersuchen 
damit,  dass  das  Programm  und  die  Situation  iheilweise 
andere  geworden  seien  durch  Hinzukauf  verschiedener 
Parzellen,  durch  den  allgemeinen  Wunsch  der  Herstellung 
eines  grösseren  Platzes  vor  dem  neuen  Rathhause  und 
des  • damit  im  Zusammenhänge  stehenden  Wegfalles  der 
früher  beabsichtigten  Durchführung  der  Gewandhausstrasse 
durch  das  Rathhaus,  und  ferner  durch  die  Erwägung,  dass 
es  nach  dem  Verbilde  anderer  Grosstädte  wie  Berlin  usw. 
gerathen  sein  dürfte,  die  Amtsräume  der  mehr  unterge- 
ordneten Verwaltungszweige  besser  in  anderen  Gebäuden 
uhterzubringen.  Gleichzeitig  wurde  in  dieser  Eingabe  auch 
der  Wunsch  um  Einführung  eines  anderen  Systems  der 
Preisertheilung  zum  Ausdruck  gebracht,  dahin  lautend, 
dass  eine  grössere  Anzahl  gleicher  Preise,  sowie  für  die 


*>  Armerkung  der  Redaktion.  Vergl.  hierzu  unsere  Notiz  in  No.  5, 
dass  der  Rath  der  atadt  in  diesem  Sinne  vorzugehen  beabsichügt. 

62 


beste  Lösung  die  Ausführung  in  Aussicht  gestellt  werden 
möchte.  — Zum  Ersatzmitgl.  für  den  Besichtigungs-Aus- 
schuss anstelle  des  verstorbenen  Kollegen  B;  Hübner 
wird  FIr.  Arch.  Johannes  Lehnert  gewählt.  — 

Sitzung  vom  8.  Okt.  igoi.  Der  Vors.,  Hr  O.  Haenel, 
berichtet  anhand  verschiedener  Zeichnungen,  Photogra- 
phien und  Situationspläne  über  den  Verlauf  der  XXX.  Ab- 
geordneten-Vers.  des  Verb,  in  Königsberg  i.  Pr.  Ferner 
fordert  der  Vorsitzende  die  Versammlung  wiederholt  zum 
regen  Bezug  auf  das  prächtig  ausgestattete  Werk  „Das 
Bauernhaus  im  deutschen  Reiche"  auf.  Die  Hrn. 
Arch.  Bruno  Krutsch,  W.  Kreis  und  Reg.-Bmstr.  Peisker 
wurden  als  Mitgl.  aufgenommen.  — 

Gelegentlich  der  Sitzungen  vom  29.  Okt.  und  26.  Nov. 
erfolgte  die  Mittheilung  über  erfreuliche  Neuanmeidungen 
zur  Aufnahme  in  den  Verein  sowie  ein  ergänzender  Be- 
richt über  zu  bearbeitende  Verbandsfragen.  Nach  dem 
Vorgänge  des  Berliner  Arebitekten-Vereins  will  der  Dres- 
dener Verein  gleichfalls  in  einen  Vertrag  mit  der  Magde- 
burger Lebens- Vers.-Gesellsch.  eintreten;  zur  Erledigung 
der  Vorfragen  hierzu  wird  ein  Ausschuss  aus  den  Hrn. 
O.  Haenel,  Georg.  Adam  und  Hermann  Arnold  gewählt. 

Der  Vorsitzende,  Hr.  O.  Haenel,  berichtet  sodann 
über  das  am  3.  Nov.  v.  J.  an  den  Verbands-Vorstand  abge- 
sandte  Schreiben  betr.  die  leider  noch  immer  häufig  auf- 
tretenden Uebelstände  bei  Wettbewerben  und  die  Wünsche 
der  Architekten  bezüglich  deren  möglichster  Abstellung. 
Er  erläuterte  durch  Beispiele  die  Berechtigung  dieser 
Wünsche  und  die  Punkte,  gegen  welche  hauptsächlich 
verstossen  zu  werden  pflegt.  Abgesehen  von  einer  strengen 
Einhaltung  der  Verbands-Grundsätze  seien  aber  noch  fol- 

No.,  TO. 


gende  Wünsche  hinsichtlich  des  Wettbewerbs-Verfahrens 
geltend  zu  machen,  i.  Die  jetzt  übliche  Gepflogenheit, 
meist  nur  drei  Preise  zur  Venheilung  zu  bringen  und 
höchsten  Falles  noch  einige  Arbeiten  anzukaufen,  möchte 
besser  fallen  gelassen  werden,  dafür  entsprechend  der 
bei  grösseren  Aufgaben  eingehenden  grossen  Zahl  oft 
nahezu  gleichwerthiger  Lösungen  eine  grössere  Anzahl 
gleicher  Preise,  sowie  für  die  beste  Lösung  die  Ausfüh- 
rung des  Bauvorhabens  nach  den  Plänen  und  unter  der 
Oberleitung  des  preisgekrönten  Architekten  gestellt  wer- 
den. Das  jetzige  Verfahren  führe  zu  Ungerechtigkeiten. 
2.  Es  sollten  als  Preisrichter  nicht  immer  berühmte  Auto- 
ritäten hinzugezogen  werden,  denen  es  oft  an  der  Zeit 
fehle,  während  es  andererseits  den  nicht  so  berühmten 
Preisrichtern  oft  nicht  leicht  fallen  dürfte,  einer  solchen 
Autorität  gegenüber  die  eigene  Meinung  mit  aller  Ent- 
schiedenheit zur  Geltung  zu  bringen.  — 

Zur  Bearbeitung  der  Verbandsfrage:  „Beschaffung 
billiger  Wohnungen  betr."  wird  ein  Ausschuss  gewählt  aus 
den  Hrn.  Prof.  Seitler,  Arch.  O.  Menzel,  J,  Lehnert, 
Br.  Krutsch  und  Joh.  Thierfelder.  — Von  Mitgliedern 
wurde  angeregt,  an  die  sächs.  Regierung,  u.  Umst.  in  Ver- 
bindung mit  anderen  Vereinen,  eine  Eingabe  zu  richten  mit 
der  Bitte,  der  immer  mehr  überhandnehmenden  Verun- 
staltung landschaftlich  schöner  Punkte  (z.  B.  in  der  Sachs. 
Schweiz)  durch  aufdringliche  unschöne  Reklameschilder, 
womöglich  auf  gesetzlichem  Wege,  Einhalt  zu  thun.*) 
PIr.  Arch.  Menzel  wünschte  diese  Machtbefugniss  der  Be- 
hörden auch  noch  auf  die  Erhaltung  historisch  gewordener 
Baulichkeiten  in  der  Landschaft,  unter  anderem  hinweisend 
auf  das  bekannte  Spitzhaus  auf  den  Lössnitzbergen  bei 
Dresden  u.  a.  m.,  ausgedehnt  zu  sehen,  insofern,  dass  das 
Anbringen  von  den  bisherigen  Gesammteindruck  störenden 
Anbauten  untersagt  werde.  Auch  für  die  weitere  Behand- 
lung dieser  Eingabe  wurde  ein  Ausschuss  ernannt  aus  den 
Hrn.  Prof.  Seitler,  Treitschke,  Lehnert,  O.  Haenel. 

Mit  grossem  Interesse  sprach  sich  der  Verein  über 
die  Baupläne  des  bayerischen  Prinzregenten  aus.  Es 
kam  der  lebhafte  Wunsch  zum  Ausdruck,  dass  auch  in 
Sachsen,  besonders  in  Dresden,  auf  ein  Eingreifen  in  die 
Anordnung  staatlicher  Monumentalbauten  unter  Berück- 
sichtigung eines  einheitlichen  Planes  und  unter  Hinzu- 
ziehung von  Architekten  und  Vertretern  der  verschiedenen 
betheiligten  Stellen  von  maassgebender  Stelle  aus  hinge- 
wirkt werden  möchte,  damit  für  die  Zukunft  die  Errichtung 
von  Staatsgebäuden  an  allgemein  als  ungeeignet  bezeich- 
neten  Plätzen  — Landgericht  in  der  Pillnitzer  Str.,  neues 
Polizeigebäude  in  der  Schiessgasse  — vermieden  werde. 

Am  22.  Nov.  1901  unternahm  der  Verein  unter  Füh- 
rung des  Hrn.  Arch.  Bachraann  eine  Besichtigung  der 
neu  erbauten  Jakobikirche  am  Wettinerplatzein 
Dresden,  welche  nach  einem  i.  J.  1894  erlassenen  Preis- 
ausschreiben vom  Gewinner  des  I.  Preises,  Hrn.  Arch. 
Jürgen  Kröger,  in  romanischem  Stile  in  4jähriger  Bau- 
zeit ausgeführt  worden  ist.  Der  schön  gruppirte  Zentral- 
bau mit  seinem  aus  der  Kuppel  sich  entwickelnden  etwa 
80m  hohen  Thurm  wirkt,  namentlich  von  der  SW.-Seite 
aus  gesehen,  sehr  malerisch,  welche  Wirkung  noch  durch 
das  grün  glasirte  Ziegeldach  und  durch  die  grossen  Rosen- 
fenster an  den  beiden  Querschiffen  erhöht  wird.  Das 
Innere  der  Kirche  gewährt  ein  günstiges  Gesammtbild 
durch  den  mächtigen  Kuppelraum  mit  seinen  Kreuzarmen 
und  durch  die  Chornische  mit  ihrem  herrlichen  Bilder- 
schmuck auf  Goldgrund,  gemalt  von  den  Dresdener  Künst- 
lern Phil.  Schmidt  und  Paul  Herrmann,  ferner  durch 
die  sehr  wirkungsvollen  farbigen  Glasfenster  und  durch 
die  aussergewöhnlich  gelungene  stilgerechte,  kräftig,  aber 
dabei  stimmungsvoll  wirkende  Malerei.  Auch  für  den 
Abend  ist  durch  künstliche  Beleuchtung  sehr  schöne 
Wirkung  erzielt  durch  flach  an  der  Decke  angebrachte 
Glühlichtkörper  — in  der  Kuppel  in  Kreuzform  — und 
durch  an  den  Kämpfern  der  Pfeiler  und  an  den  Brüstungen 
der  Emporen  angebrachte  Beleuchtung,  wenn  auch  die 
letztere  die  ruhige  Gesammtwirkung  der  Farbenharmonie 
etwas  beeinträchtigt;  die  sonst  ira  Kirchenraura  üblichen 
Kandelaber  fallen  fort,  zum  Vortheil  des  freien  Ausblicks 
auf  Altar  und  Kanzel.  Die  Kirche  hat  1300  Sitzplätze,  eine 
grösste  Länge  des  Kirchenraumes  von  341«  und  grösste 
Breite  von  28  m.  Der  entfernteste  Sitzplatz  liegt  20  m von 
der  Kanzel. 

Am  2.  Dez.  fand  unter  Führung  des  Erbauers  der 
neuen  Johannstädter  Krankenhausanlage,  des  Hrn. 
Stdtbrth.  Bräter,  eine  Besichtigung  dieser  in  solcher  Voll- 
kommenheit vielleicht  jetzt  einzig  dastehenden  Anlage  statt. 
Dieser  Besichtigung  hatten  sich  die  Mitglieder  des  Sächs. 
Ing.- u.  Arch.- Vereines  angeschlossen.  Da,  wie  wir  hören,  die 


Anmei-k-  d.  Red.  Dem  pvenss.  Landiaje  ist  eine  entsprechende 
Keg. -Vorlage  m dieser  Session  bereits  ziigegangen.  — 

I.  Februar  1,902. 


Stadt  Dresden  beabsichtigt,  demnächst  eine  Sonderschrift 
mit  Illustrations-Beilagen  dieser  in  reichlich  2 Jahren  ge- 
schaffenen grossartigen  Krankenhaus- Anlage  im  Osten  der 
Stadt  herauszugeben,  mögen  für  heute  nur  einige  kurze 
Bemerkungen  genügen.  Das  zur  Verfügung  stehende  Ge- 
lände umfasst  eine  Fläche  von  63  415  g®,  also  rd.  6,34  ha, 
von  denen  jetzt  11084  bebaut  worden  sind,’  das 
übrige  ist  theils  späteren  Zubauten  Vorbehalten,  theils  zu 
Garten-Anlagen  umgestaltet  worden.  Die  Anlage  besteht 
aus  17  Einzelbauten  und  ist  so  angeordnet,  dass  die 
Krankenhäuser  in  ihrer  Längsrichtung  von  Norden  nach 
Süden  gerichtet  sind,  so  dass  die  Sonne  fast  während  des 
ganzen  Tages  Zutritt  zu  den  Krankensälen  hat.  Es  sind 
vorhanden:  ein  grosses  Verwaltungs-Gebäude,  ein  Gebäude 
für  Sonderkranke,  vier  Kranken-Gebäude,  ein  chirur- 
gisches Doppelhaus  mit  Operations-Gebäude,  zwei  Häuser 
für  ansteckende  Kranke,  ein  Haus  für  unruhige  Kranke, 
Anatomie  und  Leichenhaus,  ein  Gebäude  für  Darapf- 
kocherei,  Bäder  und  Heilgymnastik,  das  Desinfektions- 
Gebäude,  das  Stallgebäude  und  die  Kapelle.  Durch  einen 
unterirdischen  1000®  langen,  2®  breiten  und  2,4®  hohen 
Gang  sind  sämratliche  Gebäude  unter  einander  verbunden, 
ebenso  sind  darin  die  Dampf-Kondens-Warmwasser  und 
Gasleitung,  ein  Theil  der  elektrischen  Licht-  und  Kraft- 
zuleitungen, sowie  die  Telephon-  und  Klingelieitungen 
untergebracht.  Es  sind  gegenwärtig  581  Betten  aufgestellt, 
wobei  für  jeden  Kranken  ein  Lutiraum  von  30  cbm  vor- 
handen ist.  Nach  vollem  Ausbau  der  ganzen  Anlage 
durch  später  noch  zu  errichtende  Krankengebäude  wer- 
den sich  die  Kosten  für  ein  Bett  auf  7848  M.  stellen.  Wer- 
den indess  die  Grunderwerbs-  und  Strassenbaukosten  nicht 
in  Anschlag  gebracht,  so  stellen  sich  jetzt  die  Kosten  für 
ein  Bett  auf  7143  M.  und  nach  vollem  Ausbau  auf  5928  M. 

Die  ausgedehnten,  mit  Pavillons,  Lauben,  schönen 
Rasenplätzen  versehenen  Gartenanlagen,  vor  allem  aber 
die  theilweise  in  Putzbau  mit  Sandsteinsimsen,  Giebeln, 
Fenstergewänden,  in  prächtigen  charakteristischen  Archi- 
tekturformen ausgeführten  Gebäude  geben  dem  Beschauer 
ein  grossartiges  Gesammtbild  der  mustergiltig  zu  nennen- 
den Anlage,  die  ihrem  Erbauer,  Hrn.  Stadtbrth.  Bräter, 
der  unter  Mitwirkung  des  Hrn.  Stadtbauinsp.  Louis  die 
Aufgabe  in  so  glücklicher  und  rühmenswerther  Weise  zu 
lösen  verstanden  hat,  ein  ehrenvolles  Zeugniss  ausstellt,  -- 

O.  H. 

Vermischtes. 

Zum  siebenzlgsten  Geburtstag  von  Wilhelm  Böckmann 
sind  dem  Jubilar  reiche  Ehrungen  zutheil  geworden.  Er 
wurde  für  seine  hervorragenden  Verdienste  um  die  Bau- 
kunst im  Allgemeinen  zum  „Geheimen  Baurath“  und  für 
seine  Verdienste  um  den  Architekten-Verein  zu  Berlin  im 
Besonderen  von  diesem  zum  „Ehrenmitgliede“  ernannt. 

Am  Abend  seines  Jubeltages  versammelten  sich  eine 
grosse  Zahl  seiner  Verwandten,  Freunde  und  Verehrer  im 
grossen  Festsaale  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin,  um 
Böckmann  in  glänzender  Weise  eine  herzliche  Kundgebung 
allseiüger  Veiehrung  zu  bereiten.  Der  reich  geschmückte 
Saal  und  die  festliche  Versammlung  boten  ein  prächtiges 
malerisches  Bild  dar.  Den  Vorsitz  führte  Hr.  Geh.  Reg.- 
Rath  Prof.  H.  Ende,  die  Begrüssungsrede  an  den  Jubilar 
hielt  Hr.  Bith.  Kyllmann.  Ihm  und  der  Versammlung, 
welche  den  Gefeierten  mit  brausenden  Plochrufen  be- 
grüsste,  dankte  der  letztere  in  einer  längeren  Rede,  in 
welcher  er  seinen  Entwicklungsgang  namentlich  in  seiner 
ersten  Lebenshälfte,  welche  der  Versammlung  nicht  so 
gegenwärtig  sein  konnte,  wie  das  reiche  Werk  seiner 
zweiten  Lebenshälfte,  schilderte  und  diese  Schilderung 
einerseits  mit  Bemerkungen  über  die  erfahrene  Lebens- 
weisheit des  Vaterhauses,  andererseits  mit  vergleichenden 
Bemerkungen  über  die  Entwicklung  derTechnik  schmückte. 
Mit  Recht  konnte  der  Redner  unter  der  Zustimmung  der 
Versammlung  sagen,  er  habe  nicht  umsonst  gelebt  und 
wenn  seine  Rede  in  dem  Wunsche  ausklang,  es  möge  ihm 
beschieden  sein,  das  mehr  als  neunzigjährige  Alter  seiner 
Eltern  zu  erreichen,  so  vereinigte  er  sich  in  diesem  Wunsche 
mit  dem  der  Versammlung.  Mit  ungewöhnlicher  Frische 
und  mit  warmer,  herzlicher  Antheilnahme,  durchflochten 
mit  launigen,  von  der  Versammlung  mit  grosser  Heiterkeit 
aufgenomraenen  Bemerkungen  schilderte  darauf  Hr.  Geh. 
Reg.-RathEn  de  seine  Beziehungen  zum  Jubilar  als  Jugend- 
freund, Reisegenosse  und  als  geschäftlicher  Mitarbeiter 
in  einer  Rede,  die  in  ihrer  freien  Meisterschaft  den  Höhe- 
punkt des  schönen  Abends  bildete.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Künstler.  Die  Architekten  und 
kgl.  Bauräthe  A.  Heyden  und  H.  v.  d.  Hude  in  Berlin 
wurden  zu  „Geheimen  Bauräthen“  ernannt.  Wir  dürfen 
in  diesen  Ernennungen  ohne  Zweifel  einen  erneuten  Beweis 
staatlicher  Anerkennung  derPrivat-Architektur  erblicken.  ~ 


Zur  Ueberwachung  elektrischer  Anlagen,  zur  Prüfung 
von  Entwürfen  und  Kostenanschlägen  dazu  erschien  es 
manchem  Interessenten  wünschenswerth,  eine  neutrale 
Stelle  anrufen  zu  können.  Unter  der  Bezeichnung  „Prü- 
fungs-  und  Ueberwachungs  - Anstalt  für  elektrische  An- 
lagen, Berlin,  N.W.  52,  hat  Hr.  Privatdozent  Dr.  Franz 
Peters  eine  solche  eingerichtet.  — 


Todtenschau. 

Stadtbaurath  Peter  Bernatz  -I-.  Am  9.  Jan.  verschied 
zu  Würzburg  nach  langem  schweren  Leiden  der  dortige 
Stadtbaurarh  für  das  Hochbauwesen,  Peter  Bernatz,  ein 
für  das  Bauwesen  dieser  Stadt  hochverdienter  Techniker. 
3862  als  Sohn  des  1898  verstorb.  kgl.  Ob.-Brths.  an  der 
obersten  Baubehörde  zu  München  Karl  Ritter  von  Bernatz 
geboren,  war  der  Verstorbene  von  1891  — 1901  Stadtbaurath 
für  das  Hochbauwesen  in  Würzburg. 

Bernatz  hat  an  der  Erweiterung  der  alten  Sandgasse 
und  der  Eichhorngasse  durch  geeignete  Vorschläge  1894 
bis  1900  bedeutenden  Antheil  genommen  und  sich  seiner- 
zeit um  die  architektonische  Ausgestaltung  der  beider- 
seitigen Rampen  der  Ludwigsbrücke  verdient  gemacht; 
insbesondere  stammen  die  Entwürfe  zu  den  zwei  Gruppen- 
bauten am  Sanderring  längs  der  Auffahrt  zur  Ludwigs- 
brücke und  für  das  am  jenseitigen  Ufer  gelegene  „Main- 
länder Pleim“  von  seiner  Hand. 

An  städtischen  Neubauten  hat  er  zur  Ausführung  ge- 
bracht: 1893/94  das  I.  Grombühler  Schulhaus  mit  34  Lehr 
Sälen,  Turnhalle  und  Bad;  1894—98  die  5 Zollhäuschen  an 
der  Mergemheimer-,  Rottendorfer-,  Faulenberg-,  Frank- 
furter- und  Höchbergerstrasse,  reizende  kleine  landhaus- 
artige Gebäude  in  grundsätzlich  verschiedener  Grundriss- 
und  Fassadenausbildung;  1894/95  die  Wiederherstellung 
des  sogen,  alten  Schwurgerichtssaales  (jetziger  Sitzungs- 
saal der  städtischen  Kollegien)  mit  einer  alten  sehens- 
werthen  Stuckdecke;  1895/96  das  neue  Leichenhaus;  1897 
bis  1899  das  Zentral-Schulhaus  mit  31  Lehrsälen,  Turnhalle 
und  Bad,  dessen  Renaissancefassaden  auf  seinen  Vorschlag 
ganz  in  weissera  Sandstein  ausgeführt  wurden;  3898/1900 
den  Rathhausneubau,  der  ihm  Gelegenheit  gab,  seine 
künstlerischen  Fähigkeiten  an  einem  monumentalen  Werke 
im  Stile  deutscher  Renaissance  zu  entfalten  und  sich  ein 
dauerndes  Andenken  als  Künstler  zu  sichern.  Nachdem  das 
den  Kürschnerhof  in  malerischer  Weise  abschliessende  alte 
Landgerichts-Gebäude  dem  Verkehr  zum  Opfer  gefallen  war 
und  die  damit  entstandene  Freilegung  der  Dorokirche  und 
des  Neumünsters  unter  den  Sachverständigen  und  in  der 
Oeffentlichkeit  sehr  verschiedene  Beurtheilung  fand,  hat 
Bernatz  mit  vieler  Liebe  eine  Reihe  von  Entwürfen  für 
die  theilweise  Wiederbebauung  des  Neumünsterplatzes  aus- 
gearbeitet. Auch  der  Entwurf  zur  Fassade  des  Egstein'* 
sehen  Hauses,  Ecke  Domstrasse  und  Kürschnerhof,  ist  von 
seiner  Hand.  Ferner  wirkte  Bernatz  in  hervorragender 
Weise  mit  an  der  Errichtung  der  Monumentalbrunnen  am 
Residenz-  und  am  Bahnhofplatze.  In  Anerkennung  seiner 
Tfiätigkeit  an  letzterem  Bau,  dem  sogenannten  Kilians- 
brunnen, der  ein  Geschenk  Sr.  kgl.  Hoheit  des  Prinzregenten 
von  Ba3^ern  an  die  Stadt  war,  erhielt  er  den  Michaels- 
Orden  IV.  Klasse.  Die  Wiederherstellung  des  Kaiser 
Wenzel-Saales  — ein  historisches  Denkmal  ersten  Ranges  — 
hat  er  angeregt  und  durch  eingehendes  Studium  der  Bau- 
geschichte vorbereitet.  Ferner  hat  Bernatz  ]894— 1896  auch 
eine  reiche  Thäiigkeit  für  die  Erweiterung  der  Stadt  Würz- 
burg entfaltet. 

Im  geselligen  Leben  war  der  Verstorbene  ein  ge- 
wandter und  liebenswürdiger  Mensch,  der  durch  seinen 
Humor  und  sein  Wesen  alle,  die  mit  ihm  verkehrten,  für 
sich  einzunehmen  wusste.  Er  war  sozusagen  auch  hierin 
ein  Künstler  mit  hervorragender  Begabung.  — 


Preisbewerbungen. 

Eine  internationale  „Ehrenpreisfrage“  der  Gesellschaft 
zur  Beförderung  der  Baukunst  in  Amsterdam  anlässlich  ihres 
60jährigen  Bestehens  betrifft  den  Entwurf  eines  könig- 
lichen Palastes  in  Amsterdam  für  den  vorübergehenden 
Aufenthalt  des  holländischen  Königspaares.  Das  Gebäude 
soll  auf  einem  freien  Platze  hinter  dem  Reichsmuseum, 
gegenüber  dem  städtischen  Museum,  errichtet  werden; 
ein  ausführliches  Raumprogramm  erläutert  die  baulichen 
Bedürfnisse.  Da  es  sich,  da  keine  Bausumme  genannt 
ist,  wohl  nur  um  einen  Ideen  Wettbewerb  handelt,  was 
auch  schon  die  knappen  Preise  zum  Ausdruck  bringen,  so 
erscheinen  uns  die  zeichnerischen  Anforderungen  grösser, 
als  diese  gemeinhin  in  Deutschland  üblich  zu  sein  pflegen. 
Der  1.  Preis  besteht  in  der  silbervergoldeten  Medaille  der 
Gesellschaft  und  500  fl.  = 830  M.,  der  II.  Preis  in  der  silber- 
nen Medaille  und  250  fl.  = 415  M.,  der  III.  Preis  in  der 
bronzenen  Medaille  und  100  fl.  = 165  M.  Terrain  ist  der 

64 


30.  Juli  1902.  Im  Preisgericht  befinden  sich  lediglich  hollän- 
dische Herren,  was  gleichfalls  dem  bei  uns  herrschenden 
Brauche  widerspricht.  Es  sind  die  Hrn. Prof.  E.  Gugel- Delft, 
Arch.  C.  Muysken  in  Baarn,  Arch.  Prof.  J.  F.  Klink- 
hamer  in  Delft,  Arch.  H.  Evers  in  Rotterdam,  Arch. 
H.  P.  Berlage,  Arch.  A.  Salm  in  Amsterdam,  Arch. 
Joh.  Mutters  jr.  im  Haag,  Arch.  J.  Verbeul  in  Rotter- 
dam und  Arch.  C.  T.  J.  Louis  Rieber  in  Amsterdam. 
An  letzteren  als  Sekretär  der  „Gesellschaft  zur  Beförde- 
rung_  der  Baukunst"  (Marnix-Straat  402)  sind  alle  Sendungen 
zu  richten.  — 

Wettbewerb  Bismarck-Denkmal  in  Hamburg.  Als  Ver- 
fasser der  Entwürfe  „Parsifal",  „Largo"  und  „Eine  Vision“ 
nennt  sich  uns  Hr.  Arch.  Theobald  Schöll  in  Leipzig; 
Verfasser  des  Entwurfes  „Dem  Reichsschmied"  ist  Hr.  Arch. 
Bernhard  Schaede  in  Berlin,  der  des  Entwurfes  „Roland“ 
auf  S.  49  Hr.  Reg.-Bfhr.  0.  Eggeling  in  Braunschweig.  — 

Wettbewerb  Stadttheater  Freiburg.  Als  Verfasser  des 
zum  Ankauf  empfohlenen  Entwurfes  „Meinem  Liebling 
gewidmet“  nennt  sich  uns  Hr.  Arch.  Christ.  Musel  in 
Stuttgart.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Reg.-  u.  Brth.  Nuyken  in  Breslau  ist  die 
etatm.  Stelle  eines  Reg.-  u.  Brths.  als  ständ.  inelior.-techn.  Hilfsarb. 
im  Minist,  für  Landwirthschaft,  Domänen  u.  Forsten  übertragen. 

Drni  Kr.  - Bauiiisp.  Brtb.  Freys  e in  Köln  a.  Rh.  ist  beim 
Uebertritt  in  den  Ruhestand  der  Char,  als  Geh.  Brth.,  den  Mel.- 
Bauinsp.  Müller  in  Insterburg,  Knauer  in  Königsberg  und 
Krüger  in  Lüneburg,  den  Garn.-Bauinsp.  Afinger  in  Spandau, 
M e b e r t in  Strassburg  i.  E.,  Feuerstein  u.  Weisenberg  in 
Berlin,  Herzfeld  in  Metz  und  Rohlfing  in  Köln  a.  Rh.  und 
dem  Bauinsp.  Latowsky  in  Saarbrücken  ist  der  Char.  als  Brth. 
mit  dem  persönl.  Range  der  Räthe  IV.  Kl.  verliehen. 

Versetzt  sind:  die  Reg.-  u.  Brthe.  Stolze  von  Gumbinnen 
nach  Merseburg  u.  Moritz  von  Bromberg  nach  Erfurt,  — der 
Landbauinsp.  Brih.  Rattey  in  Berlin  als  Bauinsp,  an  die  5.  Poliz.- 
Bauinsp.,  der  Bauinsp.  Brth,  Natorp  von  Charlottenbui'g  als 
Landbauinsp-  nach  Berlin  in  die  Bauabth.  des  Minist,  der  öffentl. 
Arb.,  der  Bauinsp.  Brth.  Lütcke  von  der  Bauinsp.  5 an  die  Bau- 
insp. 3 Charlottenburg,  — die  Kr.-Bauinsp  Brth.  Stock  von 
Rüdesheim  nach  Köln,  Leutfeld  von  Ostrowo  nach  Rüdesheira, 
Clären  von  Mogilno  nach  Flarburg,  Michael  von  Nakel  nach 
Gelnhausen,  Brth.  Zeuncr  von  Harbutg  als  Landbauinsp.  nach 
Franklurt  a.  O.  und  Brth.  Ehrhardt  von  Allenstein  als  Land- 
bauinsp. nachDanzig,  — der  grossherz.  hess.  Eiseiib  -Dir.  Schoberth 
in  Giessen  als  Mitgl.  an  die  kgl.  preuss.  u.  grossherz.  hess.  Eisenb.- 
Dir.  in  Mainz,  — die  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Oehlmann  in 
Goldap  in  den  Bez.  der  kgl.  Eisenb.  Dir.  Erfurt,  Marx  in  Fried- 
land und  Streckfuss  in  Stallupönen  zur  kgl.  Eisenb. -Dir  in 
Königsberg  i.  Pr.,  Reiser  in  Friedland  zur  Betr.-Insp.  r in  Königs- 
berg 1 Pr.  und  R u p p e 1 1 in  Simm<  rn  zur  kgl.  Eisenb. -Dir.  io  Breslau. 

Angestellt  sind;  Die  Reg.-Bmstr.  Sproembergin  Allenstein, 
F r e y t a g in  Bert  nt,  Schwarze  in  Wittstock,  G e r s d 0 r f { in 
Sensburg,  Lange  in  Beeskow,  S a e g e r t in  Schweiz  i.  Westpr. 
und  Czygan  in  Naugard  als  Kreis-Bauinsp.,  sowie  Zeidler  als 
Landbauinsp.  in  Posen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Karl  Loewe  aus  Laurahütte  u.  Friedr.  Heese 
aus  Berlin  (Hochbfcli.l,  — Gg.  Hans  mann  aus  Vorsfelde,  Willy 
D o eh  n aus  Glutzow,  Ferd.  Müller  aus  Berlin  (Wasser-  u.  Strassen- 
bfeh),  •—  Herrn.  Steckhan  aus  Gr.  Ilsede,  Emil  Meier  aus  Mal- 
vcrocle,  Karl  Stanislaus  aus  Aachen,  Kurt  T hi  e 1 e ai's  Neisse, 
Otto  Bühren  aus  Brechtefeld  (Eisenbfeh.),  — Kurt  Engmann  aus 
Schweidnitz,  Max  F ü c h s e 1 aus  Dorndorf,  Felix  Titz  aus  Münster- 
berg, Thadcl.  V.  Czarnowski  aus  Lebno,  Math.  T e s c h aus 
Euskirchen,  Karl  Ri  nt  eien  aus  Meschede,  Ludw.  Seidel  aus 
Münster  i,  W.  (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Brth.  2,  D.  Fis  ch  er  in  Ilildcsheim  ist  in  d.  Ruhestand  getreten. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  P.  P.  in  S.  Es  ist  zweifellos  ein  nicht  dem  deutschen 
Konkurrenzwesen  entsprechender  Vorgang,  wenn  von  Wettbewerbs- 
Entwürfen  die  zugehörigen  Rähmchen  entfernt  und  dadurch  die 
Entwürfe  in  ihrem  äusseren  Ansehen  entstellt  weiden.  Wir  wür- 
den Ihnen  empfehlen,  eine  nachdrückliche  Vorstellung  an  die  aus- 
schreibende  Stelle  zu  richten  und  auch  das  Preisgericht  von  dem 
Voj-fa!l  in  Kenntniss  zu  setzen.  Das  müsste  aber  wohl  ohne  Namens- 
nennung geschehen.  — 

Hrn.  G.  St.  in  B.  Wir  bitten  Sie,  Ihre  Anfrage  an  die 
„Deutsche  Thonindustric-Zeitung'',  Berlin  NW.  5,  Kruppstr.  6,  oder 
an  die  „Deutsche  Töpfer-  und  Ziegler-Zeitung“,  Berlin  N.,  Kessel- 
strasse 7,  richten  zu  wollen.  Wo  ist  übrigens  der  Nachweis  des 
Bezuges  unserer  Zeitung  ? — 


Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  Ris- 
marck-Denkmal  in  Hamburg  tSchliiss  . — La'idhaiis  Glade  in  Dt.-Wilmers- 
doif  bei  Berlin.  — Der  König-beiger  Seekaual  — Mittheilungen  aus  Ver- 
einen. — Vermischtes  — Todtenschau.  — Preisbeworbungen.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Hierzu  eine  Bildbeilage;  Landhaus  Glade  in  Dt.- Wilmers- 
dorf bei  Berlin. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung-,  G.  m.  b.  H..  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verau-rt’orü.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

Nu,  IO. 


ANDHAUS  GLADE  IN  DEUTSCH- 
WILMERSDORF BEI  BERLIN  * 
ARCHITEKT:  ERICH  PETERS  IN 
HALENSEE  BEI  BERLIN  ^ 

= DEUTSCHE  BAUZEITUNG  = 
* XXXVI.  JAHRG.  1902  - NP:  10  * 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  ii.  Berlin,  den  5.  Februar  1902. 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Wir  bringen  hiermit  zur  Kenntniss  der  Verbands-Mitglieder,  dass  für  die  diesjährige  in  Augsburg 
tagende  Abgeordneten-  und  Wander-Versanimlung  des  Verbandes  folgendes  vorläufige  Programm  in  Aus- 
sicht genommen  ist. 

1.  Abgeordneten-Versammlung; 

Freitag,  den  29.  August,  Abends:  Begrüssung  der  Abgeordneten.  — Sonnabend,  den  30.  August: 
Berathungen.  — ■ Sonntag,  den  31.  August:  Schluss  der  Berathungen.  Feststellung  des  Protokolls. 
Nachmittags:  Gemeinsamer  Ausflug. 

2.  Wander-Versammlung: 

Sonntag,  den  31.  August,  Abends:  zwanglose  Begrüssung.  — Montag,  den  i.  September:  Versammlung. 
Berathungen  und  Vorträge.  Nachmittags:  Besichtigungen.  — Dienstag,  den  2.  September;  desgl.  — 
Mittwoch,  den  3.  September;  Ausflug  nach  Füssen  und  Hohenschwangau. 

Dresden-Berlin,  den  31.  Januar  1902. 

Der  Vorstand  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine. 

Der  Vorsitzende:  Waldow.  Der  Geschäftsführer:  Eiselen. 

Zur  Frage  der  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs-Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss. 

mn  dem  Kampfe  um  die  Erhaltung  des  Heidelberger  und  Vorarbeiten  nöthig,  die  einzuleiten  das  Ministerium 
Schlosses  hatten  wir  in  Aussicht  genommen,  auf  sich  angelegen  sein  lassen  und  je  nach  deren  Ergebniss 
eine  Kundgebung  einer  Gruppe  hervorragender  es  seiner  Zeit  mit  bestimmten  Vorschlägen  an  die  Volks- 
Berliner  Architekten,  die  wir  S.  16  zum  Abdruck  brachten,  Vertretung  herantreten  wird.“ 

näher  einzugehen.  Wir  glaubten  jedoch,  dazu  erst  nach  Wir  haben  nun,  unbeschadet  unserer  persönlichen 
Vollendung  des  Aufsatzes  des  Hrn.  Arch.  Fritz  Seitz  in  Auffassung  in  der  Frage,  der  journalistischen  Pflicht  zu 
Heidelberg  schreiten  zu  können,  da  dieser  Aufsatz  für  die  genügen,  die  Auffassung  der  verschiedenen  bei  den  Er- 
sachliche  Beurtheilung  der  Frage  unseres  Erachtens  so  örterungen  interessirten  Faktoren  zum  Ausdruck  kommen 
schlagende  Gründe  enthält,  dass  sie  bei  den  Erörterungen  zu  lassen.  Den  bisher  in  diesem  Sinne  erfolgten  Ver- 
nicht unberücksichtigt  bleiben  konnten.  Inzwischen  jedoch  öffentlichungen  lassen  wir  nachstehend  mit  geringen  Kür- 
ist unsere  Absicht  durch  die  Ereignisse  überholt  und  bis  zungen  die  Ausführungen  folgen,  welche  der  grossherz, 
zu  einem  gewissen  Grade  vorläufig  wenigstens  gegenstands-  badische  Finanz -Minister  am  4.  Jan.  1902  an  die  zweite 
los  gemacht  worden,  indem,  wie  wir  bereits  S.  40  berich-  Kammer  der  badischen  Landstände  richtete,  und  schliessen 
teten,  die  grossherz,  badische  Regierung  sich  entschlossen  an  diese  einen  Aufsatz  des  Hrn.  Prof.  Dr  A.  Haupt  in 
hat,  eine  Vorlage  über  die  zum  Schutze  des  Heidelberger  Hannover  an,  der  sich,  mit  der  Frage  der  Giebellösung 
Schlosses  und  ira  Interesse  seiner  dauernden  Erhaltung  beschäftigt.  Hr.  Haupt  hat  die  Absicht,  die  hier  aus 
zu  treffendenMaassnahmen  dem  gegenwärtig  versammelten  Raummangel  nicht  mögliche  Begründung  seiner  An- 
Landtage  nicht  mehr  zu  machen.  Die  Regierung  erachtete  nahmen  in  einer  selbständigen  Schrift  zu  geben,  die 
die  Frage  noch  nicht  als  spruchreif,  „nach  dem  Gang  der  demnächst  bei  Heinr.  Keller  in  Frankfurt  a.  M.  erschei- 
letzten  Konferenz  erweisen  sich  vielmehr  weitere  Studien  nen  wird. 


65 


Mit  der  Wiedergabe  dieser  Ausführungen  schliessen 
wir  die  Erörterungen  über  die  Fortführung  der  Wieder- 
herstellungs-Arbeiten am  Heidelberger  Schloss,  welche 
die  übrigen  Tagesfragen  schon  über  Gebühr  zu- 
rückgedrängt haben,  bis  auf  Weiteres  ab.  — 

Die  Redaktion  der  „Deutschen  Bauzeitung" 

I. 

Aus  dem  Bericht  des  grossherz,  badischen  Finanz- 
rainisters  an  die  zweiteKaramer  der  Landstände. 

„Die  Beschlüsse  der  Heidelberger  Schlossbaukonferenz 
vom  Jahre  189  t hatten  u.  a.  eine  Abformung  der  Statuen 
des  Friedrichs-  und  des  Otto  Heinrichs-Baues  in  Gips  und 
nach  beendeter  Abformung  die  Wiederverbringung 
der  Originalstatuen  an  ihre  alten  Standorte  in  Aussicht 
genommen.  Die  Abformung  in  Gips  wäre  indessen  nach 
den  erhobenen  kunstverständigen  Gutachten  für  den  Be- 
stand der  im  Zustand  starker  Verwitterung  begriffenen 
Statuen  bedenklich  und  sie  gefährdend  gewesen  und 
ebenso  konnte  aus  demselben  Grund  eine  Wiederauf- 
stellung der  alten  Statuen  nicht  infrage  kommen,  es  wurde 
vielmehr  „im  Interesse  ihrer  Erhaltung"  die  Aufstellung 
der  in  Stein  anzufertigenden  Kopien  dringend  empfohlen 
(Beschlüsse  einer  unter  Leitung  des  Ob.-Baudir.  Darm  am 
26.  und  27.  Okt.  1894  in  Karlsruhe  und  Heidelberg  tagen- 
den, aus  Architekten  und  Bildhauern  zusammengesetzten 
Sachverständigen-Kommission).  Zugleich  ergab  sich  auf 
dieser  Konferenz  Meinungs-Uebereinstimraung  dahin,  dass 
vor  der  Verbringung  der  Kopien  an  ihren  Standort  min- 
destens die  die  Figurennischen  umgebenden  stark  be- 
schädigten Ar  chitekturtheile  nochwendigerweise  wie- 
derhergestellt werden  müssten. 

Diese  in  diinglicher  Weise  betonte  Nothwendigkeit 
einer  im  übrigen  mit  thunlicher  Schonung  des  Bestehen- 
den vorzunehmenden  Restaurirung  einzelner  Theile  der 
Fassade  des  Friedrichs-Baues  aus  Anlass  der  Aufstellung 
der  von  dem  bildnerischen  Schmuck  genommenen  Kopien 
gab  der  Baudirektion  Veranlassung,  in  Uebereinstimmung 
mit  dem  Ergebniss  der  vorerwähnten  1894er  Konterenz, 
Antrag  auf  planmässige  Restaurirung  des  Fried- 
richs-Baues überhaupt  zu  stellen.  „Der  Friedrichs- 
Bau“,  heisst  es  in  einem  Bericht  der  Baudirektion  vom 
6.  Nov.  1894,  pkann  unabhängig  von  den  anderen  Bauten 
in  seiner  Restaurirung  behandelt  werden,  wie  er  auch  un- 
abhängig und  frei  von  den  anderen  Bauten  des  Schlosses 
entstanden  ist  und  erbaut  wurde“.  Insbesondere  wurde 
in  diesem  Bericht  der  Baudirektion  beantragt,  dem  Bau 
sein  ursprüngliches  hohes  Dach  wieder  zu  geben.  „Die 
Zwerchhäuser  mit  ihrem  jetzigen  traurigen  Anschluss  an 
das  zu  niedrige  Satteldach  (das  im  18.  Jahrhundert  als 
Nothdach  nach  einer  eingetretenen  Brandkatastrophe  auf- 
gebracht wurde),  welches  Nothdach  in  die  unteren  Fenster 
einschneidet  und  die  Zumauerung  der  oberen  erfordert, 
verlangen  die  Aenderung  beinahe  gebieterisch“.  Mit 
diesen  Anträgen  auf  umfassendere  und  in  einem  Zug  her- 
zustellende Restaurirtingsarbeiien  am  Friedrichsbau  halte 
augenscheinlich  die  Baudirektion  und  deren  Vorstand  die 
Unterlage  der  Heidelberger  Konferenzbeschlüsse  des  Jahres 
1891,  wenigstens  was  den  Friedrichs-Bau  anlangt,  ihrer- 
seits preisgegeben.  Denn  mit  dem  Be-^chluss  jener  Kon 
ferenz  unter  Ziffer  2;  „die  (am  Heidelberger  Schloss)  vor 
zunehmenden  Arbeiten  müssen  bis  in  die  kleinsten 
Toeüe  auf  Erhaltung  des  Bestehenden  gerichtet  sein. 
Erneuerungen  (auch  von  Ornamenten  und  figürlichen  Dar- 
stellungen) sollen  erst  vorgenommen  werden,  wenn  das 
Bestehende  vollständig  oder  schon  soweit  zerstört 
ist,  dass  eine  Ausbesserung  ausgeschlossen  erscheint"  — 
war  weder  die  sofortige  Inangriffnahme  des  Ersatzes  aller 
Statuen  durch  Kopien , noch  die  in  Antrag  gebrachte 
durchgängige  Restaurirung  der  beiden  Fassaden,  am 
wenigsten  clie  Ersetzung  des  vorhandenen  und  keines- 
wegs baufälligen  Daches  durch  ein  neues  in  Einklang  zu 
bringen.  Da  aber  die  Vorschläge  durch  die  Baudirektion 
nach  Nothwendigkeit  und  Zweckmäs>igkeit  zweifellos  be- 
gründet und  wohldurchdachte  waren  und  zudem  auf 
die  Gutachten  der  vernommenen  Spezial-Sachverständi- 
gen sich  stützten,  so  lag  für  das  Finanzministerium  alle 
Veranlassung  vor,  diesen  Anträgen  stattzugeben.  Eine 
Anforderung  für  die  Restaurirungs  - Arbeiten  am  Fried- 
richsbau, die,  wie  bekannt,  auch  auf  den  Innenbau 
sich  erstreckten,  um  der  Stadt  Heidelberg  für  ihre 
Sammlungen  erweiterte  Räumlichkeiten  zur  Verfügung 
stellen  zu  können,  erfolgte  erstmals  im  Budget  für  1894/95. 
Mit  der  Ausführung  der  Restaurirungsarbeiten  wurde 
Ob. -Brth.  Prof.  Schäfer  betraut.  Die  Restaurirungspläne 
selbst  wurden  in  einer  unter  dem  Vorsitz  des  Unter- 
zeichneten abgehaltenen  Ministerialsitzung  in  Anwesenheit 
des  Planfertigers  und  des  Oberbaudirektors  Durm,  nach- 


dem letzterem  zuvor  Einsicht  der  Vorarbeiten  und  Ge- 
legenheit zur  gutachtlichen  Aeiisserung  über  dieselben 
gegeben  war,  durchberathen  und  mit  einigen  Modifi- 
kationen gutgeheissen,  insbesondere  auch  beschlossen, 
dass  „der  Aufbau  von  Kaminen  mit  Köpfen  in  der 
alten  Form  mit  Rücksicht  auf  den  frühem  Bestand  des 
Baus  nicht  entbehrt  werden  kann“  und  dass  das  Gleiche 
von  den  (ehemals  vorhanden  gewesenen)  Dachgauben 
zu  gehen  hat,  die  aber  „in  möglichst  schlichter  Form  und 
geringer  Anzahl  zu  erstellen  sein  werden.“ 

Die  Restaurirung  des  Friedrichsbaues  ist  inzwischen 
der  Vollendung  nahe  gerückt.  Dem  seiner  Zeit  in  Ueber- 
einsiimmung  mit  desfallsigen  Aeusserungen  der  Baudirek- 
tion von  dem  Ministerium  gegebenen  Auftrag,  „dass  bei 
Auswechselung  und  Ergänzung  der  Fassadensteine  thun- 
lichste  Zurückhaltung  und  Belassung  aller  im  Bestand 
nicht  angegriffenen  Steine  zu  beobachten  sei",  hat,  wie 
ich  glaube  annehmen  zu  können,  der  Restaurationsleiter 
im  Lauf  der  Ausführung  zu  entsprechen  sich  bemüht. 
Wenn  sehr  viel  mehr  Fassadensteine  ausgewechselt  wer- 
den mussten,  als  ursprünglich  angenommen  war  und  den 
eigenen  Wünschen  des  Restaurationsleiters  entsprach,  so 
ist  dies  die  unvermeidliche  Folge  des  Umstandes  gewesen, 
dass  namentlich  in  den  oberen  Theilen  des  Baues  die 
Fassade  in  einem  viel  weitergehenden  Prozess  der 
Verwitterung  und  Zerstörung  sich  befunden  hat,  als 
man  selbst  aufgrund  der  Arbeiten  des  Schlossbaubureaus 
anzunehmen  veranlasst  war.  Dieses  Ergebniss  ist  be- 
merkenswerth  und  wichtig  auch  für  die  Beurtheilung  des 
Zustandes  der  Fassaden  an  anderen  Schlosstheilen. 
Wie  die  Mitglieder  der  Schlossbaukonferenz  des  Jahres 
1891  in  einem  Irithum  über  die  Beschaffenheit  des  figu- 
ralen  Schmuckes  und  über  den  weitgehenden  Zustand 
der  Verwitterung  einzelner  Fassadentheile  sich  be- 
fanden, der  sie  zu  Beschlüssen  veranlasste,  die  sich  hinter- 
her als  nicht  durchführbar  erwiesen  und  deren  Un- 
durchführbarkeil der  Ob.-Baudir.  Durm,  der  doch  bei 
jenen  Beschlüssen  in  führender  Weise  milwirkte,  selber 
alsbald  erkannte,  so  kann  die  Vermuthung  nicht  ohne 
Weiteres  abgewiesen  werden,  dass  eine  ähnliche  irrthüm- 
liche,  nämlich  allzu  günstige  Beurtheilung  des  baulichen 
Zustandes  anderer  wichtiger  Schlosstheile  auch  auf  die 
sonstigen  Beschlüsse  jener  Konferenz  maassgebend  ein- 
gewirkt  hat. 

Aus  diesen  am  Friedrichsbau  im  Laufe  der  Jahre 
1893  und  1894  geschöpften  Erfahrungen  ist  der  Präsidial- 
Erlass  vom  22.  Oktbr.  1894  zu  erklären.  Er  eriheilte  an 
Ober-Baudirektor  Durm  als  Vorstand  der  Baudirektion 
den  Auftrag  zur  Erörterung  der  Frage,  welche  der  Er- 
haltung der  einzelnen  Schlosstheile  dienenden  Arbeiten 
und  in  welcher  Reihenlolge  sie  zur  Ausführung  gelangen 
sollen,  nachdem  die  der  Entwässerung  des  Schlossgebiets 
dienenden  Arbeiten  zu  Ende  geführt  waren.  Der  Prä- 
sidial-Erlass  betont  dabei  ausdrücklich,  dass  die  Frage, 
ob  für  einzelne  besonders  wichtige  Bauiheile  des 
Schlosses  neben  der  Vornahme  von  Unterhaltungs-  und 
Sicherungs  - Arbeiten  etwa  auch  deren  Wiederher- 
stellung und  in  welchem  Umfange  inbetracht  kommen 
könne,  für  eine  Entscheidung  noch  nicht  reif  sei, 
dass  aber  im  Zusammenhang  mit  dem  Studium  der  Frage 
über  die  Art  der  vorzukehrenden  Erhaltungs-  und  Siche- 
rungs-Arbeiten auch  an  das  Studium  der  Rekonstrukiions- 
frage  zweckmässig  herangetreten  werde.  Demgemäss 
richtete  der  Präsidial-Erlass  an  Ober-Baudirektor  Durm 
das  Ersuchen,  gutachtlich  sich  darüber  zu  äussern,  welche 
Arbeiten  im  Sinne  der  Heidelberger  Konferenz-Beschlüsse 
(von  189t)  im  Einzelnen  behufs  Erhaltung  und  Siche- 
rung der  verschiedenen  Bauobjekte  sich  als  unbedingt 
nöthig  erweisen“,  dabei  aber  in  dieses  Bauprogramm 
„auch  die  etwa  für  eine  Wiederherstellung  in  Frage 
kommenden  Schlossihede“  einzubeziehen,  da  „über  das 
Schicksal  dieser  etwa  vorzunehmendenWiederherstellungs- 
Arbeiten  die  Kenntniss  desjenigen  Aufwandes,  den  die  auf 
die  einzelnen  Schlosstheile  zu  verwendenden  Erhaltungs- 
Arbeiten  — gegenüber  den  Kosten  einer  Rekonstruk- 
tion — erfordern  werden,  nicht  zu  entbehren“  sei. 

Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass  mit  die- 
sem Auftrag  des  Ministerialchefs  an  den  Grossh.  Ober- 
Baudir.  Durm  die  Erstattung  eines  Gutachtens  über  die 
der  Erhaltung  und  Sicherung  dienenden  Arbeiten  im 
Sinne  der  Heidelberger  Konferenz -Beschlüsse  von  1891 
in  den  Vordergrund  gerückt  wurde,  wenn  schon  an- 
gesichts der  Zweifel,  die  betreffs  der  technischen  Durch- 
führbarkeit jener  Beschlüsse  im  Ministerium  wach  ge- 
worden waren,  auch  das  Studium  von  Rekonstruktions- 
Versuchen,  weil  nothwendig  zur  Beurtheilung  der  Ge- 
sammtfrage,  anempfohlen  wird;  aber  von  ihnen  wird  in 
dem  Pj  äsidial-Erlass  ohne  weiteres  vorausgesetzt,  dass 
„diese  besonderen  nebenhergehenden  Studien“  Jahre 

No.  II. 


66 


beanspruchen  werden  und  dass-  das  Studium  die  Rekon- 
struktionsfragen die  Sistirung  der  für  die  Erhaltung  des 
Schlosses  unurngänglich  nöthigen  Sicherungs- Ar- 
beiten nicht  zur  Folge  haben  sollen. 

Im  Gegensatz  zu  den  Absichten  in  dem  erwähnten 
Präsidialerlass,  der  die  Art  der  vorzunehmenden  Er- 
haltungs-Arbeiten am  Schloss  in  erster  Reihe  begut- 
achtet wissen  wollte,  wird  in  dem  von  Ob.-Baudir.  Durm 
erstatteten  Gutachten  vom  25.  Dez.  1894  nach  einigen  allge- 
meinen Vorbemerkungen  über  die  Möglichkeit  der  Er- 
haltung des  Schlosses  in  seinem  jetzigen  Zustande  sofort 
in  eine  eingehende  Erörterung  der  Wiederhers  tel  1 u ngs- 
f r age  eingetreten  und  betont,  dass  die  Art  des  allmählichen 
Entstehens  der  einzelnen  Schlossbauten  und  ihre  ver- 
schiedenen Stiiweisen  die  Aufgaben  der  Restauration 
ganz  wesentlich  erleichtern“  . . . „Man  hat“,  heisst  es, 
„bei  den  wenigsten  Schlossiheilen  für  eine  Restauration 
Problematisches  in  Kauf  zu  nehmen,  da  manche  noch 
beinahe  so  stehen,  wie  sie  von  Anfang  ab  gestanden  haben 
und  (deshalb)  keine  zu  lösenden  Räthsel  aufgeben.“  Ein 
unzweideutiger  Hinweis  darauf,  dass  einer  Kestaurirung 
aus  künstlerischen  oder  ästhetischen  Rücksichten  zu  wider- 
rathen  sei  oder  dass  der  Begutachter  nach  wie  vor  auf 
dem  Boden  der  jede  Wiederherstellung  grundsätzlich 
ablehnenden  Heidelberger  Konferenz  stehe,  ist  in  dem 
Gutachten  nicht  zu  finden.  Wohl  aber  wird  ein  ausge- 
dehntes Restaurations-Programm  für  nahezu  alle 
wichtigeren  Schltsstheiie  entworien  und  dabei  der  Fried- 
richsbau, dessen  Restauriruiig  die  Baudirektion  bereits 
beantragt  hatte,  der  gläserne  Saalbau,  der  Glockeii- 
thurm  und  der  Otro  Heinrichs-Bau  als  die  erste 
in’s  Auge  zu  fassende  Ba'igruppe  behandelt.  Ruprechts- 
und  Bibliotheksbau  könnien  in  ihrem  Bestände  noch 
belassen  werden,  der  englische  Bau  wird  in  die  letzte 
Lime  der  in  Behandlung  zu  nehmenden  Sehlosstheile  ge- 
stellt, und  „als  wichtiger  für  die  Gestaltung  des  Schioss- 
hofes“  die  „Wiederherstellung  des  Soldatenbaues  mit 
dem  anschliessenden  Back-  und  Metzelhaus  sowie 
der  Fassade  des  Ludwigsbaues“  erachtet,  au>h  „im  In- 
teresse des  Gesammtbildes  des  Hofes"  der  Aufbau  des 
Frauenzimmerhauses  (Bandhaus)  als  erwünscht  be- 
zeichnet. 

Was  den  Otto  Heinrichs-Bau  anlangt,  so  tritt  der 
Verfasser  für  eine  Rekonstruktion  in  Anlehnung  an  die 
Stiche  von  Ulrich  Kraus  d.  h.  mit  Auibringung  eines 
Walmdaches  und  davor  befindlicher  Zwerchhäuser  ein, 
während  eine  Restaurirung  unter  Zugrundelegung  der 
Merian’schen  Bilder  (Anbringung  zweier  Doppelgiebel) 
entschieden  bekämpft  wird. 

Für  die  Durchführung  der  sämmtlichen  von  dem  Be-  - 
gutachter  in  seinem  Bauprogramm  aufgenommenen  Ar- 
beiten wird  ein  Zeitraum  von  20—25  Jahren  in  Aussicht 
genommen. 

Die  Oberleitung  und  die  Behandlung  des  künstle- 
rischen Theils,  besonders  was  die  Ausschmückung  des 
Innern  anlangt,  soll  nach  dem  Vorschlag  des  Begutachters 
der  Baudirektion  unter  Mitwirkung  bewährter  Archi- 
tekten verbleiben,  eine  Mitwiikung  der  Baudirektioii  und 
ihres  Vorstandes  bei  diesen  Wiederherstellungs-Arbeiten 
wird  also  ausdrücklich  in  Antrag  gebracht  und  am  Schluss 
des  Gutachtens  bemerkt,  dass,  wenn  auch  solche  Arbeiten 
nicht  überall  auf  Zustimmung  werden  rechnen  können, 
die  „Betheiligten“,  d.  h.  also  neben  den  beschliessenden 
Faktoren  wohl  auch  die  zur  Ausführung  bereiten  tech- 
nischen Organe  „die  Verantwortung  dafür  seiner  Zeit  zu 
übernehmen  wissen  werden“. 

Das  Finanzministerium  erachtete  indessen  d-e  Frage 
auch  durch  dieses  Gutachten  des  Vorstandes  der  Bau- 
direktion noch  keineswegs  hinreichend  geklärt,  am  aller- 
wenigsten für  spruchreif;  in  seinen  Zweifeln  aber 
darüber,  ob  in  den  Heidelberger  Konferenzbeschlüssen 
von  1891  eine  in  allen  Einzelheiten  unanfechtbare 
Unterlage  für  die  weitere  Behandlung  der  Schlossfrage 
gegeben  sei,  wurde  es  durch  dieses  Gutacliten  allerdings 
bestärkt.  Die  nochmalige  Einberufung  einer  Sachver- 
ständigen-Konferenz  im  Oktober  igoi  hatte  den  Zweck, 
weiteres  gutachtliches  Material  zur  Beurtheilung  der  stritti- 
gen Frage  zu  liefern.  Aber  auch  jetzt  kann  diese  als 
spruchreif  nicht  angesehen  werden  und  eine  Vorlage 
über  die  zum  Schutz  des  Heidelberger  Schlosses  und  im 
Interesse  seiner  dauernden  Erhaltung  zu  treffenden  Mass- 
nahmen wird  deshalb  dem  gegenwärtig  versammelten 
Landtag  nicht  mehr  unterbreitet  werden  können.  Nach 
dem  Gang  der  letzten  Konferenz  erweisen  sich  vielmehr 
weitere  Studien  und  Vorarbeiten  nöthig,  die  einzuleiten 
das  Ministerium  sich  angelegen  sein  lassen  und  je  nach 
deren  Ergebniss  es  seiner  Zeit  mit  bestimmten  Vorschlägen 
an  die  Volksvertretung  herantreten  wird".  — 


TI. 

Zur  Frage  der  Giebellösung  dee  Otto  Heinrichs- 
Baues. 

Ist  die  alte  Gestalt  des  Otto  Heinrichs-Baues  nach 
Möglichkeit  festgestellt  und  entspricht  der  für  die  beab- 
sichtigte Herstellung  dieses  Theiies  aufgestelke  Bauplan 
der  alten  Gestalt?  Die  schärfste  Prüfung  dieser  Fragen 
ergiebt  leider  ein  Nein  als  Antwort;  die  neuen  Giebel- 
pläne sind  freie  Nachschöpfungen. 

Ehe  ich  zur  Beweisführung  für  obige  Behauptungen 
schreite,  muss  ich  betonen,  dass  ich  keineswegs  Gegner 
der  Wiederherstellung  bin.  Die  gegenwärtige  traurige 
Nüchternheit  des  Heidelberger  Schlosshofes,  die  noch  vor 
kurzem  mich  entsetzte,  hat  mich  gelehrt,  dass  die  alte 
Poesie  und  Romantik  unwiderbringlich  verloren  sind;  da- 
von ist  überhaupt  nichts  mehr  zu  erhalten.  Den  Paladinen 
der  Romantik  ist  dringend  eigene  Anschauung  zu  em- 
pfehlen. Auch  Gurlitt’s  Schmerzensschrei  ist  unter  diesem 
Eindruck  wohl  verständlich. 

Die  auf  wenigen  Dokumenten  und  der  Stilvergleichung 
beruhende  Baugeschichte  des  Otto  Heinrichs-Baues  bleibt 
immer  noch  räthselvoll;  eine  genaue  Prüfung- jener  Grund- 
lagen, durch  zwei  Jahrzehnte  fortgesetzt,  hat  mich  aber 
zu  anderen  Ergebnissen  geführt,  als  wie  sie  Seitz  seinem 
an  sich  bewundernswerthen  Versuche  zu  Grunde  gelegt  hat. 

Es  hat  sich  völlig  bestätigt,  dass  thatsächlich  ein 
Italienischer  Entwurf  zu  Grunde  liegt,  der  seinem  Charakter 
nach  der  Gegend  von  Bologna  angehört.  Dieser  Entwurf 
fand  in  einem  wagrechten  Flauptgesims  seinen  Abschluss. 
Die  durch  die  einheimischen  Meister  unter  Mitwirkung  des 
Vlameci  Colins  vorgenommene  Umgestahung  jenes  Ent- 
wurfes schloss  ebenfalls  wagrecht  ab,  zeigte  aber  noch 
fünf  Löwen  oberhalb  des  Hauptgesimses.  Die  Absichten 
des  Bauherrn,  das  architektonische  Interesse  und  die  reiche 
und  monumentale  Ausführung  fanden  hiermit  ihr  Ende. 
Der  oberhalb  des  Hauptgesimses  ganz  unzweifelhaft  einst 
vorhanden  gewesene  Doppelgiebel  ist  nach  dem  Tode  des 
Bauherrn  hastig  und  nicht  mehr  im  Geiste  der  unteren  Theile 
errichtet  worden,  war  wohl  vorwiegend  in  Bruchsteinen 
ausgeführt  unter  sparsamer  Verwendung  von  Hausteinen, 
und  zeigte  die  Formen  der  jungen  dortigen  Renaissance. 

Die  Beweise  hierfür,  die  ich  anderweit  ausführlich 
geben  werde,  seien  hier  im  Auszuge  angeführt,  i)  Sie  fin- 
den sich  in  dem  Kontrakt  mit  Colins,  einigen  geschicht- 
lichen Thatsachen,  sowie  in  der  genauen  Sonderung  der 
Stilunterschiede  der  einzelnen  Bautheile.  Aus  dem  Kon- 
trakt vom  7.  März  1558  ergiebt  sich,  dass  dem  Alexander 
Colins  13  Thürgestelle  im  Inneren  des  Baues  nebst  „6  Bil- 
dern ob  den  Gestellen“  übertragen  werden,  sowie  2 Bilder 
„in  den  Gestellen“.  Dies  sind,  bisher  falsch  gedeutet,  un- 
zweifelhaft die  inneren  Thürumrahmungen  nebst  ihren 
Aufsätzen.  In  der  That  sind  6 flandrische  Reliefbilder 
oberhalb  der  Gestelle  vorhanden.  Die  übrigen  Theile  des 
Kontraktes  sind  aufgeklärt  und  beziehen  sich  ebenso  auf 
das  Innere  des  Baues,  ausgenommen  die  5 Löwen,  die 
den  5 Feldern  der  Fassade  entsprechend,  wie  allgemein 
angenommen  ist,  das  Hauptaesims  krönen  sollten,  und 
das  Wappen  über  dem  Eingang. 

In  einer  Nachschrift  wird  gesagt,  dass  von  „seinem 
vorigen  Geding  noch  zu  hauen“  sind:  14  Bilder  (die  14 
Statuen  der  Fassade)  und  14  Fensterpfosten.  Da  28  Fenster- 
pfosten gleicher  vlämischer  Hand  an  der  Fassade  vor- 
handen sind,  so  folgt,  dass  Colins  auch  für  diese  erheb- 
liche Arbeiten  gefertigt  hat,  welche  er  in  einer  früheren 
Vereinbarung-  anderer  Art  bereits  übernommen  haben 
muss,  denn  es  heisst,  dass  er  diese  letztgenannten  Ar- 
beiten „jetzt  in  Semem  Kosten  hauen“  und  zu  bestimmten 
Preisen  herstellen  solle.  Hieraus  ergiebt  sich  mit  beinahe 
unumstösslicher  Sicherheit,  dass  die  Fassaden-Büdhauer- 
arbeiten,  soweit  sie  flandrischen  Stil  zeigen, , überhaupt 
Colins  zuzuschreiben  sind,  nämlich  folgende:  alle  Fenster- 
pfosten, alle  freistehenden  Statuen,  die  meisten  Figuren 
am  Portal,  die  Arbeiten  daselbst  vom  Bogenkämpfer  an 
aufwärts,  die  Konsolen  des  Erdgeschosses,  die  Fenster- 
aufsätze und  die  Säulenkapitäle  im  obersten  Stockwerk. 

Die  übrig  bleibenden  Theile  zerfallen  in  2 Gruppen: 
erstens  die  eigentlichen  Steinmetz-Arbeiten,  wozu  auch  die 
glatt  profilirten  Theile  und  Gesimse  gehören,  nebst  einigen 
wenigen  Bildhauer-Arbeiten,  nämlich  die  Konsolen  der 
zwei  oberen  Geschosse  und  die  Kapitale  der  Fenster- 
Pilaster  oder  -Säulen.  Diese  Theile,  zu  denen  sich  auch 
die  glatten  Profile  an  den  flandrischen  Arbeiten  gesellen, 
sind  ausnahmslos  mit  Steinmetzzeichen  bezeichnet,  welche 
sich  ihrer  Art  nach  völlig  an  die  im  gläsernen  Saalbau 
anlehnen,  theilweise  auch  schon  dort  Vorkommen.  Dies 
ergiebt  auch  nach  dem  Urtheüe  der  Hrn.  Koch  und 

i|  Zur  Baugeschichte  des  Heidelberger  Schlosses.  Mit  37  lUustrationeü. 
Fraakfurt  a.  M.  H.  Keller.  Erscheint  demnächst. 


5.  Februar  1902. 


67 


Seitz,  dass  diese  Theile  den  eintieimischen  Meistern  zu- 
zuschreiben sind. 

Es  verbleibt  zweitens  noch,  als  wieder  einer  beson- 
deren Gruppe  angehörig,  ein  ganz  beträchtlicher  Theil 
von  Bildhauer-Arbeiten,  deren  wenige  kleine  Steintnetz- 
zeichen  einen  ganz  fremden  Typus  aufweisen,  und  welche 
die  ältesten  sein  müssen,  da  sie  theilweise  falsch  versetzt 
sind  (Triglyphen-Fries,  jonisches  Kapital  unter  dorischem 
Gebälke),  theilweise,  weil  für  anderen  Platz  bestimmt  ge- 
wesen, angestückt  sind  (die  Giebel  über  den  Erdgeschoss- 
fenstern). Da  als  Vorgänger  des  Colins  ein  Anthonj  be- 
kannt ist,  so  können  wir  unbedenklich  ihn  als  den  Künstler 
dieser  älteren  Theile,  sowie  eines  gleichartigen  Thürge- 
stelles  und  von  4 Thüraufsätzen  im  Inneren  betrachten. 
Jene  Fassadentheile  genügen  erstaunlicherweise,  um  eine 
ganz  vollständige  Front  in  3 Ordnungen  daraus  zusaramen- 
zusetzen,  wenn  wir  die  wenigen  nothwendigen  glatten  Pro- 
file, welche  die  Einheimischen  lieferten,  dazu  ergänzen. 

Es  sind  dies:  die  3 Gebälke  der  Fassade  ohne  das 
Hauptgesims,  die  Ornament-Pilaster  mit  jonischen  und 
korinthischen  Kapitalen,  die  Friese  aller  Fenster,  die  Be- 
krönungen derjenigen  in  beiden  unteren  Stockwerken. 
Ergänzen  wir  uns 
nun  folgende  glatt 
profilirte  Steinmetz- 
arbeiten: dorische 

Rustika -Pilaster  im 
Erdgeschoss , glatte 
Profile  um  die  Fen- 
steröffnungen , dar- 
über gerade  Verdach- 
ungen , den  Portal- 
bogen, von  nur  zwei 
Karyatiden  einge- 
fasst, das  Gesims  da- 
rüber, so  fehlt  nichts. 

Prüfen  wir  diese 
Theile  im  Einzelnen, 
so  erweisen  sie  sich 
sämmtlich  als  in  itali- 
enischer Frührenais- 
sance gebildet  und 
zwar  in  den  Formen 
des  Terrakottastils 
von  Ferrara.^)  Die 
Sirenen  - F ensterkrö- 
nungen  weisen  nach 
Bologna.  DieFassade 
kennzeichnet  sich 
schliesslich  als  eine 
Uebertragung  der 
zweigeschossigen  des 
Palazzo  Roverella  zu 
Ferrara  auf  3 Stock- 
werke unter  Anwen- 
dung der  3 Ord- 
nungen. Besonders 
eigenthümlich  sind 
bei  beiden  die  5 brei- 
ten Felder  zwischen 
den  Ornament-Pilas- 
tern und  die  Anord- 
nung von  je  2 Fen- 
stern mit  breitem 
Zwischenpfeiler  in 
jedem  Felde.  Der  Zusammenhang  wird'deutlich,. durch  die 
Thatsache,  dass  Otto  Heinrich,  geboren  1502,  1519/20  ganz 
Italien  bis  Neapel  durchreiste,  1521  Oberitalien.  In  Ferrara, 
dem  Fürstensitz  der  Este,  war  der  Palazzo  Roverella  seit 
1508  gebaut.  Otto  Heinrich’s  sämmtliche  Bauten  schon 
in  Neuburg  sind  Zeugniss  seines  Strebens,  das  italienische 
Palast-Ideal  mit  wagrechtem  Hauptgesimse  nach  Deutsch- 
land zu  übertragen, 

Der  Entwurf  zu  diesem  Palaste  ist,  wohl  nach  Anthonj’s 
Weggange,  prächtiger  und  reicher  umgestaltet.  Nach  deut- 
scher Art  sind  die  Fenster  des  hohen  Erdgeschosses  mit 
Kreuz  versehen,  nach  vlämischer  mit  den  schon  vorhan- 
denen Spitzgiebeln  bekrönt,  alle  Fenster  durch  Mittelpfosten 
getheilt,  die  fehlenden  Bekrönungen  für  das  oberste  Stock- 
werk ergänzt,  die  jonischen  Kapitäle  des  ersten  Stockwerkes 
in’s  Erdgeschoss  versetzt,  die  des  zweiten  Stockwerkes 
und  alle  Pilaster  in  den  ersten  Stock,  im  obersten  Halb- 
säulen angeordnet,  die  leeren  Pfeiler  auf  flandrische  Manier 
mit  Figurennischen  gefüllt,  darüber  Konsolen  angebracht. 


Oberhalb  des  Hauptgesimses  sind  5 Löwen  gedacht.  Alle 
die  hierzu  neu  erforderlichen  Theile  sind  in  der  Ausführung 
von  deutschen  oder  vlämischen  Werkmeistern  hergestelit. 
Innerhalb  dieser  Arbeiten  sind  sämmtliche  kontraktliche 
Verpflichtungen  des  Colins  für  das  Aeussere  enthalten  und 
endigen  mit  den  5 Löwen  auf  dem  Hauptgesimse.  Von 
irgend  etwas,  was  in  den  Giebeln  Verwendung  finden 
konnte,  ist  weder  im  Kontrakt,  noch  in  Wirklichkeit  eine 
Spur  vorhanden.  Jener  Kontrakt  war  der  letzte,  der 
mit  Colins  abgeschlossen  worden  ist,  denn  dieser  konnte 
nicht  einmal  sämmtliche  in  ihm  genannten  Verpflichtungen 
erledigen.  Der  eine  der  namhaft  gemachten  Kamine  ist 
gar  nicht,  der  andere  von  deutschen  Bildhauern  ausge- 
führt worden. 

Hier  greift  die  Nachricht  des  Abraham  Colins,  des 
Sohnes  unseres  Alexander,  schlagend  ein:  dass  der  Kur- 
fürst jählings  verstorben,  „das  Werk  eingestellt,  die  Diener 
abgefertigt,  sein  Vater  in  seine  Heimath  gereist  sei“.  Der 
Kurfürst  starb  am  12.  Februar  1559. 

Zur  Ausführung  der  Arbeiten,  die  im  Colins’schen 
„Geding“  vom  7.  März  1558  genannt  sind,  also  der  Arbeiten 
für  das  Innere  sowie  der  14  Statuen,  14  Fensterpfosten, 
Wappen  und  Löwen  des  Aeusseren,  hatte  Colins  demnach 
nur  II  Monate  Zeit;  da  man  im  März  1558  noch  lange  im 
Erdgeschoss  thätig  war  (das  Thürwappen  wurde  erst  be- 
stellt), so  kann  man  mit  dem  Bau  bis  zum  Februar  1559 
ganz  unmöglich  über  das  Hauptgesims  gelangt  gewesen 
sein.  Weitere  Arbeiten  waren  ja  auch  nicht  bestellt.  3) 

Das  Fertigstellen  des  Daches  blieb  so  nach  Colins  Ab- 
gang den  Einheimischen;  der  Bauherr  war  todt,  das  Geld 
sicher  knapp  geworden.  Noch  1563  war  der  Bau  nicht 
fertig.  Ein  Satteldach  von  22“  Breite  ohne  Unterstützung, 
da  in  der  linken  Hälfte  2 grosse  Säle  übereinander  lagen, 
forderte  eineungeheureDachbalkenlageund  entsprach  einem 
stattlichen  Kirchendach.  Man  griff  zum  billigeren  Auswege 
zweier  Querdächer  neben  einander,  wo  man  mit  Balken 
von  12— 14m  auskam.  Diese  Form  erforderte  2 Giebel 
nach  jeder  Seite,  die  man  schlecht  und  recht  herstellte. 
Ihre  Formen  sind  in  Andeutungen  auf  Zeichnungen  er- 
halten. Die  thatsächliche  Form  der  Giebel  nach  dem  Hofe 
ist  in  der  Kopfabbildung  dieser  Nummer  möglichst  getreu 
dargestellt,  soweit  die  Unterlagen  reichen;  ihr  oberer  Ab- 
schluss deckt  sich  mit  dem  des  Giebels  am  „Ritter“  in 
Heidelberg.  Diese  Giebel,  technisch  verwerflich,  billig 
ausgeführt,  vielleicht  erst  im  Laufe  von  Jahren,  waren 
schon  1649  herabgestürzt.  Damals  baute  man  endlich 
den  mächtigen  Langdacbstuhl  und  verbesserte  den  Feh- 
ler der  früheren  Ausführung  durch  Errichtung  der  zwei 
Zwerchhäuser,  die  wir  durch  J.  U.  Kraus’  Stiche  genau 
kennen. 

Ist  das  Alles,  auch  nur  in  groben  Zügen,  richtig,  so 
wird  der  Schäfer’sche  Giebelentwurf  zu  einer  Phantasie, 
wie  man  etwa  den  Bau  ausbauen  könnte,  unter  Beibehaltung 
des  ungefähren  einstigen  Umrisses,  jedoch  so,  dass  die 
Giebel  in  der  Architektur  möglichst  zum  unteren  Bau 
passen.  In  diesem  Sinne  hat  Seitz,  als  Verfasser  des 
ersten  Entwurfes,  eine  vorzügliche  Leistung  geliefert.^) 
Schäfer  hat  eben  gar  nicht  die  Absicht,  den  alten  Bau, 
wie  er  war,  wieder  aufzurichten.  Beweis  sei  die  alte  Form 
der  Renaissance- Rückgiebel  nach  dem  Garten  zu,  nach 
Merlan,  gegenüber  der  neuen  von  Schäfer  beabsicntigten 
(siehe  S.  25).  Ob  er  die  Berechtigung  für  die  Umwandlung 
der  Renaissance  in  Gothik  daraus  herleitet,  dass  der  Cha- 
rakter der  Rückseite  noch  mittelalterlich  sei? 

Es  scheint  jedenfalls  jetzt  schon  zweifellos,  dass  der  vor- 
handen gewesene  Doppelgiebel  technisch  schwach,  künst- 
lerisch minderwerthig  und  für  die  ganze  Architektur  des 
Baues  ziemlich  gleichgiltig  war.  Sodann,  dass  man  nach 
1649  den  alten  Fehler  nicht  wiederholte,  sondern  die  ge- 
waltigen Kosten  für  das  neue  Dach  aufwendete,  die  grossen 
Giebel  durch  die  2 kleinen  Zwerchhäuser  ersetzte,  und 
dass  dieser  relativ  vollkommene  Zustand  bis  zum  letzten 
Brande  1730  bestand,  der  ursprünglichen  Absicht  mehr 
entsprechend  als  die  früheren  Giebel.  Es  scheint  danach 
wohl  zu  erwägen,  wenn  einmal  das  alte  Heidelberger 
Schloss  wieder  aufgebaut  werden  soll,  ob  man  nicht  lieber 
diese  zumtheil  sogar  noch  stehenden  Zwerchhäuser  auf- 
bauen sollte.  Das  ist  historisch  begründet  und  keine  freie 
Phantasie. 

Jedenfalls  beweisen  diese  Darlegungen,  dass  für  eine 
Wiederherstellung  des  Otto  Heinrichs -Baues  andere  und 
überzeugendere  Unterlagen  geschaffen  werden  müssten, 
als  sie  bisher  geboten  wurden.  — 

Hannover,  Januar  1902.  Albrecht  Haupt. 


Um  deu  Unterschied  dieser  Architekturtheile  von  den  durch  Ein- 
heimische hergestellten  zu  erläutern,  füge  ich  die  Gebälke  der  2 unteren 
Ordnungen  nebst  einem  Fenster-Verdachungsprofil  vorstehend  an. 


8)  Am  Friedrichsbau  baute  man  4-'/2i  an  seinem  Aeusseren  3 Jahre. 
i)  Ist  in:  Koch  & Seitz,  das  Heidelberger  Schloss,  veröffentlicht. 


68 


No.  II. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  15.  Nov. 
1901.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  76  Pers.,  aufgen. 
Reg.  Bmstr.  G.  Meyer,  Ing.  Molsen,  Ing.  E.  Kleinrath. 

Hr.  Classen  macht  Mittheilung  von  Ueberreichung 
der  künstlerisch  ausgestatteten  Mappe  an  Hrn.  Zimmer- 
mann aus  Anlass  des  70-jährigen  Geburtstages 
am  8.  Nov.  1901,  zu  dessen  Feier  sich  Abends  6 Uhr  bei 
frohem  Mahl  etwa  200  Freunde  des  Jubilars  und  Vereins- 
mitglieder zusammengefunden  hatten,  um  ihrer  Verehrung 
Ausdruck  zu  geben.  Hr.  Zimmermann  spricht  dem  Verein 
seinen  herzlichsten  Dank  für  die  erhaltenen  Glückwünsche 
und  die  lebhafte  Theilnahme  der  Vereinsmilglieder  aus.  — 
Zur  Tagesordnung  bespricht  Hr.  Architekt  Lorenzen 
zwei  von  ihm  gebaute  Kirchen  und  zwar  i.  die  Wands- 
becker K.,  welche  anstelle  der  abgebrannten,  abert.nicht 


Kanzel  und  Taufstein  ausgestattet.  Die  Akustik  ist  ausser- 
ordentlich gut.  Gesammtkosten  308500  M.,  oder  für  den 
Sitz  rd.  430  M.  ^ 

2.  Die  Haramerbrooker  Kirche,  die  eiste  in  Ham- 
burg. in  welcher  das  moderne  Programm,  d.  i.  der  Gedanke 
der  Einheitlichkeit  des  Raumes  als  Ausdruck  der  Ein- 
heitlichkeit der  protestantischen  Gemeinde  mit  einheitlichem 
Mittelraum  ohne  Pfeiler  und  Joche  zum  Ausdruck  gebracht 
ist.  Angesichts  der  Gemeinde  liegen  Altar,  Kanzel  und 
Orgel  in  der  Raum-Mittelaxe  über  einander.  Die  folge- 
richtige zentrale  Sitzanlage,  welche  geplant  war,  durfte 
nicht  ausgeführt  werden,  weil  es  an  Geld  mangelte. 
Die  Kirche  hat  — an  der  Ecke  der  Norderkai-  und 
der  Hammerbrook-Strasse  gelegen  — einen  Eckthurm  er- 
halten und  ist  mit  2 Pastoraten  sowie  2 Küstereien  und 
einem  noch  nicht  fertigen  Gemeindesaal  verbunden,  hat 
ferner  ausser  dem  Haupteingang  einen  Nebeneingang  durch 


auf  dem  alten  Bauplatz  errichtet  wurde,  sondern 
seitlich  in  der  Mittelaxe  des  grossen  Marktplatzes, 
sowie  der  grossen  Springbrunnen-Anlage.  Eigenartig 
ist  die  Lage  des  rd.  toq®  grossen  Sitzungssaales, 
welcher  programmmässig  mit  dem  Eingang  und 
dem  Westihurm  in  Verbindung  gebracht  worden  ist. 

Er  liegt  mit  8™  zu  10  “ unter  dem  Thurm  zwischen 
zwei  Eingängen.  Der  Architekt  hat  dadurch  zug- 
freien Eingang  zur  Kirche  erreicht,  ferner  den  Vortheil 
dass  der  Saal  mit  zur  Kirche  gezogen  werden  kann 
und  sich  gut  auch  zu  Trauversammlungen  eignet;  auch 
eine  grosse  Orgelempore  ist  ohne  den  sonst  üblichen 
tiefen  Säuleneinbau  gesichert.  Die  Orgel  kommt  trotz  ihrer 
Lage  rückwärts  mit  ihren  Tönen  voll  zur  Geltung.  Die 
Kirche  besitzt  zwei  Sakristeien,  ein  feuersicheres  Gelass, 
einen  74  “ hohen  Westthurm  mit  umlaufender  Gallerie 
für  Posaunenchöre;  sie  fasst  700  feste  Plätze  56:90c® 
gross,  50  Sängerplätze  und  ist  reich  mit  bunten  Glasfenstern, 


eine  Halle  an  der  Hammerbrook-Strasse,  von  der  die  Em- 
poren daselbst,  der  Gemeindesaal,  sowie  das  Pastorat  mit 
demKonfirmationssaal  zugänglich  sind,  während  ein  zweiter 
Nebeneingang  an  der  Norderlcai-Strasse  für  die  Brautpaare 
bestimmt  ist  und  ebenfalls  die  Emporen,  sowie  den  zweiten 
Konfirmandensaal  zu  ebener  Erde  erreichen  lässt.  Das 
zweite  Pastorat  schliesst  sich  dort  mehr  villenartig  ge- 
staltet an.  Die  Kirche  ist  nicht  überwölbt,  sondern  hat 
eine  freikonstruirte  Holzdecke  mit  einer  Verankerung  im 
Mitteltheil,  die  jedoch  nicht  auffällt,  weil  sie  mit  der  Trage- 


Abbildg.  X— 3. 

Kirche  ln  Wandsbeck. 
Abbildg.  4. 

Kirche  in  Hammerbrook-Hamburg. 

Architekt:  W.  Lorenzen 
ln  Hamburg. 

Abbildg.  4. 


5,  Februar  1902. 


69 


konstruktion  iür.  den  grossen  Kronlcuchler  verbünden  ist, 
über  welchem  in  dem  mittleren  höher  geführten  Theil  die 
Dachreiter-Anordnung  theilweise  sichtbar  bleibt.  Die  ge- • 
wählte  Anlage  des  Altars  mit  Kanzel  und  Orgel  darüber 
hat  sich  bewährt,  wenn  auch  letztere  etwas  vorherrscht. 
Die  Kosten  betragen  zusammen  400000  M.,  .für  die  Kirche 
allein  245000  M.,  für  den  Sitz  270  M; 

Reicher  Dank  der  Versammlung  belohnt  den  fesseln- 
den Vortrag.  — 

Hr.  Arch.  Kallmorgen  bespricht  den  Bau  zweier 
kleinerer  Villen  in  Othmarschen  und  Altona,  einer 
mittelgrossen  in  Hamburg  und  einer  grösseren  im  Grune- 
wald  bei  Berlin  zum  Zweck  der  Vorführung  eines  be- 
stimmten Villentypus  nach  Grundriss  und  Fassaden,  weil 
in  allen  eine  Wohnhalle  im  Erdgeschoss  den  Zugang  zu 
den  Wohnräumen  vermittelt  und  auch  die  Küche  in  die- 
sem Geschoss  liegt.  Die  Fassaden  zeigen  den  Landhaus- 
Charakter  mit  Bruchsteinen  im  Sockel,  Verblendern  aus 
Rathenow  oder  Schlesien  neben  Putz  im  Erdgeschoss  und 
darüber  in  den  Giebeln  und  Ausbauten  farbiges  Fachwerk 
mit  Putz,  mit  rothen  Ziegeldächern  bedeckt,  an  amerikanische 
Landhäuser  erinnernd.  Im  Inneren  ist  die  Halte  stets  be- 
sonders reizvoll  und  wohnlich  gestaltet,  mit  farbigen 
Fliesen  in  Fussböden  und  an  Wänden  verziert,  auch  das 
Holz  an  Wänden  wie  Decken  farbenfreudig  behandelt. 
Grösserer  Aufwand  im  Aeusseren  wie  Inneren  ist  bei 
der  Villa  in  der  Herthastrasse  im  Grunewald  möglich  ge- 
wesen, die  — 30  m von  der  Strasse  abhegend  — nach 
vorn  schlossartige  Architektur  aufweisen  und  nach  dem 
See  zu  den  Landhaus-Charakter  behalten  sollte.  Die  Ver- 
wendung bester  auch  ausländischer  Hölzer  und  ihre  eigene 
Behandlung  mit  Salmiakdämpfen  und  Lasuren  hat  den 
Zimmern  aussergewöhnlichen  Reiz  verliehen.  Kosten 
300000  M.  Der  Vortrag  wurde  durch  eine  grosse  Anzahl 
Zeichnungen  verdeutlicht  und  erntete  den  vollen  Beifall 
der  Versammlung.  — Gbl. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin.  Vers.  v.  10.  Dez. 
1901.  Vors.  Hr.  Wirkl.  Geh.  Ob.-Brth.  Streckert.  Nach- 
dem der  Vorsitzende  einen  Bericht  über  die  Thätigkeit 
und  der  Kassenfilhrer  über  die  Ausgaben  des  Vereins  im 
abgelaufenen  Jahre  erstattet  hatte,  fand  zunächst  die  Neu- 
wahl des  Vorstandes  statt,  In  denselben  wurden  gewählt 
die  Hrn.  Wirk!.  Geh.  Ob.-Brth.  Streckert.  Vorsitzender, 
Minist.-Dir.  Schröder,’  stellvertr.  Vorsitzender,  Reg.-  und 
Brth.  Diesel,  Schriftführer,  Reg.-Rth.  a.  D.  Kemmann, 
Stellv.  Schriftführer,  Oberstleutnant  Buchholtz,  Kassen- 
führer,  und  Geh.  Ob.-Brth.  Illing,  stellv.  Kassenführer. 

Hierauf  hielt  Hr.  Reg.-Bmstr.  Petri,  Dir.  der  Conti- 
nentalen  Gesellschaft  für  elektrische  Unternehmungen  in 
Nürnberg,  einen  Vortrag,  in  welchem  er  die  Anlage  der 
Elberfelder  Schwebebahn  hinsichtlich  ihrer  Kon- 
struktion und  ihres  Betriebes  an  der  Hand  zahlreicher 
Pläne  und  Abbildungen  erläuterte.  Da  eine  auszugsweise 
Wiedergabe  des  beschreibenden  Thedes  des  interessanten 
Vortrages  sich  mit  den  in  der  Dtschn.  Bztg.  jahrg.  1900 
No  84  u.  ff.  seiner  Zeit  gebrachten  ausführlichen  Mitihei- 
lungen,  denen  zahlreiche  Abbildungen  beigegebeh  waren, 
decken  würde,  so  wird  auf  eine  Wiedergabe  an  dieser 
Stelle  verzichtet.  Die  Bahn  steht  seit  dem  Frühjahr  im 
öffentlichen  Verkehr.  Den  Ausführungen  des  Redners 
sei  nur  noch  Folgendes  entnommen: 

Bei  der  mit  dem  Hergebrachten  völlig  brechenden 
Schwebebahn  war  alles  neu  zu  erfinden  und  zu  konstruiren, 
der  Viadukt,  die  Wagen  und  die  Haltestellen,  es  gab  noch 
keine  bewährten  Muster,  an  die  man  sich  hätte  anlehnen 
können.  Umsomehr  Beachtung  verdient  es  daher,  dass 
dieses  grosse  Werk  deutschen  Erfindungsgeistes  nicht  nur 
in  ausserordentlich  kurzer  Zeit  durchgeführt  worden  ist, 
sondern  sich  in  nunmehr  über -halbjährigem  Betriebe  völlig 
bewährt  und  das  Vertrauen  des  Publikums  gewonnen  hat. 
Das  zeigt  die  ausserordentlich  starke  Frequenz  der  Bahn, 
obwohl  sie  erst  zu  zwei  Dritteln  fertiggestellt  ist  und  ob- 
gleich das  wichtigste  Stück  der  Strecke,  zwischen  den 
Mittelpunkten  von  Elberfeld  und  Barmen,  noch  fehlt.  Schon 
heute  werden  erhebliche  ßetriebsüberschüsse  erzielt,  und 
es  sind  bis  jetzt  nahezu  3 Mill.  Menschen  auf  der  Bahn 
befördert  worden.  Die  günstigen  Betriebs-Ergebnisse  der 
Bahn  beruhen  aber  nicht  nur  auf  der  Leistungsfähigkeit 
der  Anlage  und  der  Annehmlichkeit  des  Fahrens,  sondern 
zum  grossen  Theil  auch  auf  der  Billigkeit  und  Einfachheit 
des  Betriebes,  sowie  auf  den  im  Verhältniss  zur  Leistungs- 
fähigkeit der  Bahn  geringen  Anlagekosten.  Die  Billigkeit 
des  Betriebes  beruht  aber  im  Wesentlichen  auf  dem  ge- 
ringen Stromverbrauch,  der  in  der  bei  einschienigen 
Schwebebahnen  möglichen  zweckmässigen  Anordnung  der 
Motoren  und  den  geringen  Reibungsverlusten  in  den  Krüm- 
mungen seine  Erklärung  findet.  Die  Anlage  ist  so  be- 
messen, dass  Züge  von  4 Wagen  in  Abständen  von  2 Mi- 


nuten verkehren  können,  was  einer.Leistungsfähigkeit  von 
6000  Personen  in  der  Stunde  in  jeder  Richtung  entspricht. 

In  ähnlicher  Weise  wie  über  Wasserläufen  und  Strassen 
kann  die  Schwebebahn  natürlich  auch  über  bestehenden 
Eisenbahnen  errichtet  werden,  wodurch  sich  ein  werth- 
volles Mittel  bietet  einerseits  zu  der  in  fast  allen  Gro-s- 
städien  erforderlichen  Verstärkung  der  Leistungsfähigkeit 
der  in  dieselben  einmündenden  Eisenbahnen  mit  Rücksicht 
auf  den  Lokal-  und  Vorort- Verkehr,  andererseits  zu  der 
Herstellung  von  Schnellbahnen  zur  Verbindung  der  Haupt- 
verkehrs-Mittelpunkte,  ohne  dass  Aufwendungen  für  Grund- 
erwerb zu  macnen  sind.  In  letzterer  Hinsicht  scheint  dem- 
nach die  Schwebebahn  auch  ein  Mittel  zur  Lösung  der 
heute  so  lebhaft  erörterten  Frage  des. Schnellverkehres  an 
die  Hand  zu  geben. 

Hierauf  hielt  Hr.  Reg.-  und  Brih.  Wittfeld  einen 
Vortrag  über  die  störenden  Bewegungen  bei  den 
Fahrzeugen  im  Dampfbetriebe  und  elektrischen 
Betriebe.  Der  Vortrag  wird  weitergeführt  werden. 

ln  üblicher  Abstimmung  wurden  als  einheimische 
ordentliche  Mitglieder  aufgenommen  die  Hrn.  Ob.-Brth.  a.  D. 
Ernst  Grossmann  und  Reg.-Bmstr.  Kurt  Bach.  — 

Architekten- Verein  zu  Berlin.  Vers,  vom  16.  De- 
zember 1901,  Vors.  Hr.  B eer,  anwes.  178  Mitgl,  5 Gäste. 

Der  Hr.  Vorsitzende  eröffnete  die  Sitzung  als  die  letzte 
im  alten  Jahre  mit  einigen  kurzen  Worten  der  Begrüssung, 
Hinweis  auf  die  Eingänge  für  die  Bibliothek  und  ertheilie 
dann  Hrn.  Blankenstein  das  Wort  zur  Begründung  seines 
Antrages  auf  Stellungnahme  des  Vereins  in  der  Frage 
der  Erhaltung  des  Heidelberger  Schlosses.  Mit  Rücksicht 
auf  den  für  den  Abend  angesetzten  Vortrag  beschränkte 
man  sich  auf  eine  kurze  Vorbesprechung,  während  für 
den  6.  Januar  1902  eine  Sitzung  ausschl.  für  diese  Be- 
rathung  angesetzt  wurde. 

Es  hielt  sodann  Hr.  Bousset  einen  den  Abend  füllen- 
den eingehenden  Vortrag  über  „die  Konstruktionen 
der  elektrischen  Hoch-  und  Untergrundbahn 
von  Siemens  & Halske  in  Berlin“.  Redner,  der  als 
Vorsteher  des  techn.  Büreaus  der  Hochbahn  in  verdienst- 
voller Weise  an  deren  Durchführung  betbeiligt  gewesen  ist, 
gab  in  klai  er  und  erschöpfenderDarstellung  ein  Bild  von  den 
mannigtachen  Formen,  welche  zur  Ueberwindung  der  ört- 
lichen und  sonstigen  Schwierigkeiten  den  Konstruktionen 
der  Hochbahn  gegeben  werden  musste.  Eine  reichhaltige 
Ausstellung  ganz  neu  gefertigter  Zeichnungen  und  Mo- 
delle dienten  in  trefflicher  Weise  zur  Erläuterung.  Auf 
den  Inhalt  der  Ausführungen  des  Redners,  die  von  der 
Versammlung  mit  grossem  Interesse  verfolgt  und  mit 
reichem  Beifall  aufgenoramen  wurden,  einzugehen,  müssen 
wir  uns  nach  der  ausführlichen  Darstellung,  die  wir  dem 
Unternehmen  in  den  No.  82  u.  ff.  der  Dtsch.  Bztg , Jahrg. 
190t  bereits  gewidmet  haben,  versagen.  Hervorgehoben 
sei  nur,  dass  der  Redner  in  besonders  warmen  Worten 
der  Verdienste  gedachte,  die  Hr.  Reg.-  und  Brth.  Gier 
als  der  erste  technische  Leiter  der  gesammten  Ausführung 
an  dem  Werk  gehabt  hat.  Die  Unternehmung  hat  durch 
seinen,  durch  schwere  Erkrankung  veranlassten  vorzeitigen 
Rücktritt  vor  Vollendung  des  Werkes  einen  schweren 
Verlust  erlitten.  — 

Vers,  vom  6,  Januar  1902.  Vors.  Hr.  Hossfeld, 
anwes.  184  Mitgl.,  4 Gäste. 

Der  Hr.  Vorsitzende  eröffnete  die  Sitzung  mit  der 
schmerzlichen  Mittheilung  von  dem  am  i.  Januar  d.  J.  er- 
folgten Ableben  des  Geh.  Reg.-Rths.  Prof.  Jacobsthal, 
dessen  trefflichen  Eigenschaften  als  Künstler  und  Mensch 
er  in  warm  empfundenen  Worten  Ausdruck  gab.  Die 
Versammlung  erhebt  sich  zur  Ehrung  des  Andenkens  des 
Verstorbenen  von  den  Plätzen. 

Der  Hr.  Vorsitzende  ging  sodann  zu  dem  Elauptpunkt 
der  Tagesordnung,  zur  Stellungnahme  des  Vereins  zur 
Erhaltung  und  dem  Ausbau  des  Heidelberger  Schlosses 
über.  Wir  haben  bereits  in  No.  3 d J.  über  das  Ergebniss 
der  Berathungen  berichtet,  die  mit  einer  von  der  über- 
wiegenden Mehrheit  gefassten  Resolution  für  den  aus 
technischen  Gründen  allein  schon  nothwendigen  Ausbau 
endeten.  — Fr.  E. 


Vermischtes. 

Zur  Frage  der  „Gebühren  der  Architekten  und  In- 
genieure in  ihrer  Tnätigkeit  als  gerichtliche  Sachverständige“, 
mit  welcher  sich  die  dem  Verbände  d.  A.  u.  I.  V.  angehörigen 
Vereine. nach  einem  in  Königsberg  gefassten  Beschlüsse 
zu  beschäftigen  haben,  hat  Anfangs  d.  J.  der  Verbands- 
vorstand ein  von  Bnh.  Ung.er  in  Hannover  als  Bericht- 
erstatter verfasstes  Rundschreiben,  versandt. . In  demsel- 
ben findet  die  Rechts-  und  Sachlage  der  Frage  Beleuch- 
tung. Namenthch  wird  der  Umstand  eingehend  erörtert, 


70 


No.  II. 


dass  die  C.  P.  0.  in  § 413  und  die  St.  P.  O.  in  § 84  gleich- 
lautend und  allgemein  dem  Sachverständigen  das  An 
spruchsrecht  zusichert  auf  3 neben  einander  zu  be- 
rechnende Vergütungen,  nämlich  „für  Zeit  versa  umn  iss“, 
„für  Kosten“  und  „ausserdem  für  Mühewaltung“, 
während  die  „Gebührenordnung  für  Zeugen  und  Sach- 
verständige“ vom  30.  Juni  1878  nur  für  die  ersten  beiden 
Arten  bestimmte  Gebührensätze  vorschreibt,  die  , (Mühe- 
waltung“ aber  überhaupt  nicht  erwähnt.  Daraus  hat  sich 
in  der  Praxis  der  die  Sachverständigen  schädigende  Ge- 
brauch herausgebildet,  dass  ihre  Gebühren  mit  Ausnahme 
der  Kostenerstattung  überhaupt  nur  nach  dem  Zeiiauf- 
wande,  und  zwar  nach  dem  in  der  Gebührenordnung  aus- 
schliesslich für  die  „Zeitversäumniss“  festgelegten  Satze 
von  ,,bis  zu  2 M.  für  die  Stunde“  bemessen  werden.  Diese 
Einschränkung  widerspricht  indessen  umsomehr  den  an- 
gegebenen Bestimmungen  der  C.  P.  O.  und  der  St.  P.  O., 
als  die  dritte  Vergütungsart  gerade  diejenige  ist,  welche 
die  Anspruchsrechte  des  Sachversän  digen,  und  zwar 
sinn-  und  sachgemäss,  von  denjenigen  des  Zeugen  unter- 
scheidet (vgi.  § 401  C.  P.  O.  und  § 70  St.  P.  O.)-  Auch 
dürfte  ein  solches,  in  zwei  Gesetzen  ausdrücklich  zuge- 
sichertes Anspruchsrecht  nicht  einfach  damit  aus  der  Welt 
geschafft  sein,  dass  man  es  in  einem  dritten  Gesetze, 
welches  die  Ausführungs-Vorschriften  jener  enthält,  zu 
erwähnen  vergass.  — 

Zu  der  Frage  wurden  in  dem  Rundschreiben  einige 
Oberlandesgerichts-Erkenntnisse  beigebracht,  welche  unter 
einander  in  schroifem  Widerspruche  stehen.  Hr.  Unger 
theilt  uns  nun  mit,  dass  nach  der  Drucklegung  des  Rund 
Schreibens  ein  neuerliches  Erkenntniss  des  Reichs- 
gerichtes vorn  8.  November  v.  J.  bekannt  geworden  sei, 
dessen  Inhalt  bei  der  Berathung  der  Frage  in  den  Vereinen 
nicht  übersehen  werden  dürfe  und  zugleich  eine  beson- 
dere Bedeutung  besitze  für  die  Frage  der  Rechtsgiltigkeit 
der  „Gebührenordnung  der  Architekten  und  Ingenieure“. 

Das  Erkenntniss  geht  dahin,  dass  im  Falle  der  Vor- 
aussetzung des  § 4 der  „Gebührenordnung  für  Zeugen 
und  Sachverständige“  vom  30.  Juni  1878  — („Bei  schwie- 
rigen Untersuchungen  und  Sachprülungen  ist  dem  Sach- 
verständigen auf  Verlangen  für  die  aufgetragene  Leistung 
eine  Vergütung  nach  dem  üblichen  Preise  derselben  zu 
gewähren“)  — die  Berechnung  auch  dieser  Vergütung 
nach  dem  Zeitaufwande  und  zwar  nach  den  Sätzen 
in  No.  25  der  „Gebührenordnung  der  Architekten 
und  Ingenieure“  mit  20  M.  für  die  erste  und  5 M.  für 
jede  weitere  Stunde  zulässig  sei 

Mit  dieser  Entscheidung  ist  die  in  dem  Rundschreiben 
behandelte  Frage  zwar  noch  nicht  zur  Erledigung  gebracht, 
aber  ein  jedenfalls  hocherfreulicher  Erlolg  gewonnen  wor- 
den, nämlich  eine  erste  und  überaus  wichtige  Anerkennung 
der  neuen,  mit  so  vielen  Muhen  und  Kämpfen  vom  Ver- 
bände und  anderen  Faclivereinigungen  geschaffenen  Ge- 
bührenordnung der  Architekten  und  Ingenieure  durch  die 
oberste  gerichtliche  Instanz  des  deutschen  Reiches.  Hoffent- 
lich trägt  dieser  Erfolg  dazu  bei,  nun  auch  die  weiteren, 
in  dem  Rundschreiben  behandelten  Fragen  zu  einer  Lösung 
zu  bringen,  welche  den  Inieressen  und  heute  berechtigten 
Ansprüchen  der  Architekten  und  Ingenieure  entspricht.  — 

Die  Entwicklung  der  deutschen  Elektrizitäts-Werke.  Die 
Ztschrft.  f.  Elektrotechnik  giebt  eine  interessante  Statisiik 
über  die  Entwicklung  der  Elektrizitäts-Werke  in  Deutsch- 
land, der  wir  die  lolgenden  Angaben  entnehmen.  Die  Zahl 
der  allgemeinen  Zwecken  dienenden,  in  Betrieb  stehenden 
Elektrizitäts-Werke  betrug  am  i.  April  v.  J.  774,  d.  h.  122 
mehr  als  im  Vorjahre.  Es  hat  also  eine  Zunahme  von 
fast  16%  stattgefunden.  Au-^serdem  waren  noch  90  weitere 
Werke  im  Bau.  Berücksichtigt  man,  dass  die  erste  An- 
lage erst  Mitte  der  80er  Jahre  entstanden  ist,  so  darf  diese 
Entwicklung  als  eine  grossartige  bezeichnet  werden.  Diese 
Werke,  von  denen  eine  grössere  Zahl  gleichzeitig  eine 
ganze  Reihe  von  Orten  mit  Licht  und  Kraft  versorgen, 
dienen  zus.  etwa  1200  Städten  und  Ortschaften.  Die 
Leistung  der  Maschinen  betrug  am  i.  April  1901  insgesammt 
290038  Kilowatt,  das  bedeutet  eine  Zunahme  um  mehr 
als  die  Hälfte  innerhalb  der  letzten  Jahre.  Die  ersten 
Anlagen  lieferten  ausschliesslich  Gleichstrom  und  auch 
jetzt  ist  das  bei  mehr  als  8o°/q  der  Werke  so  geblieben. 
Die  neuen  grossen  Anlagen  und  die  Erweiterungen  be- 
stehender grosser  Werke  erzeugen  aber  ausschliesslich 
Wechselstrom  oder  auch  Drehstrom,  der  dann  meist  in 
den  Unterbtationen  wieder  in  Gleichstrom  verwandelt 
wird.  Die  ausschliesslich  mit  Gleichstrom  arbeitenden 
Zentralen  besitzen  noch  eine  Leistung  von  172  949  K.  W. 
Als  Pufferstationen  sind  in  den  Werken  Akkumulatoren 
in  Anwendung,  die  jetzt  63532  K.W.  liefern,  also  mehr 
als  bä  der  Maschinenleistung.  Die  leistungsfähigste  Zentrale 
ist  diejenige  der  Allg.  Elektr.-Ges.  an  der  Oberspree  bei 

5.  Februar  1902. 


Berlin  mit  22  075  K.W.  und  das  fast  ebenso  bedeutende 
Werk  derselben  Gesellschaft  in  Berlin-Moabit  mit  19  494  K.W. 
An  3.  Stelle  steht  das  Werk  von  Rheinfelden,  das  zugleich 
das  bedeutendste  ist,  das  ausschliesslich  mit  Wasserkraft 
betrieben  wird.  In  der  . Ausnutzung  der  Wasserläufe  ist 
aber  Deutschland  hinter  anderen  Ländern  noch  zurück, 
allerdings  liegen  die  Verhältnisse  nach  dieser  Richtung 
auch  nicht  so  günstig.  Ausser  dem  schon  genannten  Werk 
sind  nur  72  kleinere  Anlagen  mit  zus.  nur  3354  K.  W. 
Leistung  im  Betriebe,  die  sich  ausschliesslich  der  Wasser- 
kraft bedienen.  In  170  Werken  ist  ein  gemischter  Betrieb 
von  Wasser  und  Dampf  vorhanden,  wo  die  eine  Betriebs- 
kraft meist  als  Reserve  für  die  andere  dient,  nur  39  arbeiten 
allein  mit  Gasmotoren.  Seit  dem  Jahre  1894  ist  die  Zahl 
der  Zentralen  von  148  auf  768,  der  angeschlossenen  Glüh- 
lampen von  49380E  auf  3403205,  der  Bogenlampen  von 
10  Ampere  von  T2357  auf  61278  gestiegen.  Die  ange- 
schlossenen Motoren  lieferten  5635  bezw.  141414?.  S.  — 

Der  Wabenziegel  des  Architekten  Albin  Kühn  in  Heidel- 
berg bildet  eine  durch  ein  geschlossenes  Stegsystem  ver- 
steifte Ziegelplatte  von  gleichartiger  Struktur,  von  vermin- 
dertem Eigengewicht  und  von  gutem  Brand,  der  für  leichte 
Deckungen  vom  Erfinder  empfohlen  wird.  Die  Gesammt- 
dicke  des  Ziegels  beträgt  14“®,  die  Dicke  des  Waben- 
grundes nur  5,5  ®m.  Die  Ziegel  greifen  entweder  S-förraig 
übereinander,  oder  es  wird,  wenn  sie  stumpf  aneinander 
stossen,  beim  Verlegen  ein  rinnenartiger  Zinkstreifen  unter 
dem  Stoss  verwendet.  Wird  das  Dach  als  Doppeldach 
ausgeführt,  so  können  die  Waben  nach  Ansicht  des  Er- 
finders gegen  Kälte  und  Wärme  isolirende  Luftschichten 
bilden. 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwurfsskizzen 
zum  Neubau  eines  KoUeglenhaases  für  die  Universität  Frei- 
burg schreibt  das  gros:^herzgl.  bad.  Kultusministerium  mit 
Frist  zum  i.  Sept.  1902  aus  und  zwar  unter  Architekten, 
welche  die  deutsche  Reichsangehörigkeit  besitzen  oder  in 
Deutschland  ihren  Wohnsitz  haben.  Es  sind  an  Preisen 
ausgesetzt  ein  I.  Preis  von  7000  M.,  ein  II.  Preis  von 
4000  M.  und  zwei  III.  Preise  von  je  2000  M.,  ausserdem 
ist  nach  dem  Ermessen  des  Preisgerichts  der  Ankauf  von 
zwei  weiteren  Entwürfen  zum  Preise  von  je  1000  M.  vor- 
gesehen. Unter  den  9 Preisrichtern  sind  als  Techniker 
erkennbar  die  Hrn.  Brth.  Dr.  A.  Rossbach  in  Leipzig, 
Prof.  Gabriel  v.  Seidl  in  München,  Brth.  L.  v.  Stengel 
in  Freiburg,  Geh.  Brth.  Prof.  Dr.  P.  Wallot  in  Dresden 
und  Ob.-Brth.  Prof.  Dr.  Warth  in  Karlsruhe.  Wir  be- 
halten uns  nach  Einsicht  in  die  Unterlagen  weitere  Mit- 
theiiung  vor.  — 

Wettbewerb  zum  Provinzial-Museum  in  Münster.  Ein- 
gegangen  waren  38  Arbeiten,  einschl.  der  mehreren  Ent- 
würfen beigegebenen  Varianten.  Ein  I.  Preis  konnte  nicht 
vertheilt  werden,  es  erhielten  infolge  dessen  zwei  II.  Preise 
zu  je  2000  M.  der  Entwurf  „Wittekind“,  Verf.  Reg.-Bmstr. 
Teichen  und  Arch.  R.  Schlüter  in  Berlin;  der  Entwurf 
„Spökenkieker“,  Verf.  Arch.  H.  Schädtler  und  C.  Müller 
in  Hannover;  zwei  III.  Preise  zu  je  1000  M.  der  Entwurf 
„Jan  von  Leyden“,  Verf.  stu'i.  arch.  Kolling  aus  Münster, 
z.  Zt.  in  München,  und  der  Entwurf  „St.  Ludgerus“,  Verf. 
Arch.  A.  Schulz,  in  Firma  Schulz  u.  Schlichting  in  Berlin. 
Angekauftwurden  die  Entwürfe  „Rothe  Erde“,  Verf  Bauinsp. 
Rauchh  eld  in  Oldenburg  und  „Am  Doraplatz“,  Verf.  Arch. 
Hubert  Holtmann  in  Münster.  — 

Wettbewerb  Sparkassen-Neubau  Bremerhaven.  Den 
-I.  Preis  errang  der  Entwurf  „OudeTid"  des  Hrn.Emming- 
mann  in  Berlin;  den  II.  Preis  der  Entwurf  „Schwarzes 
Wappen  im  Kreise“  des  Hrn.  Alfr.  Hübner  in  Berlin; 
den  III.  Preis  der  Entwurf  „Spruchreif“  der  Hrn.  Gust. 
Jänicke  & Max  Franzke  in  Schöneberg.  Zum  Ankauf 
empfohlen  wurden  die  Entwürfe  der  Hrn.  Karl  und  A. 
Siebrecht  in  Hannover,  A,  Abbehusen  in  Bremen  und 
G.  N.  Eckardt  in  Wiesbaden.  Sämmtliche  Arbeiten  sind 
bis  14  Febr.  im  neuen  Gymnasium  in  Bremerhaven  öffent- 
lich ausgestellt.  — 

Internationaler  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Sana- 
torium für  Tuberkulose  in  England.  „Sie  bringen  in  Ihrer 
letzten  Nummer  eine  Mittheilung  über  das  kürzlich  er- 
lassene Preisausschreiben  für  die  Erbauung  eines  Sana- 
toriums in  England,  in  der-Sie  u.  a.  erwähnen,  dass  die 
Jury  sich  einseitig  aus  Engländern  zusaramenseize  und 
dass  die  Aussichten  auf  Erfolg  für  deutsche  Theilnehmer 
Ihrer  Ansicht  nach  entsprechend  geringe  seien.  Ich  möchte 
demgegenüber  nur  bemerken,  dass  die  hervorragenden 
Aerzte  Sir  Hermann  Weber  und  Sir  F.  Semon  beide  von 
deutscher  Abkunft  sind  und  dass  die  Zugehörigkeit  dieser 


71 


Herren  zur  Jury  m.  E.  eine  unpartheiische  Würdigung 
auch  ausländischer,  besonders  deutscher  Arbeiten  gewähr- 
leistet. Die  Bedeutung  dieses  Umstandes  dürfte  noch  er- 
höht werden  durch  die  Thatsache,  dass  der  Spender  des 
Kapitals,  welches  den  König  in  die  Lage  versetzte,  die 
fragliche  Stiftung  ins  Leben  zu  rufen,  der  Finanzmann 
Sir  Ernest  Cassel,  ebenfalls  deutscher  Abkunft  ist. 

Bedingung  für  eine  erfolgreiche  Theilnahme  an  die- 
sem Wettbewerb  wäre  allerdings  vor  allem  die  völlige 
Beherrschung  der  englischen  Sprache,  da  die  Engländer 
in  dieser  Beziehung  ungemein  feinfühlig  sind.  Die  ge- 
dankenreichste Arbeit,  die  nicht  „the  Queen’s  English“  in 
untadelhafter  Form  aufweist,  würde  bei  ihnen  stets  eher 
Heiterkeit  als  Bewunderung  erregen“.  — 

Ludwig  Mertens  in  Hamburg. 

Wettbewerb  Bismarck-Denkmal  Hamburg.  Verfasser 
des  Entwurfes  „Ein  Stein“  ist  Hr.  Arch.  Wilh.  Fränkel 
in  Düsseldorf;  des  Entwurfes  „Kerndeutsch  und  Echt!“ 
Hr.  Paul  Burghardt  in  Leipzig;  des  Entwurfes  „Thaten 
sind  Saaten“  Hr.  Dir.  E.  H artig  in  Barmen  und  des  Ent- 
wurfes „Erz  und  Stein“  Hr.  Arch.  Friiz  Usadel  in  Ge- 
meinschaft mit  Hrn.  Bildhauer  Ad.  Osterhold,  beide  in 
Plannover.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Dem  Mar.-Hafenbauinsp.  Radant  ist  der 
Char.  als  Mar.-Brth.  mit  dem  persönl.  Range  als  Rath  IV,  Kl.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Anlegung  der  ihnen  verlieh,  nichtpreuss. 
Orden  ist  ertheilt  u.  zw.:  Dem  Geh.  Admir.-Rath  Langner,  vortr. 
Rath  i.  Reichs-Mar. -Amt  des  Komthurkreuzes  d.  grossherz,  mecldenb.- 
schwerinschen  Greifen-Ordens;  dem  Mar.-Brth.  Flach  und  dem 
Mar-Masch.-Bmstr.  R.  Müller  in  Stettin  des  Ritterkreuzes  des 
vorgen.  Ordens;  dem  Mar.-Schiffbmstr.  Boekholt  in  Danzig  des 
Ritterkreuzes  I.  Kl.  des  kgl.  sächs.  Albrechts-Ordcns. 

Der  Garn.-Bauinsp.  Thierbach  in  Colmar  i.  £.  ist  aus  der 
Garn.-Bauverwaltg.  ausgeschieden.  — Die  Garn.-Bauinsp.  Brth. 
Rathke  in  Danzig  II  und  Maillard  in  Koblenz  II  werden  z.  r.  Apr. 
d.  J.  gegenseitig  vei'setzt. 

Baden.  Der  Zentralinsp.,  Betr.-Insp.  Näher  bei  der  Gen.- 
Dir.  der  ^taatseisenb.  ist  unt.  Verleihung  des  Tit.  Brth.  z.  Kollegial- 
Mitgl.,  die  Ing. -Praktikanten  Joachim,  Schlössinger  und  Blum 
sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Bayern.  Verliehen  ist:  Dem  Ob.-Baudir.  der  kgl.  Obersten 
Baubehörde  v.  Maxon  in  München  das  Ritterkreuz  des  Verdienst- 
ordens der  Baj’erischen  Krone;  — Dem  Rath  bei  der  Gen. -Dir 
der  Staatseisenb.  Weikard  und  dem  Gen.-Du'.-Rath  Jäger  in 
Augsburg  der  Verdienstorden  vom  hl.  Michael  III.  Kl.;  — Dem 
Rath  bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  Weiss,  dem  Keg. -Rath 
b.  d.  Gen.-Dir.  Förderreutlier,  dem  Ob.-Bauinsp.  Wagner  in 
München,  dem  Ob.-Masch.-Insp.  Reich  in  Regensburg,  dem  Bez.- 
Ing.  der  pfäU.  Eisenb.  Kalbfus  in  Ludwigshafen  a.  Rh.,  den  k. 
Bauamtm.  Spies  in  Kissingen  und  Fleischmann  in  Aschaffenburg, 
dem  Prof.  Kreuter  an  der  Techn.  Hochschule  in  München  der 
Verdienstorden  vom  hl.  Michael  IV.  Kl. 

Dem  ßez.-Ing.,  Ob.-Ing.  Kaiser  in  Landshut  und  dem  Ob.- 
Bauinsp.  Maier  in  Augsburg  ist  der  Titel  u.  Rang  eines  kgl.  Reg.- 
Raths,  dem  Bauamtm.  Egler  in  Neuburg  a.  D.  Tit.  u.  Rang  eines 
kgl.  Brths.,  dem  Arch.  M.  Littmann  in  München  der  Tit  eines 
kfil.  Prof-  und  dem  Ing.  Heümann  in  München  der  Tit.  eines 
kgl.  Kommerzienraths  verliehen. 

Der  Ing.  Keller  ist  im  Bez.  Neustadt  bei  den  pfäiz.  Eisen- 
bahnen aufgenommen. 

Der  Masch.-Insp.  Steier  in  Passau  i.  s.  Ansuchen  entspr. 
in  den  Ruhestand  getreten. 

Der  Stadt.  Brth.  Bern  atz  in  Würzburg  ist  gestorben. 

Hessen.  Dem  Kr.-Bauinsp.  Langgässer  in  Alzey  ist  der 
Charakter  als  Brth.  verliehen.  — • Der  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Lucius 
in  Bingen  ist  z.  Kr.-Bauinsp.  des  Kr.  Mainz  und  der  Reg.-Bmstr. 
Krau  SS  aus  Wörrstadt  ist  z.  Bauassessor  ernannt. 

Preussen.  Dem  grossherz.  hess.  Geh.  Brth.  Win  ekler  in 
Mainz  ist  beim  Uebertritt  in  den  Ruhestand  der  kgl.  Kronen-Orden 
III.  Kl.  und  dem  Reg.-  und  Brth.  Pfeifer  in  Braunschwelg  die 
Rothe  Kreuz-Medaille  III.  Kl.  verliehen. 

Die  Baugewerkschullehrer  Ing.  Lückemann  in  Breslau,  Rcg.- 
Bmstr.  Blicke  u.  Schencke  in  Eckernförde,  Reg.-Bfhr.  G r a n i t z a, 
Dipl.-Ing.  Hiorth  und  Arch.  Klinck  in  Frankfurt  a.  O.,  Reg.-Bfhr. 
Peters  in  Höxter,  Arch.  Neumann  in  Idstein  und  Ing.  Nüsken 
in  Münster  sind  zu  kgl.  Ob.-Lehrern,  der  Arch.  Passehl  in  Münster 
ist  2.  kgl.  Baugewerkschullehrer  ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Herrn.  Schlupmann  aus  Gütersloh,  Harry 
Bon  aus  Mühlhausen  i.  Th.  (Eisenbfeh.),  Ernst  Linack  aus  Lübben, 
Reinh.  Bitzer  aus  Kl.  Czyste,  Karl  Felsch  aus  Könitz  und  Wilh. 
Weber  aus  Gera  (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Der  Geh.  Reg. -Rath  Jacobsthal,  Prof,  an  der  Techn.  Hoch- 
schule, Mitgl.  der  Akad.  des  Bauwesens  und  der  Akad.  der  Künste 
in  Berlin,  ist  gestorben. 

Württemberg.  Der  Bez.-Bauinsp.  Weiss  in  Ulm  ist  unt. 
Gewährung  der  Dienststellg.  eines  Koll. -Raths  mit  dem  Tit.  eines 
Biths.  nach  Ravensburg  versetzt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  R.  W.  in  Lüdenscheid.  Das  an  der  Unterfläche 
Ihres  Wellblechdaches  auftretende  Wasscrist  Schwitzwasser,  welches 
dadurch  entsteht,  dass  die  heisse,  stark  mit  Wasserdampf  gesättigte 
Luft  des  unteren  Saales  durch  die  dünne,  luftdurchlässige  D^cken- 
konstruktioa  infolge  des  natürlichen  Auftriebes  hindurchdringt,  im 


Dachraum  bis  zur  Wellblechbedachung  hochsteigt,  sich  hier  an  den 
kalten  Flächen  derselben  rasch  abkühlt  und  auch  das  nun  nicht 
mehr  durch  die  höhere  Wärme  gebundene  überschüssige  Wasser 
inform  von  Schwitzwasser  oder  Reif  an  die  kalten  Flächen  abgiebt. 
Dieser  Vorgang  wird  sich  bei  Ihrem  Saalbau  um  so  häufiger  und 
stärker  zeigen,  je  öfter  er  von  grossen  Versammlungen  benutzt 
wird.  Als  einzigstes,  den  Uebelstand  von  Grund  aus  beseitigendes 
Mittel  können  wir  Ihnen  nur  empfehlen,  die  Zwischenräume  zwischen 
den  Bohlenbalken  bis  zur  Oberkante  der  letzteren  mit  möglichst 
leichter  und  schlecht  wärmeleitender  Masse  auszufüllen , jedoch 
nicht  mit  Stoffen,  wie  Torf  oder  Sägemehl,  welche  Schwamm  bilden 
können,  sondern  mit  Asche,  Asbest,  Kieselguhr  oder  Korkabfällen. 
Hierüber  bez.  über  die  Bohlenbalken  hinweg  ist  ein  3 — 5 cm  starker 
Monierestrich  zu  legen  und  dieser  mit  bestem  12 — 15  mm  starkem 
Asphaltbelag  abzudecken.  Den  letzteren  beiden  ist  nach  irgend 
einem  Punkte  hin  Gefälle  zu  geben,  damit  etwa  sich  doch  noch 
am  Wellblech  bildendes  Schwitzwasser  in  diesem  nach  aussen  ab- 
fliessen  kann.  Da  durch  die  empfohlene  Maassregel  jeder  weitere 
Eintritt  wasserhaltiger  warmer  Luft  in  den  Dachraum  verhindert 
wird,  können  auch  die  jetzt  gerügten  Uebelstände  nicht  mehr  auf- 
treten.  Bei  der  Ausführung  der  vorgeschlagenen  Konstruktion 
ist  gewissenhaft  darauf  zu  achten,  dass  alle  Deckentheile  vollkommen 
trocken  sind,  da  sonst  leicht  Schwamm  entstehen  kann.  Dem  letzte- 
ren ist  auch  noch  durch  Streichen  der  Bohlenbalken  mit  schwamra- 
tödtender  Flüssigkeit  und  durch  einen  möglichst  wasser-  bezw.  luft- 
undurchlässigen Anstrich  der  Deckenunteransicht  — am  besten 
Oelfarbe  — vorzubeugen.  Die  vorgeschlagene  Abhilfe  ist  selbst- 
verständlich nur  anwendbar,  wenn  die  tragenden  Eisentheile  die 
neu  hinzukommende  Belastung  noch  aufzunehmen  imstande  sind. 
Anderenfalls  bleibt  nur  ein  wasser-  bez.  luftundurchlässiger  Anstrich 
der  Deckenunteransicht  und  eine  Beheizung  des  Dachbodens  übrig, 
welche  indessen  auf  die  Dauer  ziemlich  theuer  wird.  — A. 

Hrn.  R.  B.  in  Wetter  a.  R.  Die  Grundsätze  des  B.  G.-B. 
§§  633  und  637  sind  keineswegs  neu,  wie  Sie  annehmen,  fanden 
sich  vielmehr  schon  in  den  4 Rechten,  an  deren  Stelle  jetzt  das 
B.  G.-B.  getreten  ist.  Schon  damals  hatte  der  Werkmeister  für 
Fehlerund  Mängel  einzutreten,  welche  das  bestellte  Werk  erhalten 
hatte,  und  es  durfte  sogar  dessen  Abnahme  dieserhalb  abgelehnt 
werden,  sodass  § 633  demgegenüber  eine  Milderung  ausspricht. 
Nicht  minder  durfte  man  einer  Abrede,  inhaltlich  deren  auf  Verfol- 
gung von  Schadenansprüchen  wegen  Mängel  desWerkes  vorweg  ver- 
zichtet wurde,  die  Rechtswirksamkeit  versagen,  wenn  nachweislich 
der  Verzicht  arglistig  herbeigeführt  war,  indem  man  sich  entweder 
der  actio  doli  oder  der  exceptio  doli  bediente,  je  nachdem  man 
entweder  selbst  die  Klage  auf  Rechtsungiltigkeit  der  Abrede  an- 
strerigte  oder  einer  Leistungsklage  des  Werkmeisters  zu  begegnen 
hatte.  Wenn  vor  Geltung  des  B.  G.-B.  wirklich  im  Herrschafts- 
gebiete des  französischen  Rechtes  Mängel  in  ausgeführten  Bauten 
nicht  gerügt  und  dieserhalb  Schadenansprüche  unverfolgt  geblieben 
sein  sollten,  was  jedoch  nach  der  Rechtsprechung  des  vormaligen 
Obertribunals  und  des  Reichsgerichts  zu  bezweifeln  ist,  da  die  be- 
treffenden Urtheilssammlungen  Fälle  der  beregten  Art  behandeln,  so 
würde  dies  von  einer  übergrossen  Gutmüthigkeit  der  dortigen  Bau- 
herrn Zeugniss  liefern.  Denn  billigerweise  kann  doch  dem  Be- 
steller eines  Werkes  nicht  verdacht  werden,  wenn  er  es  fehlerfrei 
abgeliefert  haben  will  und  es  erscheint  nicht  ungerecht,  wenn  vor- 
gefallene Fehler  von  dem  Werkmeister  zu  vertreten  sind,  der 
solche  durch  grössere  Sorgfalt  bei  Auswahl  seiner  Gehilfen  hätte 
vermeiden  können.  Da  es  durch  das  B.  G.-B.  jedoch  zu  keiner  Ver- 
schiebung maassgebender  Rechtsgruiidsätze  gekommen  ist,  so  liegt 
kein  Anlass  vor,  die  Ihrerseits  angeregten  Fragen  zum  Gegenstände 
einer  besonderen  Abhandlung  zu  machen.  — K.  H-e. 

Hrn.  Prof.  H.  M.  in  Benstein.  Wir  sind  zu  un.serem  Be- 
dauern nicht  in  der  Lage,  Ihre  Anfrage  zu  beantworten,  da  die- 
selbe nicht  allgemeinem  Interesse  begegnet.  Auch  müssen  wir 
Bedenken  tragen,  Ihnen  Fragen  über  Firmen  für  bestimmte  Zwecke 
zu  beantworten,  die  Sie  sich  jederzeit  selbst  aus  dem  Anzeigen- 
theil  unserer  Zeitung  beantworten  können.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

1.  Unter  einem  Wellblechdach  im  Maschinenbaus  einer  grossen 
elektrischen  Zentrale  bildet  sich  bei  Frostwetter  sehr  viel  Schwitz- 
wasser, welches  durch  die  20  cm  unterhalb  angebrachte  4,5  cm 
starke  Korkdecke  dringt  und  auf  den  Boden  bezw.  auf  die  Ma- 
schioen  abtropft.  Auf  dem  Dach  ist  kein  Ventilations-Aufsatz;  da- 
gegen sind  in  den  Giebeln  unmittelbar  unterm  First  Oeffnungen, 
sowie  die  nöthigen  Fenster  zur  Lüftung  vorhanden.  Wie  kann 
dieser  Misstand  am  billigsten  beseitigt  werden?  Ph.  G.  in  K. 

2.  Bei  Ausführung  eines  grösseren  Büreau  - Gebäudes  sollen 

Könen’sche  Vouten-Dccken  in  Stärke  bis  10  cm  Anwendung  finden. 
Sind  diese  Decken  mit  einem  Fussbodenbelag  von  Linoleum  in 
normaler  Stärke  von  3 — 4mm  schallsicher?  Das  Linoleum  soll  auf 
der  mit  Zementglattstrich  zu  versehenden  Oberseite  der  Decken 
durch  Holzkitt  aufgeleimt  und  an  den  Wandanschlüssen  mit  einer 
ausgekehlten  Leiste  von  Torgament  befestigt  werden.  Hat  sich  für 
Büreauräume  Korklinoleura  in  Stärke  von  6 — 8ram  als  schalldämpfen- 
der und  namentlich  widerstandsfähiger  Fussbodenbelag  bewährt? 
Bezüglich  der  Könen’scheo  Vouten-Decken  mit  Linoleumbelag  be- 
stehen Bedenken,  ob  solche  Zwischendecken  die  für  ein  Büreau- 
Gebäude  erforderliche  Schallisolirung  gewährleisten.  Die  Verwen- 
dung des  Korklinoleums  erscheint  seiner  grossen  Weichheit  wegen 
für  Büreauräume  trotz  aller  anderen  vorzüglichen  Eigenschaften 
(namentlich  bezüglich  der  Schallisolirung)  nicht  geeignet.  Möbel, 
Stühle,  Tische  usw.  werden  zweifelsohne  bleibende  Eindrücke  hinter- 
lassen  und  deshalb  ebenso  das  Aussehen  beeinträchtigen,  wie  auch 
die  Haltbarkeit  gefährden.  — A.  G.  in  Dresden. 

Inhalt:  Verband  deutscher  Arch.-  uod  Ing. -Vereine.  — Zur  Frage  der 
Fortsetzung  der  Wiederherstellungs- Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss.  — 
Mittheilungeu  aus  Vereinen.  — Vermischtes  — Preisbewerbungeti.  — Per- 

sonal-Nacbrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


.72 


No.  II. 


KUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  ^ 
stsrÄSifSJSJStsrsssts: 


starfirstarÄSrsriStstÄisrstst 

AUZEITUNG. 

GANG.  * ^ N2: 12.  ^ 
DEN  8.  FEBR.  1902. 
ststarstarstatÄsrajiarstÄar 


Das  neue  Gebäude  der  Allgemeinen  Versorgungs- Anstalt  in  Karlsruhe  i.  B. 

Architekt:  Ob.-Brth.  Adolf  Hanser  f in  Karlsruhe  i.  B. 

(Hierzu  die  Grundrisse  auf  Seite  76  u.  77.) 


US  dem  Hauptzweige  seiner  Thätigkeit,  aus 
der  Gruppe  der  Verwaltungs-Gebäude  des 
so  früh  verstorbenen  trefflichen  badischen 
Baukünstlers,  führen  wir  hier  das  neue  Ge- 
bäude der  Allgemeinen  Versorgungsanstalt 
in  Karlsruhe  an,  welches  Ende  der  neunziger  Jahre 
vor  dem  Mühlburger  Thor  dorten,  auf  einer  bevor- 
zugten Baustelle  als  ein  stattlicher  Monumentalbau  in 
Sandstein  errichtet  wurde.  Das  auf  einem  dreieckigen 
Gelände  sich  erhebende  Bauwerk  ist  zunächst  nur  in 
seiner  grösseren  Hälfte  ausgeführt  worden,  um  Raum 
für  eine  spätere  Erweiterung  zu  lassen.  Wir  haben  den 


klaren  und  einfach  gruppirten  Grundrissen  nur  wenig 
hinzuzufügen.  Das  Erd-  und  das  erste  Obergeschoss 
sind  durchgehends  der  umfangreichen  Verwaltung  vor- 
vorbehalten,  das  Erdgeschoss  für  die  Registratur,  die 
Kanzleien  und  die  übrigen  Büreaus,  das  Obergeschoss 
für  die  Dircktionsräume,  die  Lebensversicherung,  das 
Abrechnungsbüreau  usw.  Das  oberste  Geschoss  ent- 
hält im  Rundbau  einen  geräumigen  Sitzungssaal,  im 
übrigen  lediglich  Direktorial- Wohnungen.  Das  in 

lichtem  Sandstein  erstellte  Aeussere  lehnt  sich  an  die 
Formensprache  an,  welche  vom  Hause  des  Deutschen 
Reichstages  in  Berlin  ausging.  — 


Der  Eisenbahn-Lootse. 


iggajO  sehr  im  Vergleich  mit  der  Schiffahrt  der  Trans- 
port  auf  Eisenbahnen  durch  die  Gleise  mit  ihren 
fest  vorgeschriebenen  Wegen  und  durch  zahlreiche 
Signale  längs  derselben  gegen  Unfälle  aller  Art,  auch 
gegen  Zusammenstösse  der  Fahrzeuge,  gesichert  erscheint, 
so  tritt  doch  von  Zeit  zu  Zeit  die  Nothwendigkeit  ein, 
gewissermaassen  ruckweise  in  den  Sicherheits-Einrich- 
tunpn  einen  Schritt  weiter  zu  thun,  um  gesteigerten  An- 
forderungen, die  sich  infolge  Verdichtung  und  Beschleu- 
nigung des  Verkehrs  erheben,  zumal  sobald  sie  sich  durch 
eklatante  Unglücksfälle  als  begründet  aufdrängen,  zu  ge- 


nügen. So  steht  augenblicklich  eine  Ergänzung  der  Strecken- 
signale durch  die  allgemeine  Einführung  der  aus  Scheiben 
gebildeten  Vorsignale  infra^e,  für  deren  Lichter  als  Nacht- 
zeichen man  zum  Unterschiede  von  denen  der  bestehen- 
den Armsignale  noch  nach  einer  passenden  Farbe  sucht. 

Im  Grunde  genommen  kommt  man  durch  allgemeine 
Aufstellung  der  Vorsignale  zu  einer  Verdoppelung  der 
Theilung  der  Bahnstrecke,  nur  mit  der  Besonderheit,  dass, 
während  ein  Haltsignal  des  Armtelegraphen  unbedingt 
beachtet  werden  muss,  das  entsprechende  Vorsignal  nur 
ein  vorsichtiges  Fahren  gebieten  soll,  ein  Unterschied,  der 


73 


auch  mittels  Hinzufügung  eines  dritten  Zeichens  am  Arm- 
telegraphen  markirt  werden  könnte.  Selbstverständlich 
würde  bei  dieser  Anordnung  auf  stark  befahrenen  Linien 
die  Länge  der  Signalstrecken,  weil  fortan  deren  zwei  statt 
bisher  nur  einer  für  völlig  freies  Durchfahren  eines  nach 
folgenden  Zuges  gesperrt  sein  müssten,  zu  verkleinern, 
äussersten  Falles  zu  halbiren  sein. 

Mögen  die  mit  dem  Eisenbahnsignalwesen  praktisch 
und  vorwiegend  sich  beschäftigenden  Ingenieure  diesen 
Gegenstand  weiter  überlegen:  im  Folgenden  soll  eine 
andere  Seite  der  Signalfrage  betrachtet  werden.  Muss 
man  nämlich  den  Signalen  überhaupt  eine  so  grosse  Wich- 
tigkeit beilegen,  dass  die  geringsten  Mängel  oder  Ver- 
säumnisse in  dem  Erkennen  und  der  Beachtung  der- 
selben seitens  des  Zugpersonals  die  grössten  Gefahren 
in  fast  sichere  Aussicht  stellen,  so  geht  es  nicht  länger 
an,  dass  man  ihre  Wahrnehmung  und  Auslegung  den 
Lokomotivführern  und  Oberschaffnern  überlässt.  Zurzeit 
ist  der  Lokomotivführer  die  Hauptperson,  von  dessen 
Wahrnehmungs-Vermögen  die  Sicherheit  des  Zuges  ab- 
hängt. Was  dieses  Wahrnehmungs-Vermögen,  die  Sinnen- 
schärfe, anlangt,  so  begnügt  man  sich  damit,  Gesicht  und. 
Gehör  auf  normale  Beschaffenheit  zu  untersuchen,  und 
wenn  dabei  auch  seitens  des  untersuchenden  Arztes  alle 
ihm  mögliche  Sorgfalt  aufgewari'dt  wird,  so  werden  doch 
nur  grobe  Mängel,  wie  Farbenblindheit  und  Harthörigkeit 
eine  Zurückweisung  des  Aspiranten  vom  Lökomotiv-  oder 
Fahrdienst  in  der  Regel  zurfolge  haben.  Wohlan  denn, 
wählen  wir  zu  dem  Beobachten  der  Signale  eigene  Leute, 
denen  die  groben  Arbeiten  abgenömmen  sind,  sachkundige 


Leute  mit  besonders  scharfen  Sinnen;  statten  wir  diese 
wie  die  Steuerleute  der  Seeschiffe  mit  den  nützlichen 
Hilfsmitteln  wie  Fernrohre  usw.  aus,  weisen  wir  ihnen 
einen  Platz  am  Kopf  der  Lokomotive  an,  setzen  sie  mit 
dem  Führer  wie  mit  dem  ganzen  Zugpersonale  in  Ver- 
bindung; geben  wir  diesen  Lootsen  — wie  man  sie  nennen 
könnte  — durch  Glocken,  Pfeifen,  Detonationen,  ständige 
und  Blitzlichter,  vielleicht  -auch  Marconische  Telegraphie 
die  Mittel,  nach  Aussen  auf  grössere  Entfernungen  Zeichen 
zu  geben  und  es  wird  dann  die  Sicherheit  in  einem  so  be- 
deutenden Maasse  sich  steigern  lassen,  wie  es  sonst  nicht 
möglich  ist.  Dann  kann  beispielsweise  für  einen  durch  Ver- 
sagen der  Bremsen  gefährdeten  Zug,  der  eine  Rampe  hinab- 
fährt, die  Oeffnung  eines  todten  Gleises  oder  Sandgleises  auf 
der  nächsten  Haltestelle  (s,  S.  lo  d.  Js.)  durch  den  Lootsen 
rechtzeitig  angeordnet  werden.  Würden  nun  die  ohnehin 
schon  zu  bedeutender  Höhe  angewachsenen  Kosten  für 
Sicherheits-Einrichtungen  durch  die  Anstellung  von  Lootsen 
eher  noch  gesteigert  werden,  so  würde  doch  erst  durch 
deren  Anstellung  eine  scharfe  Beobachtung  der  Signale, 
optischer  wie  akustischer,  auf  der  Strecke  gefördert,  ausser- 
dem die  Einführung  von  neuen  Signalen  vom  Zuge  aus 
an  die  Streckenwärter  und  Stationen  ermöglicht  und  damit 
eine  Sicherung  der  Züge  herbeigeführt  werden,  wie  sie 
bisher  nicht  erzielt  werden  konnte.  Dann  könnten  auch 
Zweifel  darüber,-  ob  Signalformen  oder  Lichtfarben  wie 
deren  Zusammenstellungen  richtig  erkannt  und  beachtet 
werden,  nicht  mehr  aufkommen.  Der  Lootse  würde  sie 
mit  bewaffnetem  Auge  am  sichersten  erkennen.  — 
Dresden,  im  November  1901,  Kopeke. 


Entgegnungen  in  Sachen  der  statisch  bestimmten  mehrtheiligen  Streben-Fachwerke.*) 


I. 

ie  Auslassung  des  Hrn.  Prof.  Müller-Breslau  in 
No  90  S.  558  der  Dtschn.  Bztg.  v.  Js.  trifft  den  eigent- 
lichen Kern  der  zwischen  ihm.  und  mir  bestehenden 
Meinungs- Verschiedenheiten  so  wenig,  dass  ich  mich  ge- 
zwungen sehe,  auf  den  Inhalt  meiner  früheren  Entgegnung 
in  No.  80  S.  494  Jhrg.  1901  d.  Bl.  nochmals  zurückzukommen. 
Lieber  die  beiden  ersten  Punkte  meiner  Entgegnung 
geht  Hr.  Müller-Breslau  hinweg,  woraus  ich  schliesse,  dass 
er  seinen  Irrthum  nach  dieser  Richtung  hin  inzwischen 
eingesehen  hat.  Dagegen  geht  Hr.  Müller-Breslau  auf  den 
dritten  Punkt  jetzt  näher  ein,  indem  er  dabei  die  Bezeich- 
nungen „gebräuchlich“  und  „gleichmässig“  in  be- 
sonderer Weise  auszulegen  versucht.  Dazu  bemerke  ich: 
Ich  habe  in  meiner  von  Hrn.  Müller-Breslau  kritisirten, 
vor  3 Jahren  erschienenen  Abhandlung,  2theilige  und  mehr 
als2theilige  statisch  unbestimmte  Strebenfachwerke  (letztere 
selbstversiändlich  mit  steifen  Ständern  ausgerüstet  gedacht) 
den  mehrtheiligen  statisch  bestimmten  Strebenfachwerken 
vergleichend  gegenüber  gestellt.  Für  mich  galten  dabei 
als  „gebräuchlich“  solche  Systeme,  die  nicht  bereits 
der  Geschichte  verfallen  sind,  oder  solche,  die  auch  heute 
noch  mit  Nutzen  Verwendung  finden  können.  Wenn  man 
streng  sein  wollte,  müsste  man  demnach  die  Grenzen  für 
die  „gebräuchlichen“  Strebenfachwerke  noch  enger 
ziehen,  als  ich  es  damals  gethan  habe.  Eigentlich  dürfte 
man  zu  den  gebräuchlichen  Systemen  heute  nur  noch  die 
2theiligen  rechnen,  denn  die  mehr  als  2theiligen  kommen 
heute  höchstens  noch  in  Ausnahmefällen  oder  bei  beson- 
deren Konstruktionen,  z.  B.  beim  Bau  zerlegbarer  eiserner 
Kriegsbrücken  vor.  Und  auch  hier  ihäte  man  nach 
meiner  Meinung  besser,  sie  durch  die  mehrfachen  statisch 
bestimmten  Strebenfachwerke  zu  ersetzen.  Jedenfalls 
rechne  ich,  wie  es  Hr.  Müller -Breslau  zu  thun  scheint, 
das  von  ihm  erwähnte  ötheilige  Netzwerk,  das  vor  30  Jahren 
von  Laissle-Schübler  veröffentlicht  worden  ist,  heute  nicht 
mehr  zu  den  „gebräuchlichen“  Systemen. 

Hier  steht  also  Ansicht  gegen  Ansicht  und  ich  halte 
die  meinige  auch  Hrn.  Müller-Breslau  gegenüber  aufrecht. 
Es  wird  nicht  unnöthig  sein,  hier  einzuschalten,  dass  es 
ein  geheimer  Wettbewerb  in  Angelegenheiten  derSchaffung 
einer  neuen  eisernen  Kriegsbrücke  war,  der  mich  zuerst 
auf  den  Gedanken  gebracht  hat,  den  statisch  bestimmten 
mehrtheiligen  Strebenfachwerken  grössere  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden.  Dabei  waren  es  nicht  etwa,  wie  Hr.  Müller- 
Breslau  noch  zu  glauben  scheint,  statische  Ueberlegungen 
allein,  die  mich  führten,  sondern  hauptsächlich  hatte  ich 
dabei  die  bekannten  konstruktiven  Mängel  der  gebräuch- 
lichen statisch  unbestimmten  Fachwerke  dieser  Art  im 
Auge.  Schon  allein  der  Umstand,  dass  bei  mehr  als  zwei- 
theiliger Wandgiiederung  die  Nothwendigkeit  steifer  Stän- 


■-)  Anmerkung  der  Redaktion.  Wir  glauben  hiermit  beiden 
Herren  den  genügenden  Raum  gewährt  zu  haben,  um  so  mehr  als  der 
Ausgangspunkt  des  Streites  nicht  in  unserer  Zeitschrift  liegt.  Wir  schliessen 
daher  hiermit  die  Auseinandersttzung.  — 


der  eintritt,  Hessen  die  statisch  unbestimmten  Strebenfach- 
werke in  meinen  Augen  minderwerthig  erscheinen  gegen- 
über den  inrede  stehenden  statisch  bestimmten  Anord- 
nungen. Denn  mehr  als  zweitheilige  Systeme  sind  minde- 
stens dreifach  statisch  unbestimmt.  Ihre  Berechnung  muss 
daher,  wenn  sie  nicht  unzutreffende  Ergebnisse  liefern 
soll,  mit  Rücksicht  auf  die  Formänderungen  des  Systems 
nach  bekannten  Regeln  erfolgen.  Eine  Berechnung  auf- 
grund einer  Zerlegung  in  Theilsysteme,  wie  sie  Hr.  Müller 
Breslau  ausführt,  lasse  ich  nicht  gelten,  obwohl  sie  Hr. 
Müller-Breslau  jetzt  die  „übliche“  nennt,  während  er  früher 
in  seinem  bekannten  Werke  sich  mit  Recht  gegen  eine 
derartige  ungenaue  Berechnungsweise  ausgesprochen  hat. 

Wenn  auch  die  Berechnung  statisch  unbestimmter 
Fachwerke  nach  den  von  Mohr  angegebenen  ausgezeich- 
neten scharfsinnigen  Methoden  heute  jedem  einigermaassen 
mit  der  Statik  vertrauten  Ingenieur  geläufig  ist,  so  wird 
man  heute  immer  noch  mit  Recht  derartige  Systeme  gegen- 
über solchen  statisch  bestimmten  Systemen,  mit  deren 
Hilfe  man  die  gleichen  praktischen  Erfolge  erzielen  kann, 
zurückstellen  müssen.  Das  ist  wenigstens  meine  Ansicht 
von  der  Sache.  Man  könnte  aber  mit  den  inrede  stehen- 
den statisch  bestimmten  Wandgliederungen  bessere  prak- 
tische Erfolge  erzielen  als  mit  den  „gebräuchlichen“  statisch 
unbestimmten,  und  zwar:  i.  vermeidet  man  den  Einfluss 
der  aus  der  Veränderlichkeit  der  äusseren  Kräfte  her- 
rührenden Temperatur-Spannungen;  2.  braucht  man 
keine  steifen  Ständer,  ein  Umstand,  der  namentlich 
beim  Bau  amerikanischer  Brücken,  oder  der  mit  Bolzen- 
knoten ausgerüsteten  eisernen  Kriegsbrücken  ins  Gewicht 
fällt;  3.  sind  (bei  Voraussetzung  von  Bolzenknoten  in  den 
Gurten)  die  Senkungen  der  Gurtknoten  mit  Einzellasten 
bei  den  inrede  stehenden  statisch  unbestimmten  Systemen 
viel  ungleichmässiger  als  unter  sonst  gleichen  Um- 
ständen bei  den  statisch  bestimmten  Anordnungen.  Nicht 
ohne  Grund  wählen  deshalb  die  Amerikaner  ausschliess- 
lich eintheilige  Fachwerke  für  ihre  Hauptträger,  weil  sie 
die  konstruktiven  Nachtheile  der  mehrtheiligen  Systeme 
ihrer  Bolzenbrücken  längst  erkannt  haben.  Ich  füge  noch 
hinzu,  dass  man  in  Amerika . mit  den  von  mir  vorge- 
schlagenen statisch  bestimmten  mehrtheiligen  Wandgliede- 
rungen bereits  Versuche  angestellt  hat. 

Die  erwähnte  Ungleichmässigkeit  in  den  Senkungen 
der  Theilsysteme  unter  wandernden  Einzellasten  wird 
durch  steife  Gurte  gemildert.  Trotzdem  haben  Konstruk- 
teure wie  Schwedler  und  Köpeke  regelmässig  schon 
bei  zweitheiligen  Systemen  sogenannte  Mittelgurte  ange- 
wendet, um  beide  Theilungen  möglichst  gleichmässig 
zum  Tragen  zu  zwingen.  Statisch  lässt  sich  das  erwähnte 
uneieichmässige  Verhalten  der  unbestimmten  mehrtheiligen 
Wandgliederungen  wohl  erklären,  wenn  man  bedenkt,  dass 
bei  der  Verschiebung  eines  beliebigen  Gurtknotens  7/1 
durch  eine  in  m wirkende  Einzellast  P alle  diejenigen 
Stab-Spannkräfte  ohne  Einfluss  sind,  welche  von  den 
statisch  nicht  bestimmbaren  Grössen  X,  insoweit  diese 

No.  12. 


74 


von  P unabhängig  sind,  hefrühren.  — Wenndch  danach 
in  meinem  von  Hrn.  Müller-Breslau  angegriffenen  Auf- 
sätze, worin  es  sich  um  einen  Vergleich  von 'Wand- 
gliederungen handelte,  gesagt  habe;  „dagegen  verthcilen 
die  stati>ch  bestimmten  mehrtheiligen  Netzwerke  alle 
Lasten  gleichmässig  über  das  gesämmte  Stabwerk  dei 
Wand“,  so  habe  ich  damit  durchaus  nicht  an  eine  gleich- 
massige  Spannkraft-Vertheilung  gedacht,  wie  dies  ja 
schon  aus  den  von  mir  angegebenen  Rechnungs-Ergeb- 
nissen (S.  331  meines  Aufsatzes)  hervorgeht,  ich  nabe  viel 
mehr  dabei  die  konstruktiven  Mängel  der  ungleich- 
mässigen  Formänderungen  im  Auge  gehabt,  die  daraus 
entspringen,  dass  die  einzelnen  Theilsysteme  der  Wand 
bei  den  in  Vergleich  gezogenen  unbestimmten  Anordnun- 
gen die  wandernden  Einzellasten  nicht  gleichmässig  über- 
tragen. Bei  der  „üblichen“  Zerlegung  in  Theilsysteme 
erscheint  sogar  nur  dasjenige  Wandsystem  gespannt,  in 
weichem  die  Knotenlast  P liegt,  alle  anderen  Wandsysteme 
sind  spannungslos.  Ich  wiederhole  aber,  dass  ich  diese 
„übliche“  Zerlegung  in  Theilsysteme  bei  der  Berechnung 
nur  als  einen  unzureichenden  Nothbehelf  ansehe.  Uebri- 
gens  müsste  man  auch,  wenn  man  einen  wirklich  zu- 
treffenden Vergleich  der  Spannkräfte  anstellen  wollte,  ganz 
anders  rechnen,  wie  es  Hr.  Müller-Breslau  thut.  Man 
müsste  zwei  der  in  Rede  stehenden  Systeme,  ein  statisch 
bestimmtes  und  ein  statisch  unbestimmtes,  unter  gleichen 
Verhältnissen  vollständig  durchrechnen,  um  schliesslich 
die  Grenzwerthe  der  Wandglieder-Spannkräfte  mit  ein- 
ander vergleichen  zu  können.  Dann  erst  könnte  man  er- 
kennen, welches  der  beiden  Systeme  gleichmässiger  ge- 
spannt sei.  Ein  solcher  Vergleich  hätte  aber  wenig  oder 
gar  keinen  praktischen  Nutzen,  -was  ich  wohl  nicht  erst 
näher  darzuiegen  brauche. 

Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  ich  in  der  von 
Müller-Breslau  angegriffenen  Abhandlung  die  statisch  be- 
stimmten mehrtheiligen  Wandgliederungen  an  keiner  Stelle 
„empfohlen“  habe,  wie  es  Hr.  Müller-Breslau  jetzt  be- 
hauptet. Im  Gegentheil,  ich  bin  mir  über  deren  geringe  prak- 
tische Bedeutung  für  den  Brückenbau  im  allgemeinen  von 
vornherein  ganz  klar  gewesen.  Eine  grössere  Bedeutung 
haben  sie  für  den  Bau  eiserner  Kriegsbrücken,  und 
hierfür  habe  ich  sie  seinerzeit  an  maassgebender  Stelle 
in  Vorschlag  gebracht.  Wenn  Hr.  Müller-Breslau  aber 
so  sehr  gegen  die  von  mir,  wie  er  Unrechter  Weise  sagt, 
„-empfohlenen“  Systeme  eingenommen  ist,  so  wundert  es 
mich  nur,  warum  er  diesen  Anordnungen  in  der  neuesten 
Auflage  seiner  Statik  (auf  den  S,  501—525)  einen  verhält- 
nissmässig  so  breiten  Raum  gegönnt  hat,  während  er  die 
von  ihm  empfohlenen  statisch  unbestimmten  mehrtheiligen 
Fachwerke  (auf  den  S.  525—533)  nur  nothdüiftig  „ange- 
nähert“ unter  Zerlegung  in  Theilsysteme  berechnet. 

Als  der  zu  Unrecht  Angegriffene  erkläre  ich,  dass 
dies  mein  letztes  Wort  in  dieser  unerquicklichen  Sache 
ist.  Die  „fehlerhafte  Auffassung“  war  dabei  nicht  auf 
meiner  Seite.  — 

Dresden,  den  i.  Dez.  1901.  .Mehrtens. 

ir. 

Auf  die  vorstehenden  Ausführungen  des  Hrn.  Mehrtens 
erwidere  ich,  dass  ich  sämmtliche  Punkte  seiner  ersten 
Entgegnung  gründlich  widerlegt  habe.  Ich  habe  die 
Gruppirung  der  inrede  stehenden  Fachwerke  nach  dem 
gegenwärtigen  Stande  der  Wissenschaft  vorgenommen 
und  gezeigt,  dass  der  von  Hrn.  Mehrtens  aufgestellte 
Satz  in  allen  Theilen  falsch  ist,  weil  Hr.  Mehrtens 
in  seiner  Arbeit  erstens  den  gebräuchlichen  statisch 
unbestimmten  Systemen  zwei  Eigenschaften  zuschreibt, 
von  denen  eine  die  andere  ausschliesst  (biegungsfeste 
Endsfänder  und  bewegliche  Viereckzüge),  w'^eU  zweitens 
das  von  ihm  aufgestellte  Kennzeichen  des  Auftretens  von 

(i— 2)  Viereckzügen  nicht  zutrifft,  und  weil  drittens,  (und 

das  ist  die  Hauptsache)  bei  dem  von  ihm  empfohlenen  Sj^stem 
anstelle  der  von  ihm  b ehaupteten  Gleichmässigkeit  die  grösste 
Ungleichmässigkeit  herrscht.  Den  dehnbaren  Begriff  „ge- 
bräuchlich“ musste  ich  in  den  Kauf  nehmen,  weil  Hr. 
Mehrtens  den  Fehler  begangen  hatte,  einen  Ausspruch,  der 
im  Grunde  mathematischer  Natur  ist,  auf  diesem  unsiche- 
ren Boden  zu  errichten.  Ich  habe  als,  gebräuchlich  be- 
zeichnet, was  E.  Winkler  noch  in  der  letzten  Auflage 
seines  bahnbrechenden  grossen  Werkes  als  den  regel- 
mässigen Abschluss  eines  Netzwerkes  beschrieben  hat. 
Und  wenn  Hr.  Mehrtens  das  ihm  zur  Widerlegung  der 

Ziffer  (t—2)  ~ von  mir  entgegengehaltene  Netzwerk  als 

nicht  mehr  gebräuchlich  und  „der  Geschichte  verfallen“ 
zurückweist,  so  antworte  ich  hierauf  mit  der  Frage,  ob 
er  die  von  ihm  als  gebräuchlich  bezeichneten  Netz- 

8.  Februar  1902. 


werke'  ,,mit  Strebenzügen  die  für  die  Lastübertragung 
nicht  taugen“,  noch  für  lebensfähig  hält.  Er  hat  aber  diese 
Frage  bereits  selbst  dahin  beantwortet,  dass  man  „eigent- 
lich“ nur  noch  die  zweitheiligen  Netzwerke  als  gebräuch- 
lich bezeichnen  dürfe,  und  verschärft  dadurch  nur  meine 
‘Ausstellung,  dass  dem  Schlussatze  seiner  Abhandlung  die 
vvi>senschaftliche  Strenge  fehle.  Hr.  Mehrtens  geht  aber 
in  der  Bestätigung  meiner  Einwendungen  noch  weiter; 
früher  hatte  er  als  besonderen  Vorzug  des  von  ihm 
empfohlenen  Systems  „die  gleichmässige  Vertheilung  aller 
Lasten  über  das  gesammie  Stabwerk  der  Wand,  der  Gurte 
und  der  Ständer“  bezeichnet.  Heute,  nachdem  ich  ihm 
die,  grösste  Ungleichmässigkeit  nachgewiesen  habe,  erklärt 
er,  er  habe  durchaus  nicht  an  eine  gleichmässige  Spann- 
kraft-Vertheilung gedacht,  sondern  mehr  „konstruktive 
Mängel“  im  Auge  gehabt!  Was  die  im  Anschluss  an 
diese  Erklärung  angeführte  selbstverständliche  Thatsache, 
„dass  auf  die  Verschiebung  eines  Gurtknotens  w (eines 
unbestimmten  Systems)  durch  eine  in  m wirkende  Einzel- 
last alle  diejenigen  Stabkräfte  ohne  Einfluss  sind, 
welche  von  den  statisch  nicht  bestimmbaren  Grössen'  X, 
insoweit  diese  von  P^  unabhängig  sind,  herrühren“,  be- 
weisen soll,  ist  unverständlich.  Im  Allgemeinen  hängt 
das  System  der  innerhalb  gewisser  Grenzen  willkürlich 
wählbaren  Werthe  X von  den  Belastungen  sämmtliche.r 
Knotenpunkte  ab.  .Die  Einflusslinien  der  X bestehen  aus 
positiven  und  negativen  Zweigen  und  besitzen  daher  auch 
Nullpunkte.  Das  ist  aber  keine  ausgezeichnete  Eigenschaft 
der  XLinien;  denn  auch  die  Einflusslinien  für  die  Spann- 
kräfte L>  in  den  Wandghedern  d-  r bestimmten  Systeme 
setzen  sich  aus  positiven  und  negativen  Theilen  zusammen. 
Im  übrigen  kommt  es  aber  garnicht  darauf  an,  ob  cf„^ 
von  einzelnen  Stabkräften  unabhängig  ist,  sondern  ledig- 
lich darauf,,  ob  die  Gesammtwirkung  aller  betheiligten  Stab- 
kräfte eine  günstige  oder  ungünstige  ist,  Aus  der  Formel 
für  cT^  infolge  von  P^^ 


= p^^  2 


S^s 

EF' 


wo  S die  Spannkraft  für  P,„=  i ist,  geht  hervor,  dass  S 
in  d nur  in  der  zweiten  Potenz  enthalten  ist  und  die 


Einflüsse  aller  Stabkräfte  positiv  sind.  Da  nun  der  Unter- 
schied entsprechender  d^^  der  hier  zu  vergleichenden  Sy- 
steme hauptsächlich  in  den  verschieden  grossen  Beiträgen 
der  Wandglieder  besteht,  so  gewinnt  man  schon  ein  un- 
gefähres Bild  von  dem  Verhalten  beider  Systeme,  wenn 
man  die  Summe  der  von  den  Wandgliedern  herrührenden 
Werthe  mit  einander  vergleicht.  Mit  Hilfe  der  in  meiner 
Graphischen  Statik  angegebenen  Ordinaten  der  Eintluss- 
linien  für  die  D sin  <p  erhält  man  für  den  dritten  Knoten- 
punkt der  unteren  Gurtung  des  von  Hrn.  Mehrtens  em- 
pfohlenen Trägers  (No.  90  d.  Jahrg.  1901  der  Dtschn. 
Bztg.  Abbildg.  2) 

2g2 

und  für  den  Knoten  3 des  statisch  unbestimmten  Trägers 
(Abbildg.  4 a.  a.  O.) 

i'flä  sin*  f + 6 . ^ ^ 

30J 

Diese  Zahlen  reden  gewiss  eine  deutliche  Sprache  zu 
Ungunsten  des  ersten  Trägers.  Zu  gleich  ungünstigen 
Ergebnissen  für  dieses  Fachwerk  gelangt  man,  wenn  man 
nicht  die  Werthe  , sondern  die  gegenseitigen  Verschie- 
bungen der  Knotenpunkte  und  namentlich  die  für  die 
Beurtheilung  der  Zwängungs-Spannungen  wichtigen  Aen- 
derungen  der  Winkel  5-^^  berechnet,  welche  die  auf- 
einanderfolgenden Gurtstäbe  (m — i)m  und  m (m  -f  i)  mit 
einander  bilden.  Die  Formel  für  lautet: 


P„ 

T 


S^s 

EF 


SS's  \ 

EF  I ’ 


wo  A die  Feldweite  bedeutet  und  S'  die  Spannkraft  be- 
zeichnet, welche  infolge  von  zwei  in  (m  — 1)  und  (m-f-i) 
angreifenden  nach  aufwärts  gerichteten  Lasten  i : A ent- 
steht. In  dieser  Formel  spielt  das  erste  Glied  die  Hauptrolle. 
Für  die  Punkte  3 der  beiden  hier  verglichenen  Träger  er- 
hält man  ^ D D' sin^  <p  ~ 0,04  bezw.  ^DÜ'  cp  =0. 

Auf  die  zur  Begründung  meiner  Kritik  des  ungünstigen 
Spannungsbildes  seines  Systems  von  mir  beigebrachten 
Zahlenwerthe  erwidert  Hr.  Mehrtens,  „man  müsse  ganz 
anders  rechnen,  wie  es  Hr  Müller-Breslau  thut;  man  müsse 
zwei  der  inrede  stehenden  Systeme  vollständig  durchrech- 
nen, um  die  Grenzwerthe  der  Wandglieder-Spannkräfte 
mit  einander  vergleichen  zu  können“.  Nun  finden  sich 
aber  auf  S.  531  meiner  Graphischen  Statik  alle  Grenzwerthe 
max  D und  min  D für  das  statisch  unbestimmte  System 
und  auf  S.  518  die  Ordinaten  säramtlicher  D*Linien  für 


75 


das  bestimmte  Fachwerk,  mit  deren  Hilfe  Jedermann  so- 
fort die  max  D und  min  D berechnen  kann.  Die  beiden 
wichligsten,  für  sich  allein  ausschlaggebenden  Werthe 
max  D infolge  der  Verkehrslast  habe  ich  sogar  in  dieser 
Zeitschrift  mit  einander  verglichen  und  dabei  ausdrücklich 
hervorgehoben,  dass  diese  Werthe  Grenzwerthe  sind. 
Sollte  Hr.  Mehrtens  dies  wirklich  übersehen  haben?  Neben- 
bei habe  ich  dann  noch  die  gleichzeitig  in  anderen 
Diagonalen  herrschenden  Spannkräfle  angegeben,  um  die 
Gleichmässigkeit  der  Vertheilung  der  bei  einer  besimmten 
Zugstellung  entstehenden  Querkräfte  über  die  von  einem 
senkrechten  Schnitte  getroffenen  Wandglieder  zu  prüfen. 


Aus  den  Einwänden  des  Hrn.  Mehrtens  (in  denen  er 
diesen  Vergleichungen  den  praktischen  Nutzen  abspricht) 
geht  hervor,  dass  er  selbst  derartige  eingehende  Unter- 
suchungen nicht  angestellt  hat,  obgleich  gerade  er  dazu 
verpfli(3itet  gewesen  wäre,  als  er  in  seiner  Abhandlung 
das  neue  System  empfahl.  Heute  erklärt  er  zwar,  er 
habe  diese  Anordnung  gar  nicht  empfohlen;  ich  behaupte 
aber,  dass  in  der  Hervorhebung  der  Vorzüge  einer  neuen 
gegenüber  einer  älteren  Sache  unstreitig  eine  Empfehlung 
des  Neuen  liegt.  Weiter  erklärt  Hr.  Mehrtens  nunmehr, 
er  sei  sich  von  vornherein  über  die  geringe  praktische 
Bedeutung  seiner  Bauart  für  den  Brückenbau  im  allge- 
meinen klar  gewesen;  eine  grössere  Bedeutung  habe  sie 
nur  für  den  Bau  eiserner  Kriegsbrücken.  Der  erste  Theil 


dieses  Satzes  bestätigt  nunmehr  die  Richtigkeit  meiner 
Beurtheilung;  zu  dem  zweiten  Theile  bemerke  ich,  dass 
ein  für  den  allgemeinen  Brückenbau  wegen  seines  un- 
günstigen Spannungs-Zustandes  untaugliches  System  den 
besonderen  viel  schwierigeren  Aufgaben  des  feldmässigen 
Brückenbaues  erst  recht  nicht  gewachsen  ist.  Gerade 
bei  einer  zerlegbaren  eisernen  Kriegsbrücke  ist  die  grösste 
Gleichmässigkeit  der  Beanspruchung  der  einzelnen  Theile 
anzustreben.  Die  Anzahl  der  verschieden  geformten  Theile 
muss  möglichst  klein  sein.  Handelt  es  sich  z.  B.  um  eine 
Brücke  mit  Bolzengelenken,  so  müssen  alle  Gelenkbolzen 
denselben  Durchmesser,  und  alle  Stäbe  dieselben  Augen 
erhalten,  damit  alle  gleichartigen 
Theile  mit  einander  vertauscht  wer- 
den können.  Ein  mehrtheiliges  Fach- 
werk, mit  Wandgliedern  in  der  Nähe 
des  Auflagers,  die  so  stark  bean- 
sprucht werden  wie  bei  einem  ein- 
theiligen  System,  muss  ohne  weiteres 
als  unbrauchbar  zurückgewiesen  wer- 
den, weil  diese  grossen  Kräfte  D die 
Konstruktion  sämmtlicher  Knoten- 
punkte ungünstig  beeinflussen.  Auf 
den  wesentlich  kleineren  Kräften  D 
beruht  gerade  in  der  feldmässigen 
Brückenbaukunst  die 
Ueberlegenheit  der 
richtig  konstru- 
irten  statisch  unbe- 
stimmten mehrtheili- 
gen  Fachwerke  gegen- 
über den  bis  jetzt 
bekannt  gewordenen 
bestimmten  Anord- 
nungen. Und  wenn 
Hr.  Mehrtens  sagt,  dass 
bei  den  unbestimmten 
Systemen  die  Schaf- 
fung steifer  Endständer 
Schwierigkeiten  be- 
reite, so  hat  er  wohl 
die  der  Geschichte  ver- 
fallenen schweren  bie- 
gungsfesten Endstän- 
der im  Auge  gehabt, 
mit  denen  allerdings 
keine  Armee  ins  Feld 
rücken  kann;  er  über- 
sieht, dass  in  dem 
wichtigen  Gebilde  der 
gegliederten  Scheibe 
und  in  der  Einschal- 
tung von  Vertikalen  ein 
längst  bekanntes  Mittel 
zur  Verfügung  steht, 
diese  Schwierigkeiten 
spielend  zu  überwin- 
den. Ganz  ohne  Bedeu- 
tung ist,  was  Hr.  Mehr- 
tens über  den  Einfluss 
der  Temperatur  auf 
die  unbestimmten  Bal- 
ken - F achwerke  sagt ; 
sie  spielen  längst  die 
Rolle  nicht,  wie  z.  B. 
die  Zwängungs -Span- 
nungen in  statisch  be- 
stimmten Systemen  mit 
steifen  Knoten,  um 
die  sich  bekanntlich 
Niemand  bei  der  Be- 
rechnung von  Brücken 
kümmert.*) 

In  seinen  weiteren 
Ausführungen  sagt  Hr. 
Mehrtens,  ich  hätte  in  der  neuen  Auflage  des  I.Bandes  meiner 
Graphischen  Statik  die  von  ihm  „empfohlenen''  bestimmten 
Systeme  sehr  ausführlich,  die  anderen  aber  sehr  kurz 
behandelt,  und  erklärt,  er  könne  die  Berechnung  der  un- 
bestimmten Systeme  auf  dem  Wege  der  Zerlegung  in 

*)  Da  Hr.  Mehrtens  mittheilt,  ein  geheimer  Wettbewerb  io  Ange- 
legenheit der  Schaffung  einer  neuen  eisernen  Kriegsbrücke  sei  die  Ver- 
anlassung gewesen,  die  ihn  zuerst  auf  den  Gedanken  gebracht  habe,  den 
statisch  bestimmten  mehrtheiligen  Strebenfachwerken  grössere  Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden  und  dadurch  den  Eindruck  erwecken  kann,  dass  er 
damals  schon  das  von  ihm  neuerdings  empfohlene  bestimmte  System  in 
Vorschlag  gebracht  habe,  so  muss  ich  hier  als  einer  der  Preisrichter  jenes 
Wettbewerbes  erklären,  dass  dies  nicht  der  Fall  gewesen  ist,  dass  er 
vielmehr  ein  unbestimmtes  System  eingereicht  und  auf  Grund  der  Zer- 
legung in  bestimmte  bysteme  berechnet  hat.  Zu  einer  weiteren  Mittheilung 
über  diesen  Gegenstand  bin  ich  leider  nicht  befugt. 


76 


No.  12. 


Theilsysteme  nicht  gelten  lassen;  früher  hätte  ich  mich 
ebenfalls  gegen  diese  Zerlegung  ausgesprochen.  Hierauf 
erwidere  ich:  Es  ist  mir  gar  nicht  eingefallen,  alle  be- 
stimmten mehrtheiligen  Fachwerke  zu  verurtheilen.  Der 
Bauart  Mehrtens  ist  nur  ein  knapper  Raum  gewidmet 
worden;  nicht  mehr  als  unbedingt  nöthig  war,  um  ihre 
Untauglichkeit  2iffernmassig  nachzuweisen.  Die  anderen 
von  mir  untersuchten  bestimmten  Fachwerke  verdanken 
ihre  Aufnahme  nicht  der  Empfehlung  des  Hrn.  Mehrtens, 
sie  enthalten  Bekanntes  und  von  mir  hinzugefügtes  Neues 
{Tragwerk  in  Fig.  514);  wobei  zu  beachten  ist,  dass 
die  Behandlung  des  bestimmten  Systems,  ganz  abgesehen 
von  dessen  Werthschätzung,  in  einem  auf  Vollständigkeit 
Anspruch  erhebenden  Werke  über  die  Statik  der  Bau- 


konstruktioiien  auf  jeden  Fall  gegeben  werden  muss,  weil 
sie  den  unentbehrlichen  Unterbau  für  die  genauereTheorie 
der  unbestimmten  Systeme  bildet.  Die  knappe,  aber,  wie 
ich  behaupte,  vollständige  Behandlung  der  angenäherten 
Berechnung  des  unbestimmten  mehrtheiligen  Fachwerks 
ist  eine  Folge  der  Leichtigkeit  dieser  Aufgabe;  bezüglich 
der  genaueren  Berechnung  ist  ausdrücklich  auf  Band  II*) 
verwiesen  worden.  Bereits  in  der  früheren  Auflage 
meiner  Graphischen  Statik  habe  ich  (im  Gegensätze  zu 
der  mir  von  Hrn.  Mehrtens  beigelegten  Ansicht)  betont, 
dass  es  Fälle  giebt,  in  denen  das  genäherte  und  das 

*)  Dieser  zum  grössten  Theil  bereits  gedruckte  Band  wird  bald  er- 
scheinen. Er  enthält  die  genaue  Berechnung  eines  viertheiligen  Netz- 
werkes mit  steifen  Endscheiben. 

8.  Februar  1902. 


genaue  Verfahren  befriedigend  übereinstimmen.  Nur 
habe  ich  Ingenieuren,  welche  die  strenge  Theorie  nicht 
beherrschen,  und  deshalb  auch  nicht  entscheiden  können, 
wo  die  Grenze  für  die  Zulässigkeit  der  Näherunasrechnung 
liegt,  den  Rath  gegeben,  von  statisch  unbestimmten  mehr- 
theiligen Fachwerken  lieber  abzusehen , da  zwingende 
Gründe  für  deren  Verwendung  im  gewöhnlichen  Brücken- 
bau nicht  vorliegen.  Die  inzwischen  von  mir  und  meinen 
Hörern  angestellten  sorgfältigen  Untersuchungen  mehr- 
theiliger  Netzwerke  mit  steifen  Endscheiben  oder  ein- 
geschalteten Vertikalen  konnte  ich  damals  noch  nicht 
berücksichtigen. 

“T  Unter  anderem  habe  ich  im  dienstlichen  Aufträge  die 
von  Hrn.  Major  Lübbecke  konstruirte  Kriegsbrücke  vor 
der  Inangriffnahme  der  Ausführung,  unter  der  Mitwir- 
kung der  Hrn.  Hauptmann  Strobe  und  Oberleutnant 
Kirchner,  (Offizieren  der  Eisenbahnbrigade  und  ehe- 
maligen Hörern  meiner  Vorlesungen),  eingehend  nach  dem 
strengen  Verfahren  geprüft;  auch  bei  den  zahlreichen 
wissenschaftlichen  Versuchen  habeich  miteewirkt**).  Zwei 
solche  Brücken  (wie  die  meisten  Kriegsbrücken  unbe- 
stimmte mehrtheiiige  Fachwerke),  sind  im  monatelangen 
Verkehr  erprobt  worden.  Und  dass  sie  die  Probe  bestanden 
haben,  beweisen  die  in  dem  gegenwärtig  zur  Berathung 
stehenden  Etat  eingestellten  4,5  Millionen  M.  für  Lübbecke- 
sches  Brückenmaterial.  Mehr  über  diese  Brücken  zu  sagen, 
verbietet  sich  aus  naheliegenden  Gründen.  — 

Müller-Breslau. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Vereiu  zu  Hamburg.  Vers,  am  22.  Nov. 
1901.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  65  Pers.,  aufgen. 
die  Hrn.  Ing.  Erik  Unger  Nyborg,  Bmstr.  Erich  Bunnies 
und  Ing.  Wilh.  Pohlmann. 

Es  erhält  das  Wort  Hr.  Rambatz,  welcher  mittheüt, 
dass  er  die  Eindrücke,  welche  er  auf  einer  wesentlich 
zum  Zwecke  der  Erholung  unternommenen  Sommerreise 
nach  München  und  Tegernsee  empfangen  habe,  wieder- 
geben möchte.  Er  schildert  die  Lage  des  Ortes  Tegern- 
see am  Uebergang  der  Alpen  zur  Bayerischen  Ebene  und 
spricht  sich  befriedigt  aus  über  die  Art,  in  welcher  dort 
dem  Bedürfniss  der  Sommerfrischler  aus  Bayern  nach  länd- 
lichem Aufenthalt  genügt  worden  sei. 
Die  zu  diesem  Zweck  dort  erbauten 
Landhäuser  mit  ihrem  länglich  recht- 
eckigen Grundriss,  dem  überstehen- 
den Dach  mit  umlaufendem  Balkon, 
ohne  weiteren  architektonischen  Auf- 
putz von  Zinkornamenten  u.  dergl. 
unterscheiden  sich  vortheilhaft  von 
dem  dem  Stadthause  nachgebildeten 
Typus  unserer  nordischen  Grosstadt- 
villen. Redner  erwähnt  die  dort  be- 
findliche Benediktiner- Abtei,  welche 
nach  vielfachenUmbauten 
schliesslich  in  den  Besitz 
des  Herzogs  Karl  Theodor 
von  Bayern  gekomm  en  sei 
und  von  welcher  behaup- 
tet wird,  dass  sie  die  Ge- 
burtsstädte der  Glasmale- 
rei sei.  Er  schildert  so- 
dann die  Lage  des  Ortes 
an  der  am  See  entlang 
nach  Tyrol  führenden 
Strasse  und  rühmt  die 
Erhaltung  der  Landes- 
tracht bei  den  Bewohnern 
gegenüber  dem  Ver- 
schwinden der  maleri- 
schen Tracht  derTyroler. 

Redner  wendet  sich 
dann  zur  Wiedergabe  der 
Eindrücke,  welche  er  bei 
seinem  Aufenthalte  in  München  von  der  grossartigen  bau- 
lichen Entwicklung  dieser  Stadt  empfangen  hat.  Er  hat  in 
früheren  Jahren  Gelegenheit  zu  längerem  Aufenthalte  in 
München  gehabt,  zu  einer  Zeit,  wo  die  Stadt  inbezug  auf 
ihre  Bedeutung  noch  auf  der  Stufe  kleinerer  Residenz- 
städte, wie  etwa  Dessau  oder  Strelitz,  gestanden  habe, 
und  sei  überrascht  über  die  Veränderung,  die  das  ganze 
Städtebild  infolge  des  Angliederns  umliegender  Bezirke 
erfahren  habe.  Der  früher  dort  beliebte  Ziegelrohbau 


**)  Die  in  der  österreichisch-UDgarlschen  Armee  eingeführte,  von  Hm. 
Obering.  Job.  Kobn  in  Budapest  konstruirte  zerlegbare  eiserne  Kriegs- 
brücke ist  mir  ebenfalls  s.  Z.  vom  Hrn.  Erfinder  dieser  eigenartigen  Bau- 
art zur  Beurtheüung  vorgelegt  worden.  Die  Zerlegung  in  statisch  be- 
stimmte Theilsysteme  habe  ich  auch  bei  dieser  Brücke  für  zulässig  erkannt. 


77 


habe  jetzt  keine  Anhänger  mehr,  man  finde  vielmehr 
überwiegend  Putzbau,  aber  nicht  in  der  Form  der -Ver- 
wendung des  Putzes  als  Surrogat  iür  Werkstein- Archi- 
tektur, sondern  in  eigenartiger,  der  Natur  des  Materials 
angepasster  Ausführung,  mit  flachem  Relief  und  verschie- 
denartiger Behandlung  der  Puizflächen,  wodurch  eine 
reizvolle  Wirkung  erzielt  wird.  Die  Farbe  sei  meistens  ein 
zartes  Hellgrau,  doch  kommen  auch  lebhaftere  Färbungen 
vor,  die  zuweilen  sogar  übertrieben  wirken.  Die  Dächer 
bestehen  meistens  aus  roihen  Ziegeln,  sie  erfahren  eine 
liebevolle  Behandlung  und  folgerichtige  Anwendung  der 
Giebel,  wobei  die  Benutzung  der  letzteren  als  reines  De- 
korationsmotiv vermieden  ist. 

Die  vorkommenden  Werksteinfassaden  unterscheiden 
sich  vortheilhaft  von  der  in  Berlin  üblichen  glatten  Bear- 
beitung der  Flächen,  sodass  der  Charakter  des  Quader- 
baues erhalten  bleibt,  wofür, als  Beispiel  besonders  auf 
den  Justizpalast  verwiesen  wird. 

Nach  Erwähnung  einiger  neuer  Monumentalbauten 
Münchens,  insbesondere  des  Bayer.  National  - Museums 
und  des  Künstlerhauses,  sowie  der  Kunstausstellung  mit 
der  sehr  bescheiden  dabei  vertretenen  Architektur-Aus- 
stellung,  wendet-  sich  Redner  zu  einer  Besprechung  der 
neueren  Platz-  und  Strassenanlagen  und  skizzirt  die  Lage 
des  Justizgebäudes,  wobei  er  das  Fehlen  jeglicher  Be- 
ziehungen der  Hauptaxen  des  Gebäudes  zu  den  umgeben- 
den Sirassenzügen  rügt.  Besser  liegt  das  National-Museum 
an  der  Prinz-Regentenstr.,  welche  als  eine  stattliche  Strassen- 
anlage  bezeichnet  wird,  bei  der  nur  leider  eine  befriedi- 
gende Verbindung  mit  dem  sonstigen  Strassennetz  fehlt. 

Als  Beispiel  für  die  Ausbildung  des  heutigen  städti- 
schen Wohnhauses  Münchens  wird  vom  Redner-  eine  von 
ihm  besichtigte  Wohnung  in  einem  grossen  Etagenhause 
beschrieben  und  im  Grundriss  skizzirt.  Die  Wohnung  be- 
steht aus  s Zimmern  mit  Küche,  Badestube  und  Neben- 
räumen und  sollte  nach  der  an  Ort  und  Stelle  erhaltenen 
Auskunft  3800  M.  Miethe  (?  Die  Red.)  kosten,  was  als  ein  für 
hiesige  Verhältnisse  ganz  unmöglicherPreis  bezeichnet  wird. 

Endlich  bespricht  Redner  noch  ausführlich  das  Münche- 
ner Schauspielhaus  und  das  Prinzregenten-Theater,  beide 
nach.  Entwürfen  der  Architekten  Heilmann  und  Littmann 
erbaut,  und  bezieht  sich  hierbei  auf  den  in  No.  66  der 
Dtschn.  Bztg.  erschienenen  Aufsatz  von  Albert  Hofmann 
in  Berlin : „Zur  Entwicklung  und  Bedeutung  des  moder- 
nen Theaters  als  einer:  sozialen  Wohlfahrtsanstalt.'' 

Redner  schliesst  mit  einer  Beurtheilung  der  modernen 
Münchener  Bauart,  von  der  er  bekundet,  dass  dieselbe 
seiner  Ansicht  nach  auf  gesunden  Bahnen  wandele. 

Nachdem  dem  Redner  für  seinen  von  der  Versammlung 
mit  lebhaftem  Beifall  aufgenommenen  Vortrag  vom  Vor- 
sitzenden gedankt  ist,  wird  wegen  vorgerückter  Zeit  der 
noch  auf  der  Tagesordnung  stehende  Vortrag  des  Hrn. 
Elvers  über  Reiseeindrücke  aus  London  vertagt.  — 

Vers,  am  .29.  Nov.  1901.  Vors.  Hr.  Zimmermann, 
anwes.  66  Pers. 

Der  Hr.  Vorsitzende  theilt  mit,  dass  der  Verbands-Vor- 
stand ein  Exemplar  der  „Denkschrift  über  die  Stellung  der 
höheren  städtischen  Baubeamten“  geschickt  habe,  und  dass 
eine  Subskriptionsliste  zum  Bezug  dieser  Denkschrift  im 
Vorzimmer  ausgelegt  sei.  Neben  einigen  weiteren  Mit- 
theilungen wird  vom  Vorsitzenden  aufmerksam  gemacht 
auf  einen  bevorstehenden  Wettbewerb  der  Hamburger 
Freihafen-Lag^baus-Gesellschaft  unter  Hamburger  Archi- 
tekten für  Entwürfe  zu  einem  Direktions-Gebäude  mit  einem 
Kostenaufwand  von  350  000  M. 

Sodann  erhält  das  Wort  Hr.  Burchard  zu  einem 
Vortrage  über  „Neuere  Deckenkonstruktionen“.  An 
Hand  eines  reichen  Materials  ausgestellterZeichnungen  giebt 
Redner  eine  Uebersicht  über  die  in  den  letzten  Jahren 
zu  so  grosser  Zahl  angewachsenen  neuen  Erfindungen  auf 
dem  Gebiete  der  Konstruktion  massiver  Decken,  welche  von 
ihm  in  zwei  Hauptgruppen,  ohne  und  mit  Eiseneinlagen  ein- 
getheilt  werden.  Auf  eine  Wiedergabe  des  Vortrages  muss 
hier  verzichtet  werden,  da  dieselbe  ohne  das  Zeichnungs- 
material schwer  ausführbar  ist.  Nachdem  Redner  auf  einige 
Fragen  — von  Hrn.  Hennicke  bezügl.  der  Konstruktion  der 
Behrens’schen  Decke  und  von  Hrn.  Heubel  bezügl.  der 
Feuersicherheit  der  Trägeruntersichten  in  Putz  — erwidert 
hat,  spricht- der  Vorsitzende  ihm  unter  lebhaftem  Beifall 
den  Dank  für  seinen  interessanten  Vortrag  aus. 

Im  Hinblick  auf  die  vo.rgerückte  Zeit  wird,  der  zweite 
Gegenstand  der  Tagesordnung:  „Die  Streik-Klausel  in 
Bauverträgen“  auf  die  nächste  Sitzung  verschoben.  — 

Mo. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Bremen.  In  6 Hauptversamm- 
lungen und  28  ord.  Sitzungen,  die  durchschnittlich  von 
23  Mitgliedern  besucht  waren,  hat  der  A.-  u.  I.-V.  während 
des  verflossenen  Jahres  an  der  Verfolgung  seiner  viel- 


seitigen Aufgaben  gearbeitet;  In  einer  'Reihe  von' Fällen 
hätte  er  die  Genugthuung,  den  Behörden  mit  gutachtlichem 
Rathe  zurseite  stehen  zu  können.  So  wurden  auf  Ersuchen 
der  Polizei-Direktion  die  Verordnungen  über  Anlage  und 
Betrieb  von  Fahrstühlen  in  einer  Kommission  festgestellt 
und  die  seit  mehreren  Jahren  mit  umfänglichen  Vorar- 
beiten in  Vorbereitung  begriffene  neue  Bauordnung  einer 
abermaligen  Berathung  und  Redaktion  unterzogen.  Auf 
Veranlassung  der  Baudeputation  erliess  der  Verein  das 
Preisausschreiben  zur  architektonischen  Ausschmückung 
der  Kleinen  Weserbrücke  unter  Bremischen  Architekten 
und  hatte  damit  einen  erfreulichen  Erfolg.  Ebenso  hatte 
er  sein  Gutachten  abzugeben  über  die  Pläne  zur  Bebauung 
des  Gebäudeblockes  am  Markt  und  Kaiser  Wilhelmsplatz, 
dessen  architektonische  Behandlung  demnächst  zum  zweiten 
Male  Gegenstand  eines  Preisausschreibens  werden  soll, 

Unter  den  grösseren  Vorträgen,  die  durchweg  aus  dem 
Arbeitsstoff  der  betreffenden  Mitglieder  gegriffen,  infolge 
der  angesammelten  Menge  eigener  Erfahrungen  meist  als 
inhaltsreiche  und  anregende  Fachabhandlungen  gelten  durf- 
ten, seien  die  folgenden  erwähnt:  H.  Gräpel  über  „die 
Brücken  Bremens  und  die  Pläne  zu  deren  Um-  und  Neu- 
bauten“; Dittmann,  „Organisation  und  Leistungen  der 
französischen  Feuerwehr“  und  später  „Entwicklungs-Ge- 
schichte der  Handfeuerwaffe“;  Lange,  „die  Ausbildung 
der  Techniker  an  deutschen  Hochschulen  und  die  Vor- 
schläge zu  ihrer  Reform“;  Dr.  Schaefer,  „das  moderne 
Kunstgewerbe  nach  den  Erfahrungen  der  Pariser  Welt- 
ausstellung“ ; Laue,  „elektrische  Schiffszugs-Einrichtungen 
für  Kanäle“;  Käufel,  „neue  maschinelle  Anlagen  beiden 
modernen  Schnelldampfern“;  Dr.  J,  Müller,  „der  singende 
Lichtbogen  und  die  drahtlose  Telegraphie“  mit  Vorlührung 
der  nöthigen  experimentalen  Versuche;  Oeltjen,  „neue 
Strassenbrücken  im  Bremer  Landgebiet“;  Wilda,.„selbst- 
thätig  sich  schliessende  Ventile  beim  Bruch  von  Dampf- 
rohren“; Suling,  „Das  System  der  Befeuerung  der  Unter- 
weser“; Wagner,  „moderne  Irrenanstalts  - Bauten“; 
Bücking,  „Das  Wasserstrassennetz  Schwedens  und  seine 
Geschichte“.  — Wie  die  einzelnen  Mitglieder  häufig  Ge- 
legenheit nahmen,  aus  ihrem  jeweiligen  Wirkungskreise 
in  kleineren  Mittheilungen  interessante  Einzelheiten  zur 
Besprechung  zu  bringen,  so  berichtete  im  Zusammenhänge 
mit  der  Besichtigung  des  vollendeten  Domes  E.  Ehrhardt 
über  seine  letzten  Wiederherstellungs-Arbeiten,  insbeson- 
dere den  Bau  des  Altars  und  die  Ausschmückung  des 
Chores,  und  zur  Vorbereitung  einer  gemeinsamen  Be- 
sicUtigung  erörterte  Bücking  die  neuesten  Arbeiten  und 
. die  damit  gemachten  Erfahrungen  bei  der  Korrektion  der 
Aussenweser.  Ausserdem  wurden  unter  Führung  von 
H.  Gräpel  die  neuen  Kläranlagen  im  Blocklande  und 
unter  Führung  von  Karbe  die  nunmehr  fertig  gestellten 
Bauten  des  neuen  Gaswerkes  in  Augenschein  genommen. 

Die  ausserordentlich  lebhafte  Theilnahme  der  Fachge- 
nossen und  der  Behörden,  unter  der  die  Mitglieder  mit 
ihrem  Vorsitzenden  H.  Bücking  am  i.  April  v.  J.  dessen 
25jährige  Thätigkeit  im  Bremischen  Staatsdienste  feierten, 
gereichte  auch  dem  Verein  zu  schöner  Ehre.  Das  Fest 
gab  im  Kleinen,  so  wie  die  Wander-Versammlung  des 
Verbandes  1900  im  Grossen  Gelegenheit,  das  Bewusstsein 
zu  stärken,  dass  Bremen  die  Bedeutung  der  technischen 
Wissenschaft  und  ihrer  Vertreter  für  das  moderne  Wirth- 
schaftsleben  zu  schätzen  und  zu  ehren  weiss.  — Sch. 

Die  V.  Hauptversammlung  des  „Deutschen  Beton-Ver- 
eins“ findet  am  26.  u.  27.  Febr.  d.  J.  im  Architekteiihause 
zu  Berlin  statt.  Aus  der  Tagesordnung  heben  wir  hervor: 
Bericht  über  die  Frage:  „Wie  prüft  man  Zementröhren“; 
Vortrag  des  Hrn.  Ob.-Ing.  Dr.  Meissner  über  „armirten 
Beton  und-  dessen  Anwendung  im  Hoch-  und  Tielbau“; 
Vortrag  des  Hrn.  Ob.-Ing.  Schönbrunn  über  „Beton- 
Brücken“;  Mittheilungen  über  bemerkenswerthe  Bauaus- 
führungen und  neue  ßetonprodukte  usw.  — 


Vermischtes. 

Die  etatsmässige  Anstellung  der  Reg.-Baumeister  der 
preuss.  Staatsbau  Verwaltung  wird  durch  einen  Erlass  des 
Hrn.  Ministers  d.  öffentl.  Arbeiten  vom  17.  Jan.  d.  J.  ander- 
weitig geregelt.  Es  können  nämlich  die  Reg.-Baumeister 
nach  5jährigem  Staatsdienst  sowohl  im  Ressort  des  Minist, 
d.  öff.  Arbeiten,  wie  ^ demjenigen  der  landwirthschaftl. 
Verwltg.  unwiderruftich  angestellt  werden.  Sie  erlangen 
dann  mit  dieser  Erklärung  „die  Pensions-Berechtigung  nach 
Maassgabe  der  gesetzl.  Bestimmungen  einschl.  des  Anspruchs 
ihrer  Hinterbliebenen  auf  Wittwen-  und  Waisengeld,  so- 
wie das  Recht  auf  , den  Bezug  der  gesetzl.  Umzugskosten 
bei  Versetzungen  und  können  nur  noch  im  Wege  des 
Disziplinär -Verfahrens  aus  dem  Staatsdienste  entlassen 
werden“. 


78 


No.  12. 


Es  wird  damit  ein  im  Vorjahre  (Dtsche.  Bztg.  1901 
S.  231)  ira  Abgeordnetenhause  gegebenes  Versprechen  der 
Staatsbauverwaltung  eingelöst,  mit  welchem  wenigstens  die 
schwerwiegenden  Misstände  der  übergrossen  Wartezeit  der 
Staatsbaubeamten  bis  zur  endgiltigen  Anstellung  in  etwas 
gemildert  werden.  Allerdings  kann  man  aus  dem  Wort- 
laute des  Erlasses  auch  den  Eindruck  gewinnen,  als  wenn 
mit  dieserVerbesserung  der  Verhältnisse  gleichzeitig  wieder 
eine  Verschärfung  der  Annahme-Bedingungen  der  Reg.- 
Baumeister  in  Aussicht  genommen  sei,  Durch  diesen 
Erlass  wird  nämlich  der  Abs,  4 des  § 50  der  Vorschrift 
über  die  Ausbildg.  u.  Prüfung  f,  d.  Staatsdienst  i.  Baufache 
V.  I.  7.  1900  anscheinend  nicht  unwesentlich  geändert,  so- 
weit die  Entlassung  der  noch  nicht  etatsmässig  angestellten 
Reg.-Baumeister  infrage  kommt.  Während  es  nämlich 
früher  hiess:  „Kommt  der  Regierungs-Baumeister  seinen 
dienstlichen  Verpflichtungen  nicht  nach  oder 
führt  er  sich  so  tadelhaft,  dass  er  zur  Verwen- 
dung im  Staatsdienst,  nicht  geeignet  erscheint, 
so  kann  von  dem  Minister  d,  öffentl.  Arbeiten  seine  Ent- 
lassung aus  dem  Staatsdienst  verfügt  werden.  Er  verliert 
damit  das  Recht  auf  die  Führung  des  Titels  „Regierungs-Bau- 
meister“, setzt  der  neue  Erlass  anstelle  dieser  Ausführung; 
„Die  Reg.-Baumeister  werden  aussereiatsmässig  zunächst 
auf  Widerruf  angestellt  und  können,  sofern  sie  sich  nicht 
als  geeignet  für  den  Staatsdienst  erweisen,  auf 
Vfg.  d.  Ministers  usw.  aus  dem  Staatsdienst  entlassen  wer- 
den. Hierbei  wird  in  jedem  Falle  bestimmt,  ob  mit  der 
Entlassung  das  Recht  zur  Führung  des  Titels  „Regierungs- 
Baumeister“  verloren  geht,  oder  ob  der  Titel  mit  dem 
Zusatz  „a.  D.“  fortgeführt  werden  kann.“ 

Vergleicht  man  die  gesperrten  Stellen  dieser  beiden 
Erlasse  namentlich  auch  noch  im  Zusammenhänge  mit  der 
Bestimmung  über  die  Aberkennung  des  Titels  „Regierungs- 
Baumeister“,  so  ist  es  wohl  zweifellos,  dass  der  jetzige 
Erlass  nicht  nur  die  des  Staatsdienstes  „unwürdigen“  trifft, 
also  diejenigen , welche  gewissermaassen  auf  disziplinari- 
schem Wege  entfernt  werden,  sondern  auch  solche,  die 
vielleicht  nur  in  ihren  Fähigkeiten  den  augenblicklichen 
An.sprüchen  der  Verwaltung  nicht  voll  entsprechen.  Wir 
hoffen,  dass  der  Erlass  nicht  in  diesem  Sinne  gemeint 
sein  soll,  aber  jedenfalls  kann  er  so  aufgefasst  werden.  — 
Verbandsrohr  der  deutschen  Zentralhelzungs  - Industri- 
ellen. Der  Verband  deutscher  Zentralheizungs-Industrieller 
hat  mit  'dem  Syndikat  der  deutschen  Rohrwalzwerke  ein 
Abkommen  getroffen,  nach  welchem  dieselben  ein  in  be- 
stimmten Maassen,  Wandstärken  und  Gewichten  herge- 
stelltes und  auf  bestimmten  Druck  geprüftes  Verbandsrohr 
liefern.  Von  diesem  Rohr  ist  (mit  Ausnahme  des  Rohres 
von  IO  nim  Durchm.,  welches  aus  technischen  Gründen  nicht 
gestempelt  werden  kann)  jede  Stange  mit  dem  gesetzlich 
■geschützten  Waarenzeichen  gestempelt.  — 


Todtenschau. 

Adolf  von  Hänei  f.  In  Stuttgart  starb  am  4.  Febr.  im 
Alter  von  77  Jahren  nach  langem  Leiden  der  Baudirektor 
und  Professor  a.  D.  Adolf  von  Hänei,  ein  um  die  deutsche 
Technik  hochverdienter  Fachgenosse.  Im  Alter_,von  nur 
23  Jahren  begann  er  1847  seine  Lehrthätigkeit,  der  er  erst 
nach  S3  Jahren,  1900  entsagte,  um  einer  nur  kurzen  be- 
schaulichen Ruhe  zu  leben.  Als  Lehrer  für  Brückenbau 
an  der  Technischen  Hochschule  in  Stuttgart  und  als  Hilfs- 
lehrer an  der  dortigen  Baugewerkschule  leitete  er  die 
Ausbildung  zahlreicher  deutscher  und  fremder  Ingenieure. 
Insbesondere  die  Ingenieure  Württembergs  sassen  fast 
vollzählig  zu  seinen  Füssen.  Aus  seinem  Schülerkreise 
sind  zahlreiche  hervorragende  Ingenieure  an  Hochschulen 
und  in  der  Praxis  hervorgesangen.  Im  Jahre  1897  be- 
ging der  Verstorbene  seine  50jährige  Jubelfeier  als  Lehrer. 
Hänei  war  seit  1848  Mitglied  und  seit  1888  Ehrenmitglied 
des  Württembergischen  Vereins  für  Baukunde;  in  den 
Jahren  1885  und  1886,  spwie  1891  und  1892  war  er  Vor- 
sitzender dieses  Vereins.  Hänei  war  auch  Ehrenmitglied 
des  Sächsischen  Ingenieur-  und  Archiiekten-Vereins.  — 


Bücherschau. 

Statik  für  Baugewerkschulen  und  Baugewerksmeister  von 
Karl  Zillich,  Wasserbauinsp.  H.  Th.  Festigkeits- 
lehre. 2.  Aufl.  Berlin  1902.  Verlag  von  Wilhelm 
Ernst  & Sohn.  Pr.  kart.  2,50  M. 

Wir  haben  bereits  bei  dem  erstmaligen  Erscheinen 
des  kleinen  Werkes  auf  dasselbe  hingewiesen,  da  es  seinem 
Zwecke  in  praktischer  Weise  entspricht  und  innerhalb 
des  selbst  gezogenen  engen  Rahmens  als  recht  brauchbar 
erscheint.  Es  gliedert  sich  in  3 Theile,  von  denen  der 
erste  die  graphische  Statik,  der  zweite  die  Festigkeitslehre, 

8.  Februar  1902, 


der  dritte  die  Berechnung  grösserer  Konstruktionen  wie 
Dächer,  Gewölbe,  Stützmauern  usw.  zum  Gegenstand  hat. 
Vom  2.  Theile  liegt  uns  jetzt  die  2.  Aufl.  vor,  die  gegen- 
über der  I.  eine  Reihe  von  Verbesserungen  zeigt,. nament- 
lich auch  durch  Hinzufügung  einiger  neuen  Tabellen  über 
die  Tragfähigkeit  von  Stützen  bereichert  ist.  — 

Die  Umschau.  Uebersicht  über  die  Fortschritte  und  Be- 
wegungen auf  dem  Gesamrafgebiet  der  Wissenschaft, 
Technik,  Litteratur  und  Kunst.  Herausgegeben  von 
Dr.  J.  H.  Bechhold.  Wöchentlich  i Nummer,  jähr- 
lich 12  M.  Verlag  H.  Bechhold,  Frankfurt  a.  M._  — 
Ein  sehr  bemerkenswerther  Aufsatz  des  Privatdozenten 
an  der  Techn.  Hochschule  in  Charlottenburg  0.  Stiehl 
über  „die  Anfänge  des  deutschen  Wohnbausbaues“  giebt 
uns  Veranlassung,  auf  diese  Zeitschrift  hinzuweisen  als 
auf  ein  Blatt,  das  geeignet  ist_,  in  den  wissenschaftlichen 
und  technischen  Ereignissen  in  allgemeinerer  Form  auf 
dem  Laufenden  zu  halten.  — 

Anleitung  zum  Entwerfen  und  zur  statischen  Berechnung 
für  gemauerte  Fabrikschornsteine  usw.  von  H.  Jahr, 
kg].  Gewerberath,  Hagen  i.  W.,  1902.  ,9.  Aufl.  Ver- 
lag von  Otto  Hammerschmidt,  Preis  kart.  2 M.  — 
Das  vorliegende,  100  Seiten  in  klein  8 0 umfassende 
Schriftchen,  das  von  seinem  Verfasser  „für  den  praktischen 
Gebrauch“  bearbeitet  ist,  erfüllt  diese  Aufgabe  thatsäch- 
lich  in  hohem  Maasse,  da  es  in  gedrängter  Kürze  und 
klarer  Darstellung  alles  für  praktische  Zwecke  Wjssens- 
werthe  aus  dem  betreffenden  Gebiete  zusammenfasst.  Es 
werden  zunächst  die  Grundlagen  geschaffen  für  die  Be- 
rechnung, indem  die  Gutachten  der  preuss.  Akademie 
des  Bauwesens,  die  Verfügungen  des  Ministers  d.  öffentl. 
Arbeiten,  die  Beschlüsse  der  vom  Flandelsministerium  1900 
zusammenberufenen  Sachverständigen -Kommission  über 
die  anzunehraende  Höhe  des  Winddrucks,  sowie  der  zu- 
lässigen Spannungen  usw.  vorausgeschickt  werden,  wo- 
ran sich  dann  die  Durchführung  der  Berechnung  knüpft, 
deren  Ausführung  durch  zweckmässig  angeordnete  Rech- 
nungsvordrucke, in  welchen  die  Abmessungen  und  die 
Rechnungs-Ergebnisse  übersichtlich  zusammengestelit  wer- 
den können,  erleichtert  wird.  Angeschlossen  ist  noch  eine 
Anleitung  zur  Berechnung  von  eisernen  Schornsteinen  und 
eisernen  Dachkonstruktionen,  wie  sie  gemäss  § 10  Abs.  4 
der  Anweisung  zur  Genehmigung  der  Dampfkessel  vom 
9.  März  1900  den  Konzessionsanträgen  für  solche  Anlagen 
beizufügen  sind. 

Das  Werkchen  kann  auch  denen  empfohlen  werden, 
die,  ohne  in  die  Theorie  der  Berechnung  tiefer  eindringen 
zu  müssen,  sich  doch  in  einfacher  Weise  Kenntniss  von 
den  leitenden  Gesichtspunkten  verschaffen  wollen.  — 

Charakteristische  Giebelbauten  und  Portale  in  Danzig  aus 
der  Zeit  vom  14.  bis  18.  Jahrhundert.  60  Blatt  Licht- 
drucke nebst  einem  Vorwort.  Herausgegeben  vom 
We--:tpreussischen  Architekten-  und  Ingenieur-Verein 
zu  Danzig.  Verlag  von  R.  Th.  Kuhn's  Erben  in 
Danzig,  igor.  Preis  6 M.  — 

Eine  interessante  Sammlung  zum  grossen  Theil  noch 
wenig  bekannter  Blätter,  welche  den  Reichthum  Danzigs 
an  charakteristischen  Bauten  zur  Erscheinung  bringen. 
XIV.,  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  sind  durch  kleinere 
Gruppen  von  Bauwerken  vertreten,  -während  das  XVII. 
und  das  XVIII.  Jahrhundert  den  Löwenantheil  für,  sich 
beanspruchen.  Das  dankenswerthe  Unternehmen  geht  vom 
Architekten-  und  Ingenieur-Verein  in  Danzig  aus,  der  es 
für  seine  Pflicht  hielt,  , .wenigstens  das  jetzt  noch  Erhaltene 
in  Bild  und  Wort  festzulegen,  in  der  Hoffnung,  hierdurch 
manche  Bürger  der  Stadt  auf  den  architektonischen  und 
künstlerischen  Werth  der  aus  fiüheren  Jahrhunderten 
stammenden  Bauten  aufmerksam  zu  machen  und  zur  Er- 
haltung dieser  charakteristischen  Bauten  Danzigs  beizu- 
tragen“. — 


Preisbewerbungen. 

Ein  engerer  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  ein  Brahms- 
Denkmal  ln  Wien  ist  unter  den  Bildhauern  Max  Klinger 
in  Leipzig,  Joh.  Benk,  Karl  Kundmann  und  Rud.  Weyr, 
die  letzteren  in  Wien,  erlassen  worden.  — 

Zur  Urheberschaft  des  mit  dem  I.  Preise  gekrönten  Ent- 
wurfes zum  Hamburger  Bismarck-Denkmal  hatte  uns  Hr. 
Arch.  E.  Schaudt  unter  dem  n.  Jan.  die  Mittheilung  ge- 
macht: Der  gesammte  Entwurf  für  das  Denkmal  ist 

thatsächlich  von  mir  ohne  irgend  einen  Einfluss  von 
Seiten  des  Bildhauers;  von  Hrn.  Lederer  ist  nur  die 
Figur  des  Roland-Bismarck.  Auch  das  architektonische 
Modell  ist  von  mir“.  Im  gleichen  Sinne  berichteten  wir 
in  unserem  Aufsatze  über  den  Wettbewerb.  Es  schreibt 
uns  nun  Hr.  Schaudt  unter  dem  31.  Jam,  dasa  diese  ße- 


19 


merkung  falsch  aufgefasst  worden  sei  und  zu  der  irrigen 
Annahme  geführt  habe,  dass  auch  der  Gedanke  der  Bis- 
marck-Statue von  ihm  ausgehe.  „Mein  Mitarbeiter,  Hr. 
Lederer,  hat  die  Bismarck-Statue  entworfen  und  vollendet, 
ohne  dass  ich  irgendwie  daran  betheiligt  war,  und 
ich  gestehe  mit  Freuden,  dass  gerade  sein  Werk  unserem 
Entwurf  zur  Anerkennung  verholfen  hat'*.  — 


Chronik. 

Die  Gründung  einer  modernen  Gallerie  in  Wien  ist  durch 
eine  Vereinbarung  zwischen  Staat,  Stadt  und  Land  beschlossen 
worden.  Das  auf  dem  Kaidsplatze  in  Wien  mit  einem  Aufwands 
von  2,5  Mül.  Kr.  zu  errichtende  städt.  Museum  ist  zur  Aufnahme 
der  Gallerie  bestimmt.  Für  das  Gebäude  ist  ein  engerer  Wettbe- 
werb in  Vorbereitung.  — 

Eine  Lungenheilstätte  der  Stadt  München-Gladbach  soll 
auf  einem  Waldgelände  der  Gemeinde  Hardt  errichtet  werden.  Für 
die  Heilstätte  steht  ein  Vermächtniss  von  800000  M.  zur  Verfügung.  — 
Der  Ausbau  der  Universitätskirehe  in  Innsbruck  ist  durch 
eine  Stiftung  des  Hrn.  Hans  von  Sicherer  ermöglicht  und  in  diesen 
Tagen  vollendet  woiden.  Die  Kirche  wurde  1620  nach  einem  Ent- 
würfe Solario’s  begonnen,  blieb  aber  infolge,  des  30  jährigen  Krieges 
ohne  Thürme  und  Fassade.  Diese  sind  nun  nach  einem  Entwurf 
des  Arch.  Friedr.  Schachner  in  Wien  hinzugefugt  worden.  — 
Ein  Eisenbahntunnel  unter  dem  Hudson  zur  unmittelbaren 
Einführung  der  Pennsylvaoian-Eisenbahn  in  das  Herz  von  New- York 
wird  mit  einem  Kostenaufwand  von  rd.  80  Mül.  M.  geplant.  Der- 
selbe soll  auch  den  East-River  kreuzen,  also  Brooklyn  und  ganz 
Long-Isiand  erschliessen.  Die  Länge  dieser  für  den  Verkehr  von 
New-York  überaus  wichtigen  Tunnelstrecke  würde  id.  24  km  be- 
tragen. — 

Die  Schiffbarmachung  der  oberen  Donau  wird  nach  Fertig- 
stellung des  Entwurfes  für  die  Main -Donau-Wasserstrasse  zum 
Gegenstände  des  Studiums  durch  den  bayerischen  Kanalverein  ge- 
macht werden.  Die  Kosten  sind  mit  35000  M.  veranschlagt.  Als 
Leiter  der  Arbeiten  ist  Hr.  Bauamtmann  Faber  in  Aussicht  ge- 
nommen. — 

Die  Anlage  von  Thalsperren  im  Gebiete  der  Ocker  und 
ihrer  Nebenflüsse  ist  durch  die  herzogl.  braunschweigische  Re- 
gierung mit  einem  Aufwande  von  etwa  15  Mill.  M beabsichtigt.  — 
Für  den  Bau  einer  Thalsperre  im  oberen  Ruhrgebiet  im 
Hennethale  hat  sich  am  19.  Dez.  v.  J.  eine  Thalsperre-Genossen- 
schaft  gebildet.  Fassung  des  Sammelbeckens  9,5  Mill.  cbm,  Bau- 
kosten 2,25  Mül.  M.  Planung  und  Oberleitung  der  Ausführung  liegen 
in  den  Händen  des  Hrn.  Prof.  Intze  in  Aachen.  — 

Der  Bau  der  österreichischen  Alpenbahnen,  namentlich 
der  zweiten  Verbindung  mit  Trie.st,  macht  gute  Fortschritte.  Nach 
eingehenden  Versuchen  hat  man  sich  für  die  beiden  grossen  Tunnel 
dieser  Linie,  den  Wocheiner  und  den  Kar awan ken-Tunn el, 
für  die  elektrische  Bohrung  entschieden.  Die  Vergebung  dieser 
Arbeiten  ist  cingeleitet.  — 

Die  Errichtung  eines  Bismarck-Denkmals  in  Heilbronn 
findet  nach  einem  Entwurf  des  Architekten  Prof.  Otto  Rieth  in 
Berlin  statt.  — 

Für  eine  Wiederherstellung  der  romanischen  Doppel- 
kirche in  Schwarz  - Rheindorf,  die  nach  dem  Entwuife  von 
Ludwig  Arntz  lediglich  die  Erhaltung  des  Bestehenden  ins  Auge 
fasst,  sind  die  auf  den  Staat,  die  Provinz  und  die  Stadtgemeinde 
vertheütcn  Mittel  gesichert.  — 

Die  Errichtung  eines  Krematoriums  in  Karlsruhe  1.  B. 
durch  den  dortigen  Verein  für  Feuerbestattung  ist  durch  Ueber- 
lassung  eines  Geländes  auf  dem  slädt.  Friedhofe  angefaahnt.  — 
Die  Errichtung  einer  thüringischen  technischen  Hoch- 
schule in  Jena  ist  angebahnt  und  die  Verhandlungen  darüber 
zwischen  den  Regierungen  der  thüringischen  Staaten  dem  Ab- 
schluss nahe.  - - 

Die  Einrichtung  eines  Hochwasser-Nachrichtendienstes 
für  das  Donaugebiet  ist  durch  das  kgl.  bayerische  hydi  otechnische 
Büreau  erfolgt.  Eine  gleiche  Organisation  für  das  Maingeb. et  ist 
in  Aussicht  genommen.  — 

Neue  Theater  in  Stuttgart.  Anstelle  des  abgebrannten  Hof- 
theaters in  Stuttgart  sollen  zwei  neue  ständige  Theater  erbaut 
werden:  ein  einfacheres  Schauspielhaus  und  ein  reicheres 
Opernhaus.  — 

Für  einen  Neubau  des  Hoftheaters  in  Braunschweig  nach 
den  Entwürfen  des  Architekten  Heinrich  Seeling  in  Berlin  be- 
willigte der  braunschweigische  Landtag  i 350  000  M.  — 

Ueber  einen  Neubau  der  Augustus- Brücke  in  Dresden 
nach  dem  Entwurf  des  Hrn.  Stadtbrth.  Klette  ist  ein  Einverständ- 
niss  zwischen  Ministerium  und  Stadt  erzielt  worden.  Die  neue 
Brücke  wird  an  der  Stelle  der  alten  und  wieder  in  Stein  errichtet. 
Die  Brückenöffnungen  erhalten  eine  Spannweite  von  etwa  40  m.  — 
Die  43.  Hauptversammlung  des  Vereins  deutscher  Inge- 
nieure findet  vom  16. — 18.  Juni  in  Düsseldorf  statt.  — 

Wiener  Kunstausstellungen.  Die  Ausstellung  des  Wiener 
„Hagenbundes"  ist  am  28.  Jan.  in  der  Zedlitzgasse,  in  einem  Theile 
der  nach  Entwürfen  von  Jos.  Urban  umgestalteten  Markthalle  er- 
öffnet worden.  Die  „Sezession“  eröffnete  ihre  Ausstellung  am 
I.  Febr.  im  Gebäude  am  Getreidemarkt,  für  welches  Kolo  Moser 
die  neue  künstlerische  Anordnung  traf.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Aus  Anlass  des  Krönungs-  u.  Ordensfestes  sind 
folgende  Ordens-Auszeichnungen  verliehen:  Dem  Geh.  Adm.-Rtli. 
Mar.-Ob.-Brth.  F r a n z i u s in  Kiel,  dem  Geh.  Ob.-Fin.-Rth.  L a c o m i , 
vortr.  Rath  im  Fin.-Min.,  dem  Geh.  Ob.-Brth.  v.  Münstermann, 
vortr.  Rath  im  Min.  für  Landwirthschaft  usw.,  dem  Geh.  Adm.-Rath 
Rechtem,  vortr.  Rath  im  Reichs-Mar.-Amt,  den  Geh.  Ob  -Brthn. 

80 


Schneider,  vortr.  Rath  im  Min,  d.  öff.  Arb.,  Schönhals, 
vortr.  Rath  im  Kriegs-Min.  und  Semler,  vortr.  Rath  im  Reichs- 
Eisenb.-Arat,  der  Rothe  Adler-Orden  II.  Kl.  mit  Eichenlaub.  — 

Den  Ob.-  u.  Geh.  Brthn.  Hassengier  in  Posen,  J a n s s e n 
in  Bromberg  u.  Neumann  in  Breslau,  dem  Geh.  Brth.  Saal, 
vortr.  Rath  im  Min.  d.  öff.  Arb.,  der  Rothe  Adler  Orden  III.  Kl. 
mit  der  Schleife.  — 

Den  Reg.-  u.  Brthn.  A d a n k in  Köslin,  Albert  in  Magdeburg, 
Beckmann  in  Kassel,  Behrndt  in  Berlin,  u.  Biedermann 
in  Minden;  dem  Eisenb.-Betr.-Dir.  Bozen  hardt  in  Strassburg 
i.  E.;  dem  Reg.-  u.  Brth.  Bremer  in  Mainz,  dem  Geh.  Brth. 
Hrünecke  in  Halle  a,  S. , dem  Gouvein. -Bmstr.  Drees  in 
Kamerun,  z.  Zt.  in  Berlin,  dem  Geh.  Brth.  Franck  in  Hannover, 
dem  Brth.  F r e y in  Berlin,  dem  Mar.-Brth.  Gromsch  in  Tsingtau 
(Kiautschou),  dem  Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Hartmann  in  Berlin, 
dem  Int.-  u.  Brth.  Hartung  in  Berlin,  dem  Brth.  Heckhoff 
in  Metz,  dem  Eisenb.-Dir.  Hinrichs  in  Breslau,  dem  Reg.- 
Rath  im  kaiserl.  Patentamt  Hintz,  dem  Reg.-  und  Brth. 
Klopsch  in  Schleswig,  dem  Brth.  Kuhn  in  Strassburg  i.  E., 
dem  Reg.-  u.  Brth.  Kuntze  in  Münster  i.  W.,  den  Brthn.  Dr. 
Laubenheimer  in  Metz,  Lehmann  in  Liegnitz  u.  Lünzner 
in  Düsseldorf,  dem  Eisenb.-Dir.  Michalke  in  Berlin,  dem  Reg.- 
u.  Brth.  Multhaupt  in  Wiesbaden,  dem  Prof,  an  der  Techn. 
Hochschule  in  Hannover  Dr.  Ost,  dem  Eisenb.-Dir.  Peters  in 
Seesen,  dem  Brth.  Rattey  in  Berlin,  dem  Reg.-  u.  Brth.  Rett- 
berg in  Hannover,  den  Reg.-Rthn.  Rohr  in  Strassburg  i.  E.  und 
Schaefer  im  kais.  Patentamt,  dem  Reg.-  u.  Brth.  Schellen- 
berg in  Erfurt,  dem  Eisenb.-Dir.  Schmidt  in  Kassel,  den  Brthn. 
Schmitt  in  Colmar  i.  E.  und  Schultz  in  Landsberg  a.  W.,  dem 
Eisenb.-Dir.  Seidl  in  Stettin,  den  Reg.-  u.  Brthn.  Siegel  in 
Kattowitz  u.  Sprengell  in  Altona,  dem  grossh.  bess.  Reg.-  u. 
Brth.  Stahl  u.  dem  Eisenb.-Dir.  Stephan  in  Halle  a.  S.,  dem 
Reg.-  u.  Brth.  S 1 0 s c h in  Stade,  dem  Postbrth.  S t r u v e in  Berlin, 
den  Reg.-  u.  Brthn.  Uhlenhuth  in  Erfurt  u.  Ulrich  in  Elber- 
feld und  dem  Landesbauinsp,  Xylander  in  Hersfeld  der  Rothe 
Adler-Orden  IV.  Kl. 

Dem  Geh.  Reg. -Rath  K ö h I e r , Prof,  an  der  Techn.  Hoch- 
schule in  Hannover  der  kgl.  Krooen-Orden  II.  Kl.  — Dem  Brth. 
Spinn  in  Weüburg  der  kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl.  mit  Schwertern 
am  Ringe.  — Dem  Geh.  Mar.-Brth.  Bugge  in  Kiel,  dem  Mar.-Ob.- 
Brth.  Mechlenburg  in  Danzig,  dem  Geh.  Reg.-Rth.  Dr.  Paasche, 
Prof,  an  der'i'echn.  Hochschule  in  Kerlin,  dem  Geh.  Brth.  Schmidt, 
Int.  u.  Brth.  in  Berlin,  dem  Mar.-Ob.-Brth.  Thämer  in  Berlin  der 
kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  P.  H.  in  Berlin.  Wortlaut  und  Entstehungsgeschichte 
des  B.  G.  B.  § 648  lassen  keinen  Zweifel,  dass  die  Ablehnung  Ihres 
Antrages  begründet  ist.  Denn  durch  § 648  sollte  nur  ein  Schutz 
der  Bauhandwerker  und  Baugewerksmeister  geschaffen  werden. 
Die  irn  Reichstage  beantragte  Erweiterung  des  Schutzes  auf  alle, 
welche  Leistungen  irgend  welcher  Art  bei  Entstehung  eines  Bau- 
werkes gethan  haben  würden,  fand  keine  Billigung  des  Hauses  oder 
der  Reichskomnüssare.  Mithin  hat  man  es  im  § 648  mit  einer  Aus- 
nahme-Bestimmung zu  thun,  welche  streng  auszulegen  und  auf 
Leistungen  nicht  auszudehnen  ist,  die  von  Bankünstlern  gewährt 
werden,  entweder  durch  Herstellung  des  Entwurfes,  oder  Ueber- 
wachung  der  Bauausführung  vom  architektonischen  Standpunkte. 
Sie  werden  sich  also  bei  der  Ihnen  gewordenen  Ablehnung  des 
Eintragungsantrages  zu  bescheiden  haben. 

Dagegen  steht  Ihnen  noch  immer  der  Weg  des  schleunigen 
Arrestes  oder  der  einstweiligen  Verfügung  offen,  um  auf  demselben 
zur  Eintragung  Ihrer  Forderung  zu  gelangen,  sofern  Sie  die  Zahlungs- 
unsicherheit Ihres  Bestellers  und  den  Ihnen  daraus  drohenden  Ver- 
lust Ihrer  Forderung  glaubhaft  zu  machen  vermögen.  Ohne  die 
Hilfe  eines  Rechtsanwaltes  werden  Sie  jedoch  Ihr  Ziel  schwerlich 
erreichen. — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  K.  in  T.  u.  Hrn.  Arch.  H.  in  St.  Moritz. 
Wände  nach  Ihrem  Wunsch,  sich  selbst  tragend,  „gut  gegen  Durch- 
hörigkeit, solide  und  dauerhaft“  und  gleichwohl  „möglichst  billig“ 
giebt  es  leider  nicht.  Denn  mit  der  Zunahme  der  geforderten  Vor- 
züge wächst  selbstversiändlich  auch  der  Preis  der  Wände.  Ge- 
bräuchlich sind  hier  u.  a.  Rabitz-,  Gipsdielen-,  Lugino-,  Monier-  und 
Korkwände,  einfach  in  entsprechender  Stärke  je  nach  ihrer  Höhe 
und  Breite,  oder  auch  namentlich  der  Schalldämpfung  halber,  ver- 
doppelt mit  etwa  5 cm  starker  schlecht  tonleitender  Zwischenfüllung, 
sowie  Elias-Drahtwände;  Material:  Gips,  Kalk,  Zement  und  Kork, 
z.  Th.  mit  Eiseneinlagen.  Unserer  Erfahrung  nach  empfehlen  sich 
jedoch  mehr  die  aus  porösen  Steinen  in  Zementmörtel  hergesteüten 
Wände,  ’/i  oder  */a  Stein  stark,  welche  aber  unterstützt  sein  müssen, 
oder  die  Prüss’schen  ebenso  stai'ken  Wände  aus  porösen  oder 
schwach  gebrannten  Steinen,  welche  sich  freitragen  uud  die  meisten 
Vortheile  in  sich  vereinigen,  aber  auch  am  theuersten  sind  (hier 
rd.  4,50  M.  für  r qm  mit  Material).  Wir  rathen  Ihnen  im  übrigen, 
da  bei  jeder  Zwischenwand  andere  Bedingungen  und  Zwecke  in- 
frage kommen,  verschiedene  Arten  selbst  auszuprobiren,  und  zwar 
für  thürlose  Scheidewände  die  leichteren,  für  solche  mit  Thüren 
aber  unbedingt  die  solideren  Konstruktionen  zu  wählen.  A. 

Hm.  Bautechn.  H.  in  Langfuhr.  Ihre  Anfrage  entbehrt 
des  allgemeinen  Interesses,  wir  müssen  Sie  daher  zu  unserem  Be- 
dauern bitten,  sich  einem  Rechtsanwälte  anzuvertrauen.  Einen 
solchen  kann  der  Briefkasten  nicht  ersetzen.  — 


Inhalt:  Das  neue  Gebäude  der  Allgemeinen  Versorgungs-Anstalt  in 
Karlsruhe  i.  B.  — Der  Eisenbahn-Lootse.  — Entgegnungen  in  Sachen  der 
statisch  bestimmten  mehrtheiligen  Streben-Fachweike.  — Mittheilungen  aus 
Vereinen.  — Vermischtes  — Todtenschau  — Bücherscliau.  — Preisbewer- 
bungen.  — Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veranwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh,  Greve,  Berlin. 


No.  12. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  13.  Berlin,  den  12.  Februar  1902. 


Strebel’s  Original-Gegenstrom-Gliederkessel.  (D.  R.  P.  No.  76582.) 


nnter  diesem  Namen  führt  die  bekannte  Heizungs- 
und Lüftungs- Firma  Rud.  Otto  Meyer  in  Ham- 
burg seit  einigen  Jahren  ein  für  Niederdruck-Dampf- 
und  Warmwasser-Heizung  bestimmtes  Kesselsystem  aus 
(hergestellt  in  dem  eigenen  Eisenwerk  der  Firma  in  Mann- 
heim), das  sich  wegen  seiner  besonderen  Vorzüge  einer 
zunehmenden  Beliebtheit  erfreut.  Wir  geben  in  den  Ab- 
bildungen eine  Kesselform  wieder,  wie  sie  für  Niederdruck- 
Dampf-Heizung  bestimmt  ist;  die  allgemeine  Anordnung 
trifft  aber  auch  zu  für  Warrawasser-Kessel.  Danach  be- 
steht der  ganz  in  Gusseisen  ausgeführte  Kessel  aus  einer 
Anzahl  von  0-förmigen,  senkrechten  Gliedern,  die  zwischen 
sich  einerseits  die  Hohlräume  W zur  Aufnahme  des 
Wassers  bezw.  Dampfes,  andererseits  die  Rauchkanäle  K 


wohl  dem  Angriff  des  Feuers,  wie  namentlich  aber  auch 
dem  Rost  in  den  Zeiten  der  Heizunterbrechung  gut  wider- 
steht. Die  Kessel  sind  mit  einem  Isolirmantel  mit  Kiesel- 
guhrasbest-Ausfütterung  gegen  Wärmeverluste  geschützt, 
eine  Ummauerung  erfordern  sie  dagegen  nicht.  Zur  Hei- 
zung sind  gasarme  Brennmaterialien  wie  Koks,  Anthracit 
zu  verwenden,  wenn  die  volle  Leistungsfähigkeit  ausge- 
nutzt werden  soll.  Der  grosse  Füllraum  gestattet  dabei 
Dauerbrand  und  vereinfacht  also  die  Bedienung.  Durch  die 
ausgedehnte  Heizfläche  des  Kessels  und  die  der  Bewegung 
des  zu  erwärmenden  Wassers  entgegen  gerichtete  Strö- 
mung der  Heizgase  wird  eine  bedeutende  Heizwirkung 
erzielt,  während  die  Heizgase  nach  Möglichkeit  ausgenutzt 
werden.  Letztere  sind  beim  Austritt  nach  Angabe  der 


und  einen  verhältnissmässig grossen  Füll- 
raumfür  dasBrennmaterial  einschliessen, 
also  eine  sehr  bedeutende  Heizfläche  be- 
sitzen. Durch  Rohrstutzen  am  oberen 
und  unteren  Ende  der  Glieder,  die  bei 
der  Zusammensetzung  in  einander  ge- 
presst werden,  wird  zwischen  den  ein- 
zelnen Räumen  iV  eine  durchgehende 
Verbindung  hergestellt. 

Die  sonstigeAnordnung  des  Kessels, 
die  Fülithür  F,  die  Aschenthür  S,  die  mit 
dem  Regulator  verbundene  Klappe  F 
sind  aus  den  Zeichnungen  ersichtlich, 
die  auch  die  überaus  einfache  Aus- 
bildung der  Glieder  erkennen  lassen, 
durch  deren  Vermehrung  unter  Aufrechterhaltung  des 
richtigen  Verhältnisses  zwischen  Heizfläche,  Rost,  Füll- 
raum und  Rauchkanälen  die  Leistungsfähigkeit  des  Kessels 
leicht  erhöht  werden  kann.  Die  Roste  sind  an  die  Glieder 
angegossen,  was  zulässig  ist,  da  die  Wasserumspülung  eine 
ausreichende  Abkühlung  derselben  ergiebt.  Das  Material 
des  ganzen  Kessels  ist  weiches,  dichtes,  feuerbeständiges 
Gusseisen,  das  bei  seinen  einfachen  glatten  Formen  so- 


Firma  bis  auf  30— 40OC.  über  der  Tem- 
peratur des  Kesselwassers  abgekühlt, 
während  der  Nutzeffekt  des  Kessels 
bis  auf  94%  steigt. 

Für  die  Dampfkessel,  welche  auf 
3 Atm.  Ueberdruck  geprüft  werden, 
kommen  2 Formen  in  Anwendung,  mit 
bezw.  ohne  besonderen  Oberkessel  für 
den  Dampf.  Die  reinen  Wasserkessel 
werden  auf  6 Atm.  geprüft.  Ausgeführt 
werden  8 Modelle  in  62  Grössen  von 
2,5— 2o«nn  Heizfläche. 

Da  die  Kessel  wenig  Raum  weg- 
nehraen,  namentlich  niedrig  sind,  sich 
leicht  auseinander  nehmen  und  zusam- 
mensetzen lassen,  einfach  in  der  Bedienung  und  dauerhaft 
sind,  dabei  eine  gleichmässige  Temperatur  bei  hohem 
Nutzeffekt  liefern,  ist  ihre  Anordnung  namentlich  als  Warm- 
wasserkessel in  Gewächshäusern  eine  sehr  umfangreiche 
geworden.  Nach  Angabe  der  Firma  sind  derartige  Kessel 
bereits  in  erheblicher  Anzahl  geliefert,  davon  ein  grosser 
Theil  für  Gewächshäuser,  die  übrigen  für  Geschäftshäuser, 
Schulen,  Hötels,  öffentl.  Gebäude  aller  Art.  — 


Zur  Pensionirung  der  Baubeamten. 


mUe  „Deutsche  Bauzeitung“  hat  wiederholt  über  den 
I Prozess  des  Intendantur-  und  Bauraths  a.  D.  B.  gegen 
' den  Reichs-Militär-Fiskus  berichtet,  welcher  nicht 
nur  für  die  Baubeamten,  sondern  für  alle  Staatsbeamten 
von  grundsätzlicher  Bedeutung  ist.  In  dem  Prozesse 
handelte  es  sich  darum,  ob  die  im  Prival-Eisen- 
bahndiensi  zugebrachte  Urlaubszeit  auf  die  pen- 
sionsfähige Dienstzeit  anzurechnen  ist  oder  nicht. 
Das  Reichsgericht  hat  diese  Frage  für  die  Reichsbeamten 
bejaht  Der  preussische  Finanzminister  und  der  Minister 


der  öffentlichen  Arbeiten  haben  die  Reichsgerichts-Ent- 
scheidung Jedoch  bezüglich  der  preussischen  Staats-Bau- 
beamten nicht  für  maassgebend  erachtet  (z.  B.  im  Falle 

des  Bauraths  B.  ^1^758  9^^-  d.ö.  A.,1. 14691/98  F.M.). 
In  der  „Deutschen  Bauzeitung"  Jahrg.  XXXII.  No.  96  vom 
30.  Nov.  1898  ist  deshalb  aus  der  Feder  des  Unterzeich- 
neten ein  Aufsatz  veröffentlicht  worden,  in  welchem  die 
Ansicht  begründet  ist,  dass  das  Reichsgerichts-Unheil  auch 
auf  die  preussischen  Beamten  anzuwenden  sei  und  zwar 


81 


für  alle  Urlaubsfälle.  Es  liegt  nunmehr  ein  Reichs- 
gerichts-Urtheil  vor,  in  welchem  diese  Ansicht 
ihre  Bestätigung  findet.  (Fiskus  •/•  Krone,  Unheil 
vom  II.  Oktbr.  1900  No.  155/1900  IV).  Der  Juristischen 
Wochenschrift  (No.  86  und  87)  entnehmen  wir  folgende 
Urtheiisgründe: 

„Zum  Pensionsgesetz  vom  27.  März  1873  23.  §§  i, 
5 und  19. 

Der  § I des  Gesetzes  bestimmt,  dass  jeder  unmittel- 
bare Staatsbeamte,  der  sein  Diensteinkommen  aus  der 
Staatskasse  bezieht,  aus  derselben  — unter  festgesetzten 
Bestimmungen  — eine  lebenslängliche  Pension  erhält,  und 
der  § 13  verordnet:  Die  Dienstzeit  werde  vom  Tage 
der  Ableistung  des  Diensteides  gerechnet;  könne 
jedoch  ein  Beamter  nachweisen,  dass  seine  Vereidigung 
erst  nach  dem  Zeitpunkte  seines  Eintritts  in  den  Staats- 
dienst stattgefunden  habe,  so  sei  die  Dienstzeit  von  die- 
sem Zeitpunkte  an  zu  rechnen.  Voraussetzung  für  die 
Anwendung  des  Gesetzes  ist  darnach,  dass  es  sich  um  die 
Pensionirung  eines  zurzeit  ein  unmittelbares  Staatsamt  be- 
kleidenden Beamten  handelt,  und  wenn  dies,  was  hier  zu- 
trifft, der  Fall  ist,  so  wird,  wie  der  § 13  als  Regel  hin- 
stellt, die  Dienstzeit  vom  Tage  der  Ableistung  des  Dienst- 
eides, d.  h.  von  der  eidlichen  Verpflichtung  zum  Staats- 
dienste an  gerechnet.  Die  letztere  Vorschrift  ist  eine  posi- 
tive Gesetzes-Bestimraung,  die  eine  Erörterung  und  Fest- 
stellung darüber,  ob  mit  dem  Zeitpunkte  der  Vereidigung 
der  Beeidigte  thatsächlich  in  den  Staatsdienst  eingetreten, 
ein  Staatsdiener-Verhältniss  begründet  worden  ist,  oder 
eine  formelle  Anstellung  des  Beamten  stattgefunden  hat, 
ausschliesst.  Solches  ergiebt  sich,  wie  der  Berufungs- 
Richter  angenommen  hat,  aus  dem  Wortlaute  des  Gesetzes, 
sowie  aus  dem  Zwecke  desselben,  der  darauf  gerichtet  ist, 
es  solle  jedem  Zweifel,  der  über  den  Zeitpunkt  des  Ein- 
tritts des  Beamten  in  den  Dienst  entstehen  könnte,  vor- 
gebeugt werden.  Auch  spricht  für  die  fragliche  Annahme 
die  Bestimmung  des  zweiten  Satzes  des  § 13,  die  sich  als 
eine  Ausnahme- Vorschrift  darstellt  und  welche  den  Nach- 
weis des  Zeitpunktes  des  Diensteintritts  nur  dann  erfor- 
dert, wenn  der  Beamte  behauptet,  dass  seine  Vereidigung 
erst  nach  seinem  Eintritt  in  den  Staatsdienst  stattgefunden 
habe.  Der  Sinn  des  Gesetzes  geht  dahin,  dass  für 
die  Pensionsberechnung  das  Dienstverhältniss 
. als  durch  die  Vereidigung  begründet  anzusehen 
' ist.  In  gleichem  Sinne  hat  sicli  das  R.-G.  in  dem  Urtheile 
vom  12.  Mai  1898  (Entsch.  in  Zivilsachen  Bd.  41  S.  iio, 
112*)  ausgesprochen.  Zur  Unterstützung  dienen  auch  die 
Gesetzesmaterialien  insofern,  als  bei  der  Berathung  des 
Gesetzentwurfs  in  der  Kommission  des  Hauses  der  Abge- 
ordneten (vgl.  Verhandlung  des  Hauses  der  Abgeordneten, 
Session  1871/72,  Drucksachen  Bd.  3 No.  189  S.  7)  die  Frage 
angeregt  ist,  ob  der  von  den  früheren  Auditoren  in  der 
Provinz  Hannover  geleistete  Eid  als  Diensteid  im  Sinne 
des  § 13  anzusehen  sein  würde  und  der  Regierungs-Kom- 
missar diese  Frage  bejahend  beantwortet  hat,  ohne  zu- 
gleich eine  Einschränkung  inbetreff  anderer  Beamten- 
Kategorien  hinzuzufügen.  Auf  den  Inhalt  der  von  dem 
Bekl.  inbezug  genommenen  Vorschriften  über  die  Aus- 
bildung und  Prüfung  für  den  Staatsdienst  ira  Baufache 
und  auf  die  hervorgehobenen  Abweichungen,  die  zwischen 
den  neueren  Vorschriften  aus  den  Jahren  1886  und  1895 
und  den  älteren  Vorschriften  aus  den  Jahren  1849,  1855, 
1857  und  3868  (Ministerialblatt  für  die  innere  Verwaltung, 
bez.  Jahrgänge  S.  198,  51,  29,  280)  bestehen,  kann  es  nach 
der  dargelegten  Sachlage  nicht  weiter  ankommen.  Von 
wesentlicher  Bedeutung  ist  nur,  dass  auch  nach 
den  älteren  Vorschriften,  wie  sie  zu  der  hier  ent- 
scheidenden Zeit  in  Geltung  waren,  die  Baube- 
flissenen, die  die  Bauführer-Prüfung  bestanden 
hatten,  von  der  Staatsbehörde  zu  Bauführern  er- 
nannt und  mit  dem  Staatsdienereide  belegt  wur- 
den. Wenn  nun  aber  für  die  Berechnung  der  Pension 
eines  Beamten  das  Dienstverhältniss  als  durch  die  Ver- 
eidigung begründet  anzusehen  ist,  so  ist  dem  B.  R.  auch 
darin  beizutreten,  dass  der  Lauf  der  Dienstzeit,  solange 
das  Dienstverhältniss  nicht  rechtswirksam  aufgehoben,  ein 
fortdauernder  ist  und  dass  eine  Unterbrechung 
desselben  nur  in  den  vomGesetze  vorgesehenen 
Fällen  eintritt.  Keiner  dieser  Fälle  liegt  hier  vor.  Es 
handelt  sich  allein  um  Zeitabschnitte  von  zusammen  2 Jahren 
2 Monaten  und  23  Tagen,  während  welcher  der  Kl.  wegen 
Krankheit  nicht  dienstfähig  gewesen  ist.  Dass  aber  Krank- 
heit des  Beamten  den  Lauf  der  Dienstzeit  hemmt,  ist  im 
Gesetze  nicht  ausgesprochen.  Auch  der  § 5 des  Pensions- 
Gesetzes  steht  dem  Bekl.  nicht  zurseite.  Wenn  die  Re- 
vision den  Erwägungen  des  B.  R.  gegenüber  geltend  ge- 
macht hat,  die  Annahme  sei  irrig,  dass  der  Beweis,  der 


")  Vgl.  Dtsch.  Bztg.  Jahrg.  XXXE.,  1898  No.  62. 
82 


Kl.  sei  als  Bauführer  jedesmal  nur  für  ein  seiner  Natur 
nach  vorübergehendes  Geschäft  oder  auf  bestimmte  Zeit 
angenommen,  nicht  aus  allgemeinen  Vorschriften,  deren 
Befolgung  im  einzelnen  Falle  nicht  feststehe,  entnommen 
werden  könne,  sondern  für  den  besonderen  Fall  geführt 
werden  müsse,  so  kann  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung 
dahingestellt  bleiben.  Der  B.  R.  hat  zutreffend  darauf 
hingewiesen,  dass  der  § 5 a.  a.  O.  nur  solche  Beamte,  die 
ausdrücklich  auf  eine  bestimmte  Zeit  oder  für  ein  seiner 
Natur  nach  vorübergehendes  Geschäft  angenommen  seien, 
von  dem  Ansprache  auf  Pension  ausschliesse,  dass  aber 
der  Beklagte  nicht  behauptet  habe,  dass  dies  auf  den  Kl. 
zutreffe.  Ebensowenig  kann  sich  der  Bekl.  mit  Erfolg  auf 
die  von  der  Revision  als  verletzt  bezeichnete  Vorschrift 
des  § 19  Abs,  i Ziff.  2 des  Pensions-Gesetzes  berufen, 
die  dahin  geht,  dass  mit  königlicher  Genehmigung  ange- 
rechnet werden  könne  die  Zeit  praktischer  Beschäftigung 
ausserhalb  des  Staatsdienstes,  insofern  und  insoweit  die 
Beschäftigung  vor  Erlangung  der  Anstellung  in  einem  un- 
mittelbaren Staatsamte  herk^ömmlich  gewesen  sei.  Diese 
Vorschrift  hat  Zeitabschnitte  im  Auge,  die  hinter  der  Ver- 
eidigung des  Beamten  zurückliegen.  Sie  bezieht  sich,  wie 
die  Gesetzesmaterialien  ergeben  (vgl.  Verhandlungen  des 
Hauses  der  Abgeordneten,  Session  1871/72,  Drucksachen 
Bd.  2 No.  105,  Motive  der  Regierungs-Vorlage  S.  17,  18, 
Bd.  3 No.  189,  Kommissionsbericht  S.  8,  9),  nur  auf  einzelne 
Beamten-Kategorien,  insbesondere  das  Personal  desLootsen- 
dienstes,  das  sich  aus  den  Kauffahrteifahrern  rekrutirt,  die 
vormals  Schieswig-Holseinschen  Amtssekretäre,  die  im 
Privatdienste  von  Staatsbeamten  gestanden  hatten  und  die 
älteren  Bergtechniker,  die  erst  in  späteren-  Jahren  zur 
Vereidigung  für  den  Staatsdienst  gelangt  waren.  Aus  der 
Vorschrift  kann  daher  ein  Argument  für  die  Auffassung 
des  Bekl.  nicht  entnommen  werden.“ 

Wenngleich  nun  der  dem  R.-G  Urtheil  zugrunde  lie- 
gende Fall  nur  einen  Krankheitsurlaub  betrifft,  so  gelten 
die  Gründe  doch  auch  für  jede  andere  Art  des  Ur- 
laubs, also  namentlich  auch  auf  Beurlaubungen  zum 
Zwecke  der  Beschäftigung  im  Privatdienste,  wie  sie  heut- 
zutage, namentlich  bei  den  Regierungs-Bauführern,  häufig 
Vorkommen. 

Nachdem  jetzt  das  Reichsgericht  für  das  Reich  und 
für  Preussen  gesprochen  hat,  werden  sich  die  Behörden 
gegen  die  gleichartigen  Ansprüche  anderer  Beamten  nicht 
mehr  ablehnend  verhallen  können.  Freilich  wird  den 
freudigen  Empfindungen,  die  mancher  bereits  pensionirte 
Beamte  beim  Lesen  dieser  Zeilen  empfinden  mag,  ein 
Dämpfer  aufgesetzt  durch  eine  Entscheidung  des  Reichs- 
gerichts, die  in  derselben  Nummer  der  Juristischen  Wochen- 
schrift abgedruckt  ist  (Reichsfiskus  gegen  K.  vom  11.  Okt. 
1900,  No.  168/jooo  IV).  Ein  Reichs-Baubeamter,  anschei- 
nend von  der  Militär-Bauverwahung,  hatte  auf  Erhöhung 
seiner  Pension  geklagt,  ist  aber  vom  Reichsgericht  abge- 
wiesen worden,  weil  er  die  sechsmonatige  Frist  zur 
Beschreitung  des  Rechtsweges  gegen  die  Ent- 
scheidung der  oberstenReichsbehörde  (despreussi- 
schen  Kriegsrainisteriums)  versäumt  hatte.  Das  Reichs- 
gericht hat  den  Satz  ausgesprochen,  dass  der  Erlass  der 
obersten  Reichsbehörde,  welcher  einem  Reichsbeamten 
auf  seinen  Pensionirungsantrag  eröffnet,  dass  seinem  An- 
träge stattgegeben  und  die  ihm  zustehende  Pension  auf 
den  und  den  Betrag  bestimmt  werde,  diejenige  Entschei- 
dung sei,  von  deren  Kundmachung  die  Frist  zur  Beschrei- 
tung des  Rechtsweges  beginnt,  und  dass  dem  betheiligten 
Beamten  nicht  freistehe,  den  Beginn  dieser  Frist  durch 
beliebig  zurückzuhaltende  oder  bei  der  Reichsbehörde 
einzubringende,  an  keine  Zeitschranke  gebundene  Bitten 
oder  Anträge  auf  Erhöhung  des  bestimmten  Pensions- 
betrages hinauszuschieben. 

Hiernach  werden  die  Wohlthaten  der  oben  wieder- 
gegebenen Entscheidung  den  bereit spensionirten  Be- 
amten grösstentheils  nicht  mehr  aufgrund  eines 
Rechtsanspruches  zugute  kommen  können,  weil 
die  sechsmonatliche  Frist  verstrichen  ist.  Der  Staat  kann 
sich  aber  meines  Erachtens  den  Ansprüchen 
dieser  Beamten  gleichwohl  nicht  gut  entziehen 
und  zwar  aus  folgender  Erwägung:  Die  Beamten  mögen 
die  Nichtanrechnung  gewisser  Urlaubszeiten  schon  früher 
oft  als  ein  Unrecht  empfunden  haben.  Sie  mögen  aber 
der  Meinung  gewesen  sein,  dass  die  Entscheidung  ihrer 
Vorgesetzten  Behörde  dem  Gesetz  entspreche.  Soweit 
sie  nicht  dieser  Meinung  gewesen  sind,  werden  sie  einen 
Prozess  gescheut  haben,  um  sich  nicht  der  Gefahr  aus- 
zusetzen, im  Falle  des  Unterliegens  die  sehr  erheblichen 
Kosten  dreier  Instanzen  tragen  zu  müssen.  Mancher  mag 
auch  den  Ausgang  der  zahlreichen,  über  die  inrede  stehende 
Frage  in  den  letzten  Jahren  anhängig  gemachten  Prozesse 
abgewartet  und  darüber  die  Frist  versäumt  haben.  Jetzt 
ist  das  Recht  der  Beamten  unzweideutig  festge- 

No.  13. 


stellt,  und  es  entspricht  der  Billigkeit,  dass  diejenigen 
Beamten,  die  aus  Rechtsunkenntniss  gerichtliche  Schritte 
unterlassen  haben,  dadurch  keinen  Nachtheil  erleiden. 
Man  kann  nicht  etwa  einwenden,  dass  dann  die  Fristvor- 
schrift des  Gesetzes  überhaupt  werthlos  sei.  Dieser  Ein- 
wand würde  unbegründet  sein,  denn  es  ist  zu  bedenken, 
dass  es  sich  hier  um  eine  Prinzipienfrage  handelt,  die 


nur  einmal  entschieden  zu  werden  braucht,  um  für  immer 
erledigt  zu  sein.  Für  die  strenge  Beobachtung  der  Frist- 
vorschrift sind  noch  genug  Fälle  übrig,  in  denen  lediglich 
Sonderfragen  zu  entscheiden  sind.  In  solchen  Fällen  liegt 
allerdings  kein  Grund  vor,  das  Gesetz  aus  Billigkeits-Rück- 
sichten ausser  Anwendung  zu  lassen.  — 

Berlin  W.  30.  Landrichter  Dr.  Boethke. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Wiesbaden.  Die  VI.  ord.  Ver- 
sammlung fand  am  2.  April  v.  J.  unter  Vorsitz  des  Hrn. 
Brlh.*?.,  Genzmer  statt.  Sie  war  ausschliesslich  der  Er- 
ledigung geschäftlicher  Angelegenheiten  gewidmet.  Die 
Zahl  von  67  Mitgliedern  blieb  unverändert.  Die  Zahl  der 
ord.  Mitglieder  stieg  von  51  auf  55,  während  die  Zahl  der 
ausserord.  von  16  auf  12  zurückgegangen  ist.  Es  folgte 
die  Erstattung  des  Kassenberichtes  durch  Hrn.  Weiler. 
Ausgaben  und  Einnahmen  glichen  sich  mit  373,63  M.  aus. 
Der  Haushaltungsvoranschlag  für  das  Jahr  1901/1902  wurde 
genehmigt  und  gleichzeitig  der  Jahresbeitrag  auf  3,50  M. 
festgesetzt.  Bei  der  Neuwahl  des  Vorstandes  wurden  Hr. 
Brih.  Winter  als  Vorsitzender  und  die  Hrn.  Reg.-  und 
Brth.  Angelroth,  Arch  Euler,  Bnh.  Genzmer,  Arch. 
Lang  unding.  Weiler  wiedergewählt,  Hr.  Fabrikbes.  Eng. 
Dyckerhoff  wurde  neu  gewählt. 

Die  I.  ord.  Versammlung  der  diesjährigen  Winter- 
tagung fand  am  5.  Nov.  iqor  statt.  Den  Vorsitz  führte  Hr. 
Brth.  Genzmer.  Anwe.eend  waren  27  Mitgl.  und  4 Gäste. 

Der  Vorsitzende  gedachte  der  dem  Verein  im  Laufe 
des  Sommers  durch  den  Tod  entrissenen  Mitglieder:  des 
Hrn.  Reg.-  und  Brths.  Angelroth  und  des  Hrn  Eisenb.- 
Öbering.  a.  D.  Graff.  Zur  Tagesordnung  übergehend  er- 
folgte die  Neuwahl  eines  Vorstands-Mitgliedes  anstelle  des 
verstorbenen  Hrn  Angelroth.  Gewählt  wurde  Hr.  Eisenb.- 
Bau-  und  Betr.-Insp.  Petri. 

Es  nahm  das  Wort  Hr.  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Petri 
zu  einem  Vortrage  über  „Die  neuen  Bahnhofsanlagen 
in  Wiesbaden“.  Redner  führte  an  Hand  von  Plänen 
etwa  Folgendes  aus:  Es  liegen  zurzeit  neue  Pläne  über 
die  Bahnhofsanlagen  m Wiesbaden  zur  landespolizeilichen 
Prüfung  auf  der  Polizei-Direktion  Öffentlich  aus.  Dieselben 
sind  ministeriell  noch  nicht  genehmigt,  auch  die  Geldmittel 
zur  Ausführung  noch  nicht  bewilligt.  Der  frühere  Entwurf 
erforderte  einen  Kostenaufwand  von  ii,  der  jetzige  einen 
solchen  von  etwa  17  Mül.  M.  In  Wiesbaden  liegen  be- 
sondere Verhältnisse  vor.  Einerseits  verlangt  der  inter- 
nationale Fremdenverkehr  Berücksichtigung,  andererseits 
aber  ist  auch  die  Entwicklung  zur  Grosstadt  in  Rechnung 
zu  ziehen.  Diese  Gesichtspunkte  sind  auf  die  Kostenfrage 
sowohl,  als  auf  die  Gestaltung  der  Pläne  von  erheblichem 
Einfluss  gewesen.  Die  Interessen  der  Kur-  und  Fremden- 
stadt verlangten  einen  schönen  vollkommenen  Personen- 
Bahnhof,  der  ausserdem  gut  gelegen  sein  muss  und  bei 
dessen  Verlassen  sich  Wiesbaden  dem  Fremden  auch  als 
Villen-  und  Bäderstadt  präsentiren  soll.  Die  wirthschaft- 
lichen  Verhältnisse  erfordern  grosse  erweiterungsfähige 
Güterverkehrs- Anlagen  in  zweckmässiger  Lage  mit  be- 
quemer Abfuhr.  Der  frühere  Entwurf,  welcher  im  vorigen 
Jahre  zur  landespolizeilichen  Prüfung  gestellt  worden  war, 
vereinigte  die  gesammte  Banhofsanlage  für  Personen-  und 
Güterverkehr  im  Salzbachthäle,  südlich  der  Ringstrasse. 
Die  Güterbahnhof-Anlage  erstreckte  sich  auf  die  Ostseite 
des  Personen- Bahnhofes  von  der  Ringstrasse  bis  zur 
Kupfermühle,  die  Mittelaxe  des  Personen-Bahnhofes  fiel 
in  die  Verlängerung  der  Nikolasstrasse.  Doch  diese  Lage 
des  Güterbahnhofes  erschien  wegen  der  Kreuzung  des 
Lasiverkehrs  mit  dem  der  Wühelmstrasse  zustrebenden 
Personenverkehr  und  ausserdem  wegen  der  Bewegung 
der  Lastfuhrwerke  durch  die  Wilhelmstrasse  und  die  an- 
grenzenden Strassen  nach  der  inneren  Stadt,  sowie  den 
westlichen  und  nordwestlichen  Stadtvierteln  als  ein  grosser 
Misstand.  In  zweiter  Linie  wurde  die  Lage  des  Güter- 
Bahnhofes  insofern  beanstandet,  als  die  Interessen  von 
Handel  und  Verkehr  statt  einer  Güterabfuhr  auf  ansteigen- 
den Strassen  eine  abwärts  gerichtete  Abfuhr  von  einem 
höher,  wenn  auch  etwas  entternter  gelegenen  Güterbahn- 
hofe verlangen,  wobei  zu  berücksichtigen  ist,  dass  für 
Wiesbaden  die  Ausfuhr  im  Vergleich  zur  Einfuhr  kaum 
infrage  kommt.  Dazu  kamen  noch  die  Wünsche  nach 
erheblicher  Vergrösserung  der  mit  Gleisanschlüssen  zu 
versehenden  Lagerplätze  für  Kohlen,  Baumaterialien  und 
sonstige  Massengüter.  Diesen  verschiedenen  Interessen 
trägt  der  vorliegende  neue  Entwurf  in  jeder  Beziehung 
Rechnung,  indem  der  Stück-  und  Eilgut-Verkehr  auf  dem 
Haupibahnhofe  im  Salzbachthal,  und  zwar  auf  der  West- 
seite, verbleibt,  und  der  Güterbahnhof  für  Wagenladungen 
an  die  Dotzheimerstrasse  verlegt  wird.  — Vom  Rhein  her 

12.  Februar  1902. 


ist  Wiesbaden  nur  durch  das  Salzbachthal  für  eine  Haupt- 
bahn zugänglich.  Die  Lage  des  Hauptbahnhofes  war  da- 
her so  ziemlich  gegeben  und  ebenso  die  Form  der  Kopf- 
station. Der  neue  Personen-Bahnhof  rückt  um  700“  gegen 
die  jetzigen  Bahnhöfe  südlich  hinaus,  an  die  Südseite  der 
Ringstrasse.  Die  Gleisanlagen  des  Bahnhofes  erstrecken 
sich  bis  zur  städtischen  Kiäranstalt.  Das  Salzbachthal  muss 
durch  sehr  bedeutende  Erdarbeiten  von  rd.  i Mill.  cbm  um 
etwa  180  in  verbreitert  werden  und  es  sind  dafür  am 
Melonenberg  Abtragungen  bis  zu  26  “>  Höhe  erforderlich. 
Der  Salzbach  musste  verlegt,  bezw.  durch  einen  Kanal 
von  1500“  Länge  und  einem  Querschnitt  von  4,5  x 5“» 
lichter  Weite  ersetzt  werden.  Der  Personen-Bahnhof  zeigt 
eine  dem  Haupibahnhof  in  Frankfurt  ähnliche  Anlage. 
Quer  vor  dem  Kopf  der  Abfahrt-  und  Ankunft-Gleise  liegt 
der  Flauptbahnsteig  und  das  Empfangs-Gebäude.  Vom 
Hauptbahnsteig  erstrecken  sich  als  Zungen  die  Personen- 
und  Gepäck-Bahnsteige  längs  der  Gleise,  und  zwar  hat 
jede  Route  einen  besonderen  Bahnsteig.  Die  Reihenfolge 
der  Bahnsteige  von  Osten  nach  Westen  ist:  Kastei  (Mainz), 
Frankfurt  a.  M.,  Köln,  Limburg  (über  Erbenheim),  Diez 
(über  Dotzheim),  entsprechend  den  besonderen  Verkehrs- 
Verhältnissen.  Die  Hauptlinien  Frankfurt  und  Köln,  sowie 
die  künftige  unmittelbare  Verbindung  mit  Mainz  liefern 
das  ganze  Jahr  hindurch  den  grossen  Fremdenverkehr, 
welcher  der  Wilhelmstrasse  und  dem  Kurviertel  zuströmt. 
Die  beiden  anderen  Linien  haben  mehr  geschäftlichen  und 
ländlichen,  sowie  Arbeiter- Verkehr,  welcher  sich  vor- 
wiegend nach  dem  inneren  und  westlichen  Stadttheil  be- 
wegt. Das  Empfangsgebäude  liegt  mit  der  Front  von  etwa 
130  “ Länge  an  der  Südseite  der  geplanten  Ringstrasse. 
Die  Eingangshalle  ist  gegenüber  der  Wilhelmstrasse  vor- 
gesehen. Auf  der  Ostseite  befindet  sich  ein  Ausgang, 
welcher  zu  dem  Droschken- Halteplatze  führt,  und  ein 
zweiter  Ausgang  liegt  auf  der  Westseite,  wo  ebenfalls 
Droschken  Aufstellung  nehmen  können.  Der  Bahnhofs- 
Vorplatz  und  die  angrenzenden  Strassenzüge;  sowie  die 
Strassenbahnlinien  wurden  kurz  erwähnt.  Ein  dreieckiger 
Platz  zwischen  der  Ringstrasse  und  dem  Gebäude  soll  mit 
Anlagen  und  das  Empfangs-Gebäude  vielleicht,  auch  mit 
Terrassen  vor  den  Wartesälen  versehen  werden.  Was 
die  Höhenlage  der  Strasse  zum  Gebäude  angeht,  so  sind 
vor  der  Haupteingangshalle  fünf  Stufen  angenommen,  um 
so  das  Gebäude  gegen  den  Vorplatz  besser  in  Erscheinung 
treten  zu  lassen.  Auf  der  Westseite  des  Personen-Bahn- 
hofes geht  die  Zufahrtstrasse  von  der  Ringstrasse  nach 
der  Eilgut-  und  Stückgut- Anlage.  Die  Fortsetzung  der- 
selben auf  der  anderen  Seite  der  Ringstrasse  soll  durch 
die  sogen.  Diagonalstrasse  erfolgen.  — Der  Güterbahnhof 
für  den  Wagenladungs- Verkehr  ist  im  Westen  der  Stadt 
in  dem  noch  unbebauten  Gelände  zwischen  Schiersteiner- 
und Dotzheimerstrasse,  mit  der  Zufahrt  von  der  letzteren 
geplant.  Dieser  Bahnhof  liegt  etwa  60  ® höher  als  der 
Hauptbahnhof  im  Salzbachthale  und  30  “ höher  als  die 
Kreuzung  der  Ring-  und  Dotzheimerstrasse  und  1 km  von 
dieser  Kreuzung  entfernt.  Es  sind  dort  ausreichende  und 
sehr  zweckmässig  angelegte  Ladestrassen  und  Lagerplätze 
vorgesehen.  Was  nun  die  Einführung  der  verschiedenen 
Linien  betrifft,  so  ist  von  grosser  Bedeutung  die  Absicht 
der  Durchführung  der  sämmtlichen  Personen-  und  Schnell- 
züge der  rechtsrheinischen  Bahn  über  Wiesbaden,  sodass 
die  Zugtrennungen  in  Kastei  und  Mainz  wegfallen.  Eine 
Verbesserung,  welche  für  Wiesbaden  von  ausserordent- 
lichem Werthe  ist.  Die  Gleise  der  Taunus-  und  Rhein- 
bahn bleiben  von  der  Kupfermühle  ab  ziemlich  in  der 
jetzigen  Lage.  Statt  der  jetzigen  drei  Gleise  kommen  zu- 
nächst vier  Personengleise  und  ein  Gütergleis  zur  Aus- 
führung. Das  Diezer  Gleis  (meist  Schwalbacher  Bahn 
genannt)  wird  weit  hinansgelegt,  es  verlässt  gegenüber 
der  Kupfermühle  den  Bahnbof  und  geht  in  einem  grossen 
Bogen  durch  dieSandgruben  unter  derWiesbaden-Biebricher 
Allee,  sodann  hinter  der  Villa  Grimberghe  her,  der  Blumen- 
strasse entlang  und  über  die  Schiersteinerstrasse  hinweg 
nach  Dotzheim.  Das  Erbenheimer  Gleis  kreuzt  hinter  den 
Margarinenfabrik  die  Mainzerstrasse  mittels  Ueberbrückung 
und  geht  das  Erbenheimer  Thal  hinauf  zum  Bahnhof  Erben- 
heim. Durch  die  Anlage  des  Güterbahnhofes  an  der  Dotz- 
heimerstrasse wird  eine  neue  Verbindung  mit  der  Station 
Kurve  nöthig.  Da  nun  gleicherweise  ein  besonderes  Gleis 
von  Kurve  nach  dem  Stückgut-Bahnhof,  nach  Erbenheim 


83 


und  den  städtischen  Anschiusswerken  gelegt  werden  muss, 
so  wird  der  Hauptbahnhof  in  Wiesbaden  von  dem  Güter- 
zug- und  Rangir-Verkehr  fast  vollständig  entlastet  und 
Kurve  der  Voibahnhof  für  Wiesbaden.  Der  Vortragende 
gab  der  Hoffnung  Ausdruck,  dass  demnächst  über  die  in- 
frage kommenden  Strassenpläne  von  anderer,  berufener 
Seite  dem  Verein  Mittheilungen  gemacht  werden  möchten 
und  schloss  dann  mit  dem  Wunsche,  dass  der  jetzige  Ent- 
wurf als  ein  gutes  und  allen  Interessen  gleichmässig  dienen- 
des Werk  allgemein  anerkannt  und  dass  die  Geldmittel 
dafür  bereitgestellt  werden  möchten,  damit  endlich  mit 
Energie  und  frischer  Lust  an  dessen  Ausführung  und  so- 
mit an  die  so  wünschenswerthe  Schaffung  besserer  Bahn- 
hofs-Verhältnisse, sowie  schöner  Strassen  und  Plätze  in 
dem  jetzigen  Bahnhofsviertel  zwischen  Rhein-  und  Ring- 
strasse  herangegangen  werden  könne.  — 

Der  interessante  und  fesselnde  Vortrag  rief  einen  leb- 
haften Meinungsaustausch  hervor.  Hr.  Sauer  vertrat  die 
Ansicht,  dass  die  geplante  Verlegung  des  Güterbahnhofes 
nach  dem  hochgelegenen  Westen  der  Stadt  nicht  zweck- 
mässig erscheine.  Am  Güterbahnhof  siedelten  sich  natur- 
gemäss  die  gewerblichen  Anlagen  an  und  die  herrschende 
Windrichtung  führe  die  durch  Rauch  verdorbene  Luft  in 
die  Stadt;  auch  der  Güterverkehr  zwischen  Bahnhof  und 
Stadt  löse  sich  nicht  zweckmässig.  Der  Güterbahnhof  ge- 
höre in  das  südlich  nach  dem  Rhein  führende  Salzbach- 
thal, der  Ausfahrt  der  Eisenbahnen.  Dem  wurde  von  den 
Hrn.  Genzmer  und  Petri  entschieden  widersprochen. 
Ersterer  führte  hierzu  aus,  dass  die  Rauchbelästigung  aus 
dem  Westen,  wie  durch  die  jetzt  dort  schon  vorhande- 
nen Fabriken  sich  zeige,  bei  der  vorhandenen  Höhenlage 
nicht  erheblich  sei.  In  Wiesbaden  liege  das  vornehme 
Viertel,  der  „Westen“  anderer  Städte,  im  Osten  der  Stadt 
und  im  Westen  sei  das  gewerbliche  Leben  zu  suchen. 
Hieraus  ergebe  sich  mit  Nothwendigkeit  die  jetzt  geplante 
Trennung  und  Anordnung  von  Personen-  und  Güterver- 
kehr. Auch  in  der  Anlage  des  Hauptbahnhofes  sei  der 
Personen-Verkehr  jetzt  aus  diesem  Grunde,  umgekehrt 
wie  früher,  auf  die  Ost-,  und  der  Eil-  und  Stückgut-Ver- 
kehr auf  dieWestseite  gelegt  worden.  Hr.  Petri  wies  ferner 
nach,  dass  der  Einfuhr-Verkehr  an  Grossgütern  etwa  lo  mal 
so  gross  als  der  Ausfuhr-Verkehr  sei  und  sich  deshalb  die 
Hochlage  des  Güterbahnhofes  vollkommen  rechtfertige. 

Hr.  Genzmer  besprach  schliesslich  noch  die  durch 
die  neue  Bahnhofsanlage  im  Süden  der  Stadt  zwischen 
der  Adolfs-Allee  und  der  Mainzerstrasse  verursachten  Um- 
gestaltungen und  die  dort  in  Vorbereitung  begriffene  Stadt- 
anlage. Ursprünglich  sei  das  neue  Empfangs-Gebäude  in 
„schön  symmetrischer“  Anordnung  entsprechend  dem 
schachbrettähnlichen  Strassennetz  der  Wiesbadener  Süd- 
stadt, axial  in  die  nordsüdlich  gerichtete  Nikolasstrasse 
und  parallel  den  ostwestlich  verlaufenden  Strassen  an 
dem  Südring  geplant  gewesen.  Die  rein  praktische  Noth- 
wendigkeit, die  durch  die  Thalrichtung  bedingte  Einfahrts- 
richtung in  die  Bahnhofshalle  in  genügender  Länge  bei- 
zubehalten, habe  zu  einer  Drehung  des  Gebäudes  geführt. 
Der  von  ihm  (dem  Redner)  ausgearbeitete  Bebauungsplan 
sehe  eine  Schwenkung  der  verlängerten  Wilhelmstrasse 
(die  Hauptstrasse  des  Kurviertels)  in  westlichem  Sinne 
auf  das  Empfangsgebäude  zu  gerichtet  vor,  woran  auch 
seitens  der  städtischen  Körperschaften  festgehalten  werde. 
So  komme  Bewegung  und  Leben  in  das  im  Süden  der 
Stadt  in  Rechtwinkligkeit  und  Parallelität  erstarrte  Strassen- 
netz. Erfreulicherweise  scheine  ja  auch  das  neue  Em- 
pfangsgebäude der  Eisenbahn  eine  den  Verhältnissen  ent- 
sprechende grüppirte  Gestalt,  deren  Hauptmasse  sich  nach 
Osten  verschiebt,  anzunehmen  und  so  sei  zu  hoffen,  dass 
hier  ein  Stadttheil  entsteht,  bei  dem  die  zwanglose  Berück- 
sichtigung praktischer  Gesichtspunkte,  Geländeverhältnisse 
und  Verkehr  zu  einer  den  Anforderungen  künstlerischen 
Städtebaues  entsprechenden  Lösung  führen  würden.  — 

G-. 

Todtenschau. 

Stadtbaurath  Bokelberg  in  Hannover  j-.  Am  8.  Februar 
verstarb  plötzlich  inmitten  eines  Freundeskreises  an  einem 
Schlaganfalle  der  Stadtbaurath  Bokelberg  zu  Hannover. 
Er  war  daselbst  am  i.  September  1842  geboren  und  wid- 
mete sich  auf  der  damaligen  Polytechnischen  Schule  in 
Hannover  der  Ingenieurwissenschaft.  Anfangs  bei  Eisen- 
bahnbauten, dann  als  Landesbauinspektor  der  Provinz 
Sachsen  thätig,  wurde  ihm  1879  die  oberste  Leitung 
des  Stadtbauamtes  seiner  Vaterstadt  übertragen.  Er 
hatte  hier  Gelegenheit,  sich  bei  einer  Anzahl  grosser 
Anlagen  in  hervorragender  Weise  zu  bethätigen,  durch 
welche  Hannover  in  die  Reihe  der  modernen  Grosstädte 
eingetreten  ist.  Vor  allem  ist  hier  der  Plan  und  die  Aus- 
führung der  städtischen  Kanalisation  zu  nennen,  die  Bokel- 
bergs  eigenstes  Werk  ist,  ferner  die  Feststellung  eines 

84 


neuen  Bebauungsplanes,  die  Anlage  eines  städtischen 
Elektrizitätswerkes,  die  Erweiterung  der  Wasserwerke, 
ferner  zahlreiche  Strassen-  und  Brückenbauten.  Da  iW 
auch  die  Oberaufsicht  der  städtischen  Hochbauten  unter- 
stand und  er  sich  allen  diesen  technischen  Aufgaben  mit 
grösster  Gewissenhaftigkeit  widmete,  so  hatte  er  eine  ge- 
wöhnliche Kräfte  weit  übersteigende  Arbeitslast  zu  be- 
wältigen, die  sein  verhäJtnissmässig  frühes  Ende  wohl 
erklärlich  macht.  — S. 

Preisbewerbungen. 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwurfsskizzen 
für  ein  neues  Kollegien-Gebäude  der  Universität  Freiburg 
i.  Br.  reiht  sich  den  bedeutenderen  Wettbewerben,  welche 
die  deutsche  Baukunst  auszukämpfen  hatte,  an.  Benach- 
bart der  nach  den  Entwürfen  Schäfers  errichteten  neuen 
gothischen  Universitäts-Bibliothek,  soll  das  neue  Kollegien- 
Gebäude  auf  dem  Gelände  der  ehemaligen  Rempart- 
Kaserne  errichtet  werden.  Der  von  der  Beifort-,  der 
Werder-  und  der  Löwenstrasse  begrenzte  Bauplatz  hat 
die  ungefähre  Gestalt  eines  unregelmässigen  Dreiecks  und 
liegt  zum  grössten  Theil  frei;  in  nur  geringer  Ausdehnung 
grenzt  er  an  eine  östliche  Häusergruppe.  Für  das  zum- 
theil  drei-,  zumtheil  zweigeschossig  in  monumentaler  Durch- 
bildung zu  errichtende  Gebäude  steht  eine  Bansumme  von 
rd.  1700000  M.  zur  Verfügung.  Das  Raumbedürfniss 
gliedert  sich  in  folgende  Gruppen:  a)  eine  Aula  mit  150 
Sitzplätzen  für  Dozenten,  sowie  400  Sitz-  und  200  Steh- 
plätzen für  Eingeiadene  und  Studirende;  b)  Verwaltungs- 
räume; c)  Räume  für  die  4 Fakultäten;  d)  Gruppe  der 
Hörsäle,  deren  Fassungsvermögen  zwischen  30  und  400 
Zuhörern  schwankt;  e)  allgemeine  Räume.  In  dankens- 
werther  Weise  enthält  das  Raumprogramm  nähere  Hin- 
weise über  die  wünschenswerthe  Lage  der  Räume.  Ueber 
die  Stilwahl  sind  Angaben  nicht  gemacht,  es  besteht  somit  die 
einzige  Einschränkung,  dass  sich  das  neue  Gebäude  in  seine 
Umgebung  und  in  das  Stadtbild  ohne  Disharmonie  einfüge. 
Wer  Freiburg  kennt,  weiss,  dass  diese  Einschränkung  der 
Phantasie  der  Wettbewerber  den  weitesten  Spielraum  lässt. 
Die  Arbeitsleistung  ist  in  anerkennenswerther  Weise  auf 
das  Nothweudigste  beschränkt,  mit  Ausnahme  des  Lage- 
planes  wird  lediglich  der  Maasstab  i : 200  gefordert  wel- 
cher auch  dem  verlangten  Schaubilde  zugrunde  zu  'legen 
ist.  Der  Termin  — i.  Sept.  d.  J.  — ist  ausreichend  be- 
messen. „Wenn  das  Preisgericht  der  Ansicht  sein  sollte, 
dass  keine  der  eingegangenen  Arbeiten  des  ersten  Preises 
würdig  erscheine,  so  kann  von  dessen  Ertheilung  abge- 
sehen und  die  dafür  ausgesetzte  Summe  in  anderen  Be- 
trägen nach  dem  Ermessen  des  Preisrichter-Kollegiums 
zur  Auszeichnung  oder  zum  Ankauf  der  verhältnismässig 
besten  Entwürfe  verwendet  werden.“  Wir  dürfen  die 
Hoffnung  hegen,  dass  von  diesem  Vorbehalt  nur  im  äusser- 
sten  Falle  und  nur  auf  einstimmigen  Beschluss  des  Preis- 
gerichtes Gebrauch  gemacht  wird.  Die  badische  Staats- 
regierung behält  sich  über  die  Benutzung  der  preisge- 
krönten und  angekauften  Entwürfe  sowie  über  die  Wahl 
des  ausführenden  Architekten  freie  Hand  vor.  Bei  den 
eigenartigen  Verhältnissen  jedoch,  unter  welchen  der  Wett- 
bewerb ausgeschrieben  wird,  halten  wir  eine  Betheiligung 
eines  der  preisgekrönten  Verfasser  bei  der  Ausführung 
nicht  für  unmöglich.  Alles  in  allem  begleiten  wir  den  in 
seinen  Unterlagen  sehr  sorgfältig  vorbereiteten  und  auf  die 
Bedürfnisse  der  Verfasser  in  weitem  Umfange  Rücksicht 
nehmenden  Wettbewerb  mit  einer  warmen  Empfehlung’ 
zur  Betheiligung.  — 

Zu  dem  Wettbewerb  der  „Vereinigung  Berliner  Archi- 
tekten“ betr.  Umgestaltung  des  Ausstellungsgebäudes  am 
Lehrter  Bahnhof  sind  10  Entwürfe  eingegangen,  welche 
von  Mittwoch,  den  12.  d.  M.  bis  21.  Febr.  im  Uhrsaal  der 
kgl.  Akademie  der  Künste,  Unter  den  Linden,  öffentlich 
ausgestellt  sind.  Ueber  die  Preisentscheidung  berichten 
wir  in  der  nächsten  Nummer.  — 

Wettbewerb  Bismarck-Denkmal  Hamburg.  Verfasser 
des  Entwurfes  „Hünenmal“  ist  Hr.  Arch.  Rud.  Matzen 
in  Hamburg;  der  des  Entwurfes  „Ein  Stein“  Hr.  Arch. 
Alexander  Menner  in  Odessa.  — 


Personai-Naclirichten. 

Preussen.  Dem  Geh.  Reg.-Ratli  Jaeger,  vortr.  Rath  im 
Min.  f.  Handel  u.  Gewerbe  und  dem  städt.  Poliz.-Baudir.,  Brth. 
Kessler  in  Breslau  ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  dem  Kr.- 
Bauinsp.  Brth.  Bier  mann  in  Paderborn  und  dem  ßrth.  Lent 
bei  d.  Diskonto-Ges.  in  Berlin  ist  der  Char.  als  Geh.  Brth.  verliehen. 


Inhalt:  Strebel’s  Origitial-Gegenstroni-Gliederkessel.  — Zur  Peosioni- 
rung  der  Baubeamten.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Todtenschau.  — 
Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  13. 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  ^ 


ÄsrsjsrrsrarajsrsrsssjstsjÄ 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2: 14.  ❖ 
DEN  15.  FEBR.  1902. 
iStsrsssjÄssstajstsrsststsr 


Villa  Pintsch  in  Flinsberg  in  Schlesien 

Architekten;  Cremer  & Wolffenstein  in  Berlin.  (Hierzu 
Im  vergangenen  Jahre  ist  bei  dem  schlesischen 
Badeorte  FlinsbergimRcgicrungsbezirkLieg- 
nitz  nach  einem  Aufträge  des  Kommerzien- 
rathes  Julius  Pintsch  in  Berlin  eine  Villen- 
' anlage  entstanden,  welche  in  ihrer  feinen 
künstlerischen  Durchbildung  und  in  ihrem  architekto- 
nischen Aufwande  nicht  unerheblich  über  die  durch- 
schnittliche Gestaltung  der  ländlichen  Sommersitze 
hinausgeht.Die 


malerischeBau- 
gruppe,  beste- 
hend aus  der 
umfangreichen 
Villa  selbst  und 
einem  in  gerin- 
ger Entfernung 
etwas  tiefer  ge- 
legenen Garten- 
hause, liegt  auf 
dem  ziemlich 
steil  ansteigen- 
den Gelände 
eines  Vorber- 
gesdesschönen 
Isergebirges.in 
freier,  weithin 
sichtbarer  La- 
ge. Diese  Lage 
und  die  von 
der  Baustelle 
aus  möglichen 
Ausblickeindie 
herrliche  land- 
schaltlicheUm- 
gebung  haben 
auf  die  Grund- 
riss-Gestaltung 
der  Villa  inso- 
fern einen  be- 
stimmenden 
Einfluss  ausge- 
übt, als  die  letz- 
tere die  langge- 
streckteGrund- 
form  wegen  der 
nach  Nord- 
Nord-Ost  sich 
ergebenden 
reizvollenFern- 
sicht  in  das 
Greiffenbergei- 
Thal  mit  dem 
Badeorte  Flinsberg  im  Vordergründe  zeigt.  Die  über 
Eck  gestellte  Halle  wurde  angelegt,  um  von  hier  aus  die 
prächtige  Fernsicht  in  das  Queisthal  mit  dem  Hoch- 
stein im  Hintergründe  gegen  Osten  und  dem  Hasen- 
stein gegenWesten  geniessen  zu  können.  Gegen  Süden 
geht  das  Villengcländc  in  Wald  über. 

Das  Untergeschoss,  welches  zumtheil  aus  dem 
Felsen  gesprengt  werden  musste,  und  welches  in 
Löwenberger  Sandstein  ausgefOhrt  wurde,  enthält  die 
Küchen-  und  die  übrigen  Wirthschaftsräume,  Keller- 
räume, Mädchenzimmer,  Plätt-  und  Waschküche,  so- 
wie ein  Garten-  oder  Billardzimmer,  alles  in  reich- 
lichem Raumausmaass.  Ein  weiter  Flur  führt  unmittel- 
bar vom  Garten  zur  Nebentreppe  und  über  diese 
zu  den  Obergeschossen.  Im  hohen  Erdgeschoss 


Bildbeilage  und  die  Abbildungen  5.  88  ] 

liegen  ein  Damenzimmer,  das  Wohnzimmer,  die 
Diele  mit  Treppe  zu  den  oberen  Räumen,  das  Speise- 
zimmer mit  Erker,  eine  geschlossene  und  die  schon 
erwähnte  offene  Halle,  Flur,  Toiletten  und  eine  Neben- 
treppe. Im  Obergeschoss  liegen  die  Schlafräume 
mit  Bad,  im  Dachgeschoss  Fremdenzimmer, 

Die  ungezwungene,  den  natürlichen  Bediiigungen 
der  Lage  angepasste  Grundrisslösung  zeigt  die  weit- 
gehende Sorg- 
faltinderDurch- 
arbeitung,  wel- 
cheallenGrund- 
riss  - Lösungen 
der  Künstler 
in  so  hervorra- 
gendemMaasse 
eigen  ist. 

Das  Aeussere 
ist  in  seinen 
unterenTheilen 
gemauert  und 
verputzt;  der 
zur  Anwendung 
gelangte  rauhe 
und  der  glatte 
Putz  sind  mit 
Casc'infarbe  ge- 
strichen und 
an  besonderen 
Stellen  mit  de- 
korativer Ma- 
lerei geziert. 

Die  oberen 
Theileder  Villa 
sind  in  Fach- 
werk durchge- 
bildet worden, 
das  Holz  wurde 
braun  gestri- 
chen und  mit 
einem  Lack 
überzogen.Das 
Innere  hat  eine 
zwar  schlichte, 
im  übrigen  aber 
der  Bedeutung 
des  Hauses 
angemessene 
künstlerische 
Durchbildung 
indurchgehends 
echten  Materi- 
alien erhalten.  — Das  Gebrauchsw'asser  erhält  die  Villa 
von  den  Gebirgsquellen,  die  in  offenem  Graben  zu 
Thale  fliessen.  Das  Wasser  wird  in  eine  kleine  Klär- 
anlage geleitet  und  von  dort  durch  das  eigene  Gefälle  in 
schmiedeisemen  Druckröhren  bis  ins  Dachgeschoss 
geführt,  wodurch  es  möglich  wurde,  Klosets,  Bade- 
imd.  Wasch-Toiletten  mit  Wasser-Zu-  und  Ableitung 
herzustellen.  Die  Abwässer  sind  in  eigene  Klär-  und 
Versickerungs-Gruben  geleitet.  Schönes  Trinkwasser 
liefert  eine  besonders  gefasste  Quelle  im  Garten.  Die 
Villa  hat  ferner  Niederdruck-Dampfheizung  und  elek- 
trisches Licht  von  der  elektrischen  Anlage  des  Kur- 
hauses erhalten. 

Die  Herstellung  war  äusserst  umständlich,  da  alle 
Bau-  und  sonstigen  Materialien  vom  Thal  zu  Berg 


85 


mit  vier-  und  sechsspännigen  Wagen  hochgeführt 
werden  mussten. 

An  der  Ausführung  waren  betheiligt:  Maurermstr. 
Greppi  aus  Friedeberg  a.  Queiss;  Dachdecker  Neu- 
meister; Klempner  Runge  & Sohn;  Tischle'r  H. 
Bilecki;  Maler  Waller  & Senftleben;  die  Fliesen 
lieferten  Rosenfeld  & Co.,  sämmtlich  in  Berlin.  Auch 


die  innere  Ausstattung  wurde  von  Berliner  Firmen  be- 
sorgt; an  ihr  waren  betheiligt:  Kunsttischler  Siebert 
& Aschenbach,  ßodenheim;  Frost  & Söhne  für 
die  Beleuchtungskörper,  sowie  für  die  elektrischen  An- 
lagen Gebr.  Körting  in  Breslau.  Die  Wasseran- 
lagen sind  von-  Gutmann  in  Warmbrunq,  die  Zentral- 
heizung von  Martini  in  Leipzig  geliefert  worden,  — 


Die  Stuttgarter  Stadterweiterung. 

Herausgegeben  vom  Stadtschultheissenamt  Stuttgart.  — Besprochen  von  R.  Baumeister-Karlsruhe. 


n meinem  Artikel  auf  S.  555  Jahrg.  1901  der 
Dtschn.  Bztg.  wurde  bereits  auf  das  unter 
obigemTitel  erschienene  grosse  Sammelwerk 
hingewiesen,  welches  auf  240  Seiten  nebst 
einer  Einleitung  von  28  Seiten  die  Akten- 
stücke zur  bisherigen  Entwicklung  des  Uriternehmens 
veröffentlicht.  Die  Reichhaltigkeit  des  Werkes  geht 
aus  folgender  Inhaltsübersicht  hervor: 

Einleitung  von  Ob.-Bürgermstr.  Gauss;  Begleit- 
schrilt  zum  Stadterweiterungsplan  mit  Lageplan  im 
Maasstab  i : 10000,  von  Stadtbrth.  Kölle;  Gutachten 
des  Ob.-Brths.  Prof.  Baumeister,  mit  abgeändertem 
Lageplan;  Korreferat  von  Gem.-Rtb.  Arch.  Frey;  Die 
Stadterweiterung  unter  volkswirthschaftüchem  Gesichts- 
punkt, von  Gem.-Rth.  Dr.  Rettich;  Erwiderung  von 
Stdtbrth.  Kölle;  Hygienisches  Gutachten  des  i.  Stadt- 
arztes Dr,  Knauss;  desgl.  von  Prof.  Nussbaum  inHan- 
nover.  Berichtvora  künstlerischen  Standpunkt  durch  eine 
Kommission  bestehend  aus  Ob.-Brth.  Prof.  Reinhardt, 
ßrth.  Eisenlohr,  Prof.  Halmhuber  und  Prof.  Haug, 
mit  zahlreichen  Bildtafeln;  Die  Hauptgesichtspunkte 
nach  den  vorliegenden  Gutachten  in  einem  Schluss- 
wort zusaramengestellt,  von  Dr.  Rettich;  Auszug  aus 
der  Schrift:  Weiträumiger  Städtebau  und  Wohnungs- 
frage, von  Dr.  Abele,  Sekretär  des  Stadtschultheissen-: 
amtes;  Vorschläge  des  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereins  Hannover,  betr.  Gesichtspunkte  für  die  Neu- 
bearbeitung der  dortigen  Bauordnung;  Städtebau,  Vor- 
trag von  Prof.  Theodor  Fischer,  Bauamtmann  der 
Stadt  München.  - — 

Es  ist  hier  nicht  der  Raum  verfügbar,  um  den 
Inhalt  des  Werkes  vollständig  zu  zergliedern,  ich 
möchte  nur  versuchen,  die  Hauptzüge  und  nament- 
lich die  wichtigsten  Gegensätze  hervorzuheben,  deren 
Bedeutung  über  Stuttgart  hinausreicht. 

Nach  dem  hier  beigefügten  Uebersichtsplan  (Ab- 
bildg.  I)  liegt  die  Stadt  Stuttgart  grösstentheils  in  einer 
kesselartigen  Erweiterung  desNesenbachthales.  Die  Vor- 
orte Heslach,  Berg,  Gablenberg  sind  Bestandtheile  der 
Gemeinde.  Die  bisher  befolgte  stückweise  Ergänzung 


der  Bebauungspläne  hat  die  Ränder  des  Thalbodens 
erreicht,  ja  stellenweise  schon  die  Abhänge  in  An- 
spruch genommen.  Nach  der  vorherischenden  Scha- 
blone des  Rechteck-Netzes  wurden  die  Strassen  gerad- 
linig bis  an  den  Bergfuss  verlängert  und  auch  über 
gewundene  Abhänge  rücksichtslos  geradlinig  erstreckt, 
ohne  gehörige  Vorsorge  dafür,  dass  sie  weiter  hinauf 
mit  geeigneter  Richtung  und  Steigung  fortgesetzt  wer- 
den könnten.  Es  war  daher  an  der  Zeit,  einen  um- 
fassenden Entwurf  zur  Stadterweiterung  aufzuatellcn, 
wie  er  jetzt  seit  1895  aus  Kölle's  Hand  vorliegt.  Der- 
selbe erstreckt  sich  beinahe  auf  das  gesammte  W”eich- 
bild,  soweit  es  nicht  mit  Wald  bestanden  ist,  ausser- 
dem gegen  den  Neckar  hin  auf  Theile  der  anstossen- 
den  Gemarkungen  Cannstatt  und  Gaisburg,  deren 
Eingemeindung  zu  erwarten  ist. ')  Damit  werden  ausser- 
halb des  schon  bebauten  Gebietes  von. etwa  400^=^  wei- 
tere 1000 ha  erschlossen.  Diese  Zahlen  umlassen  die 
Biockflächen,  nämlich  Häuser,  Höfe  und  Hau^gä^ten, 
ohne.  Strassen  und  öffentliche  Anlagen  und  ohne  die 
mit  .Bauverbot  zu  belegenden  Flächen. 

, Es  handelt  sich  fast  durchweg  um  geneigtes  und 
zudem  vielfach,  gewundenes  Gelände;  denn  die  Thal- 
sohle liegt.' an  der  oberen  Stadtgrenze  ungefähr  auf 
300“,  am  Neckar  auf  220™  über  dem  Meer,  die  Grenzen 
des  Entwurfs  ringsum  durchschnittlich  auf  etwa  400™; 
sie  werden  gegen  Südwest  und  Südost  durch  noch 
höher  aufsteigende  und  bewaldete  Bergkuppen  über- 
ragt. Auf  einem  derartigen  Gebiet  mussten  die  künfti- 
gen Strassen  der  Erdoberfläche  ziemlich  genau  folgen, 
also  vielfach  gekrümmt  werden,  um  nicht  nur  bei  ihrer 
eigenen  Herstellung,  sondern  auch  beim  Häuserbau 
möglichst  wenig  Kosten  zu  verursachen;  sie  haben  im 
Entwurf  zwischen  6 und  io'%  Steigung  erhallen  und 
damit  auch  die  z.  Th.  sehr  steilen  von  Stuttgart  aus- 
gehenden Landstrassen  verbessert.  Ausserdem  ist  die 
Breite  der  Strassen  geringer,  ais  sie  auf  wagrechtem 
Gelände  gewählt  zu  werden  pflegt.  Zahlreiche  Strassen, 


')  Gaisburg  wurde  jüngst  eingemeindet. 


Neuere  Druckwerke  auf  dem  Gebiete  des  Wasser- 
baues. 

nnter  den  mancherlei  Werken,  die  sich  aus  diesem 
Gebiete  auf  dem  Redaktionstische  angesammelt  haben, 
ist  der  Bericht,  den  Prof.  Holz  in  Aachen  über  die 
Wasserkraft-Verhältnisse  in  Skandinavien  und 
im  Alpengebiete  erstattet  hat,  eines  der  werthvollsten. 
Der  Sonderabdruck  aus  der  Zeit.-chrift  für  Bauwesen’) 
umfasst  in  Folio -Format  48  Druckseiten  mit  79  Textab- 
bildungen und  8 in  bekannter  Vorzüglichkeit  au>geführte 
Steindrucktafeln.  Die  von  dem  Verfasser  im  Jahre  i8g6 
aufgrund  der  Verleihung  des  Schinkelpreises  ausgeführte 
Studienreise  hat  den  ersten  Anlass  zu  dieser  Veröffent- 
lichung gegeben.  Hier  ist  aufs  Neue  der  Beweis  geliefert, 
dass  die  Studienreisen  jüngerer  Fachgenossen  in  vielen 
Fällen  nicht  nur  ihnen  selbst  werthvolle  Anregungen  geben, 
sondern  auch  durch  klare  Darlegung  der  auf  einem  Sonder- 
gebiet erreichten  Fortj^chritte  der  Gesammtheit  wesentlich 
zugute  kommen.  Im  vorliegenden  Falle  handelt  es  sich 
um  die  für  das  ganze  Ingenieurwesen  überaus  wichtige 
Frage  der  Ausnutzung  der  Wasserkräfte,  die  von  dem 
Verfasser  um  so  erfolgreicher  behandelt  werden  konnte, 
als  er  in  der  Lage  war,  ihr  nach  Beendigung  der  Studien- 
reise dauernd  einen,  grossen  Theil  seiner  Thätigkeit  zu 
widmen.  Nach  einer  kurzen  Einleitung,  in.  der  die  wich- 
tigsten Beziehungen  zwischen  den  natürlichen  Verhälc- 

1)  Verlag,  v.  Wilhelm  Emst  & ?oho,  Berlin  1900.  Pr.  24  M. 

86 


nissen  und  der  Wasserkraft  Gewinnung  allgemein  be-han- 
delt  werden,  folgt  eine  Uebersicht  der  in  Skandinavien 
vorhandenen  Wasserkräfte,  , von  denen  bislang  nur  ein 
kleiner,  zu  den  Mittelpunkten  des  Kraftverbrauches  günstig 
belegener  Theil  ausgenutzt  werden  konnte.  Die  vortheil- 
haften  Niederschlags-  uud  Abflussverhältnisse,  die  günsti- 
gen Bedingungen  lür  eine  Steigerung  der  Niederwasser- 
menge werden- anschaulich  geschildert  und  im  Anschluss 
daran  wird  die  Möglichkeit  erwogen,  die  Wasserkräfte 
durch  elektrische  Ströme  den  namentlich  an  den  Wasser- 
strassen belegenen  Wirthschafts-Schwerpunkten  zuzufüh- 
ren; auch  die  Anlagen  zur  Förderung  des  Wasserver- 
kehres, insbesondere  der  Flösserei,  werden  besprochen. 

Die  Beschreibung  einer  Reihe  bemerkenswerther 
Wasserkraft-Anlagen  erstreckt  sich  auf  die  Stauwerke,  die 
oft  mit  Tunneibauten  verbundenen  Leitungen  und  auf  die 
Kraftwerke.  Den  Beschluss  bildet  die  Besprechung  des 
Wasserkraftschatzes,  der  bei  den  Trolhättanfällen  noch 
zu  heben  ist.  Nicht  minder  beachtenswerth  ist  der  zweite 
Theil  der  Verölfentlichung,  der  sich  mit  den  Wasserkräften 
der  Alpenländer  beschäfiigt  und  viele  Beispiele  von  Hoch- 
und  Niederdruck- Werken  bringt.  Von  den  letzteren  seien 
namentlich  die  Kraftwei  ke  beiRheinf  elden , beiZufi  kon- 
Bremgarten  und  Chevres  bei  Genf  hervorgehoben;  von 
den  Hochdruck-Werken  seien  diejenigen  am  Etzel,  im  Val 
de  Travers,  bei  Schaffhausen  und  die  Brennerwerke 
bei  Mairei  erwähnt.  Diese  und  viele  andere  Werke  sind 
in  ihren  Haupttheilen  geschildert;  überall  ist  der  Grund- 
charakter der  wasserbaulichen  Anlagen  durch  Wort  und 

No.  14. 


besonders  solclie,  welche  ungefähr  einer  Horizontal- 
kurve folgen,  sollen  nur  an  der  Bergseite  bebaut  wer- 
den, z.  Th.  über  erhöhten  Vorgärten,  an  der  Thalseite 
dagegen  offen  bleiben,  sowohl  wegen  konstruktiver 
Bauschwierigkeit,  als  wegen  der  Aussicht.  Das  Bau- 
verbot hätte  sich  dann  soweit  zu  erstrecken,  dass  über 
die  Dächer  der  weiter  unten  stehenden  Häuser  hin- 
weg gesehen  werden  kann.  Ausser  diesen  sogen. 
„Panorama-Strassen“  enthält  der  Entwurf  mehrere 
„Aussichtsplatten“  und  öffentliche  Anlagen. 

Was  dieBebauungsweisedesStadterweiterungs- 
Gebietes  betrifft,  so  schlägt  Kölle  3 Zonen  vor:  die 
innere  Zone  oder  Altstadt,  geschlossen  bebaut,  be- 
dürfe nur  gewisser  Bestimmungen,  um  im  Falle  von 
Umbauten  die  Zustände  nicht  noch  mehr  zu  ver- 
schlechtern, sondern  vielmehr  allmählich  zu  verbessern. 
Die  mittlere  Zone,  den  grössten  Theil  des  Gesammt- 
gehietes  einnehmend,  solle  nach  der  bisher  üblichen 
offenen  Bauweise,  aber  mit  zwei  Abweichungen  bebaut 
werden,  nämlich  mit  Steigerung  df's  Wichs  von  3 auf 
5*",  und  mit  Verminderung  der  Höchstzahl  von  Ge- 
schossen (einschl.  Erdgeschoss)  von  4 auf  3.  Für  die 
äussere  Zone  sollten,  wie  bis  dahin  schon  üblich, 
für  die  einzelnen  Strassen  oder  Strassenstrecken  je- 
weils besondere  Bestimmungen  über  den  Wich  (bis 
zu  14™),  über  die  Höhe  der  Häuser  und  über  die 
Anzahl  der  Geschosse  (in  der  Regel  2 — 3)  erlassen 


werden. 2)  Im  Allgemeinen  war  hier  ein  landhaus- 
artiger Charakter  gedacht.  Ausnahmen  sollten  zwei 
Fabrikviertel  gegen  den  Neckar  hin,  sowie  etliche  Be- 
zirke für  vorwiegend  iandvvirthschaftliche  Bauten  an 
den  Rändern  des  Entwurfes  bilden. 

In  einem  von  der  Gemeinde-Verwaltung  erbetenen 
Gutachten  über  den  Kölle'schen  Entwurf  konnte  ich 
den  technischen  Grundsätzen  desselben  im  Allgemeinen 
nur  meine  Zustimmung  geben.  Aenderungen  glaubte 
ich  nur  bei  einzelnen  Theilen  vorschlagen  zu  müssen, 
zwecks  günstigerer  Steigungen  oder  vortheilhafterer 
Blockformen,  oder  aus  ästhetischen  Gründen.  Ferner 
wurde  von  mir  eineReihe  allgemeinerGrundzüge  für  die 
künftige  Bauordnung  vorgeschlagen  und  hierbei  eine 
gewisse  Mannichfaltigkeit  empfohlen,  theils  aus 
ästhetischen  Gründen,  theils  weil  die  vielerlei  baulichen 
Bedürfnisse  einer  grossen  Stadt  sich  nicht  mit  wenigen 
Grundformen  erledigen  lassen.  Namentlich  sollten 
Einfamilienhäuser  in  geschlossenen  Reihen 
zugelassen  werden,  um  dieser  erfreulichsten  Form  des 
Wohnens  thunlichslen  Vorschub  zu  leisten. 

Im  Weiteren  sei  hier  die  Zustimmung  des  Württem- 
berg. Vereins  f Baukunde  zu  dem  Erweiterungsplan,  so- 
wie das  Urtheil  der  Künstler-Kommission  angeführt,  wel- 
ches letztere  lautet:  „Die  Tracirung  ist  nach  dem  auch 
vom  künstlerischen  Standpunkt  aus  allein  richtigen  Wege 
möglichster  Anlehnung  an  die  wechselvolle  Beschaffen- 
heit des  Geländes  er- 
folgt, so  dass  der 
aufgrund  des  Gut- 
achtens von  Prof.  Bau- 
meister umgearbeitete 


2)  Eine  Zusammenstel- 
lung der  bisher  erlassenen 
Vorschriften  für  das  An- 
bauen an  bestehenden  neuen 
Strassen  ist  der  Abhandlung 
von  Dr.  Rettich  als  Anhang 
beigegeben. 

Abbildg.  I. 

Lageplan  von  Stuttgart. 

Erklärung: 

Innere  Stadt,  in  geschlossener 
Bauweise. 

Aeusse'e  Stadttheile,  in  offener 
Bauweise. 

Grenze  des  Stadterweiterungs- 
Entwurfes. 

Grenze  der  geplanten  Fabrik- 
viertel. 

Weichbildgrenze. 


Bild  beschrieben,  w'ährend  vielfach  wegen  der  Einzel- 
heiten auf  besondere  Veröffentlichungen  verwiesen  ist,  so- 
dass  das  HolzVche  Werk  einen  vorzüglichen  Ueberblick 
über  neueste  Wasserkraft-Gewinnungsanlagen  gewährt.  — 
Ganz  anderer  Art  sind  die  von  dem  Heg.-  u Brth. 
Sy  mph  er  bearbeiteten  „Wasserwirthschaftlichen 
Vorarbeiten  “-2)  Hier  handelt  es  sich  nicht  um  ausge- 
führte Bauwerke,  sondern  der  auf  dem  Gebiete  der  Statistik 
des  Wasserveikeiires  woh  lei  fahren  e und  an  der  Bearbeitung 
der  neueren  Entwürfe  für  die  Vervollständigung  des  preussi- 
schen  Wasserstrassennetzes  hervorragend  beiheiligte  Ver- 
fasser hat  hier  seine  reichen  Erfahrungen  in  übersichtlicher 
Weise  mitgetheilt.  Der  kurzen  aber  inhaltreirhen  Dar- 
stellung der  bisherigen  Entwicklung  des  deutschen  Güter- 
verkehres entnehmen  wir  die  erfreuliche  Thatsache,  dass 
trotz  der  starken  Zunahme  der  grossen  Fluss-  und  Kanal- 
schiffe auch  die  Zahl  der  Kleinschilfe  von  100—200  ^ Trag- 
fähigkeit sich  in  den  letzten  20  Jahren  von  3079  auf  6925 
vermehrt  hat.  Eine  besondere  Sorgfalt  ist  im  II.  Kapitel 
der  Ermittlung  der  Transportkosten  auf  Eisenbahnen  und 
Wasserstrassen  gewidmet-  Die  hier  gewonnenen  Zahlen 
werden  für  alle  weiteren  Erörterungen  auf  diesem  Gebiete 
einen  sicheren  Ausgangspunkt  bilden,  ln  der  ausführlich 
behandelten  Frage  der  Wasserstrassen- Abgaben  nimmt 
der  Veifasser  den  Standpunkt  ein,  dass  die  künstlichen, 
hauptsächlich  zu  Verkehrszwecken  angeHgten  Kanäle  sich 
gleich  den  Eisenbahnen  durch  eigene  Einnahmen  selbst 


2)  Verlag  von  Wilhelm  Engelmann,  Leipzig  1901.  Preis  8 M. 

15.  Februar  1902. 


erhalten  müssen  und  dass  ohne  diese  Forderung  an  einen 
umfassenden  Ausbau  des  Wasserstrassennetzes  nicht  ge- 
dacht, werden  könne;  über  die  Höhe  der  Abgaben,  die  An- 
zahl der  Tarilklassen  nsw.  müsse  von  diesem  (Gesichts- 
punkte ausgehend  von  Fall  zu  Fall  entschieden  werden. 
Wenhvolle  Streiflichter  werden  auf  die  Beziehungen  zwi- 
schen Eisenbahn-  und  Wasserverkehr  geworfen.:  Das 
III.  Kapitel  behandelt  den  zu  erwartenden  Verkehr  und 
seine  finanziellen  Folgen,  während  das  IV.  Kapitel  dem 
Einfluss  gewidmet  ist,  den  eine  neue  Wassersirasse  auf 
das  Erwerbsleben  ausübt.  Die  Art  und  Weise,  in  welcher 
der  dem  Rhein-Elbe  Kanal  voraussichtlich  zufallende  Ver- 
kehr ermittelt  worden  ist,  findet  in  der  Anlage  8 ausführ- 
liche Eiläuterung,  während  Anlage  10  der  Verkehrs-  und 
Ertrags  - Berechnung  für  den  Braunschweiger  Stichkanal 
gewidmet  ist.  Kein  Volkswirth  oder  Techniker  dürfte  mit 
Erfolg  an  Fräsen  des  binnenländischen  Wasserverkehrs 
herantreten  können,  ohne  den  Ergebnissen  Rechnune  zu 
tragen,  die  Sympher  aufgrund  jahrelanger  Arbeiten  in  dem 
vorliegenden  Bericht  mit  seinen  13  Anlagen  niedergelegt 
hat.  Trefflich  ausgeführie  Karten  erleichtern  die  Uebersicht. 

Von  der  umfangreichen  Arbeit,  betreffend  die  „Unter- 
suchungen der  Hochwasser- Verhältnisse  im  deut- 
schen Rheingebiet“  ist  das  von  Dr.  phil.  Maximilian 
vonTein  bearbeitete  VI.  Heft-^)  erschienen.  Das  145  Seiten 
gr.  4'^  mit  9 Tafeln  umfassende  Heft  ist  dem  Maingebiet 

8)  Verlag  von  W.  Ernst  & Sohn,  Berlin  jgoi.  Preis  geh.  24  M. 

(Fortsetzung  auf  Seite  90.) 


87 


Kölle’sche  Entwurf  als  eine  gesunde  Basis  für  die  bau- 
liche Entwicklung  bezeichnet  werden  kann.“  — 

Während  somit  der  Strassenplan  keine  Bean- 
standung gefunden  hat®),  sind  über  die  Bebauungs- 
weise lebhafte  Streitigkeiten  entstanden.  Der  Vor- 
kämpfer gegen  den  Entwurf  ist  Dr.  Rettich,  Vertreter 
der  sogenannten  Rathhaus-Baupolitik.  Seine  Abhand- 
lung, unstreitig  eine  fleissige  Arbeit,  interessirt  schon 
durch  eine  Menge  von  Behauptungen,  welche  von  den 
bisher  ziemlich  allgemeinen  Ansichten  über  Städtebau 
stark  abweichen  und  auch  mit  grossem  Selbstbewusst- 
sein vorgetragen  werden. 

In  erster  Linie  sucht  der  Verfasser  die  Einwohner- 
zahl zu  ermitteln,  für  welche  der  Entwurf  Raum  bietet. 
Er  gründet  seine  Berechnungen  auf  die  Baufronten, 
deren  Summe  unter  Berücksichtigung  der  Wichab- 


In  der  „Erwiderung“  Kölle’s  werden  mehrere  Irr- 
thümer  in  den  Voraussetzungen  vorstehender  Rech- 
nung hervorgehoben  und  hinwieder  von  Rettich  in 
seinem  Schlusswort  (m.  E.  nicht  durchschlagend)  klar 
zu  stellen  versucht.  Wie  dem  auch  sei,  so  besteht 
jedenfalls  der  Hauptfehler  Rettich’s  darin,  Einwohner- 
zahl und  Frontlänge  proportional  zu  setzen.  Denn 
im  Inneren  der  Blöcke  lassen  sich  an  Zwischenstrassen 
— selbstredend  bei  gesundheitlicher  Fürsorge  — doch 
auch  noch  Menschen  unterbringen.  Der  allgemeine 
Entwurf  enthält  eben  vorzugsweise  die  Hauptstrassen 
und  lässt  mittels  Auftheilung  der  zumtheil  sehr  grossen 
Blöcke  noch  zahlreiche  weitere  Baufronten  zu.  Und 
eine  solche  Auftheilung  möchte  in  Zukunft  immer 
öfter  Vorkommen,  weil  Wohnhäuser  an  Strassen  den 
Vorzug  vor  ungeregelten  Hintergebäuden  haben.  Man 


stände  und  der  mit  Bauverbot  zu  belegenden  Strecken 
im  Erweiterungs- Entwurf  die  gleiche  sein  würde, 
welche  in  der  jetzigen  Stadt  Stuttgart  vorhanden  ist. 
Hiernach  werde  das  Erweiterungsgebiet  gemäss  der 
Kölle’schen  Bebauungsweise  Wohngelegenheit  für 
122278  Menschen  erschliessen,  d.  i.  75%  der  gegen- 
wärtigen Bevölkerung,  und  nach  dem  bisherigen  Zu- 
wachs-Maasstab (13,235  °/o  von  1890—95)  bis  zum  Jahre 
1919  aufgebraucht  sein.  Auf  der  2V2faclien  Fläche 
(s.  0.)  seien  nur  der  Einwohner  unterzubringen. 
Einen  solchen  Luxus  von  Geländefiäche  und  von 
Strassenaufwendungen  könne  Stuttgart  sich  nicht  ge- 
statten; er  wäre  dazu  angethan,  das  Weichbild  für 
kleine  Leute  .abzusperren  und  denselben  entweder  die 
Unbequemlichkeit  des  Wohnens  in  der  weiteren  Um- 
gegend aufzulegen  oder  die  bereits  vorhandene  Woh- 
nungsnoth  ins  Unerträgliche  zu  steigern. 

ä)  Man  vergleiche  hierzu  das  einzige  abfällige  Urtheil  von  Prof. 
Hcnrici  im  Centralblatt  der  Bauver'wltg.  1901  S.  irn  Gegensatz 
gegen  obige  Aussprüche  ortskundiger  Künstler. 


wird  daher  die  Bevölkerung  füglich  nach  Verhältniss 
der  Flächen,  natürlich  unter  Berücksichtigung  des 
Grades  der  Bebauungs-Dichtigkeit,  abschätzen  dürfen, 
wie  es  auch  anderwärts  immer  geschieht.  Um  auf 
diesem  Wege  wenigstens  eine  Durchschnittsrechnung 
anzustellen,  gehe  ich  davon  aus,  dass  in  dem  jetzigen 
Stuttgart  160  000  Menschen  auf  400  Blockfläche 
wohnen,  also  400  Menschen  auf  i Für  das  Stadt- 
erweiterungs-Gebiet  wird  unter  Voraussetzung  moder- 
ner Weiträumigkeit  die  Annahme  250  sicherlich  eine 
mässige  sein;  sie  entspricht  167  Menschen  auf  1 Ge- 
sammtfläche,  indem  in  guten  neueren  Stadtplänen 
ungefähr  Vs  auf  öffentliches,  Vs  auf  privates  Eigen- 
thum fällt,  ungerechnet  etwaige  mit  Bauverbot  belegte 
FlächenV-  Man  erhält  somit  mindestens  250  000  Ein- 
wohner für  das  gesammte  Gebiet,  welches  dann  un- 
gefähr bis  1933  ausreichen  würde. 

Verfolgen  wir  nun  Rettich’s  Vorschläge  zu  der 

■‘J  Handbuch  der  Baukunde  III,  3.  Städtisches  Strassenwesen 
und  Städtereinigung  S.  50  u.  325. 


BB 


No.  14. 


von  ihm  erstrebten  stärkeren  Ausnützung  des 
Erweiterungsgebietes.  Danach  soll  nur  für  etwa  ^ m 
der  Bevölkerung  landhausartig  mit  Wich  gebaut  wer- 
den, sonst  durchweg  in  geschlossenen  Reihen, 
unter  Zulassung  von  4,  in  breiteren  Strassen  5 Ge- 
schossen (einschl.  Erdgeschoss)  und  ohne  Aenderung 
der  bisherigen  Vorschriften  über  Höfe  und  Hinter- 
gebäude^). Mit  diesen  Maassregeln  seien  349  449  Per- 
sonen unterzubringen.  Es  lässt  sich  leicht  nachrech- 
nen, dass  dann  die  Erweilerungsfläche  erst  1942  ver- 


braucht sein  würde.  Bedeutsamer  als  diese  unsiche- 
ren Berechnungen  in  der  Raumfrage  scheinen  mir  in- 
dessen die  angeknüpften  Erörterungen  Rettich’s  über 
die  wirthschaltlichen,  gesundheitlichen  und  schönheit- 
lichen  Interessen,  welche  durch  seine  Vorschläge  be- 
rührt werden.  Ich  versuche  deshalb  im  Folgenden 
die  Wirkungen  verschiedener  Grade  der  Baudichtig- 
keit (in  wagrechtem  und  senkrechtem  Sinne)  nach 
den  genannten  3 Richtungen  darzulegen.  — 

(Fortsetzung  folgt.1 


Abbildg.  3.  Bebauung  des  Kriegsberges  mit  wechselndem  Wich  und  grösseren  Gruppen. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Vereln  zu  Hamburg.  Berichtigung. 
In  No.  12  befindet  sich  unter  den  Vereins-Nachrichten  ein 
Bericht  über  einen  von  mir  am  22.  Nov.  v.  J.  gehaltenen 
Vortrag  über  Reiseeindrücke  aus  München,  in  dem  der 
Sinn  meiner  Ausführungen  mir  nicht  überall  ganz  zu- 
treffend wiedergegeben  zu  sein  scheint.  Da  es  sich  bei 
diesem  Vorträge  nur  um  eine  auf  einen  engeren  Kreis 

^)  Hoftiefe  gleich  0,3 — 0,5  der  Haushöhe.  Bei  Hintergebäuden 
Abstände  von  3 — 6 m. 

15.  Februar  1Q02. 


von  Fachgenossen  berechnete  Schilderung  ganz  persön- 
licher Eindrücke  gehandelt  hat,  so  möchte  ich  mich  dar- 
auf beschränken,  einige  sachliche  Ungenauigkeiten  zu  be- 
richtigen. 

Zunächst  habe  ich  nicht  gesagt,  dass  ich  mich  in 
München  zu  einer  Zeit  aufgehalten  hätte,  wo  die  Stadt  in- 
bezug  auf  ihre  Bedeutung  mit  den  kleineren  Residenzen 
wie  Dessau  oder  Strelitz  hätte  verglichen  werden  können. 
Diesen  Vergleich  habe  ich  selbstverständlich  auf  eine  viel 
frühere  Zeit,  als  ich  sie  überhaupt  erlebt  haben  könnte, 
angewendet. 


«9 


Sodann  bezweifle  ich  gesagt  zu  haben,  dass  das  Schau- 
spielhaus allein  nach  den  Entwürfen  der  Ari  hitekien  Heil- 
mann & Litimann  erbaut  sei,  da  mir  die  Mitw  ii  kung  ,des 
Male)s  Kiemerschmid  bei  der  dekorativen  Ausgestaltung 
des  Theaters  sehr  wohl  bekannt  ist. 

Endlich  möchte  ich  bezü^^lich  der  von  der  Redaktion  mit 
einem  Fragezrichen  versehenen  Mieiheangabe  noch  bemer- 
ken, dass  es  sich  um  eine,  wenn  auch  nifht  aus  zahlreichen 
so  doch  aus  grossen,  gut  ausgesiatteten  Räumen  bestehende 
Wohnung  eleganter  Art  handelte,  und  dass  in  der  Miethe 
die  Vergütung  für  die  Beheizung  der  Wohnung  einge- 
schlossen war.  — J.  G.  Rambatz. 

Weiter  i>t  zu  berichtigen,  dass  der  Urheber  der  S.  6g 
abgebildeten  beiden  Kirchen  nicht  Hr.  W.  Lorenzen,  son- 
dern Hr.  Fernando  Lorenzen  in  Hamburg  i,-t.  — 

Vers,  am  6.  Dez  1901.  Vors.  Hr.  Clas^en;  anwes. 
54  Pers.  Der  Vorsitzende  eiötfnet  die  Sitzung  mit  der 
Mitthnlung  über  den  Tod  des  Hrn.  Bauin>p.  Weydig,  zu 
des^en  ehrendem  Andenken  sich  die  Anwesenden  von 
ihren  Sitzen  erheben. 

Der  Vorsitzende  theilt  mit,  dass  Hr.  Wasserbau-Dir. 
Buchheisier  der  Verein^bibliothek  ein  Exemplar  der  Ab- 
handlung „Hamburgs  Fürsorge  für  die  Scltiflbarkeit  der 
Unterelbe“  geschenkt  höbe.  Hr.  Elvers  beginnt  semen 
Voi  trag  Uber  die  Ei  n d rücke,  die  er  bei  einem  diesjährigen 
Aufenthalt  inLondon  eihalten  hat  mit  einer Schildei ung 
der  von  ihm  besuchten  Restaurants  und  Bierwinhschaften ; 
er  erwähnt  dabei  be-onders  die  eigenartige  Beleuchtung 
der  meistens  im  Keiler  der  Gebäude  untergebrachten 
Lokale  mitiels  Glasprismen,  vom  Trottoir  der  anliegenden 
Strasse  her.  beschreibt  die  hochelegante  Ausstattung  des 
Holborn-Restaurams  und  wendet  sich  dann  zu  einer  Be- 
schreibung der  Einrichtungen  der  neuen  iin  Juli  itgg  er- 
öffneien  London-Gentral-Kailway.  Die  Zuglolge  dieser 
Bahn  wird  zu  2-2'g  Minuten,  die  Personetizahl  in  den 
W'agen  zu  je  56  angegeben.  Duich  den  Betrieb  dieser 
Balm  sollen  neuerdings  Erderschütterungen  veiursacht 
worden  sein,  die  man  mit  Be.»orgnisS  wahrgenommen  hat, 
und  die  schon  zu  Absiützungen  in  der  Paulskirche  Ver- 
anlassung gegeben  haben. 

Auch  der  Themseiunnel  bei  Blackwall  wird  vom 
Redner  geschildert  und  über  denselben  mitgetheilt,  dass 
er  6200'  engl.  (1890  >")  lang  sei,  wovon  3000'  (914  f")  in' 
Eisenkonstrukiion  unter  dem  Flussbett  liegen,,  während  die 
anschliessendenRampeh  in  1465'  (446,72*«)  Länge  gemauert 
und  173s'  (529  *«)  in  offenem  Einschnitt  hergestellt  sind. 
Es  sind  4 Sctiächte  von  76  (23,17  *«)  bis  56'  (17  *«)  l'iefe 
mit  einem  lichten  Durchmesser  von  46'  (14  “)  voihanden. 
Die  Kosten  haben  imganzen  1265000  Pfd.  St.  betragen. 

Redner  beschreibt  dann  unter  Skizzirung  der  be- 
treffenden Grundrisse  eine  grosse  Zahl  von  ihm  be.sich- 
tigter  Londoner  Hochbauten,  darunter  ein  grosses  Etagen- 
haus, ein  kleines  Geschäftshaus  mit  einem  Laden  im  Lrd- 
geschoss  und  darunter  im  Keller  liegender  Wohnung,  so- 
wie die  vom  Londoner  Grafschaftsrath  neuerdings  er- 
bauten Arbeiter- Wohnhäuser  in  versch,  Stadt-Gegenden. 

Zum  zweiten  Gegenstand  der  Tagesordnung  bespricht 
Hr.  Heubel  den  mit  Rundschreiben  der  hiesigen  Bau- 
gewerks-lcmung  „Bauhütte“  vom  22.  Jum  190L  gestellten 

gewidmet  und  wird  den  Freunden  des  Gesammiwerkes  eine 
willkommene  Ergänzung,  der . bisher  .veröiferiilichien.. Hefte 
bieten.  Die  Arbeit  von  Tein' s,  die  sich  auf  ein  abgeschlossenes 
Gebiet  der  deutschen  Mitielgebii  ge  bezieht,  ist  indessen  ge- 
eignet, _schon  für  sich  allein  die  Aufmerksamkeit  der  Leser 
zu  gewinnen  und  ihr  Studium  dtirlie  nameniiich  jüngeren 
Fachgenossen  zu  emplehlen  sein,  die  ein  begrenztes  Bild 
der  Eiforschung  der  Niederschlags-  und  Abfluss- Veihält- 
nisse  gewinnen  wollen.  Die  von  Giesecke  &.Devrient 
mustergiliig  hergestellten  Karienblätier,  namentlich  die  oro- 
graphische  Karte,  die  geologische  Karte,  auf  der  die  Durch- 
lässigkeit des  Untergrundes  kenntlich  gemaiht  ist,  die  Karte 
des  P'lusssystems  sowie  die  Blätter,  auf  denen  die  Ver- 
theilung  der  Bewaldung  und  die  jährlichen  Regenhöhen 
dargesiellt  sind,  laden  schon  zu  diesem  Studium  ein.  .So- 
wohl die  beschreibenden  Kapitel  des  ersten  Abschnittes, 
wie  auch-  die  weiter-  folgen-üe  Eiörterung  der  zwischen 
den  Niederschlägen  und  den  Abilussmengen  bestehenden 
Beziehungen  sind  erschöpfend  behandelt. 

Auf  ähnlichem  Gebiete  bewegen  sich  die  vom  k.  k. 
österreichischen  hydrographischen  Büreau  herausgegebenen 
„Beiträge  zur  Hyurographie  Oesterreichs“,  von 
denen  ein  weiteres  Heft,  das  IV.,  er.schienenist^).  Das  143  S. 
gr.  4^  Text  mit  50  Figuren  und  9 Tafeln  umfassende.  Werk 
beschäftigt  sich  mit  der  Hochwas&er-Kaiastrophe  des  Jahres 
1899.  Das  Kaitenmaterial  gewährt  schon  einen  Einblick 
in  den  ungewöhnlichen  Umfang  des  Hochwassers.  Im 


*)  Kommissions-Verlag  von  W.  Braumüller,  Wien.  Pr.  8 M. 


Antrag  auf  Gewähjung  längerer  Lieferurgsfristen  urd  Auf- 
nahme der  Sireikklauöcl  in  dieBauverträge,  Der  Bf  richter- 
siatter  erörteit  die  Frage  vom  Standpunkt  der  Arbeiter,  der 
Uebf-rnehmer,  der  Archittkien  und  Bauheiren  aus  und 
kon  mt  dalei  zu  dem  Schlus.=,  dass  die  Fiage  auch  für 
die  Mitglieder  de.s  Architekten-  und  Ingenieur-Vereins  von 
so  eiheblichem  Inieresse  sei,  dass  es  sich  empfehlen 
würde,  für  die  nähet  e Bcaibeiiung  dieser  Materie  einen 
Ausschuss  zu  wählen.  F.r  stellt  anheim,  ob  man  auch  die 
Frage  der  Aufnahme  der  Streikklausel  in  die  von  Behör- 
den auszuschreibenden  Bauverträge  empfehlen  solle,  glaubt 
aber,  dass  die.s  bei  Veitiägen  zwischen  Privat-Bauherren 
Und  deren  Uebernehmern,  die  also  von  Privat-Architekten 
ausgeiertigt  werden,  sich  gewiss  empfehlen  werde.  Eine 
Berathung  dieser  Frage  in  einem  Ausschuss  hält  Redner 
schon  deshalb  für  wünschenswerth,  weil  zu  einer  Be- 
schlussfassung zurzeit  noch  keine  ausreichende  Unterlage 
vorha''den  sei,  auch  der  von  der  „Bauhütte“  vorgeschia- 
gene  Wortlaut  der  Klausel  seiner  Meinung  nach  nicht  genüge. 

Nach  einer  Be.'-prechung,  in  welcher  Hr.  Strelow 
Erfahrungen  aus  seiner  Praxis  mittheik,  Hr.  Löwen  gard 
den  Antrag  Heubel  unterstützt  und  denselben  auch  auf 
die  von  Behörden  au>zuschreibenden  Bauverträge  ausge- 
dehnt zu  sehen  wünscht,  begründet  Hr.  Ruppel  inbezug 
auf  letztere  seinen  von  den  vorgetragenen  Ansichten  ab- 
weichenden Standpunkt.  Daraul  beschliesst  die  Versamm- 
lung: I.  Zur  Prüiung  des  von  der  Baugewerk.s-Innung 
„Bauhütte“  gestellten  Ersuchens  einen  Ausschuss  von 
7 Per^onen  niederzu.'-etzen;  2.  Für  die  Wahl  der  in  diesen 
Aus>chus.s  zu  entsendenden  Personen  den  Vorstand  um 
geeignete  Vorschläge  zu  ersuchen.  — Hm.  ■. 

Die  XXV.  Gtntralversamnilung  des  Vereins  Deutscher 
Portlandr  Zement-Fabrikanten  sowie  die  erste  Hauptver- 
sammlung Oes  Vereins  deutscher  Verblendstein-  und  Ter- 
rakotieniabiikanten  finden  am  24.  und  25.  Febr  im  Archi- 
tektenhause zu  Berlin  statt.  Aus  der  umfangreichen  Tages- 
ordnung des  erstgenannten  Vereins  führen  wir  an : Berichte 
der  Meerwasser-Kummisaion(Hr.  R.  Uvekerhoff-Amöne- 
burg),  der  Kommission  für  ein  heit  liehe  Prüfung  von  Porti  and- 
Zemeni  ( Hr.  D r.  P r üs  s i n g-  Magdeburg),]  der  Kommission  für 
Bestimmung  der  Volumbesiändigkeii  und  der  Bmdezeu  (Dir. 
S chilfn  er- Oberkassel)  usw.  Es  führt  ferner  Hr.  Ing. 
Cary-ßerlin  den  Schopper’schen  Zement-Prüfungs- Appa- 
rat vor,  es  spricht  Hr.  A.  Foss- Kopenhagen  über  Festig- 
keits-Koeffizienten von  Portland-Zement  und  es  wird  auch 
der  Einfluss  der  Kohlensäure  und  von  Salzlösungen  auf 
PortJand-Zement  und  Trassmörtei  erörtert.  — 

Aus  der  Tagesordnung  des  zweitgenannien  Vereins 
führen  wir  an:  „Was  verlangen  wir  von  einem  guten 
Verblendstein?“ ; „DieVerblendstein-Fabnkation  in  alter  und 
neuer  Zeit  bei  den  verschiedenen  Völkern“;  Der  neue  Stil 
und  die  Verblender“ ; „Glasuren  und  glasLrte  Steine"  usw. — 


Vermischtes. 

Dauerbrand-Kamin-Ofen  von  C.  W.  Stauss,  Berlin. 

In  den  'beigegebenen  Abbildungen  bringen  wir  einen 
eisernen  Dauei  brand-Ofen  zur  Darstellung,  der  durch  seine 
zweckmässige  Anordnung  e.ne  möglich>t  weitgehende  Aus- 


südlichen Theil  des  Donaugebietes  sind  vom  8.  bis  14.  Sep- 
tember stellenweise  mehr  als  450,™***  Kegen  gefallen  und 
in  Mühlau  ist  allein  am  12.  September  eine  Regeniiöhe 
von  287““’  beobachtet  worden.  Der  Verlauf  des  Hoch 
Wassers  ist  durch  Wasserstand^-Beobachtungen  und  bet 
Wien  auch  . durch  Wassermengen-Bestinmiungen  genau 
verfolgt.  Aus  dem  reichhaltigen  Material,  das  die  Ver- 
ötfentiichung  bietet,  mag  hier  nur  hervorgehoben  werden, 
da>s  die  Absperr- Vorrichtungen  am  oberen  Ende  des 
Donau-Kanales  bei  Nussdorf  sich  vollkommen  bewährt 
haben,  sodass  durch  Verhinderung  einer  Ueberschwem- 
mung  der  unteren  Staduheile  W’iens  grosse  Werihe  . ge- 
rettet worden  sind.  Wichtig  ist  auch  das  Schlusswort,  in 
dem  Ob-Brth,  Lauda  es  durchaus  in  Abrede  stellt,  dass 
den  vorgekommenen  Lntwaldungen  eine  Verschlimmerung 
der  Hochwasser-Katastrophen  zuzuschreiben  sei.  Lauda 
•schätzt  allerdings  den  Waldbestand,  insofern  er  die  Boden- 
decke vor  Abschwemmung  und  die  Wassei  läute  vor  Ver- 
schotterung  bewahrt  und  zurzeit  der  Schneeschmelze  den 
ruhigen  Wasserabfluss  fördert;  er  giebt  auch  zu,  dass  der 
Wald  in  gewissem  Grade  die  Ntederschläge  zurückzuhalten 
vermöge,  betont  aber,  dass  dieser  wuhlthätige  Einfluss 
nur  den  eigentlichen  Quellgebieten  zugute  komme  und 
dass  der  Waidbestand  dieser  Gebiete  keineswegs  die  Hoch- 
wässer der  abwärts  liegenden  Stronistrecken  mit  Sicher- 
heit mildere.  Ein  Rückblick  auf  die  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte im  Donaugebiete  vorgekommenen  Hochwasser- 
Katast!  ophen  liefet  e den  Beweis,  dass  die  beklagenswerthen 
Ereignisse  der  letzten  Zeit  keineswegs  einzig  in  ihrer  Art 


90 


No.  14. 


nutzune  der  Heizkraft  des  Brenninaterials  bei  leichter  Re- 
gulirbarkeit  der  Temperatur,  einfacher  Bedienung,  dauer- 
hafter Konstruktion  und  verhältnissmassis  geringen  Konten 
erstrebt.  Der  Ofen  besteht  aus  dem  Füllkasten  fr,  der  für 
24  Stunden  Brennmaterial  enthält,  dem  verhälinissmässig 
kleinen  Feuerraim  ?«  (für  ein  afenstriges  Zimmer  nur  10 
zu  7 c'ii  Querschnitt),  in  welchem  sich  auf  dem  Planrost  ij 
hinter  einem  stehenden  Ro'ite  die  Verbrennung  vollzieht, 
wobei  Hitzegrade  bis  1300" C erreicht  werden  sollen.  Der 
Feuerraum  i?-t  durch  die  Chamottewand  q,  die  zur  Ab- 
kühlung durchlocht  ist,  sodass  die  Ztmmeriuft  hindurch 
streichen  kann,  von  dem  rings  mit  Chamotte  ausgekleideten 


Ans  d.  Heizk.  von  Aussenseite  einer 
der  RQckaeiie.  Heizplatte. 


Feuerschacht  s getrennt.  Letzterer  ist  oben  rostartig  mit 
Charaottesteinen  abgedeckt,  sodass  sich  die  Heizgase  nach 
den  Kanälen  n spalten  müssen  und  nun  die  auf  dem  Roste 
stehenden  gusseisernen  Heizkörper  v allseitig  umspülen. 
Da  letztere  im  Verhälmiss  zum  Feuerraum  sehr  gioss 
sind,  ist  ein  Glühendwerden  ausgeschlossen  und  sie  ver- 
leihen der  durch  ihren  Hohlkörper  hindurchstreichenden 
Zimmerluit  eine  nur  gemässigte  Temperatur.  Nachdem 
die  Heizgase  ihre  Wärme  an  die  Heizkörper  abgegeben 
haben  (wobei  nach  den  Angaben  der  Firma  ihre  Tempe- 
ratur bis  auf  120 ‘’C  herabsinkt),  sammeln  sie  sich  in  dem 
Gassammler  0 und  entweichen  dann  duri-h  den  Abzug. 

Letzterer  ist  nach  unten  durch  einen  Rohransatz  ver- 
•— h.  längert,  der  mit  Schieberöffnung  versehen  ist,  um 

durch  den  Eintritt  kalter  Luft  den  Zug  und  damit 
den  Heizeffekt  reguliren  zu  können.  Das  Ganze 
ist  entweder  umhüllt  von  einem  unten  offenen,  im 
Deckel  durchbrochenen  Mantel,  sodass  also  die  Zim- 
merluft unten  eintritt,  sich  in  den  Heizkammern  er-, 
wärmt  und  oben  austritt,  oder  durch  eine  kamin- 
artige Umhüllung  verdeckt.  Die  Ausstattung  dieser 
Mäntel  bezw.  Verkleidungen  wird  in  einfacher  und  in 
reicherer  Form  hergestellt. 

Als  Heizmaterial  ist  eine  gasarme  Kohle,  An- 
thracit,  Koks  zu  verwenden.  (Für  rauchende  Stein- 
^ und  Braunkohlen  ist  der  Ofen  in  etwas  anderer 
^ Weise  ohne  das  offene  Kaminfeuer  ausgebildet.) 

Die  Oefen  werden  in  6 verschi.edenen  Grössen, 
und  zwar  in  Höhen  von  1,06 — 2,08“,  Querschnitten 
von  0,42  bis  0,96  qm,  Gewicuten  von  130-800  kg  ge- 
liefert. Sie  sollen  bei  diesen  Abmessungen  zu  einer 
Temperatur  - Erhöhung  um  40  °C  für  Räume  von 
50—180  bezw.  1000— 1600  cbm  Inhalt  ausreichen  und 
eine  Ausnutzung  des  Brennstoffes  bis  90  ".'q  ermög- 
^ liehen.  Der  dargestellte  Ofen  ist  für  Räume  bis 
^ 3ooch'n  Inhalt  bestimmt.  Der  Preis  beträgt  dann 
in  einfacher  Ausstattung  iio  M.  — 


Architektur-Ausstellung  auf  der  Industrie-  und 
Geweroe  Ausstellung  für  Rneinland  und  Westfalen  ln 
Düsseldorf  1902.  Wir  weisen  auf  den  am  Schluss  dieser 
Nummer  abgedruckien.Aufrul  des  Verbandes  deutsch. 
Arch.-  u.  Ing.-Vereine  hin,  welcher  zu  einer  Bethei- 
ligung an  der  Architektur-Ausstellung  auifordert,  die 
als  ein  Theil  der  deutsch-nationalen  Kun-tausstellung 
in  Düsseldorf  im  Obergeschoss  des  daselbst  neu  er- 
richteten Kunstausstellungs-Gebäudes  siaitfinden  soll. 
Zugela.ssen  sind  nach  1892  ent-^iandene  Werke 
deutscher  und  deutsch- österreichischer  Künstler. 
Die  angemeldeten  Werke  müssen  in  der  Zeit  vom 
I. — 5.  April  in  Düsseldorf  eingeliefert  werden.  Es 
J?  wäre  zu  wünschen,  dass  die  Architektur  auf  der 
Ausstellung  in  einer  Weise  vertreten  ist,  die  ihrer 
Bedeutung  ent-pricht.  Da  der  zur  Verfügung  ste- 
hende Raum  verhälinissmässig  knapp  i-t,  kann  dies 
nur  durch  Vorführung  hervorragender  Leistungen 
erzielt  werden.  — 


da.-tehen,  und  die  genaue  Untersuchung  der  Hochwässer 
von  1897  und  1899  ergäbe,  dass  namentlich  die  waldreichen 
Gebiete  der  Elbe,  der  Isar,  der  Neisse,  der  Wien,  der 
Enn.s  usw.  am  meisten  betroifen  wm  den.  Wenn  man  end- 
lich bedenke,  dass  im  September  1899  sieben  Regentage 
dem  Donaugebiet  fa-t  16  ebkm  Niederschläge  zugeiührt 
haben,  erscheine  es  einflusslos,  ob  der  Waldbestand  um 
einige  Hektar  abgenommen  habe.  — 

Auf  dem  Gebiete  des  Seebaues  liegt  die  von  Reg.- 
Rth.  Geitei  herausgegebene  Aibeit  L.  A.  Veitmeyers 
vor,  welche  die  „Leuchtfeuer  und  Leuchtapparate“ 
historisch  und  konstruktiv  behandelt®).  Das  Werk  um- 
fasst 250  Seiten  gr.  4.  mit  152  Abbildungen  und  einer 
farbigen  Tafel.  Veitmeyer  wurde  vor  etwa  60  Jahren 
durch  Beuth  zum  Studium  des  Leuchifeuerwesens  nach 
England  und  Frankreich  entsandt  und  ist  seitdem  bis  zu 
seinem  Tode  im  Jahre  1899  in  erfolgreicher  Weise  bei 
dem  Ausbau  der  deutschen  Seefeuer  thätig  gewesen.  Es 
war  ihm  nicht  vergönnt,  das  Werk  seines  Lebens  selbst 
zu  veröffentlichen,  doch  sind  Herausgeber  und  Verleger 
in  gleicher  Weise  bemüht  gewesen,  in  der  Form  des 
Druckwerkes  dessen  Inhalt  gerecht  zu  werden.  Im  Jahre 
18:8  hat  Chr.  Nehls  eine  Beatbeitung  des  Stevenson’- 
schen  Werkes  „Illumination  der  Leuchithürme“  deutsch 
herausgegeben.  Seitdem  fehlte  un>erer  Litteraiur  auf  die- 
sem äus>erst  wichtigen  Gebiete  ein  zusammenfassendes 
Werk,  sodass  die  wesentlichen  Fortschritte  der  letzten 

Verijg  von  R.  Oldenbourg,  München  und  Leipzig.  Preis  geb.  15  M. 

15.  Februr  1902. 


Jahrzehnte  nur  aus  losen  Beschreibungen  einzelner  Leucht- 
leuer-Anlagen  oder  aus  der  IremdJändischen  Litieratur  zu 
entnehmen  waren.  Es  ist  bekannt,  dass  aus  diesem  Grunde 
die  Fertigstellung  des  Beitrages  zum  111.  Bande  des  Hand- 
buches der  Ingenieur-Wissenschaften,  den  die  Reg,-  und 
Bnhe.  Körte  und  Truhlsen  zugesagt  haben,  von  vielen 
Seiten  mit  Sehnsucht  erwartet  wird.  Die  Leuchtfeuer 
und  Leuchtfeuer  - Ajtparate  Veitmeyers  füllen  deshalb 
eine  empimdliche  Lücke  aus.  Der  historische  Theil  des 
Werkes  bringt  die  Darstellung  vom  Werden  und  Ver- 
gehen der  Leuchtieuer  der  antiken  Welt  und  der  vom 
Mittelalter  bis  zum  Anfang  des  19.  Jahihunderts  langsam 
aufs  Neue  erfolgten  Entwicklung;  die  zahlreichen  Ab- 
bildungen zeigen  u.  a.  die  auf  den  Felsen  von  Eddy- 
stone  1699,  1709,  1759  und  1882  errichteten  Leuchtthürme; 
der  Anhang  bringt  mancherlei  die  Beschreibung  er- 
gänzendes Urkundenmaterial.  In  den  folgenden  Ab- 
schnitten werden  die  Feuerschiffe  und  Leuchtbojen,  so- 
wie die  Lichtgeber,  vom  Holz-  und  Kohlenfeuer  beginnend 
bis  zu  den  neueren  Oelfeuern  und  den  elektrischen  Lich- 
tern, die  Fresnei’schen  Apparate,  die  Scheinwerfer  und 
die  unterbrochenen  Feuer  eingehend  besprochen. 

Der  letzte  Abschnitt  ist  den  Leuchtapparaten  der 
Gegenwart  gewidmet.  Hier  werden  namentlich  die  neueren 
französischen  Konstruktionen  (s.  D.  B.  1900,  S.  538),  die 
Blick-,  Blink-  und  Blitzfeuer,  sowie  die  Dauerleuer  be- 
schrieben und  in  ihrem  jeweiligen  Werthe  gewürdigt. 
Das  schön  ausgestattete  Werk  wird  allen  am  Seebau  be- 
theiligten  Ingenieuren  willkommen  sein.  — y. 


91 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Umgestaltung  Landesausstellungs-Gebäude 
Berlin,  Den  I.  Preis  errang  Hr.  Max  Ravoth,  den  II.  Preis 
Hr.  Fritz  Gottlob,  den  III.  Preis  Hr.  K.  E.  Bangert, 
sämmtlich  in  Berlin.  Die  nicht  durch  Preise  ausgezeich- 
neten Verfasser  können  ihre  Entwürfe  vom  22.  d.  M.  ab 
beim  Kastellan  der  Akademie  abholen  lassen.  Die  Preis- 
richter haben  den  Wunsch  geäussert,  alle  lo  Entwürfe  auf 
der  kommenden  Berliner  Kunstausstellung  in  einem  be- 
sonderen Raume  zur  Ausstellung  bringen  zu  können,  falls 
die  Verfasser  zustimmen.  — 

Wettbewerb  Rathbaus  Hamborn.  Es  liefen  65  Entwürfe 
ein.  Die  Gesammtsumme  der  Preise  von  3000  M.  wurde 
in  3 gleiche  Preise  von  je  :i:ooo  M.  zerlegt  und  diese  den 
Entwürfen  der  Hrn.  Robert  Neuhaus  in  Rheydt,  Gustav 
Jänicke  in  Schöneberg  bei  Berlin  undGust.  R ump  el  in  Ge- 
meinschaft mit  Arth.  Krutzsch  in  Dresden  zuerkannt.  Zum 
Ankauf  für  je  300  M.  wurden  zwei  weitere  Entwürfe  em- 
pfohlen und  zwar  die  Arbeiten  „Jong  kiek  ens  do  den  ene“ 
und  „Neujahr  1902“.  Sämmtliche  Entwürfe  sind  bis  23.  d.  M. 
einschl.  im  Landers’schen  Saale  zu  Marxloh  öffentlich 
ausgestellt.  — 


Bücherschau.i . 

Charakteristische  Giebelbauten  und  Portale  in  Danzig 
aus  der  Zeit  vom  14.  bis  18.  Jahrhundert.  Der  Preis  des 
Werkes  ist  nicht,  wie  S.  79  irrthümlich  angegeben  wurde, 
6 M.,  sondern  18  M.  — 

Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Anderlind,  O.  V.  Leo.  Darstellung  des  kaiserlichen 
Kanals  von  Aragonien  nebst  Ausblick  auf  ein  in 
Preussen  herznstellendes  Kanalnetz.  Leipzig  1902.  Karl 
Scholtze  (Theophil  Biller). 

Bau-Unfallversicherungsgesetz  fürdasDeutsche 
Reich  vom  30.  Juni  rgoi,  mit  dem  Gesetz  betr.  die  Ab- 
änderung der  Unfall-Versicherungs-Gesctze  vom  30.  Juni  1900. 
Dülmen  i.  W.  iqot.  J.  Horstmann.  Pr.  50  Pf. 

Borrmann,  R und  R.  Graul.  Die  Baukunst.  6.  Heft,  2.  Serie: 
Der  kirchenbau  der  Hoch-  und  Spätrenaissance  in  Venedig. 
Herau^gegeben  von  Othmar  von  Leixner;  7.  Heft.  2.  Serie: 
Die  Schlösser  zu  Schleissheim  und  Nymphenburg.  Heraus- 
gegeben von  Richard  Streiter.  Berlin  1902.  W.  Spemann. 
Pr.  4 M.  das  Heft. 

Dekorative  Vorbilder.  Eine  Sammlung  von  figürlichen 
Darstellungen,  kn]istge'W'’crblichen  Verzierungen,  plastischen 
Ornamenten,  dekorativen  Thier-  und  Pflanzen-Typen , Alle- 
gorien, beraiclisclien  Motiven,  Trophäen  usw.  13.  Jahrgang, 
Heft  j. — 6.  Stuitg;jrt  1901.  Jul  Hoffmaun.  Pr.  i M.  f,  d.  Heft. 
Ebhardt,  Bodo.  Deutsche  Burgen.  Liefrg.  2,  3 u.  4.  Berlin 
18991500.  Ernst  Wasmuth.  Pr.  12,50  M.  f.  d.  Heft. 
Feuerpolizei.  Für  Polizei-  und  Verwaltungs-Behörden,  Ver- 
sicbejungs- Anstalten , Bauämter,  Feuerwehren  und  Kamin- 
kelrer.  3.  Bd.  München  1901.  Ph.  L,  Jung.  Pr.  3,60  M. 
Heyer,  R.,  Dir.  Aufgaben  für  das  Fach  zeichnen  an 
F o r t b i I d II  n g s - und  Fachschulen.  Heft  i — 4. 
I.  Heft:  für  Zimmerer,  2.  Heft:  für  Maurer,  3.  u.  4.  Heft 
Serie  A u.  B:  für  Maurer  und  Steinhauer.  Leipzig  1901. 
Setraann  & Co.  Pr.  i M.  f.  d.  Heft. 

Krell,  Otto,  seii.,  Ingi  Alt  römische  Heizungen.  München 
1901.  R.  Oldenbourg.  Pr.  4 M. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Brth.  u.  Hafenbau-Bclr -Dir. 
Stieber  in  Kiel  und  der  Garn -Bauinsp.  Grell  in  Magdeburg 
sind  gestorben. 

Baden.  Der  Brth.  Kredell  in  Baden  ist  z.  techn.  Ref,  fi'u' 
Bausachen  beim  Min.  der  Finanzen  ernannt. 

Versetzt  sind:  die  Reg.-Rmstr.  Kinzler  in  Offenburg  zur 
Wasser-  u.  Strassenbauinsp.  Konstanz,  Kitiratschky  in  Fni- 
burg  zur  Kulturinsp.  das.  und  Wielandt  in  Emmendingen  zur 
Wasser-  u.  Strassenbauinsp.  Freiburg. 

Hamburg.  Der  Bmstr.  I.  Gehaltski,  Breuer  ist  z.  Bauinsp., 
die  Bmstr.  II.  Gehaltskl.  Schüler  und  Lang  sind  zu  Bmstrn. 
I.  Gehaltskl.  befördert. 

Oldenburg.  Dem  Ob.-Deichgräfe  Tenge  u.  dem  Ob.-Brth. 
Köppen  in  Oldenburg  ist  das  Ehren-Ritterkreuz  J.  Kl.  des 
grossherz.  Haus-  und  Verdienst-Ordens,  dem  Brth.  Hoffniann 
in  Oldenburg  das  Ehreu-Rilterkreuz  II.  Kl.  dess.  Ordens  und  dem 
Eisenb.-Bauinsp.  Koopmann  ist  der  Tit.  Ob.-Bauinsp  verliehen. 

Preussen.  Die  Erlaubniss  zur  Annahme  u.  zum  Tragen  der  ihnen 
verlieh-  fremdi.  Orden  ist  ertheilt  und  zw  : dem  Geh.  Brth . S c h a p e r 
in  Köln  a.  Rh.,  den  Reg.-  u.  Brthn.  Sprengell  in  Altona  und 
Merten  in  Stettin  des  kais.  russ.  St.  Annen-Ordens  III  KL;  dem 
Reg.-  u.  Brth-  Hellmann  in  Köln  a,  Rh.  des  kais.  russ.  St. 
Stanislaus-Ordens  III  Kl. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Fischer  in  Liegnitz  ist  nach  Breslau  ver- 
setzt und  ist  ihm  die  Stelle  des  Reg.-  u.  Brths.  beim  Ober-Präs, 
der  Prov.  Schlesien  übertragen.  — Der  Mel. -Bauinsp.  Wegner 
in  Berlin  ist  z.  Reg.-  u.  Brth.  ernannt. 

Der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Nixdorff  in  Winsen  ist  z. 
Betr.-Insp.  i in  Hannover  versetzt. 

Der  Reg.-Bmstr.  Dr.  Burgemeister  in  Breslau  ist  z.  Prov.- 
Konservator  der  Prov.  Schlesien  bestellt. 

Dem  Priv-Doz.  Buchkremer  an  der  Techn.  Hochschule 
in  Aachen  ist  das  Prädik  Prof,  beigelegt. 

Dem  Eisenb.-Bau  u.  Betr.-Insp.  Oberschulte  in  Frankfurt 
a.  M.  u.  den  Reg. -Bmstrn.  Emil  Pavel  in  Berlin  u.  Alex.  W o r m i t 
in  Königsberg  i.  Pr.  ist  die  nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst 
ertheilt. 

Der  Geh.  Brth.  Erd  mann  in  Magdeburg  ist  gestorben. 

Sachsen.  Der  Reg.-Bfhr.  Olzscha  ist  z.  etatm.  Reg.-Bmstr. 
bei  der  Strassen-  u.  Wasser-Bauinsp.  Schwarzenberg  und  der  Reg.- 
Bflir.  Baer  z.  Reg.-Bmstr.  beim  Landbauamte  Leipzig  ernannt. 

Sachsen-Altenburg.  Dem  Brth.  Schier  holz  in  Roda  ist 
die  Erlaubn.  zur  Annahme  und  z Tragen  des  ihm  verlieh.  Ritter- 
kreuzes I.  Kl.  des  kgl.  sächs.  Albrechts-Ordens  ertheilt. 

Württemberg.  Der  Prof.  J a s s 0 y an  der  Techn.  Hoch- 
schule in  Stuttgart  ist  z.  Mltgl.  der  zur  Berathung  des  Konservators 
der  vaterl.  Kunst-  u.  Alterthums-Denkmale,  hauptsächl.  in  Restau- 
rationssachen , eingesetzten  Sachverständigen-Komniission  ernannt. 

Dem  Arch,  BihI  in  Stuttgart  ist  der  Olga-Orden  verliehen. 

Den  Rcg.-Bmstrn.  Kurz  in  Magolsheim,  Konz  in  Freuden- 
stadt, Schaal  in  Hochberg,  Wegmann  in  Stuttgart  und  Sigel 
in  Wasserahingeu  sind  die  eil.  Stehen  etatm.  Reg.-Bmstr.  im  Be- 
zirksdienst der  Stra.ssen-  u.  Flussbau-Vcrwallg.  übertragen. 

Der  Baudir.,  Prof.  v.  Haenel  in  Stuttgart  und  der  Reg.- 
Bmstr.  Metzger  in  Esslingen  sind  gestorben. 

Inhalt;  Villa  Pintsch  in  Flinsherg  in  Schlesien  — Die  ^iluttaarter 
Stadterweitcrung  — Neuere  Druckwerke  auf  dem  Gebiete  des  Wasser- 
baues. — Mittheilungeii  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen. 
— Bücherschau  — Personal-Nachrichten.  — Verband  dciuscher  Architcluen- 
und  Ingenieur.-Vcreine. 

Hierzu  eine  Bildbeilage;  Villa  Pintsch  in  Flhibberg  i.  Schl. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmana,  Berlin.  Druck  von  Wiih.  Greve,  Berlin. 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

An  die  Architekten  Deutschlands. 

Mit  der  Industrie-  und  Gewerbe- Ausstellung  für  Rheinland  und  Westfalen,  welche  vom  i.  Mai  bis 
Ende  Oktober  1902  zu  Düsseldorf  stattfindet,  wird  gleichzeitig  eine  Deutsch-nationale  Kunstausstellung 
verbunden  sein.  Die  Abgeordneten- Versammlung  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine  hat  in  Königsberg  beschlossen,  die  Vereine  Düsseldorf  und  Köln  mit  der  Vertretung  der  Interessen 
der  Verbands-Mitglieder  zu  betrauen;  in  Ausführung  dieses  Beschlusses  haben  diese  beiden  Vereine  ihrer- 
seits einen  Verbandsausschuss  gewählt. 

Nachdem  dieser  Unterzeichnete  Ausschuss  zu  Düsseldorf  am  19.  Januar  1902  die  vom  Kunstausschuss 
der  Deutsch -nationalen  Kunstausstellung  1902  den  deutschen  Architekten  zur  Verfügung  gestellten  Räume 
— welche  in  Verbindung  mit  dem  seitens  des  preuss.  Herrn  Ministers  der  öffentlichen  Arbeiten  ebenfalls 
für  eine  Architektur-Ausstellung  ausgewählten  Raume  stehen  — angenommen  hat,  ist  es  demselben  wün- 
schenswerth,  baldmöglichst  ein  Bild  von  der  Betheiligung  der  deutschen  Architekten  an  dieser  Ausstellung 
zu  gewinnen. 

Er  bittet  daher  diejenigen  Herren  Architekten,  welche  1902  in  Düsseldorf  ihre  Werke,  wie  Zeichnungen, 
Modelle  usw.  auszustellen  beabsichtigen,  von  der  Geschäftsstelle  des  Ausschusses,  Architekt  H.  Salzmann, 
Düsseldorf,  Graf  Adolfstrasse  19,  Anraeldebogen  zu  verlangen  und  dieselben  ausgefüllt  baldmöglichst, 
spätestens  bis  zum  i.  März,  an  die  genannte  Geschäftsstelle  einzusenden. 

Bemerkt  wird,  dass  es  sich  im  vorliegenden  Falle  wesentlich  um  künstlerische  architektonische 
Werke,  bildmässig  oder  in  Modellen  dargestellt,  handelt;  Photographien  von  Architekturwerken  können  nur 
in  sehr  beschränktem  Maasse  zugelassen  werden.  — 

Düsseldorf,  den  31.  Januar  1902. 

Der  Verbands-Ausschuss  für  die  Architektur-Abtheilung  auf  der  Deutsch-nationalen 
Kunstausstellung  Düsseldorf  1902. 

vom  Endt.  Fuchs.  Herbst.  Kaaf.  Peiffhoven.  Radke.  Salzmann.  Wehling.  , Wille. 

No.  14. 


92 


ILLA  PINTSCH 


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DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  15.  Berlin,  den  19.  Februar  1902. 


neuen  Vorschriften  über  die  unwiderrufliche  Anstellung  der  Regierungs-Baumeister  der 
preussischen  Staatsbau-Verwaltung. 


r. 

ie  Dtsche.  Bztg.  hat  in  No.  12  einige  Bemerkungen 
i»i'  diesen  neuen  Bestimmungen  gemacht,  die  u.  E. 

nicht  unwidersprochen  bleiben  dürfen.  Es  wird 
dort  bemängelt,  dass  die  bisherige  Vorschrift,  wonach  ein 
Regierungs-Baumeister  vom  Minister  der  öffentl.  Arbeiten 
aus  dem  Staatsdienste  entlassen  werden  konnte,  wenn 
er  seinen  dienstlichen  Verpflichtungen  nicht 
nachkam  oder  sich  so  tadelhaft  führte,  dass  er 
zur  Verwendung  im  Staatsdienste  nicht  geeignet 
erschien,  dahin  geändert  worden  ist,  dass  die  Regierungs- 
Baumeister  während  der  ausseretalsrnässigen  auf  Widerruf 
erfolgten  Anstellung  auf  Verfügung  des  Ministers  aus  dem 
Staatsdienste  entlassen  werden  können,  „sofern  sie  sich 
nicht  als  geeignet  für  den  Staatsdienst  erweisen“. 
Und  zwar  wird  diese  Bemängelung  des  Näheren  dahin  er- 
läutert, dass,  während  nach  der  alten  Vorschrift  nur  die 
des  Staatsdienstes  „Unwürdigen“  aus  dem  Staatsdienste 
entlassen  werden  konnten,  eine  solche  Maassregel  nach 
den  neuen  Vorschriften  auch  gegen  diejenigen  zur  An- 
wendung kommen  könne,  „die  vielleicht  nur  in  ihren 
Fähigkeiten  den  augenblicklichen  Ansprüchen  der  Ver- 
waltung nicht  voll  entsprechen“.  Kann  man  aber  im 
Ernste  gegen  einen  solchen  Grundsatz  etwas  einzuwenden 
finden?  Wir  sind  zunächst  geneigt  anzunehmen,  dass  es 
schon  nach  den  alten  Vorschriften  möglich  gewesen  wäre, 
einen  Regierungs-Baumeister  zu  entlassen , dessen  Fähig- 
keiten den  augenblicklichen  Ansprüchen  der  Verwaltung 
nicht  voll  entsprachen,  denn  ein  solcher  Beamter  ist  u.  E. 
nicht  imstande,  seinen  dienstlichen  Verpflichtungen,  zu 
denen  doch  nicht  nur  ein  Absitzen  der  Bureauzeit  oder 
ein  Begehen  und  Besehen  des  Baues,  sondern  auf  den 
Fähigkeiten  des  Beamten  beruhende  Leistungen 
gehören,  nachzukommen.  Aber  wir  geben  allerdings  zu, 
dass  die  alten  Vorschriften  wohl  nur  selten  so  gehandhabt 
wurden,  wir  sagen  aber  ausdrücklich  leider,  und  be- 
trachten es  daher  als  einen  wesentlichen  Gewinn,  dass  in 
den  neuen  Vorschriften  dieser  sehr  triftige  Entlassungs- 
grund klar  und  bestimmt  ausgesprochen  ist. 

Soll  denn  im  Ernst  dem  Staate  zugemuthet  werden,  sich 
mit  unfähigen,  in  ihrem  Können  und  Wissen  ungenügenden 
Personen  zu  behelfen,  mit  Personen,  deren  Unfähigkeit 
trotz  der  Prüfungen  früher  nicht  bekannt  wurde,  bei  der 
weiteren  Beschäftigung  aber  klar  zutage  tritt?  Und  kann 
denn  dadurch  etwa  dem  Fache,  dem  Ansehen  und  der 
Stellung  der  Bauleute  im  Staate  und  in  der  Gesellschaft 


gedient  werden,  wenn  solche  Elemente  im  Staatsdienste 
verbleiben  müssen?  Wir  sind  im  Gegentheil  der  An- 
sicht, dass  die  neue  Vorschrift  und  deren  nicht  zu 
zaghafte  Handhabung  unserem  lieben  Fach  und  seinen 
Jüngern  zu  bestem  Segen  gereichen  wird,  denn  nichts 
ist  nach  jeder  Richtung  hin  schädlicher  für  das  Ansehen 
und  die  Werthschätzung  des  staatlichen  Bauwesens  und 
seiner  Angehörigen,  als  die  leider  nicht  zu  leugnende  That- 
sache,  dass  bisher  die  Mittelmässigkeit  vielfach  einen  Unter- 
schlupf fand,  dass  sie  viel  zu  rücksichtsvoll  behandelt  wurde 
und  dass  dadurch  nicht  nur  die  durchaus  tüchtigen  Leistun- 
gen der  grossen  Mehrzahl  unserer  Staatsbautechniker  viel- 
fach verdunkelt,  sondern  auch  deren  Fortkommen  beein- 
trächtigt wurden.  Die  neue  Vorschrift  ist  sonach  nach 
unserer  Ueberzeugung  nicht  nur  vom  Standpunkt  des 
Staates  als  Bauherr  berechtigt,  sondern  auch  vom  Stand- 
punkt der  Staatsbaubearaten  rückhaltlos  zu  begrüssen;  sie 
nimmt  aber  auch  auf  die  von  ihr  etwa  wegen  minderer 
Fähigkeit  Betroffenen  die  denkbar  grösste  Rücksicht.  Denn 
in  der  Bestimmung,  dass  den  als  nicht  für  den  Staatsdienst 
geeignet  Befundenen  bei  der  Entlassung  die  Führung  des 
Titels  Regierungs-Baumeister  mit  dem  Zusatz  a.  D.  be- 
lassen werden  kann,  dass  sie  sich  also  in  dieser  Hinsicht 
nicht  von  den  freiwillig  Ausgeschiedenen  unterscheiden, 
während  nach  den  bisherigen  Vorschriften  das  Recht  zur 
Führung  dieses  Titels  bei  der  unfreiwilligen  Entlassung 
unter  allen  Umständen  verloren  ging,  liegt  ein  sehr  weites 
Entgegenkommen  gegen  die  für  den  Staatsdienst  als  „nicht 
geeignet“  befundenen  Elemente.  Selbstverständlich  muss 
dabei  vorausgesetzt  werden,  dass  das  Recht  zur  Führung 
dieses  Titels  nicht  etwa  Unwürdigen  belassen  wird,  aber 
wir  haben  in  dieser  Hinsicht  zur  Leitung  unseres  Staats- 
bauwesens das  vollste  Vertrauen. 

Wir  müssen  daher  die  neuen  Vorschriften  über  die 
unwiderrufliche  Anstellung  der  Regierungs-Baumeister  der 
preussischenStaatsbau-Verwaltung  als  durchaus  sachgemäss 
bezeichnen  und  können  sie  nur  freudig  begrüssen,  auch 
hegen  wir  die  zuversichtliche  Hoffnung,  dass  sie  sich  in 
Verbindung  mit  den  gleichfalls  vor  nicht  langer  Zeit  er- 
lassenen Bestimmungen  über  die  Beschränkung  in  der 
Annahme  und  Ernennung  von  Regierungs-Bauführern  als 
segensreich  für  die  Stellung  der  Staatsbaubeamten  erweisen 
werden.  Und  gegenüber  der  in  No.  12  zutage  getretenen 
unverbesserhchen  Nörgelsucht  trösten  wir  uns  mit  der 
Zuversicht,  dass  die  Besten  des  Faches  diese  mit  uns 
verurtheilen!  — B— m. 


Eine  akademische  Studienreise  nach  Nord- 
Frankreich. 

(Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  95.) 

[|rii^||icht  durch  den  Unterricht,  nicht  durch  Bücher  allein 
Geist  der  Bauwerke  erfassen;  erst 
das  Werk  selbst  mit  dem  mannigfaltigen  Reiz  der 
Wirklichkeit  vermag  den  tiefen  künstlerischen  Eindruck 
zu  erwecken  und  dauernd  zu  erhalten.  Das  bezieht  sich 
namentlich  auf  die  baukünstlerischen  Hervorbringungen 
des  Mittelalters,  welches  durch  das  unausgesetzte  Ringen 
nach  weiterer  Entwicklung  im  Gegensätze  steht  zu  den 
in  festen  Verhältnissen  unabänderlichen  Formen  der  An- 
tike. Mel-r  wie  in  dieser  will  die  Kunst  des  Mittelalters 
empfunden,  unter  Vertiefung  in  die  Einwirkungen  der 
Kulturentwicklung  verstanden  sein  und  das  kann  unter 
gründlicher  geschichtlicher  Vorbereitung  am  vollkommen- 
sten nur  vor  den  Bauwerken  selbst  geschehen.  Diese 
Erwägungen  reiften  in  dem  Lehrer  für  mittelalterliche 
Baukunst  an  der  Technischen  Hochschule  in  Charlotten- 
burg, Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Christoph  Hehl,  den  Plan,  durch 
einen  Besuch  der  nordfranzösischen  gothischen  Kathedral- 
städte,  durch  Berührung  einiger  westfranzösicher  Städte 
mit  romanisch-normannischem  Einfluss,  sowie  durch  Ein- 
beziehung einiger  niederrheinischer  Städte  seinen  Schülern 
einen  allgemeinen  Ueberblick  über  den  gothischen  Kirchen- 
bau zu  geben.  Ueber  diese  im  Sommer  1900  ausgeführte 
Reise  berichtete  PIr.  Hehl  in  der  geselligen  Zusammen- 
kunft der  „Vereinigung  Berliner  Architekten“  vom  9.  Jan. 
d.  J.  und  die  Organisation  und  praktische  Durchführung 
der  Reise  insbesondere  waren  es,  welche  in  hohem 
Maasse  das  Interesse  der  Versammlung  weckten  und  uns 
veranlassen,  auf  dieselbe  näher  einzugehen, 


Um  die  Zeit  möglichst  auszunutzen  und  um  die  Aus- 
gaben soviel  wie  angängig  zu  verringern,  wurde  vor  An- 
tritt der  Reise  ein  sorgfältig  durchgearbeitetes  Reisepro- 
gramm aufgestellt  und  jedem  Theilnehmer  ein  durch  Ver- 
vielfältigung hergestelltes  Exemplar  übergeben.  Das  für 
die  Zeit  vom  27.  Juli  bis  i.  Sept.  1900  sich  erstreckende 
Reiseprogramm  umfasste  7 geschriebene  Seiten  des  ge- 
wöhnlichen Aktenforraates,  ein  Beweis  dafür,  wie  ein- 
gehend es  aufgestellt  war.  Um  zu  zeigen,  wie  das  Programm 
aufgestelit  und  die  Tageseintheilung  getroffen  war,  seien 
hier  die  Tage  vom  28.— 30.  Juli  angeführt: 

Sonnabend,  28.  Juli.  Metz,  Hotel  de  Paris.  8 Uhr 
Frühstück.  S'/g  Uhr  Vortrag  von  Hrn.  stud.  Pantel. 
Von  9V4  Uhr  an  Studium  der  Kathedrale,  i Uhr 
Mittagessen  im  Hotel.  3 Uhr  Studium  der  Kirchen 
St.  Vincenz,  St.  Martin,  St.  Eucharius.  6 Uhr  Gang 
durch  die  Stadt,  8 Uhr  Abendessen  im  Hotel.  Nach 
dem  Essen  Vortrag  über  Chälons  von  Hrn.  stud. 
Hans  Hehl.  Uebernachten.  — 

Sonntag,  29.  Juli.  6 Uhr  Frühstück  und  Gepäck  zur 
Abfahrt  auf  den  Flur  bereit  legen. 

Fahrpreis  voa  Metz  ( Ab  Metz  III.  Kl.  6'*h  S.  Indic.  des  Chemins 
nach  Pagny 
III.  Kl.  36  Pf. 


Est. 


Chälons  sur  Marne,  Hotel  de  la  Cloche  d’or. 
11I/2  Uhr  Mittagessen  im  Hotel.  2 Uhr  allgemeine 
Besichtigung  der  Stadt  und  der  Kathedrale.  7 Uhr 
Abendessen  im  Hotel.  Uebernachten.  — 


de  Fer  189  A. 

an  Pagnv  sur  Moselle  7^.  Zoll-Revision. 


ab  Pagny  6*^ 
an  Frouard  7^^ 

Iab  Frouard  7^“ 
an  Chälons  sur 
Marne  10®® 


1 Pariser  Zeit,  Unter- 
schied 55  Minuten. 
II.  Kl.  Ömnibuszug- 

j Rapide,  n.  KI.  187A. 


93 


II. 

Unserem  Grundsätze  getreu,  auch  stets  die  Gegen- 
seite zu  Worte  kommen  zu  lassen,  haben  wir  den  vor- 
stehenden, gegen  unsere  kurze  redaktionelle  Notiz  ge- 
richteten Ausführungen  Raum  gegeben,  trotzdem  in  den 
Schlussworten  derselben  ein  äusserst  scharfes  Urtheil  über 
uns  gefällt  wird.  Schwerwiegender  als  dieser  ausge- 
sprochene Vorwurf  „unverbesserlicher  Nörgelsucht“  er- 
scheint uns  aber  derjenige,  der  nur  aus  den  Auslassungen 
herauszulesen  ist,  als  hätten  wir  uns  zum  Verthei- 
diger  der  Mittelmässigkeit,  ja  selbst  der  Unfähigkeit  auf- 
geworfen. Nichts  hat  uns  ferner  gelegen,  wir  sind  hierin 
vielmehr  völlig  missverstanden  worden. 

Zunächst  haben  wir  keineswegs  angenommen,  es  hätten 
bisher  nur  die  des  Staatsdienstes  „Unwürdigen"  aus  dem- 
selben entfernt  werden  können.  Wir  haben  vielmehr  nur 
darauf  hingewiesen,  dass  die  alten  Vorschriften  nUr  diesen 
Entlassungsgrund  ausdrücklich  aufführen.  Trotzdem  haben, 
wie  uns  bekannt  war,  auch  aus  anderen  Gründen  schon 
früher  Entlassungen  stattgefunden  (abgesehen  von  den 
zahlreichen  Entlassungen  bei  der  Reorganisation  der  Staats- 
eisenbahn-Verwaltung, die  übrigens  zum  grössten  Theil 
durch  Wiedereinstellung  an  anderer  Stelle  wieder  aufge- 
hoben wurden),  zumeist  wohl  wegen  Unfähigkeit.  Üm 
diese  zu  treffen,  bedurfte  es  also  keiner  neuen  Be- 
stimmungen. 

Die  neuen  Bestimmungen  sprechen  ja  auch  garnicht 
von  Unfähigkeit  als  Entlassungsgrund,  sondern  bezeichnen 
dafür  als  ausreichend,  wenn  der  betr,  Baumeister  sich 
als  „nicht  geeignet  für  den  Staatsdienst"  erweist.  Dieser 
allgemeine  Begriff  „nicht  geeignet“  ist  nun  durchaus  nicht 
so  „klar  und  bestimmt“,  wie  Hr.  B-m  meint,  sondern  viel- 
mehr recht  unbestimmt,  und  das  ist  es  gerade,  was  uns 
an  den  neuen  Vorschriften  bedenklich  erscheint.  Denn 
dieser  Begriff  ist  ein  überaus  dehnbarer,  der  ja  nach  per- 
sönlichen und  augenblicklichen  Anschauungen  sehr  ver- 
schieden ausgelegt  und  gehandhabt  werden  kann. 

Hr.  B-m.  fasst  die  von  uns  nur  als  möglich  hingestellte 
Wirkung  des  Erlasses  (dessen  Vorgeschichte  wir  nicht 
kennen)  nach  der  Richtung  einer  Verschärfung  der  An- 
nahme-Bedingungen für  Reg.-Baumeister  als  beabsichtigt 
auf  und  begrüsst  diese  Verschärfung,  als  im  Interesse  einer 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Vereinigung  Berliner  Architekten.  In  der  geselligen 
Zusammenkunft  vom  9.  Januar,  die  unter  Vorsitz  des  Hrn. 
Wolffenstein  und  unter  Theilnahme  von  43  Mitgliedern 
stattfand,  berichtete  Hr.  Hehl  über  eine  mit  seinen  Schülern 
unternommene  Studienreise  nach  Frankreich,  auf  welche 
wir  an  anderer  Stelle  näher  eingehen.  — 

In  der  III.  ord.  Versammlung  vom  21.  Jan.  gedachte  der 
Vorsitzende,  Hr.  von  der  Hude,  zunächst  des  schweren 
Verlustes,  welchen  die  Fachwelt  durch  den  Tod  Jacobs- 
thals erlitten  habe  und  theilte  mit,  dass  der  Gedanke  an- 
geregt sei,  das  Andenken  an  den  Verstorbenen  durch 


Hebung  des  Ansehens  des  staatlichen  Bauwesens  liegend, 
mit  Freuden.  Wir  können  uns  dem  nicht  anschliessen. 
Wenn  das  Ansehen  des  staatl.  Bauwesens  dieser  Hebung 
wirklich  bedarf,  was  wir  dahin  gestellt  sein  lassen  wollen, 
so  liegt  die  Ursache  jedenfalls  nicht  in  einer  zu  milden 
Handhabung  der  früheren  Vorschriften,  sondern  unseres 
Erachtens  auf  ganz  anderem  Gebiete.  Sie  liegt  vor  allem 
darin,  dass  die  Staatsbau-Beamten  viel  zu  spät  in  eine 
halbwegs  selbständige  Stellung  gelangen,  dass  sie  ihre 
Kräfte  vielfach  in  Arbeiten  verbrauchen  müssen,  zu  deren 
Erledigung  eine  derartige  Vorbildung  garnicht  erforderlich 
ist.  Dieser  Grund,  nicht  allein  die  Aussicht  auf  besseres 
Fortkommen,  bessere  Besoldung,  zieht  so  viele  junge 
Kräfte,  und  nicht  gerade  die  schlechtesten,  aus  der  Staats- 
bau-Verwaltung in  den  Dienst  der  Gemeinden  und  der 
Privatindustrie. 

Hier  eine  Wandlung  zu  schaffen,  ist,  wie  auch  schon 
von  anderer  Seite  an  dieser  Stelle  betont  wurde aller- 
dings nur  möglich  durch  die  Beschränkung  in  der  An- 
nahme der  Anwärter  auf  die  selbständigen  Stellungen.  Zu 
dieser  Beschränkung  ist  durch  die  neuen  Bestimmungen 
über  die  Annahme  der  Reg.-Bauführer  ein  wichtiger  Schritt 
gethan.  Wenn  nun  aber  schon  einmal  eine  solche  sorg- 
fältige Sichtung  stattgefunden  hat,  wenn  dann  diese  Kandi- 
daten 3 Jahre  im  Staatsdienste  ausgebildet  worden  sind 
und  schliesslich  für  würdig  befunden  werden,  zur  Prüfung 
als  Reg.-Baumeister  zugelassen  zu  werden,  wenn  sie  diese 
bestanden  haben,  dann  sollte  man  doch  wohl  annehmen, 
dass  die  „Unfähigen"  nunmehr  ausgeschieden  seien  und 
dass  selbst  das  massige  Mittelgut  auf  diese  Weise  ausge- 
merzt werden  könnte.  Die  Reg.-Bmstr.  dann  noch  fünf 
Jahre  lang  unter  einen  so  dehnbaren  Entlassungs-Para- 
graphen zu  stellen,  erscheint  uns  jedenfalls  unbillig  und 
geeignet,  diejenige  Verbesserung  in  der  Stellung  der  Reg.- 
Baumeister,  die  erst  nach  harten  Kämpfen,  nach  immer 
wiederkehrenden  Anträgen  im  Parlament  errungen  und 
nicht  als  freies  Geschenk  gegeben  worden  ist,  wenigstens 
z.  Th.  wieder  infrage  zu  stellen. 

Ob  wir  demnach  für  unser  Eintreten  für  die  Reg.- 
Baumeister  den  Vorwurf  „unverbesserlicher  Nörgelsucht“ 
verdienen,  überlassen  wir  getrost  dem  Urtheil  der  ,, Besten 
des  Faches“.  — Die  Redaktion. 


Aufstellung  einer  Hermenbüste  im  Lichthofe  der  Tech- 
nischen Hochschule  zu  Charlottenburg  dauernd  zu  erhalten. 

Als  neue  Mitglieder  wurden  die  Hrn.  Stdtbmstr.  Ho  egg 
und  Schneegans  in  die  Vereinigung  aufgenommen,  ln 
eine  Kommission  zur  Beantwortung  des  Verbandsantrages 
betr.  die  Gebühren  der  Architekten  und  Ingenieure  in 
deren  Thätigkeit  als  gerichtliche  Sachverständige  wurden 
berufen  die  Hrn.  Fürstenau,  Graf  und  Körte. 

Eine  Besprechung  über  die  seitens  des  Polizei-Präsi- 
diums in  Berlin  geübte  Praxis,  die  neuen  Bestimmungen  über 
die  Feuersicherheit  von  Waaren-  und  Geschäftshäusern-’’*) 


*)  Dtscb.  Bztg.  1901  S.  246.  — **'■)  Dtsch,  Bztg.  1901  S.  343. 


Montag,  30.  Juli.  772  Uhr  Frühstück.  8 Uhr  Studium 
der  Kirche  Notre  Dame.  12  Uhr  Mittagessen  im 
Hotel.  3 Uhr  Besichtigung  St.  Alpin,  St.  Jean,  Hotel 
de  Ville.  7 Uhr  Promenade  du  Yard.  8 Uhr  Abend- 
essen im  Hötel.  9 Uhr  Vortrag  über  Rheims  von 
Hrn.  stud.  Frings.  Ueberiiachten.  — 

Wir  lassen  nunmehr  den  Leiter  der  Studienreise  selbst 
sprechen. 

Um  die  Ausgaben  möglichst  einzuschränken,  habe  ich 
von  den  Eisenbau-Verwaltungen  Ermässigungen  erbeten, 
die  in  zuvorkommendster  Weise  in  Deutschland,  Frank- 
reich und  Belgien  bewilligt  wurden.  Mit  einigen  Schwie- 
rigkeiten verbunden  war  die  vorherige  Bestellung  von 
Quartier  und  Verpflegung,  um  mit  leidlicher  Gewissheit 
die  bei  grösstmöghchster  Sparsamkeit  doch  noch  gute  Ver- 
pflegung im  fremden  Lande  zu  erzielen.  Die  Verpflegung 
ist  durchweg  zur  Zufriedenheit  ausgefallen,  bei  einigen 
Hötels  sogar  recht  gut,  wie  in  Rheims  und  Brüssel,  und 
ausgezeichnet  in  Soissons  und  Mont  St.  Michel.  An  die 
Maires  der  Städte  und  Bischöfe  der  Kirchen  war  eine 
Mittheilung  meinerseits  über  den  Zweck  unserer  Reise 
ergangen  mit  der  Bitte  um  Unterstützung,  an  letztere 
mit  der  Abschrift  eines  lateinischen  Empfehlungsbriefes 
des  Hrn.  Kardinal  Dr.  Kopp  zu  Breslau.  Auf  diese  Weise 
war  der  Weg  geebnet,  Kirchen  und  Kunstschätze  wurden 
uns  überall  mit  Entgegenkommen  gezeigt.  An  allen  Orten 
wurden  wir  als  Deutsche  mit  ausgezeichneter  Höflichkeit 
und  Liebenswürdigkeit  behandelt. 

Nach  einem  durchgearbeiteten  Studienplane  wurde 
während  der  ganzen  Reise  vorgegangen.  Jedes  Reise- 
mitglied hatte  über  eine  zu  besuchende  Stadt  Vortrag  zu 


halten,  welcher  nicht  allein  baugeschichtliche,  sondern 
auch  wirthschaftliche  und  kulturelle  Thatsachen  bringen 
sollte.  Vorkommende  Irrthümer  wurden  nach  der  Be- 
sichtigung der  Städte  und  Bauwerke  verbessert.  Nach 
dem  Vortrage  fand  eine  eingehende  Besichtigung  der 
Stadt  und  ihrer  einzelnen  Bauwerke  statt,  hierbei  wurden 
aus  sich  darbietenden  Anhaltspunkten  die  verschiedenen 
Bauperioden  herausgeschält,  eine  stilkritisch  sehr  lehr- 
reiche Uebung.  Erst  hiernach  fand  ein  Jeder  Gelegen- 
heit, das  ihn  besonders  Interessirende  mit  Bleistift  und 
Maasstab  festzuhalten.  Auf  genaue  Maassangabeii  lege 
ich  ganz  besonders  Werth.  Durch  dieses  systematische 
Vorgehen  gelangt  die  historisch  entwickelte,  aufgemessene 
und  gezeichnete  Stilform  zu  richtigem  Verständniss  und 
wird  dann  auch  eine  richtige  Verwendung  finden.  Bei  der 
Fülle  des  so  erworbenen  Materials  beabsichtigte  ich,  wie 
ich  es  auch  schon  nach  der  hessischen  Reise  1898  gethan 
habe,  ein  Skizzenbuch  herauszugeben.  Dieses  wird  die 
Skizzen  mit  einem  Werkzeichen  dessen,  der  die  Form 
ursprünglich  aufgenommen  hat,  bringen.  Endlich  hat  sich 
auch  ein  Reisekamerad  der  Mühe  unterzogen,  mit  seinem 
photographischen  Apparate  alle  schönen  und  stilistisch 
lehrreichen  Punkte  festzuhalten,  besonders  solche,  von 
denen  eine  Veröffentlichung  bislang  noch  nicht  bekannt 
war.  So  bot  diese  Reise  eine  ausserordentliche  Fülle  viel- 
fältiger Anregung  und  fördernder  Belehrung,  die  Jedem 
von  grösstem  Nutzen  gewesen  sind;  gleichzeitig  verlief 
dieselbe  so  vergnügt,  dass  sie  uns  allen  mit  ihren  rei- 
zenden kleinen  Erlebnissen  eine  köstliche  Erinnerung 
bleiben  wird.  — (Schluss  folgt.) 


94 


No.  15. 


Abbildg.  a u.  3.  Schloss  Pierrefond  nach  der  Wiederherstellung  durch  Viollel-le-Duc- 


auch  auf  bereits  beste- 
hende Geschäftshäuser 
zur  Anwendung  zu  brin- 
gen und  über  die  sich 
hieraus  ergebendenHär- 
ten  leitete  Hr.  Kays  er 
ein  und  führte  aus,  dass 
bei  der  sehr  wohlwollen- 
den Haltung,  welche  das 
Polizei-Präsidium  in  Ber- 
lin und  das  zuständige 
Ministerium  gegenüber 
den  Anregungen  aus 
den  Architektenkreisen 
bisher  eingenommen 
haben,  die  Hoffnung 
nicht  aufzugeben  sei, 
durch  entsprechende 
Vorstellungen  die  er- 
wähnten Härten  zu  mil- 
dern. Zur  Ausarbeitung 
dahingehender  Anträge 
wurde  eine  Kommission 
aus  den  Hrn.  Bislich, 
Cremer,  Engel,  Kay- 
ser,  Reimer  und  Solf 
gewählt. 

Hr.  Solf  berichtete 
über  den  Stand  der  Vor- 
arbeiten für  die  Gestal- 
tung der  Architektur- 
und  der  Kunstgewerbe- 
Abtheilung  auf  der  Gros- 
sen Berliner  Kunst-Aus- 
stellung dieses  Jahres. 

Zum  Schluss  erfreute 
1 Ir.  M e y d e n b a u e r 
die  Versammlung  durch 
Vorführung  von  mittel- 
alterlichen Bauten 
aus  der  weiteren 
Umgebung  von  Ber- 
lin mittels  Lichtbildern. 
Wir  haben  schon  mehr- 
fach Gelegenheit  ge- 
nommen, auf  die  köst- 
lichen Aufnahmen  hin- 
zuweisen, die  in  der 
Zahl  von  nun  schon 
etwa  8000  aus  der  vom 
Redner  geleiteten  Mess- 
bildanstalt hervorgegan- 
gen sind  und  den  werth- 
vollen  Grundstock  für 
ein  zukünftiges  Denk- 
mälerarchiv bilden.  Aus 
der  Reihe  dieser  archi- 
tektonischen Aufnah- 
men, die  mit  feinstem 
Verständniss  die  archi- 
tektonischen Bedürf- 
nisse mit  schöner  bild- 
massiger  Wiedergabe 
vereinigen,  waren  die 
Vorführungen  dieses 
Abends  entnommen.  Sie 
betrafen  mittelalterliche 
Bauwerke  aus  den  Ge- 
bieten diesseits  der  Elbe, 
die  zumtheil  bis  in  das 
Jahr  1134  hinaufreichen. 
Aus  den  Perioden  vor 
dieser  Zeit  sind  uns  Bau- 
werke nicht  erhalten. 
Brandenburg,  Stendal, 
Königsberg , Jerichow, 
Tangermünde , Witten- 
berg, Torgau  und  Mag- 
deburg waren  die  Städte, 
deren  zum  Theil  sehr 
gut  erhaltene  mittelalter- 
liche Bauwerke,  fast  aus- 
schliesslich Werke  der 
nordischen  Backstein- 
technik, vorgeführt  und 
mit  einer  kurzen  histo- 
rischen Erläuterung  be- 
gleitet wurden.  Die 
wahrhaft  künstlerischen 


19.  Februar  1902. 


95 


Aufnahmen  Meydenbauers  bereiten  immer  wieder  neuen 
Genuss.  — 

In  der  geselligen  Zusammenkunft  vom  6.Febr., 
die  unter  dem  Vorsitz  des  Hrn.  Wolffenstein  und  bei  An- 
wesenheit von  21  Mitgl.  stattfand,  hatten  die  Hrn.  Stadt- 
bmstr.  Hoegg  und  Schneegans  architektonische  Ent- 
würfe und  Reisestudien  zur  Vorlage  gebracht;  Hr.  Hoegg 
in  erster  Linie  das  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Hrn. 
Stadtbauinsp.  Matzdorff  bearbeitete  Lehrerwohngebäude 
des  Gymnasiums  zum  grauen  Kloster  in  Berlin,  ein  reiz- 
voll gruppirter  Backsteinbau,  welchem  in  unbefangener 
Weise  Barockelemente  eingefügt  sind,  sodann  breit  und 
flott  behandelte  malerische  und  architektonische  Studien 
aus  Tirol;  Hr.  Schneegans  eine  Reihe  ansprechender  Ent- 
würfe zu  Holzarchitekturen,  insbesondere  Kleinbauten  für 
Ausstellungen  usw.  Hr.  SpLndler  berührte  einige  bau- 
polizeiliche Fragen  und  Hr.  Wolffenstein  gab  einen 
Bericht  über  die  Wiener  Bewegung  zur  Erhaltung  des 
Riesenthores  von  St.  Stephan.  Das  sogen.  Riesen- 
thor des  St.  Stephansdomes  in  Wien  ist  ein  romanischer 
Thorbau,  welcher  in  gothischer  Zeit  einen  Vorbau  erhalten 
hat,  der  das  reich  geschmückte  romanische  Thor  stark  be- 
einträchtigt. Es  war  deshalb  schon  die  Absicht  des  Dom- 
baumeisters Friedr.  v.  Schmidt,  das  Thor  des  gothischen 
Vorbaues  zu  entkleiden.  Gegen  diese  vor  20  Jahren  be- 
standene Absicht  erhob  sich  eine  starke  Gegnerschaft, 
infolge  deren  die  Ausführung  unterblieb.  Der  jetzige 
Dombaumeister  Herrmann  nahm  den  Gedanken  wieder 
auf,  aber  auch  heute  zeigt  sich  der  gleiche  Widerstand 
der  Oeffentlichkeit,  insbesondere  der  Sezession,  sodass 
das  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht  zu  dem  Be- 
schlüsse kam,  die  Angelegenheit  zunächst  nicht  weiter  zu 
verfolgen.  — 


Vermischtes. 

Ein  Gesetzentwurf  betr.  die  Erweiterung  und  Vervoll- 
ständigung des  Staatseisenbahnnetzes  und  die  Betheiligung 
des  Staates  an  dem  Bau  von  Kleinbahnen  ist  dem  preuss. 
Abgeordnetenhaiise  soeben  zugegangen.  Die  Vorlage  um- 
fasst den  Gesammtbetrag  von  128286329  M.  Davon  ent- 
fallen 91 795000  M.  auf  die  Neuherstellung  von  Eisenbahnen 
und  die  Beschaffung  der  für  sie  erforderlichen  Betriebs- 
mittel. Von  dieser  Summe  sind  19  917  000  M.  für  den 
Bau  der  Haupteisenbahn  von  Oppeln  (Groschowitz)  nach 
Brockau,  6972000  M.  für  Betriebsmittel,  der  Rest  für 
Nebeneisenbahnen,  zum  grösseren  Theil  für  die  östlichen 
Provinzen,  bestimmt.  Für  den  Erwerb  von  Privateisen- 
bahnen sind  rd.  3,1  Milk,  für  den  Ausbau  der  hierunter 
begriffenen  Nebeneisenbahn  von  Ostrowo  nach  Skal- 
mierzyce  nebst  den  anschliessenden  Strecken  Lissa  i.  P.- 
Krotoschin  und  Bentschen-Lissa  i.  P.  zu  einer  Hauptbahn 
8,31  Milk  M.  vorgesehen.  Es  wird  durch  diese  Linie  eine 
neue  Vei’bindung  mit  Russland  geschaffen.  Zur  Deckung 
der  Mehrkosten  für  den  Bau  einiger  Eisenbahnen  werden 
5,081  Milk  und  schliesslich  zur  Förderung  des  Baues  von 
Kleinbahnen  20  Milk  M.  gefordert.  — 

Kurse  über  Bau-  und  Wohnungs-Hygiene  sollen  dem- 
nächst und  zwar  zuerst  versuchsweise  an  den  Technischen 
Hochschulen  zu  Berlin  und  Hannover  für  ältere,  be- 
reits in  der  Praxis  erfahrenere  Baubearate  abgehalten 
werden.  Da  diese  Kurse  nicht  mehr  als  14  Tage  in  An- 
spruch nehmen  sollen,  kann  es  sich  nur  darum  handeln, 
einen  kurzen  Ueberblick  über  das  Gebiet,  in  welches  auch 
die  einschlägige  Gesetzgebung  des  In-  und  Auslandes  und 
die  bei  Aufstellung  von  Bauordnungen  und  Bebauungs- 
plänen wichtigen  Gesichtspunkte  einbezogen  werden  sollen, 
und  eine  entsprechende  Anleitung  und  Anregung  zu  weite- 
rem Studium  in  diesen  Fragen  zu  geben.  Die  zur  Theil- 
nahme  an  den  Kursen  geeigneten  und  bereiten  Staats- 
baubeamten (je  20  für  jeden  Kurs)  erhalten  ein  Pausch- 
quantum zur  Deckung  der  Reise-  und  sonstigen  Unkosten. 

Diese  Maassregel  kann  nur  mit  Freuden  begrüsst  wer- 
den, da  sie  geeignet  erscheint,  die  Angehörigen  des  Bau- 
faches mehr  als  das  bisher  im  allgemeinen  der  Fall  ge- 
wesen ist,  für  diese  Fragen  zu  interessiren  und  sie  auf 
diesem  Gebiete  zu  thätigerer  Mitarbeit  heranzuziehen.  — 

Italienischer  Marmor.  Im  Kunstgewerbe-Museum  zu 
Berlin  sind  Proben  von  farbigem  Marmor  ausgestellt, 
welche  das  kaiserk  Generalkonsulat  in  Neapel  eingeschickt 
hat.  Bei  dem  Werthe,  welchen  die  deutsche  Marmor- 
Industrie  und  die  deutschen  Bauunternehmer  auf  schöne 
Marmorsorten  legen,  werden  diese  8 Platten,  welche  sämmt- 
lich  aus  Brüchen  in  der  Nähe  von  Vitulano  in  der  Provinz 
Benevent  stammen,  sicherlich  von  Interesse  sein.  Die 
Farben  wechseln  vom  zartesten  Perlgrau  bis  zum  Tiefroth 
in  reichster  Aederung.  Ueber  die  Bezugsquelle  dieses 
Marmo  di  Vitulano  findet  sich  eine  Angabe  bei  den  aus- 
gestellten Stücken.  — 

96 


Die  Direktion  der  Kunstgewerbeschule  ln  Zürich  ist 
nach  der  Berufung  des  Hrn.  Arch.  Prof.  Karl  Hoffacker 
nach  Karlsruhe  auf  den  Architekten  A.  Lüthi  in  Frank- 
furt a.  M.  übergegangen.  Mit  Hrn.  Lüthi,  dessen  hohe 
künstlerische  Bedeutung  mit  der  von  ihm  seit  Jahren  in 
Frankfurt  a.  M.  mit  grossem  Erfolg  geführten  Anstalt  für 
Glasmalerei  und  Kunstverglasung  auf  das  engste  verknüpft 
ist,  gewinnt  das  schweizerische  Kunstleben  einen  trefflichen 
Künstler  von  ausgeprägter  Eigenart.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Kaiserin  Elisabeth  - Denkmal  Budapest. 
Unter  18  Entwürfen  wurden  drei  gleichwerthige  I.  Preise 
von  je  10000  Kr.  an  die  Hrn.  Bildhauer  Georg  Zala  in 
Gemeinschaft  mit  dem  Architekten  Jambor-Balint,  Alois 
Strobl  in  Gemeinschaft  mit  Arch.  G erster  und  Ed.  Telcs 
in  Gemeinschaft  mit  Arch.  Töry  vertheilt.  Keiner  der  Ent- 
würfe wurde  zur  Ausführung  bestimmt;  das  allgemeine 
Urtheil  geht  vielmehr  dahin,  dass  der  Wettbewerb  nicht 
den  künstlerischen  Erfolg  gehabt  habe,  welcher  der  Be- 
deutung der  Aufgabe  entspricht.  Es  ist  daher  auch  kein 
engerer  Wettbewerb  unter  den  mit  einem  Preise  be- 
dachten Verfassern  eröffnet  worden,  es  hat  vielmehr  der 
deutsche  Preisrichter,  Prof.  Bruno  Schmitz  aus  Char- 
lottenburg. seinen  Einfluss  zugunsten  eines  neuen,  allge- 
meinen Wettbewerbes  geltend  gemacht.  — 

In  dem  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  einen  General- 
Regulirungsplan  von  Brünn  erhielt  den  I.  Preis  von  8000  Kr. 
Hr.  Arch.  Eugen  Fassben  der -Wien;  den  II.  Preis  von 
4000  Kr.  Hr.  Ob.-Ing.  Heinr.  Goldemund  in  Gemeinschaft 
mit  Hrn.  Prof.  Karl  Mayreder-Wien;  den  einen  III.  Preis 
von  2000  Kr.  Hr.  Geh.  Brth.  J.  Stübben  in  Köln  und  den 
zweiten  III.  Preis  von  2000  Kr.  Hr.  Prof.  K.  Henrici  in 
Aachen.  Die  Entwürfe  der  Hrn.  Knell  in  Wien  und 
Olberth  in  Brünn  wurden  angekauft.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Hamborn.  Verfasser  des  zum 
Ankauf  empfohlenen  Entwurfes  „Jong  kiek  es  do  den 
eene“  sind  die  Hrn.  Berns  & Nau  in  Ruhrort  und 
Düsseldorf.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Geh.  Reg. -Rath  Wiskow,  vortr.  Rath  Im 
Auswärtigen  Amt,  und  dem  Brth.  Schmidt  in  Stassfurt  ist  der 
Rothe  Adler-Orden  IV.  KI.,  dem  Geh.  Brth.  u.  vortr.  Rath  Hoss- 
feld in  Berlin,  dem  Reg.-  u.  Brth.  Bohnstedt  in  Kassel  und 
dem  Deichinsp.  a.  D.  Brth.  Schmidt  in  Danzig  ist  der  kgl. 
Kronen-Orden  III.  Kl.  und  dem  kgl.  Brth.  Stadtbrth  Peters  in 
Magdeburg  ist  die  Rothe  Kreuz-Medaille  III.  Kl.  verliehen. 

Der  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Mund  in  Angermünde  ist  als  Land- 
bauinsp.  nach  Arnsberg,  der  Landbauinsp.  V o i g t in  Arnsberg  als 
Kr.-Bauinsp.  nach  Angermünde  u.  der  Kr.-Bauinsp.  Brzozowski 
von  Schmalkalden  nach  Mühlhausen  versetzt. 

Der  grossherz.  hess.  Eisenb.-Telegr.-lnsp.  Z i m m e r m an  n in 
Mainz  ist  unt.  Ernennung  z.  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  als  Vorst, 
der  Betr.-Insp.  i nach  Gies.sen  versetzt. 

Die  Wahl  des  Stadtbrths.  R.  Schultz  e in  Bonn  zum  Bei- 
geordneten ist  bestätigt  worden. 

Der  Landbauinsp.  Büttner  in  Berlin  ist  z.  Prov .-Konservator 
der  Prov.  Brandenburg  bestellt. 

Die  Baugew.-Schullehrer  B a u m a n n in  Kassel  u.  Reg.-Bmstr. 
Seile  in  Königsberg  i.  Pr.  sind  zu  kgl.  Ob.-Lehrern  ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Anton  Schweth  aus  Köln  a.  Rh.,  Jak. 
Schrammen  aus  Rheinbach,  Friedr.  Mahlke  aus  Gartz,  Otto 
K 1 o e p p e 1 aus  Köln  a.  Rh.  und  Max  Rautenberg  aus  König.s- 
berg  i.  Pr.  (Hochbfeh.),  — Herrn.  Grotgan  aus  Braunschw'eig, 
Paul  Berkenkamp  aus  Barmen  u.  Friedr.  Schmidt  aus 
Kotzen  (Wasser-  u.  Strassenbfeh.),  Ad.  Teut.se hbein  aus 
Stettin,  Hans  F 0 e 1 1 n c r aus  Berlin  (Eisenbfeh.) , — Walther 
Wassermann  aus  Gr.  Breitenbach  u.  Friedr.  G u t b r o d aus 
Stuttgart  (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Württemberg.  Dem  Bauinsp.  Veigele  in  Heilbronn  sind 
die  Vorst-Geschäfte  der  in  Feuerbach  erricht.  Eisenb.-Bauinsp. 
übertragen. 

Briet-  und  Fragekasten. 

Hrn.  R.  B.  in  Düsseldorf.  Sie  sind  durchaus  berechtigt,  in 
Ihrer  freien  Zeit  Konkurrenz-Arbeiten  anzufertigen,  au  welchen 
nicht  gleichzeitig  und  mit  Ihrer  Mitarbeit  Ihre  Firma  betheiligt  ist. 

Anfragen  an  den  Leserkreis, 

Welche  Erfahrungen  liegen  über  Strassen  vor,  die  aus  Buschen 
oder  Faschinen  (als  Packlage)  und  einer  Kiesdecke  hergestellt  sind 
und  in  welcher  Stärke  werden  Faschinen  und  Kiesdecke  vortheil- 
haft  verwendet?  Welche  Werke  oder  welche  Zeitschiüft  behandelt 
die  Anlage  solcher  Strassen?  R.  B.  in  Westfalen. 


Inhalt:  Die  neuen  Vorschriften  über  die  unwiderrufliche  Anstellung 
der  Regierungs-Baumeister  der  preiissischen  Staats-Bauverwaltung.  — Eine 
akademische  Studienreise  nach  Nord-Frankreich.  — Mittheilungen  aus  Ver- 
einen. — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — 
Brief-  und  Fragekasten 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  15. 


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EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  * 
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SS«r«:«rS!«r«:S;«:Ä«:s:s:2i 

AUZEITUNG. 
GANG.  * * N2;  i6. 
DEN  22.  FEBR.  igo2. 

iStftÄÄStststarstsjs:  instar 


Abbildg.  4.  Elektrischer  Scbnellbabnwagen  der  Finna  Siemcas  & Halske  auf  der  Vcrsuchsstrccke  Marienfelde  —Zossen. 
Elektrische  Schnell-  und  Vollbabnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als  Antrieb. 


Die  Stuttgarter  Stadterweiterung. 


(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  S.  loi, 


as  zuerst  die  wirthschaftliche  Seite  be- 
trifft,  so  sind  bei  der  Herstellung  von  Wohn- 
häusern die  eigentlichen  Baukosten  und 
der  Aufwand  für  den  Bauplatz  zu  unter- 
scheiden. Hinsichtlich  der  ersteren  sei  vor 
allem  der  Unterschied  zwischen  der  offenen  und  der 
geschlossenen  Bauweise,  welcher  in  Stuttgart  eine 
grosse  Rolle  spielt,  kurz  festgestellt.  Die  offene  Bau- 
weise kommt  bei  sonst  gleicher  Grösse  und  Ausstattung 
theurer  zu  stehen,  als  die  geschlossene,  weil  4 oder  (bei 
Doppelhäusern)  3 sichtbare  Umfassungswände  herzu 
stellen  sind,  statt  nur  2.  Aus  dem  gleichen  Grunde  wer- 
den auch  die  bauliche  Instandhaltung  und  die  Heizung, 
sowie  wegen  grösserer  Frontlänge  der  Strassen-  und 
der  Kanal-Beitrag  kostspieliger®),  und  die  Strassenfront 
lässt  sich  (für  Ladengeschäfte  u.  dgl.)  nicht  so  vor- 
theilhaft  ausnützen.  Dafür  gewährt  die  offene  Bau- 
weise bei  grösseren  Wohnhäusern  den  Vortheil  einer 
günstigeren  Gestaltung  des  Grundrisses  und  reich- 
licherer Belichtung,  und  es  kann  dieser  Umstand  jene 
Nachtheile  bei  den  mittleren  und  wohlhabenden  Be- 
völkerungsklassen mehr  oder  weniger  ausgleichen,  so 
dass  der  höhere  Einheitspreis  (für  i bewohnten 
Raumes)  sich  lohnt  und  von  den  Miethern  gern  bezahlt 
wird.  Bei  Einfamilienhäusern  und  bei  Kleinwohnungen 
liegt  der  ökonomische  Vorzug  jedoch  entschieden  auf 
Seiten  der  geschlossenen  Bauweise.  Ferner  hinsicht- 
lich der  Baudichtigkeit  nach  der  Höhe;  so  fällt  be- 
kanntheh  die  Raumeinheit  eines  Hauses  bei  sonst 
gleicher  Bauweise  um  so  billiger  aus,  je  mehr  Ge- 

')  Uebngens  sinkt  die  Bedeutung  dieses  Beitrags  draussen,  wo 
die  Strassen  in  der  Regel  einfacher  hergestellt  werden  können. 


schosse  über  einander  gestellt  werden,  denn  die  Kosten 
von  Fundament  und  Dach  vertheilen  sich  auf  eine 
grössere  Gesammtfläche  von  Wohnräumen. 

Ebenso  wichtig  wie  dieser  Einfluss  der  Bau- 
ordnung auf  die  Bauherstellung  ist  derjenige  auf  die 
Bauplätze.  Die  Wohnungsfrage  ist  hauptsächlich 
eine  Bodenfrage.  Wenn  freilich,  w’ie  Rettich  es  im 
Grunde  darstellt,  der  Bodenwerth  eine  gegebene 
Grösse  ist,  dann  wird  selbstverständlich  der  Aufwand 
für  die  Wohneinheit  um  so  geringer  ausfallen,  je 
kleiner  der  erforderliche  Bauplatz  ist,  d.  h.  je  stärkere 
Baudichtigkeit  zugelassen  wird.  Insofern  würden  nach 
den  Rettich’schen  Vorschlägen  im  ganzen  Stadt-Er- 
weiterungsgebiet beide  Theile,  welche  den  Wohnungs- 
aufwand  zusammensetzen,  Bauplatz  und  Bauherstellung, 
und  damit  im  Allgemeinen  auch  die  Miethen,  billiger 
ausfallen,  als  nach  Kölle.  Allein  jene  Voraussetzung 
bedarf  einer  Berichtigung,  denn  der  Bodenwerth  hängt 
selbst  von  dem  zulässigen  Grade  der  Baudichtigkeit 
ab.  Um  dem  Vorwurf  der  Oberflächlichkeit  vorzu- 
beugen, will  ich  ausdrücklich  bemerken,  dass  dies 
nicht  der  einzige  Faktor  ist,  von  welchem  der  Boden- 
werth beeinflusst  wird.  Es  kommt  ausserdem  infrage 
die  Lage  eines  Bauplatzes  (Verkehrsleichtigkeit,  Aus- 
sicht, „Vornehmheit“  u.  dgl.),  und  das  Verhältniss 
zwischen  Angebot  und  Nachfrage,  welches  nach  Zeit 
und  Ort  wechseln  kann.  Während  aber  die  beiden 
letzteren  Faktoren  der  Einwirkung  vonseiten  der  Öffent- 
lichen Gewalt  nur  mittelbar  zugänglich  sind,  hat  man 
es  bei  der  Bauordnung  in  der  Hand,  „durch  einen 
Federstrich“  die  Steigerung  oder  Verminderung  von 
Werthen  zu  veranlassen:  denn  der  Bodenw'crth  beruht 


97 


nach  dieser  Richtung  auf  dem  gescKäftsmä^ig''zu''er^  ’ 
zielenden  Ertrag  und  dieser  bei  Wohnhäusern  auf 
der  Anzahl  der  Räume  oder  Miether,  welche  bei  der 
grössten  gestattetenBaudichtigkeit  unterzubringen  sind. 
Wenn  Abele  schreibt,  dass  der  hohe  Bodenpreis  die 
Ursache,  dichte  Bauweise -dip  Wirkung  sei,  so  ist  auch 
das  richtig.  Wohnsystem-"  und  Bodenwerth  stehen 
eben  in  Wechselwirkung.  Diese  Erscheinung  ist, 
längst  von  den  bedeutendsten  Vertretern  der  Volks- 
wirthschaft  anerkannt  und  wird  praktisch  am  besten 
durch  die  Thatsache  bestätigt,  dass  die  Vertreter  des 
Grundbesitzes  allemal  baupolizeiliche  Maassregeln  im 
Sinne  grösserer  Weiträumigkeit  bekämpfen,  weil  sie 
besorgen,  dass  damit  die  Bodenpreise  sinken  oder 
wenigstens  an  weiterem  Steigen  gehemmt  werden.  1 f] 

Gegen  die  Möglichkeit,  durch  baupolizeiliche  W^eit- 
räumigkeit  die  Bodenpreise  niedrig  zu  halten,  wendet 
Abele  ein,  dass  die  Nachfrage  nach  Bauland  steigen 
müsse,  wenn  man  dasselbe  nicht  stark  ausnutzen  dürfe, 
und  dass  das  Angebot  nicht  gleichen  Schritt  halten 
werde,  weil  die  Ausdehnungsfähigkeit  der  Stadt  be- 
schränkt sei.  Infolge  dessen  könne  der  Bodenpreis 
nicht  niedrig  bleiben,  sondern  werde  im  Gegentheil 
noch  höher  wachsen,  als  er  sich  bei  Zulassung  ge- 
drängter Bauweise  gestellt  hätte.  Diese  Schlussfolge 
hält  Rettich  besonders  bei  Stuttgart  wegen  seines 
Hügellandes  für  wichtig  und  empfiehlt,  mit  dem  Schatz 
guten  Baugeländes  sparsam  umzugehen.  Nach  meiner 
Ansicht  fällt  aber  die  Voraussetzung  dieses  ganzen 
Einwandes,  der  beschränkte  Flächenraum  von  Bau- 
land, hin,  wenn  die  Gemeinde  bei  Zeiten  für  neue 
Strassen,  für  gute,  billige  Verkehrsmittel  in  die  ent- 
fernteren Stadttheile  und  umliegenden  Orte,  für  Be 
gründung  zweckmässiger  Fabrikviertel  und  'ihnen  nahe 
gelegener  Arbeiterwohnungen,  nöthigen.falls  für  Er- 
weiterung des  Weichbildes  sorgt.  Allerdings  wird  .ein 
derartiges  Vorgehen  in  Stuttgart  schwieriger  als  in 
Städten  des  Flachlandes  und  es  ist  deshalb  die  Auf 
Schliessung  neuen  Baugeländes  nur  :z:u  lange  vernach^ 
lä«sig4-  worden. — Allem—solcbe-  mehr-:eder  _weni:ger.. 
überall  vorkommenden  Schwierigkeiten  müssen  that- 
kräftig  überwunden  werden,  wenn  eine  Grosstadt  uii- 
verkümmert  heranwachsen  will.  Ob  das  Weichbild 
von  Stuttgart  nach  30  oder  nach  40  Jahren  bebaut 
sein  wird,  macht  keinen  so  grossen  Unterschied,  dass 
man  sich  und  den  Nachkommen  nicht  mehr  freien 
Raum  gönnen  dürfte,  als  bisher  üblich  war. 

Einen  anderen  Einwand  gegen  weiträumiges  Bauen 
erhebt  Rettich  mit  der  Bemerkung,  sofern  durch  Vor-|? 
Schriften  der  Weiträumigkeit  der  Einheitspreis  des' 
Geländes  abnähme,  wäre  dafür  um  so  mehr  Fläche 
erforderlich,  somit  werde  ein  Bauplatz  doch  nicht 
billiger.  Ob  man  für  einen  bestimmten  Bauzweck  an  . 
einem  Ort,  wo  nur  niedrig  und  mit  grossem  Hof-f 
raum  gebaut  werden  darf,  1000  q“  zu  30  M,,  oder  an 
einer  anderen  Stelle,  wo  hohe  und  dichte  Bauweise 
zugelassen  ist,  500  q^n  zu  ßo  M.  zahlen  muss,  macht 
allerdings  keinen  Unterschied;  die  Ausgabe  für  die 
Wohneinheit  ist  dieselbe.  Allein  diese  ganze  Be- 
trachtung gilt  nur  für  solche  Unternehmer,  welche 
unter  Stärkstmöglicher  Ausnutzung  der  Fläche  bauen. 
Es  giebt  aber  viele  Baulustige,  welche  niedrig  bauen 
und  nicht  so  knapp  mit  dem  Gelände  umgehen,  viel- 
mehr geräumige  Höfe  und  Gärten  einrichten  wollen, 
sei  es  zur  Annehmlichkeit  für  sich  selbst,  sei  es  zu 
stärkerer  Anziehung  von  Miethern.  Derartigen  Ab- 
sichten wird  nur  mit  möglichst  niedrigen  Boden- 
preisen gedient,  und  nur  auf  diesem  Wege  kann  die 
bauliche  Entwicklung  der  Stadterweiteriing  eine  er- 
freuliche werden. 

Eine  mir  schier  unbegreifliche  Begründung  von 
Rettich’s  Vorschlägen  liegt  in  seiner  Ansicht,  dass, 
weil  die  Bebauungsmöglichkeit  des  städtischen  Ge- 
ländes eine  Quelle  städtischen  Wohlstandes  ist,  die 
Ausnutzung  eine  möglichst  weitgehende  sein  solle,  um 
den  Werth  des  Bodens,  das  Vermögen  der  Einwohner 
und  damit  die  Leistungsfähigkeit  der  ganzen  Stadt  für 
ihre  Kulturaufgaben  zu  steigern.  Bei  dieser  Schluss- 
folge scheint  vergessen  zu  sein,  dass  nur  ein  geringer 

98 


der 'Bevölkerung  in  der  Xage  Tsf'  äü^^ 
sem  Wege  zu  bereichern.  Nein,  das  Wohlsein  einer 
Stadt  beruht  nicht  auf  dein  mühelosen- Ersitzen  von 
Gewinn  durch  die  Grundbesitzer  und  Spekulanten  und 
auf  der  entsprechenden- Vergrösserung  des  Steuer- 
kapitals,  wobei  aber  die  meisten  Einwohner  .zusammen- 
gedrängt wohnen  müssen,  sondern  in  möglichst  .ange- 
nehmen und  büligen  Wohnungen  für  alle,  was  .dnrHi 
Niedrighalten  der  Bodenpreise  befördert  wird.  Ist 
doch  auch  durch  den  Vergleich  verschiedener  Städte, 
sowie  der  Zustände  in  ein  und  derselben  Stadt  zu 
verschiedenen  Zeiten  wohl  zu  erkennen,  dass  Dichtig- 
keit des  Wohnens  weder  das  Wohnen  billiger  noch 
die  Gemeinde  reicher  macht.  Vielmehr  ist  gerade 
unter  der  Herrschaft  des  Zusammendrängens  die 
Wohnungsnoth  entstanden.  — 

Prüfen  wir  nun  weiter  die  gesundheitlichen 
Interessen  an  Hand  der  in  dem  vorliegenden  Werke 
niedergelegten  Anschauungen,  so  finden  wir  bei  Rettich 
natürlich  .das  Bestreben,  sein  gedrängtes  Wohnsystem 
zu  vertheidigen.  Er  bestreitet  deshalb  von  vornherein 
die  Wichtigkeit  der  Forderungen  der  Weiträumig- 
keit, welche  von  den  „über  laute  Stimmen  verfügenden 
hygienischen  Autoritäten“ , namentlich  in  dem  Deut- 
schen Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege,  aufge- 
stellt und  in  dem  .Sammelwerk  hauptsächlich  durch 
Knauss  vertreten  sind. 

Von  einzelnen  auffallenden  Behauptungen  Rettich’s 
sei  zuerst  diejenige  angeführt,  dass  es  hauptsächlich 
auf  reichlichen  Luftraum  ini  Inneren  der  Wohnungen 
ankomme,,  und  dass  der  eigentliche  Sinn  von  Weit- 
räumigkeit nur  in  dem  Verhältniss  zwischen  Kopfzahl 
und  dem  Zimmer-Rauminhalt  bestehe.  Gewiss  ist 
Fürsorge  hierfür  zu  wünschen,  woher  soU  aber  gute 
Luft  für  die  Zimmer  bezogen  werden,  woher  der  so 
wichtige  Sonnenschein,  wenn  nicht  ausserhalb  des 
Hauses  .ein  ^grosser  Raum  unbebaut  geblieben  ist? 
Dcti -Segen  reichlicher  -frischer  Luft  jm  ganzen  Bereich 
menschlicher  cBehausungen  schätzt  ebensosehr  das 
natürliche  Gef-uhl , .wie  die  ärztliche  Erfahrung:;  auch 
Rettich  hält  ihn  für  angenehm,  aber  für  den  grössten 
Theil  der  Bevölkerung  für  zu  theuer.  Statt  dessen 
preist  er  die  mittelalterliche  Bauweise,  welche  mit 
vielen  Stockwerken,  schmalen  Gassen  und  engen  Höfen 
ohne  den  „hygienisch  vorgeschriebenen  Neigungswinkel 
des  Lichtes“  doch  im  Sommer  Kühlung,  im  Winter 
Wärme  für  die  Innenräume  geschaffen  habe! 

Ferner  meint  Rettich,  kein  rechter  Hygieniker 
'^könne  das  Wohnen  im  4.  Geschoss  für  schädlicher 
|als  im  Erdgeschoss  ansehen;  er  beachtet  also  nicht 
die  Statistik  der  Sterblichkdt  nach  Stockwerken,  nicht 
die  mit  der  Geschosszahl  wachsende  Entwicklung  und 
Uebertragung  von  Schädlichkeiten,  nicht  den  Entzug 
von  Licht  und  Luft,  welchen  hohe  Häuser  den  gegen- 
überWohnenden  zufügen,  und  rechtfertigt  hohe  Häuser 
einfach  damit,  dass  sie  in  allen  grossen  europäischen 
Städten  üblich  seien!  Man  möchte  bei  solchen  Anschau- 
ungen fragen,  warum  denn  nicht  beliebig  hoch  und 
eng  gebaut  werden  darf,  indem  dies  ja  gesundheitlich 
gleichgiltig  und  wirthschaftlich  vortheilhaft  sein  soll. 

Zu  den  hygienischen  Merkwürdigkeiten  gehört 
auch  noch  eine  Mahnung  Abele’s  an  die  Techniker. 
Nachdem  in  seiner  Schrift  (welche  in  dem  Sammel- 
werk nur  theilweise  abgedruckt  ist)  viele  Ansichten 
über  den  Städtebau,  besonders  aus  dem  Verein  für 
öffentliche  Gesundheitspflege,  zusammengestellt  sind, 
welche  durchweg  weiträumige  Bauweise  fordern,  tadelt 
er,  dass  dabei  die  wirthschaftliche  Seite  zu  kurz  ge- 
kommen sei  und  verficht  gleich  Rettich  eine  starke 
Ausnützung  des  Baulandes.  Aber  auch  bei  engge- 
drängter Bebauung  seien  alle  hygienischen  Unzuträg- 
lichkeiten zu  vermeiden  und  dieselben  Vortheile  'wie 
bei  weiträumiger  zu  erzielen,  d.  h.  es  soll  das  Unmög- 
liche möglich  gemacht  werden.  „Wie  dies  zu  ge- 
schehen hati'das  auszumachen  is-tSache  derTechniker!“ 

Erfreulicherweise  werden  die  geschilderten  An- 
sichten der.Volk-swirthschafter-durch  Knauss  undNuäs- 
baum  als  Hygieniker  berichtigt.  Letzterer  Iiält  aus- 
drücklich eine  gewisse  Weiträumigkeit  nicht  LloS  vöm 

No.  16. 


hygienischen,  sondern  'auch  vom  völkswirthschaft- 
lirhen.  Standpunkt  für  geboten  und  sieht  insbesondere 
ein  Emporschnellen  der  an  sich  schon,  hohen  Boden- 
preise- ini-  Stadterweiterungs  - Gebieb  voraus  , -wenn 
Rettich’s  Vorschläge  daselbst  ein  geführt  würden.  So- 
dann, einpfiehlt.  er,  gleich  Knauss  und  mir,  den  in  der 
Gesundheitslehre  -„normalen“  Lichteinfall  von  45.^  für 
alle: zu  längerem  Aufenthalt  dienenden  Räume  und 
60 " für  untergeordnete  Räume. 

Leider  findet:  sich  aber  in  dem  Gutachten  von 
Nussbaum  ein  gewisses  Schwanken  hinsichtlich  vor- 
stehender Sätze.  Denn  an  einer  anderen  Stelle  giebt 
er  nur  einen  beschränkten  Einfluss  der  Bauvor- 
schriften auf  den  Bodenpreis  zu  und  will  dies  durch  An- 
führung von  Preisen  aus  Hannover  belegen.  Aber  diese 
Preise  sind  aus  Bezirken  von  verschiedener  Lage 


entnommen,  zeigen  also  den  Einfluss  der  Bauordnung 
nicht  rein.  Sodann  hält  Nussbaum  eine  Beschränkung 
des  Lichteinfalles  bei  Kleinwohnungen  für  zulässig, 
um  an  Hofraum  zu  sparen,  und  begründet  dies  damit, 
dass  die  Inhaber  mehr  Werth  auf  reichlichen  Innen- 
raum  zu  legen  pflegen.  Aber  ein  Gesetz  soll  doch 
keine  Rücksicht,  auf  etwa  mangelndes  Verständniss 
nehmen,  sondern  alle  Klassen  gleich  behandeln;  den 
ärmeren  gebührt  eher  eine  stärkere  Fürsorge.  Auch 
sei  angeführt,  dass  Nüssbaum  für  Neubauten  der 
mittleren  Zone  wegen  des  „südlichen  Klimas“  von 
Stuttgart  einen  steileren  Winkel  als  45  für  genügend 
erklärt.  Dies  mag  dem  Norddeutschen  zugute  ge- 
halten werden;  in  anderen  Städten  ist  glücklicherweise 
an  eine  derartige  Spaltung  unseres  Vaterlandes  noch 
nicht  gedacht  worden.  — (Schluss  folgt.) 


Das  Heidelberger  Schloss  in  der  zweiten  badischen  Kammer. 


Dir  müssen  nun  doch  schon  jetzt  noch  einmal  auf 
das  Heidelberger  Schloss  zurückkommen.  In  der 
36.  Sitzung  der  zweiten  badischen  Kammer  vom 
13.  Febr.  befrug  der  Oberbürgermeister  von  Heidelberg, 
Hr.  Abg.  Dr.  Wilekens,  die  Regierung  über  den  augen- 
blicklichen Stand  der  Frage,  ob  die  Wiederherstellungs- 
Arbeiten  am- Schlosse  fortgesetzt  werden-  sollen  oder' nicht, 
und  über  die  Stellung,  welche  die  Regierung  dieser  Frage 
gegenüber. fernerhin  einzunehmen  gedenke.  Mit  leiden- 
schaftsloser, ruhiger  Sachlichkeit  führte  Redner  etwa  aus, 
in  Heidelberg  selber  scheine  die  überwiegende  Ansicht 
dahin  zu  gehen,,  dass  das  Schloss,  wenn  irgend  thunlich 
als  Ruine-  erhalten  werden  sollte.  Sei  doch  das  Bild, 
welches:  dasselbe  als  Ruine  biete.  Vielen  derart  ans  Herz 
gewachsen,  dass  sie  in  jedem  erheblicheren  baulichen 
Eingriff  eine  Schädigung  des  poetischen  Zaubers  erblickten, 
welcher  jetzt  über  diesem  einzigartigen  Bilde  ausgegossen 
sei.;  Die:  Frage,  auf  die  es  ankomme,  sei  aber  doch  wohl 
4re;  ob  eine  Erhaltung  des  Heidelberger  Schlosses 
au-f'  längere  Zeit  hinaus  überhaupt  möglich  sei,, 
wen'n’'rna-n  seinen  ruinenhaften  Zustand  im  Wesentlichen 
unverändert  beibehalte,,  und  es  sei  bedauerlich,  dass'  ge- 
rade- hierüber  die  Meinungen  der  Sachverständigen  aus- 
einander: gingen.  Die  Einen  behaupteten,  gewisse- künsh 
lerisch;  werthvoile  Schlosstheile  und  namentlich  auch  d.:er- 
Otto  Heinrichs-Bau  seien  in  nicht  ferner  Zeit  dem:  Unter- 
gang geweiht,  wenn  man  sich  nicht  dazu  entschliesse,  sie 
wenigstens  im  Aeusseren  -wieder  herzustellen  und-  letzt- 
erwähnten Bau'  mit  einem  schützenden  Dach  zu  versehen. 
Die  Anderen  machten  geltend,  so  weit  gehende  Maass- 
nahmen seien  nicht  erforderlich;;  es  genüge,  wenn  man 
die  Mauerreste  sorgfältig-  unterhalte  und'  vielleicht  nodi- 
im-  Inneren  des  Otto  Heinrichs-Baues  konstruktive  Ver- 
stärkungen anbringe.  Welche  der  beiden  Meinungen 
richtig;  sei,  bedürfe  noch  der  Klarstellung.  Zu  dieser  Klar- 
stellung seien  aber  in  erster  Linie-  die  Techniker 
berufen.  Sie  müssten,  nach  sorgfältiger  und'  gründlicher 
Untersuchung  der  Ruinen  auf  Pflicht  und  Oe.-wissen  sagen,, 
ob'  es  möglich  sei,  insbesondere  den  Otto-  Heinrichs-ßaü 
ohne  grössere  Wiederherstellungs-Arbeiten,  noch  auf  län- 
gere Zeit  zu  erhalten,  oder  ob  dies  nur  geschehen  könne,, 
wenn  man  ihn  restaurire.  Von  dem  Ergebniss  dieser 
Klarstellung  werde  wohl  die  weitere  Behandlung  der 
Heidelberger  Schlossfrage  abhängig  zu  machen  sein.  Red- 
ner schwärme  keineswegs-  für  die  Wiederherstellung,  er 
sei  im  Gegentheil  der  Meinung,  dass  es  vorzuziehen  wäre, 
wenn  starke  bauliche  Eingriffe  in  den  jetzigen  Zustand 
des  Schlosses  vermieden  bleiben  könnten.  Aber  , in, 
erster  Reihe  stehe  für  ihn  die  Erhaltung  des 
Schlosses,  und  wenn  es  richtig  sein  sollte,  dass  einzelne 
besonders  hervorragende  Theile  des  Schlosses  überhaupt 
nur  noch' auf  längere  Zeit  erhalten  werden  könnten,  wenn 
man  sie  wieder  herstelle,  so  sei  ihm  eine  solche. 
Wiederherstellung  immer  noch  lieber,  als  die 
Aussicht,  dass  das  Schloss  in  einem  oder  zwei 
Menschenaltern  zerfalle.  Unter  allen  Umständen 
scheine  ihm  die  grossh.  Regierung  Anerkennung  zu  ver- 
dienen, dass  sie  sich  die  Frage,  wie  dem  weiteren  Ver- 
fall des  Schlosses  Einhalt  zu  thun  sei,  ernstlich  überlege 
und.  dass  sie  auch  vor  grossen  Geldopfern  nicht  zurück- 
schrecke, um  das  Schloss  der  Nachwelt  zu  erhalten.  Es 
sei  gewiss  auch  erfreulich,  dass  sich  weite  Kreise  des 
deutschen  Volkes  für  das  Heidelberger  Schloss  so  lebhaft 
interessirten,  wie  dies  in  den  letzten-  Monaten  in  zahl- 
reichen Kundgebungen  zutage  getreten  sei.  Aber  es- 
komme  hier- eine  Frage  rnbetracht,  die  keines- 
falls vom  Gefühlsstandpunkt  allein  aus  erledigt 

22.-  Februar  1902. 


werden  könne,  die  vielmehr  zugleich  eine  gründ- 
liche sachliche  Prüfung  in  der  Richtung  erfor- 
dere, ob  man  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  kom- 
menden Zeiten  und  auf  die  späteren  Geschlechter 
die  Pflicht  habe,  nöthigenfalls  auch  durch  Re- 
staurirung  des  einen  oder  anderen  Bautheils  zu 
verhindern,  dass  in  absehbare*r  Zeit  das  alte 
Pfalzgrafenschloss  und  mit  ihm  eines  der  gross- 
artigsten Baudenkmale  der  Welt  zugrunde' gehe. 

Auf  diese  Anfrage  antwortete  Hr.  Finanzminister  Dr. 
ßuehenberger  mit  einer  längeren  Ausführung,  welche 
sich  ebenso  sehr  durch  staatsmännische  Gewandheit,  wie 
durch  gründliche  Sachkenntniss  und  zielbewusste  Festig- 
keit auszeichnete  und  in  der  Oeffentlichkeit  den  beruhi- 
genden Eindruck  hervorrufen  dürfte,  dass  die  Angelegen- 
heit des  Heidelberger  Schlosses,  der  Leidenschaftlichkeit 
entkleidet,  nunmehr  wieder  auf  den’ Boden  jener  ruhigen 
Erwägung  gestellt  ist,  welche  in  der  Sorge  um  die  Erhal- 
tung, eines  so  kostbaren  idealen  Kunstbesitzes  in  dieser 
oder  jener  Form  begründet  ist.  Den  Ausführungen  ent- 
nehmen -wir  in  der  Hauptsache  das  Folgende: 

„Die  Heidelberger  Schlossfrage  hat  sich  zu  einer  Art , 
cau-se  cölöbre  ausgewachsen,  die  nicht  bloss  in  Baden, 
sondern  in  ganz'  Deutschland  lebhafte  Bewegung  und  Er- 
regung verursacht  hat.  Ist  es  doch  wieder  klar  geworden, 
welches  Kleinod  wir  in  dem  Schlosse  besitzen  und  wie 
naehhaltend  und  tiefgehend  der  Eindruck  ist,  welchen 
man  von'-  dem  Schlosse  empfängt.  Die  zahlreichen  Er- 
örterungen in  der  Presse  und  in  Versammlungen  sind  für 
das  Finanzministerium  werthvolle  Anregungen  gewesen, 
sie  wären-  es  y-ielleicht  noch  mehr  gewesen,  wenn  sich 
diese  Betrachtungen  auf  dem  Boden  reiner  Sachlichkeit 
bewegt  hätten,  was  nicht  immer  der  Fall  gewesen  ist. 
Ich  muss  übrigens  anerkennen,  dass  nach  der  letzten 
Heidelberger  Konferenz  auch  die  Erörterung  in  der  Oeffent- 
lichkeit eine  viel  ruhigere,,  sachlichere  geworden  ist.  Wenn 
nun  gefragt  wird,  wie  ist  die  Stellung  der  Regierung,  so 
ist.  die  Antwort,  ziemlich  einfach  und  klar.  Wir  erstreben 
grundsätzlich-  keine  Wiederherstellung  des  Heidelberger 
Schlosses,  weder  im  Ganzen  noch  in  seinen  einzelnen 
Theilen  um  des'  Zweckes  der  Restaurirung  selber  willen. 
Wir  fühlen  uns  von  jenem  Restaurations-Fanatismus  völlig 
frei;  wir  woilen.  durchaus  nicht,  wie  es  unterstellt  worden 
ist,  gewissermaassen  das  Heidelberger  Schloss  oder  ein- 
zelne Theile  desselben  zerstören,  ohne  zwingenden  Grund 
Altes  beseitigen,  Neues  an  dessen  Stelle  zu  setzen.  Wir 
haben  im  Finanzrnmisterium  niemals  anders  als  mit 
der  Möglichkeit  der  Erhaltung  des  Schlosses  diese 
Frage  erörtert  und  nur  unter  diesem  Gesichtspunkte  ist  auch 
die  Einberufung  der  letzten  Heidelberger  Konferenz  im  Okt. 
1-901  zu  verstehen.  Neben  dieser  Konferenz  hat  in  den 
letzten  Monaten  eine  gewisse  Aufmerksamkeit  erregt  eine 
Umfrage,  die  ein  Kunstgelehrter  von  Dresden  veranstaltet 
hat,  indem  er  Fragebogen  versandte.  Wenn  aber  darin  die 
Frage  so  gestellt  ist,  ob  die  Erhaltung  des  Otto  Heinrichs- 
Baues  als  Ruine  einerWiederherstellung  vorzuziehen  sei,  so 
scheint  mir  die  Fragestellung  keine  besonders  glückliche  ge- 
wesen zu  sein,  wenn  diese  Frage  anders  mit  Ja  beantwortet 
worden  wäre.  Wir  hätten  .sie  selbst  jedenfalls  im  Sinne 
der  Fragestellung  mit  Ja  beantwortet.  Die  Entscheidung 
in  der  ganzen  Frage:  ^.der  Hr.  Abgeordnete  Dr.  Wilekens 
hat  das  klar  und  präzise  zum  Ausdruck  gebracht  — ist 
doch  nicht  die,  ob:  wir  den  Otto  Heinrichs-Bau  als  Ruine 
erhalten  wollen  oder  nicht,. nein,  es  ist  die,  ob  wir  diese 
Ruine  erhalten  können  oder,  nicht.  Die  Entscheidung 
also.,  wenn  die  uns  bekannten  modernen  Mittel  der  Technik 


99 


sich  nicht  als  ausreichend  erweisen,  dieses  kostbare  Besitz- 
thum auf  spätere  Generationen  zu  überantworten,  würde 
sein,  falls  die  Konservirungsmittel  also  nach  der  einen  oder 
anderen  Richtung  hin  versagen  sollten,  ob  nicht  doch  eine 
gewisse  moralische  Verpflichtung  des  Landes  vorliege, 
auch  zu  durchgreifenderen  Wiederherstellungs-Arbeiten 
insbesondere  am  Otto  Heinrichs-Bau  zu  schreiten,  wenn 
anders  nur  auf  diesem  Wege  das  Ziel:  die  Erhaltung 
des  Heidelberger  Schlosses  mit  allen  künstle- 
rischen Reizen  und  Schönheiten  verwirklicht  wer- 
den kann.  Nun  giebt  es  eine  Richtung  unserer  heutigen 
Kunstgelehrten , welche  die  möglichst  lange  Erhaltung 


vor  uns,  dass  der  Otto  Heinrichs-Bau  als  unorganischer 
Bau  vor  uns  steht.  Und  nun  ist  es  nach  den  modernen 
künstlerischen  Auffassungen  Pflicht,  ihn  in  diesem  Zustande 
zu  erhalten  und  jede  Aenderung  im  Sinne  jener  Anschauung 
als  einen  Fehler  zu  betrachten.  Wieder  andere  Kunst- 
gelehrte  lehnen,  indem  sie  sich  von  gewissen  historischen 
Ansichten  leiten  lassen,  jede  Aenderung  eines  auf  uns 
überkommenen  Architekturbildes  ab,  weil  sie  es  immer 
so  sehen  wol'en,  wie  sie  es  gewöhnt  sind.  Diesem  indi- 
viduellen ästhetischen  Schönheits-Standpunkt,  der  gar 
nichts  darnach  frägt,  ob  die,  die  nach  uns  kom- 
men, nicht  auch  ein  Anrecht  darauf  besitzen, 


Abbildg.  r*  Vorschlag^von  Ganz  & Cie.  ffli  den  Wagen  einer  elektrischen  Schnellbahn  Wien— Budapest  189*. 


von  Ruinen  und 
Baudenkmälern 
der  Vergangen- 
heit. die  in  rui- 
nenhaftem  Zu- 
stande auf  uns 
überkommen 
sind,  gar  nicht 
als  das  eigent- 
liche Ziel  und 
die  Aufgabe  der 
Denkmalspflege 
ansieht.  Diese 
ziemlich  moder- 
neRichtungfusst 
auf  demeigenar- 
tigenStandpunk- 
te,  dass,  weil  wir 
im  Leben  diese 
ruinenhaften 
Bauwerke  nicht 
selbstgeschaffen 
haben,  wir  auch 
nicht  das  Recht 
besitzen,  sie  in 
einen  anderen 
Zustand  zu  ver- 
setzen, als  in 
den,  in  welchem 
sie  zufällig  auf 
uns  gekommen 
sind;  dass  man 
nur  durch  kleine, 
unauffällige  Er- 
haltungs  - Mittel 
den  unvermeid- 
lichen Verfall- 
prozess etwas 
hintan  halten 
und  im  übrigen 
mit  Fatalismus 
diesen  Verfall- 
prozess eben  hinnehmen  müsse.  Die  eigenthümliche 
Folge  dieser  Anschauung  ist,  dass  wenn  der  Otto  Hein- 
richs-Bau gleich  seinem  Bruder,  dem  Friedrichsbau,  den 
Stürmen  des  dreissigjährigen  Krieges,  der  Katastrophe 
von  1689  entgangen  wäre,  er  in  der  ursprünglichen  Ge- 
stalt vor  uns  stände,  es  nach  dieser  Auffassung  heilige  „ , “ j j-  c-  u 

Pflicht  wäre,  die  Bauten  in  dieser  Gestalt  thunlichst  lange  kommt  nicht  mbetracht"  — war  anscheinend  die  bache 


Abbildg.  2. 


Elektrische  Lokomotive  von  Siemens  & Halske  für  die  Versuchsstrecke  bei 
Gross-Lichterfelde  1899. 

Elektrische  Schnell-  und  Vollbahnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als  Antrieb. 


sich  an'einem 
Kunstwerk  zu 
erfreuen. kann 
ich  nicht  unter 
allenUmständen 
beitreten.  Man 
muss  nicht  nur 
die  Gegenwart 
befriedigen, son- 
dern auch  mit 
denen  rechnen, 
die  nach  uns 
kommen.  Wenn 
eineAnzahlWie- 
derherstellun- 
gen  in  Deutsch- 
land und  ander- 
wärts misslun- 
gen sind,  so  darf 
man  nicht  alle 
als  Unsinn  be- 
zeichnen. Wir 
haben  darauf  um 
so  weniger  ein 
Anrecht,  als  wir 
über  tüchtige 
Kräfteverfügen. 
Das  grosse 
Ziel,  das  uns 
in  dieser  Fra- 
ge immer  vor 
Augen  schwe- 
ben sollte,  ist, 
dass  dieses 
uns  aus  der 
Vergangen- 
heit überant- 
wortete Be- 
sitzthum mög- 
lichst lange 
auch  den 
späteren  Ge- 
schlechtern erhalten  bleibe.  Nun  ist  richtig,  dass 
in  der  ersten  Heidelberger  Konferenz  von  1891  die 
Frage,  ob  das  Schloss  mit  wenigen  Mitteln  dauernd  zu 
erhalten  sei,  mit  glattem  Ja  beantwortet  worden  ist,  und 
indem  diese  Konferenz  einfach  dekretirte:  „Eine  vollstän- 
dige oder  theilweise  Wiederherstellung  des  Schlosses 


zu  erhalten.  Manche  würden  dann  vielleicht  finden, 
dass  der  Otto  Heinrichs  - Bau  gerade  in  dieser  Gestalt 
sich  dem  Bilde  des  Schlosses,  wie  es  verschiedene 
Architekten  gehabt,  anreiht.  Weil  aber  nach  1764  sich 
Niemand  mehr  um  das  Schloss  kümmerte,  weil  das  Inter- 
esse an  ihm  vollständig  erlahmte,  es  seinem  Schicksal 
überlassen  blieb,  man  kann  sagen  ein  anarchistischer  Zu- 
stand eintrat.  Jeder  wegschleppte  was  ihm  beliebte,  weil 
infolge  dieser  sorglosen  Wirthschaft  immer  weitere  Theile 
des  Baues  eingestürzt  sind,  haben  wir  nun  den  Zustand 


ein  für  allemal  erledigt.  Für  solche,  die  dem  Gegenstand 
ferner  stehen,  gewiss;  für  solchcj  die  schwierige  Dinge 
gern  nach  Bequemlichkeits-Rücksichten  behandeln,  viel- 
leicht auch;  für  die  grossherzogliche  Regierung  und  auch 
für  mich  war  sie  es  nicht.  Ich  will  den  Theilnehmern 
der  damaligen  Konferenz,  die  illustre  Namen  in  sich  ver- 
einigte, in  keiner  W'eise  zu  nahe  treten;  sie  alle  haben 
ihrer  besten  Ueberzeugung  Ausdruck  gegeben.  Aber  das 
darf  doch  nicht  hindern,  auch  an  die  Berathungen  und 
Beschlüsse  solcher  Persönlichkeiten  kritisch  heranzutreten. 


100 


No.  16. 


Nun  war  es  mir  seltsam  von  Anfang  ab  und  es  ist  es  mir  punkt,  in  dem  die  Techniker  des  Schlossbau-Büreaus,  die 
noch  heute,  dass  in  demselben  Zeitpunkt,  in  dem  das  wohl  den  gründlichsten  Einblick  in  alle  Theile  des  Schlosses 
Schlossbau-Büreau  eine  achtjährige  mühevolle  und  mit  genommen  und  aufgrund  ihrer  langjährigen  Beobachtungen 


Abbildg.  4.  Der  Reinsburghügel  im  jetzigen  Zustande. 


Die  Stuttgarter  Stadterweiterung.  Abbildg.  5.  Der  ReinsburghOgel  mit  architektonischer  Bekrönung. 


grossem  Verständniss  betriebene  Arbeit  hinter  sich  und  für  ein2elne  Schlosstheile  durchgreifendere  Herstellungs- 
die  Ergebnisse  dieser  Arbeit  in  einem  grossen,  monumen-  Arbeiten  befürwortet,  ja  bis  &\5  theilweise  oder  völlige 
talen  Werk  niedergelegt  hatte;  dass  in  demselben  Zeit*  Restaurining  abzielende  Vorschläge  gemacht  und  sie  ein* 

22.  Februar  1902. 


lOI 


gehend  begründet  hätten  — dass  in  'die's'em  selben  :;Zeif-- 
punkt  die- Konferenz  von'iS’pi  auf  den  genau ' entgegen- ' 
gesetzten  Standpunkt  sich  stellte 'und  jede,:  auch.  :die 
kleinste  Wiederherstellungs-Nothwendigkeit  verneinte;  ja, 
dass,  wenn  ich  von  einigen  allgemeinen  anerkennenden 
Worten  absehe,  die  den  Arbeiten,  des  Schlossbau-Büreaus 
gezollt  wurden,  auf  diese  technischen  Vorarbeiten  auf  der 
Konferenz  von  1891  überhaupt  kritisch,  zustimmend  oder  sie 
verwerfend,  nahezu  mit  keinem  Worte  eingegangen  wurde. 
Da  musste  sich  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  die  damaligen 
Theilnehmer  der  Konferenz  auch  inbezug  auf  andere  Dinge 
Beschlüsse  gefasst  haben,  die  von  falschen  Voraussetzungen 
ausgingen.  Es  hat  sich  beim  Friedrichsbau  gezeigt,  dass 
die  Fassade  in  einem  viel  fortgeschritteneren  Zustand  der 
Verwitterung  war,  als  nach  Annahme  des  Schlossbau- 
Büreaus  es  der  Fall  sein  sollte.  Schon  1894  stand  daher  bei, 
mir  fest,  dass  die  Berathungen  und  Beschlüsse  dieser  Kon- 
ferenz von  189  t unbedingt  einer  Durchsicht  unterzogen  und 
die  ganze  Frage  nochmals  der  Erwägung  ausgesetzt  wer- 
den. müsse,  ob,  es,  möglich  sei,  mit  einfachen.  Mitteln,  na- 
mentlich den  Otto  Heinrichs-Bau  zu  erhalten.  So-  sind, 
wir  zu  der  zweiten  Konferenz,  von  igor  gekommen.  Dass 
unsere,  Zweifel  bezüglich  der  ersten- Konferenz  nicht  ganz 
unbegründet  waren-,  den  Eindruck  werden  auch  Sie  be- 
kommen haben.  Es  . ist  von  solchen  Technikern,  die.  auf, 
dem*  Sebiete  der  Wiederherstellungen  lange-  Erfahrungen 
haben,,  mit  einer  Bestimmtheit,  die.  an,  Deutlichkeit  nichts 
zm  wünschen-  übrig  lasst^  hervo.rg.ehoben  und.  betont  wor- 
den, dass' insbesondere  die  freistehende:  Mauer  des.  Otto- 
Heinrichs-Baues-  mit  einfachen.  Mitteln  nicht  zu-,  halten  sei 
und  dass,  leicht  eine  Katastrophe  -emtreten  könne.,-  Es.  ist 
dfem-  entgegengelreten-  worden.  Aber  sind,  damit  die  Be-, 
sorgnisse- der  ersteren  Techniker  beseitigt,  worden?  Wir 
sind:  deshalb;  als:  getreue  Verwalterin-  des  auf  uns,  über- 
kommenen kostbaren  Vermächtnisses  verpflichtet,,  weitere., 
Untersuchungen  anznstellen  und  das  Fmanzministerium- 
wird-  es  sich  angelegen  sein  lassen,  diese  Unteisuchungen 
in  die  Wege  zu,  leiten.  Bei  der  ganzen  Angelegenheit 
spielt . die  ßedachungsfrage  eine-  sehr  wesentliche-  Rolle- 
und,  ich'  möchte  Sie:  bitten,  mbezug'  auf  diese  Frage  sich, 
nicht  ohne  Weiteres  dadurch  beirren  zn  lassen,  dass  ein- 
zelne- Techniker  die  Bedachung  ajs.  etwas  ganz  TJ.eb:er- 
flQssiges  erklärten.  Was  mich  besonders  schwankend 
gemacht  hat,  ist  der  Umstand,  dass  der  hervorragende 
Techniker  Gabriel  von  Seidl  in  München  die  ßedachnngs- 
frage  als  eine  äusserst  diskutable  bezeichnet,  die  Anbrin- 
gung des  Daches  also  anerkannt  hat.  Seidl  stand  im 
übrigen  auf  dem  Boden  der  Heidelberger  Konferenz  von 
1891.  Die  Dachfrage  müsse  so  dezent  als  möglich  gelöst 
werden,  es  müsse  ein  Glasdach  sein,  die  Fassade  dürfe 
in  keiner  Weise  eine  Aenderung  erfahren.  Wie  wird  ein 
solches  Dach  wirken?  Sobald  Sie  den  Otto  Heinrichs-Bau 
bedachen,  wird  der  Hauptreiz,  derjenige  Reiz,  den  die 
Besucher  am  meisten  geschätzt  haben,  verschwunden,  sein. 
Die  Bläue  des  Himmels  wird  nicht  mehr  hereinschauen, 
das  Mondlicht  wird  seinen  Glanz  nicht  mehr  darüber  aus- 
giessen, das  Poetische  wird  verschwinden.  Und  da  wirft 
sich  die  Frage  aui:.  wenn  wir  überhaupt  möglicherweise 
mit  einer  Bedachung  des  Otto  Heinrichs-Baues  rechnen 
müssen,,  ist  es  da  nicht  mmdestens  der  Erwagung.wurd^, 
statt'  uns  mit  einem  flachen  Dach  zu  begnügen,,  wenn  wir. 
überhaupt  auf  eine  Menge  rornnntischer  Reize  verzichten. 
müssen,.  an  deren  Steile  ein.  Aequi-valent.  zu-  schaffen 
in. Form: starkwirkender  arGhitek.ton.i'SGher  Reiz:e, 
d'arnit.  der  Otto  Heinrichs-B.au  seiue  u-rsprUn:g- 
]i;che;  Gestalt,  wied ererhalt-,  dem-  Sehlosshof;,  au 
jenerS teile  jen.euimposa;nten-archite-kt.o.Bd,sch  m:a- 
lerischen.  Eindruck  wtederzugeb.-en-,  d.eE.his-  z.um 
Brandebest-an.deB-  hat?  NunfWird  auch; der.  Gedanken- 
gang  verstandliGhsemj;au&demhGr.ausdasFmai3:z-m-kiisterium-. 
sich  entsc'hlosseu hat,.  Pläne:  für eme'Wffiderhersteliung-  des. 
gläsernen  Saaibaues.ausai beiten  zu. lassen.,  "Was^ Ob.-Brth. 
Prof Schäfer  angefertigt- hat,  sind-die.  erstem  künstlerischen; 
Versuche;:  als,  etwas’ Anderes  hat  ersieiuseiner  Einfachs- 
heit  nicht,  bezeichnet.  Er  selbst,  ist  weit  entfernt  davon,, 
seine  Plane  als.  spruchreif  anzusehen.  Ich.  möchte  der. 
Meinung- entgegentreten;,  als.  oh  dieser  Techniker  sich  ge- 
■wissermaassen;  herangedrängt  habe,  das  ist  nicht  der  Fall., 
Er  hat  weder  schrittlich-  noch  mündlich  eine  Anregung 
gegeben,  er. hat  nur  ein,em  Aufträge  des  Ministeriums  ent- 
spro-chen.-  Wenn  man  überhaupt  än,  Wiederherstellungs- 
Arbeiten;  grösseren.  Stiles  am  Otto,  Heinrichs -Bau  denkt, 
kann,;  man.  sehr  wohl  auch  andere  Lösungsversuche  zur 
Erörterung  stellen.  Ob.-Brth.  Schäfer  hat  sich  zunächst 
für  eine  Wiederherstellung  nach  den  Merian’schen  Stichen, 
also  mit  den  steilen  Doppelgiebeln,  entschieden  und  hier- 
bei eine  von  dem  Arch.  Seitz,  Heidelberg,  seinerzeit  ge- 
fertigte Entwurfsskizze  zugrunde  gelegt.  Ob.-ßa-udir.  Durm 
ist-von  jeher  für  eine  Wiederherstellung  nach  den  Krauss’- 


scheü-S'fichen:,'  d.  «h  .für  ein  steiles:  Dach  niit  der  Firsh.: 
r-ichtuftg- voii' No'rden- nach  Süden  und  mit  zwei  Zwerch- 

häusern.vdsvor  emgeireten Wieder  Andere  befürworien- 

eine._  Wiederherstellung  mit  wagrechtem  Abschluss,,  also 
im  Sinne  der  Formensprache  der  italienischen  Renaissance. 

Die  letzte  Heidelberger  Konferenz  hat  mit  einem  Non 
liquet  geendet,,  also  abschliessende  Ergebnisse  nicht  ge- 
zeitigt. Für  das  Finanzministerium  ist  demnach  die  Frage 
nicht  spruchreif,  am  allerwenigsten  für  die  Regierung  in 
ihrer  Gesammtheit;  sie  kann  es  schon  aus  den  vorher  an- 
gegebenen Gründen  nicht  sein,  weil  ein  endgiltiger  spruch- 
reifer Entwurf  für  die  Wiederherstellung  des  Otto  Hein- 
richs-Baues noch  garnicht  vorliegt.  Eine  Ueberrnmpelung 
in  dieser  Frage  hat  die  Volksvertretung  nicht  zu  besorgen;, 
wenn  irgend  eine  Frage,  verdient  es  die  Heidelberger- 
Schlossfrage,  dass  sie  mit  aller  Ruhe,  Gründlichkeit,  Ge- 
wissenhaftigkeit geprüft  und  für  eine  Entscheidung  allmählich 
reif  werde.  Stadt  und  Schlossverein  Heidelberg  haben 
eine  besondere,  sachverständige  Untersuchung  des  Otto 
Heinrichs-Bäues,  auf  seine  Standfestigkeit  angeregt;,  diese 
Anregung,  entspricht  dem,  was  unmittelbar  nach  der  letz- 
ten Heidelberger  Eo.nferenz  von  uns  selbst  bereits  in 
sichere  Aussicht  genommen  worden  war.  Das.  Ministerium 
hat  selbstredend  nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  Stadt 
und  S.chlossverein  auch  ihrerseits  besondere  Sachverstän- 
dige. für  die;  von  uns  in  Aussicht  genommene  technische 
Untersuchung  des  Otto  Heinrichs-Baues  Vorschlägen.  E i ne- 
eingehende,  Untersuchung  des  Baues  vom  Gerüst 
aus  wird  nicht  zu.  .umgehen  sein.  Ueber  eine  Anzahl. 
Fragenj  die  diese  Sachverständigen  zu  beantworten  haben,, 
wird  man  sich  schlüssig  zu  machen  haben;  die  Frage  nach 
'der  Nöthwendigkeit  oder  Entbehrlichkeit  einer  Bedachung- 
des... (Dito  Heinrichs -Baues  wird  die  nicht  am  wenigsten,' 
wichtige  _ Frage  sein.  Nebenher  können  vielleicht  dann 
- .noch  weitere.  Studien  laufen;,  insbesondere  wird  die  An- 
fenigung  von.  Modellen  über  die  etwa  für  eine  Wieder- 
herstellung in  Aussicht  zu  nehmenden  Theile  des  Schlosses,, 
ferner_  die  Herstellung,  malerischer  Ansichten  des  Schloss- 
hofes-  im  jetzigen  und  in  dem.  etwa  in  Aussicht  zu  nehmen- 
den künftigen  Zustand-,  womit  bereits  der  Anfang  gemacht' 
is^  i'nfrage  kommen.. 

Auf  dem'  Boden  rein  theoretischer  akademischer  Be- 
, trachtungen  über,  allgemeinen  Werth  oder  Unwerth  von 
Wiederherstellüngen,  bei  denen  niemals  etwas  heraus- 
koramen  kann,  weil  Freunde  und  Gegner  an  ihren  einmal 
gefassten  Ueberzeugungen  festzuhalten  pflegen,  werden 
wir  ' — das  ist  mir  im  Laufe  der  letzten  Konferenz  schon 
klar  geworden  — keinen  Schritt  weiier  rücken;  wir  müssen 
praktischere  Wege  einschlagen  und  vor  allem  jetzt  der 
Technik  in  erster  Reihe  das  Wort  lassen  darüber, 
ob  die  Ruine,  so  wie  sie  ist,  gehalten,  oder  ob  sie 
nicht  gehalten  werden  kann.  Kann  sie  nach  dem 
Unheil  hervorragender  Techniker,  aufgrund  vorgenomme- 
ner eingehendster  Prüfung  der  Ruine  des  Otto  Heinrichs- 
Baues  in-  allen  Theilen,  mit  ästhetisch  vertretbaren. 
Mittelm  erhalten  werden,  so  wird^  die  Frage  im  Sinne 
der  Erhaltung  des  jetzigen  Zustandes  entschieden  sein,,, 
und-Regierung  und  Volksvertretung  werden,  sich  dann  der 
Verantwortung  für  mögliche  Ereignisse  der  Zukunft,  für- 
enthoben erachten  dürfen.  Kann,  aber  nach  den  zu  er- 
. hebeirden:  Gutachten-  die-  freistehende  Wand-  des  Ottö' 
HeinriehsrBaues  nicht  gehalten  werden,.,  so  wird  man;  auch, 
vor  einer  ein-  und  durchgreifenden  Wiederherstellung.: 
nicht-  zurucksehrecken;  d'iirfem 

In  z.wet  Jahren  hoffe  ich;,  dass  wir'  auf  diesem';  praJc- 
tisc'hen  Wege  in; unseren  Einsichten  und  ürtheilen  etwas  ! 
-wreiter  sind,  als  heute:  und  dass'  wir  vielleicht  in.  d'er'  er-'^ 
fceuhchen.Lage  uns- befinden,  mit  greilbaren- Vorschlägen' 
an  die  Volksvertretuhg  heränzuteeten-,  von-  der  ich  zu;  wissen; 
glaube,,  dass  sie  die;  Heidelberger  Schlbssfrage  mit  dem-, 
s,elben  warmen  Inteiiesse;,  wie:  seither;  so  auch  in  Zukunft! 
behandeln  und,  dass.  sie;,  allen  Vorschlägen,,  welche-  die 
dauernde  Erhaltung;  des'  Heidelberger' Schlosses  mit  odeir 
ohne-;  Wiederherstellung;  bez-wecken,  volles  Verständnis.s; 
enigegenbringen  wird.“  — (Lebhaftes- Bravo!!),. 

Der  Eindruck  der  vorstehenden  Ausführungen  ist.  ein;, 
ausgezeichneter;:  die:  ruhige, würdige,  feste,  undunbefangene;' 
Art,j  in,  welcher  die  so^  bedeutungsvolle  Angelegenheit  in>' 
d_er  badischen  Känimer  behandelt  wurde,,  berührt  imge--; 
mein  sympaihisch  und  hebt  sich  in,  erfreulicher 'Weise:  ab;’ 
von  der  hart  an:  den  Charakter  politischer.  Wahlbewegungen: 
streifenden  Bewegung,,  wie.  sie  vielfach-  aus  ursprünglich; 
rein  sachhchen  Erörterungen  in  der  Tagespresse  heraus- 
gewachsen war. 

Wir  wollen  nun  der  einzusetzenden  besonderen  Kom- 
mission nicht  vorgreifen,  aber  wenn  es  sich  nicht  ermög-^ 
liehen  lassen  sollte^  den  Ueberresten  des  Heidelberger 
Schlosses  mit  kleinen  Mitteln  die  Erhaltung  zu  gewährleisten,’ 

No.  16. 


102 


welche  den  Gegenständen  unserer  Museums-Sammlungen 
zutheil  wird  — und  wir  halten  dies  für  unmöglich  — so 
wird  man  sich,  wenn  auch  schweren  Herzens;  doch  dazu 
emschliessen  müssen,  die  heute  schon  leider  längst'nicht 
mehr  in  dem  früheren  Umfange  vorhandenen  landschaft- 
lichen und  romantischen  Reize  des  Schlosses  einzutauschen 
gegen  das  reichere  künstlerische  Bild,  welches  das  Schloss 
nach  seinem  Ausbau  durch  einen  hervorragenden  Meister 
gewähren  wird,  der  seinem  verantwortungsvollen  Werke 
mit  reiner  Ueberzeugung  und  mit  künstlerischer  Selbst- 
losigkeit im  Herzen  zugethan  ist  und  welcher  in  stiller,  ge- 
sammelter Thätigkeit,  abseits  von  der  Unruhe  des  öffent- 
lichen Treibens,  seine  Kunst  wie  sein  eigenes  Leben 
empfindet  und  deutsche  Art  in  edelster  Weise  in  seinem 
Werke  wiederspiegeln  lassen  kann. 

Soweit  wir,  zu  sehen  vermochten,  hat  noch  Niemand 


daran  Anstoss  genoniraehi  .dass  .2.  B.  das  Ulraef' Munster 
nach  seinem  Ausbau  in  reicherer,  mit  'dem  Herzblute 
eines  selbstlosen  Meisters  geschaffener  Gestalt  das  Stadtbild 
und  die  Landschaft  ziert  und  wenn  wir  unbefangen  zu  wählen 
/haben,  so  wiegt  für  uns  das  künstlerische  Seelenbekenht- 
-niss  eines  Meisters  immer  -noch  schwerer,  wie  die  kunst- 
wissenschaftliche Doktrm  und  sei  sie  die  scharfsinnigste. 
Wer  es  heute  unternehmen  wollte,  dem  Untergange  kostbarer 
Ueberreste  einer  grossen  Zeit  fatalistisch  zuzusehen,  um 
„neuere  Anschauungen“  durchdringen  zu  lassen,  der  würde 
eine  schwere  Verantwortung  gegen  das  unbestreitbare  Recht 
.künftiger  Generationen  an  dem  überkommenen  Kunstbe- 
sitz .auf  sich  nehmen.  Diesen  springenden  Punkt  blos- 
gelegt  und  die  Angelegenheit  wieder  auf  ihren  eigent- 
. Sehen  Kernpunkt  zurückgeführt  zu  haben,  das  ist  das 
grosse  Verdienst  .des  badischen  Finanzministers.  — 

. ■ • . ._H,—  • 


Elektrische  Schnell-  und  Vollbahnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als  Antrieb. 

Von  Gustav  Schimpff. 

(Hierzu  die  .Abbildungen  auf  Seite  97  und  100.) 


Bine  der  grossen  technischen  Fragen,  die  heute  im 
Vordergrund  des  öffentlichen  Interesses  stehen,  ist 
die  der  Beschleunigung  der  Personen-Beförderung. 
Durch  die  Unmöglichkeit,  die  Geschwindigkeit  der  Dampf- 
Lokomotive  unter  Wahrung  der  Wirthschaftlichkeit  wesent- 
lich zu  steigern,  ist  sie  ..auf  das  Innigste  mit  der  Frage  - 
der  Zugförderung  auf  weite  Entfernungen  mittels  elektri- 
scher Energie  verquickt  worden.  Es  soll  im  Folgenden 
versucht  werden,  was  auf  diesem  Gebiete -in  jüngster  Zeit 
geleistet  worden  ist,  übersichtlich  zusammen  zu  fassen, 
wobei,  der  Haupttheil  der  Berichterstattung  sich  mit  den  . 
.Versuchen  der  „Studiengesellschaft  für  elektrische  Schnell- 
bahnen“ beschäftigen  wird. 

Den  ersten  technisch  durchdachten  Versuch,  die  Frage 
der  -schnellen  Personen-Beförderung  -mittels  elektrischer 
Energie  zu  lösen,  machte  die  Firma  Ganz,&  Cie.  in  ßuda-  • 
- pest,  indem  sie  im  Jahre  i8oi;  anlässlich'  elektrotech- 
nis.chen  Ausstellung  in  Frankfurt  a.  M.  -einen  Entwurf  für 
eine  elektrische  Schnellbahn  zwischen  Wien  und  -Buda- 
pest'veröffentlichte,  auf  , welcher  die  260-^“  betragende 
Entfernung  in  etwa  i Stunde  zurückgelegt  werden/sollte. 
Es  war  dies  ein  kühner  Gedanke  in  einer  Zeit,  zu  welcher 
. die  Entwicklung  des  elektr.  Strassenbahnwesens  in  Deutsch- 
land kaum  begonnen  hatte,  und  zu  welcher  die  Möglichkeit 
der  Kraftübertragung  auf  weite  Entfernungen  eben  erst 
durch  das  Beispiel  Lauffen-Frankfurt  gezeigt  worden  war. 

Der  vorgeschiagene  Wagen,  Abbildg.  i,  hatte  eine  an 
den  Enden  zugespitzte  Form,  um  den  Luftwiderstand  mög- 
. liehst  zu  verringern;  bei  einer  Gesammtlänge  von  45® 
sollte  er  auf  2 zweiachsigen  Drehgestellen  mit  einem  Mittel- 
abstand  von  28  einem  Achsstand  von  4800  und  Rad- 
durchmessern von  2100  ruhen^  Der  Wagenkasten 
musste  wegen  der  grossen  Länge  mit  fachwerkartigen 
tragenden  Wänden  ausgebildet  werden.  Die  Endabtheile 
ausserhalb  der  Drehgestelle  sollten  als  Führerslände  Ver- 
wendung finden,  während  zwischen  den . Drehgestellen 
ein  mittlerer  Raum  von  19  Länge  (bei  2,15  äusserer 
Breite)  für  40  Reisende  Platz  bot.  Entsprechend  einer 
Fahrgeschwindigkeit  von  200— 250  km  war  der  Luftwider- 
stand auf  250  P.  S.,  der  gesammte  von  den  4 Motoren  zu 
leistende  Kraftbedarf  auf  800  P.  S.  geschätzt  worden.  Die 
Motoren  sollten  die  Achse  unmittelbar  - antreiben.-.  Als 
Stromabnehmer  waren  je  zwei  besondere  .Räder  gedacht, 
welche  auf  zwei  innenliegenden  'Strpmleitungs-Schienen 
laufen  sollten.  Das  Gewicht  des  vollbesetzten  Wagens 
wurde  — sehr  niedrig  — auf  80  t geschätzt.  Die  Spur- 
weite war  die  normale;  als  Oberbau  waren  Schienen  von 
50  kg  mit  Gusstahlstühlen  und  eisernen  Querschwellen  vor- 
gesehen;'die  Querschwellen  sollten  iiuf  einem  durchgehen 
den  Betonkörper  ruhen,  der  im  Aufträge  bis  auf  den  ge- 
wachsenen Boden  herunterzuführen  wäre.  Zur  Vermei- 
dung von  Entgleisungen  sollten  die  Treibräder  äussere 
und  innere  Flansche  erhalten.  Die  Stromvertheilung  war 
mittels  Wechselstromes  von  loooo  Volt  Sp.  gedacht,  die 
in  Spannungswandler-  (Transformatoren-)  Unterstationen 
auf  die  für  den  Betrieb  verwendbare  Höhe  umgeformt 
werden  sollte. 

Wenn  dieser  Entwurf,  der  s.  Z.  ein  grosses  und  be- 
rechtigtes Aufsehen  verursachte,  bezüglich  der  Oberbau- 
frage auch  jetzt  noch  als  einwandfrei  gelten  kann,  so  macht 
die  beabsichtigte  Wagenfbrm_h.eute,  einen  etwas  abenteuer- 
lichen Eindruck.  Vor  allem  aber  war  es  bei  :dem  damali- 
gen Stande  der  Technik  unmöglich,  die  Durchführbarkeit 
in  elektrotechnischer . Beziehung  darzuthun,,  lagen  doch 
eigentliche  Erfahrungen  in  der  Kraftübertragung  über  weite 
Strecken  nicht  vor  und  war  insbes'ondere  das  Gebiet  .des 
.Drehstrom-Motors  -damals  noch  vollständig  unerforscht. |- 

-32.  Februar  1902. 


Die  folgende  Zeit  brachte  den  beispiellosen  Aufschwung 
der  • elektrischen  Zugförderung  auf  den  Strassenbahnen; 
und  die  durch  den  Ausbau  dieser  Bahnnetze  völlig  be- 
schäftigte Elektrotechnik  fand  keine  Zeit,  sich  mit  Zu- 
kunftsproblemen auf  dem  Gebiete  der  Personen-Beförde- 
rung :zu  .-beschäftigen.  So  gerieth  auch  die  SchnelLbahn- 
frage  in  den  Hintergrund. 

Der  Schnellbahn  Gedanke  tauchte  wieder  auf,  als  in- 
folge der  günstigen  Geschäftslage  der  jüngstverflossenen 
Jahre  in  Deutschland  das  Bedürfniss  eines  beschleunigten 
persönlichen  Geschäftsverkehres  fühlbarer  wurde  und  wei- 
tere Kreise  einen  Begriff  von  dem  Werthe  der  Zeit  be- 
kamen. Der  Gedanke  fand  aber  auch  die  Technik  und 
insbesondere  die  Elektrotechnik  gerüstet,  sich  mit  ihm 
näher  zu  beschäftigen,  musste  man  doch  das  Ende  der 
.Umwaadlungsperio.de  der  Strassenbahnen  voraussehen  urjd 
■konnte  sich  um  so  eher  neuen  Aufgaben  .zuwenden,  als 
-die  Gleiehstromtechnik  allmählich  mehr  und  mehr  zu  Regel- 
formen  übergegangen  war. 

Eine  Vorbedingung  für  die  Weiterentwicklung  .der 
Schnellbahn-Entwürfe  war  die  Ausgestaltung  der  Dreh- 
-strom-Kraftübertragung  und  des  Drehstrom-Bahnraotors. 
Für  Bahnzwecke  war  Drehstrom  seitdem  besonders  von 
den  Firmen  Brown,  Boveri  & Cie.  und  Ganz  & Cie. 
auf  Schweizer  Bergbahnen,  wenn  auch  nur  in  bescheide- 
nem Umfange,  zur  Anwendung  gelangt.  Daneben  war  die 
Firma  Siemens  & Halske  (seit  1891)  planmässig  mit  der 
Erforschung  dieses  Gebietes  vorgegangen  und  konnte  im 
Jahre  1899  eine  Versuchsstrecke  von  1,75  km  Länge  in 
Gross-Lichterfelde  bei  Berlin  in  Betrieb  setzen,  welche  ins- 
besondere der  Erforschung  der  Frage  nach  der  Strom- 
versorgung langer  Bahnstrecken  dienen  sollte.  Der  durch- 
aus neue  Grundgedanke  der  Versuche  beruhte  darauf,  die 
Arbeitsleitung  der  Bahn  mit  hochgespanntem  Drehstrom 
von  10  000  Volt  Sp.  zu  speisen  und  diesen  in  Spannungs- 
wandlern, die  auf  dem  Fahrzeug  mitgeführt  werden,  auf  die 
Gebrauc-hshöhe  — von  beiläufig  650  Volt  — herabzusetzen. 

• • Die  -übliche  Anordnung  von  zwei  Stromleitungen  über 
den  Gleisen  unter  Benutzung  der  Fahrschienen  als  drittem 
Leiter -besass  den  Nachtheü,  dass  die  Anordnung  an  den 
Weichen  sich  nicht  befriedigend  lösen  lässt;  ein  Herab- 
fallen von  Drähten  gefährdet  unmittelbar  das  darunter 
befindliche  -Fahrzeug;  auch  wurde  bei  grossen  Geschwin- 
digkeiten eine  ungenügende  Berührung  des  Stromabneh- 
mers an  den  höchsten  (Aufhänge-)  Punkten  der  Leitung 
beobachtet.  Dies  führte  ■ zur  Konstruktion  .einer  Seiten- 
leitung, bei  welcher  die  drei  Stromdrähte  senkrecht  über- 
.einander  angeordnet  und  mittels  bogenförmiger  MetMI- 
bügel  an  Holzmasten  befestigt  wurden.  Das  Fahrzeug 
erhielt  drei  hintereinander  stehende  Stromabnehmer,  dem 
bekannten  Siemens-Bügel  ähnlich,  mit  senkrechten  Be- 
rührungsflächen. Es  wurde  eine  Lokomotive  (Abbildg.  2) 
von  16 1 Gewicht;  2-achsig,  mit:  2 Motoren"  von  je  30  bis 
120  P.S.  Leistung  erbaut.  ’••  •■  . . -i 

Der  Antrieb  der  Achsen  geschieht  mittels  Zahnrad- 
Übersetzung;  die  Feldwickelung  der  Motoren  ist  feststeh^d, 
der  Anker  umlaufend  angeordnet.  In  den  Stromkreis  des 
xAnkers  werden  mittels  Schleifringen  Widerstände  einge- 
schaltet, welche  als  Anlasswiderstände  beim  Anfahren  und 
zur  dauernden  Minderung  der  Geschwindigkeit  gebraucht 
werden.  Die  beiden  Motoren  des  Fahrzeuges  sind  parallel 
geschaltet.  Eine  Hinter-  und  Nebeneinanderschaltuiig  der- 
selben bei  Anfahrt  und  Fahrt,  wie  bei  Gleichstrom,  ist 
hier  ausgeschlossen,  da  bei  Drehstrom-Motoren  das  Dreh- 
moment, d.  h.  die  Zugkraft,  dem  Quadrat  der  t^pannung 
proportional  ist,  beim  Hintereinanderschalten  zweier  Mo- 
toren also  auf  den  vierten  Theil  ihres  Werthes  sinken 

103 


würde.  Unter  Berücksichtigung  dieser  Eigenschaft  des  Dreh- 
strom-Motors bietet  die  Aufstellung  des  Spannungswandlers 
auf  dem  Fahrzeug  den  grossen  Vortheil,  durch  Vergrösse- 
rung  der  dem  Motor  zugeführten  Spannung  beim  Anfahren 
die  Zugkraft  steigern  zu  können.  Dazu  dient  einmal  ein 
Zusatz-Spannungswandler,  der  Windungen  anzufügen  ge- 
stattet, und  zweitens  die  Wandelung  der  Schaltung  des 


sekundären  Theiles  von  Dreiecks-  zu  Sternschaltung,  wo- 
durch die  Spannung  im  Verhältniss  i : V 3,  die  Zugkraft 
also  im  Verhältniss  1:3  gesteigert  wird.  Die  Versuche 
ergaben  als  besonderen  Vorzug  der  hohen  Spannung  in 
der  Arbeitsleitung  den  nahezu  funkenfreien  Gang  der 
Stromabnehmer,  entsprechend  der  geringen  Stromstärke. — 

(Fortsetzung  folgt.) 


Normalformat  oder  Klosterformat, 

mie  im  Vorjahre  seitens  des  preuss.  Hrn.  Ministers  der 
öffentl  Arbeiten  veranlasste  Umfrage  an  die  Bau- 
beamten der  allg.  Bauverwaltung,  welche  Ziegeleien  in 
der  Lage  seien,  Hand-trichsteine  im  Klosterformat  auf  Vor- 
rath anzufertigen,  damit  gegebenenfalls  Bezugsquellen  vor- 
handen seien,  von  welchen  die  erforderlichen  Ziegel  so- 
fort geliefert  werden  könnten,  hat  in  den  Kreisen  der 
Ziegelfabrikanten  eine  gewisse  Beunruhigung  hervorge- 
rufen, weil  man  annahm,  dass  die  öffentl.  Bauten  in  Zu- 
kunft nicht  mehr  im  Normalformat,  sondern  in  grossem 
Format  verblendet  werden  sollten,  was  dann  unhUmst.  auch 
eine  Hintermauerung  mit  entsprechenden  Steinen  zur 
Folge  haben  würde.  Dass  man  in  dieser  Befürchtung  zu 
weit  ging,  scheint  aus  den  im  Berliner  Architekten-Verein 
von  unterrichteter  Seite  gemachten  Mittheilungen  {vgl. 
Dtsch.  Bztg.  1902  S.  55)  hervorzugehen.  Es  sind  uns  aber 
seitdem  noch  mehrere  Zuschriften  aus  den  Kreisen  der 
Fachleute  und  Fabrikanten  zugegangen,  denen  wir  hier 
wenigstens  auszugsweise  Raum  geben  wollen,  ohne  uns 
übrigens  mit  diesen  Auslassungen  durchweg  einverstanden 
zu  erklären. 

Hr.  Arch.  Dümmler  führt  zunächst  an,  dass  sich 
bisher  Niemand  daran  gestossen  habe,  dass  die  zur  Ver- 
wendung kommende  Verblendung  in  den  Steinen  weder 
die  Länge,  noch  namentlich  die  Tiefe  der  Hintermauerungs- 
steine besass.  Man  habe  die  Wand  als  ein  Ganzes  be- 
trachtet und  daher  die  Fugen  nach  Möglichkeit  unterdrückt 
und  sie  selbst  in  der  Farbe  des  Mörtels  möglichst  der 
Steinfarbe  angepasst.  Seit  einigen  Jahren  sei  man  nun 
zu  weissen  Fugen  übergegangen  und  damit  habe  sich  dann 
auch,  um  den  unruhigen  Eindruck  zu  dämpfen,  das  Be- 
dürfniss  herausgestellt,  die  Zahl  der  Fugen  zu  verringern. 
Daher  wurden  zur  Verblendung  Vi  Steine,  statt  wie  bisher 
V4  und  1/2  Steine  verwendet.  Weiter  griff  man  dann  zu- 
rück auf  die  Technik  unserer  Vorfahren,  Steine  grossen 
Formates  zu  verwenden  und  will  nun  auch  die  durch  die 
damalige  Zeit  begründete  Technik  des  Handstrichs  wieder 
in  die  Ziegelfabrikation  einführen. 

Will  man  nun  aber  nicht  nur  eine  vorgeklebte  Ver- 
blendung haben,  die  sicherlich  nicht  dem  Sinne  der  alten 
Bauweise  entspricht,  so  muss  man  bei  dem  wesentlichen 
Höhenunterschiede  der  Steine  des  Normalformates  zu  dem 
geplanten  Maasse  für  Klosterformat  (6,5  zu  g)  die  ganze 
Mauer  in  einheitlichem  Maasse  hersteilen,  sie  dann  also 
im  Verhältniss  der  Steinlängen  25:28.5,  d.  h.  rd.  12% 
stärker  machen.  Das  sind  wesentliche  Mehrkosten,  nament- 
lich, wenn  man  in  theuren  Stadtlagen  auch  den  entsprechen- 
den Raumverlust  inbetracht  zieht. 

Eine  weitere  Vertheuerung  tritt  dann  ein,  wenn  der 
Handstrichstein  statt  des  Maschinensteins  verlangt  wird, 
denn  erstens  kann  die  Handarbeit  nicht  entfernt  das 
leisten,  was  mit  den  Maschinen  erreicht  wird,  die  in  langen 
Jahren  eifriger  Arbeit  auf  einen  solchen  Grad  der  Voll- 
kommenheit gebracht  sind,  dass  man  allen  Anforderungen 
damit  genügen  kann,  und  ausserdem  gestatten  sie  die  Her- 
stellung durchlochter  Steine.  Abgesehen  von  den  tech- 
nischen Vortheilen  der  Durchlochung,  die  besseres  Durch- 
brennen des  Steines  ermöglicht,  bietet  sie  den  wirthschaft- 
lichen  Vortheil  der  Gewichtsverringerung,  also  der  Ver- 
minderung der  Transportkosten,  was  namentlich  ins  Ge- 
wicht fällt,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  grossen 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Bismarck- Denkmal  Hamburg.  Als  Ver- 
fasser des  Entwurfes  „Ein  Stein“  hatte  sich  uns  Hr.  Alex. 
Menner  in  Odessa  genannt.  Das  Verzeichniss  der  ein- 
gegangenen Entwürfe  weist  nur  einen  Entwurf  mit  dem 
genannten  Kennwort  auf.  Es  theilt  uns  nun  Hr.  Arch. 
Wilhelm  Frankel  in  Düsseldorf  unter  Einsendung  der  bez. 
Vorskizze  mit,  dass  er  der  Verfasser  des  genannten  Ent- 
wurfes sei.  Wir  bestätigen,  dass  es  der  aus  dieser  Vor- 
skizze hervorgegangene  Entwurf  ist,  welchen  wir  in  un- 
serer Besprechung  hervorgehoben  haben.  — 

Wettbewerb  General-ReguHrungsplan  Brünn.  Es  lagen 
13  Entwürfe  zur  Beurtheilung  vor  und  es  waren  dem  Ver- 
nehmen nach  ausser  den  deutsch-österreichischen  Tech- 
nikern 3 reichsdeutsche  Bewerber  eingeladen.  — 


Handstrich-  oder  Maschinensteine. 

Verbrauchsstellen  unserer  Grosstädte  in  der  norddeut- 
schen Tiefebene  säramtlich  in  ihrer  Nähe  geeigneter  Thon- 
lager für  feine  Verblender  entbehren. 

Es  wird  nun  den  Maschinensteinen  jetzt  zum  Vorwurf 
gemacht,  was  man  Jahrzehnte  lang  für  ihren  Vorzug  hielt, 
die  Sauberkeit  und  Schärfe  der  Form,  Glätte  der  Ober- 
fläche, Gleichmässigkeit  der  Farbe.  Der  Handstrichstein 
sei  gerade  durch  seine  rauhe  Oberfläche,  die  verschiede- 
nen Brandfarben  interessant.  Das  lässt  sich  aber  auch 
mit  dem  Maschinenstein  erreichen  (vgl.  Dtsche.  Bztg.  1804 
S.  455  die  Abhandlung  von  Prof.  Gmelin  über  amerika- 
nische Baumaterialien). 

Dem  Verfasser  erscheint  es  hiernach  nur  gerecht- 
fertigt. grosses  Format  anzuwenden,  wenn  es  sich  um 
eine  Wiederherstellung  alter  Bauten  handelt.  Aber  auch 
in  diesem  Falle  sollte  es  dem  Fabrikanten  überlassen 
bleiben,  den  gewünschten  Stein  maschinell  herzustellen. 
Auf  alle  Fälle  würden  solche  Steine  aber  erheblich  theurer 
werden.  — 

Rein  vom  fabrikations- technischen  Standpunkte  be- 
trachtet die  Frage  Hr.  Ing.  H.  Rasch,  Direktor  der  Agaer 
Werke.  Verfasser  ist  zunächst  der  Ansicht,  dass  den 
Wünschen  der  Architekten  inbezug  auf  grössere,  nament- 
lich stärkere  Steine,  unschwer  in  den  meisten  Fällen  nach- 
gekommen werden  kann,  sobald  nur  die  Durchlochung 
der  Steine,  die  bei  einigen  Thonarten  durchaus  erforder- 
lich ist,  zugelassen  wird.  Sachliche  Nachtheile  bieten 
durchlochte  Steine  nicht,  namentlich  ist  es  irrig,  dass  sich 
in  diesen  Durchlochungen  Wasser  ansammle  und  durch 
Gefrieren  zu  Absprengen  einzelner  Theile  Veranlassung 
geben  könne. 

Anders  liegt  die  Sache  dagegen  mit  dem  Gedanken, 
die  Technik  des  Handstrichs  wieder  aufleben  zu  lassen, 
trotzdem  unsere  moderne  Maschinentechnik  derselben 
weit  überlegen  ist.  In  erster  Linie  wird  doch  hohe  Wetter- 
und Farben-Beständigkeit  zu  verlangen  sein.  Derartige, 
namentlich  farbenbeständige  Steine  sind  aber  nur  aus  Thon 
herzustellen,  aus  dem  ein  so  dichtes  Erzeugniss  geschaffen 
werden  kann,  dass  dasselbe  nur  noch  soviel  Wasser  auf- 
saugt, dass  das  Vermauern  durch  das  sog.  Schwimmen 
nicht  allzusehr  erschwert  wird.  Unter  sonst  gleichen  Um- 
ständen ist  aber  der  Stein  der  beste,  der  das  wenigste 
Wasser  ansaugt.  Derartige  Thone  sind  aber  so  plastisch 
(fett),  dass  sie  nur  maschinell  verarbeitet  werden  können. 
Verfasser  giebt  dann  auch  deshalb  dem  Maschinenstein 
den  Vorzug,  weil  er  sich  glatt  herstellen  lässt,  also  auch 
weniger  Gelegenheit  zum  Anhaften  des  Schmutzes,  Russes 
usw.  giebt,  so  dass  er  also  auch  aus  diesem  Grunde  farb- 
und  wetterbeständiger  ist,  als  der  Handstrichstein,  dessen 
Oberfläche  niemals  so  glatt  hergestellt  werden  kann.  (Diese 
Eigenschaft  des  Handstrichsteines  betrachten  viele  Archi- 
tekten allerdings  gerade  als  einen  besonderen  Vorzug  des- 
selben. Die  Red.). 

Was  schliesslich  den  Verband  bei  Anwendung  von 
grossem  Format  betrifft,  so  schlägt  Verfasser  vor,  ^4  und 
Vi  Steine  im  Kreuzverband  anzuwenden,  was  bei  Erfüllung 
der  erforderlichen  ästhetischen  und  konstruktiven  An- 
sprüche (als  Beispiel  wird  die  Wiederstellung  des  Dora- 
kirchthurmes  in  Schleswig  durch  Hrn.  Geh.  Ob.-Brth.  Adler 
angeführt)  die  Kosten  einer  solchen  Verblendung  in  massi- 
gen Grenzen  halte.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

W.  Th.  in  D.  Litteratur  über  Gebäiide-Verankeruag 
dürfte  es  ausser  im  „Grundbau"  von  Brennecke  nicht  geben,  jedoch 
mache  ich  aufmerksam  auf  No.  3 des  „Glückauf"  v.  19.  Febr.  1901, 
der  einen  von  mir  verfassten  Aufsatz  über  diese  Sache  enthält.  Ich 
bin  bereit,  dem  Herrn  einen  Sonderabdruck  dieses  Aufsatzes  zu- 
zustellen. — Pinkemeyer,  Stadtbmstr.  in  Recklinghausen. 

Hrn.  J.  O.  in  Köln-Nippes.  Unseres  Erachtens  erstreckt 
sich  das  Servitut  lediglich  auf  die  Oeffnungeii  und  nicht  bis  auf 
die  Geländefläche.  Wenn  die  Bauordnung  daher  es  Ihnen  gestattet, 
so  sind  Sie  wohl  berechtigt,  bis  zur  bezeichneten  Höhe  zu  bauen. 

Inhalt:  Die  Stuttgarter  Stadterweiterung  (Fortsetzung!.  — Das  Heidel- 
berger Schloss  in  der  zweiten  badischen  Kammer.  — Elektrische  Schnell- 
und  Vorortbahnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als  Antrieb.  — Normal- 
format  oder  Klosterformat,  Handstrich-  oder  Maschinensteine.  — Preisbe- 
werbungen. ' — Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hof  mann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


104 


No.  16. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  17.  Berlin,  den  26.  Februar  1902. 


Barock-Fassaden  am  Breitenweg  in  Magdeburg.  Aus:  Otto  Peters,  „Magdeburg  und  seine  Baudenkmälerb 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Nachstehend  bringen  wir  eine  Eingabe  zur  Kenntniss  der  Verbandsmitglieder,  welche  der  Vorstand 
in  Gemässheit  der  im  Vorjahre  durch  die  XXX.  Abgeordneten-Versammlung  in  Königsberg  i.  Pr.  gefassten 
Beschlüsse  gleichlautend  an  den  Reichstag,  den  Bundesrath  und  den  Herrn  Reichskanzler  gerichtet  hat. 
Als  Anlage  war  ein  kurzer  Auszug  aus  dem  in  Königsberg  gehaltenen  Vortrage  des  Hrn.  Dombaumeisters 
Arntz  beigefügt,  dessen  Inhalt  sich  im  Wesentlichen  deckt  mit  den  Ausführungen  auf  S.  185  u.  ff.  Dtsche. 
ßauztg.  1901  und  daher  an  dieser  Stelle  fortgelassen  ist.  — 

Dresden-Berlin,  den  20.  Februar  1902. 

Der  Verbands-Vorstand:  Waldow.  F.  Eiselen. 


Eingabe  betreffend  Einstellung  ständiger  Mittel 
in  den  Reichshaushalt  zum  Zwecke  der  Erhaltung 
vaterländischer  Baudenkmale  und  zwar  zunächst 
des  Strassburger  Münsters. 

In  seinen  grossen  geschichtlichen  Baudenkmalen,  den 
lebendigen  Zeugen  einer  wechselvollen  Vergangenheit,  be- 
sitzt Deutschland  einen  Schatz,  der  einen  idealen  Besitz 
des  gesammten  deutschen  Volkes  bildet.  Diesen  Besitz 
zu  bewahren  und  ungeschmälert  den  kommenden  Ge- 
schlechtern zu  erhalten,  ist  daher  auch  eine  vornehme 
Pflicht  des  Vaterlandes.  Im  Gefühle  dieser  Pflicht  und 
getragen  von  idealer  Begeisterung  ist  bereits  Grosses  ge- 
schehen, sind  der  Kölner  Dom,  das  Münster  zu  Ulm  aus 
den  Mitteln  kunstsinniger  Fürsten,  des  Staates,  der  Ge- 
meinden und  aus  der  freiwilligen  Beisteuer  weitester 
Volkskreise  vollendet  und  in  alter  Pracht  wieder  hergc- 
stellt  worden.  Aber  noch  bleibt  vieles  auf  dem  Gebiete 
zu  leisten,  harrt  noch  manches  Bauwerk  von  geschicht- 
lichem und  baukünstlerischem  Werthe  nicht  nur  der  Voll- 
endung, oder  der  Wiederherstellung  in  alter  Gestalt,  son- 
dern vor  allem  einer  sachgemässen  Pflege  und  einer  nur  mit 
reichlichen  Mitteln  möglichen  Erhaltung  des  Bestehenden. 

Zu  diesen  Denkmalen  gehört  vor  allem  als  eines  der 
edelsten  Werke  deutscher  Baukunst,  als  dasjenige,  welches 
dem  deutschen  Volke  vielleicht  gerade,  weil  es  ihm  so 
lange  entrissen  war,  wohl  am  meisten  ans  Herz  gewachsen 
ist,  das  Werk  Erwins  von  Steinbach,  das  Strassburger 
Müns^ter.  Bereits  vor  20  Jahren  hat  der  Verband 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine  in  ein- 
stimmiger Beschlussfassung  dem  Wunsche  Ausdruck  ge- 
geben,' es  möge  die  deutsche  Nation  nach  der  glücklichen 
Vollendung  des  Kölner  Domes  den  beim  Weiterbau  dieses 
Werkes  in  langjähriger  Ueberlieferung  gesammelten  Schatz 
kunstliistorischer  Schulung  und  künstYerischer  Erfahrung 
anderen  nationalen  Ünternehmungen.  zuwenden  und  dem- 
entsprechend die  Mittel,  wie  einst  für  den  Kölner  Dom, 
auch  ihr  andere  bedeutende  Baudenkmale  beschaffen. 


deren  Weiterbau  aus  den  Mitteln  einer  einzigen  Stadt 
oder  eines  einzigen  Landes  nicht  wohl  möglich  sei.  An 
erster  Stelle  wurde  damals  das  Münster  zu  Ulm,  an  zweiter 
das  Münster  zu  Strassburg  in  Vorschlag  gebracht.  In- 
zwischen ist  das  erste  vollendet,  das  letztere  dagegen  in 
einem  baulichen  Zustand,  der  zunächst  den  Wunsch  des 
Weiterbaues  völlig  zurücktreten  lässt  vor  der  Sorge  um 
die  Erhaltung.  Wie  bedrohlich  der  Zustand  des  Münsters 
ist,  auf  welchen  der  berufene  Pfleger  desselben  schon 
lange  hingewiesen  hat,  geht  aus  dem  Berichte  hervor, 
welchen  derselbe  auf  der  XXX.  Abgeordneten-Versammlung 
des  Verbandes  d.  A.-  u.  I.-V.  im  August  vorigen  Jahres  in 
Königsberg  i.  Pr.  erstattet  hat,  dessen  technische  Aus- 
führungen wir  .nachstehend  im  Auszuge  beigeben. 

Der  Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine  hat  es  unter  diesen  Umständen  für  seine  Pflicht 
gehalten,  auf  diese  Zustände  an  maassgebender  Stelle 
nachdrücklich  hinzuweisen.  Als  diese  Stelle  betrachtet  er 
nach  den  vorstehenden  Ausführungen  wohl  nicht  mit  Un- 
recht das  Reich,  um  so  mehr,  als  unter  den  veränderten 
Zeitverhältnissen  die  bedeutenden  Mittel  zu  Aufgaben  die- 
ser Art  wohl  in  anderer  Weise  als  bisher  aufgebracht 
werden  müssen. 

Die  XXX.  Abgeordneten-Versammlung  d.  V.  hat  daher 
den  Unterzeichneten  Vorstand  beauftragt,  an  die  verbün- 
deten Regierungen  und  den  deutschen  Reichstag  den  An- 
trag zu  stellen : 

In  gerechter  Würdigung  der  für  die  Gesammtheit 
des  Reiches  mit  der  Erhaltung  vaterländischer  Bau- 
denkmaleverbundenen nationalen  Interessen  möchten 
in  den  Reichshaushalt  ständige  Mittel  zur  Erhaltung 
solcher  Baudenkmale  und  zwar  zunächst  des  Strass- 
bürger Münsters  eingestellt  werden.  — 

Im  Januar  1902. 

Der  Vorstand  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.^  u.  Ing.- Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  13.  Dez. 
1901.  Vörs.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  65  Pers. 

Zur  Tagesordnung  bespricht  Hr.  Hennicke  das  Werk: 
„Altrömische  Heizungen“,  von  Otto  Krell  (Verlag  von 
R.  Oldenbourg,  München,  Pr.  4 M.),  welcher  sich  gegen 
Hypokäusten-Anlagen  unter  den  römischen  Wohnräumen, 
Badeahiageti  und  Bade- bezw.  Schwimmbehältern,  wie  sie 
von  Överbeck-Mau,  Nissen,  Dr.  J.  Berger- Wien  u.  a.  be- 
hauptet wird,  auslässt.  Nach  Krell’s  Meinung  erfolgte 
die  Zimmer  - Erwärmung  durch  Holzkohlenfeuerung  auf 
flachen  Kohlenbecken,  wobei  erfahrungsmässig  sich  kein 

Eine  akademische  Studienreise  nach  Nord- 
Frankreich.  (Schluss.) 

einem  glühend  heissen  Sommertage  (27.  Juli)  traten 
^^^®lYwir  unsere  Fahrt  über  Kassel  an ; durch  das  herrliche 
Lahnthal,  vorbei  an  dem  idyllischen  Koblenz  und 
den  rebenbewachsenen  Hügeln  des  Moselthales  ging’s  nach 
Metz,'  das  von  seiner  222jährigen  Zugehörigkeit  zu  Frank- 
reichlnoch  viele  französische  Eigenthümlichkeiten  aufweist. 
Indes^,  den  Dom  war  von  deutschen  Meistern  und  Hand- 
werktern  auf  deutschem  Grunde  erbaut  und  deutsch  ist  er 
geblieben.  Deutsch  ist  auch  die  Gründlichkeit  und  Sach- 
kenniniss,  mit  welcher  der  Dombaumeister  Tornow  die 
Wiederherstellung  der  Kathedrale  leitet.  Mit  einem  Vor- 
trage dieses  Meisters,  in  der  Krypta  des  Domes  gehalten, 
setzten  unsere  Studien  ein.  Die  'Wiederherstellungs-Arbei- 
ten zu  beobachten,  war  beste  Gelegenheit;  von  der  Hütte 
des  Steinmetzen  bis  zum  Versetzen  derWerkstücke  wurde 
jede  Bauthätigkeit  beobachtet.  Der  herrliche  Eindruck  des 
gewaltigen  Dom-Inneren  hielt  denjenigen  der  französischen 
Kathedralen  völlig  stand.  — Einer  liebenswürdigen  Ein- 
ladung Tornow's  verdankten  wir  einen  köstlichen  Abend 
voll  übermüthiger  Stimmung  auf  seiner  Villa  vor  Metz. 

Sonntag  früh  (29.  Juli)  betraten  wir  Frankreichs  Boden. 
Chälons-sur- Marne  bot  mit  seinen  festtäglich  geputzten 
Spaziergängern,  den  farbigen,  fremden  Uniformen,  ein 
eigenanig  ungewohntes  Bild.  Es  fiel  sofort  unangenehm 
auf,  dass  dort  keine  Sonntagsruhe  herrscht.  Die  stattliche 
Kirche  Notre-Dame  hat  schöne  Doppelthürme  mit  steifen, 
später  aufgesetzten  Helmen,  sie  übertrifft  die  Kathedrale 
bedeutend,  deren  gewaltige  Renaissance-Fassade  eigenartig 
von  dem  gothischen  Schiff  absticht. 

In  Reims  (31.  Juli)  beherrscht  die  ungeheure  Kathedrale 
alle  anderen  Bauten,  die  wundervollen  Doppelthürme  mit 
den  entzückend  feingegliederten  Portalen  sind  mit  das 
Vollendetste,  was  die  gothische  Baukunst  je  hervorgebracht 

ro6 


Kohlenoxydgas  und  nur  etwa  2 % Kohlensäure  entwickelt, 
die  in  dieser  Menge  nicht  schädlich  wirkt.  Für  einen 
Raum  von  4 bei  5 “ und  rd.  5000  W.  E.  genügte  eine 
Schale  von  rd.  40  c“  im  Durchmesser,  wie  solche  im  Ber- 
liner Museum  viele  in  prächtiger  Ausstattung  zu  sehen 
sind.  Sie  waren  auch  theilweise  mit  Vorrichtungen  zum 
Warrhhalten  von  Speisen  und  Getränken  versehen. 

Der  Heizung  unter  den  Böden  der  Zimmer  in  Rom 
und  den  Bassins  widerspricht  Krell,  gestützt  auf  die  bis 
50  starken  Fussböden  und  auf  den  Mangel  an  Rauch- 
Abzugskanälen  und  Oeffnungen  in  den  Wänden,  durch 
welche  die  Wärme  hätte  nach  den  Räumen  ausströmen 
können.  Die  Pfeiler  unter  den  Fussböden  seien  nicht 


hat.  Der  südliche  Hauptthurm  ist  gänzlich  eingerüstet  und 
bot  uns,  von  Gerüst  zu  Gerüst  kletternd,  eine  seltene  Ge- 
legenheit, Einzelheiten  der  Fassade  aufzunehmen.  Neben 
der  Kathedrale  ist  alles  andere  verschwindend.  Nachdem 
wir  am  ersten  Nachmittage  die  ausgedehnten,  in  den  Fel- 
sen gehauenen  Champagner-Kellereien  von  Pommery  und 
Greno  besichtigt  hatten,  folgten  wir  am  nächsten  Tage  einer 
Einladung  von  Heidsiek  & Co.,  deren  Chefs,  die  Hrn. 
Wallbaum  und  Sohn,  uns  persönlich  herumführten  und 
mit  vollendeter  Liebenswürdigkeit  glänzend  bewirtheten. 

Während  die  Eisenbahnfahrt  meist  durch  ebenes  Ge- 
lände führt,  liegt  Laon  (2.  Aug.)  mit  gewundenem  Höhen- 
zuge höchst  malerisch  da,  ganz  erheblich  aus  der  Ebene 
emporragend  und  von  oben  eine  wundervolle  Fernsicht  er- 
öffnend. Die  vielthürmige  Kathedrale,  in  spätromanisch- 
frühgothischerUebergangszeit  entstanden,  ist  eine  gewaltige 
Anlage,  bei  der  ein  ganz  eigenartiger,  von  anderen  Kathe- 
dralbauten  völlig  abweichender  Einfluss  unverkennbar  ist; 
eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  dem  Dom  zu  Naumburg 
ist  nicht  zu  leugnen.  Imganzen  ist  dieses  Bauwerk  eines 
der  schönsten  Frankreichs.  Die  kleine  reizende  romanische 
Templer-Kapelle  übte  gleichfalls  auf  alle  eine  grosse  An- 
ziehungskraft aus.  Ueberhaupt  ist  Laon  mit  seinen  schweren 
Thoren,  engen  Strassen  und  dieser  einzig  wundervollen 
Kathedrale  eine  herrliche  Stadt  für  den  Architekten. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  engen  Festung  ist  Soissons 
(4.  Aug.)  ein  gemüthliches,  offenes  Landstädtchen.  Zwei 
interessante,  spätgothische,  ungleich  hohe  Thürme  sind 
neben  einem  leidlich  erhaltenen  Kreuzgang  mit  entzücken- 
den figurenreichen  und  scherzhaftenEinzelheiten  die  Ruinen 
der  Kirche  St.  Leger  St.  Jean  de  Vignes,  welche  von 
den  thörichten  Calvinisten  im  blinden  Wahne  des  Bilder- 
sturmes zerstört  wurde.  Neben  der  regelmässigen  Kathe- 
drale findet  noch  eine  kleine  romanische  Kirche  Beachtung, 
welche  jetzt  als  Turnhalle  dient.  Am  Sonntag  Nachmittag 
machten  wir  einen  Ausflug  nach  Braisne,  dessen  wunder- 

No.  17. 


von  feuersicheren  Steinen  hergestellt  gewesen.  Die 
Schwimmbehälter-Sohlen  hätten  bei  der  zur  Erwärmung 
des  Wassers  nöthigen  Heizung  Risse  bekommen  müssen. 

Die  Hohllegung  geschah  nur  zur  Trockenhaltung  der 
Fussböden  bezw.  zur  Aufnahme  der  Rohre  für  die  zu  den 
Bädern  führende  Wasserleitung.  Badewannen  bis  6 
Fassungsvermögen  wurden  durch  unmittelbar  mit  ihnen 
verbundene  Oefen  aus  Kupfer  erwärmt,  von  denen  ein- 
zelne bis  Wasser  fassten.  In  der  Saalburg  ist  eine 

Art  Luftheizung  vorhanden  mit  Vorwärmung  in  einem 
Heizkanal,  in  welchem  die  Luft  über  glühende  Kohlen  strich 
und  dann  durch  Wandöffnungen  in  die  Zimmer  gelangte. 
Der  von  einem  rd.  3 m ausserhalb  des  Hauses  nach  innen 
führende  Hauptkanal  verzweigt  sich  oft  von  der  Raum- 
mitte nach  dessen  Ecken  und  ist  über  den  Seitenkanälen 
mit  dünnen  Platten  abgedeckt,  so  dass  hier  eine  unmittel- 
bareErwärmung  derFussböden  stattlinden konnte.  Redner 
schliesst  unter  dem  Hinweise  auf  das  zum  Studium  geeignete 
Werk  und  erntet  den  Dank  der  Zuhörer.  Hr.  Himmel- 
heber macht  in  Ergänzung  seines  Vortrages  vom  25  Okt. 
1901  Mittheilungen  über  den  jetzigen  Stand  der  Arbeiten  im 
Simplon-Tunnel,  welche  mit  der  Wiedergabe  des  ersteren 
an  besonderer  Stelle  verbunden  werden  sollen.  — Gbl. 

Vers,  am  20.  Dez.  190T.  Vors.  Hr.  Classen,  anwes. 
72  Pers.  Zur  Tagesordnung  berichtet  Hr.  Faulwasser 
über  die  Beschlüsse  des  Vertrauens-Ausschusses  betreffend 
Wahlen  zu  den  Vereinsämtern.  Die  Wahlen  erfolgen  durch 
Zuruf  und  ergeben  inbezug  auf  die  Zusammensetzung  des 
Vorstandes  die  Wiederwahl  des  Hrn.  Hennicke  zum 
zweiten  Stellvertreter  des  Vorsitzenden  und  des  Hrn. 
Mohr  zum  Schriftfütirer. 

Hr.  Strümp  er  gibt  unter  Hinweis  auf  eine  grosse  Zahl 
von  Photographien  eine  fesselnde  Schilderung  der  von  ihm 
im  Aufträge  der  Araerikalinieraitgemachten  Örientreise  des 
Dampf.«chiffes  „Prinzess  Victoria  Louise“.  Die  am  22.  März 
in  Hamburg  auf  dem  Landwege  nach  Genua  angetretene 
Reise  führte  über  Palermo  nach  Konstantinopel,  durch  den 
Bosporus  ins  Schwarze-  Meer  nach  der  Krim  und  weiter 
nach  Batum.  Von  hier  wurde  ein  Landausflug  in  den  Kau- 
kasus nach  Tiflis  gemacht.  Auf  der  Rückfahrt  wurde  Tra- 
pezunt  angelaufen  und  über  Athen,  Neapel,  Algier  und 
Lissabon  zurückgekehrt.  Am  6.  Mai  erfolgte  die' Ankunft 
in  Hamburg.  Redner  schildert  in  anziehender  Weise  die 
bunte  Vielgestaltigkeit  des  Volkslebens  sowie  die  Schönheiten 
'der  Natur  und  führt  zum  Schluss  Lichtbilder  vor,  welche 
ein  anschauliches  Bild  der  Reise  wiedergeben.  — Hm. 

Arch.-  u.  Ing  -Verein  zu  Magdeburg.  Unter  Vorsitz  des 
Hrn.  Reg.-  u.  Brth.  Mackenthun  fand  in  der  Versammlung 
am  II.  Dez.  190c  die  Neuwahl  des  Vorstandes  statt:  1.  Vors. 
'Hr.'  Regl-  und  Brth.  Mackenthun,  2.  Vors.  Hr.  Post- 
Brth.  Winckler,  i.  Schriftf.  Hr,  Bauschuldir.  Th.  Müller, 


.volle  Kirche  St.  Ived  mit  dem  schweren  und  doch  fein 
gegliederten  Vierungsthurm  wir  von  einem  herrscliaft- 
, liehen  Garten  aus  zeichneten.  Es  war  ein  köstlich-stiller 
Sommer  Sonntag. 

Nächsten  Tages  (6.  Aug.)  brachen  wir  zeitig  auf;  wir 
• besuchten  das  spätgothische  Rathhaus  zu  Compiegne  in 
1 seiner  vollendeten  Zierlichkeit  und  das  in  seine'r  Massen- 
wirkung unvergleichliche  Schloss  Pierrefond  (s.  S.95),  das, 
von  Viollet-le-Duc  wieder  hergestellt,  noch  etwas  neu  wirkt. 

In  ihrer  ursprünglichen  Anlage  war  die  Kathedrale  von 
, Beauvais  eines  der.  gewaltigsten  und  genialsten  Bauwerke 
, des  Mittelalters.  Ueber  einem  mächtigen  Schiff  von  mehr  als 
48  m lichter  Höhe  wuchs,  der  alten  Chronik  nach,  ein  be- 
wundernswerther  Vierungsthurm  zu  der  ungeheuren  Höhe 
. von  153“  empor,  von  schlanken,  fast  zierlichen  Pfeilern 
getragen.  Leider  gelangten  die  nothwendigen,  stutzenden 
Westjoche  nicht  zur  Ausführung  und  dieser  unvergleich- 
lich stolze  Thurm  sank  1573  nach  kaum  einhalbhundert- 
jähriger Dauer  in  Trümmer,  nur  den  nordöstlichen  Pfeiler 
stehen  lassend  und  den  ganzen  Westtheil  unter  sich  be- 
grabend. Natürlich  schlecht  und  recht  wiederhergestellt, 
ohne  Vierungsthurm,  ist  die  Kirche  nur  ein  Schatten  der 
einstigen  herrlichen  Pracht,  doch  sind  die  beiden  reizvollen 
Fassaden  des  Querschiffes  sowohl  wie  der  vielgegliederte 
Chor  noch  von  derart  bezaubernder  Vollendung  aufge- 
löster Formen,  dass  der  Gedanke  tiefschmerzlich  berührt, 
dass  dieses  Wunderwerk  mittelalterlicher  Grösse  uns  nur 
zumtheil  erhalten  ist.  Aber  jetzt  noch  ist  der  Anblick 
vom  Marktplatz  aus,  über  alle  Häuser  hinweg,  von  märchen- 
hafter Schönheit.  — Wir  versäumten  nicht,  dort  die  be- 
rühmten Gobelin -Wirkereien  zu  besuchen  und  nahmen 
Kenntniss  von  der  Mühseligkeit  der  Herstellung  derselben. 

Die  Kathedrale  von  Amiens  (9.  Aug.)  mit  stattlichem 
Doppelthurm  zeichnet  sich  durch  besonders  vollendete 
Verhältnisse  des  Schiffes,  sowie  durch  zahlreiche  wunder- 
volle Skulpturen  aus.  Die  entzückende  kleine  spätgothische 

26.  Februar  1902. 


2.  Schriftf.  Hr.  Eisenb.-Bauinsp.  Schwarz,  Säckelmstr. 
Hr.  Brth.  Fritze,  ohne  Amt  Hr.  Brth.  Claussen  und 
Stadtbauinsp.  Berner.  In  den  Ausschuss  für  die  Revision 
der  Kasse  und  der  Bestände  werden  die  Hrn.  Brth. 
Schmidt,  Branddir.  Stolz  und  Kreisbauinsp.  Harms 
gewählt.  Unter  den  bekannt  gegebenen  Eingängen  ist 
hervorzuheben  das  von  Sr.  Esc.  dem  Hrn.  Kultusminister 
dem  Verein  als  Geschenk  überwiesene  Werk:  „Die  Abtei 
Eberbach“,  aufgenommen  von  Prof.  Schäfer.  Als  neue 
Mitglieder  finden  Aufnahme  die  Hrn.  Intend.-  und  Brth. 
Stegraüller,  Reg.-Bmstr.  Buchholz  und  Gelhausen. 

In  den  Mitlheilungen  über  neuere  Schulbauten 
Magdeburgs  führte  Hr.  Stadtbauinsp.  Berner  Zeich- 
nungen der  Neubauten  der  Augustaschule,  des  Wilhelms- 
Gymnasiums  und  einer  Volksschule  vor.  Er  erklärt  die 
Raumvertheilung  in  den  einzelnen  Gebäuden,  wobei  die  An- 
lage einer  Aula  über  der  Turnhalle  der  Augustaschule,  die 
Einrichtung  einer  Sternwarte  im  Kuppelbau  des  Wilhelms- 
Gymnasiums  — für  den  Verein  Urania  und  zur  Mitbenutzung 
für  die  Gymnasiasten  — und  die  verschiedenartige  Unter- 
bringung der  Aborte  in  den  drei  Anstalten  besonderes 
Interesse  hervorrufeu.  Redner  giebt  Erläuterungen  über 
die  äussere  Gestaltung  der  Bauwerke,  hebt  besonders  die 
im  Münchener  Barockstil  als  Putzbaii  gehaltene  Fassade  des 
Wilhelmsgymnasiums  hervor  und  geht  hierauf  zu  der  inne- 
ren Einrichtung  über.  Besondere  Beachtung  verdienen  hier 
die  Neueinrichtung  beweglicher  Schülersitze,  die  neueren 
konstruktiven  Einzelheiten  bezüglich  der  leichten  Reini- 
gung, der  Schwammverhütung  und  der  Schalldärapfung. 
An  diese  Klarlegungen,  sowie  an  die  Erläuterung  der  von 
einander  abweichenden  Abortanlagen  schliesst  sich  eine 
lebhafte  Aussprache  unter  den  Hrn.  Mackenthun, 
Winckler,  O chs,  Müller  und  demVortragenden  an.  Dank 
und  Beifall  erntete  Hr.  Berner  für  seine  Ausführungen.  — 

— Th. 

Vermischtes. 

Dr.  Pröil’s  Rechentafel.  Der  Rechenschieber  hat  für 
manche  Rechnungen,  z.  B.  .Kostenvoranschläge,  Schlussab- 
rechnungen usw.  nicht  die  erforderliche  Genauigkeit.  Da 
aber  doch  die  so  bequeme  logarithmisch-graphische  Rech- 
nungsweise  in  Technikerkreisen  sich  schon  vollständig  ein- 
gebürgert hat,  so  lag  der  Gedanke  nahe,  anstelle  des  25  cm 
langen  Rechenschiebers  einen  wesentlich  grösseren  Stab 
zu  benutzen.  Es  ist  das  Verdienst  von  Dr.  Pröll’s  Ingenieur- 
Bureau  in  Dresden,  eine  Rechentafel  geschaffen  und  in 
den  Handel  gebracht  zu  haben,  welche  bei  der  handlichen 
Grösse  eines  Notizbuches  doch  einem  1,20  “ langen  Rechen- 
stabe entspricht  und  somit  eine  grosse  Genauigkeit  hat. 
Wer  gewohnt  ist,  mit  dem  Rechenschieber  zu  arbeiten, 
ist  nach  Durchsicht  der  Gebrauchs-Anweisung  in  wenigen 
Minuten  imstande,  Multipliziren,  Dividiren,  Potenziren  und 


Kirche  St.  Germain  verdient  noch  besonders  hervorge- 
hoben zu  werden.  In  Amiens  wurde  die  Besichtigung 
der  Stadt  etwas  durch  schlechtes  Wetter  gestört,  dafür 
entschädigte,  nach  einer  köstlichen  Mondscheinfahrt  durch 
eine  landschaftlich  ausgezeichnete  Gegend  Frankreichs, 
der  prächtige  Sonnenschein  der  nächsten  Tage  in  Rouen 
(to.— 12.  Aug.).  Spät  Abends  hier  eintreffend,  hatten  es 
sich  die  Professoren  der  Akademie  der  schönen  Künste 
de  Vesly  und  Sevin  nicht  nehmen  lassen,  uns  mit  ausge- 
zeichneter Aufmerksamkeit  zu  empfangen;  sie  führten  uns 
anderen  Tages  mit  einer  Gründlichkeit,  Aufopferung  und 
Unermüdlichkeit  durch  Rouen,  die  bewundernswerth  war 
und  höchste  Anerkennung  verdient.  Rouen  steckt  geradezu 
voll  von  mittelalterlichen,  besonders  spätgothischen  Bauten, 
der  Justizpalast,  das  Hotel  de  Bourgtheroulde  mögen  be- 
sonders erwähnt  werden.  Von  St.  Quen,  deren  Haupt- 
Eingang  wir  unter  der  vorzüglichen  Führung  betreten 
durften,  genossen  wir  einen  unvergesslichen  Anblick  über 
diese  herrliche  malerische  Stadt,  über  zahlreiche  Kirchen 
und  Thürme  hinweg,  vorbei  an  dem  Hafen  mit  seinen 
zahlreichen  Masten  und  einer  eigenartigen  eisernen  Brücke, 
den  gewundenen  Lauf  der  Seine  entlang,  fernhin  bis  zu 
den  bewaldeten  Höhen  und  Hügeln  ringsum.  Eigenartig 
ist  der  Vierungsthurm  der  Kathedrale  aus  Eisen. 

Am  nächsten  Nachmittag  unternahmen  wir  einen  Aus- 
flug nach  dem  stillen  Bocherville,  einem  Dörfchen  mit 
einer  stilistisch  streng  durchgeführten  spätromanischen 
Kirche  St.  Georg  mit  schwerem  zweigeschossigem  Vierungs- 
thurm. 

Nachdem  wir  bereits  in  Reims  und  Beauvais  und  ganz 
besonders  in  Rouen  französische  Holzarchitektur  kennen 
gelernt  und  gezeichnet  hatten,  wurde  im  gemüthlichen 
Lisieux  (13.  Aug.)  und  dem  verkehrsreichen,  lebhaften 
Caen  (14.  Aug.)  nach  gründlicher  Besichtigung  mehrerer 
hochinteressanter  Kirchen  das  Studium  der  vielgestaltigen 
Fachwerkarbeiten  das  Ueberwiegende.  Der  französische 


107 


Radiziren  (für  2.  und  3.  Grad)  auszuführen.  Die  Hand- 
habung der  aus  Obenafel  und  Untertafel  bestehenden 
Rechentafel  ist  ebenso  einfach,  wie  die  des  Rechenschie- 
bers, Besonders  schön  zeigt  sich  die  Bestimmung  der 
2.  und  3.  Wurzel:  man  verbindet  2 Punkte  miteinander 
und  liest  in  der  Mitte  bezw.  im  Drittel  dieser  Linie  das 
Ergebniss  ab.  Diese  Pröll’sche  Rechentafel  wird  sich  bald 
Freunde  erwerben.  Der  Preis  von  2 M.  ist  massig.  Die 
Rechentafeln  sind  beim  Erfinder  Dr.  Pröll  in  Dresden,  bei 
de-r  Verlags-Buchhandlung  J.  Springer  in  Berlin  sowie 
bei  Kutscher  und  Gahr  in  Augsburg  zu  haben.  — 
Augsburg,  den  15.  Januar  1902.  Prof.  W.  Miller. 

Eine  deutsch- nationale  Kunstgewerbe- Ausstellung  in 
München  für  das  Jahr  1904  od.  1905  ist  durch  den  Prinz- 
Regenten  Luitpold  angeregt  worden  und  wird  — zunächst 
noch  in  engeren  Kreisen  — sowohl  mit  Beziehung  auf 
den  Glaspalast  wie  auch  auf  die  Kohleninsel  erörtert.  — 

Die  38.  Hauptversammlung  des  „Deutschen  Vereins  für 
Thon-,  Zement-  und  Kaikindustrie“  findet  vom  26.  bis 
28.  Febr.  im  Architektenhause  zu  Berlin  bei  reicher  Tages- 
ordnung statt.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Landesausstellungs-Gebäude  Berlin.  Es 
besteht  die  Absicht,  die  eingegangenen  Entwürfe  auf  der 
Berliner  Kunstausstellung  in  besonderem  Raume  zu  ver- 
einigen und  sie  geschlossen  in  der  bei  E.  Wasmuth  er- 
scheinenden „Berliner  Architekturwelt“  zu  veröffentlichen. 
Zu  beiden  Zwecken  mögen  die  Verfasser  ihre  Zustimmung 
und  Namen  an  den  Vorsitzenden  der  „Vereinigung  Ber- 
liner Architekten“,  Hrn.  Geh.  Brth.  von  der  Hude, 
W.,  Fasanen-Str.  35,  einsenden.  — 

Wettbewerb  General-Regulirungsplan  Brünn,  Verfasser 
des  zum  Betrage  von  1500  Kr.  angekauften  Entwurfes 
„33“  sind  die  Hrn.  Arch.  Gust.  Knell  und  Landes-Ing. 
Eduard  Engelmann  in  Wien.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Hamborn.  Der  preisgekrönte 
Entwurf  „Lieselene“  ist  eine  gemeinsame  Arbeit  der  Hrn. 
Gustav  Jänicke  und  Max  Franzke  in  Schöneberg.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Die  Mar.-Bfhr.  Schmidt  u.  Göhring 
sind  zu  Mar.  - Masch.  - Bmstrn.  ernannt.  Der  Mar.  - Masch. -Bmstr. 
Göhring  ist  z.  i.  März  nach  Danzig  versetzt. 

Baden.  Dem  Ing.  Caeramerer  in  Berlin  ist  eine  etatm. 
Prof-Stelle  an  der  Baugewerkschule  in  Karlsruhe  übertragen. 

Zugetheilt  sind  die  Reg.-Bmstr. : Joachim  dem  Bahnbauinsp. 
in  Bruchsal,  Schlössinger  in  Freiburg  und  Blum  in  tleidelberg  II. 

Preussen.  Dem  Arch.  Felix  Henry  in  Breslau  ist  der  kgl. 
Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen, 


Holzbau  weicht  von  dem  unserigen  ab  durch  seine  grössere 
Zierlichkeit  und  die  ganz  eigenartigen  spätgothischen  Mo- 
tive, sowie  auch  durch  besondere  Flächenbildung  in  Holz. 

Am  15.  Aug.  erreichten  wir  unser  westlichstes  Reise- 
ziel, den  Mont  St.  Michel.  Mit  dem  Festlande  durch  einen 
1,5km  langen  Damm  verbunden,  ist  dieser  Felsen  mit 
seinen  schweren  Rundthürmen  auf  den  Wällen,  den  freund- 
lichen Häusern,  den  gewaltigen  alten  Burgbauten  und  der 
das  Ganze  überragenden  Kirche,  in  vorzüglichem  Granit 
ausgeführt,  mit  dem  romanischem  Schiff,  mit  dem  spät- 
gothischen Chor,  der  Fassade  im  Jesuitenstil  und  einem 
modernen,  mächtigen  Vierungsthurm  ein  geradezu  einzig 
schöner  Ort  (s.  S.  95) ; besonders  reizvoll  durch  die  zweimal 
täglich  ihn  für  wenige  Stunden  umgebenden  Wasserwogen, 
die  sich  während  der  Ebbe  bei  dem  flachen  Meerbusen 
völlig  zurückziehen.  Dieser  unvergleichliche  Anblick  der 
andrängenden  Fluth  wird  allen  unvergesslich  bleiben,  so- 
wohl bei  herrlichem  Sonnenschein,  als  auch  besonders 
im  schimmernden  Silberlicht  des  Nachtgestirnes.  Auf 
schwankem  Boote,  die  Insel  zu  nächtlicher  Fluthzeit  um- 
fahrend, konnte  man  träumen,  die  Burg  Montsalvage  sei 
doch  auf  Erden. 

Die  köstlichen  Stunden  flohen  unwiederbringlich  dahin 
und  das  unerbittliche  Reiseprogramm  führte  nach  Le  Mans 
(16.  Aug).  Die  Kathedrale  von  bedeutender  Ausdehnung 
fesselte  in  hohem  Maasse,  in  gleicher  Weise  das  Privat-Mu- 
seum  des  Hrn.  Singher,  in  welchem  kunstgewerbliche  Ein- 
zelheiten aus  alter  Zeit  mit  grosser  Liebe,  sorgfältigem  Ver- 
ständniss  und  geläutertem  Geschmack  gesammelt  sind  und 
das  uns  mit  entgegenkommender  Bereitwilligkeit  zum  Ab- 
zeichnen geöffnet  wurde.  Das  Innere  der  Kathedrale  zu 
Chärtres  (17.  Aug.)  übertrifft  an  Schönheit  der  Verhältnisse 
und  Stimmung  der  Beleuchtung  alles  Andere  durch  die  gut 
erhaltenen,  ausgezeichneten  Glasfenster.  Dort  ist  auch 
ein  Treppenthurm  in  Holz,  nach  der  Königin  Bertha  be- 

108 


Die  Reg.-Bfhr.  Herrn.  Schirmer  aus  Frankfurt  a.  M.  (Wasser- 
bich.), — Heinr.  Ibrügger  aus  Artern  (Wasser-  u.  Strassenbfeh.), 
— Erich  Möckel  aus  Zwickau  u.  Eug.  Porath  aus  Berlin 
(Hochbfch.)i  — Aug.  Ernst  aus  Hannover  n.  Gg.  Göhner  aus 
Celle  (Eisenbfeh.),  — Wilh.  C u s 1 0 d i s aus  Köln  a.  Rh.  und  Emst 
ZU  Im  er  aus  Berlin  (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg. -Bmstrn.  ernannt. 

Sachsen.  Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zum  Tragen  der 
ihnen  verliehenen  Orden  ist  ertheilt  und  zwar:  dem  Geh.  Brth. 
Prof.  Dr.  Ulbricht,  vortr.  Rath  im  Finanz-Minist.,  des  kgl.  preuss. 
Rothen  Adler-Ordens  III.  Kl.  und  dem  Brth.  Thieme-Garniann 
in  Dresden  des  Ritterkreuzes  I.  Kl.  des  herz,  sachsen-ernestin. 
Hausordens, 

Die  Wahl  des  Geh.  Hofraths  Prof.  Dr,  Hempel  zum  Rektor 
der  Techn.  Hochschule  in  Dresden  für  die  Zeit  vom  i.  März  1903 
bis  dahin  1903  ist  bestätigt  worden. 

Die  Reg.-Bfhr.  Prater  in  Greiz,  Schmidt  in  Zittau,  Lange 
in  Ehrenfriedersdorf,  Lauen  stein  in  Aue  und  Klein  in  Döbeln 
sind  zu  Reg. -Bmstrn.  bei  den  Staatseisenb.  und  Benndorf  ist  z. 
Reg.-Bmstr.  bei  der  Strassen-  u.  Wasser-Bauinsp.  Schwarzenberg 
ernannt. 

Württemberg.  Der  Bez.-Baiünsp.  May  s er  in  Rottweil  ist 
nach  Ulm  versetzt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  A.  B.  in  Koblenz.  Ihrer  Sachdarstellung  ist  zu  ent- 
nehmen , dass  Ihr  Nachbar  auf  seinem  Grund.stücke  mit  Ihrem 
Wissen  und  ohne  Ihren  Widerspruch  Fenster  in  einer  Ihrem  Grund- 
stücke zugewendeten  Mauer  angebracht  hat,  die  scheinbar  bereits- 
25  Jahre  bestehen.  Dagegen  lässt  Ihre  Darstellung  unerörtert,  ob 
die  gesetzlichen  Voraussetzungen  der  lojährigen  Verjährung  voll- 
ständig erfüllt  sind,  was  thatsächlicher  Natur  ist,  weshalb  es  von 
uns  nicht  entschieden  werden  kann.  Genügt  die  lojährige  Ver- 
jährung, so  hat  der  Nachbar  ein  Recht  auf  Schutz  seiner  Fenster 
erworben  und  darf  deren  Verbauen  widersprechen.  Ist  es  indes.? 
zur  IO  jährigen  Verjährung  nicht  gekommen,  sondern  waren  nach 
den  Formen  der  Rechtsausübung  für  den  Rechtserwerb  30  Jahre 
erforderlich,  so  dürfen  Sie  noch  jetzt  dem  Fortbestände  der  Fenster 
widersprechen,  deren  Zumauern  im  Klagewege  fordern  oder  auf 
Ihrem  Grundstücke  Handlungen  ausführen,  in  deren  Verfolge  Ihrem 
Nachbar  Licht  und  Luft  durch  die  beregten  Fenster  abgeschnitten 
wird.  Maassgebend  ist  für  die  Frage,  ob  bereits  Verjährung  (Er- 
sitzung) eingetreten  ist,  noch  immer  C.  c.  Art.  2219 — 2281.  Völlig 
nebensächlich  ist  dagegen,  dass  das  jetzt  selbständige  Grundstück 
des  Nachbars  früher  ein  Bestandtheü  des  Ihrigen  war,  von  dem  es 
seinerzeit  abgezweigt  ist.  — K,  H-e. 

Hrn.  Arch.  W.  R.  in  Osnabrück  und  zahlreichen  anderen 
Fragestellern  müssen  wir  wiederholt  erklären,  dass  wir  im  Brief- 
kasten nicht  Angelegenheiten  behandeln  können,  über  welche  die 
Lehrbücher  oder  der  Anzeigentheil  unserer  Zeitung  Auskunft  geben. 
Der  Briefkasten  ist  lediglich  für  Fragen  von  allgemeinem  fach- 
lichen Interesse,  für  deren  Beantwortung  die  gewöhnlichen  Wege 
versagen,  zu  benutzen.  — 


Inhalt:  Barockfassadea  am  Breitenweg  in  Magdeburg.  — Verband 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine.  — Eine  akademische  Stu- 
dienreise nach  Nord-Frankreich  (Schluss).  — Mittheilungen  ans  Vereinen.  — 
Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und 
Fragekasten 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.H.,  Berlin.  Für  die  Redakliou 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh  Greve,  Beilin. 


nannt,  als  das  vollendetste  Beispiel  französischer  Holz- 
architektur anzusehen.  Der  Sonntag  Nachmittag  war  einem 
Ausflug  nach  Maintenon  gewidmet.  An  das  malerische, 
thürmereiche  Schloss,  umgeben  von  herrlichen  Baum- 
gruppen,. die  sich  in  träumerischen  Weihern  spiegeln, 
knüpfen  sich  geschichtliche  Erinnerungen  an  die  geistvolle 
Marquise  und  den  selbstsüchtigen  Ludwig  XIV.,  nach 
dessen  Willen  in  vier  Jahren  der  gewaltige  Aquädukt 
entstand,  der  nie  vollendet  ist.  Schloss  und  Park  waren 
von  einer  spätsommerlichen  Stimmung  umwoben,  so  be- 
haglich schön,  dass  man  sagen  möchte,  Maintenon  könnte 
in  Deutschland  liegen. 

Mit  gespanntester  Erwartung  betraten  wir  den  Boden 
von  Paris  (20.  bis  26.  Aug.).  Der  ausserordentliche  Reiz 
dieser  - stolzen  Weltstadt  verfehlte  nicht  seine  Wirkung. 

Nach  diesen  genussreichen  Tagen  war  es  schwer,  in 
Brüssel  noch  aufnahmefähig  für  -neue  Eindrücke  zu  sein 
(27.  Aug.).  Indess  dieser  ernste  mittelalterliche  Marktplatz, 
dessen  Harmonie  nicht  durch  ein  einziges  modernes  Bau- 
werk gestört  wird,  dieser  merkwürdige  Justizpalast,  ge- 
waltig in  seiner  Ausdehnung  und  wuchtig  in  der  Gruppi- 
rung,  endlich  dieses  wunderliche  Museum  Wiertz  mit 
seinen  gemalten  Phantasien  von  Schreckens-  und  Wahn- 
sinn-Scenen,  waren  doch  höchst  eigenartig.  Mit  heimath- 
lichem  Zauber  berührten  uns  die  Backateinhäuser  im  alter- 
thümlichen  Brügge  (28.  Aug.),  von  wo  aus  ein  fröhlicher 
Ausflug  nach  dem  Welibadeorte  Ostende  führte. 

Am  30.  Aug.  betraten  wir  wieder  Heimathsboden  und 
besuchten  Aachen,  leider  nur  zu  flüchtig.  In  Köln  machten 
wir  vor  unserer  Trennung  noch  einmal  Station.  Am  letzten 
Abend  (31.  Aug.)  versammelte  ein  Abschiedsfest  alle  Reise- 
theilnehmer.  Es  war  ein  fröhlicher,  harmonischer  Aus- 
klang einer  köstlich  verlaufenen  Studienfahrt. 

„Lerne  zu  leben, 

Lebe  zu  lernen!“  — H. 

No.  17. 


:S:«:2rs;s;sssf«Ä!St 

KUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN 
arstsrsrsjsrsrsjsrsts: 


s» 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2;  i8.  * 

DEN  I.  MÄRZ  igo2. 

"«srarsrsrsjsr 


Entwurf  zu  einer  „Kolonie  zur  Leibeserziehung“  von  Architekt  Hermann  Werle  in  Gross-Lichterfelde  bei  Berlin. 
Inneres  der  Halle  für  Wa.ssersport, 


Die  Stuttgarter  Stadterweiterung,  tscwuss,} 


ch  komme  nun  nochmals,  und  zwar  jetzt  in 
hygienischer  Beziehung,  auf  den  Unter- 
schied zwischen  der  offenen  und  der  ge- 
schlossenen Bauweise.  Die  grösste  Rolle 
spielt  dabei  die  Luftbewegung.  Die  Einen 
halten  den  Wich  für  günstig,  so  das  kgl.  Medizinal- 
Kollegium  in  einem  Gutachten  vom  Jahre  1871 ; es  wird 
eben  dadurch  verdorbene  Hofluft  mit  reinerer  Strassen- 
luft  vermischt  und  heiss  durchglühte  Strassenluft  aus 
dem  Blockinneren  abgekühlt.  Die  Anderen  tadeln  den 
durch  den  Wich  hervorgerufenen  Luftzug  und  das 
Durchwehen  von  Strassenstaub  in  die  Höfe.  Rettich 
will  dem  Luftaustausch  durch  den  Wich  überhaupt 
keine  Bedeutung  beimessen,  erklärt  jenes  Gutachten 
als  „nicht  mehr  auf  der  Höhe  der  Zeit  stehend",  und 
entwickelt  eine  Theorie  von  senkrechter  Luftbe- 
wegung, Nussbaum  erläutert  eine  solche  in  Wcllen- 
form.  Nach  meiner  Ansicht  ist  die  Luftbewegung  in 
einer  Stadt  des  Hügellandes  eine  so  verwickelte  und 
mit  der  Witterung  so  wechselnde  Erscheinung,  dass 
sie  sich  nicht  leicht  theoretisch  verfolgen  lässt.  Wie 
dem  auch  sei,  so  muss  man  jedenfalls  zugeben,  dass 


die  beabsichtigten  Vortheile  von  zahlreichen  Lücken 
sich  auch  in  einem  ringsum  geschlossenen  Block  er- 
reichen lassen,  falls  derselbe  nur  einen  reichlichen 
freien  Raum  ohne  Hintergebäude  (hintere  Baulinien) 
besitzt.  Nussbaum  betont  mit  Recht,  dass  weiträumige 
und  offene  Bauweise  nicht  gleichbedeutend  seien,  und 
giebt  für  weiträumige  Anordnung  geschlossener  Blöcke 
mehrere  Belege  aus  Hannover,  zu  welchen  Regeln  über 
dieAbmessungen  desBinnenraumes  in  den  Vorschlägen 
des  dortigen  Architekten-  und  Ingenieur-Vereins  zu  fin- 
den sind.  Das  Einbauen  von  „Wohnhöfen“  scheint  mir 
jedoch  unzweckmässiger  als  das  Einlegen  von  Zwischen- 
strassen. Luftiger  als  alle  diese  immerhin  schmalen, 
ringsum  abgeschlossenen  Räume  und  zugleich  spar- 
samer im  Flächenaufwand  wären  Blöcke  mit  offenen 
Querseiten,  sofern  an  den  Hintersciten  der  Häuser- 
reihen erhebliche  Vorsprünge  und  Flügel  untersagt 
werden;  dann  kann  längs  der  Hinterseite  die  gleiche 
Längsbewegung  der  Luft  wie  an  der  Strassenseite 
stattfinden.’)  Oder  die  sogenannte  halboffene  Bauweise: 

’)  Betreffende  Bestimmungen  in  der  neuen  Bauordnung  von 
Mannheim ; Centralblatt  der  Bauvcrwaltung  1901,  S,  436, 


längere  geschlossene  Häusergruppen  mit'  -hrerteii'. 
Lücken  dazwischen  (Skizze  bei  Knauss).  Der  Staub- 
gefahr, welche  bei  den  letztgenannten  Formen  allere 
dings  theilweise  wieder  auftritt,  kann  ich  keine  grosse 
Bedeutung  zuerkennen,  wenn  die  Strassen  ordnungs- 
mässig  gereinigt  und  begossen  werden,  besonders  in 
äusseren- Strassen  ohne- starken  Verkehr.  Wenn  man 
nun  auf  einem  dieser  Wege  naeh  der  geschlossenen 
statt  nach  der  offenen  Bauweise  baut,  so  wird  man 
die  Baukosten  wie  die  Strassenkosten  für  das  q*" 
Wohnfläche  verringern,  aber  auf  eine  neiinenswerthe 
Ersparniss  an  Gelände  m.  E.  nicht  rechnen  dürfen, 
denn  die  ersparte  Fläche  der  Wichstreifen  ist  im.Ver- 
hältniss  zum  Gesammt-Grundstück  an  sich  nicht  be- 
trächtlich und  muss  hinten  mehr  oder  weniger  wieder 
zugelegt  werden,  wenn  inbezug  auf  Licht  und  Luft 
Gleichwerthigkeit  beider  Bauweisen  erzielt  werden  soll. 
Zudem  bleiben  der  offenen  Bauweise  die  Vorzüge  der 
besseren  Belichtung  der  Häuser,  wenigstens  bei  mitt- 
leren und  grossen  Wohnungen.®)  — 

Aus  den  bisherigen  Erörterungen  möchte  ein- 
leuchten,  dass  eine  nach  Breite  und  Höhe  weit- 
räumige Bauweise  inbezug  auf  Bauplatz  und  Ge- 
sundheit den  Vorzug  vor  einer  Zusammendrängung 
besitzt,  aber  hinsichtlich  der  Aufbaukosten  namentlich 
bei  kleinen  Wohnungen  hintenansteht.  Der  Gegensatz 
in  der  Einwirkung  der  Bauordnung  auf  die  beiden 
Posten!  Bauplatz  und  Baukosten  lässt  sich  zahlen- 
mässig  Untersuchen,  und  das  thut  im  einzelnen  Falle 
jeder  Baulustige. 9)  Aber  die  Gesundheit  ist  nicht 
wohl  in  Geld  auszudrücken  , deshalb  bleibt  die  ge^ 
meinsame  Berücksichtigung  aller  Interessen  mehr 
oder  weniger  Sache  des 'Gefühls.  Dem  in  dem  vor- 
liegehdenWerke  mehrmals  wiederkchrenden  Satze,  die 
wirthschaftliche  Bedeutung  der  Bebauungs-Vorschriften 
sei  die  maassgebende,  lässt  sich  der  andere  gegen- 
über stellen:  was  nutzt  eine  billige  Wohnung-,  wenn 

8)  An  dieser  Stelle  seien  auch  die  Maassregeln  zugunsten 
kleiner  Wohnungen  in  Frankfurt,  Leipzig,  München  erwähnt, 
auf  welche  Rettich  als  Vorbilder  hinweist.  Sie  sind  nach  meiner 
Auffassung  ein  Beweis,  dass  die  dort  zugelasseiie  Baudichligkeit 
den  Boden  vertheuert  hat  und  nun  nicht  mehr  los  zu  werden  ist. 
Uebrigens  zeigt  Knauss,  wie  einseitig  Rettich  den  Münchener  Vor- 
gang für  seine  Ansicht  ausbeutet,  und  dass  jene  in  den  Schwester- 
städten zugelasscnen  Formen  hygienisch  immer  noch  besser  sind, 
als  die  Rcttich’schen  Vorschläge  für  Stuttgart.  v 

Wegen  allgemeinerer  rechnerischer  Beurtheilung  sei  auf 
meinen  Aufsatz  über  „Baukosten  und  Bodenpreise  in  der  Woh-J 
nungsfrage“  im  Technischen  Gemeindeblatt  1901  S.  225  hingewiesen.  •; 


'sie,  nicht  gesund  ist?.  Die.Erspariiiss  an  Miethe-Wüfde 
leicjit  aufgewogen  durch  den  Apfwänd  lür  -Krankheiten 
und  durch  den  Verlust  an  Arbeitsfähigkeit.  . 

; Die  Bedeutung  der  Bodenpreise  und  d^  Baukosten 
wechselt  mit  den  örtlichen  Umstanden,  aber  auch  -mit 
den  BevölkerungskläSsen,  bezw.  den  Bauzwecken.  Des- 
halb sind  zum  Zweck  einer  stets  zutreffenden  Ver- 
mit'telufi.g.'die  Bauvorschriften  sowohl  in  sozialer,  als 
in  topographischer  Hinsicht  abzustulen.  In  sozialer 
Beziehung  sei  erinnert  an  die  bekannten  Maassregeln: 
geschlossene  Bauweise  in  Geschäftsstrassen,  Milderung 

gewisser  Baubeschränkungen  bei  Kleinwohnungen, 
.ücksicht  auf  die  Geschäftslokale,  wenn  Wohnräume 
nur  io  den  Obergeschossen  liegen,  besondere  Be- 
stimmungen für  Indüstriebezirkc  usw.  Dergleichen 
Verfahren  sind  auch  in  dem  vorliegenden  Werke 
wiederholt  besprochen,  gegenwärtig  aber  kaum  noch 
bestritten  und  mancherorts  schon  eingeführt. 

Die  A.bstufung  in  topographischer  Beziehung 
erfolgt. bekanntlich  durch  eine  Zonentheilung,  Es 
ist  zwar  neuerdings  öfter  auf  diese  Erfindung  ge- 
scholten worden,  weil  sie  das  Bauwesen  einer  Stadt 
zu  sehr  in  ein  bestimmtes  Schema  zwänge  und  die 
architektonische  Freiheit  hemme.  In  dem  künstle- 
rischen Gutachten  für  Stuttgart  und  in  der  Einleitung 
von  Gauss  finden  sich  derartige, Bemerkungen;  selbst- 
verständlich ist  auch  Rettich  in  seinem  Streben  zu 
weitestgehender  Ausnutzung  des  Bodens  gegen  Zonen- 
theilung. Ich  weiss  jedoch  keinen  anderen  Weg,  auf 
dem  die  öffentlichen  Interessen,  namentlich  die  Vor- 
schriften über  Baudichtigkeit,  einfacher  und  wirth- 
schaftlich  schonender  gewahrt  werden  können.  Aller- 
dings dürfen  keine  allzu  schroffen  .Uebergänge  von 
einer  Zone  zur  anderen,  keine  Vorschriften  über  allerlei 
Nebenpunkte.,  keine  ästhetischen  Zwangsmaassregeln 
Vorkommen.,  wie  sie.  gerade  im  Stuttgarter  Ortsbaü- 
statüt  zu  finden  sind.  Und  södanil  sollten  innerhalb 
jeder  Zone  die  daselbst  bestehenden  oder  berechtigten 
sozialen  Unterschiede  berücksichtigt  werden.  Vielleicht 
richtet  sich  der  den  Zonen  zutheil  gewordene  Wider- 
wille, infolge  oberflächliche-r  Beurtheilung,  eigentlich 
weniger  gegen  den  Grundgedanken,  als  gegen  Aus- 
artungen und  Mängel  bei  dessen  Anwendung.  Ist 
der  Grundgedanke  wirklich  zweckmässig  durchgeführt, 
so  gilt  für  die  Architekten  die  Mahnung:  in  der  Be- 
' schränkung^zeigt  sich  erst  der  Meister.  — 

I Hiermit  sind  wir  bereits  in  den  dritten  Interessen- 


Bestrebüngen  zur  Pflege  des  Körperwohlstandes 
und  deren  Einfluss  auf  die  Baukunst. 

Von  Hermann  Werte,  Architekt  in  Gross  - Lichterfeide’*). 
(Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  S.  109  u.  112.) 

mn  der  Gegenwart  sind  zwei  bedeutende  Gedanken- 
strömungen in  der  Fluth  der  Erscheinungen  erkenn- 
bar, die  allseitig  werbend  um  sich  greifen  und  die 
— ist  ihnen  ein  starkes  freies  Durchdringen  beschieden 
mit  weitgreifendem  Wellenschlag  der  menschlichen  Ge- 
sellschaft mannigfache  befreiende  Wohlthaten  Zufuhren 
werden.  Die  eine  Strömung  will  dem  Menschen  als  Wehr 
gegen  die  Erschöpfungen  im  Berufsleben  die  Pflege  des 
Körperwohlstandes  heranbilden,  die  zweite  unserer 
Zeit  eine  ihr  eigene  Kunst  gewinnen,  die  ein  Bedürfniss 
des  gesummten  Volkes  erfüllt  und  keine  Luxuskunst  ist. 

Eine  rege  Wechselbeziehung  hält  diese  scheinbar  ge- 
trennten Bestrebungen  zu  einer  Einheit  zusammen;  denn 
ist  die  Pflege  des  Körperwohlstandes  ein  Bedürfniss  des 
Volkes  geworden,  so  ist  dieses  auch  mehr  zu  Kunstge- 
schmack gekommen,  weil  die  gesteigerte  Aufmerksamkeit 
auf  die  Wohlgestalt  des  Körpers,  auf  den  gesunden  reinen 


*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Wir  geben  die  nacbstehendeii 
Ausführungen  als  Begleittext  zu  dem  schönen  Entwürfe  des  Verfassers 
wieder,  ohne  uns  den  leidenschaftlichen  Erwartungen  lür  eine  baldige 
Verwirklichung  aiischliessen  zu  können,  welche  er  von  seinen  im  übrigen 
selu:  beachtenswerthen  Anregungen  hegt.  Wir  geben  sie  wieder,  well  wil- 
der Meinung  sind,  dass  grosse  Dinge  zunächst  nicht  ohne  einen  kräftigen 
Ueberschuss  an  temperamentvoller  Hoffnung  angebahot  werden  können 
und  wir  immerhin  die  W ahrscheiolichkeit  nicht  für  ausgeschlossen  halten,  dass 
ähnlich,  wie  e.s  bei  der  modernen  Heilstätten -Bewegung  der  Fall  ist,  es 
möglich  sein  dürfte,  auch  für  Unternehmungen,  welche  zunächst  mehr 
idealer  und  vorbeugender  Natur  sind,  grössere  Mittel  flüssig  zu  machen. 

Im  übrigen  entsprechen  wir  gerne  einem  Wunsche  des  Verfassers 
und  stellen  fest,  dass  seine  Anregungen  zeitlich  den  Nachrichten  voraus- 
gehen, welche  Anfangs  Februar  über  eine  von  ähnlichen  Gesichtspunkten 
ausgehende  „‘■'portsladt“  bei  Paris  verbreitet  wurden.  — 

1 JO 


Bau  das  Empfinden  für  das  Schöne  mehr  heranbilden 
wird.  Die 'Forderung,  dass  die  Pflege  des  Körpers  uns 
den  Schutz  des  gesunden  Körpers  zur  Pflicht  macht, 
ist  um  so  mehr  zu  beachten,  als  das  industrielle  Leben 
sich  mehr  und  mehr  von  natürlich  einfachen  Lebens-Be- 
dingungen entfernt'  und  eine  , einseitige  Bethätigung  der 
Körperkräfte  begünstigt.  Die  Erfüllung  dieser  Forderung 
ist  in  einer  Einrichtung  zu  treffen,  die  dem  Körper  eine 
Werthschätzung  bereitet,  wie  sie  heute  vorwiegend  dem 
Geiste  gewährt  wird.'  Bis  heute  befinden  sich  ent- 
‘sprechende  Einrichtungenhoch  hinter  dem  Anfangsstadium. 
Der  körperliche  Wohlstand,  die  behende  Rüstigkeit  wer- 
den heute  nicht  in  dem  Sinne  gepflegt,,  das^  sie  eine,  nöth- 
wendige  Eigenschaft  des  Gebildeten,'  den  vor- 
nehmsten Nationalbesitz  darstellen  können.  Und  was 
wollen  alle  Bestrebungen  sagen,  wenn  sie  'nicht  immer 
dem  Menschen  als  Ganzes  zugute  kommen?  - • - 

Unsere  Zeit  giebt  dem  in  das  geschäftliche  Alltagsleben 
eingereihten  Menschen,  wenn  ihm  sonst  alle.  Vorbedin- 
gungen dieser  Möglichkeit  Wohlwollen,  kurze  Ferienwochen 
während  der  heissesten  Sommertage  als", einzige  allge- 
mein geübte  Maassregel  zur  Erfüllung  der  Forderungen 
des  Körperwohlstandes.  Eine  niächtige,  nach  Lebens- 
frische hungernde^Schaar  verlässt  dann  die  Arbeitsstätte 
und  schwärmt,  nach  vielen  Tausenden  zählend,  in  die 
bunte,  freudige  Natur,  den  empfindlich  gewordenen  Körper 
den  mannigfachsteniWitterungsVerhältnissen  überlassend. 
In  Bade-  und  Luftkurorten  wird,  wenn  nicht  Krankheiten 
zu.  beseitigen  sind,  allgemein  .ein  Ruheleben  gepflegt.  Auf 
Reisen;  oder  Wanderungen  scheut,  die  lErholungsfreude 
nicht  Uebertreibungen  und  Anstrengungen ; die  Wohlt'häten 
des  Ferienaufenthaltes . versieg'eh  aber  bald  nach  der 
Wiederkehr  in  die  Gewohnheiten  des  Berufslebens.  Der 
Gewinn  für  den  Wohlstand  des  Körpers  ist  daher  gering. 
Betrübend  ist  darum  auch  der  hohe  Prozentsatz  von 


No.  j8. 


kreis  eingeti'eteOj  welcher  sich  in  dem  vorliegenden 
Sammelwerk  darbietet,  nämlich  die  Aesthetik.  Diese 
hat  ganz  besonders  die  Gemüther  in  Stuttgart  be- 
schäftigt, indem  in  der  herrlichen  Lage  der  Stadt  eine 
Freude  für  die  ganze  Bevölkerung  und  eine  Anziehungs- 
kraft auf  Frem.de,  also  sowohl  ein  ideales,  als  ein 
wirthschaftliches  Moment  liegt.  Natürlich  kann  das 
künftige  Städtebild  nicht  Landschaftsbild  bleiben,  aber 
man  wünscht  allerseits  mit' Recht  ein  Zusammenwirken 
von  architektonischen  und  landschaftlichen  Zügen. 
Daraus  entstand  der  Vorwurf  gegen  Rettich,  nach 
seinem  Vorschlag  werde  ein  mehrfach  steinerner  Gürtel 
gebildet  und  die  Natur  ganz  ausgeschlossen.  Indessen 
cs  ist  diese  Besorgniss  deshalb  übertrieben,  weil  Rettich 
die  geschlossenen  Häuserreihen  überall  dort  unter- 
brechen und  unter  Umständen  ein  Bauverbot  zugeben 
will,  wo  sich  grosse  bauliche  Schwierigkeiten  wegen 
starker  Neigung  des  Geländes  finden.  ‘ Dies  ist  auf  der 
Südostseite,  der  Stadt  mehrfach  der  Fall,  auf  der  Nord- 
westseite nur  an  einer  Stelle,  dem  Kriegsberg,  und 
es  entspricht  dies  insofern  den  gegebenen  Verhält- 
nissen, als  man  -wünschen  muss,  gegen  Südost  den 
Blick  auf  die  bewaldeten  Höhen  offen  zu  halten,  wäh- 
rend auf  der  Höhe  nach,  Nordwesten  der  Wald  fehlt. 
So.  würden  nach  Rettichs  Absicht  auf  den  beiden 
Tlialseiten  zwei  Gegenbilder  entstehen,  ein  mehr  archi- 
tektonisches und  , ein  mehr  landschaftliches.  Dieser 
Meinung  tritt  die  Künstler-Kommission  bei.  Sie  fügt 
aber  noch  als  eine  weitere  Begründung  hinzu,  dass 
durch  den  Wich  bei  3-  und  4-geschosrigen  Bauten 
ein  unschöner  und  unruhiger  Eindruck  hervorgerufen, 
und  derselbe  bei  etwaiger  Vergrösserung  des  Wichs 
von  3 auf  5 oder  6*^  noch  bedeutend  verschlechtert 
werde.  Also  alle  die  vielen  Strassen  in  den  Aussen- 
bezirken  deutscher  Städte,  in  welchen  die.  offene  Bau- 
weise, zumeist  gerade  mit  6™  Wich,  durchgeführt  ist, 
werden  plötzlich,  „vom  künstlerischen  Standpunkt“ 
verworfen!  Ueber  den  Geschmack  ist  nicht  zu  streiten; 
ich  möchte  aber  doch, ■ sicherlich  mit  vielen  küiistle-i 
rischen  und  mit  vielen  naiven  Menschen,  die  entgegen- 
gesetzte Meinung'  aussprechen,  ..dass  bei.  passender 
Wahl  und  Behandlung  des  .Wichs  .und.  bei  gleichem 
Grade  architektonischer'  Durchbildung;  eine.  . unter- 
brocheneHäuserreibe  reizvoller  ist,  als  eine  fortlaufende, 
besonders  auf  ansteigendem  Gelände,  wo  eine  eigen- 
artige Gestaltung  der  Häuser  und. ihre  Durchsetzung  mit 
etlichen  grünen  Lücken  erst . recht  erfreulich  wirken 


möchte.  Im  Sinne  Rettichs' wird  freilich  dagegen  can 
sparsame  Verwendung  des  Baugeländes  gemahnt  wer- 
den; allein  Stuttgart ‘dürfte  es  sich  schon  etwas  kosten 
lassen,  um  die  an  verschiedenen  Stellen  schon  vorhan- 
dene anmuthige  Vereinigung  von  Bauwesen  und  Pflan- 
zenwelt in  der  Stadterweiterung  reichlich  zu ' wieder- 
holen. Zudem  fällt  der  Grund,  dass  die  geschlossene 
Bauweise  weniger  Baukosten  verursacht  und  sich  des- 
halb besonders  für  billige  Wohnungen  eignet,  auf  den 
meisten  Bergabhängen  weg,  weil  die  kostspielige  Grün- 
dung und  die  schöne  Lage  (hoher  Bodenwerth)  Klein- 
wohnungen hier  ohnedies  ausschliessen. 

Die  Villenbezirke  in  der  äusseren  Zone  will  Rettich 
für  lo^lo  der  Bevölkerung  Vorbehalten  (s.  o.).  In^ 
dessen  weist  Nussbaum  darauf  hin,  dass  das  Ver- 
hältniss  der  Flächen  ein  anderes  sein  müsse,  als  das- 
jenige der  Personen,  weil  der  Wohlhabende  für 
Haus  und.  Umgebung  mehr  Raum  beansprucht.  ” Er 
nimmt  deshalb  zu  diesem  Zweck  25 — 30  ^lo  des  Stadt- 
erweiterungs-Gebietes  an,  wobei  es  angesichts  der  zu 
hoffenden  Eingemeindung  von  Cannstatt  auf  eine  ängst- 
liche Erwägung  nicht  ankomme,  sondern  alle  jene 
Geländeabschnitte  für  Landhausviertel  erklärt  werden 
dürften,  deren  andersartige  Bebauung  schwierig,  oder 
deren  landschaftliche  Lage  für  das  Stadtbild  bedeu- 
tungsvoll sei.  Dies  entspricht  im  Wesentlichen  dem 
Kölle’schen  Entwurf,  insbesondere  trifft  der  genannte 
Bruchtheil  fast  genau  zu — wozu  also  der  Lärm? 

Im  Weiteren  hat  sich  die  Künstler-Kommission 
hauptsächlich  mit  Gegenständen  befasst,  durch  welche 
eine  Mannichfaltigkeit  der  Bebauung,  namentlich 
an  den  Panoramastrassen,  erstrebt  werden  soll.  Sie 
bezeichnet  als  solche  Gegenstände  die  Strassenbreiten, 
die  Vorgärten  und  Hauseingänge,  unter  Zugabe  eines 
ansprechenden  Bildes  für  letztere.  Ferner  spricht  sie 
sich  bei  der  offenen  Bauweise  für  häufigen  Wechsel 
im  Maass  des  Wichs  und  für  jeweilige  Unterbrechung 
mit  längeren  gesclilosseneii  Gruppen  aus  und  belegt 
auch  diesen  Rath  mit  Abbildungen.  Ihre  „Studien“ 
zeigen  die  Ueberbauung  des  Kriegsberges  in  zwei 
Gegenbildern  (s.  Seite  89),  einmal  mit  gleichföi'miger 
Reihe  der  Häuser  und  sodann  mit  den  Motiven  von 
Wechsel  und  Unterbrechung,  und  beweisen  dadurch 
klar  den  Werth  der  letzteren.  Es  scheint  mir  nur 
nicht  richtig,  dem  schlichteren  Bilde  den  Namen 
Kölle’s  bcizulegen,  indem  derselbe  zwar  einige  be- 
sondere Rathschläge  ertheilt  hat,  imganzen  aber  der 


Menschen  mit  minderwerthiger  Körperb.es.chaffenheit,  „die 
sich  'durch  Missverhältnisse,  schlechte  Haltung,  müde  Be- 
wegung, oder  körperliche  Ohnmacht  kennzeichnet  und 
dem  Auge  .eine  so  schlechte  Schule  „zur  Hebung  des  Ge- 
schmackes ^bereitet. 

■ Der  Erfüllung  der  Naturforderungen  will  eine-  zahl- 
lose Reihe  privater  Vereinigungen  dienen,  die  in.  d.en 
Stunden,  welche  die  Tagespflichten  übrig  lassen,  irgend 
eine  sportliche  Fertigkeit  .oder  ein  Spiel  üben.  Der  prak- 
tische “Werth  dieser  Unternehmungen  wird  aber  vielfach 
beeinträchtigt,  weil  hier  oft  gerade  die  dem  Körper  schäd- 
lichen Uebertreibungen  geschult  werden  und  zudem  die 
Einseitigkeit,  der  Uebungen  eine,  einseitige  Entwicklung 
begünstigt.'  -Die  Aufgabe  nach  turnerischer  Leibesfrische, 
die.  allezeit  Herr  der  Gliedmaassen  sein' will,  liegt  nicht  in 
ihrem  Programm.  Das  Prinzip  der  Körperwohlstands- 
Forderungen,  die  Schulung  und  Pflege  der  gesunden 
Muskelkräfte  mit  dem  Ziele  des  rein  erhaltenen  Organis- 
mus ist  ihnen  vielfach  unbekannt..  Und  doch  danken  wieder 
Schöpferhänd  einen' freien,  offeneu  Sinn  für  die  .einzige 
Schönheit  der  menschlichen  Gestalt,  die  wir  uns  erhalten 
und  pflegen  sollten. 

Wie  schaffen  wir  uns  nun  aber  die  Erfüllung  der  be- 
regten  Forderungen?  Werden  es  staatliche  Anregung 
oder  private  Unternehmungen  sein,  die  uns  ein  Walhall 
für  Leibesschulung  bereiten,  ein  rationelles  Programm  .zur 
Erlangung  einer  dauerhaften.  Kriegsrüstigkeit  des  Mannes, 
gesunderMütter  undschöner.elastiseherRassegeschlechter? 
Kleine,' unsch.einhare  Anfänge  sind  freilich,  nicht,  angethan, 
den  Bedürfnissen  zu  genügen.-  Von  künstlerischem  Geist 
getragene,- weite  Gelände-  und  Bauanlagen;  die  ein  reges, 
ähspdrnerides  und  vielseitiges  Leben  aufzunehmen  und  zu 
entwickeln  vermögen,  sind  nothwendig,  wo  sich  im  Sinne 
eines  Badeortes  dem  Besuchendenein  längerer  oder 
kürzerer  Ferien-Aufenthalt  ermöglicht,  wo  grossen 

i:  März  1902. 


Spiel-  und  Festaufführungen  der  geeignete  Raum  geboten 
wird.  Auf  einem  grossen,  mit  parkartiger  Umgebung  ver- 
sehenen Gelände,  in  Verbindung  mit  ausgedehnten  Wasser- 
flächen und  durchschnitten  von  einzelnen  belebenden 
Wasseradern,  müssen  sich  die  zahlreichen  Gebäude  er- 
heben, die  den  vielgestaltigen  Bewegungs-Uebungen,  den 
Schaustellungen  und  Lehranstalten,  denW ohnhäusern  dienen 
sollen  und  die  den  Forderungen  beider  Geschlechter  genü- 
gen (s.S.  112).  Zu  j eglich er  Jahreszeit  ist  der  Besuch  zu 
ermöglichen;  für  den  Sommer  und  den  Winter  sind  für  die 
Uebungen  nur  verschiedene  Bewegungsfelder  zu  bereiten. 

Darin  liegt  für  ein  solches  Unternehmen  die  Basis  zu 
starkem  Besuch,  dass  die  Gäste  für  eine  oder  mehrere 
Wochen,  auch  in  verschiedenen  Jahreszeiten  wie- 
derholt Aufenthalt  nehmen , können.  Steht  das  Institut 
unter  staatlichem  Einfluss,  so  könnte  für  Studirende  und 
reifere  Schüler  oder  andere  Begünstigte  aus  dem  Reiche 
eine.Ferien-Kolonie  eingerichtet  werden,  die  im  besten 
Sinne  für  die  Entwicklung  der  Strömung  wirken  würde. 
Auch  der  einfache  Tagesbesuch  aus  der  nahen  Grosstadt 
würde  ein  zahlreiches  Heer  von  Besuchern  und  den 
Fremdenstrom  anziehen. 

Durch  festliche  Veranstaltungen  sportlicher  Art  oder  . 
von  nationaler  Bedeutung,  durch  grosse  Kongresse,  die 
sich  in  monumentaler  Repräsentation  entfalten  sollen,  kön- 
nen dort  vieltausendköpfige  Versammlungen  zusammen- 
gezogen wer  den.  Durch  Vermiethung  der  "Restaurationen, 
der'  Hotels,  der  Römischen  Bäder,  der  Ruder-  und  Segel- 
häuser,  der  Theater  und  Hörsäle,  der  Ausstellongs-  und 
Verkaufsläden,  der  Pferdeställe  us  w.  kann  dem  Unternehmen 
ein  hoher  Ertrag  in  Aussicht  gestellt  werden.  Man  dürfte 
wohl  eine  Besuchsziffer  dafür  annehmen,  wie  sie  z.  B.  der 
Zoologische  Garten  in  Berlin  aufweist.  So  wäre  eine  Ver- 
zinsung vieler  Millionen  gegeben,  die  eine  grossartige  künst- 
lerische Gesammtentfaltung  zulassen.  — (Schluss  folg-t) 


T 1 1 


Gemeinde  nach  wie  vor  die  Einzelbestimmungen  über 
die  Bebauungsweise  von  Strasse  zu  Strasse  Vorbe- 
halten wollte,  wobei  dann  natürlich  verschiedenartige 
Abstände  und  grÖssercBaugruppenPlatz  finden  können. 
Dabei  kommen  auch  die  Dachformen  infrage,  welche 
bisher  vielfach  verkrüppelt  wurden,  weil  es  üblich  w'ar, 
die  Gebäudehöhe  an  neueren  Strassen  bis  zum  First 
vorzuschreiben,  und  der  Baulustige  diese  Höhe  mög- 
lichst auszunutzen  suchte.  Statt  dessen  wird  mit  Recht 
die  freie  Ausgestaltung  der  Dächer  gewünscht,  unter 
Festsetzung  der  Traufhöhe  nach  Ortsbaustatut. 

Ferner  empfiehlt  die  Kommission  die  Besetzung 
etlicher  Hochpunkte  mit  bedeutenden  Bauwerken. 
Ausser  der  Bekrönung  des  Kriegsberges,  welche  aus 
dem  Bilde  Seite  89  zu  ersehen,  ist  es  diejenige  des 
Reinsburghügels,  welche  einen  neuen  beachtens- 
werthen  Vorschlag  für  die  Lösung  einer  in  Stuttgart 
vielbesprochenen  Frage  enthält.  Das  Wesentliche  er- 
hellt aus  den  Seite  loi  gegebenen  Ausschnitten  der 
betr.  „Studienblätter“  des  Sammelwerkes. 

Welchen  Zwecken  sollen  aber  dergleichen  gross- 
artige Bauwerke  dienen?  Nach  den  Abmessungen 


Entwurf  zu  einer  „Kolonie  zur  Leibeserziehung“ 
von  Architekt  Herrn.  Werle  in  Gross-Lichterfelde  bei  Berlin. 

und  nach  dem  ästhetischen  Zwange  zu  schliessen,  kann 
man  wohl  nur  an  öffentliche  Gebäude  denken.  Was 
die  Wirkung  im  Stadtbild  betrifft,  so  würde  dieselbe 
unstreitig  eine  imponirende  sein,  aber  so  lange  das 
Bauwerk  auf  einem  Hochpunkte,  der  Kosten  wegen, 
noch  auf  sich  warten  lässt,  könnte  immerhin  durch 
Erdarbeiten  und  hochragende  Bäume  eine  grüne  Insel 
über  dem  Häusermeer  und  dadurch  ein  mehr  freund- 
licher Eindruck  geschaffen  w^erden,  wie  es  im  Ent- 
wurf an  etlichen  Stellen  beabsichtigt  ist.  Nachahmens- 
werth  ist  das  Verfahren,  die  ästhetische  Wirkung  künf- 
tiger Stadttheile  durch  Bildstudien  voraus  zu  prüfen. 
Noch  besser  wäre  u.  Umst.  der  Weg  des  Modelles 

1®)  Ein  Relief-Modell  des  gesammten  Strassenpianes  im  Maass- 
stab I :a5oo,  Höhen  doppelt  so  gross,  war  erstmals  bei  der  Ver- 
sammlung des  deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
in  Stuttgart  1895  zu  sehen. 


oder  gar,  wie  Rettich  vorschlägt,  die  Aufstellung  von 
Brettergerüsten.  — 

In  einem  Schlussabschnitt  des  Sammelwerkes  hat 
Dr.  Rettich  nach  den  vorliegenden  Gutachten  die  Haupt- 
Gesichtspunkte  zur  Stadterweiterung  zusammengestellt. 
Gewiss  ist  die  ausgesprochene  Absicht,  auf  diese  Art 
den  bürgerlichen  Kollegien  die  Mühe  der  Vertiefung 
in  die  grosse  Menge  des  Stoffes  zu  erleichtern,  aner- 
kennenswerth,  allein  die  zu  diesem  Zweck  erforderliche 
Unpartheilichkeit  hat  der  Verfasser  nicht  gewahrt.  Es 
ist,  juristisch  gesprochen,  kein  Resume,  sondern  eine 
Replik.  In  zwei  wichtigen  Punkten  hat  jedoch  Rettich 
seine  früheren  Anschauungen  gemildert.  Der  eine 
besteht  in  einer  beschränkten  Zulassung  der  offenen 
Bauweise,  welche  nur  in  Geschäftsstrassen,  an  freien 
Plätzen  und  bei  kleinen  Wohnungen  ausgeschlossen 
werden  soll.^^)  Um  diese  seine  Wandlung  zu  erklären, 
hält  Rettich  zwar  seine  bisherigen  grundsätzlichen 
Bedenken  gegen  den  Wich  aufrecht,  aber  er  findet 
einen  neuen,  einen  „ethischen“  Grund  für  den- 
selben heraus,  nämlich  die  Gewohnheit,  Wo  ge- 
wisse Formen  an  Häusern,  Grundrissen,  Zimmern, 
ja  selbst  am  Hausrath  typisch  geworden  seien,  da 
solle  man  deren  Beibehaltung  auch  denjenigen  Ein- 
wohnern ermöglichen,  welche  in  das  Stadterweiterungs- 
Gebiet  ziehen  wollen.  Gewiss  ein  merkwürdiger  Be- 
weggrund! In  den  Gutachten  ist  nirgends  davon  die 
Rede.  Uns  will  bedünken,  dass  Rettich  hauptsächlich 
durch  die  öffentliche  Meinung  veranlasst  worden 
ist,  welche  sich  fast  durchweg  ungemein  lebhaft  für 
die  Beibehaltung  des  Wichs  bei  Wohnhäusern  ausge- 
sprochen hat.  Hier  etwas  Nachgiebigkeit  zu  zeigen, 
ist  gewiss  bei  einem  Gemeinderath  ganz  verständig, 
ob  man  die  Erwägung  nun  ethisch  oder  ästhetisch 
nennen  mag. 

Die  zweite  überraschende  Abweichung  von  seinem 
ersten  Standpunkt  bekundet  Rettich  durch  die  Aner- 
kennung des  Lichtwinkels  von  45'^.  Dieser  solle 
im  Stadterweiterungs-Gebiet  an  sämmtlichen  Strassen 
dem  untersten  Stockwerk,  in  den  Höfen  jedem  Wohn- 
raum  in  Vorder-  und  Hintergebäuden  gesichert  wer- 
den. Ob  diese  Einsicht  etwa  den  Gutachten  oder  der 
vielfachen  Bekämpfung  Rettichs  in  der  Presse  zu 
verdanken  ist,  kann  uns  gleichgiltig  sein.  Merkwürdig 
ist  aber,  dass  gerade  dieses  Gesetz,  eines  der  wich- 
tigsten in  der  Bauhygiene,  bei  den  Anträgen  an  die 
Gemeinde-Kollegien  fehlt.  Vermuthlich  hat  man  bei 
der  Vorbereitung  dieser  Anträge  eine  so  einschnei- 
dende Aenderung  am  Stuttgarter  Ortsbaustatut  fallen 
gelassen,  weil  die  Vertreter  des  Grundbesitzes  Wider- 
stand leisteten  oder  doch  erwarten  Hessen.  Mit  der- 
gleichen Schwierigkeiten  ist  es  in  Stuttgart  ebenso 
wie  anderwärts  bestellt,  was  erst  vor  einigen  Jahren 
eine  ganz  gelinde  Nachprüfung  des  Ortsbaustatutes  ge- 
zeigt hat. 

Abgesehen  von  dem  eben  erörterten  Punkt  stim- 
men die  Schlussanträge  in  dem  Sammelwerk  genau 
mit  dem  am  17.  Oktober  v.  J.  in  den  Gemeinde-Kolle- 
gien vorgelegten  und  beschlossenen  Sätzen  überein. 
Ihr  Worüaut  ist  in  meinem  Artikel  S.  555  der  Dtsch. 
Bztg.  von  1901  zu  finden,  und  erlaube  ich  mir  auch 
auf  die  daselbst  angehängte  Kritik  zu  verweisen.  Erst 
wenn  jene  dehnbaren  Sätze  durch  Bestimmungen  für 
die  einzelnen  Strassen  und  Bezirke  eine  befriedigende 
Tendenz  deutlich  erkennen  lassen  und  durch  ent- 
schiedene baupolizeiliche  Vorschriften  im  Sinne  der 
Weiträumigkeit  ergänzt  sind,  kann  uns  die  Stuttgarter 
Rathhaus-Baupolitik  für  die  Stadterweiterung  heilsam 
erscheinen.  ^ R.  Baumeister. 

Ebenso  bei  Gauss  in  der  Einleitung  unter  besonderer  Rück- 
sicht auf  Einfamilienhäuser. 

Artikel  in  Fachzeitschriften:  Vierteljahrschrift  f.  öff.  Ge- 
sundheitspflege rgoo,  S.  537.  Technisches  Genieindeblatt  1900/1901, 
S.  81.  Deutsche  Bauzeitung  igooj  S.  10,  163,  198,  278,  366. 

Als  einziger  Anhänger  Rettichs  ist  erst  neuerdings  Henrici 
a.  a.  O.  aufgetreten,  welcher  sich  von  dessen  Vorschlägen  eine 
Förderung  der  Kunst  verspricht,  aber  m.  E.  die  anderen  Grund- 
lagen des  Städtebaues:  Verkehrswesen,  Hygiene,  Bauordnung  allzu 
gering  schätzt.  — 


112 


No.,  i8. 


Elektrische  Schnell-  und  Vollbahnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als  Antrieb. 

(Fortsetzung,) 


he  die  Versuche  auf  der  Lichterfelder  Strecke  zum  Ab- 
schluss gekomtnen  waren,  wurde  — am  lo.  Okt.  1899 
— die  „Studiengesellschaft  für  elektrische 
Schnellbahnen“  gegründet,  zu  dem  Zwecke,  den  Bau 
von  elektrischen  Bahnen,  welche  dem  Schnellverkehr  auf 
grössere  Entfernung  dienen  sollen,  durch  Bearbeitung  der 
einschlägigen  Fragen,  insbesondere  auch  durch  Anstellung 
praktischer  Versuche,  vorzubereiten.  Das  Nähere  über 
diese  Gründung,  die  betheiligten  Firmen  und  die  Aufgaben, 
welche  zu  lösen  waren,  siehe  in  der  Dtschn.  Bztg.  1899  S.  523. 

Die  erste  Aufgabe  der  Gesellschaft  war  die  Schaffung 
und  Ausrüstung  von  Betriebsmitteln.  Diese  Aufgabe  fiel 
den  entsprechenden  an  der  Gründung  betheiligten  Firmen 
zu,  nämlich  van  der  Zypen  & Charlier  für  den  Wagen- 
bau, Siemens  & Halsk'e  und  der  Allg.  Elektricitäts- 


3.  Der  zur  Verfügung  stehende  Dreiphasenstrom  wird 
der  Zentrale  Oberspree  der  Berliner  Elektrizitätswerke 
entnommen  und  hat  eine  Spannung  von  12000  Volt  bei 
einer  Periodenzahl  von  50  in  i Sek. 

4.  Die  zu  erstrebende  grösste  Fahrgeschwindigkeit 
soll  250  km  betragen. 

Die  Speiseleitung  wurde  von  der  Allgem.  Elektricitäts- 
Gesellsch^t,  die  Arbeitsleitung  von  Siemens  & Halske  nach 
dem  Muster  der  Lichterfelder  Versuchsstrecke  als  eine  drei- 
fache Leitung  von  je  100  qmm  Querschnitt  hergestellt,  wäh- 
rend jede  Firma  für  sich  einen  nach  ihrer  Angabe  von 
van  der  Zypen  & Charlier  erbauten  Triebwagen  ausrüstete. 

Die  beiden  Wagend)  wurden  an  sich  im  wesentlichen 
gleich  liergestellt.  Die  elektrische  Einrichtung  stimmt  nur 
insofern  überein,  als  sie  durch  das  Programm  und  die 


Abbild^.  7.  "Wagen  von  Siemens  Sc  Halske. 


A.  Transformator. 

B.  Luft-  und  Kabel- 
schacht. 

C.  Umschalter. 

D.  Widerstände. 

E.  Kühlschlange  für 
die  Widerstände, 

F.  Luftpumpe. 

G.  Motoren. 

H.  Akkumulatoren. 


Gesellschaft  für  die  elektrische  Ausrüstung,  Bei  der 
Aufstellung  des  Programmes  wurden  die  Erfahrungen  der 
Firma  Siemens  & Halske  auf  der  Lichterfelder  Strecke 
benutzt.  Für  die  Vornahme  der  Fahrversuche  stellte  die 
Direktion  der  kgi.  Militär-Eisenbahn  ihre  Bahnstrecke 
zur  Verfügung.  Die  Aufgabe,  welche  den  ausführenden 
Firmen  gestellt  wurde,  lautete  in  den  wesentlichen  Punkten 
etwa  folgendermaassen: 

1.  Die  Fahrstrecke,  Abbildg.  3,  erstreckt  sich  von 
Marienfelde  bis  Zossen  auf  eine  Länge  von  23  km^  mit 
einem  kleinsten  Krümmungshalbmesser  von20oo“und  einer 
grössten  Steigung  von  i : 200.  In  den  Zwischen-Stationen 
Mahlow  und  Rangsdorf  ist  an  das  geradlinig  durchgeführte 
Hauptgleis  je  ein  Seitengleis  mit  2 Weichen  angeschlossen. 

2.  Die  mit  2 dreiachsigen  Drehgestellen  versehenen 
Wagen  sollen  höchstens  16  ^ Achsdruck  erhalten  und  etwa 
50  Fahrgästen  Raum  gewähren. 


daraus  folgende  Bauart  derWagen  bedingt'war;  im  übrigen 
sind  die  von  beiden  Firmen  gewählten  Anordnungen  mög- 
lichst verschieden  ausgebildet,  offenbar  um  ein  recht  reich- 
haltiges Studienmaterial  zu  gewinnen. 

Die  Wagen  (vergl.  Abbildg.  4 in  No.  16)  ähneln  D-Zug- 
wagen,  mit  Endeingängen  in  den  Längswänden;  ausserhalb 
der  Endeingänge  befinden  sichdieFührerstände.  DieKasten- 
länge  des  von  Siemens  & Halske  ausgerüsteten  Wagens 
beträgt  21  des  von  der  Allg.  Elektr.-Ges.  ausgerüsteten 
22“.  Die  Oberkante  Wagenfussboden  Hegt  1415““  über 
Schienenoberkante,  die  Breiten-  und  Höhenmaasse  bleiben 
innerhalb  der  Umgrenzungslinie  für  Hauptbahn-Betriebs- 
mittel. Die  Drehgestelle  haben  einen  Achsstand  von  2 mal 

5)  Vergl.  die  ausführlichen  Beschreibungen  der  Wagen  in  der  „Elekti'o- 
technischen  Zeitschrift“  igoi  Heft  34  ff.  (Wagen  von  Siemens  & Halske) 
und  der  „Zeitschrift  des  Vereins  deutscher  Ingenieure“  1001  Heft  36  u.  37 
(Wagen  der  A.  E.-G.). 


I.  März  T902. 


113 


OberSc^wneweiäh-- 


[goü  und  einen  Raddurchmesser  von  1200  Der 
Rahmen  des  Drehgestelles  ist  gegen  die  Achse  doppelt, 
mittels  Blatt-  und  Spiralfedern  abgefedert.  Der  Drehzapfen 
des,  Wagenkastens  ruht  starr  auf  dem  Rahmen,  von  der 
sonst  üblichen  Querschwinge  oder  Wiege  ist  also  abge- 
sehen, um  den  für  die  Motoren  verfügbaren  Raum  nicht 
zu  beschränken-  Es-  ergab  sich  aus  dem  Abstande  der 
Drehgestelle,  dass  eine  Zahnradübertragung  zwischen 
Motor  und  Achse  ausgeschlossen  war  und  nur  ein  un- 
mittelbarer Antrieb  infrage  kommen  konnte;  dass  trotz  der 
grossen  zu  übertragenden  Kräfte  und  Geschwindigkeiten 
eine  Zahnradübertragung  an  sich  möglich  gewesen  wäre, 
wurde  von  S.  & H.  durch  Versuch  erwiesen.  Da  der  Raum 
über  der  Mittelachse  durch  den  Drehzapfen  in  Anspruch 
genommen  war,  konnten  nur  2 Motoren  an  jedem  Dreh- 
gestell angebracht  werden.  Die  nothwendigen  Spannungs- 
wandler  mussten  nach  dem  Programm  am  Fahrzeug  ange- 
bracht werden  und  wur- 
den unter  den  Wagen- 
kasten gelegt. 

Für  den  Kraftbedarf 
bei  so  hoher  Geschwin- 
digkeit lagen  Angaben 
nicht  vor.  Der  Haupt- 
theil  musste  auf  den 
Luftwiderstand  entfallen. 

Durch  Messungen  von 
S.  & H.  mit  umlaufen- 
den Versuchskörpern 
wurde  unter  der  An- 
nahme eines  an  den 
Ecken  abgestumpften 
Wagengrundrisses  der 
Luftdruck  für  iq“  Quer- 
schnittsfläche bei  einer 
Geschwindigkeit  von 
200 't“'  in  der  Stunde, 
oder  56“-  in  der  Sek., 
zuppi^g  festgestellt;  bei 
loqni  Querschnittsfläche 
und  einem  Grundwider- 
stand von  4,5  ergab 
sich  für  ein  Wagenge- 
wicht von  6 X 16  = 96  t 
ein  Kraftbedarf  von 
rd.  1000  P.  S.  im  Be- 
harrungszustande. I-Iier- 
nach  musste  jeder  der  4 
Motoren  für  eine  Dauer- 
leistung von  250  P.  S. 
bestimmt  werden;  beim 
Anfahren  ergab  sich 
unter  Zugrundelegung 


Abbüdg.  3.  Lageplan  der  Versuchs- 
strecke Marienfelde — Zossen. 


einer  Beschleunigung  von  0,4 in  1 Sekunde  eine  Leistung 
von  750  P.  S.  für  den  Motor. 

Die  Motoren  sind  sechspolig.  Die.  Regelung  der  Ge- 
schwindigkeit erfolgt  durch  Einschalten  von  Widerständen 
in  den  Ankerstrorakreis.  Der  Motor  der  A.  E.-^G.  hat  ein 
Gewicht  von  3,2  der  Ständer  bildet  das  Feld,  der  Läufer 
den  Anker. Die  Feldspannung  beträgt  435  Volt,  die 
grösste  Spannung  im  Anker  325  Volt.  Der  Anker  ist 
zweiphasig  gewickelt;  er  besitzt  4 Schleifringe,  welche 
zur  Abnahme  der  Regelungsströme  dienen.  Der  Motor 
hat  kein  umschliessendes  Gehäuse,  .sodass  die  Luft  un- 
mittelbar die  Aussen.seite  der  Bleche  des  Feldes  trifft  und 
diese  abktihlt.  Der  Läufer  mit  den  Schleifringen  ist  durch 
ein  Gehäuse  abgeschlossen.  Die  Achse  des  Motors  ist 
hohl  und  unischliesst  die  Radachse  mit  einem  allseitigen 
Spielraum  von  30 

Der  Motor  überträgt  die  Drehung  auf  die  Triebräder 
durch  eine  elastische  Kuppelung  in  der  Form  eines  Feder- 
sternes, Abbildg.  5.  Die  Enden  der  Federn  greifen  an 
Gleilbacken  an,  welche  an  einem  der  beiden  Räder  be- 
festigt sind;  die  Verbindung  gestattet  das  senkrechte  Spiel 
des  Motors  gegen  die  Achse  infolge  seiner  federnden  Auf- 
lagerung. Eine  ähnliche  Antriebsverbindung  wurde  be- 
reits von  der  General  Electric  Co.  bei  den  Lokomotiven 
der  Baltimore  & Ohiobahn  angewendet. 

Der  Motor  von  S.  & H.  hat  ein  Gewicht  von  4 k Man 

hat  hier  den  Läufer  zum 

. • . Feld  und  den  Ständer 

, zum  Anker  gemacht.  Der 

_ Läufer  erhält  den  Strom 

' ’ . von  1150— 1850  Volt  Span- 
ier nung  durch  3 Schleifringe. 

Die  Spannung  im  Anker 
■i  schwankt  zwischen  500 
N||  )j|  'Ibis  1000  Volt.  3)  Das  Mo- 

‘ torgehäuse  aus  dünnem 

-rr^  Stahlblech  schliesst  sich 

\:  / ,//  dicht  an  die  Aussenseite 

w frmii  der  Bleche  an,  um  eine 

' ' gewisse  Kühlung  zu  er- 

^ zielen.  Der  Motor  ruht 

- unabgefedert  auf  der 

Abbildg.  5.  Feder-stern-Auppelung  Achse.  Von  der  federn- 
des Motors  mit  dem  Triebrad.  den  Aufhängung  befürch- 
tete man  störende  Be- 
wegungen durch  eine  mögliche  Verschiebung  zwischen 
Motorachse  und  Radaebse  bei  der  grossen  Geschwindigkeit. 

Die  Lager  der  Läufer  beider  Motoren  laufen  in  Oel. 

Die  Spannungs  wandler,  welche,  s.  o.,  unter  dem  Wagen- 
kasten liegen,  haben  3 neben  einander  liegende  Kerne.  Den 

„Ständer“  und  „Läufer“  wurden  als  Verdeutschung  der  Bezeich- 
nung „Stator“  und  „Rotor“  vorgeschlagen. 

3)  Die  grösste  Spannung  im  Anker  tritt  bei  Stillstand  ein. 


Zum  70.  Geburtstage  von  Job.  Ludwig  Franzius. 

Is  Franzius  vor  2 Jahren  auf  eine  25jährige  rastlose 
und  fruchtbringende  Thätigkeit  im  Dienste  der  freien 
Stadt  Bremen  zurückblicken  konnte,  eine  Thätigkeit, 
deren  Bedeutung  für  dieses  Gemeinwesen  wohl  am  klar- 
sten durch  die  allgemeine  Theilnahme  der  Bevölkerung 
an  dem  Ehrentage  ihres  Ober-Baudirektors  zum  Ausdruck 
kam,  knüpften  wir  an  die  kurzen  Worte,  die  wir  dem  Ge- 
feierten damals  widmeten*),  den  Wunsch,  dass  es  ihm 
noch  manches  Jahr  vergönnt  sein  möge,  seines  Amtes  zu 
walten  und  dass  es  ihm  ferner  gelingen  möge,  auch  den 
letzten  Theil  seines  Lebenswerkes,  den  Anschluss  Bremens 
an  das  Binnenland  durch  die  Kanaüsirung  der  oberen 
Weser,  zu  einem  glücklichen  Ende  zu  führen. 

Der  erste  Theil  unseres  Wunsches  ist  bisher  in  Er- 
füllung, gegangen,  denn  in  völliger  körperlicher  und  geisti- 
ger Frische  steht  Franzius  auch  heute,  an  dem  Tage 
seines  70.  Geburtstages,  seinem  Amte  vor.  Der  zweite 
Theil  hat  sich  leider  nicht  verwirklicht,  denn  mit  dem 
Falle  der  Kanalvorlage  im  preuss.  Abgeordneten-Hause 
ist  auch  die  Kanalisirung  der  Oberweser  auf  unbestimmte 
Zeit  hinausgeschoben.  Das  wird  vielleicht  ein  Tropfen 
Wermuth  in  dem  Freudenbecher  dieses  Tages  sein,  an 
dem  Stadt  und  Fachgenossen  dem  Meister  der  Wasser- 
baukunst aufs  Neue  huldigen.  Aber  selbst  dann,  wenn 
er  es  einem  Anderen  überlassen  müsste,  diesen  letzten 
Schlusstein  einzufügen,  so  kann  das  der  Bedeutung  seiner 
Leistungen  für  Bremen,  für  die  Wissenschaft-  und  für  die 
Hebung  des  Ansehens  deutscher  Wasserbaukunst  nichts 
mehr  .rauben.  Wir  können  es  uns  daher  nicht  versagen, 
zu  diesem  Tage,  selbst  auf  die  Gefahr  hin,  uns  wieder- 


*) Dtsche.  Bztg.  1900  S.  178. 


holen  zu  müssen  und  Allbekanntes  mitzutheilen,  ein  flüch- 
tiges Lebensbild  des  Gefeierten  zu  entwerfen.  — ., 

Franzius  wurde  am  i.  März  1832  in  dem  ostfriesiseheh 
Städtchen  Wittmund  geboren.  Seine  Schulbildung  erhielt 
er  auf  dem  Gymnasium  in  Aurich,  nach  dessen  Absol- 
virung  er  im  Herbst  1848  die  polytechnische  Schule  in 
Hannover  bezog.  Dort  legte  er  im  März  1853  die  t.  Staats- 
prüfung für  den  Wasserbau  ab  und  trat  dann  in  die  Praxis 
ein,  zunächst  in  Harburg,  später  in  Stade  und  in  Neuhaus 
a.  d.  Oste.  Ende  1858  bestand  er  die  2.  Staatsprüfung 
und  wurde  sofort  als  Hilfsarbeiter  in  die  Generaldirektion 
des  Wasserbaues  in  Hannover  berufen.  Dann  wurden 
ihm  wieder  praktische  Aufgaben  an  der  unteren  Ems  zu- 
gewiesen, namentlich  der  Bau  der  Schleuse  und  des  Kanals 
von  Papenburg.  Dort  wurde  er  auch  im  Herbst  1864  zum 
Wasserbauinspektor  ernannt,  als  welcher  er  kurze  Zeit  die 
Wasser-Bauinspektion  Osnabrück  verwaltete,  um  hierauf 
wieder  in  die  Generaldirektion  zurückzutreten.  Die  Anglie- 
derung von  Hannover  anPreussen  nach  dem  Kriege  von  1866 
brachte  auch  für  Franzius  eine  -wichtige  Aen'derung  mit  sich. 
Seine  Tüchtigkeit  auf  wissenschaftlichem  und  praktischem 
Gebiet  zog  bald  die  Aufmerksamkeit  des  Ministers  auf  ihn  und 
im  Frühjahr  1867  wurde  er  als  Hilfsarbeiter' in  dielll.  Abth. 
(für  Bauwesen)  des  Ministeriums  für  Handel  und  Gewerbe 
u.öffentl.  Arbeiten  nach  Berlin  berufen,  während  ihm  gleich- 
zeitig die  Lehrstelle  für  Wasserbaukunde  an  der  Bauaka- 
demie übertragen  wurde,  die  vor  ihm  Prof.  Schwarz  inne 
gehabt  hatte.  Was  er  'auf  diesem  Gebiete, geleistet  hat,  das 
steht  noch  lebhaft  in  der  Erinnerung  derjenigen  Ingenieure, 
die  bis  znm  Jahre  1875  seine  werthyollen  und  anregenden 
Vorträge  hören  konnten.  Eine  Anzahl  grösserer  Reisen, 
so  zur  Weltausstellung  n§,ch  Paris  1867,  zur  Eröffnung  des 
Suez-KanalesiSöp,  nach.Oesterreicb,  England  undSehottland 
fielen  in  diese  Zeit.  Auch  an  den  allgemeinen  fachlichen 
Bestrebungen  nahm  er  lebhaften  Antheil  und  gehörte  im 


No.  i8 


Kernen  zunächst  liegt  die  Niederspannungs-,  aussen  die 
Hochspannungswicklung.  Die  Eisenkerne,  deren  Achsen 
parallel  der  Wagenachse  liegen , haben  in  der  Mitte  eine 
Höhlung,  durch  welche  ein  kühlender  Luftstrom  geht. 

Die  Stromabnehmer  sind  doppelt  vorhanden  und  über 
jedem  Drehgestell  angebracht.  Sie  .entsprechen  im  wesent- 
lichen dem  Vorbilde  der  Lichterfelder  Versuchsstrecke; 
beim  Wagen  der  A.  E.-G.  hat  jeder  Stromabnehmerarm  seine 
eigene  senkrechte  Achse  und  ist  für  sich  auf  dem  Wagen- 
dach befestigt;  beim  Wagen  von  S.  & H.  sind  alle  3 auf 
derselben  Achse  angebracht  und  diese  ist  durch  das  Wagen- 
dach bis  zum  Fussboden  geführt.  Das  Anlegen  der  Strom- 
abnehmer an  den  Fahrdraht  und  das  Abnehmen  von  dem- 
selben geschieht  vom  Wageninneren  aus.  Die  Hoch- 
spannungs-Leitungen von  den  Stromabnehmern  nach  den 
Spannungswandlern  sind  bei  S.  & H.  als  blanke  Drähte, 
bei  der  A.  E.-G.  als  isolirte  Kabel  ausgeführt  und  liegen 
in  besonderen,  für  gewöhnlich  nicht  zugänglichen,  senk- 
recht durch  das  Wageninnere  geführten  Räumen. 

Die  Anlasswiderstände,  welche  in  den  Ankerstromkreis 
eingeschaltet  sind  und  zur  Regelung  der  Stromstärke  bei 
der  Anfahrt  dienen,  sind  von  der  A.  E.-G.  als  Flüssigkeits- 
Widerstände,  von  S.  & H.  als  Metallwiderstände  ausge- 
führt. Im  Wagen  der  A.  E.-G.  befinden  sich  die  Wider- 
stände in  einem  mittleren  Apparateraum,  der  den  Wagen 
in  zwei  Theile  theilt,  aber  auf  einer  Seite  einen  Durch- 
gang besitzt.  Er  enthält  ausserdem  die  Umschaltwalze 
und  die  Luftpumpe.  Die  Flüssigkeit  der  Widerstände  (Soda- 
lösung) wird  durch  eine  kleine  Kreiselpumpe  in  ständiger 
Bewegung  gehalten  und  fliesst  innerhalb  des  Kreislaufes 
durch  Abkühlungsrohre,  um  ein  Kochen  bei  dauerndem 
Einschalten  von  Widerstand  zu  vermeiden.  Jeder  der 
beiden  Anlasser  besteht  aus  einem  zylindrischen  Gefäss, 
in  welches  zwei  mal  2 Metallplatten  (den  2 Phasen  ent- 
sprechend) von  der  Decke  nach  unten  hineinhängen.  Durch 
eine  feste  Oeffnung  im  Boden  tritt  die  Flüssigkeit  stetig 
ein,  durch  eine  zweite  Oeffnung,  deren  Grösse  verändert 
werden  kann,  tritt  sie  wieder  aus.  Wird  der  Ablauf  voll- 
ständig geschlossen,  so  steigt  die  Flüssigkeit  schnell  und 
der  anfänglich  unendlich  grosse  Widerstand  wird  mit  der 
Vergrbsserung  der  Eintauchfläche  der  Metallplatten  stetig 
kleiner  bis  zu  einer  durch  einen- Ueberlauf  hergestellten 
Grenze.  Je  nach  der  Veränderung  der  Grösse  der  Ab- 
lauföffnung ist  die  Geschwindigkeit  der  Widerstandsaus- 
schaltung, also  auch  die  Anfahrzeit,  regelbar. 

. Die  Bethätigung  des  Anlassers  und  der  Umschaltwalze 
geschieht  vom  Führerstande  aus  mittels  Handrades.  Die 
zur  Uebertragung  der  Bewegung  dienende  Welle  liegt 
unter  dem  Wagendach.  Der  Flüssigkeits-Anlasser  hat  den 
grossen  Vorzug,  dass  das  Anfahren  (und  ebenso  das  Brem- 
sen) ganz  allmählich  und  nicht  ruckweise  vor  sich  geht. 

Bei  dem  Wagen  von  S.  8c  H.  liegen  die  Anlasswider- 
stände aussen  an  den  Seitenwänden  des  Wagenkastens 


ArChitekten-Verein  zu  Berlin,  in  welchen  er  im  Mai  1867 
eintrat,  von  1869—1875  ununterbrochen  dem  Vorstande 
an.  Gleichzeitig  rückte  er  stetig  auf  der  Stufenleiter  der 
Beämten-Laufbähh  weiter,  erhielt  1872  den  Bauraths-Titel 
und  würde  J873  zum  Reg.-  und  Baurath  ernannt. 

Das  Jahr  1875  brachte  für  Franzius  die  entscheidende 
Wendung,  die  ihn  als  den  rechten  Mann  an  die  rechte 
Stelle  setzte  und  ihm  ein  Arbeitsfeld  eröffnete,  auf  welchem 
er  sein  reiches  Wissen  und  Können , seine  ganze  zähe 
Energie  für  eine  grosse,  dankbare  Aufgabe  einsetzen 
konnte.  Am  i.  April  jenes  Jahres  wurde  er  an  die  Spitze 
des  Bauwesens  des  bremischen  Staates  berufen.  Was  er 
dort  geleistet  hat,  allerdings  nur  leisten  konnte  unter  einer 
weitsichtigen  Verwaltung,  in  einem  Gemeinwesen  von 
solchem  Unternehmungsgeist  und  solchem  Vertrauen  auf 
die  glückliche  Durchführung  der  weittragenden  und  schwere 
finanzielle  Verpflichtungen  auferlegenden  Pläne  ihres  lei- 
tenden Ingenieurs,  ist  in  Fachkreisen  namentlich  zu  be- 
kannt, als  dass  wir  hierauf  im  Einzelnen  einzugehen  brauch- 
ten. Das  Aufblühen  des  Bremer  Seehafens  als  des  zweit- 
bedeutendsten in  Deutschland,  der,  mehr  als  60 km  ober- 
halb der  natürlichen  Grenze  der  Grosschiffahrt  liegend, 
jetzt  von  Schiffen  von  über  5 m Tiefgang  auf  geregeltem 
Stroralaufe  angelaufen  werden  kann,  sodass  in  der  Haupt- 
sache nur  noch  die  grossen  überseeischen  Schnelldampfer 
in  Bremerhaven  löschen  müssen,  die  rasche  Entwicklung 
des  Freihafens  in  Bremen,  der  durch  in  Ausführung  be- 
griffene Arbeiten  auf  mehr  als  das  Doppelte  seines  früheren 
Uilifanges  gebracht  werden  soll,  das  sind  die  Erfolge  die- 
ser Arbeit,  die  in  vollem  Maasse  dem  entsprechen,  was 
man  erstrebt  hatte. 

Neben  seiner  umfangreichen  Thätigkeit  im  Dienste 
des  bremischen  Staates  hat-Franzius  doch  noch  die  Zeit 
gefunden,  auch  ausserhalb  desselben  thätig  zu  sein.  Bei 
vielen  bedeutenden  Unternehmungen  des  ln-  und  Aus- 

I.  März  1902. 


unterhalb  der  Fenster;-  der  Abschluss  nach  aussen  ge- 
schieht durch  Blechwände  mit  Spaltöffnungen,  durch  welche 
eine  Luftkühlung  ermöglicht  wird.  Die  Schaltwalze  und 
Umkehrwalze  liegen  wagrecht;  sie  werden  vom  Führer- 
stande mittels  Handkurbel  bewegt;  die  Bewegung  wird 
durch  Druckluft  unterstützt,  indem  2 gegeneinander  wir- 
kende Kolben  verschiedenen  Durchmessers  vorhanden 
sind.  In  dem  einen  Drehungssinne  überwiegt  die  Kraft 
des  grösseren  Kolbens,  im  entgegengesetzten  ist  der  grosse 
Kolben  luftleer  und  der  kleine  wirkt  allein. 

Um  die  Zugkraft  bei  der  Anfahrt  zu  steigern,  ist  von 
S.  & H.  eine  Veränderung  der  Schaltung  des  sekundären 
Stromkreises  der  Spannungswandler  von  Dreiecks-  zu 
Sternschaltung  vorgesehen. 

Die  Bremsung  beider  Wagen  geschieht  mittels  Westing- 
house-Bremse.  Daneben  ist  eine  elektrische  Bremsung 
mittels  der  Anlasswiderstände  möglich,  indem  das  Feld 
der  Motoren  von  einer  Akkumulatoren-Batterie  aus  mit 
Gleichstrom  erregt  und  der  Anker  über  die  Widerstände 
allmählich  kurzgeschlossen  wird,  und  eine  Nothbremsung 
mittels  Gegenstromes  (Vertauschung  zweier  Phasen). 

Die  Wagenführung  ist  die  denkbar  einfachste;  die 
Veränderung  der  Schaltung  bei  Anfahrt  und  elektrischer 
Bremsung  geschieht  einfach  durch  die  Bewegung  eines 
Handrades  bezw.  einer  Handkurbel,  welche  nur  geringen 
Kraftaufwand  erfordert.  Ausserdem  bleibt  beim  Wagen 
von  S.  & H.  noch  die  Umsteuerung  der  Schaltung  der 
Spannungswandler  beim  Uebergang  von  der  Anfahrt  zur 
Fahrt  zu  bedienen,  und  bei  beiden  Wagen  die  Umsteuerung 
für  Gegenstrom,  die  für  den  regelmässigen  Betrieb  nicht 
infrage  kommt,  sowie  die  Luftdruckbremse.  Die  Gesammt- 
Anordnung  der  Apparate  ist  so  getroffen,  dass  weder  der 
Wagenführer,  noch  die  Fahrgäste  mit  Hochspannung  füh- 
renden Theilen  in  Berührung  kommen  können. 

Die  Grundriss-Anordnung  des  Wageninneren  geht  aus 
den  Abbildgn.  6 und  7 hervor.  Der  für  die  Beförderung 
nicht  nützbare  Raum  besteht  bei  den  Wagen  der  A.  E.-G. 
ausser  den  beiden  Führerabtheilen  aus  dem  bereits . er- 
wähnten mittleren  Apparateraum  von  2,6  ® Länge,  der  für 
die  Benutzung  des  Wagens  im  Eisenbahnbetriebe  jeden- 
falls sehr  störend  wäre.  In  dem  Wagen  von  S.  & H:  ist 
nicht  nutzbar  ausser  den  Führerständen  der  daran  an- 
grenzende, durch  die  Stromabnehmer  in  Anspruch  ge- 
nommene Raum,  sowie  die  beiden  zur  Durchführung  der 
Hochspannungs-Leitungen  dienende  Schächte  von  je  0,5"^ 
Länge.  Es  verbleiben  bei  dem  Wagen  der  A.  E.-G.  zwei 
Räume  von  zusammen  14,2  m Länge,  in  welchen  je  20  Sitz- 
plätze (II  KI.)  untergebracht  sind.  Beim  Wagen  von 
S.  & H.  ist  der  gesammte  Nutzraum,  wenn  man  für  die 
beiden  Stromabnehmer  je  0,5“  abrechnet,  etwa  15,3  m 
lang;  in  ihm  sind  48  Sitzplätze  II.  und  IIL  Kl.  angeordnet. 

Das  Gewicht  der  Wagen  ist  verhältnissmässig'  sehr 
hoch;  es  beträgt  86  t bei  dem  Wagen  der  A.  E.-G.  und 


landes  ist  seine  Stimme  als  die  eines  Gutachters  gehört 
worden  und  oft  von  entscheidendem  Einfluss  gewesen;  die 
im  Vorjahre  vollendete  Befestigung  der  Düne  in  Helgo- 
land ist  nach  seinen  Plänen  entstanden  und  ausserdem 
fand  er,  was  bei  dem  im  praktischen  Leben  stehenden 
Ingenieur  leider  selten  ist,  auch  die  Müsse  zu  fruchtbringen- 
der fachwissenschaftlicher  Thätigkeit,  von  der  wir  nur  seine 
Mitarbeit  am  „Handbuch  der  Ing.- Wissenschaften"  und  beim 
„Handbuch  der  Baukunde“  hervorheben  wollen. 

Wie  seiner  Zeit  in  Berlin,  nahm  er  auch  in  Bremen 
stets  lebhaften  Antheil  am  fachlichen  Leben  und  führte 
von  1877—1892  den  Vorsitz  im  Arch.-  und  Ing.-Verein 
daselbst,  dessen  anregenden  Mittelpunkt  er  bildete.  Auch 
im  Verbände  deutscher  Arch.-  und  Ing.-Vereine  hat  er 
oft  seine  Kraft  eingesetzt  und  an  den  Arbeiten  in  führen- 
der Weise  theilgenommen. 

Auch  in  verschiedene  öffentliche  Körperschaften  wurde 
Franzius  berufen.  Er  gehörte  der  Kommission  für  die  Ab- 
wendung der  Hochwasser-Gefahren  an,  ist  Mitglied  der 
preuss.  Akademie  des  Bauwesens  und  wurde  als  eines 
der  wenigen  technischen  Mitglieder  in  den  im  Vorjahre 
gebildeten  Reichsgesundheitsrath  berufen. 

An  Ehrungen  mancher  Art  hat  es  Franzius  natürlich 
nicht  gefehlt.  Wir  nennen  nur  die  Verleihung  der  grossen 
goldenen  Medaille  für  Verdienste  um  das  Bauwesen,  sowie 
seine  vor  kurzem  erfolgte  Ernennung  zum  Ehrendoktor 
der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin.  „Dem  auf  wissen- 
schaftlicher Grundlage  unermüdlich  schaffenden  Ingenieur, 
dem  Förderer  der  deutschen  See-  und  Binnenschiffahrt» 
dem  erfolgreichen  Lehrer  der  Wasserbaukunst"  galt  diese 
Ehrung.  Am  heutigen  Tage  hat  ihn  ausserdem  der  Archi- 
tekten-Verein  zu  Berlin  zu  seinem  Ehrenfnitgliede  ernannt. 

Möge  ihm  noch  manches  Jahr  des  Schaffens  und  der 
Freude  an  den  Erfolgen  der  eigenen  Arbeit  vergönnt 
sein.  - tu.  g. 

1^5 


8g  ‘ bei  dem  von  S.  & H.  — Es  wird  von  Bedeutung  sein, 
das  auf  den  Sitzplatz  entfallende  Gewicht  der  Schnell- 
bahnwagen mit  einem  modernen  Eisenbahnzuge  zu  ver- 
gleichen, und  hierzu  möge  ein  Zug,  gebildet  aus  einer 
preussischen  Schnellzug  - Maschine , ein  em  dreiachsigen 
Packwagen  ohne  Postabtheil  von  lo™  Kastenlänge  und 
4 D-Wagen  I.  und  II.  KL  gewählt  werden.  Die  Maschine 
mit  Tender  wiegt  82t,  der  Packwagen  Teer  14  t,  die  4 Per- 
sonenwagen (zu  je  31 1)  124 demnach  Leergewicht  des 
Zuges  220  t.  Um  Vergleichswerthe  zu  erhalten,  sei  für 
jeden  Wagen  ein  Abort  angenommen,  und  ein  Ausbau  des 
Wageninneren  mit  Abtheilen  II.  Kl.  mit  2®  Theilung,  6 
Sitzplätze  enthaltend.  Demnach  kommen  auf  den  Zug  168 
Plätze  und  ein  Gesammtgewicht  von  232,5  h für  den  Sitz- 
platz 1,4 1.  Bei  2 Abtheilweite  ergiebt  sich  eine  nutz- 
bare Länge  des  Wageninneren  von  0,33  für  den  Sitz- 
platz. In  derselben  Weise  sei  der  Raum  der  Schnellbahn- 
wagen getheiit  gedacht.  Für  jeden  Wagen  sei  eine  Nutz- 
länge von  I m für  einen  Abort  und  2,4  m für  den  Packraum 


Vermischtes. 

Schattenrollen  für  Gewächshäuser.  Unter  der  Bezeich- 
nung „Hercules",  D.  R.  G.  M.  143572  und  156054  bringt  das 
Eisenbaugeschäft  Ed.  Zimmermann  in  Altona  Schatten- 
rollen für  Gewächshäuser  in  den  Handel,  deren  Vorzüge 
darin  bestehen,  dass  die  Glieder  aus  Bandeisen  gestanzt 
werden  und  sich  fest  und  dicht  aufeinanderlegen,  wo- 
durch die  aufgerollie  Schattendecke  fester,  dünner  und 
gerader  wird,  wie  die  früheren  Decken  mit  Drahtketten. 
Da  die  Bandeisenglieder  wie  die  Verbindungsösen,  ohne 
Naht  sind,  so  sind  sie  stärker  als  Drahtketten.  Einzelne 
Glieder  wurden  mit  80  kg  belastet,  ohne  Schaden  zu  neh- 
men. Ein  Zerreissen  beim  etwaigen  Entgleiten  der  Schnur 
ist  daher  fast  ausgeschlossen.  — 

Die  ersten  Doktor-Promotionen  an  der  technischen  Hoch- 
schule in  Wien  sind  am  18.  Febr.  erfolgt.  Es  wurden  Erz- 
herzog Rainer  aus  Anlass  seiner  goldenen  Hochzeit  und 
Unterrichtsminister  Dr.  v.  Hartei  zu  Ehrendoktoren 
der  technischen  Wissenschaften  der  Technischen 
Hochschule  in  Wien  ernannt.  Am  22.  Febr.  folgten  die 
ersten  Promotionen  von  Studirenden.  — 

Ein  Wechsel  in  der  Besetzung  des  Meisterateliers  für 
Baukunst  an  der  kgl.  Akademie  der  bildenden  Künste  in 
Berlin  hat  durch  Rücktritt  des  Hrn.  Geh.  Reg.-Rth.  Prof. 
H.  Ende  stattgefunden.  Zu  seinem  Nachfolger  wurde 
Hr.  kgl.  ßrth.  Franz  Schwechten  in  Berlin,  ein  unseren 
Lesern  wohlbekannter  Künstler,  ernannt.  — 

Auszeichnungen  an  Künstler.  Die  Hrn.  Architekten 
Max  Littmann  und  Martin  Dülfer  in  München  sind  durch 
den  Prinzregenten  Luitpold  zum  kgl.  Professor  ernannt  wor- 
den. Damit  haben  zwei  starke  künstlerische  Individualitäten 
auch  ihre  äusserhche  Anerkennung  gefunden.  — 

Zum  Präsidenten  der  kgl.  preuss.  Akademie  des  Bau- 
wesens wurde  der  Architekt  Hr.  Ob.-Baudir.  Hinckeldeyn 
als  Nachfolger  des  Ingenieurs,  Hrn.  Wirkl.  Geh.  Ob.-Reg.- 
Rath  A.  Kinel  berufen.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  betr.  Entwürfe  für  ein  Pflege- 
rinnenheim  in  Mainz  wird  von  dem  dortigen  „Alice- 
Frauenverein  für  Krankenpflege"  für  deutsche  Architekten 
zum  15.  Mai  d.  J.  erlassen.  Es  gelangen  3 Preise  von  1000, 
600  und  400  M.  zur  Vertheilung  Unterlagen  gegen  2 M. 
durch  Hrn.  Landgerichtsdir.  Dr.  Bockenheimer  in  Mainz.  — 
Die  Entwürfe  zu  einer  „Hans  Kudlich-Ausslchtswarte“ 
bei  Lobenstein  in  Schlesien,  Bausumme  20000  Kr.,  werden 
zum  Gegenstände  eines  Wettbewerbes  für  deutsche  Archi- 
tekten gemacht.  Termin  15,  Mai  1902;  ein  Preis  inform 
einer  Ehrengabe  von  5 Dukaten;  die  Ausführungspläne 
werden  mit  300  Kr.  honorirt.  Der  AVettbcwerb  ist  von 
idealen  Gesichtspunkten  aus  zu  beurtheilen.  — 

Einen  Wettbewerb  um  eine  Quellwasser-Leitung  für 
Kelberg  erlässt  die  Stadtgemeinde  unter  deutschen  Inge- 
nieuren mit  Termin  zum  i.  Mai  d.  J.,  Ab.  6 Uhr.  Die 
ausgesetzten  Preise  betragen  3000,  2000  und  1000  M., 
weitere  Entwürfe  können  zum  Preise  von  600  M.  ange- 
kauft werden.  Die  erforderlichen  Unterlagen  gegen  freie 
Einsendung  von  lo  M.  durch  das  Stadtbauamt  Kolberg. 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Kr.-Baüinsp.  Brth.  E n g e I m e i e r in  Minden 
ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV  Kl.  und  dem  Reg.-Bmstr.  Faerber 
in  Rixdorf  der  Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Wahlen  des  Ob.-Baudir.  Hinckeldeyn  zum  Präs,  der 
Akademie  des  Bauwesens  und  z.  Ding,  der  Abth.  für  den  Hochbau 

I16 


in  Abzug  gebracht.  Es  ergiebt  sich  eine  verbleibende  Nutz- 
länge für  den  Wagen  der  A.  E.-G.  von  10,8  “ und  für  den 
von  S.  & H.  von  11,9“.  Das  ergiebt  32  und  36  Sitzplätze, 
ein  Gesammtgewicht  von  88,4  und  91,7  t und  ein  Gewicht 
für  den  Sitzplatz  von  2,6  und  2,55  t. 

Aus  diesen  Vergleichszahlen  folgt,  dass  der  Kraftbe- 
darf für  das  Personen^ä^m  bei  einer  künftigen  Schnellbahn 
im  Verhältniss  zu  den  jetzigen  Personenzüge'n  eine  sehr 
erhebliche  Steigerung  erfahren  würde,  falls  es  nicht  ge- 
lingt, das  Gewicht  der  Schnellbahnwagen  wesentlich  zu 
verringern.  Ob  eine  erhebliche  Verkleinerung  insbeson- 
dere des . Gewichtes  der  elektrischen  Ausrüstung  möglich 
ist,  wird  sich  zeigen,  sobald  der  Kraftbedarf  bei  der  Höchst- 
geschwindigkeit durch  die -Fahrversuche  festgestellt  ist. 
Der  Wagen  von  S.  & H.  ist  bereits  so  eingerichtet,  dass 
die  Motoren  eines  Drehgestells  mit  den  zugehörigen  Appa- 
raten entfernt  werden  können,  wodurch  sich  das  Gewicht 
auf  74  t verringern  würde.  — (Schluss  folgt.) 


und  des  Wirkl.  Geh.  Raths  Wiebe  zum  Dirig.  der  Abth.  für  das 
Ingenieur-  u.  Maschinenwesen,  für  die  Zelt  vom  i.  Januar  d.  J.  bis 
dahin  1895  sind  bestätigt  worden. 

Die  Reg.-Bfhr.  Karl  Preetz  aus  Berlin , Kurt  Weidner 
aus  Essen,  Fritz  Fischer  aus  Lichtenberger  Kietz  und  Wilh. 
Berlin  aus  Ribnitz  (Wasser-  u.  Strassenbfeh.),  — Karl  Jordan 
aus  Einbeck  (Eisenbfeh.),  — Hans  Süersen  aus  Berlin  und  Ad. 
Cornelius  aus  Halver  (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  eroauot. 

Der  kgl.  Eisenb.-Dir.-Präs.  a.  D.,  Wirkl.  Geh.  Ob. -Brth.  Wex 
und  der  Kr.-Bauinsp.  a.  D , kgl.  Brth.  Werner  in  Naumburg  a.  S. 
sind  gestorben. 


Brief-  und  Frgigekasten. 

F.  F.  100.  Durch  Aushändigung  und  widerspruchslose  An- 
nahme des  Anstellungsschreibens  vom  r.  Juli  1901  in  Verbindung 
mit  der  Fortleistung  Ihrer  Dienste  und  Erhebung  des  Gehaltes  ist 
das  vorher  bestandene  Abkommen  wegen  Ihrer  bisherigen  Be- 
schäftigung erloschen  und  für  Ihr  jetziges  Dienstverhältniss  die 
Dienstpragmatik  bezw.  das  bestehende  Ortsstatut  für  Techniker 
raaassgebend.  Bestimmt  letzteres  eine  dreimonatliche  Kündigung,  so 
haben  Sie  eine  solche  innezuhalten.  Ist  die  Kündigungsfrist  dort  un- 
erwähnt geblieben,  so  greift  die  gesetzliche  Platz  und  es  darf  die 
Kündigung  nur  zu  einem  Vierteljahrsersten  mit  sechswOchentlicher 
Frist  erfolgen.  Die  vorher  vereinbarte  vierwöcbentliche  Kündigung 
ist  für  das  neue  Dienstverhältniss  nicht  übernommen  und  folge- 
weise  hinfällig.  Uebrigens  entspricht  das  Anstellungsschreiben  der 
üblichen  Form.  Das  Anfangs-  und  das  Höchstgehalt  pflegen  in  dem 
Anstellungsschreiben  wegzubleiben.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  A.  K.  in  Minden  i.  W.  Nach  einem  Gutachten 
der  Akademie  d.  Bauwes.  v.  13.  Juli  1889,  bestätigt  aufs  neue  am 
17.  April  1899,  sind  125  kg/qm  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  für 
den  Winddruck  auf  die  senkrecht  getroffene  Fläche  als  ausreichend 
bei  der  Berechnung  von  Dampfschornsteinen  erachtet  worden.  Bei 
dieser  Annahme  ist  aber  eine  sorgfältige  Berechnung  der  Kanten- 
pressungen erforderlich.  Für  runde  Schornsteine  ist  diese  Zahl  mit 
0,67  zu  multiplizircn.  Am  28.  April  1898  hat  der  Hr.  Minister  f.  Han- 
del u.  Gewerbe  aus  Anlass  eines  Streitfalles  die  Gewerbe-Inspek- 
toren ausdrücklich  auf  dieses  Gutachten  liingewiesen.  Es  ist  jedoch 
1900  von  ihm  eine  Sachverständigen-Kommission  zusammenberufen 
worden,  die  sich  für  150  kg/qm  ausgesprochen  hat,  aber  höhere  Bean- 
spruchungen bei  Anwendung  von  verlängertem  Zementmörtel  zulassen 
wnll.  Dieses  Gutachten  bezieht  sich  auf  Schornsteine  bis  75  m Höhe  und 
bis  3 m oberem  Durchmesser.  Ein  Erlass  in  diesem  Sinne  besteht  unse- 
res Wissens  bisher  aber  noch  nicht.  Der  Winddruck  wird  gleichmässig 
für  die  ganze  Höhe  angenommen.  Prof.  G.  Lang-Hannover  schlägt 
dagegen  in  seinem  ausgezeichneten  Werke  über  den  Bau  hoher 
Schornsteine  vor,  den  Druck  vom  Sockel  aufwärts  im  Verhält- 
niss = w kg  qm  steigen  zu  lassen,  worin«'  den  Winddruck  in 
Sockelhühe,  « die  Flöhe  des  betreffenden  Querschnittes  in  m über 
dem  Sockel  bedeutet.  Diese  Rechnungsart  ist  zweifellos  theoretisch 
richtiger,  aber  bisher  wohl  nicht  üblich. 

Bei  besonders  exponlrteii  Schornsteinen  im  Binnenlande  sowie 
an  der  Küste  ist  der  Winddruck  entsprechend  höher  zu  nehmen.  — 

Hrn.  Arch.  A.  C.  in  Gotha.  Die  Aufstellung  der  Heizkörper 
in  den  Fensternischen  ist  der  an  den  Innenwänden  unbedingt  vor- 
zuzieheo,  weil  nur  hierdurch  der  starken  Abkühlung  der  Zinimerluft 
an  den  Fensterflächen  wirksam  begegnet  werden  kann.  Dagegen 
empfiehlt  es  sich  nicht,  die  frische  in  die  Räume  eiutretende  Luft 
durch  diese  Fleizkörper  anzuwärmen.  Flierzu  ist  eine  besondere 
I-üftungsanlage  erforderlich,  die  die,  wenn  möglich  an  einer  Zen- 
tralstelle vorzuwärmende  Frischluft  durch  Kanäle  in  die  Zimmer 
führt.  Diese  Kanäle  liegen,  ebenso  wie  die  Abluftkanäle,  am  besten 
in  den  Zwischenwänden.  In  dieser  Weise  sind,  so  viel  mir  be- 
kannt, die  Heizungs-  und  Lüftungsanlagen  in  allen  neueren  grossen 
Bankgebäuden  ausgeführt.  — A.  H. 

Inhalt:  Die  Stuttgarter  Stadterweiterung  (Schluss).  — Bestrebungen 
zur  Pflege  des  Körperwohlsiandes  und  deren  Einfluss  auf  die  Baukunst,  — 
Eleküischc  Schnell-  und  Vorortbahnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als 
Antrieb  (Fortsetzung).  — Zum  70.  Geburtstage  von  Joh.  Ludw.  Franzius.  — 
Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und 
Fragekasteu. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Entwurf  zu  einer  „Kolonie  zur 
Leibeserziehung“. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  H o fmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Grevc,  Berlin. 


No.  18. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  19.  Berlin,  den  5.  März  1902. 


Aus  dem  Kreuzgang  der  Klosterkirche  Unserer  lieben  Frauen  in  Magdeburg. 
Aus:  Peters,  „Magdeburg  und  seine  Baudenkmäler“. 


Magdeburgs  alte  Bauten. 

(Hierzu  die  Abbildung  in  No.  17,) 

®ie  Schicksalsschläge  der  politischen  Ge- 
schichte haben  vielleicht  keinem  der 
alten  deutschen  Städtebilder  so  arg  mit- 
gespielt, wie  der  Stadt  Magdeburg.  Wenn 
aber  auch  infolge  dessen  die  Stadt  heute  nicht 
mehr  mit  Städten  wie  Danzig  und  Nürnberg 
an  malerischen  Strassenbildeni  sich  messen 
kann,  so  ist  doch  immer  noch  ein  verhältni.ss- 
mässig  reicher  Kunstbesitz  übrig  geblieben, 
der  in  seinem  ganzen  Umfange  noch  nicht  so 
allgemein  bekannt  ist,  wie  er  es  durch  seinen 
grossen  Kunstwerth  zu  sein  verdient.  Des- 
halb ist  der  Gedanke,  die  Baudenkmäler  Magde- 
burgs in  einer  baugeschichtlichen  Studie,  die 
der  Stadtbaurath  von  Magdeburg,  Hr.  kgl. 
Baurath  Otto  Peters  verfasst  hat,  zusainmen- 
zufassen  und  einer  grösseren  Allgemeinheit  zu- 
gänglich zu  machen,  mit  Beifall  zu  begrüssen*). 
Das  ist  in  einem  reich  geschmückten  Bande 
geschehen,  welcher  vor  kurzem  herausge- 
kommen ist  und  welcher  sich  als  das  Ziel 
gesetzt  hat,  auf  die  „kostbaren  Ueberbleibsel 
einer  bedeutsamen  geschichtlichen  Vergangen- 
heit aufmerksam  zu  machen  und  sie  nament- 
lich dem  Magdeburger  selbst  zur  An- 
schauung zu  bringen,  damit  er  sich 
ihrer  in  immer  wachsender  Liebe  zu 
seiner  schönen  Vaterstadt  bewusst 
bleibt".  Diese  Mahnung  ist  in  Magdeburg 
in  höherem  Maasse  angebracht,  wie  in  ande- 
ren alten  Städten,  in  welchen  sich  der  Um- 
wandlungsprozess zur  modernen  Grosstadt 
vollzieht.  In  Magdeburg  hat  das  Unternehmer- 
thum mehr  wie  in  anderen  Städten  dem  alten 
Kunstbesitz  Einbusse  gebracht  und  wenn  auch 
bei  dem  fortschreitenden  Umfange  der  moder- 
nen Umgestaltungen  eine  Beeinträchtigung  des 
Besitzes  an  alten  Denkmälern  nicht  immer  zu 
vermeiden  sein  wird,  so  würde  es  doch  mög- 
lich sein,  durch  ihre  höhere  Werthschätzung 
der  Einbusse  besser  zu  begegnen,  als  es  bis- 
her in  Magdeburg  der  Fall  war.  Diesem  idealen 


*)  Mag^deburg  und  seine  Baudenkmäler,  Eiue 
Imugeschichtliche  Studie,  zugleich  Führer  zu  Magdebuigs 
allen  Bauten.  Verfasser  Otto  Peters,  Stadtbaiirath,  königl, 
Baurath.  Mit  einem  farbigen  Titelbild,  zahlreichen  Tcsl- 
Illustrationen  und  verschiedenen  Planen.  Verlagsbuch- 
handlung Faber'sche  Biichdruckerei  Magdeburg  1902. 


Bestrebungen  zur  Pflege  des  Körperwohlstandes 
und  deren  Einfluss  auf  die  Baukunst. 

(Schluss.)  Hierzu  die  Abbildung  auf  S.  119. 

Oer  Drang  nach  unserer  Zeit  gehörenden  Kunstzielen 
fände  in  den  genannten  Forderungen  ein  Baupro- 
gramm, das  seiner  verwegensten  schöpferischen 
Leidenschaft  zu  thun  gäbe.  Die  bauliche  Gestaltung  einer 
solchen  Anlage  böte  die  grossartigste  Entfaltung  technischer 
und  künstlerischer  Leistungen,  wenn  sie  der  Aufgabe  ge- 
recht werden  will,  die  dieses  Programm  bietet.  Hier  fände 
unsere  Baukunst  eine  Gelegenheit  des  Schaffens,  wie  sie 
die  Griechen  in  ihren  Tempeln,  die  Christen  des  Mittel- 
alters in  ihren  Domen  begeisterungsvoll  geleistet  haben. 
Und  wie  in  jenen  Zeiten  ist  auch  heute  noch  eine  grosse 
Epoche,  ein  lebensstarker  Wuchs  der  bildenden  Kunst 
und  besonders  des  baukünstlerischen  Schaffens  nur  zu 
wecken  aus  starkem,  das  ganze  Volk  umfassendem 
Sehnen.  Ein  volles,  aus  vorgeschrittenen  Erkenntnissen 
mit  Nothwendigkeit  gebildetes  Bedürfniss  der  Gesammt- 
heit,  das  bis  ins  Alltagsleben  hinein  und  durch  alle  Schich- 
ten des  Volkes  zu  einträchtigem  Zusammenströmen  auf- 
ruft, giebt  der  Baukunst  jene  Über  Zeit  und  Landesgrenzen 
hinüberreichende  Beredsamkeit,  die  sie  als  die  hone  Ver- 
künderin gewaltiger  Menschheits-Schicksale  ertönen  lässt, 
giebt  ihr  als  Repräsentantin  der  machtvollsten  Dokumente 
des  öffentlichen  Geistes  jene  zu  allen  Zeiten  bewunderte 
Kristallisation.  So  schwindet  der  spröde  Charakter,  der 
sich  so  widerwillig  zum  Dienste  nüchterner  Verwaltungs- 
bauten heranziehen  lässt  oder  zur  Erfüllung  volksfremder 
Sonntagszwecke  seine  steinerne  Handschrift  herleihen  mag. 


So  haben  wir  eine  natürliche  Grundlage  für  eine  schöpfe- 
rische, jugendliche  Kunst  und  brauchen  nicht  baukünst- 
lerische Bedürfnisse,  für  die  der  architektonische  Ausdruck 
bisher  nach  überlieferter  Form  gebildet  worden,  mit  der 
Miene  iugendlicher  Neuheit  zu  raaskiren. 

Wenn  bisher  die  neuen  Kunstbestrebungen  sich  fast 
nur  um  die  Erfüllung  privater  Anforderungen  des  kunst- 
sinnigen Bürgers  bemühten  und  staatliche  oder  städtische 
Aufgaben  eine  Lösung  in  moderner  Form  kaum  wagten, 
weil  sie  nach  überkommenen  Begriffen  gebildet,  nach  Er- 
fahrungssätzen erledigt,  die  Verantwortung  weniger  be- 
lasteten, so  fordern  neue,  hohe  und  ernste  Aufgaben  mit 
Sturm  und  Drang  nach  einer  strengen  Erscheinung,  die 
ganz  unserem  Leben  angchört  und  die  geistesstarken  Fol- 
gerungen einer  modernen  Zeit  offenbaren. 

Das  Interesse  der  Laienwelt  würde  solchem  Wirken 
gegenüber  nicht  in  seiner  Unempfindlichkeit  beharren 
können,  und  dies  um  so  weniger,  je  mehr  die  Schöpfun- 
gen der  Baukunst  das  eigentliche  Wesen  eines  Bauwerkes, 
die  grossartige  Gestaltung  des  Inneren,  zu  entwickeln  be- 
müht sein  werden.  Denn  in  der  Wirkung  des  Innen- 
raumes besitzt  die  Baukunst  ein  Machtmittel , womit  sie 
den  Volksgeist  zu  packen  vermag  wie  kaum  eine  andere 
Kunst,  weil  sie  den  Beschauer  dort  ganz  umgiebt  und 
mit  ihrem  Zauber  zu  erfüllen  weiss. 

Schauen  wir  uns  unter  den  Überkommenen  Bauwerken 
vergangener  Zeiten  nach  Beispielen  der  gewünschten  Ein- 
drücke um,  so  liefert  uns  die  gothische  Bauperiode  ein 
Schauspiel  grossartigster  Schaffenslust,  die  Hoch  und 
Niedrig  mit  einem  Wunderdrang  beseelte  selbst  theilzu- 
nehmen  an  der  Erstellung  ihrer  grossen  Gotteshäuser.  Der 


Ziele  will  das  Werk  dienen  und  in  diesem.  Sinne  sei  es 
mit  Dank  und  Beifall  begrüsst.  Es  reiht  sich  zweckmässig 
in  die  Veröffentlichungen  über  deutsche  Städte  ein,  welche 
aus  den  Wander-Versammlungen  des  „Verbandes  deutscher 
Architekten-  und  Ingenieur-Vereine"  entstanden  sind,  und 
wenn  einstmals  eine  solche  Versammlung  in  Magdeburg 
tagen  sollte,  so  kann  das  Werk  einen  werthvollen  Bestand- 
theil  des  durch  die  modernen  Bauten  und  die  Ingenieur- 
werke ergänzten  Bandes 
bilden. 

Die  Schilderung  setzt 
zunächst  ein  mit  einer  Be- 
schreibung der  Stadtan- 
lage von  Magdeburg  von 
ihren  frühesten  mittel- 
alterlichen Anfängen  bis 
zur  Stadterweiterung  von 
1870.  Mit  Interesse  liest 
man,  wie  leider  den 
Verkehrs  - Bedürfnissen 
manches  Opfer  an  dem 
alten  Stadtbilde  gebracht 
werden  musste,  mit  nicht 
minderem  Interesse  ver- 
folgt man  aber  auch  die 
warme  Fürsprache , die  ^ 

Peters  z.  B.  für  den  Brei- 
tenweg den  Magdebur- 
gern ans  Herz  legt:  „Dies 
stolze  Bild  des  Magde- 
burger Breitenweges,  das 
seine  Wirkung  zwar  der 
uralten  Strassen  - Anlage 
in  erster  Linie  verdankt, 
möge  uns  nun  aber  auch 
weiterhin  nicht  durch  ge- 
schmacklose Um-  oder 
Neubauten  an  Stelle  der 
noch  vorhandenen  alten 
Patrizierhäuser  in  seiner 
architektonischen  Eigen-  ' 
art  verkümmert  werden ! 

Dass  dies  in  dem  aller- 
bescheidensten  Maasse  r 
nur  eintreten  möge,  dar- 
über mögen  Magdeburgs 
Bürger  als  auf  ein  unan- 
tastbares Vermächtniss 
aus  vielhundertjähriger 
Vergangenheit  für  die  Zu- 
kunft eifersüchtiger 
wachen,  als  dies  in 


den  letzten  Jahrzehnten  der  Fall  gewesen  ist“!  — 
Es  folgt  eine  kurze  Baugeschichte  Magdeburgs  in  ihren 
hervorragendsten  Baudenkmälern.  Peters  nimmt  sicher 
mit  Recht  an,  dass  bei  dem  sprichwörtlichen  Wohlstände 
das  künstlerische  Stadtbild  vor  dem  30jährigen  Kriege 
kaum  hinter  Nürnberg,  Augsburg  usw.  zurückgesfanden 
habe.  Hieran  schliesst  sich  die  Schilderung  der  Bauten, 
zunächst  der  mittelalterlichen ; es  werden  beschrieben  der 
Dom,  die  Klosterkirche 
Unserer  lieben  Frauen, 
St.Sebastian,  St.  Johannis, 
St.  Jakobi,  St.  Ulrich,  St. 
Katharinen,  St.  Petri,  die 
Heilige  Geist-Kirche,  die 
Augustiner  - Kirche,  die 
Fronleichnamskapelie  am 
Magdalenen  - Kloster,  die 
Anneukapelle,  dieAlexius- 
Kapelle,  die  Marien -Ka- 
pelle, die  Gangolf-Kapelle, 
die  ßarfüsser-Kirche  und 
St.  Nikolai,  alles  auf  das 
reichste  mit  geometri- 
schen u.  perspektivischen 
Abbildungen  und  Aufnah- 
men nach  der  Natur  ge- 
schmückt. Ein  besonde- 
res Kapitel  ist  den  Grab- 
denkmälern im  Dom  ge- 
widmet. Von  mittelalter- 
lichen Profanbauten  wer- 
den geschildert  das  Fach- 
werkshaus in  der  Kreuz- 
gang-Strasse,  das  Rath- 
haus und  das  sog.  Kaiser 
Otto-Denkmal.  Recht  be- 
deutend ist  der  Schatz  an 
Bauwerken  der  deutschen 
und  italienischen  Spät- 
renaissance, des  Barock 
und  des  Rokoko,  den  die 
Stadt  besitzt.  Nach  den 
Zerstörungen  des  3ojähr. 
Krieges  waren  bald  viele 
geschäftigeKünstlerhände 
thätig,  die  Stadt  wieder 
zu  verjüngen.  Das  ist  in  so 
überraschendem  Maasse 
und  mit  so  viel  künstle- 
rischer Eigenart  gelungen, 
dass  die  Bedeutung  des 
alten  Magdeburg  gleich- 


Aus;  Peters,  „Magdeburg  und  seine  Baudenkmäler“. 


künstlerische  Bauausdruck  lag  damals  in  der  Her  Vorkehrung 
der  Gottesfurcht,  der  Himmelssehnsucht.  Und  heute  noch 
durchdringen  uns  die  tausendstimmigen  Gebete,  die  jene 
Begeisterten  in  den  Fügungen  der  hohen  Gewölbe  uns 
überliefert  haben. 

In  ihren  das  ganze  Volk  beschäftigenden  Bauaufgaben 
haben  sie  Raumwirkungen  gebildet,  die  den  Eintretenden 
erfassen  durch  die  gewaltigen  Baumassen.  Wie  waren 
jene  Baumeister  mit  wunderbarem  Geschick  darauf  be- 
dacht, dem  eindringenden  Tageslicht  jene  zauberhafte 
künstlerische  Umwenhung  zu  geben  durch  ein  reiches 
Spiel  der  Strahlentheilung,  durch  einen  dauernd  klingen- 
den Choral  aus  Licht  und  Farbe.  Die  Eindrucksfülle,  die 
jene  Dome  ausstattet,  beruht  aber  nicht  in  der  religiösen 
Bedeutung  allein,  denn  für  viele  haben  sie  diese  Bedeutung 
verloren.  Die  Macht  des  Raumes,  die  künstlerische  That 
fesselt  unsere  Bewunderung  wie  kein  modernes  Bauwerk. 
Niemand  wird  sich  die  Gelegenheit  des  Besuches  solcher 
Stätten  echten  Baugeistes  entgehen  lassen  können,  wenn 
ihn  der  Ruhm  des  Werkes  in  seinen  Bannkreis  gezogen  hat. 

Wenn  man  von  den  Generationen  sagen  kann:  „in 
ihren  Bauwerken  sollt  ihr  sie  erkennen“,  so  ist  es  der 
Zeiten  Pflicht,  mit  Ernst  und  Ehren  ihre  Aufgaben  zu  be- 
treiben, um  der  Nachwelt  strenge  Prüfung  zu  bestehen. 
In  ehrlicher  Nothwendigkeit  müssen  sich  die  Gestaltungen 
entwickeln,  die  dauernde  Kunstergebnisse  sein  sollen.  Nun 
kann  es  wohl  kein  höheres  Wirken  im  Sinne  der  Kultur- 
Entwicklung  geben,  als  den  Mensclienwerth  zu  steigern 
und  dies  in  hohen  Kunstschöpfungen  zu  verkörpern. 
Die  Kunst  also,  die  sich  der  Wieder-Erweckung  des  Körper- 
wohlstandes widmet,  die  Ahnen,  die  den  künftigen  Vätern 
gesunde  Lebenskraft  errungen  haben  werden,  dürfen  mit 
Selbstvertrauen  über  ihre  Zeit  die  geschichtliche  Jahres- 
Bilanz  vollziehen  lassen. 

Wenn  hier  nochmals  die  Absichten  zusammengefasst 
werden  dürfen,  so  sind  folgende  Sätze  aufzustellen: 

is8 


Die  moderne,  in  der  ganzen  kultivirtenWelt  werbende 
Forderung  nach  Bildung  des  Körperwohlstandes  soll  in 
einer  Kolonie  für  Leibeserziehung,  die  im  Sinne 
eines  Badeortes  aufzufassen  wäre,  ihre  praktische  Ver- 
wirklichung erhalten.  Nicht  Heilung  und  Bergung  kranker 
Personen  ist  ihr  Zweck,  sondern  Erhaltung  und  Aus- 
prägung der  behenden  Rüstigkeit  und  Wieder- 
erweckung des  für  das  körperliche  Wohl  einge- 
schläferten  Gewissens. 

Nicht  sportliche  Schauspiele  und  Schaulust,  nicht  Be- 
lustigungen für  die  nahe  Grosstadt  sind  die  Ziele,  sondern 
allgemeine  Betheiligung  an  der  Wiedergewinnung  des 
Vollbesitzes  aller  leiblichen  Fähigkeiten,  aller  Schönheit 
der  Macht  über  den  Körper. 

Die  Kolonie  soll  nicht  in  enger  örtlicher  Bedeutung 
von  der  Nachbarstadt  abhängig  sein,  sondern  dem  ganzen 
Kontinent  ein  nach  modernen  Gesichtspunkten  gestaltetes 
Bedürfniss  erfüllen. 

Zum  Schluss  ist  noch  der  Gedanke  hervorzuheben, 
dass  in  der  modernen  Baukunst  mehr  von  einer  neuen 
bedeutenden  Bauaufgabe  die  Begründung  einer  neuen 
wachsenden  Kunst  erwartet  werden  kann,  als  von  ab- 
sichtlichem Haschen  nach  Individualität,  als  von  äusser- 
lichen  Linienparoxysmen. 

Eine  solche  moderne  Bauaufgabe  bietet  uns  die 
Schöpfung  einer  Kolonie  für  Leibeserziehung.  In  ihren 
grossen  stolzen  Raumbedürfnissen  wird  diese  Schöpfung 
ihrer  Zeit  ein  ehrliches  Denkmal  errichten,  an  welchem 
wachsender  Fleiss  und  wachsende  Kunst  geholfen  haben. 
Ein  herzhaftes  Ineinanderweben  von  Leben  und  Kunst, 
ein  einheitliches  Heranwachsen  gemeinsamer  Ideale  können 
im  Schoosse  solcher  Wirksamkeit  aufblühen  und  ihren  be- 
glückenden Segen  verbreiten.  Ein  Griechenthum  in  der-. 
Schätzung  körperlicher  Tüchtigkeit  könnte  sich  eine  wohl- 
thätige  Volksthümlichkeit  erwerben.  — H.  W. 


No.  19. 


massig  auf  seinen  mittelalterlichen  wie  auf  seinen  Wer- 
ken aus  den  letzten  2 — 3 Jahrhunderten  beruht,  Wir 
gaben  S.  105  eine  Probeabbildung  über  die  Art  der  Illu- 
strirung  auch  dieses  Abschnittes. 

Auch  wir  schliessen  diesen  kurzen  Bericht  über  das 
schöne  Buch  mit  dem  lebhaften  Wunsche,  den  der  Ver- 
fasser zum  Schluss  ausspricht,  dass  nicht  „die  letzten 
stolzen  Zeugen  einer  denkwürdigen  Vergangenheit",  sofern 


es  nicht  unbedingt  nöthig,  dem  Abbruch  preisgegeben 
werden  und  den  Einzelnen  verfallen,  „die  den  Forderungen 
der  Jetztzeit  aus  rein  praktischen  Rücksichten  nur  zu  sehr 
nachzugeben  geneigt  sind.  Das  Ansehen  Magdeburgs  im 
deutschen  Vaterlande  beruht,  das  soll  man  nicht  ver- 
gessen, nicht  zum  Mindesten  in  seiner  grossen  Geschichte, 
wovon  die  Bausteine  alle  Zeit  reden  sollen!“  — 

- H.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin.  In  der  Sitzung 
am  14.  |an.  unter  Vorsitz  des  Hrn.  Minist.-Dir.  Schröder 
setzte  Hr.  Reg.-  u.  Brth.  Wittfeld  seinen  Vortrag  über 
„Schnellbahnen“ 
fort.  Er  wies  zu- 
nächstaufgrund  sorg- 
fältiger theoretischer 
Untersuchungen 
nach,  dass  bei  gros- 
sen Fahrgeschwin- 
digkeiten Ungenauig- 
keiten in  der  Gleis- 
lage bedeutenden 
Einfluss  auf  die  Be- 
triebssicherheit ge- 
winnen können,  in- 
sofern sie  Entlastun- 
gen der  Räder  und 
Drehungen  der  Fahr- 
zeuge um  die  senk-_ 

rechieSchwerpunkts-^^^^^^g 
ase  heryorrufen,  wo- 
durch Entgleisungen 
begünstigt  werden, 
und  ging  dann  zu 
einem  Vergleiche  der 
Dampf- Lokomotiven, 
und  der  elektr.  Mo- 
torwagenhinsichtlich 
ihrerVerwendbarkeit 
für  Schnell  - Betrieb 
über.  Die  störenden 
Bewegungen  der. 

Dampf  Lokomotiven 
würden,  das  Schlin- 
gern ausgenommen, 
mitwachsenderFahr- 
geschwindigkeit  an 
Bedeutung  verlieren, 
das  Schlingern  aber 
Hesse  sich  durch  eine 
vom  Vortragenden 
erdachte  Anordnung 
des  Kurbelgetriebes 
völlig  beseitigen.  Da- 
nach gebaute  Dampf- 
lokomotiven würden, 
besten  Oberbau  vor- 
ausgesetzt, mit  Ge- 
schwindigkeiten bis 
etwa  200  in  1 St. 
fahren  können.  Die 
von  der  „Studienges. 
für  elektr.  Schnell- 
bahnen“ gewählte 
Bauart  der  Motor- 
wagen stehe  sowohl 
hinsichtlich  der  Be- 
anspruchung des 
Oberbaues,  als  auch 
in  der  Betriebssicher- 
heit einer  solchen 

schlingerfreien  Loko-  , 

motive  nach,  doch  sei 

es  möglich,  elektrische  Motorwagen,  die  einer  solchen 
Lokomotive  mechanisch  gleichwerthig  sind,  zu  bauen, 
wenn  dabei  die  vom  Vortragenden  erörterten  Grund- 
sätze beachtet  würden.  Der  von  der  Studiengesellschaft 
geplante  Einzelwagen  - Betrieb  stehe  vom  wirthschaft- 
lichen  und  betriebstechnischen  Standpunkte  aus  dem 
Dampfbetriebe  mit  geschlossenen  Zügen  weit  nach;  es 
wäre  indess  auch  dem  elektr.  Betriebe  möglich,  mit  dem 
Dampfbetriebe  inWettbewerb  zu  treten,  wenn  es  sich  darum 
handelt,  leichte  Züge  zu  befördern  und  zwar  nicht  nur  bei 
Schnellbahnen,  sondern  auch  im  Stadt-  und  Vorortverkehr. 

Die  von  gründlichen  Studien  zeugenden  Ausführungen 
wurden  von  der  Versammlung  mit  Beifall  aufgenommen. 

5.  März  1902. 


Hr.  Geh.  Brth.  Lochner  von  der  „Studienges.  für  elektr. 
Schnellbahnen“  bestätigt,  dass  man  bei  den  Schnellfahrten 
zwischen  Berlin  und  Zossen  hinsichtlich  der  Bauart  der 
Wagen  zu  ähnlichen  Grundsätzen  gelangt  sei,  wie  sie  der 
Vortragende  entwickelt  habe.  Dass  die  Gesellschaft  zu- 
nächst mit  Einzel- 
wagen gefahren  sei, 
habe  mit  dem  Prinzip 
des  elektr.  Schnell- 
fahrens  nichts  zu 
thun.  Es  könnten 
ebenso  gut  elektrische 
Züge  gebildet  wer- 
den. Wenn  von  einer 
schlingerfreien  Loko- 
motive auch  gute 
Schnellfahrleistungen 
erwartet  werden 
,-7  könnten,  so  bliebe 
bei  ihr  doch  der 
grosse  Nachtheil  der 

, Rauchbelästigungbe- 

stehen. 

"VT  Hiernach  ergriff 
zur  Fortsetzung  der 
in  derOktobersitzung 
unterbrochenen  Be- 
sprechung betr.  die 
„Kreuzung  bezw. 
Untertunnelung 
der  StrasseUnter 
den  Linden  in 
Berlin“  Hr.  Oberstl. 
a.  D.  Buchholtz  das 
Wort.  Er  erklärte, 
dass  er  seinen  da- 
mals gemachten  Vor- 
schlag einer  unterir- 
dischen Stufenbahn- 
Verbindungnach  ein- 
gehenden Erörterun- 
gen mit  dem  Hrn. 
Ingen.  Froitzheim 
(Erbauer  der  Stufen- 
bahn in  der  Berl.  Ge- 
wei'be  - Ausstellung), 
namentlich  wegen 
der  an  den  Enden 
derStufenbahn  anzu- 
bringenden Schleifen 


I 

I 3 recht  erhaltenkönne. 

I 1 Eine  unterirdische 

t 3 ' ' Verbindung  halte  er 

J aber  doch  für  aus- 

\ führbar,  da  eine  sol- 

Entwurf  zu  einer 
,, Kolonie  zur 
Leibeserziehung“ 


von  Architekt 
Herrn.  Werle  in 
Gr.  -lichterfclde. 


Län  ge  etwa  330  m von 
der  Allg.  Elektr.-Ges. 
zur  Verbindung  ihrer 
Fabriken  inderßrun- 
nen-  u.  Ackerstr.  aus- 
geführt worden  sei. 

Nach  ihm  ergriff 
Hr.  Stdtbauinsp.Brth. 

— ' ' ^ Gottheiner  das 

Wort  und  erklärte,  dass  die  Stadt  nach  dem  Ankauf  der 
Strassenbahnlinien  der  Firma  Siemens  & Halske  die  Ab- 
sicht gehabt  habe,  eine  Niveau-Verbindung  in  der  Weise 
herzustellen,  dass  in  der  Verlängerung  der  Kanonierstr., 
von  der  Behrenstr.  nach  den  Linden  eine  Strasse  durch- 
gebrochen und  durch  diese  über  die  Linden  und  durch 
die  Neustädtische  Kirchstr.  die  Bahn  hinüber  geführt  werde. 
Eine  Untertunnelung  der  Linden  würde  so  grosse  Kosten 
verursachen,  dass  die  wenig  rentable  Bahn  nicht  imstande 
sei,  dieselben  zu  rechtfertigen.  Uebrigens  würde  die  Aus- 
führung sehr  schwierig  sein,  da  sich  auf  der  Nordseite  der 
Linden  ein  tiefliegender  Sammelkanal  hinziehe,  unter  wel- 
chem der  Tunnel  hindurch  geführt  werden  müsste.  Auch 


die  Einführung  der  Wagen  in  den  Tunnel  mittels  Rampen 
oder  durch  Aufzüge  würde  bedeutenden  Grunderwerb 
erfordern,  wodurch  sich  die  Kosten  auf  etwa  4 Mill.  M. 
stellen  würden.  Hr.  Oberstl.  Buchholtz  glaubt  trotzdem, 
dass  die  Stadtverwaltung  sich  doch  über  kurz  oder  lang 
würde  dazu  entschliessen  müssen.  Bei  der  grossartigen 
Anlage  von  Untergrundbahnen,  welche  von  der  Stadt  ge- 
plant seien,  könnte  die  Ausführung  eines  so  kurzen  Stückes 
von  330  “ doch  wohl  kaum  grosse  Bedenken  hervorrufen. 
Wenn  die  Stadt  Glasgow  aus  Verkehrsrücksichten  den 
Clyde-Fluss  untertunnelt  habe  und  die  Fahrzeuge  mit  einer 
grösseren  Zahl  von  Aufzügen  in  den  Tunnel  hinein  und 
heraus  befördere,  w’ürde  Berlin  sich  dies  wohl  auch  leisten 
können.  Flierauf  erwiderte  Hr.  Gottheiner,  der  übrigens 
bemerkte,  dass  er  nicht  im  Namen  der  Stadtverwaltung 
spräche,  dass  auch  die  Ausführung  der  geplanten  Unter- 
grundbahnen nach  späteren  Ermittelungen  wegen  der  vor- 
aussichtlich damit  verbundenen  hohen  Kosten  wieder  sehr 
fraglich  geworden  sei. 

Hr.  Eisenb.-Dir.  a.  D.  Ing.  Froitzheim  machte  dann 
noch  den  Vorschlag,  die  Untertunnelung  im  Zuge  der 
Wilhelmstr.  auszuführen  und  bei  dieser  Gelegenheit  die 
Neue  Wilhelmstr.  zwischen  Linden  und  Dorotheenstr.  ent- 
sprechend zu  erweitern.  Inbezug  auf  die  Verwendung 
einer  Stufenbahn  trat  er  den  Ausführungen  des  Hrn. 
Oberstl.  Buchholtz  bei.  — 


Vermischtes. 

Die  Architektur-Abtheilung  der  Grossen  Berliner  Kunst- 
ausstellung 1902  verspricht  wieder  ein  Punkt  von  beson- 
derer Anziehungskraft  zu  werden.  Hr.  Arch.  Jos.  Reuters 
hat  nach  einem  schönen  Entwurf  ihre  Raumgestaltung 
übernommen,  welche  von  der  früheren  in  der  Gesammt- 
anlage  dadurch  abweicht,  dass  aus  den  beiden  gleich 
grossen  Räumen  eine  harmonische  Gruppe  von  drei 
Räumen,  ein  grösserer  Mittelraum  und  zwei  kleinere  Seiten- 
räume für  Entwürfe  und  Skizzen  kleineren  Umfanges  ge- 
schaffen werden.  Auch  diesmal  wieder  werden  sich  an 
die  Architektur-Abtheilung  eine  Reihe  gewählter  Innen- 
räume anschliessen.  Mit  den  Anmeldungen  wolle  man 
nicht  zu  lange  mehr  zögern.  Die  Leitung  der  Aus- 
schmückungs-Arbeiten der  übrigen  Räume  der  Ausstellung 
hat  Hr.  Prof.  Herrn.  Solf  übernommen.  — 

Steinplastikum  (D.  R.  P.).  Unter  diesem  Namen  wird 
durch  Fröhlich  & Ludwig,  Berlin  S.W.,  Lindenstr,  27, 
ein  neues  Material  für  Fassaden  und  das  Innere,  sowie 
für  plastische  Arbeiten  auf  den  Markt  gebracht,  welches 
„die  in  der  äusseren  Physiognomie  unserer  Städte  aus 
Kalk,  Gips  und  Holz  zusammengesetzten  Architekturen, 
über  welchen  sich  ein  alle  Details  verunzierender  Oel- 
anstrich  befindet",  zugunsten  einer  natürlicheren  und  künst- 
lerischeren Erscheinung  der  Bauwerke  verdrängen  will. 
Das  neue  Putzmaterial  enthält  „Verwitterungs-Produkte, 
welche  jede  weitere  Verwitterung  völlig  ausschliessen". 
Die  Proben,  die  uns  Vorgelegen  haben,  verbinden  in  der 
That,  wie  es  die  Firma  angiebt,  mit  einer  schönen,  kräftig 
wirkenden  sandsteinartigen  Körnung  einebedeutende  Festig- 
keit und  Dichtigkeit,  sowie  den  weiteren  Vorzug,  dass  der 
Verputz  in  beliebiger  Tönung  farbbeständig  hergestellt 
werden  kann.  Die  dem  Material  eigenen  und  ihm  zuge- 
sprochenen Eigenschaften,  sowie  die  Vielseitigkeit  der  ihm 
zugedachten  Verwendung  lassen  uns  den  Wunsch  aus- 
sprechen, gelegentlich  Stimmen  aus  der  Praxis  über  die 
Bewährung  zu  hören,  zumal  das  Steinplastikum  als  „im- 
ganzen billiger,  als  der  gewöhnliche  Kalkputz"  bezeich- 
net wird.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Realvollanstalt  Bremen.  Es  liefen  80  Ent- 
würfe ein.  Es  errang  den  I.  Preis  von  4000  M.  die  ge- 
meinsame Arbeit  der  Hrn.  Ferd.  Köhler,  Paul  Kranz 
und  O.  Gröffel  in  Charlottenburg;  einen  II.  Preis  von 
3000  M.  die  der  Hrn.  Richard  Bielenberg  und  Josef 
Moser  in  Berlin;  ein  weiterer  II.  Preis  von  3000  M.  fiel 
an  Hrn.  Georg  Petersen  in  Charlottenburg.  Mit  den 
beiden  HL  Preisen  von  je  2000  M.  wurden  die  Entwürfe  der 
Hrn.PaulMeissnerin  Darmstadt  und  Jakob  Schmeissner 
in  Nürnberg  ausgezeichnet.  Für  je  1000  M.  angekauft  wur- 
den die  Arbeiten  der  Hrn.  Paul  Speer  in  Gemeinschaft 
mit  Max  Ostertag  in  Berlin,  und  Ernst  Rang  in  Ge- 
meinschaft mit  Arnold  Siibersdorf  in  Schöneberg.  — 

Wettbewerb  Gymnasium  Bremen.  Unter  142  Entwürfen 
errang  den  I.  Preis  von  4000  M.  der  des  Hrn.  Paul  Baum- 
garten in  Berlin;  einen  II.  Preis  von  3000  M.  der  des 
Hrn.  Prof.  H.  Guth  in  Charlottenburg;  einen  weiteren 
n.  Preis  von  3000  M.  der  des  Hrn.  Ernst  Hoffmann  in 
Berlin;  einen  III.  Preis  von  2000  M.  der  des  Hrn.  Emming- 


mann  in  Berlin  und  einen  weiteren  III.  Preis  von  2000  M. 
der  der  Hrn.  Rust  & Müller  in  Leipzig.  Um  die  Summe 
von  je  1000  M.  wurden  angekauft  die  Entwürfe  der  Hrn. 
Abbehusen  in  Bremen  und  R.  Walter  in  Gemeinschaft 
mit  H.  Heger  in  Charlottenburg.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Hamborn.  Verfasser  des  zum 
Ankauf  empfohlenen  Entwurfes  „Neujahr  1902"  ist  Hr. 
Otto  Schulz  in  München.  — 

Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Den  kgl.  Baugewerkscbul-Dir.  H ar  t i g in  Barmen 
Prof.  Höf  f er  in  Breslau  und  Brettschneider  in  Münster 
i.  W,  ist  der  persönl.  Rang  der  Räthe  IV.  Kl.  der  höheren  Prov  - 
Bearaten  verliehen.  — Der  Baugewerkschnllchrcr  Arch.  Walch  in 
Posen  ist  z.  kgl.  Ober-Lehrer  ernannt. 

Der  Eisenb.-Bau-  u.  Bctr.-Insp.  Belirends  in  Posen  ist  als 
Vorst,  der  Bauabth.  nach  Xanten  versetzt. 

Württemberg.  Verliehen  ist:  Dem  Ob.-Brth.  Prof.  Rein- 
hardt an  der  Techn.  Hochschule  in  Stuttgart  das  Ehrenkrenz  des 
Ordens  der  Württemberg.  Kron^  — dem  Brth.  Stoeker  bei  der 
Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.,  den  Eisenb.-Bauinsp.  K n o 1 1 in  Heiden- 
heim u.  Abth.-Ing.  von  K e c h 1 e r- S c h w a n d o r f in  Esslingen, 
dem  Brth.  Ganz,  Kult. -Ing.  bei  der  Zentralstelle  für  die  Landwirtli- 
schaft  das  Ritterkreuz  I.'Kl.  des  Friedrichsordens;  — dem  Insp. 
Holder  beim  Bauamt  des  staatl.  Neckarwasserwerks  das  Ritterkreuz 
II-  Kl.  des  Friedrichsordens;  — dem  Oberamtsbmstr.  Ziegler 
in  Pleidenheim  das  Verdienstkreuz;  — dem  Oberamtsbmstr.  Klinl; 
in  Besigheim  und  dem  Stadtbmstr.  Geilsdörfer  in  Tübingen 
die  Verdienstmedaille  des  Kronen-Ordens.  — 

Der  Titel  u.  Rang  ist  verliehen : den  Eisenb.-Bauinsp.  Schmidt 
in  Hall  u.  E b c r h a r d t in  Balingen,  dem  Dir.  Theurer  bei  der 
Masch.-Fabr.  Esslingen,  dem  Strassenbauinsp.  Feldweg  in  Cann- 
statt und  dem  Prof.  Kap  ff  an  der  Baugcwerkschule  in  .Stuttgart 
derj.  eines  Bauraths;  — den  Abth.-Ing.  Schleicher  u.  Schiller 
bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.,  Nörr  in  Geislingen,  Schäuffcle 
in  Reutlingen,  Reichert,  Schlierholz  u.  Stohrer  bei  der 
Gen  -Dir.,  Hartmann  in  Esslingen,  Schon  u.  Gräsle  bei  der 
Gen.-Dir.  und  Klein  in  Ulm  derj.  eines  Eisenb.-Bauinsp. 


Briet-  und  Fragekasten. 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 

Zu  der  Fragebeantwortung  in  No.  12  betr.  sich  selbst 
tragende,  schallsich  ere  Wände  theilt  uns  die  Firma  Jul. 
Donath  & Co.,  Berlin,  Gartenstrasse  167. 168,  mit,  dass  sie  sich  selbst- 
tragende und  schallsichere  Hohlsteinwände  ohne  Trägerunterstützun- 
gen bis  ro  ni  Länge  und  5 m Höhe  herstellt.  Der  Preis  beträgt  3,5 
bis  4 M.  für  I qm.  — 

Zu  den  beiden  Anfragen  in  No.  ii  erhielten  wir  eine  grössere 
Anzahl  von  Zuschriften,  Zu  i.  führen  aus: 

Hr.  Max  Wedekamp,  Ingenieur  in  Leipzig:  Es  ist  rathsam, 
einige  Heizrohre,  vielleicht  50mm  1.  D.,  in  Abständen  von  etwa 
1,5 — sm  unter  die  Decke  zu  legen,  der  Ueb.elstand  des  Schwitz- 
wassers wird  dann  gehoben  sein.  Ich  habe  ein  grosses  Atelier, 
16  m lang  und  6 m hoch,  bei  einfacher  Verglasung  derart  behandelt 
und  ein  sehr  günstiges  ErgebnisS  erzielt.  Auch  bei  einer  grossen 
Montagehalle  von  100  m Länge  habe  ich  dieselbe  Erfahrung  gemacht.  — 
Hr.  Civ  -Ing.  R.  Michel  in  Leipzig:  Die  Ursache  des  Tr  opfen.s 
der  Wellblechdecke  hat  darin  ihren  Grund,  dass  entweder 
der  Putz  der  Korkdecke  sehr  durchlässig  ist  oder  die  Fugen  der 
aneinanderstossendea  Korkplatten  nicht  dicht  durch  den  Mörtel 
geschlossen  sind.  Die  warme  Luft  von  unten  steigt  empor,  dringt 
durch  die  Korkplatten  und  schlägt  sich  an  dem  kalten  Wellblech 
nieder,  wodurch  Schwitrwasser  entsteht.  Wenn  die  Fugen  gut 
nachgesehen  und  undichte  Stellen  mit  Mörtel  verstrichen  werden, 
wenn  ferner  über  die  ganze  Decke  ein  harziger  Anstrich  kommt, 
so  wird  das  Schwitzen  der  Decke  aufhören.  — 

Hr.  M.  Schneider  in  Chemnitz:  Am  wirksamsten  dürfte  ein 
dicht  abschliessender  Zeraentputz  mit  Drahtgewebe-Einlage  unter- 
halb der  Korkdecke  sein,  mit  einer  der  Grösse  des  Maschinenhauses 
entsprechenden  Anzahl  Dunsthauben,  welche  unmittelbare  Verbin- 
dung der  Mascliinenhausluft  mit  der  Äussenluft  gewähren  und  dicht 
abgeschlossen  sind  vom  isolirenden  Luftraum  zwischen  Korkdecke 
und  Wellblechdach.  Weniger  wirksana,  aber  vorher  zu  versuchen 
wäre  die  Anbringung  einer  grösseren  Anzahl  von  kleineren  Dunst- 
hauben auf  dem  Wellblechdach,  welche  einen  kräftigen  Luftaustausch 
zwischen  Äussenluft  und  dem  Raume  zwischen  Korkisoiirnng  und 
Wellblechdach  ermöglichen.  — 

Zu  2.  sendet  uns  die  „ Aktien-Gesellschaft  für  Beton-  und  Mo- 
nierbau“, Berlin  W.  9,  eine  Anzahl  von  Bescheinigungen,  nach  wel- 
chen die  Ko  cn  en’schen  V outen  platten  von  10  cm  Dicke  und  mit 
Linoleumbelag  sich  als  schallsicher  erwiesen  haben.  Ausserdem 
verweist  die  Firma  auf  das  neue  Krankenhaus  II  in  Dresden , in 
welchem  in  umfangreicher  Weise  Koenen’sche  Voutenplatten  ver- 
wendet und  unmittelbar  mit  Linoleum  belegt  wurden.  Korklinoleum 
habe  sich  in  Süddeutschland  gut  eingeführt;  Klagen  über  eine  zu 
grosse  Weichheit  seien  bisher  in  den  Berichten  an  die  Firma  noch 
nicht  geführt  worden.  Werde  eine  besondere  Schallsicherheit  ge- 
wünscht, so  empfehle  sich  als  Unterlage  des  Linoleums  ein  3 cm 
starker  Gipsestrich  mit  einer  3 cm  hohen  Sandunterhettung.  Aus- 
führungen dieser  Art  seien  erfolgt  in  den  Justizneubauten  zu  Berlin, 
Rixdorf,  Köpenick,  in  Schulen  zu  Lichtenberg  bei  Berlin,  Halle 
a.  S.  usw. 


Inhalt : Magdeburgs  alte  Bauten.  — Besti  ebuugen  zur  Pflege  des 
Körperwohlsiandes  und  deren  Einfluss  auf  die  Baukunst  (Schluss).  — 
Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Per- 
sonal-Nachrichten. — Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Willi.  Greve,  Berlin. 

No.  19. 


120 


EUTSCHE 

XXXVI JAHR- 
^BERLIN  ^ 


' 'StstacsrsjstifsriRStüitsirsr^s» 

; AUZEITUNG. 
GANG.  * * N2;  20.  ^ 
I DEN  8.  MÄRZ  igo2. 


Die  neue  protestantische  Kirche  in  Aeschach-Hoyren  bei  Lindau  i.  B. 

Architekt:  Professor  Friedrich  von  Thiersch  in  München. 

(Hierzu  die  Abbildungen  Seite  124  u.  125.) 

wusgiglas  schmucke  Kirchlein,  welches  in  den  ersten  körnige  malerische  Muschelkalk,  der  in  der  Nähe  von 
:|a  Kwl^j  Dezembertagen  des  vergangenen  Jahres  ein-  Rothenburg  ob  der  Tauber  bricht,  gewählt.  Die  senk- 
n 1 geweiht  und  für  die  Orte  Aeschach  und  rechten  Mauern  sind  aus  Rohrschacher  Sandbruch- 
y|y|K^  Hoyren  bei  Lindau  errichtet  wurde,  hält  in  stein,  die  Gewölbe  aus  Backtein  erstellt;  ihre  Flächen 
Anlage  einen  gewissen  Mittelweg  ein  sind  geputzt.  Die  Vorhalle  ist  mit  grün  glasirten 
zwischen  den  überlieferten  Formen  des  Kirchenbaues,  Ziegeln,  das  Hauptschiff  mit  rothcn  Bieberschwänzen, 


wie  er  auf  derGrund- 
lage  der  katholischen 
Kultübung  sich  ent- 
wickelt, und  zwischen 
den  Bedürfnissen, 
welche  der  Protestan- 
tismus für  seine  Got- 
teshäuser zur  Richt- 
schnur gemacht  hat. 

Es  bildet  eine  Ver- 
mittelung zwischen 
dem  geschichtlich 
vererbten  Langhause 
und  derzentralenAn- 
läge  der  protestanti- 
schen Predigtkirche. 
Ein  Seitenschiff  und 
dieimrechtenWinkel 
angelegten  Emporen 
liegen  gegenüber  der 
an  der  rechten  Chor- 
seite angebrdneten 
Kanzel  und  gegen- 
über dem  in  der  Mitte 
des  Chores  gelegenen 
Altar,sodass,vondem 
kleinen  Hinderniss 
der  leichten  Stützen 
abgesehen,  fast  alle 
Plätze  einen  freien 
Ausblick  auf  die  Stel- 
lenhaben, anweichen 
sich  die  kirchliche 
Handlung  vollzieht. 
Thurm  und  Sakristei 
liegen  zu  beiden  Sei-  ‘ 
ten  des  Chores,  ein  i 
polygonalerTreppen-  i 
ausbau  für  die  Em-  “ 
poren  bereichert  die 
Vorderansicht;  die 
Orgel  liegt  im  Rücken 
der  Kirchenbesucher. 


dasThurmdachistmit 
Kupfer  eingedeckt. 
Die  Dachstühle  be- 
stehen aus  Holz.  — 
Das  Haus  besitzt  eine 
Niederdruck  - Dampf- 
heizung, sowie  - eine 
elektrische  Beleuch- 
tung mit  Strom  vom 
ElektrizitätswerkLin- 
dau ; bei  der  Anlage 
der  letzteren  war  we- 
niger eine  starke  Be- 
leuchtung des  ganzen 
Kirchenraumes , als 
eine  gute  Erhellung 
der  einzelnen  Plätze 
je  durch  besondere 
schmiedeiserne  Stän- 
der und  Wandarme 
maassgebend.  Die 
Fenster  unter  den 
Emporen  erhielten 
eine  Verglasung  in 
Butzenscheiben , die 
übrigen  Fenster  wur- 
den nach  den  Ent- 
würfen des  Archi- 
tekten mit  farbigen 
Glasmalereien  ge- 
schmückt. Auf  die 
^ Ausbildung  der  Por- 
-p|  tale,  der  Kanzel,  des 
Altars, desTaufsteins, 
derOrgel  usw. wurde 
' ^ besondere  künstleri- 
{ sehe  Sorgfalt  ver- 
|t|  } wendet.  Von  der  an- 
heimelnden Sakristei 
giebt  die  Abbildung 
S.  125  den  Hauptein- 
druck wieder. 


der  Kirchenbesucher.  Am  24.  April  1900 

Das  Mittelschiff  hat  eine  lichte  Spannweite  von  fand  die  feierliche  Grundsteinlegung  statt,  am  i.  De- 
9,5  und  eine  lichte  Scheitelhöhe  des  reichen  Netz-  zember  1901  wurde  das  Fest  der  Einweihung  begangen, 
gewölbes  von  13“;  die  gesammte  Länge  des  Schiffes  Die  Baukosten  haben  rd.  270000  M.  betragen  davon 
erreicht  einschliesslich  des  8“  tiefen,  mit  einem  schönen  entfallen  auf  den  Rohbau  rd.  175000  M.,  auf  den 
Sterngewölbe  überdeckten  Chores  rd.30'^.  Der  Thurm  inneren  Ausbau  rd.  95000  M. 


erhebt  sich  bis  zur  Spitze  zu  einer  Höhe  von  58'’ 


Bei  der  Bearbeitung  der  Entwürfe  und  bei  der 


Das  Erdgeschoss  enthält  436,  die  Empore  180  Sitze;  Errichtung  des  Baues  standen  dem  leitenden  Architekten 
die  Zahl  von  616  festen  Plätzen  kann  durch  beweg-  die  Hrn.  Ludw.  Heuss,  Hans  Bernoulli,  Joh. 
liehe  Sitze  auf  700  erhöht  werden.  Heppner,  Ernst  Fiechtner  und  Erwin  Heraan 

Dem  Wunsche  der  Gemeinde  entsprechend,  wurde  zur  Seite.  Künstlerische  Mitarbeiter  waren  ausserdem 
das  Gotteshaus  als  eine  Kirche  in  den  Formen  des  die  Hrn.  Bildhauer  Alfr.  Heller,  Aug.  Siegerer, 
ausgehenden  gothischen  Stiles  und  mit  echter  Wölbung  Franz  Ringer,  Prof.  E.  Pfeifer  und  Jakob  Bradl, 
errichtet.  In  der  Wahl  der  Stilformen  schloss  der  sowie  die  Glasmaler  Karl  Ule,  Carl  deBouche  und 
Architekt  an  süddeutsche  Vorbilder  sich  an.  Als  Maler  Ignat.  Taschner  in  München.  Alle  technischen 
Material  für  die  dem  Wetter  besonders  ausgesetzten  und  Kunstarbeiten  wurden,  insbesondere,  soweit  die 
Architekturtheile  des  Aeusseren,  sowie  für  die  Stützen  Entwürfe  in  Betracht  kommen,  mit  mittelalterlicher 
und  Gliederungen  des  Inneren  wurde  der  graue  grob-  Liebe  zum  Werk  ausgeführt.  — 


121 


Elektrische  Schnell-  und  Vollbahnen  mit  hochgespanntem  Drehstrom  als  Antrieb. 

(Schluss.) 


digkeit  veranlassten  Einzelheiten  werden  sich  die  Einrich- 
tungen der  Schnellbahn  auf  Bahnen  geringerer  Geschwin- 
digkeit ohne  wesentliche  Aenderurigen  übertragen  lassen. 
Bedenken  würden  sich  hierbei  höchstens  gegen  die  Anlage 
der  Stromleitung  insofern  richten,  als  ihre  grosse  Höhe 
von  5,5,  6,5  und  7,5  m über  Schienenoberkante  die  Aus- 
führung von  Wege-  und  Bahnüberführungen  sehr  er- 
schweren, diejenige  von  schienenfreien  Abzweigungen  (die 
in  einem  vollständigen  Schnellbahnnetz  häufig  wiederkehren 
müssten)  wegen  der  Länge  der  Rampen  fast  unmöglich 
machen  wurde  und  insbesondere  ihre  Anwendung  aui  be- 
stehenden Bahnen  fast  überall  verbietet.  Man  darf  aber  wohl 
annehmen,  dass  für  derartige  Anwendungen  eine  andere 
Lösung  sich  ohne  Schwierigkeiten  finden  lassen  wird.  Wir 
werden  um  so  eher  die  Anwendung  auf  Bahnen  geringerer 
Geschwindigkeit  machen  dürfen,  als  ja  die  Technik  ebenso 
wenig  wie  die  Natur  Sprünge  macht  und  es  demnach  ein 
Unding  ist,  plötzlich  von  der  jetzt  gebräuchlichen  Fahrge- 
schwindigkeit von  auf  mehr  als  die  doppelten  Geschwin- 
digkeiten mit  der  vierfachen  Arbeitsleistung  dauernd  über- 
gehen zu  wollen.  Wenn  es  sich  um  weniger  schnellfahrende 
Bahnen  handelt,  so  wird  das  Schwergewicht  des  zu  Erpro- 
benden und  neu  Anzu  wendenden  auf  dieEnergie-Vertheilung 
über  grössere  Entfernungen  bei  verhältnissmässig  hohen 
Kraftleislungen  an  einenPunktgelegtwerdenmüssen, beides 
gemessen  im  Verhältniss  zu  den  bei  den  bisherigen  elek- 
trischen Bahnen  üblichen  Entfernungen  undKraftleistungen. 


Abbildg.  8.  Drehgestell  eines  Wagens  der  elektrischen  Valettalina-Bahn  von  Ganz  & Cie. 
(Nach  „The  Engineer“  1901.) 


ie  Fahrversuche,  mit  deren  Durchführung  im  Septbr. 
v.  J.  begonnen  worden  ist^),  wurden  besonders  er- 
schwert durch  die  geringe  Stärke  des  aufderVersuchs- 
strecke  vorhandenen  Oberbaues  mit  Schienen  von  33  ^ 
Gewicht,  dessen  Verstärkung  ohne  bedeutende  Kosten  zu- 
nächst nur  durch  Vermehrung  der  Schwellen  und  theil- 
weisen  Ersatz  der  minderwerthigen  Bettung  durch  Stein- 
schlag möglich  war.  Dass  trotz  dieses  schwachen  Ober- 
baues die  Geschwindigkeit  bis  auf  140  gesteigert^)  und 
in  dieser  Höhe  beibehalten  werden  konnte,  ohne  dass  der 
Gang  der  Fahrzeuge  zu  Beunruhigungen  Anlass  bot,  muss 
in  hohem  Maasse  überraschen.  Wenn  man  bedenkt,  dass 
ein  derartiger  Oberbau  im  allgemeinen  als  zu  schwach 
erachtet  wird,  um  eine  Beförderung  von  Dampfzügen  mit 
mehr  als  80  Geschwindigkeit  zuzulassen  und  sich  er- 
innert, dass  die  Entgleisung  des  französischen  Südexpress- 
zuges bei  Dax  im  vorigen  Jahre  allgemein  der  hohen  Fahr- 
geschwindigkeit von  120  zugesenrieben  wurde,  so  zeigt 
sich  deutlich,  um  wieviel  geringer  die  Angriffe  sind, 
welche  die  umlaufenden  Massen  des  elektrischen  Fahr- 
zeuges im  Verhältniss  zu  der  stetigen  Schwerpunkts-Aende- 
rungen  aasgesetzten  Dampf-Lokomotive  auf  den  Oberbau 
ausüben.  Sogar  beim  Durchfahren  von  Weichen  gegen 
die  Spitze  ist  eine  Geschw.  von  130 eingehalten  worden. 

Dass  die  elektrischen  Einrichtungen  der  Wagen  bei 
den  Versuchen  sich  voll  bewährt  haben,  ist  ebenso  be- 
merkenswerth,  wird  aber  vielleicht  weniger  überraschen, 
wenn  man  bedenkt,  dass  die  ein- 
zelnen Apparate  und  Stücke  be- 
reits vor  der  Inbetriebsetzung  der 
Wagen  in  den  Werkstätten  unter 
Verhältnissen  erprobt  wurden,  wel- 
che den  im  Betriebe  auftreten- 
den möglichst  nachgebildet  waren. 

Immerhin  zeigt  sich  hierbei  aufs 
schlagendste,  um  wieviel  sicherer 
heute  unsere  Ingenieure  zu  arbei- 
ten verstehen  und  die  Bewährung 
neuer  Einrichtungen  im  Betriebe 
vorher  beurtheilen  können,  als  dies 
in  früheren  Zeiten  des  Eisenbahn- 
wesens der  Fall  war.  Erinnert  sei 
hier  beispielsweise  an  die  zahl- 
reichen Versu>he  mit  Betriebs- 
mitteln abweichender  Form  auf 
Steilstrecken,  Zahnradbahnen  und 
dergl.,  die  seinerzeit  regelmässig 
mit  einem  völligen  Versagen  der 
Neueinrichtungen  zu  enden  pfleg- 
ten und  bei  denen  die  zur  Weiter- 
ausbildung geeigneten  Konstruk- 
lions-Gedanken  erst  allmählich  bei 
der  Wiederaufnahme  der  Versuche, 
oft  erst  nach  Jahren,  klar  er- 
kannt undweiterentwickelt  wurden. 

Die  bisherigen  Ergebnisse  der  Versuche  sind  also  als 
hochbedeutsame  zu  verzeichnen  und  sie  werden  es  noch 
in  höherem  Maasse  werden,  wenn  es  gelingt,  bei  der 
Fortführung  derselben  die  Fahrgeschwindigkeit  weiter  zu 
steigern,  wozu  allerdings  eine  wesentliche  Verstärkung 
des  Oberbaues  unumgänglich  sein  würde.  Das  Verhalten 
von  Fahrzeugen  bei  hohen  Geschwindigkeiten,  der  LuR- 
widerstand  bei  schneller  Fahrt,  die  Beanspruchung  des 
Oberbaues,  das  alles  sind  Fragen,  deren  Beantwortung 
für  die  Förderung  der  Wissenschaft  der  Technik  von 
hohem  Werthe  sind,  selbst  wenn  eine  unmittelbare  prak- 
tische Anwendung  der  hohen  Fahrgeschwindigkeiten  im 
Eisenbahnbetriebe  nicht  so  bald  zur  Erwägung  kommen 
sollte.  Und  wie  wir  die  Grösse  des  Geleisteten  dankbar 
anerkennen,  so  mag  manchem  von  uns  Ingenieuren  der 
Gegenwart,  deren  durch  die  Praxis  gestellte  Aufgaben 
mehr  reproduktiver  als  produktiver  Natur  zu  sein  pflegen, 
heute  ein  leises  Bedauern  aufsteigen,  nicht  mitberufen  zu 
sein  zu  der  Lösung  so  grossartiger  ingenieurtechnischer 
Aufgaben.  — 

Wenn  nun  aber  der  Schnellbahn -Gedanke  sich  nicht 
so  bald  verwirklichen  dürfte,  so  werden  wir  einen  un- 
mittelbaren praktischen  Nutzen  der  Versuche  vor  allem 
in  der  Anwendung  der  gewonnenen  Ergebnisse  auf  ge- 
ringere Geschwindigkeiten  zu  suchen  haben.  Abgesehen 
vielleicht  von  einigen  besonders  durch  die  hohe  Geschwin- 


Für  die  Strassenbahnen  mit  geringen  Streckenlängen, 
Wagengewichten  undFahrgeschwmdigkeiten  sind  die  Kraft- 
vertheilung  und  der  Wagenantrieb  durch  Gleichstrom  wirih- 
schaftlich  und  technisch  in  der  Regel  als  vollkommen  zu 
bezeichnen.  Diese  Aufgabe  liegt  in  Amerika  und  bei  uns 
hinter  der  Elektrotechnik.  Man  hat  Gleichstrom-Kraftver- 
theilung  und  -Antrieb  alsdann  auf  die  Stadtbahnen  über- 
tragen, wobei  man  zunächst  mit  etwas  grösseren  Entfer- 
nungen, Geschwindigkeiten  und  Zuggewichten  zu  rechnen 
hatte.  Wenn  auch  die  Anwendung  reinen  Gleichstromes 
in  manchen  Fällen  gegluckt  ist  (Chicago,  Berliner  Hoch- 
bahn), so  wurde  man  doch  sehr  bald  zur  Einführung 
der  Arbeitsübertragung  durch  Wechselstrom  genöthigt 
(Manhattan-Hochbahn  in  New-York,  Ueberlandbahnen  in 
Nord-Amerika).  In  Europa  hat  sich  dieses  System  bisher 
noch  nicht  einzuführen  vermocht. 

Sobald  es  sich  um  eine  weitere  Steigerung  der  Ent- 
fernung, Geschwindigkeit  und  des  Zuggewichies  handelt, 
ist  auch  als  Antrieb  Gleichstrom  wirthschafllich  ausge- 
schlossen®), und  deshalb  kommt  überall  da,  wo  es  sich  in 
besonderen  Fällen  um  Ersatz  der  Dampfkraft  auf  „Voll- 
bahnen" durch  elektrischen  Betrieb  handelt,  wie  bei  Stadt- 
und  Vorortbahnen,  Zweigbahnen  im  Gebirge,  Tunnelbahnen 
usw.,  Drehstromantrieb  heute  ernstlich  infrage. 

Wenn  ferner,  wie  früher  an  dieser  Stelle’^)  ausgeführt 
wurde,  der  Personenverkehr  auf  grössere  Entfernungen 


Vergl.  No.  93  Jalirg.  1901  der  Dtsch.  Bauztg.  und  Centralbl.  d. 
Bauverwaltg.  1901. 

*)  Mit  dem  Wagen  von  S.  & H.  wurden  sogar  160  km  erreicht;  doch 
nahm  man  von  der  Wiederholung  dieser  Geschwindigkeit  mit  Rücksicht 
auf  den  Oberbau  Abstand. 


•)  Vergl.  Rfibler  & Schimpff,  die  Wahl  des  Betriebssystemes  für 
städtische  Tiefbahnen,  Dtschc.  Bauztg,  1900  No.  36  ff.,  nnd:  Der  elektrische 
Betrieb  auf  der  Berliner  Stadt-  und  Ringbahn,  Glasers  Annalen  1901 
Bd.  46  Heft  7. 

’)  Dtschc.  Banztg.  1901  No.  44  a,  a.  O. 


122 


No.  20. 


bei  uns  noch  nicht  dicht  genug  ist  und  auch  nicht  sobald  zu 
werden  verspricht,  um.  eine  fortlaufende  Beförderung  an- 
wendbar zu  machen,  d.  h.  eine  Auflösung  der  Züge  in  Ein- 
zelwagen, die  in  ganz  kurzen  Zwischenräumen  verkehren,  so 
haben  wir  doch  kürzere  Strecken  zwischen  grösseren  Städten, 
die  schon  heute  einen  ganz  gewaltigen  Verkehr  zu  vermit- 
teln haben,  wie  beispielsweise  in  den  Industriegegenden 
Rheinlands  und  Westfalens;  und  da  kann  man  sich  wohl 
denken,  dass  es  zweckmässig  sein  würde,  die  stellenweise 
bereits  eingeleitete  Trennung  zwischen  Personen-  und 
Güter-Beförderung  weiter  auszudehnen  und  auf  den  Per- 
sonengleisen  elektrisch  betriebene  Einzelwagen  mit  einer 
etwas  gesteigerten  Geschwindigkeit  in  kurzen  Zwischen- 
räumen verkehren  zu  lassen. 

Die  wirthschaftlichen  Vorzüge  des  Drehstromes  treten 
um  so  deutlicher  zutage,  je  weiter  man  sich  von  der  bei 
.Gleichstromantrieb  üblichen  und  durch  die  Bauart  der 
Gleichstrom-Maschinen  bedingten  Spannung  entfernt;  und 
um  so  eher  werden  die  für  Hochspannung  getroffenen 
Einrichtungen  der  Schnellbahnwagen  sich  auch  für  solche 
Bahnen  eignen,  die  sich  weniger  von  denen  der  jetzigen 
Eisenbahnen  auf  eigenem  Bahnkörper  unterscheiden. 

Wir  können  daher  den  Gegenstand  unserer  Unter- 
suchung nicht  verlassen,  ohne  die  Ergebnisse  auf  dem 
GeÜete  der  Anwendung  hochgespanntenDrehstromes  zum 
Bahnbetrieb  zum  Vergieichheranzuziehen,  welche  die  Firma 
Ganz  & Cie.  in  Budapest  unabhängig  von  den  Berliner 
Versuchen  gewonnen  hat. 

Ungefähr  gleichzeitig  mit  den  Versuchen  von  S.  & H. 
auf  der  Lichterfelder  Strecke  wurden  ähnliche  Versuche 


haben,  als  die  für  derartige  Bahnen  recht  hohe  Beschleuni- 
gung von  0,5“  in  i Sek. 

Die  Ges.ammt-Anordnung  des  Triebwagens  entspricht 
den  Schnellbahnwagen.  Die  Kastenlänge  beträgt  i8,i 
die  Oberkante  Wagenfussboden  liegt  1455™“  über  Schienen- 
oberkante. Die  Drehgestelle,  Abbildg.  8,  sind  zweiachsig 
und  haben  einen  Achsstand  von  2500  ““  und  einen  Rad- 
durchmesser  von  1700  Der 
Abb.  9.  Antriebs-Kuppelung,  Rahmen  des  Drehgestelles  ist 
gegen  die  Achse  mittels  Blalt- 
und  Spiralfedern  abgefedert,  wie 
bei  den  Schnellbahnwagen.  Der 
Drehzapfen  ruht  auf  der  üblichen 
Querschwinge. 

Jede  Achse  wird  von  einem 
sechspoligen  Motor  unmittelbar 
angetrieben.  Der  Ständer  des 
Motors  ist  mit  dem  Rahmen  des 
Drehgestells  fest  verbunden,  die 
Welle  des  Läufers  umschliesst  die  Radachse  mit  einem  all- 
seitigen Spielraum  von  60  Die  Lager  dieser  Welle  sind 
fest  mit  dem  Ständer  verbunden  und  laufen  in  Oel.  Der 
Luftraum  zwischen  Läufer  und  Ständer  beträgt  5 Die 
Antriebskuppelung  zwischen  Motor  und  Rad  ist  in  Abb.  9 
schematisch  dargestellt;  sie  erlaubt  das  Federn  des  Motors 
in  senkrechter  Richtung.  Der  Ständer  der  Motoren  bildet 
das  Feld,  der  Läufer  den  Anker;  dieser  besitzt  drei 
Schleifringe. 

Dem  Ständer  des  ersten  Motors  eines  Drehgestelles 
wird  der  Strom  von  3000  Volt  Spannung  zugeführt.  Im 


Abbildg.  10,  y/\'ollbahrLtreib''/vageri,Ilete  Adriaiica,  Valtellm-Balm  Ganz  u Cie. A^^\3u.da-pest. 


II 11 

|H 

ilili 

llllii  I 

MMm 

mmmm 

San  ö □ 


- -B- 

Idxi  □ □ mfflm 


von  Ganz  & Cie.  auf  der  Altofener  Insel  angestellt,,  wo 
eine  mit  3000  Volt  gespeiste,  1,6^01  lange  Probestrecke 
längere  Zeit  im  Betriebe  war,  und  die  Ergebnisse  haben 
zur  Anwendung  des  Systems  auf  der  Valettalina-Linie 
der  italienischen  Bahnen,  Rete  Adriatica,  und  zum  Vor- 
schläge desselben  für  die  Umgestaltung  der  Tunnel-Stadt- 
bahn Londons  8)  geführt. 

Die  Valettalinabahn^)  führt  von  Lecco,  das  von  Mailand 
51  km, entfernt  ist,  in  unmittelbarer  Nähe  des  Comersees 
und  im  Addathal  aufwärts  zunächst  nach  Colico  (39^“), 
von  wo  sie  sich  nach  Sondrio  (41  km)  und  Chiavenna 
(27  km)  gabelt. 

Eine  Wasserkraft-Zentrale  erzeugt.  Drehstrom  von  15 
Perioden^O)  und  20000  Volt  Spannung,  die  in  den  (12)  Unter- 
Stationen  auf  3000  Volt  vermindert  wird.  Die  Spannungs- 
wandler befinden  sich  also  hier  nicht  auf  dem  Fahrzeuge, 
sondern  feststehend  an  der  Strecke.  Der  Strom  wird  in 
dieser  Spannung  unmittelbar  der  Feldwicklung  der  Mo- 
toren zugeführt;  die  Zuleitung  geschieht  durch  2 Ober- 
leitungsdrähte, die  über  dem  Gleise  in  bekannter  Weise 
ausgespannt  sind;  als  dritter  Leiter  dienen  die  Schienen. 
Die  ' Beförderung  der  Güterzüge  soll  durch  elektrische 
Lokomotiven  mit  30  km  Geschwindigkeit  erfolgen,  für  den 
Personenverkehr  sind  einzelne.  Triebwagen  vorgesehen, 
die  mit  60  km  Geschwindigkeit  verkehren  sollen.  Für  den 
Kraftbedarf  des  Wagens  und  die  dadurch  bedingte  Stärke 
der  Motoren  wird  man  aber  nicht  so  sehr  die  verhältniss- 
mässig  geringe  Geschwindigkeit  in  Rücksicht  zu  ziehen 


®)  Vergl.  Dtsche.  Bauztg,  1901  No.  84. 

Im  folgenden  hauptsächlich  nach  „The  Engineer"  igoi  S.  85  ff. 

11)  Diese  ungewöhnlich  geringe  Periodenzahl  wurde  mit  Rücksicht  auf 
die  niedrige  Umdrehungszahl  der  Motoren  gewählt;  sie  ist  für  unmittel- 
bare Abzweigung  eines  BeleUchUingssVomes  nicht  mehr  brauchbar. 

8.  März  igo2. 


Läufer  wird  Drehstrom  von  i.  M.  200  Volt  Spannung  in- 
duzirt,  der  während  der  Anfahrt  der  Feldwicklung  des 
zweiten  Motors  zugeführt  wird.  In  den  Ankerstromkreis 
dieses  Motors  wird  ein  Wasserwiderstand  eingeschaltet, 
der  allmählich  kurzgeschlossen  wird  und  das  Drehmoment 


■i 

Siemens  & I 
Halske  [ 

Allgemeine 

Elektrizitäts- 

Gesellschaft 

Ganz  & Cie. 

Kastenlänge  mm 

oorvno 

21 000  ' 

1 18 100 

Gesammtlänge mm 

2309+ 

22  000 

19  170 

Kastenbreite mm 

Fussboden  über  Schienenober- 

2560«) 

2800 

2700 

kante mm 

1415 

Sitzplätze  .......... 

48 

40 

Achsenzahl  eines  Drehgestelles  , 

3 

Achsstand  der  Drehgestelle  mm 

2 . 1900 

,2500 

Raddurchmesser  .....  mm 

I 2C0 

Auflagerung  des  Drehzapfens  . . 

fest 

fest 

federnd 

Anzahl  der  Motoren 

Antrieb  der  Achse 

Auflagerung  der  Motoren 

direkt 

direkt 

federnd 

federnd 

zum  Untergestell  . . . 

— 

federnd 

fest 

Gewicht  eines  Motors  . . . . t 

Leergewicht  des  Wagens  . . t 

89 

86 

Netzspannung Volt 

Primärspannung  des  Motors  Volt 

1850-1150 

Periodenzahl 

50  ! 

Fahrgeschwindigkeit  . km/Stde. 
Beschleunigung  bei  der  Anfahrt 

200-250 

200 — 250 

60.  _ . 

Leistung  des  Wagens 

0,4 

0,4 

0,5 

bei  der  Fahrt  P.  S.  . . 

bei  der  Anfahrt  P.  S. 

3000 

3000 

I 350 

Flüssigkeits- 

Regelung 

. Mit  den  Widerständen  288« 

Metall- 

Flüssigkeits- 

widerstände, 

widerstände 

widerstände 

Aaskaden- 

schaltung 

T23 


der  Motoren  annähernd  konstant  hält.  Diese  Schaltung  wird 
„Kaskadenschaltung"  genannt^*).  Der  Läufer  des  ersten 
Motors  verhält  sich,  solange  er  Strom  auf  den  zweiten, 
gleich  grossen  und  mit  derselben  Geschwindigkeit  laufen- 
den Motor  abgiebt,  wie  ein  Läufer  doppelter  Umdrehungs- 
zahl. Er  erreicht  demnach  den  Beharrungszustand  (Syn- 
chronismus), sobald  er  halb  so  schnell  läuft,  als  der 
Periodenzahl  des  Feldstromes  entspricht,  im  vorliegenden 
Falle  bei  30  Geschwindigkeit.  Nun  wird  der  zweite 
Motor  ausgeschaltet  und  der  Wasserwiderstand  ebenso  in 
den  Ankerstromkreis  des  ersten  Motors  eingeschaltet,  wo- 
rauf sich  der  Wagen  weiter  bis  zu  60  km  beschleunigt.  , 
Der  erste  Motor  allein  ist  berechnet  auf  150  P.  S. 
Leistung,  im  Dauerzustände  gemessen,  gleich  300  P.S.  für 
den  Wagen;  beim  Anfahren  soll  die  4,5  fache  Leistung 
abgegeben  werden,  entsprechend  1350  P.S.  für  denWagen. 
Das  Gewicht  eines  Motors  beträgt  3,5  k 

Schaltet  man  nach  Erreichung  der  vollen  Geschwin- 
digkeit wieder  den  Ständer  des  zweiten  Motors  in  den 
Ankerstromkreis  des  ersten  ein, 
so  verhält  sich  dessen  Läufer 
wiederum  wie  ein  solcher  mit 
der  doppelten  Geschwindigkeit; 
das  bedeutet  jetzt  100  % Vorei- 
lung (Uebersynchronismus).  Der 
Motor  giebt  also  bis  zur  Erzie- 
lung des  Synchronismus  (Mit- 
eilung),  d.  h.  der  Geschwindig- 
keit von  30  Strom  ins  Netz 
zurück  und  wirkt  bremsend  *2). 

Die  Verzögerung  bis  zur  halben 
Geschwindigkeit  entspricht  75% 
der  Anfahrenergie;  unter  Be- 
rücksichtigung der  Verluste 
sollen  30  % der  Anfahrenergie 
nutzbar  gemacht  werden. 

Die  Anfahrwiderstände  liegen 
unter  demWagenkasten;  sie  be- 
stehen aus  einem  Gefäss  mit 
mehreren  Zellen,  in  die  von 
oben  die  Metallplatten  hinein- 
hängen, während  der  Zutritt  der 
Flüssigkeit(Poitaschelösung)  von 
unten  erfolgt  und  zwar  unter 
Luftdruck  - Antrieb.  Die  Ge- 


lägern laufen,  und  von  denen  der  Strom  durch  seitlich 
angepresste  Kohlenkontakte  abgenommen  wird  (vgl.  Ab- 
bildg.  lo).  Die  Hochspannungs -Leitungen  innerhmb  des 
Wagens  sind  als  isolirte  Bleikabel  ausgebildet  und  allerseits 
mit  Luftzwischenraum  in  geerdeten  Metallrohren  geführt. 
Der  Hauptumschalter  befindet  sich  im  Führerstande,  bei 
späteren  Ausführungen  soll  er  unter  den  Wagenkasten 
gelegt  und  durch  Luftdruck  bethätigt  werden.  Durch 
Luftdruck  geschieht  auch  die  Hebung  und  Senkung  des 
Stromabnehmers.  Der  Fahrschalter  hat  nur  drei  Stellun- 
gen, halbe  und  volle  Geschwindigkeit  und  Nullstellung. 
Die  Aus-  und  Einschaltung  der  Widerstände  geschieht 
selbstthätig.  Die  Luftpumpe,  welche  auch  die  Druckluft 
für  die  Westinghousebremse  erzeugt,  befindet  sich  in 
einem  besonderen  Raume  neben  dem  Führerstande. 

Gegenüber  diesem  Raume  liegt  ein  Abort;  am  ande- 
ren Ende  des  Wagens  ist  ein  Packraum  von  2,45  ™ Nutz- 
länge angeordr.et;  es  bleiben  zwei  mittlere  Räume  von 
6,8  und  3,75“  Länge,  die  für  22  Sitzplätze  ausgenutzt 
sind.  Das  Wagengewicht  be- 
trägt 50  k Unter  Zugrunde- 
legung des  für  die  Schnellbahn- 
wagen angenommenen  Ver- 
gleiches würde  der  Wagen  von 
Ganz  & Co.  für  32  Personen 
Raum  bieten;  bei  52,4  t Ge- 
sammtgewicht  würden  also  auf 
den  Sitzplatz  1,6 1 entfallen. 

Die  Hauptangaben  der  3 be- 
schriebenen Wagen  fasst  die 
vorstehende  Tabelle  Seite  123 
nochmals  zusammen. 

Ein  Vergleich  zwischen  den 
Betriebsmitteln  der  Schnellbahn 
und  der  Valettalinabahn  soll  hier 
nicht  verfolgt  werden;  aus  der 
Gegenüberstellung  sei  nur  zwei- 
erlei geschlossen:  Man  sieht  zu- 
nächst ein , dass  das  hohe  Ge- 
wicht der  Drehstrom  - Hoch- 
spannungs-Betriebsmittel ledig- 
lich durch  die  hohe  Geschwin- 
digkeit bedingt  ist,  nicht  etwa 
im  System  liegt,  und  dass 
sich  das  Gewicht  für  den  Sitz- 


schwindigkeit  des  Aufsteigens  der  Flüssigkeit  (und  damit  die 
Beschleunigung  der  Anfahrt  bezw.  umgekehrt  die  Ver- 
zögerung der  Bremsung)  wird  durch  die  Grösse  der  Ein- 
strömungsöffnung bestimmt.  Um  nach  Erreichung  der 
halben  Geschwindigkeit  den  Widerstand  schnell  auszu- 
schalten, wird  die  Flüssigkeit  durch  eine  Art  Kolbenpumpe 
plötzlich  herausgesogen. 

Die  zwei  Stromabnehmerbügel  des  Wagens  bestehen 
aus  je  zwei  Metallstangen,  die  beiderseits  der  Laterne  auf 
dem  Wagendach  in  der  üblichen  Weise  befestigt  sind, 
und  einem  die  oberen  Enden  derselben  verbindenden 
Holzstabe.  Dieser  trägt  zwei  Stromabnehmer -Walzen, 
Kupferzylinder  von  90  ““  Durchmesser,  die  auf  Rollen- 


platz bei  geringerer  Fahrgeschwindigkeit  bedeutend  ver- 
mindern lässt.  Man  wird  aber  auch  weiter  bemerken, 
dass  trotz  mannichfacher  Abweichungen  im  Einzelnen 
doch  die  Ausführungen  der  drei  Firmen  in  der  Gesammt- 
anordnung  des  Wagenantriebes  soweit  übereinstimmen, 
dass  man  die  Erwartung  aussprechen  kann,  dass  unter 
Berücksichtigung  der  Erfahrungen  des  Betriebes  sich  sehr 
bald  Regelanordnungen  für  die  Anwendung  des  hochge- 
spannten Drehstromes  auf  den  Betrieb  von  Vollbahnen 
bilden  werden,  so  dass  es  unbedenklich  erscheinen  mag, 
denselben  schon  heute  für  gewisse  Fälle  zur  baldigen 
Anwendung  bestimmt  ins  Auge  zu  fassen.  — 

Schimpff. 


Deutschland  auf  der  Turiner  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst. 


Dnter  allen  namhaften  Kulturstaaten  hat  Italien  am 
längsten  sich  gegen  die  moderne  Bewegung  in  der 
dekorativen  Kunst  verschlossen;  noch  auf  der  letzten 
Pariser  Weltausstellung  konnte  man  nur  bei  gründlichem 
Suchen  unter  der  Ueberzahl  routinirt  eklektischer  Arbeiten 


Die  Kaskadenscha'tung  wurde  zuerst  von  Siemens  & Halske  angegeben. 
Vergl  auch  Kobler  & Schimpff,  ein  Entwurf  fQr  die  EiafQbrung  des 
elektrischen  Betriebes  auf  derWaunseebahn,  Dtsche.  Bauztg.  1898,  No.  57  u.  83. 

8 März  T902. 


Spuren  des  neuen  Geistes  entdecken.  Nun  aber  scheint 
der  Bann  gebrochen  zu  sein;  es  wird  mit  allen  Kräften 
dahin  gearbeitet,  den  verloren  gegangenen  Vorsprung 
wieder  einzuholen.  Offenbar  aus  solchen  Absichten  her- 
aus ist  der  Gedanke  hervorgegangen,  im  Laufe  des  kom- 
menden Sommers  in  Turin  eine  „I.  internationale  Aus- 
stellung für  dekorative  Kunst“  zu  veranstalten.  Man 
hat  eingesehen,  dass  auf  dem  alten  ausgefahrenen  Weg 


124 


an  kein  Weiterkommen  zu  denken  ist,  und  man  will  nun 
durch  ein  Feuerzeichen  die  verdunkelnden  Nebel  ver- 
scheuchen und  den  heimischen  Künstlern  und  Kunsthand- 
werkern die  neue  Bahn  beleuchten,  damit  sie  einerseits 
deutlich  erkennen,  in  welche  Rückständigkeit  sie  gerathen 
sind,  und  andererseits  Vertrauen  fassen  zu  den  neuen  Be- 
strebungen, Aber 
neben  der  Vorfüh- 
rung der  modernen 
dekorativen  Kunst 
Frankreichs , Eng- 
lands, Deutschlands 
usw.  wollen  diemo- 
dernen  italienischen 
Kunsthandwerker 
vor  ihren  Lands- 
leuten und  vor  der 
ganzen  gebildeten 
Welt  Zeugniss  da- 
von geben,  dass  sie 
auch  ohne  Anleh- 
nung an  die  alten 
nationalen  Stile 
wohl  im  Stande 
sind,  Tüchtiges  zu 
leisten  und  dass  der 
alte  schöpferische 
Kunstgeist  Italiens 
noch  nicht  erstor- 
ben ist. 

Schon  auf  der 
1899  er  Kunstaus- 
stellung in  Venedig 
hatte  man  den  Ver- 
suchunternommen, 
der  modernen  de- 
korativen Kunst 
eine  Stätte  zur  Aus- 
sprache zu  be- 
reiten; aber  der 
Versuch  schlug  in- 
sofern fehl,  als  kein 
italienischer  Künst- 
ler sich  damals  für 
sie  interessirte.  Erst 
zu  Anfang  des 
letzten  Jahres  regte 
es  sich  wieder  in 
den  interessirten 
Künstlerkreisen; 
die  Pariser  Aus- 
stellung hatte  vielen 
die  Augen  geöffnet, 
und  die  Besorgniss, 
die  bisherige  künst- 
lerische Stellung 
völlig  einzubüssen, 
drängte  ganz  allge- 
mein dahin,  durch 
irgend  ein  heroi- 
sches Mittel  die 
Fesseln  derEklektik 
zu  sprengen  und 
den  Anschluss  an 
die  moderne  Be- 
wegung zu  ge- 
winnen. Als  bestes 
Mittel  erschien  eine 
grosse  Mobilma- 
chung der  kunst- 
gewerblichen Kräf- 
te aller  Kultur- 
staaten und  deren 
Versammlung  auf 
italienischem  Bo- 
den. In  Mailand 
hattemansich  damit 
begnügen  wollen, 
eine  rein  italie- 
nische Ausstellung 
dieser  Art  zu  ver- 
anstalten; aber  der 
Gedanke  wurde  so- 
fort aufgegeben,  als  man  in  Turin  den  Plan  anregte,  dort 
eine  internationale  Ausstellung  der  modernen  dekorativen 
Kunst  abzuhalten.  Die  mit  grosser  Begeisterung  und 
Energie  alsbald  in  Angriff  genommenen  Arbeiten  sind 
nun  soweit  gediehen,  dass  die  Eröffnung  der  Ausstellung 
mit  Sicherheit  zu  Ende  April  erwartet  werden  darf. 


Die  Grundgedanken  für  den  Inhalt  der  Ausstellung 
sind:  ,.Man  will  den  Besuchern  nicht  das  Schauspiel  einer 
Sammlung  von  Dingen  bieten,  die  verschieden  in  ihrer 
Bestimmung  und  in  ihrem  Stil  sind,  sondern  eine  Reihe 
dekorativer  Einzelwerke  und  vollständiger  Raumgruppen, 
welche  mit  den  wirklichen  Bedürfnissen  des  Lebens  über- 
einstimmen. Man 
will  nicht,  dass  die 
ausgestellten  Ge- 
genstände und  De- 
korationen aus- 
schliesslich auf  die 
Bedürfnisse  des 
Reichen  berechnet 
seien,  sondern  man 
strebt  nachschönen 
und  eleganten  Din- 
gen, die  auch  dem 
Minderbemittelten 
zugänglich  sind“ 
(Alfredo  Melani  in 
„Kunst  und  Hand- 
werk“ 1901).  Man 
will  dabei  nicht  nur 
das  moderne  Haus 
in  seinen  dekora- 
tiven Elementen 
und  als  dekorative 
Einheit  vorführen, 
sondern  ebenso  das 
Haus  unddieStrasse 
in  ihrem  dekora- 
tiven Zusammen- 
hang. Es  ist  also  für 
alle  kunstgewerb- 
lichen Produkte 
Raum,  aber  ebenso 
auch  für  Baupläne, 
Brunnenanlagen, 
Plakate,  Strassen- 
laternen  usw. 

Die  Ausstellung 
findet  ausserhalb 
der  Stadt  in  dem 
amPo  schöngelege- 
nen Valentino-Park 
statt;  den  Mittel- 
punkt des  Ausstel- 
lungsgebäudes bil- 
det eine  Rotunde, 
welche  ausschliess- 
lich Festzwecken  zu 
dienen  hat  und  die 
„als  der  erste  mo- 
dern gedachte  Kup- 
pelbau an  sich  schon 
eineinteressanieEr- 
scheinung  bildet“; 
von  hier  aus  laufen 
in  radialer  Richtung 
Gallerien , welche 
die  Rotunde  spei- 
chenartig mit  der 
konzentrisch  ange- 
ordneten äusseren 
(halbkreisförmigen) 
Gallerie  verbinden. 
Die  meisten  dieser 
den  einzelnen  Län- 
dern zugeiheiltenra- 
dialenGallerien  sind 
durchaus  gleich- 
mässig  in  rd.  13  m 
Breite  und  10  ™ 
Höhe  durchgeführt 
und  erhalten  ihre 
Beleuchtung  durch 
Fenster,  die  5 “ 
über  dem  Boden 
angeordnet  sind; 
man  kann  nicht 
sagen,  dass  diese 
Anordnung  für  die 
Zwecke  der  Ausstellung  unter  allen  Umständen  förder- 
lich sei,  namentlich  nicht,  wo  es  sich  um  das  Wohnhaus 
selbst  und  dessen  Einrichtung  handelt. 

Die  Ausstellungslust  war  in  Deutchland  anfänglich  sehr 
gering;  da  aber  die  Berichte  über  die  Betheiligung  Frank- 
reichs, Englands  und  Oesterreichs  deutlich  erkennen  Hessen, 


Die  neue  protestantische  Kirche  in  Aeschach-Hoyren. 
Architekt:  Prof.  Fr.  von  Thiersch  in  München. 


8.  März  1902. 


r2,S 


dass  eine  ungenügende  Betheiligung  oder  gar  ein  völliges 
Fernbleiben  Deutschlands  die  mühsam  eroberte  Stellung 
des  deutschen  Kunstgewerbes  gefährden  würde,  so  musste 
zur  Werbung  für  die  Ausstellung  geschritten  werden.  Das 
Turiner  Comite  hatte  sich  bereits  einzelner  kunstgewerb- 
licher Gruppen  — Münchener  vereinigte  Werkstätten, 
Dai'mstädter  Künstlerkolonie  — versichert ; ein  eigent- 
liches Werben  und  Wirken  für  die  Ausstellung  begann  aber 
•erst,  als  der  Bayerische  Kunstgewerbe-Verein  zu  München, 
an  dessen  Spitze  Friedr.  v.  Thiersch  steht,  im  Hoch- 
sommer zum  Vorort  des  Verbandes  deutscher  Kunstge- 
werbe-Vereine  erwählt  worden  war.  Im  Aufträge  des 
Vorortes  begab  sich  Arch.  H.  E.  v.  Berlepsch  Anfang 
September  v.  J.  nach  Turin  und  traf  dort,  zum  Theil 
unter  Mitwirkung  des  deutschen  Konsuls  v.  Külmer,  alle 
nöthigen  Abmachungen  mit  dem  Comite.  Am  15.  Sept. 
traten  die  Delegirten  der  deutschen  Kunstgewerbe- Vereine 
in  Leipzig  zusammen  und  organisirten  unter  dem  Vorsitz 
V.  Berlepsch’s  einen  Arbeits-Ausschuss  auf  der  Grundlage 
grösstmöglicher  Arbeitstheilung.  Es  wurden  für  eine  An- 
zahl deutscher  Städte,  die  sich  theils  aus  politischen,  theils 
aus  künstlerischen  Rücksichten  dafür  eigneten,  Mitglieder 
des  Arbeits-Ausschusses  ernannt  mit  dem  Rechte  der 
Kooptation  und  mit  der  Aufgabe,  in  den  ihnen  vorgezeich- 
neten Wirkungskreisen  für  die  Ausstellung  zu  werben  und 
für  die  würdige  Ausstattung  der  ihnen  im  Ausstellungsbau 
zugewiesenen  Räume  zu  sorgen;  dabei  bilden  die  Mitglie- 
der des  Arbeits-Ausschusses  zugleich  die  Aufnahme-Jury. 

Auf  ein  bald  nach  dieser  Zusammenkunft  an  das 
Reichsamt  des  Inneren  gerichtetes  Gesuch  um  Geldunter- 
stützung erfolgte  unter  dem  7.  Nov.  v-  J.  die  Mittheilung, 
dass  50000  M.  in  den  Reichshaushalts  - Etat  eingestellt 


werden  würden.  Obgleich  diese  Summe  nur  ungefähr  die 
Hälfte  der  allgemeinen  Kosten  beträgt,  so  wurde  dennoch 
zur  Bearbeitung  der  Pläne,  geschritten  in  der  Hoffnung, 
dass  vonseiten  der  Einzelstaaten  noch  weitere  Zuschüsse 
gewährt  werden  würden.  In  der  That  haben  z.  B.  zuerst 
Bayern  6000  M.,  dann  Preussen  10000  M.  zugesichert. 

Mit  der  Bearbeitung  des  Bauplanes  für  die  deutsche 
Gallerie  wurde  der  Vorsitzende  des  Arbeits-Ausschusses, 
Maler  und  Architekt  H.  E.  v.  Berlepsch  - Planegg  bei 
München  betraut.  Als  Grundsatz  wurde  dabei  aufgestellt, 
dass  — mit  Ausnahme  der  mehr  repräsentativen  Räume 
und  der  für  Fachausstellungen  reservirten  Säle  — allen 
Gelassen  der  Charakter  von  Wohnräumen  gegeben  wer- 
den solle.  Es  war  daher  von  hohem  Werth,  dass  es 
V.  Berlepsch  bei  seinen  Verhandlungen  in  Turin  gelungen 
war,  das  dortige  Comite,  welches  alle  übrigen  Gallerien 
in  durchaus  gleichartiger  Weise  im  Rohbau  herstellte,  zu 
dem  Zugeständnisse  zu  bewegen,  für  die  deutsche  Abthei- 
lung von  dem  Schema  abzugehen  und  dieselbe,  auf  Rechnung 
der  Ausstellung,  aber  nach  den  vom  deutschen  Ausschuss 
ausgearbeiteten  Plänen,  ausführen  zu  lassen.  Dadurch 
konnte  auch  der  oben  gerügte  Uebelstand  mit  den  zu  hoch 
liegenden  Fenstern  beseitigt  und  dem  grössten  Theile  der 
deutschen  Gallerie  der  Charakter  wirklicher  Wohnräume 
gegeben  werden.  Eine  vom  Verfasser  des  Entwurfes  her- 
rührende Beschreibung  des  Planes  sagt  darüber  u.  a.,  dass 
in  dieser  Beziehung  keine  andere  Nation  „über  gleich 


Die  Deutsche  Abtheilung 
auf  der 

Turiner  Ausstellung  für 
moderne  dekorative 
Kunst. 


\ — ‘ri  s 


Die  Kunstgewerbe -Ausstellung  in  München  des 
Jahres  1904. 

nie  Pläne  für  eine  im  Jahre  1904  in  München  abzu 
haltende  Kunstgewerbe-Ausstellung,  von  welchen 
wir  bereits  in  No.  17  berichten  konnten,  haben  durch 
einen  Erlass  des  Prinzregenten  Luitpold  in  Bayern  an  den 
bayerischen  Staatsminister  des  Inneren  vom  i.  März  1902 
eine  greifbare  Gestalt  gewonnen.  In  dem  Erlass  wird 
ausgeführt,  das  bayerische  Kunstgewerbe  habe  in  den 
letzten  Jahren  einen  so  glänzenden  Aufschwung  genom- 
men und  weit  über  Deutschlands  Grenzen  hinaus  einen 
so  fruchtbringenden  Einfluss  ausgeübt,  dass  die  Zeit  ge- 
kommen erscheine,  „die  jüngsten  Errungenschaften  auf 
kunstgewerblichem  Gebiete  in  Form  einer  in  der  Haupt- 
und  Residenzstadt  Bayerns  abzuhaltenden  Ausstellung  den 
weitesten  Kreisen  vor  Augen  zu  führen“.  Der  Prinz- 
regent glaubt,  „dass  hierdurch  das  Interesse  wie  das  Ver- 
ständniss  für  den  hohen  ethischen  und  materiellen  Werth, 
welchen  die  gewerbliche  Kunst  für  die  breitesten  Schichten 
des  Volkes  hat,  eine  nicht  unwesentliche  Förderung  er- 
fahren und  dass  eine  solche  Ausstellung  den  kunstgewerb- 
lichen Kreisen  die  Anregung  zu  gesteigerter  Schaffens- 
kraft 'geben  werde“.  Als  Zeitpunkt  ist  das  Jahr  1904  in 
Aussicht  genommen,  als  Ort  der  Glaspalast  in  München. 
— Wir  begrüssen  diesen,  augenscheinlich  wiederum  aus 


dem  schönen  idealen  Wettstreit  zwischen  Süden  und 
Norden,  welchen  wir  in  der  letzten  Zeit  bemerken  konnten, 
hervorgegangenen  Plan  mit  warmer  Freude.  Die  Düssel- 
dorfer Gewerbe-Ausstellung  dieses  Jahres  wird  selbst  in 
ihrer  naturgemässen  räumlichen  Begrenzung  es  doch 
wieder  zeigen,  dass  eine  Ausstellung  mit  allgemeinerem 
Charakter  einen  grossen  Theil  des  didaktischen  Werthes 
verliert,  in  welchem  man  eine  Hauptwirkung  der  Aus- 
stellungen seit  ihrer  Begründung  erblickt  hat.  Je  all- 
gemeiner diese  Erkenntniss  ist,  um  so  grösser  ist  der 
Beifall,  welchen  die  auf  einzelne  Gebiete  beschränkten 
Ausstellungen,  namentlich  die  Ausstellungen  mit  künst- 
lerischen Grundzügen,  in  Zukunft  wieder  finden  werden 
in  dem  Andenken,  welches  einzelne  Veranstaltungen  dieser 
Art  der  Vergangenheit  hinterlassen  haben.  Die  Kunst- 
gewerbe-Ausstellung in  München  vom  Jahre  1876,  welche 
eine  Huldigung  an  die  ,, Werke  der  Väter“  bedeutete, 
lebt  in  ihrer  epochemachenden  Bedeutung  in  lebendiger 
Erinnerung  fort.  Das  Andenken  an  die  zweite  Münchener 
Kunstgewerbe-Ausstellung  vom  Jahre  1888,  die  in  ihrer 
Art  ein  nicht  minder  gelungenes  Werk  wie  die  erste  war, 
leidet  leider  unter  dem  Eindruck  des  materiellen  Miss- 
erfolges, welchen  die  umfangreichen  baulichen  Gestaltungen 
mit  sich  brachten.  Gedanken,  diese  Erinnerung  zu  tilgen, 
tauchten  auf,  als  der  Bayerische  KunstgewerbeWerein  in 
München  die  Feier  seines  50jährigen  Bestehens  beging; 
jedoch  die  Nachwirkungen  der  Pariser  Weitausstehung 

No.  20. 


126 


günstige  Platzverhältnisse  verfügt,“  — „Die  Räume  selbst 
wechseln  in  den  Abmessungen  unter  sich  ab,  sind  bald 
höher,  bald  niedriger,  heller  oder  im  Lichte  gedämpfter 
und  werden  schon  durch  die  Gesammt-Anlage  eine  Fülle 
von  Durchblicken  mannichfaltigster  Art  bieten,  die  um  so 
reicher  sein  dürfte,  als  auch  die  farbige  Stimmung  der 
einzelnen  Gelasse  stark  wechselt.  Es  unterliegt  keinem 
Zweifel,  dass  dadurch  allein  schon  in  der  deutschen  Ab- 
theilung  ein  Gedanke  zum  Ausdruck  kommt,  der  den  etwas 
langweilig  angeordneten  geradlinigen  Gallerien  gegenüber, 
wie  sie  den  anderen  Nationen  zugewiesen  wurden,  durch- 
aus fehlt;  der  Gedanke  der  eigentlichen  Wohnungs-An- 
ordnung.“ 

Der  auf  S.  126  gegebene  Grundriss  ist  nicht  die  Arbeit 
eines  Einzelnen,  sondern  z.  Th.  das  Ergebniss  der  Be- 
rathungen jener  Mitglieder  des  Arbeits-Ausschusses,  welche 
die  einzelnen  Landesgruppen  übernommen  haben.  Das 
sind  (ausser  v.  Berlepsch,  der  neben  dem  Vorsitz  auch 
die  bayerische  Gruppe  leitet);  Prof.  Pet.  Behrens,  Darra- 
stadt  (Hessen  und  die  Hansa-Städte),  Arch.  Herrn.  Billing, 
Karlsruhe  (Baden),  Prof.  Karl  Gross,  Dresden  (Sachsen), 
Prof.  F.  A.  O.  Krüger,  Stuttgart  (Württemberg),  Arch. 
Otto  Lüer,  Hannover  (Nordwest-Deutschland),  Arch.Bruno 
Möhring  (Preussen),  Arch.  Ludw.  Neher,  Frankfurt  a.M. 
(für  das  Gebiet  des  mitteldeutschenKunstgewerbe-Vereins). 

Die  Geschlossenheit  und  Vielgestaltigkeit  der  Anlage 
ergiebt  sich  schon  aus  dem  Grundriss,  die  Zeichnungen 


bedürfen  daher  nur  weniger  erklärender  Worte.  Den 
Eingang  aus  der  Rotunde  in  die  deutsche  Abtheiiung  ver- 
mittelt ein  Vestibül  (von  Pet.  Behrens,  No.  i)  mit  einem 
Brunnen;  darauf  folgt  im  Mittelpunkt  der  Anlage  eine 
grosse  Halle  (von  Herrn.  Billing,  Kaum  16),  die  „als  Ruhe- 
punkt inmitten  der  mannichfach  gearteten  Gemächer  grosse, 
ruhig  gegliederte  Flächen  aufweist  und  eine  wohlthuende 
Unterbrechung  gegenüber  den  vielen  Einzelheiten  bilden 
soll.“  Diese  beiden  Gemächer , sowie  der  prunkvolle 
Majolikasaal  (25)  und  die  kleine  Diele  (20)  sind  die  einzigen 
Räume,  welche  nicht  auf  Oberlicht  bezw,  hohes  Seitenlicht 
verzichten  konnten.  Die  Zutheilung  der  Gelasse  an  die 
Mitglieder  des  Arbeits-Ausschusses  und  deren  Mitarbeiter 
ist  zumeist  ohne  Rücksicht  auf  lokale  Zusammengehörigkeit 
erfolgt;  so  hat  Behrens  die  Räume  i,  iiA,  24,  Billing  2, 
16,  23,  Berlepsch  19—21  und  32—34  unter  die  Fittiche  ge- 
nommen, und  nur  jene  von  Möhring,  11—15  und  17,  so- 
wie von  Krüger  (für  Stuttgart  und  die  Vereinigten  Werk- 
stätten in  München),  3— 9A  und  18,  können  als  zusammen- 
gehörige Raumgruppen  betrachtet  werden.  Die  Säle  26 
und  28  sind  den  Materialgruppen,  Saal  26  dem  Buchge- 
werbe zugedacht;  hier  werden  auch  (in  einem  besonderen 
Lesezimmer)  die  Fachzeitschriften  in  ihren  letzten  Jab’*- 
gangen  aufliegen. 

Möge  die  so  spät  in  Angriff  genommene  deutsche 
Abtheilung  rechtzeitig  fertig  werden  und  den  erhoxften 
idealen  Erfolg  bringen!  — q 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Architekten -Verein  zu  Berlin.  In  den  vergangenen 
beiden  Monaten  fanden  eine  Reihe  sehr  interessanter 
Vortragsabende  statt.  Ganz  besonders  genussreich  ge- 
staltete sich  der  Vortragsabend  mit  Damen  am  13.  Januar 
d.  J.,  der  von  277  Mitgliedern  und  Gästen  besucht  wurde. 
Hr.  Meydenbauer  hielt  einen  fesselnden  Vortrag  über 
„Mittelalterliche  Bauten  im  grösseren  Umkreise 
von  Berlin“,  der  durch  Lichtbilder  nach  den  vorzüglichen 
und  künstlerisch  vollendeten  Aufnahmen  der  kgl.  Mess- 
bildanstalt eine  Illustration  erfuhr,  wie  man  sie  sich  nicht 
besser  wünschen  konnte.  Die  unter  der  Leitung  des  Vor- 
tragenden entstandenen  Aufnahmen,  die  noch  ständig 
vermehrt  werden,  bilden  im  Denkmalarchiv,  das  jetzt  etwa 
8000  Platten  umfasst,  ein  unschätzbares  Material  für  den 
Architekten  und  baugeschichtlichen  Forscher.  Aus  der 
Fülle  des  vorgeführten  Stoffes  nennen  wir  nur  die  Namen 
Jerichow,  Tangermünde,  Stendal,  Wittenberg,  Torgau, 
Brandenburg,  Magdeburg.  — 

Vers,  vom  20.  Januar  1902.  Vors.Hr.  Becker.  Anwes. 
68  Mitgl.  und  Gäste. 

Nach  einigen  geschäftlichen  Mittheilungen  des  Vor- 
sitzenden erläuterte  zunächst  Hr.  Dobber  mit  einigen 
Worten,  die  sich  auf  Entstehungsart  und  Malweise  er- 
streckten, seine  im  Saale  ausgestellte  reichhaltige  Samm- 
lung von  Aquarellen  landschaftlichen  und  architektonischen 
Gegenstandes,  die  sämmtlich  in  wenigen  Stunden  am 
Orte  gemalt,  eine  frische  Auffassung  und  grosse  Sicher- 
heit in  der  Behandlung  der  Farben  erkennen  Hessen, 
Hierauf  sprach  Hr.  Hacker  über  das  Thema  „Wie 
gelangt  der  Hochbau  zu  Ansehen  beim  Publik  um?“ 


von  1900  Hessen  es  in  begreiflicher  Weise  nicht  dazu 
kommen,  dem  latenten  Aussteliungsgedanken  die  Nahrung 
zu  geben,  che  zu  seiner  Verwirklichung  nöthig  gewesen 
wäre.  Selbst  der  gro^sartige  Plan,  welchenmanin  den  leiten- 
den Kreisen  des  Bayerischen  Kunstgewerbe-Vereins  für 
eine  Bebauung  der  Kohleninsel  in  München  hegte,  vermochte 
den  Gedanken  nicht  zu  festigen.  So  stehen  die  Hoffnungen 
nunmehr  auf  dem  Jahre  1904,  welcher  Zeitpunkt  ohne  er- 
kennbaren äusseren  Grund  gewählt  wurde,  aber  hinläng- 
lich bemessen  sein  dürfte,  um  eine  würdige  Ausstellung 
einzuleiten.  Freilich,  der  Zeitraum  von  knapp  2’/4  Jahren 
drängt  zu  ungesäumter  Vornahme  der  Vorarbeiten,  wenn 
auch  der  Prinzregent  glaubt,  dass  die  in  diesem  Jahre  statt- 
findende Internationale  Kunstgewerbe- Ausstellung  in  Turin 
Gelegenheit  geben  werde,  auf  diesem  Gebiete  weitgehende 
Erfahrungen  zu  sammeln  und  damit  wesentlich  zum  Ge- 
lingen einer  Ausstellung  in  München  beizutragen. 

Vor  allem  und  was  das  Wichtigste  ist,  erfreut  sich 
der  Bayerische  Kunstgewerbe- Verein,  welchem  wohl  in 
der  Hauptsache  die  Durchführungs- Arbeiten  zufallen  wer- 
den, einer  leitenden  Persönlichkeit,  des  Architekten  Pro- 
fessor Friedrich  von  Thiersch,  welche  mit  feinstem 
Künstlergeist  ausgestattet,  unbefangen  und  angesehen  ge- 
nug ist,  allen  widerstreitenden  Richtungen  gleichmässig 
zu  ihrem  Rechte  zu  verhelfen  und  unberechtigte  An- 
sprüche einzelner  Gruppen  zurückzuweisen.  Der  Verein 
erfreut  sich  aber  auch  in  ihm  und  in  den  ihm  als  Mit- 

8.  März  T902 


Der  Gedankengang  war  etwa  der,  dass  unsere  heutige 
Architektur  keinen  Fortschritt  gegen  Antike,  Mittelalter, 
Renaissance  bedeute,  weil  sie  keinen  neuen  konstruktiven 
Gedanken  geschaffen  habe,  weil  unseren  Architekten  das 
statische  Gefühl  fehle.  Das  müsse  geweckt  werden  durch 
eine  andere  Lehrmethode,  als  sie  jetzt  an  den  technischen 
Hochschulen  üblich  sei.  Die  Ausführungen  des  Redners 
blieben  nicht  ohne  Widerspruch,  namentlich  konnten  die 
Hrn.  V.  Ritgen  und  Blankenstein  nicht  anerkennen, 
dass  das  Ansehen  der  Architektur  gesunken  sei.  Wenn 
augenblicklich  das  Ansehen  des  Ingenieurs  — wenn  man 
überhaupt  solche  Vergleiche  ziehen  wolle  — höher  stehe 
als  das  der  Architekten,  so  läge  das  daran,  dass  die  Auf- 
gaben des  Ingenieurs,  namentlich  die  grossen  Verkehrs- 
aufgaben, unsere  Zeit  beherrschten. 

Die  Hrn.  Nitschmann,  Solf  und  Reimer  erstatte- 
ten dann  Bericht  über  den  Ausfall  von  Monats-Konkurrenzen 
und  zwar  über  den  Entwurf  zu  einer  bewegl.  Gleisbrücke, 
einer  ländlichen  Umfriedigung  mit  überdecktem  Einfahrts- 
thor und  zu  einem  Geschäftshause.  Vereinsandenken  er- 
hielten in  den  beiden  ersten  Wettbewerben  die  PIrn.  Reg.- 
Bmstr.  Curt  Bach  und  Gerhardt,  bei  dem  3.  war  keine 
der  beiden  Lösungen  befriedigend.  — 

Am  23.  Januar  fand  eine  aussergewöhnliche  Versamm- 
lung statt  und  zwar  wiederum  ein  Vortragsabend  mit 
Damen,  an  der  nicht  weniger  als  324  Mitgl.  und  Gäste 
den  grossen  Saal  bis  zum  letzten  Platz  füllten.  Hr.  Bruno 
Schulz  hielt  einen  Vortrag  über  die  „Ausgrabungen 
in  Baalbek“.  Diese  Ausgrabungen  erfolgen  im  Auf- 
träge des  Deutschen  Kaisers,  der  die  grossartigen  Ruinen 
auf  seiner  Reise  nach  Palästina  besuchte.  Die  Aus- 
grabungsarbeiten werden  nach  einem  Plane  Koldewey’s 


arbeiter  beigegebenen  Persönlichkeiten  des  Vorstandes 
einer  Gruppe  von  Männern,  deren  Thatkraft  die  bayerische 
Kleinkunst  grosses  Ansehen  und  reiche  Förderung  ver- 
dankt. Turin  in  diesem  Jahre  und  München  nach  zwei 
Jahren  werden  zeigen,  was  die  Pariser  Weltausstellung 
nicht  in  ausreichendem  Maasse  gezeigt  hat  und  auch  viel- 
leicht nicht  zeigen  konnte,  ob  die  moderne  Bewegung  in  der 
Kleinkunst  bereits  so  feste  Formen  angenommen  und 
einen  so  weitgehenden  Einfluss  auf  weitere  künstlerische 
und  nichtkünstlerische  Kreise  genommen  hat,  dass  man 
von  ihr  als  einer  in  sich  geschlossenen  und  gefestigten 
Thatsache  sprechen  kann.  Den  Wettkampf  der  Richtun- 
gen und  Stile  zu  beobachten,  wird  namentlich  auf  dem 
fruchtbaren  Boden  Münchens  von  besonderer  Anziehungs- 
kraft deshalb  sein,  weil  hier  in  den  letzten  Jahren  Ver- 
gangenheit und  Zukunft  einander  am  unvermitteltsten  ge- 
genüber gestanden  haben.  Es  wird  sich  in  der  voraus- 
sichtlichen Nebeneinanderstellung  einer  freien  Anwendung 
des  Vergangenen  und  einer  noch  ungleich  freieren  Ge- 
staltung des  Zukünftigen  zu  zeigen  haben,  ob  die  Gründe, 
die  ihre  Wurzeln  in  den  Versprechungen  für  die  Zukunft 
suchen,  stark  genug  sind,  die  Gründe,  die  in  der  Erfah- 
rung der  Vergangenheit  wurzeln,  zu  verdrängen.  Oder 
sollte  uns  das  interessante  Schauspiel  geboten  werden, 
dass  beide  Richtungen  sich  auf  dem  Boden  der  Natur 
wieder  vereinigen?  Es  giebt  Anzeichen  hierfür.  — 


127 


von  dem  Archäologen  Puchstein,  dem  Vortragenden  und 
Reg.-Bfhr.  Krencker  geleitet.  Sie  haben  sich  bisher 
namentlich  erstreckt  auf  den  grossen  sog.  Helios-Tempel. 
Redner  gab  in  seinen  Schilderungen,  die  durch  eine  grosse 
Anzahl  trefflicher  Lichtbilder  erläutert  wurden,  ein  packen- 
des Bild  von  der  überwältigenden  Grossartigkeit  der  Ruinen 
und  dem  ungeheuren  Maasstabe  der  aus  riesigen  Stein- 
blöcken aufgethürmten  Bauten,  die  z.  Th.  vor  ihrer  Voll- 
endung hauptsächlich  durch  Erdbeben  zerstört  wurden. 
Der  Vortrag  wurde  mit  reichem  Beifall  aufgenommen.  — 

Fr.  E. 

Preisbewerbungen. 

Schinkelwettbewerb  des  Architekten-Verelns  zu  Berlin. 
Am  3.  d.  M.  wurde  der  Ausfall  der  diesjährigen  Wettbe- 
werbe mitgetheilt.  Auf  dem  Gebiete  der  Architektur  war 
die  Aufgabe  gestellt,  den  „Entwurf  zu  einer  Volks- 
bibliothek mit  Lesehalle  und  Sälen  für  Hand- 
fertigkeits-Unterricht" zu  liefern,  also  eine  Aufgabe, 
für  die  es  in  Deutschland  Vorbilder  nicht  giebt  und  für 
welche  auch  die  englischen  und  amerikanischen  Einrich- 
tungen ähnlicher  Art  nicht  raaassgebend  sein  konnten. 
Die  Verfasser  mussten  daher  neue  Wege  gehen,  einen 
neuen  Baugedanken  in  entsprechende  Formen  umsetzen. 
An  dieser  Schwierigkeit  sind  die  Mehrzahl  der  16  Bewerber 
gescheitert,  sodass  das  Gesammtergebniss  nicht  auf  der 
Höhe  früherer  Jahre  steht.  Es  wurden  3 Schinkelmedaillen 
verliehen  an  die  Entwürfe  „Ehrenhof",  Verf.  Hr.  Reg.- 
Bfhr.  A.  Eckardt  in  Sömmerda  b.  Erfurt;  „Deutsch  II“, 
Verf.  Hr.  Reg.-Bfhr.  Richard  Dähne  in  Merseburg  und 
„Nike“,  Verf.  Hr.  Reg.-Bfhr.  Benno  Kühn  in  Trier. 
Dem  erstgenannten  Entwürfe  wurde  auch  einstimmig 
der  Schinkelpreis  zuerkaniit,  da  er  sich  durch  seine 
klare  und  knappe  Grundrisslösuug  vor  allen  anderen  aus- 
zeichnet. 

Auf  dem  Gebiete  des  Wasserbaues  war  der.  „Ent- 
wurf zu  einer  Thalsperre  im  Queissthale  bei 
Marklissa“  als  Aufgabe  gestellt.  Wie  üblich,  war  die 
Betheiligung  hier  nur  eine  schwache.  Von  den  14  Be- 
werbern erhielt  der  Verfasser  der  Arbeit  mit  dem  Kenn- 
wort „Landwirthschaft  und  Industrie“,  der  eine 
aufgelöste  Mauer  in  Beton-Eisenkonstruktion  entworfen 
hatte,  Medaille  und  Schinkelpreis.  Als  Verfasser  ergab 
sich  Hr.  Reg.-Bfhr.  Fritz  Beust er  in  Gmünden  in  der  Eifel. 

Im  Eisenbahnbau  war  die  Aufgabe  einer  „Umge- 
staltung des  Bahnhof  es  Lehrte  “ gegeben.  Es  waren 
5 Arbeiten  eingegangen,  von  denen  3 mit  der  Schinkel- 
Medaille  ausgezeichnet  werden  konnten.  Es  sind  dies  die 
Arbeiten  mit  den  Kennworten  „Fortes  fortuna  juvat“, 
„Einfahrtssignal“  und  „Doch“.  Der  ersten  Arbeit 
wurde  auch  der  Schinkelpreis  verliehen.  Als  Verfasser 
ergaben  sich  die  Firn.  Reg.-Baufhr.:  William  Wolff  in 
Berlin,  Georg  Klinner  in  Frankfurt  a.  O.  und  Hugo 
Lippmann  in  Berlin. 

Die  Entwürfe  sind  bis  ii.  März  einschl.  in  der  Aula 
der  Techn.  Flochschule  in  Charlottenburg,  an  Wochen- 
tagen von  10—4,  am  Sonntag  von  10— i Uhr  ausgestellt.  — 

Wettbewerb  zur  Erlangung  vonEntwürfen  zu  elnemneuen 
Wasserwerk  für  Kolberg  (s.  S.  116).  An  die  Stelle  der  be- 
stehenden Versorgung  mit  Flusswasser  soll  Versorgung 
mit  — künstlich  zu  erschliessendem  — Quellwasser  treten, 
wozu  ein  geeignetes  Gelände  in  etwa  9 Entfernung 
von  der  Stadt  zur  Verfügung  steht.  Das  neue  Werk  muss 
von  wesentlich  grösserer  Leistungsfähigkeit  als  das  alte 
sein;  es  soll  einem  Tages -Höchstbedarf  von  7100^^111  ge- 
nügen, gegenüber  dem  bisher  beobachteten  Höchstver- 
brauch von  5035  ci>m;  und  es  ist  ferner  eine  Erhöhung  des 
Leitungsdruckes  von  2,5  auf  3.5  Atm.  nothwendig.  Das 
bestehende  Werk  wird  mit  Wasserkraft  unter  aushilfs- 
weiser Benutzung  von  Dampfkraft  betrieben.-  Die  Frage: 
ob  die  bisherigen  Betriebs -Einrichtungen  einschliesslich 
des  Hochreservoirs  zu  erweitern  oder  ganz  oder  theil- 
weise  aufzugeben  und  durch  Neuanlagen  zu  ersetzen 
seien,  bleibt  der  Beurtheilung  der  Bearbeiter  überlassen, 
doch  ist  letztere  in  zweifelsfreier  Weise  zu  begründen. 

Es  werden  ausser  denjenigen  Zeichnungen,  zu  wel- 
chen das  Messtischblatt  und  andere  dem  Programm  beige- 
gebene Unterlagen  benutzbar  sind,  verlangt:  Entwürfe  der 
auf  dem  Quellengelände  zu  errichtenden  Baulichkeiten, 
Maschinen-  und  sonstigen  Anlagen,  sowie  des  Hochreser- 
voirs ; die  anzuwendenden  Maasstäbe  sind  nur  zumtheil  vor- 
geschrieben, zumtheil  der  Wahl  der  Bewerber  überlassen. 
Beizufugen  sind  den  Entwürfen  prüfungsfähige  Be- 
rechnungen der  Brunnen,  der  Maschinenanlage,  der  Rohr- 
leitungen und  Reservoire,  sowie  der  zu  erwartenden  Be- 
triebs- und  Unterhaltungskosten  des  neuen  Werkes; 
endlich  werden  ein  genauer,  prüfungsfähiger  Kostenan- 
schlag und  ein  Erläuterungsbericht  verlangt,  zu  dessen 
Inhalt  eine  Anzahl  bestimmter  Fragen  aufgestellt  ist.  Es 


besteht  die  Absicht,  einem  der  Bewerber  die  Ausführung 
zu  übertragen. 

Dem  Preisgericht  gehören  als  Techniker  an  die  Firn. 
Geh.Reg  -Rath  Prof.  Riedl  er -Berlin,  Prof.  F.  W.  Büsing- 
Berlin,  Dir.  Beer-Berlin  und  Stadtbrth.  Sprotte-Kolberg. 

Es  ergiebt  sich  aus  den  vorstehenden  kurzen  Mit- 
theilungen, dass  nur  Bewerber  von  reicherer  Erfah- 
rung im  Stande  sein  werden,  mit  Aussicht  auf  Erfolg  an 
die  Aufgabe  heranzugehen.  Obwohl  das  vom  Magistrat 
zu  beziehende  Programm  umfassend  und  sachgemäss 
entworfen  ist,  werden  Besichtigungen  an  Ort  und  Stelle 
nicht  zu  entbehren  sein. 

Wettbewerb  Pflegerinnenheim  Mainz.  Für  die  mit  einem 
Aufwande  von  90000  M.  ohne  Möbel,  Beleuchtung,  Ein- 
friedigung und  Wege,  jedoch  einschl.'Heizungzu  errichtende 
Baugruppe  steht  eine  Baustelle  bei  deh  neuen  Anlagen  zur 
Verfügung.  Das  Gebäude  soll  enthalten  eine  Heimstätte 
und  Lehranstalt  für  Pflegerinnen,  eine  Krankenabtheilung 
mit  12  Betten,  eine  Aufbewahrungsstätte  für  Krankenhaus- 
geräthe  und  die  zugehörigen  Hilfsmittel  und  einen  Uebungs- 
raum  für  eine  Sanitätskolonne.  Im  Falle  eines  • Krieges 
soll  das  Haus  den  Mittelpunkt  für  ein  grösseres  Baracken- 
lazareth  bilden.  Wir  hegen  Zweifel,  ob  die  Bausumme 
mit  nur  90000  M.  ausreichend  ist  für  die  immerhin 
umfangreichen  Raumgruppen,  die  in  der  Bauanlage  ge- 
geben werden  sollen,  selbst  wenn  die  Aufbewahrungs- 
und Uebungsräume  in  einer-  bestehenden  Baracke  an- 
genommen werden  können. 

Die  wesentlichen  Zeichnungen  sind  1:200  verlangt,  eine 
Flauptansicht  i : 100,  dazu  ein  Schaubild.  Ein  Stil  ist 
nicht  vorgeschrieben,  doch  soll  sich  die  Baugruppe  der 
landschaftlichen  Umgebung  anpassen.  Im  Preisgericht 
bilden  die  Techniker  — die  Hrn.  Brth.  Kuhn,  Brth. 
Reinmann  und  Stadtbauinsp.  Gelius  — die  Minderzahl. 
Die  3 Preise  von  löoo,  60b  und  400  M.  können  nach  dem 
Ermessen  der  Preisrichter 'auch  in  anderer  Abstufung  an 
die  3 oder  4 besten  Entwürfe  vertheilt  werden.  Der 
Alice-Frauenverein  für  Krankenpflege  ist  berechtigt,  aber 
nicht  verpflichtet,  die  preisgekrönten  Entwürfe  bei  der 
Ausführung  ganz  oder  theilweise  zu  benutzen.  Ueber 
eine  Mitwirkung  der  Urheber  dieser  Entwürfe  bei  der 
Ausführung  enthalten  die  Bedingungen  keine  Zusicherung. 

Wettbewerb  Koblenzer  Volksbank.  I.  Preis:  Friedr. 
Thelemann,  Arch.  in  Berlin;  II.  Preis:  G.  Jänicke  und 
M.  Franzke,  Arch.  in  Berlin;  III.  Preis:  A.  Lachen- 
meyer, Arch.  und  A‘=sistent  an  der  Techn.  Hochschule 
in  Aachen.  Die  Entwürfe  sind  bis  13.  März  im  Rathhause 
zu  Koblenz  ausgestellt.  — 

Wettbewerb  Bismarck-Säule  Hannover.  Unter  den 
5 preisgekrönten  Entwürfen  wurde  der  Entwurf  „Sem- 
nonenhain“  des  Hrn.  A.  Sasse  in  Linden  zur  Ausführung 
gewählt.  — , 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Den  Kunstgewerbe-Schuldir.  Waag  in  Pforzheim 
u.  Prof.  H o f f a c k e r in  Karlsruhe  ist  die  Erlaubniss  zur  Annahme 
und  z.  Tragen  des  ihnen  verlieh.  Offizierkieuzes  der  franz.  Ehren- 
legion ertheilt. 

Bayern.  Der  Ob.-Baudir.  v.  Maxon  in  München,  als  Ritter 
des  Verdienst-Ordens  der  bayerischen  Krone  wurde  in  die  Adels- 
Matrikel  des  Königreichs  Bayern  eingetragen. 

Preussen.  Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zur  Anlegung 
der  ihnen  verlieh,  fremdländ  Orden  ist  ertheilt  u.  zw.:  dem  Arch. 
Süssenguth  ln  Charlottenburg  der  Ritter-Insignien  II.  Kl.  des 
herz,  anhalt.  Hausordens  Albrechts  des  Bären;  dem  Arch.  Rein- 
hardt in  Charlottenburg  des  herz,  anhalt.  Verdienstordens  für 
Wissenschaft  und  Kunst;  dem  Landesbauinsp.  Brth.  Wal  deck  in 
Bielefeld  des  Ehrenkreuzes  IV.  Kl.  des  fürstl.  lippischen  Hausordens. 

Dem  Rektor  der  techn.  Hochschule  in  Berlin,  Prof.  Bubendey 
ist  der  Charakter  als  Geh.  Brth.  verliehen. 

Die  Reg.-Bfhr,  Karl  Rittersporn  aus  Prauss  (Wasserbfeh.), 
— Gg.  Krecker  aus  Berlin  u.  Kurt  Wittler  aus  Gr.-Santers- 
leben  (Hochbfeh.),  — Otto  Krüger  aus  Nichel,  Gg.  Merkel  aus 
Bernburg  u.  Erich  Röhlke  aus  Bromberg  (Eisenbfeh.),  — Gg. 
S i m o n y aus  Königsberg  i.  Pr.  u.  Frz.  Schumann  aus  Kottbus 
(Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Karl  Gebensleben  in  Braunschweig, 
Frz.  Huinann,  Herrn.  Schwerin  und  Frz.  Gotzhein  in 
Berlin  ist  die  nachgesuchte  Entlass,  aus  dem  Staatsdienste  ertheilt. 

Der  Kr.-Bauinsp.  a.  D.  Brth.  Fiebelkorn  iu  Schönebeck, 
der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  O e h 1 m a n n in  Koburg,  der  Eisenb.- 
Bau-  u.  Betr.-Insp.  z.  D.  Albrecht  in  Gera,  der  Stadtbrth. 
Schulze  in  Wesel  und  der  Reg.-Bmstr.  Max  Schilling  in 
Berlin  sind  gestorben. 


Inhalt:  Die  neue  protestautisclie  Kirche  in  Aeschach -Hoyren  bei 
Lindau  i.  B.  — Eleteische  Schnell-  und  Vorortbahnen  mit  hochgespanntem 
Drehstrom  als  Antrieb  (Schluss).  — Deutschland  auf  der  Turiner  Ausstellung 
für  moderne  dekorative  Kunst.  — Die  Kunstgewerbe-Ausstellung  in  Mün- 
chen des  Jahres  1904.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Preisbewerbungen. 
— Personal-Nachrichten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmanu,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


128 


No.  20. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  21.  Berlin,  den  12.  März  1902. 


Das  II.  Rheinische  Diakonissenhaus  in  Kreuznach. 

Architekt:  Friedrich  Langenbach  in  Barmen.  (Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  133.) 


Mutterhaus  mit  Kapelle. 


|as  II.  rheinischeDiakonissen- 
Muttcrhaus  in  Kreuznach 
ist  Statutengemäss  dazu  be- 
stimmt, evangelische  Chri- 
stinnen zum  Dienste  der 
weiblichen  Diakonie  in  der  evange- 
lischen Diaspora  auszubilden  und  sie 
namentlich  für  den  Beruf  derKranken- 
und  Armenpflege,  der^Kleinkinder- 
und  Blödenpflege  vorzuoereiten.  Un- 
sere Leser  werden  mit  Interesse  Kennt- 
niss  von  den  allgemeinen  Einrichtun- 
gen dieser  besonderen  Art  von  Wohl- 
fahrtsanstalten nehmen. 

Auf  einem  nur  2 Minuten  vom 
Bahnhof  Bad  Kreuznach  gelegenen, 
rd.  16  Morgen  grossen  Gelände  er- 
hebt sich  seit  der  Wende  des  Jahr- 
hunderts die  umfangreiche  Anstalt 
aus  mehreren  Gebäudegruppen,  deren 
Beziehungen  zu  einander  und  deren 
Eintheilung  aus  dem  Lageplan  S.  133 
liervorgehen.  Sie  besieht  aus  einem 
Kranken-  und  Mutterhaus  mit  Kapelle 
als  Hauptgebäude,  einem  dazu  ge- 
hörigen Beamtenhause,  einem  Krüp- 
pelheim, einem  Blödenhaus , "einem 
Isolirhaus  mit  Beerdigungs-Kapelle, 
einem  Siechenhaus  und  einem  inmitten 
dieser  Gebäude  zentral  gelegenen 
Wirthschafts-  und  Maschinenhause. 
Die  Gebäude  wurden  in  den  Jahren 
1897—1900  nach  den  Entwürfen  des 
Hrn.  Architekten  Friedrich  Langen- 
bach in  Barmen  errichtet.  Das  Krüp- 
pelheim Bethesda  ist  für  etwa  100 
Verkrüppelte  beiderlei  Geschlechtes, 
das  Blödenheim  Bethanien  für  120 
meist  bildungsfähige  Schwachbegabte 
weiblichen 
Geschlechts, 


Bcamtenhaus  und  Mutterhaus. 


129 


Kochküche  für  400  Persotien,  mit  Speiseausgabe,  Spül- 
küche, Vorrathskellern  und  Arbeitsräumen,  Lagerräume 
für  die  Apotheke,  sowie  Dampf-  und  Soolbäder.  Das 
Erdgeschoss  dient  vorläufig  zur  Benutzung  der  Schwes- 
tern, für  welche  Ess-,  Näh-,  Lehrzimmer  und  Verwal- 
tungsräume vorgesehen  sind,  bis  später  einmal  auch 
diese  Räume  zu  Krankenzimmern  eingerichtet  werden 
und  ein  Schwesternheim  neu  erstellt  wird.  Das  I.  Ober- 
geschoss enthält  5 Operationsräume,  4 grössere  und 
eine  Anzahl  kleinerer  Krankenzimmer;  das  II.  Ober- 
geschoss hauptsächlich  kleinere  Krankenzimmer  i.  und 
2.  Klasse.  Zwischen  je  2 Krankenräumen  liegt  ein 
Schwesternzimmer  für  2 Schwestern,  sodass  Tag  und 
Nacht  Aufsicht  und  Wartung  vorhanden  sind.  Ein 
durch  alle  Stockwerke  gehender  Aufzug  befördert  die 
Kranken  bequem  zum  Garten,  zu  den  Bädern,  zu  den 
Operationssälen  usw.  Das  Dachgeschoss  enthält 
Wohn-  und  Schlafräume  für  die  ständigen  Schwestern, 
sowie  über  der  Kapelle  grosse  Schlafsäle  für  die 
Probeschwestern. 

Das  Krüppelheim  Bethesda,  unter  anderem 
auch  bestimmt  für  die  Krüppel  der  Industrie,  enthält,  um 
für  die  Insassen  das  Treppensteigen  möglichst  zu  er- 
sparen, nur  2 Geschosse  und  ist  mehr  in  die  Länge  als 
in  die  Höhe  entwickelt.  Das  Erdgeschoss  ist  für  Frauen 
und  Mädchen  bestimmt,  das  Obergeschoss  für  männ- 
liche Krüppel.  Das  Gebäude  enthält  ausser  denWohn-, 
Schlaf-,  Ess-  und  Arbeitsräumen  auch  Werkstätten  für 
die  Verkrüppelten  männlichen  Geschlechts,  sowie  ein 
orthopädisches  Institut  mit  Turnsaal.  Flache  Dächer. 
Balkone  und  offene  Hallen  ermöglichen  den  Verkrüppel- 
ten, denen  vielfach  das  Umherschweifen  im  Feld  und 
Wald  versagt  ist,  den  Genuss  der  schönen  Natur. 
Vom  Obergeschoss  aus  führt  eine  Brücke  zu  einer 
künstlichen  Anhöhe  an  der  Rückseite  des  Hauses. 


Das  Blödenheim  Bethanien  enthält  3 Voll-  und 
ein  ausgebautes  Dachgeschoss;  seine  120  weiblichen 
Insassen  werden  in  5 Schulräumen  unterrichtet.  Durch 
alle  Geschosse  laufende  Veranden  ermöglichen  den 
Aufenthalt  in  der  frischen  Luft.  Ausser  den  Tage-  und 
Schlafräumen  sind  Baderäume  und  Douchezimmer  in 
gleicherweise  wie  im  Krüppelheim  Bethesda  eingerichtet. 

Das  Isolirhaus  für  ansteckende  Krankheiten  ent- 
hält in  4 getrennten  Abtheilungen  gesonderte  Tages-, 
Schlaf-,  Bade-,  Kloset-  usw.  Räume  für  Kranke  beiderlei 
Geschlechtes;  neben  ihm  liegt  die  Leichenhalle  mit 
Beerdigungs-Kapelle. 

Das  Siechenhaus,  in  erster  Linie  für  die  Siechen 
der  Stadt  Kreuznach  bestimmt,  enthält  Räume  I.  und 
II.  Klasse,  das  Bearatenhaus  Wohnungen  für  Geist- 
liche und  Aerzte  der  Anstalt. 

In  der  Mitte  dieser  Gebäude  liegt  das  Kessel- 
und  Maschinenbaus  für  die  Zentralheizung  für 
sämmtliche  Anstalten,  die  Zentralküche,  die  Lichtver- 
sorgung und  die  Wäscherei.  An  das  Maschinenbaus 
schliessen  sich  östlich  der  Akkumulatoren-  und  weiter- 
hin ein  Desinfektionsraum  an.  Das  Zentral-Wasch- 
haus  enthält  im  Erdgeschoss  die  maschinellen  Ein- 
richtungen, die  es  ermöglichen,  den  Wäschebedarf 
sämmtlicher  Gebäude  in  4 Tagen  zu  beschaffen,  im 
Obergeschoss  Räume  für  künstliche  Trocknung,  Man- 
gel- und  Plättstuben,  und  in  dem  geräumigen  Dach- 
geschoss Wohnungen  für  Unterbeamte. 

1 MitRücksicht  auf  die  landschaftlicheUmgebung  der 
Anstalt  sind  die  Gebäude  sowohl  mit  einem  gewissen 
Bestreben  zu  malerischer  Gruppirung  wie  auch  zu  echter, 
farbiger  Materialwirkung  errichtet,  wenn  auch  dabei,  da 
die  Mittel  in  der  Hauptsache  freiwillige  Liebesgaben 
sind,  die  grösstmöglicheEnthaltsamkeit  in  dem  Aufwand 
schmückender  Architekturformen  beobachtet  wurde.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Magdeburg.  Sitzung  am 
15.  Jan.  1902.  Nach  Begrüssung  der  Versammlung  im 
neuen  Jahre  und  Erledigung  der  zahlreichen  Eingänge 
hielt  Hr.  Brth.  Harms  einen  fesselnden  Vortrag  über 
„Neuere  Ausgrabungen  ämDome  zu  Magdeburg“, 
die  gelegentlich  der  Neueinführung  einer  Heizungsanlage, 
unterhalb  des  Kirchenfussbodens  gemacht  wurden.  Zer- 
streut in  verschiedenen  Tiefen  fand  man  aus  alten  Gräbern, 
stammende  Gegenstände,  alte  Grundmauern  und  in  Ziegel- 
rhauerwerk  ausgeführte  und  überwölbte  Grabkamraern, 
deren  Beschaffenheit  und  Ausführungsart  auf  ein  hohes 
Alter  schliessen  lassen.  Die  Kammern  sind  theilweise 
zerstört  und  mit  Bauschutt  ausgefüllt,  vermuthlich  in  der 
Zeit  der  Neupflasterung  des  Domfussbodens  im  Jahre 
1830.  In  einzelnen  Grabstätten  befanden  sich  noch  gut 
erhaltene  Gebeine,  Schädel,  auch  reich  bemalte  Holzsärge, 
die  Gewänder,  Schuhbänder  usw.  enthielten.  Das  Innere 
einzelner  Gräber  war  bemalt  und  mit  Inschriften  versehen. 
Ein  aus  dem  17.  Jahrh.  stammender  Metallsarg  enthielt 
einen  Holzsarg,  dessen  Inhalt  bis  auf  zwei  goldene  Trau- 
ringe völlig  zu  Staub  zerfallen  war.  Die  Ringe  zeigten 
noch  deutlich  die  Namensinschrift  des  Domherrn  v.  Arnim 
zu  Magdeburg.  An  anderer  Stelle  wurde  in  einer  Tiefe 
von  2 “I  die  gemauerte  und  gewölbte  Grabkammer  eines 
Erzbischofs  blossgelegt,  deren  Holzsarg  Kelch,  Bischofs- 
stab, Seidengewänder  und  reich  bestickte  Seidenschuhe 
enthielt  — Graf  von  Mansfeld.  Im  nördlichen  Seitenschiff, 
3 “ tief,  fand  sich  eine  .Platte,  2 lang,  0,57  ® breit,  mit 
nur  schlicht  eingearbeitetem  Kreuze,  unter  dieser  Platte, 
die  Ueberreste  eines  Beigesetzten,  vielleicht  eines  Wander- 
Predigers.  Als  umfangreicheres  Grabgewölbe  erwies  sich 
das  des  Herzogs  Ernst  zu  Sachsen,  dessen  Kammer  mit, 
einem  besonderen  Umgang  und  einer  Treppenanlage  ver-, 
sehen  war.  Ein  Sarkophag  nahm  die  Mitte  desselben  ein, ' 
und  in  die  Nischen  der  Kammer  war  die  Jahreszahl  1513 
eingeritzt  — das  Sterbejahr. 

Besonderes  Interesse  und  eine  rege  Aussprache  rief, 
die  Beschreibung  der  Grundmauerreste  hervor,  die  theils 
als  Ueberbleibsel  des  ältesten  Kirchenbaues  zu  betrachten, 
sind,  grösstentheils  aber  die  Fuiidamentmauern  der  ur- 
sprünglich wahrscheinlich  noch  ganz  in  romanischem  Stil 
geplanten  Zentralanlage  unseres  jetzigen  Domes  darstellen. 
Für  diese  Annahme  spricht  der  Umstand,  dass  sie  genau, 
in  die  Verlängerung  der  Fluchtlinien  des  .Chorumgang- 
Fundamentes  passen  und  dieselbe  Jocheintheilung  wie  die 
des  Bischofsganges  erkennen  lassen.  Von  ihrer  Iloch- 

730 


führung  und  weiteren  konstruktiven  Verwendung  wurde 
damals  Abstand  genommen,  als  man  sich  im  Laufe  der 
Fortentwicklung  des  Baues,  die  sich  nachweislich  von 
Osten  nach  Westen  vollzog,  für  eine  grössere  Weiträumig- 
keit des  ganzen  westlichen  Domtheiles  entschied,  eine 
Folge  des  Ueberganges  zur  gothischen  Bauweise.  Der  Vor- 
tragende erntete  reichen  Beifall.  — Th. 

■•Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  3.  Jan. 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  44  Pers,,  aufgeh,. 
Hr.  Ing.  Schacht. 

Es  spricht  Hr.  Kohfahl  über  die  am  10.,  ii,  und  12. 
Juni  V.  J.  in  Kiel  stattgehabte  Versammlung  des  Vereins 
deutscher  Ingenieure,  über  welche  wir  schon  ausführlich 
(■Jahrg.  1901,  Seite  298)  berichtet  haben. 

Es  erhält  darauf  das  Wort  Hr.  Scharff  zu  einem 
Bericht  über  den  von  ihm  besichtigten  Einsturz  einer 
Koenerischen  Voutendecke.  Redner  theilt  mit,  dass  der 
Einsturz  der  in  dem  obersten  Geschoss  belegenen  Decke 
durch  eine  übermässige  Belastung  derselben  durch  die 
Bretter  der  Dachschalung  herbeigeführt  sei  und  das 
Durchschlagen  der  sämmtlichen  darunter  belegenen  Decken 
zurfolge  gehabt  habe.  Als  unmittelbare  Ursache  für  den 
Einsturz  wird  die  ungenügende  Verankerung  des  in  einem 
Abstande  von  0,3  bis  0,8  ^ von  der  Giebelwand  belegenen 
Endträgers  des  betreffenden  Bodens  angegeben.  Die 
Decke  .habe  dadurch  ihre  Eigenschaft  als  doppelt  einge- 
spannte verloren,  wodurch  die  rechnungsmässige  Bean- 
spruchung des  Betons  um  das  ii/g-fache  gestiegen  sei. 
Um  den  Gefahren,  welche  die  einseitige  Inanspruchnahme 
der  Träger  im  Endfeld  einer  Koenen’schen  Decke  in  sich 
schliesst,  zu  begegnen,  giebt  Redner  3 Wege  an;  i.  Ver- 
ankerung der  Eiseneinlage  im  Mauerwerk  der  Giebelmauer, 
2.  Verzichtleistung  auf  die  zweiseitige  Einspannung  der 
Decke  im  Endfeld,  wobei  dann  aber  die  Horizontalkräfte 
am  vorletzten  Träger  nicht  völlig,  aufgehoben  werden 
können,  3.  Verzichtleistung  auf  doppelte  Einspannung  im 
Endfeld.  Dieses  Feld  darf  dann  aber  nur  2/4  der  Spann- 
weite, der  übrigen  Felder  haben.  Dieses  letztere  Mittel 
wird  als  das  empfehlenswertheste  bezeichnet.  Endlich 
schildert  Redner  noch  den  Hauseinsturz  in  der  Veitstrasse 
in  Kiel,  dessen  Ursache  er  auf  die  ungünstigen  Witterungs- 
verhältnisse glaubt  zurückführen  zu  müssen. 

Ausser  der  Tagesordnung  berichtet  Hr.  Vivid  über 
den  Umsturz  des  grossen  Schornsteines  des  Elbhütten- 
werkes auf  Steinwärder.  Dieser  Schornstein  ist  ira  Jahre 
1859  durch  Schräder  und  Timmermann  erbaut;  er  hatte 
eine  Höhe  von  80,24  mittlere  Weite  von  3,4 

No.  21. 


Die  Kosten  haben  94600  M.  betragen.  Der  .Schornstein 
war  in  Kalkmörtel  hergestellt.  Die  Stärke  des  Mauer- 
werks betrug  unten  2,58  m und  verringerte  sich  in  5 Ab- 
sätzen bis  auf  0,36  m.  Bis  auf  eine  Höhe  von  35,82»  war 
innen  ein  Mantel  aus  feuerfesten  Steinen  angebracht.  Das 
Gesammtgewicht  des  Mauerwerks  wird  zu  5,5  Mül.  Pfd.  an- 
gegeben. Die  durch denSchornsteinabgeführten Gasehaben 
schon  seit  längerer  Zeit  den  Kalkmörtel  so  angegriffen, 
dass  man  genöthigt  war,  20  eiserne  Ringe  um  den  Schorn- 
stein zu  legen,  die  aber  zumtheil  wieder  sprangen.  Es 
bildeten  si(A  im  Mauerwerk  Risse,  welche  sich  mit  der 
Zeit  so  vergrösserten,  dass  es  möglich  war,  einen  Arm 
hineinzulegen.  Den  unmittelbaren  Anlass  zu  der  nunmehr 
erfolgten  Niederlegung  des  Schornsteines  gab  ein  Ab- 
springen der  äusseren  Verblendung  des  Sockelmauer- 
werkes in  dem  unter  Gelände  befindlichen  Ringkanal.  Die 
aus  Anlass  dieses  Vorkommnisses  ausgeführte  Untersuchung 
ergab  die  Nothwendigkeit,  den  Schornstein  abzutragen 
oder  umzustürzen,  und  nachdem  hierüber  Verhandlungen 
zwischen  dem  Eigenthümer,  der  Finanz -Deputation  und 
dem  Maurermeister,  welchem  bisher  die  Reparaturen  an 
dem  Schornstein  übertragen  waren,  stattgefunden  hatten, 
wurde  die  Ausführung  der  Niederlegung  dem  Hauptmann 
Releaux  vom  9.  Pionier -Bataillon  übertragen.  Man  ent- 
schloss sich,  in  einer  Höhe  von  20»  über  Gelände  einen 
Kranz  von  Minen  im  Mauerwerk  herzustellen,  welche  aus 
15  Bohrlöchern  von  8 cm  Weite  bestanden,  die  bis  in  die 
Mitte  des  Mantel-Mauerwerks  gebohrt  wurden.  Der  Schorn- 
stein sollte  nach  der  Ostseite,  wo  am  meisten  Platz  dafür 
zur  Verfügung  stand,  fallen.  Die  dort  angebrachten  Löcher 
wurden  mit  1675  Gramm,  diejenigen  nach  Süden  und 
Norden  mit  475  Gramm  und  die  letzten  an  der  Westseite 
belegenen  Löcher  mit  225  Gramm  Griesheimer  Pikratpulver 

feladen.  Die  Zündung  erfolgte  elektrisch  und  hatte  den 
rfolg,  dass  der  Schornstein  völlig  in  sich  zusammenbrach; 
allerdings  nicht,  wie  beabsichtigt,  nach  Osten,  sondern 
etwas  mehr  nach  Süden , wo  von  den  stürzenden  Trüm 
raern  das  Dach  eines  Schuppens  durchschlagen  wurde. 
Die  Ursache  hierfür  glaubt  man  darin  zu  finden,  dass  der 
Schornstein  nicht  umgestürzt,  sondern  nach  Zerstörung 
eines  Mauerringes  durch  die  Explosionswirkung  der  Minen 
auf  den  stehen  gebliebenen  Theil  gefallen  und  dort  nach 
und  nach  gänzlich  zersplittert  ist,  wobei  dann  durch  irgend 
welche  zufällige  Ursachen  der  grösste  Theil  des  Schuttes 
nach  der  Südseite  gefallen  sein  mag. 

Im  Anschluss  an  diesen  Bericht  macht  Hr.  Necker 
Mittheilungen  über  den  Bau  des  Schornsteines  und  be- 
schreibt die  Apparate,  deren  man  sich  dabei  bedient  hat, 
um  die  lothrechte  Stellung  und  die  kreisrunde  Form  des 
Schornsteines  sicher  zu  stellen.  — Hm. 

Dresdener  Architekten-Vereln.  Sitzung  vom  3.  Dez.  1901. 
Hr.  Hofrth.  Prof.  Dr.  Gurlitt  hielt  einen  Vortrag  über  die 
Frage  der  Wiederherstellung  des  Heidelberger 
Schlosses;  hierzu  waren  die  Mitglieder  des  Sachs.  Ing.- 
und  Arch.-Vereins  eingeladen  und  hatten  sich  zahlreich  ein- 
gefunden. Der  Vortrag  wurde  erläutert  durch  Photogra- 
phien nach  alten  Aufnahmen  und  durch  ältere  Zeichnun- 
gen, die  von  dem  Vorsitzenden,  Hrn.  Arch.  O.  Haenel, 
und  Hrn.  Arch.  Schroth  zur  Verfügung  gestellt  waren, 
bezw.  durch  eine  grosse  Anzahl  von  Holzschnitten,  Kupfer- 
stichen und  Photographien,  welche  der  Vortragende  aus- 
gestellt hatte.  Hr.  Gurlitt  legte  seinen  Standpunkt  zu  die- 
ser Frage  dahingehend  dar,  dass  er  es  für  richtig  halte 
von  einer  vollständigen  Wiederherstellung  des  Otto  Hein 
richs-Baues  abzusehen.  Die  Untersuchung  habe  mit  voller 
Sicherheit  ergeben,  dass  das  Mauerwerk  vorzüglich  erhalten 
sei,  abgesehen  von  den  oberstenSteinschichten  der  Fassade, 
und  dass  man  daher  eine  Erhaltung  der  Ruine  im  jetzigen 
Zustande  noch  auf  Jahrhunderte  hinaus  ermöglichen  könne. 
Niemals  werde  durch  eine  Wiederherstellung  des,  nicht 
nur  Heidelberg,  sondern  der  ganzen  Welt  gehörenden 
Denkmals  irgend  etwas  gewonnen  werden,  der  Gesammt- 
eindruck  könne  nur  verlieren.  Die  Anwesenden  zollten 
dem  Vortragenden  lebhaften  Beifall. — 

Vers,  am  14.  Jan.  1902.  Der  angekündigte  Bericht 
des  Hrn.  Prof.  Seitler  über  den  Stand  der  „Meissener 
Dombaufrage“  hatte  eine  grosse  Anzahl  Vereins-Mit- 
glieder und  Mitglieder  der  Innung  der  Baumeister  als 
Gäste,  herbeigerufen.  Es  waren  Originalpläne  über  den 
beabsichtigten  Domausbau  ausgestellt  und  zwar  diejenigen 
des  Ob.-Brth,  Prof.  Schäfer  und  Arch.  Linnemann, 
ebenso  hatte  Hofrth.  C.  Gurlitt  eine  grosse  Anzahl  Ab- 
bildungen sächsischer  Kirchen  mit  dreithürmiger  Aus 
bildimg  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt.  In  eingehend- 
ster Weise  theilte  Prof.  Seitler  den  bisherigen  Verlauf  der 
ganzen  Angelegenheit,  sowie  Näheres  über  die  am  28.  Dez. 
igoi  abgehaltene  General-Versammlung  des  Meissener 
Dombauvereins  mit.  In  den  daselbst  gepflogenen  Ver- 

12.  März  1902. 


handlungen  über  die  Frage  des  3-  oder  2 thürraigen  Aus- 
baues des  Dome.s  hatten  die  4 Architekten  des  Vorstandes 
— C.  Gurlitt,  Seitler,  Wallot,  Schumann  — ihren  Stand- 
punkt bezügl.  des  ßthurmigen  Ausbaues  lebhaft  vertreten, 
indem  sie  diesem  namentlich  deshalb  den  Vorzug  geben 
zu  müssen  meinten,  weil  in  der  Unrisslinie  der  ganzen 
Schlossanlage  diese  Anordnung  geschlossener  und  gün- 
stiger wirken  würde,  als  die  Anordnung  von  2 Thürraen 
nach  den  Plänen  von  Schäfer.  Aus  der  Versammlung  kamen 
aber  auch  gegentheilige  Meinungen  zum  Ausdruck,  so  vom 
Arch.  Scherz,  welcher  die  zweithürmige  Anlage  als  die 
günstigere  und  schon  als  aus  der  Grundrissbildung  sich  er- 
gebende bezeichnete.  Zur  weiteren  Behandlung  der  Frage 
wurde  ein  Ausschuss  gewählt,  bestehend  aus  den  Hrn. 
.Scherz,  Schleinitz  und  Haenel.  — 

Es  sprach  dann  Hr.  Arch.  Bruno  Müller  über  die 
Fortschritte  in  der  Bearbeitung  der  neuen  Bestimmungen 
bezügl.  des  Schutzes  des  Bauhandwerkes.  In  Be- 
rücksichtigung des  umfangreichen  Materials  war  eine  so- 
fortige allseitige  Zustimmung  nicht  zu  erwarten.  Es  wirkt 
dabei  auch  namentlich  die  Erwägung  mit,  dass  bei  Ein- 
holung von  Baugenehmigungs-Gesuchen  unter  Umständen 
grössere  Schwierigkeiten  eintreten  würden.  Die  Ver- 
sammlung begrüsste  indessen  die  von  Hrn.  Müller  gege- 
benen Mittheilungen  mit  grösstem  Danke,  weil  die  An- 
nahme der  gebotenen  Vorschläge  seitens  der  Regierungen 
nach  vielen  Richtungen  eine  wesentliche  Verbesserung 
des  jetzigen  Zustandes  bedeuten  würden. 

Die  im  „Dresdner  Anzeiger"  enthaltene  Mittheilung 
des  Rathes  der  Stadt  Dresden,  dass  derselbe  bezügl.  der 
Erlangung  von  Plänen  für  das  neue  Rathhaus  nun  doch 
zu  dem  Entschlüsse  gekommen  ist,  ein  zweites  allgemeines 
Preisausschreiben  unter  deutschen  Architekten  zu  erlassen, 
wird  mit  grosser  Befriedigung  aufgenommen. 

Es  wird  eine  weitere  Zuschrift  des  Dresdener  Stadt- 
rathes  mitgetheilt,  in  welcher  derselbe  bittet  um  Nennung 
geeigneter  Architektur-Zeichner  zur  Illustrirung  einer  von 
Prof.  Dr.  Richter  abzufassenden  Geschichte  der  Stadt 
Dresden  von  1871 — 1901,  welche  gelegentlich  der  Städte- 
Ausstellung  1903  erscheinen  soll.  Aus  der  Versammlung 
werden  verschiedene  Namen  genannt. 

Der  Vorsitzende  lenkte  sodann  die  Aufmerksamkeit 
der  Versammlung  auf  einen  vor  kurzem  in  einem  Dres- 
dener Blatte  erschienenen  Aufsatz,  betitelt  „Die  Bauten 
anderneuenHochuferstrasseJohannstadt-Nord", 
in  welchem  darauf  hingewiesen  wird,  dass  die  Bauten  der 
beiderseitigen  Elbufer  innerhalb  der  Stadt  Dresden  zum 
grossen  Theile  noch  immer  einen  nichts  weniger  als  gross- 
städtischen Charakter  zeigen.  Es  müsse  vonseiten  der 
Behörden  darauf  geachtet  werden,  jetzt,  wo  es  noch  Zeit 
sei,  diesem  neuen  Stadttheile  entlang  des  Elbufers  eine 
würdigere,  der  schönen  bevorzugten  Lage  angemessene 
Gestaltung  zu  geben. 

Für  die  Bearbeitung  der  eingegangenen  Verbandsfrage 
„Gebühren  der  Architekten  und  Ingenieure  als  gerichtliche 
Sachverständige"  wurde  ein  Ausschuss  gewählt,  bestehend 
aus  den  Hrn.  Geh.  Hofrth.  Heyn,  Arch.  Muns,  Förster, 
Teichgräber  sen.  und  Br.  Müller.  — O.  H. 

Ärchitekten-Verein  zu  Berlin.  Hauptversammlung  vom 
3.  Febr.  1902.  Vors.  Hr.  Plathner,  anwes.  65  Mitgl.,  4 Gäste. 

Der  Vorsitzende  eröffnete  die  Sitzung  mit  der  Nach- 
richt von  dem  Ableben  des  Vereinsmitgliedes  Hrn.  Brth. 
Grell  in  Magdeburg,  wies  auf  die  Eingänge  für  die  Biblio- 
thek hin  und  machte  Mittheilung  davon,  dass  der  Geh. 
Brth.  W.  Böckmann  aus  Anlass  seines  70.  Geburtstages 
zum  Ehrenmitglied  des  Vereins  ernannt  sei,  sowie  dass 
eine  Abordnung  des  Vorstandes,  bestehend  aus  den  Hrn. 
Beer,  Hossfeld,  Plathner  dem  Hrn.  Minister  von 
Thielen  zu  seinem  70.  Geburtstage  am  31.  Januar  d.  J. 
die  Glückwünsche  des  Vereins  überbracht  habe. 

Hr.  Kyllmann  sprach  sodann  über  den  „Bebauungs- 
plan der  kgl.  Domäne  Dahlem“,  die  einige  Staats- 
institute aufnehmen,  im  übrigen  aber  zu  Villen-Gelände 
Verwendung  finden  soll.  Mit  der  Aufstellung  der  Pläne 
war  der  Vortragende  betraut.  Das  gesammte  Gelände 
hat  eine  Grösse  von  443  Davon  entfallen  auf  Strassen 
und  Plätze  95  ha.  Zwischen  dem  höchsten  und  dem  tiefsten 
Punkt  ist  ein  Höhenunterschied  von  rd.  18 » vorhanden. 
Die  grösste  Steigung  der  Strassen  stellt  sich  auf  i : 40,  die 
kleinste  auf  1:200.  Die  Hauptverkehrsstrassen  erhalten 
30  “ Breite  zwischen  den  je  7,5  » tiefen  Vorgärten,  davon 
entfallen  je  '4»  auf  die  Fusswege,  je  3,5;»  auf  die  Strassen- 
bahnstreifen,  4,75“  auf  Reitweg,  7“  Fahrweg,  3,25»  auf 
eine  Radfahrerbahn.  Die  Nebenstrassen  haben  meist  12  », 
einige  auch  18»  erhalten.  Die  erstere  Art  hat  27»  Breite 
zwischen  den  Baufluchten,  die  Fahrbahnbreite  beträgt  6 “. 
Die  Tiefe  der  zwischen  den  Strassen  verbleibenden  Bau- 
blocke stellt  sich  auf  100». 

13t 


Auf  dem  Gelände  sind  an  Staatsanstalten  unterzubrin- 
gen  die  landwirthschaftliche  Versuchsanstalt,  das  biologische 
Institut,  die  Versuchsfelder  der  Gärtnerlehranstalt,  die  Tech- 
nische Versuchsanstalt,  u.  Umst.  eine  Sternwarte.  Es  blei- 
ben dann  noch  275  für  den  Verkauf  an  Privatpersonen, 
d.  h.  eine  recht  bedeutende  Fläche,  wenn  man  vergleicht, 
dass  die  Terrain  - Gesellschaft  in  Gross  - Lichterfeide  in 
12  Jahren  nur  90  ha  verkauft  hat.  Es  würden  sich  an 
20—22000  Seelen  in  dieser  Villen-Kolonie  unterbringen 
lassen.  Die  Auftheiiung  erfolgt  durch  eine  besondere 
staatl.  Kommission,  der  Verkauf  nur  an  Selbstkäufer.  Die 
Preise  liegen  zwischen  10  und  30  M.  für  1 qf«. 

Die  Vorstandswahlen,  die  für  diesen  Abend  angesetzt 
waren,  konnten  wegen  Beschlussunfähigkeit  der  .Ver- 
sammlung nicht  vorgenommen  werden.  — 

Hauptversammlung  vom  24.  Februar.  Vors.  Hr.  Beer, 
anwes.  45  MitgL,  5 Gäste. 

Nach  Vorlage  der  Geschenke  für  die  Bibliothek  weist 
der  Hr.  Vorsitzende  auf  einen  von  Bildhauer  Bohne  aus- 
gestellten geschnitzten  romanischen  Tisch  hin,  den  der  Aus- 
steller, der  Aufträge  in  hiesigen  Architektenkreisen  ge- 
winnen möchte,  nach  Entwurf  von  Hrn.  Geh.  Reg.-Rth.  Prof. 
Hehl  angefertigt  hat.  Der  Vorsitzende  gedenkt  ferner 
der  seit  der  letzten  Sitzung  verstorbenen  Vereinsmitglieder: 
des  Eiseiibahn-Bauinsp.  G.  Albrecht,  Stadtbrth.  Otto 
Schulze  in  Wesel  und  Reg.-Bmstr.  Max  Schilling. 

Es  werden  dann  die  Wahlen  des  Vorstandes,  des 
Vertrauens-Ausschusses  und  des  Haushalts-Ausschusses 
vollzogen.  Wieder  gewählt  werden  Hr.  Beer  als  I.  Vor- 
sitzender, Hr.  Plathner  als  Schatzmeister,  während  an- 
stelle des  ausscheidenden  Hrn.  Hossfeld  zum  II.  Vors. 
Hr.  Haack  gewählt  wird.  Auch  die  beiden  Schriftführer 
Bürckner  und  Eiselen  werden  aufs  neue  bestätigt. 
Im  Vorstand  verbleiben  die  Hrn.  A.  Becker,  Haag, 
V.  Münstermann,  Walle,  während  die  Hrn.  Gerhardt, 
Launer  und  Solf  neu  hinzutreten.  Mitglieder  des  Ver- 
trauens-Ausschusses werden  die  Hrn.  Appelius,  Bath- 
mann,  Bubendey,  Haselow,  Knoblauch,  Herrn. 
Krause,  Sarrazin,  Fr.  Schultze  und  Schwechten, 
des  Haushalts-Ausschusses  die  Hrn.  Contag,  Dylewski, 
Grassmann,  M.  Guth,  Hartung,  Körner,  Fr.Körte, 
Rönnebeck,  Stapf,  Stüler,  Temor. 

In  der  nun  folgenden  gewöhnlichen  Versammlung 
hielt  Hr.  Kommerzienrth.  Henneberg  einen  äusserst 
interessanten  und  übersichtlichen  Vortrag  über  „Fern- 
heizwerke mit  besonderer  Berücksichtigung  der- 
jenigen von  Dresden  und  Beelitz".  Redner  schickte 
zunächst  einige  allgemeine  Erläuterungen  voraus  und  er- 
klärte den  Begriff  des  Fernheizwerkes  — räumliche  Tren- 
nung der  Erzeugungsstelle  der  Wärme  und  der  Verbrauchs- 
stelle in  verschiedenen  Gebäuden  und  zwar  auf  grössere 
Entfernungen.  Möglich  geworden  ist  eine  solche  Ueber- 
tragung  erst  durch  hochgespannten  Dampf,  den  man  jetzt 
mit  6—8  Atm.  Druck  bei  Entfernungen  bis  2000  m an- 
wendet, nachdem  man  gelernt  hat  derartige  Leitungen 
mit  voller  Sicherheit,  namentlich  auch  hinsichtlich  der 
unschädlichen  Ausgleichung  der  erheblichen  Ausdehnun- 
gen der  metallischen  Rohrleitungen  durch  die  Wärme- 
Unterschiede,  zu  konstruiren. 

Derartige  Anlagen  werden,  wenn  sie  wirthschaftlich 
günstig  arbeiten  sollen,  verbunden  mit  einer  Licht-  und 
Kraft- Zentrale,  da  diese  3 Anstalten  ihren  Höchstbedarf 
an  Dampf  nicht  zur  gleichen  Zeit  haben  werden,  sodass 
sich  bei  einer  solchen  Verbindung  mit  einer  wesentlich 
kleineren  Kesselanlage  auskommen  lässt,  als  bei  3 ge- 
trennten, selbständigen  Werken. 

Die  Anwendung  des  hochgespannten  Dampfes  ermög- 
licht wesentlich  kleinere  Leitungen,  bedingt  einen  gerin- 
geren Spannungsabfall  in  den  Leitungen,  ist  also  wesent- 
lich wirthschaflicher,  als  Dampf  geringer  Spannung.  Mit 
demselben  lassen  sich  ausserdem  in  den  verschiedenen  Ge- 
bäuden ganz  verschiedene  Heizsysteme  bedienen,  sodass 
also  auch  alte  Anlagen  anschlussfähig  sind.  (Wie  z.  B. 
zum  Theil  in  Dresden). 

In  Dresden  sind  neben  der  alten  Zoll-  und  Steuer- 
direktion im  Fernheizwerk  auch  das  Licht-  und  Kraft- 
werk vereinigt,  von  welchen  aus  nun  das  erstere  Gebäude, 
das  kgl.  Hoftheater,  die  Gemälde-Gallerie,  der  Zwinger, 
das  kgl.  Schloss,  die  kathol.  Kirche,  das  Ständehaus,  die 
Kunstakademie,  das  Albertinum,  die  Polizeidirektion  usw. 
mit  Wärme,  Licht  und  Kraft  versorgt  werden. 

Die  Dampfleitungen  liegen  natürlich  in  gemauerten, 
begehbaren  Kanälen,  deren  Ausführung  und  Dichtung 
einige  Schwierigkeit  bot,  da  sie  z.  Th.  im  Ueberschwera- 
mungsgebiet  der  Elbe  liegen.  Es  sind  2 Hauptleitungen 
von  21 6 Durchm.  vorhanden,  von  denen  die  eine  meist 
allein  ausreicht.  Eine  kupferne  Leitung,  die  wegen  der 
ungünstigen  Höhenlage  an  eine  Pumpe  angeschlossen  wer- 
den musste,  führt  das  Kondenswasser,  das  immer  noch 


eine  Temperatur  von  100  0 besitzt,  den  Kesseln  wieder  zu. 
Von  letzteren  sind  10  Stück  mit  je  200  q®  Heizfläche  bereits 
aufgestellt,  4 finden  später  noch  Platz.  Erforderlich  wer- 
den nach  Anschluss  aller  Gebäude  stündlich  15200000 
Wärmeeinheiten.  Die  Anlage  ist  damit  die  grösste  in 
Europa.  Das  Werk  ist  seit  dem  15,  Dez.  1900  in  Betrieb 
und  hat  sich  gut  bewährt. 

Die  Anregung  zu  dem  Fernheizwerk  gab  Hr.  Geh. 
Rath  Temper  in  Dresden,  dem  auch  die  Oberleitung  der 
Ausführung  oblag.  Zur  Beurtheilung  der  Entwürfe  war 
ein  besonderer  Ausschuss  gebildet,  an  dessen  Spitze  Hr. 
Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Rietschel,  Berlin,  berufen  wurde. 
Die  Ausführung  erhielt  die  Firma  Rietschel  & Henne- 
berg aufgrund  eines  Konkurrenz-Entwurfes. 

Das  Werk  in  Beelitz  ist  nach  ähnlichen  Grundsätzen 
gebaut,  verdankt  seinen  Ursprung  aber  nicht  ästhetischen 
Gründen,  wie  in  Dresden,  sondern  hygienischen.  Denn 
Beelitz  enthält  die  Lungenheilstätte  der  Landes-Versiche- 
rungsanstalt  Berlin;  möglichst  staub-  und  rauchfreie  Luft 
war  also  vor  allem  in  dieser  ausgedehnten,  nach  völligem 
Ausbau  35  Gebäude  umfassenden  Anstalt  erwünscht.  Für 
diese  sind  dann  ira  Ganzen  12540000  Wärmeeinheiten  stünd- 
lich zu  liefern  mittels  14  Kesseln,  von  denen  jeder  i Million 
Einheiten  entwickeln  kann.  Der  Dampf  wird  zunächst  auf 
6,5,  später  nach  völligem  Ausbau  auf  8 Atm.  angespannt 
und  hat  einen  grössten  Weg  in  den  Leitungen  von  1050® 
zurückzulegen.  Es  sind  2 Dampfleitungen  von  216  bezw. 
J33  mm  Durchm.  vorgesehen,  ferner  eine  Kondenswasser- 
leitung,  die  mit  natürlichem  Gefälle  allein  auskomrat.  Von 
diesen  Dampfleitungen  wird  zunächst  die  grössere  im 
Winter,  die  kleinere  im  Sommer  und  zwar  dann  lediglich 
zu  den  verschiedenen  Betrieben  benutzt.  Nach  völligem 
Ausbau  genügt  die  grosse  Leitung  im  Sommer,  während 
im  Winter  beide  zugleich  beansprucht  werden.  Die  Anlage, 
die  ebenfalls  von  der  Firma  Rietschel  & Henneberg  aus- 
geführt wurde,  ist  ein  hochinteressantes  Beispiel  eines  mo- 
dernen Fernheizwerkes,  wobei  hinsichtlich  der  Grundriss- 
gestaltung des  Kesselhauses  zu  berücksichtigen  ist,  dass 
die  Zentralisirung  der  Feuerstätten  erst  beschlossen  wurde, 
als  das  Kesselhaus  für  die  Licht-  und  Kraftanlage  schon 
z.  Th.  fertig  war.  Dieses  ist  dann  mitverwendet  und  nur 
entsprechend  erweitert  worden. 

DerVortragwurde  mit  grossem  Interesse  aufgenommen. 

Haupt-Vers.  v.  3.  März  1902.  Vors.  Hr.  Beer,  anwes. 
106  Mitgl.,  3 Gäste. 

Der  Hr.  Vorsitzende  theilt  zunächst  mit,  dass  der 
Verein  Hrn.  Ob.-Baudir.  Franzius,  Bremen,  zu  seinem 
70.  Geburtstage  zum  Ehrenmitgliede  ernannt  habe  und 
übermittelt  den  Dank  des  Gefeierten,  dem  die  Hrn.  Beer 
und  Walle  als  Vertreter  des  Vorstandes  am  i.  März  1902 
das  Diplom  in  Bremen  überreicht  haben. 

Er  macht  ferner  Mittheilung  von  dem  erfolgten  Ab- 
leben des  Hrn.  Brth.  Fiebelkorn  in  Schönebeck  a.  Elbe, 
eines  der  ältesten  Vereinsraitglieder. 

Es  werden  darauf  die  Ausschüsse  für  die  Monats- 
Wettbewerbe  beauftragt,  neue  Aufgaben  aufzustellen.  Hr. 
H.  Guth  berichtet  sodann  über  den  Ausfall  eines  Monats- 
Wettbewerbes  um  den  Entwurf  zu  einem  Bildhauer-Ateher. 
Vereinsandenken  erhalten  die  Entwürfe  „Berchta"  und 
„Modell",  Verfasser  die  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Michel  in 
Göttingen  und  Max  Tischer  in  Berlin. 

Während  dann  die  Wahlen  vollzogen  wurden  für  die 
verschiedenen  Vereins-Ausschüsse,  werden  von  den  Hrn. 
Rönnebeck,  Plathner  undDircksen  die Beurtheilungen 
der  eingegangenen  16  Entwürfe  auf  dem  Gebiete  der  Archi- 
tektur (Volkslesehalle),  4 Entwürfe  auf  dem  Gebiete  des 
Wasserbaues  (Thalsperre  bei  Marklissa)  und  5 Entwürfe 
aus  dem  Eisenbahnbau  (Umgestaltung  des  Bahnhofes 
Lehrte)  verlesen.  Ueber  das  Ergebniss  haben  wir  bereits 
an  anderer  Stelle  (No.  20  S.  128)  berichtet.  — pj-.  E. 

Vereinigung  Berliner  Architekten.  Die  IV.  ord.  Ver- 
sammlung fand  unter  Theilnähme  von  56  Mitgliedern  und 
unter  dem  Vorsitz  des  Hrn.  von  der  Hude  am  20.  Febr. 
statt.  Als  neues  Mitglied  wurde  Hr.  Arch.  Eugen  Kühn 
aufgenommen.  Der  Vorsitzende  macht  Mittheilung  von 
der  Zustimmung  des  Senates  der  Technischen  Hochschule 
in  Charlottenburg,  im  Lichthofe  derselben  eine  Hermen- 
büste Jacobsthals  aufzustellen.  Hr.  Graef  berichtet  über 
die  Vorschläge  der  Kommission  betr.  Festsetzung  einer 
Gebührenordnung  für  gerichtliche  Sachverständige.  Es 
liegt  dazu  eine  Ausarbeitung  des  Hrn.  Brth.  Unger  in 
Hannover  vor.  Die  Vorschläge  lassen  sich  in  den  Wunsch 
der  Kommission  zusammenfassen,  die  Erfahrungen  einer 
grösseren  Anzahl  von  Sachverständigen  über  ihre  Ent- 
schädigung durch  die  Gerichte  zu  gewinnen,  sodann  die 
Ausarbeitung  von  Unger  von  einer  grösseren  Anzahl  Sach- 
verständiger berathen  zu  lassen,  um  endlich  mit  dem  Archi- 
tekten-Verein  zu  Berlin  zu  gemeinschaftlichem  Vorgehen 

No.  21. 


132 


1 


Lageplan. 


Krüppelheim  und  Orthopädisches  Institut. 

Das  II.  Rheinische  Diakonissenhaus  ln  Kreuznach.  Architekt:  Friedrich  Langenbach  in  Barmen. 
12.  März  1902. 


133 


sich  zu  vereinigen.  Die  Versammlung  schliesst  sich  den  Vor- 
schlägen Graefs  an.  — Es  berichtet  ferner  Hr.  Knoblauch 
über  ein  gelb -weiss- graues  Sandsteinmaterial  aus  einem 
Bruch  zwischen  Lauterecken  und  Meisenheim,  welches 
durch  die  „Kaisersteinbruch-Akt.-Ges.“  in  Köln  a.  Rh.  in 
den  Handel  gebracht  wird.  Dem  Material  werden  ins- 
besondere Feinkörnigkeit,  Abwesenheit  von  Thon-  und 
Eisengallen,  und  gleichmässige  Härte  und  Struktur  nach- 
gerühmt. — Der  Vorsitzende  erstattet  den  Bericht  des 
Preisgerichtes  über  die  Entwürfe  betr.  Umgestaltung  des 
Ausstellungs-Gebäudes  am  Lehrter  Bahnhof.  Nach  den 
Ausführungen  bildete  ein  Hauptgrund  für  die  Entschei- 
dung der  Umstand,  dass  bei  der  Erhaltung  des  Ausstellungs- 
Gebäudes  möglicherweise  nicht  mehr  mit  einer  grösseren 
Anzahl  von  Jahren  gerechnet  werden  kann  und  demge- 
mäss das  bei  der  geplanten  Umgestaltung  gesteckte  Ziel 
mit  den  geringsten  Mitteln  erreicht  werden  sollte.  An  die 
Ausführungen  schloss  sich  die  Ueberreichung  der  Ehren- 
preise an  die  Sieger. 

Das  Hauptinteresse  des  interessanten  Abends  bildete 
der  mit  grossem  Beifall  aufgenommene  Vortrag  des  Hrn. 
Boethke  (in  Firma  Schmieden  & Boethke)  über  die  gross- 
artige Heilstätten- Anlage  der  Landes-Versiche- 
rungsanstalt  „Berlin“  bei  Beelitz  in  der  Mark, 
welche  mit  einem  Kostenaufwande  von  rd.  8300000  M. 
ohne  Gelände-Erwerb  und  ohne  innere  Einrichtung,  durch 
die  Firma  auf  einem  630  Morgen  grossen,  mit  alten  Kiefern 
bestandenen  Wald-Gelände  zu  beiden  Seiten  derWetzlarer 
Bahn  errichtet  wurde  und  demnächst  ihrer  Bestimmung 
übergeben  wird.  Die  gesamrate  Baugruppe  umfasst  4 in 
sich  geschlossene  Einzelanstalten  und  zwar  AI.  für  erwerbs- 
unfähige Männer,  All.  für  erwerbsunfähige  Frauen,  BI.  für 
lungenkranke  Männer  und  BII.  für  lungenkranke  Frauen. 
Die  Anstalt  enthält  Raum  für  zunächst  600  Betten  in 
4 Pavillons,  deren  Zahl  auf  das  Dreifache  gesteigert  wer- 
den kann.  Sehr  bemerkenswerth  sind  die  technischen 
Einrichtungen,  wie  das  Fernheizwerk  von  Rietschel  & 
Heiineberg,  die  Wasserversorgung,  das  Elektrizitätswerk 
usw.,  mit  grosser  Sorgfalt  sind  namentlich  die  hygienisch- 
technischen Einzelheiten  ausgeführt.  Die  Anstalt  besitzt 
eine  eigene  Rieselfeldanlage,  eine  Eiserzeugmigs-Maschine, 
eine  Enteisenungsanlage.  In  ihren  hygienischen  und  tech- 
nischen Einrichtungen  kann  sie  dem  Besten  an  die  Seite 
gestellt  werden,  was  in  der  Gegenwart  in  dieser  Beziehung 
geschaffen  wurde.  — 


Vermischtes. 

Der  Beghin’sche  Rechenstab.  Die  in  Frankreich  eines 
besonderen  Rufes  in  der  Herstellung  von  Rechenstäben 
sich  erfreuende FirmaTavernier-Gravet,  rue  Mayet  19, 
Paris,  hatte  auf  der  letzten  Pariser  Weltausstellung  eine 
Anzahl  von  Rechenstäben  verschiedener  Einrichtung  für 
allgemeine  und  für  besondere  Zwecke  ausgestellt,  von 
denen  der  Beghin’sche  Rechenstab  wohl  einen  kurzen 
Hinweis  verdient,  da  er  denselben  Zwecken  dient,  wie  der 
gebräuchliche  Mannheim’sche  Rechenstab,  aber  vor  die- 
sem einige  Vorzüge  voraus  hat. 

Die  unteren  Theilungen  des  Stabes  und  des  Schiebers 
des  Beghin’schen  Rechenstabes  stimmen  mit  denjenigen 
des  Mannheim’schen  Rechenstabes  überein  und  haben  eine 
Länge  von  je  25  cm.  Während  aber  die  oberen  Theilungen 
sowohl  des  Stabes  wie  des  Schiebers  des  Mannheim’schen 
Rechenstabes  je  2 aneinander  gereihte  Theilungen  von  je 
12,5“  Länge  besitzen,  tragen  die  oberen  Theilungen  des 
Stabes  und  des  Schiebers  des  Beghin’schen  Rechenstabes 
je  eine  Theilung  von  25cm  Länge,  deren  Anfangs-  und 
zugleich  Endpunkt  (also  die  Ziffer  1)  jedoch  in  der  Mitte 
liegt,  sodass  die  Bezifferung  in  der  linksseitigen  Hälfte  von 
3,16  =Lio  bis  zu  10  bezw.  i,  in  der  rechtsseitigen  Hälfte 
von  IO  bezw.  i bis  zu  3.16  geht.  Diese  sämmtlichen  er- 
wähnten Theilungen  gehen  von  links  nach  rechts. 

Der  Schieber  des  Beghin’schen  Rechenstabes  trägt 
aber  ausserdem  noch  eine  mittlere,  von  rechts  nach  links 
gehende,  25  cm  lange  Theilung,  deren  Gebrauch  somit  stets 
die  Anwendung  des  Läufers  nöthig  macht. ' Die  Rückseite 
des  Schiebers  trägt  am  unteren  Rande  2 an  einander  ge- 
reihte Theilungen  von  je  12,5  cm  Länge,  die  mit  den  oberen 
Theilungen  des  Stabes  und  des  Schiebers  des  Mannheim’- 
schen Rechenstabes  übereinstimraen;  der  übrige  Raum 
der  Rückseite  wird  durch  die  trigonometrischen  Theilun- 
gen eingenommen,  welche  je  nach  Wunsch  des  Bestellers 
für  alte  oder  neue.Winkeltheilung  geliefert,  werden.  Eine 
Theilung  zur  Bestimmung  der  Logarithmen  befindet  sich  an 
der  vorderen,  nicht  abgeschrägten  Schmalseite  des  Stabes. 

Die  Vortheile  der-  beschriebenen,  Einrichtung  bestehen 
nun  im  Wesentlichen  in  Folgendem:  Der  Schieber  braucht 
niemals  mehr,  als  um  die  Hälfte  seiner  Länge  ausgezogen 
zu  werden;  die  Ablesung  des  Endergebnisses  erfolgt  stets 


auf  einer  Theilung  von  25  cm  Länge,  also  mit  der  dieser 
Länge  entsprechenden  Genauigkeit;  zusammengesetzte 
Rechnungen  erfordern  in  vielen  Fällen  eine  geringere  An- 
zahl von  Verschiebungen  des  Schiebers;  die  letzteren 
fallen  zumtheil  weg,  zumtheil  treten  Verschiebungen  des 
Läufers  an  ihre  Stelle;  mehrere  derartige  Rechnungen 
sind  mit  dem  Beghin’schen  Rechenstabe  unmittelbar  leicht 
und  bequem  auszuführen,  während  der  Mannheim’sche 
Rechenstab  die  Ausführung  nur  mittelbar,  das  ist  durch 
Auflösung  in  mehrere  einfache  Rechnungen  ermöglicht. 
So  z.  B.  kann  das  Produkt  dreier  Zahlen  oder  auch  der 
Quotient  einer  Zahl  durch  das  Produkt  zweier  anderer 
Zahlen  mit  nur  einer  Verschiebung  des  Schiebers  und 
einer  Verschiebung  des  Läufers  bestimmt  werden.  Ferner 
können  die  zweite,  dritte  und  jede  weitere  ganze  Potenz 
einer  Zahl  mit  nur  einer  Verschiebung  des  Schiebers  er- 
mittelt werden;  jede  um  eins  höhere  Potenz  erfordert  nur 
eine  weitere  Verschiebung  des  Läufers.  Die  mittlere  von 
rechts  nach  links  gehende  Theilung  des  Schiebers  und  die 
Möglichkeit,  in  derselben  Rechnung  mit  Hilfe  des  Läufers 
sowohl  die  oberen,  als  auch  die  unteren  Theilungen  des 
. Stabes  und  des  Schiebers  und  die  mittlere  Theilung  des 
letzteren  in  Verbindung  mit  einander  in  Anwendung  zu 
bringen,  ermöglichen  manche  überraschend  einfache  und 
bequeme  Rechnung.  Es  würde  zu  weit  führen,  hier  weiter 
darauf  einzugehen,  es  muss  in  dieser  Beziehung  auf  die 
Gebrauchs- Anleitung  verwiesen  werden.  Die  Anbringung 
der  mittleren  Theilung  des  Schiebers  führt  zu  einer  Häu- 
fung der  Theilungsstriche  und  Ziffern,  die  anfänglich  etwas 
verwirrend  wirkt,  an  die  man  sich  aber  nach  kurzer  Zeit 
des  regelmässigen  Gebrauchs  gewöhnt.  Dieser  Uebelstand 
liesse  sich  aber  auch  leicht  beseitigen,  wenn  man  die  Mehr- 
breite von  4 — 5 welche  die  deutschen  Rechenstäbe  gegen- 

über den  französischen  haben,  ganz  dem  Schieber  zutheilte. 

Die  Firma  stellt  den  Stab  in  zwei  Grössen  her,  26  cm 
lang  für  14  Frcs.  und  50  cm  lang  für  70  Frcs.  — 

C.  Heuser  in  Aachen. 

Das  neue  Stadt-Krankenhaus  in  Dresden,  welches  am 
3.  Dez.  190  r seiner  Bestimmung  übergeben  worden  ist,  dürfte 
nach  einer  im  „Volkswohl“  darüber  gebrachten  Mittheilung 
zu  den  hervorragenderen  Anlagen  seiner  Art  gehören. 
Dasselbe  ist  nach  den  Entwürfen  des  Plerrn  Stadtbaurath 
Bräter  iiiDresden  im  Osten  der  Stadt  inunmittelbarerNach- 
barschaft  des  Bürgerhospitals  und  der  zurzeit  noch  im 
Bau  begriffenen  kgl.  Frauenklinik  auf  einem  etwa  6,33  ha 
grossen  Gelände  errichtet  und  besteht  aus  17  Einzelbauten, 
deren  Ilauptansichten  die  Richtung  Süd-Nord  haben.  Ver- 
waltungs-,  Wirthschafts-  usw.  Gebäude  liegen  in  der  Mittel- 
axe, zunächst  der  Strasse  das  Verwaltungs-Gebäude,  in 
welchem  sich  aber  auchWohnungen  der  Aerzte, Schwestern 
und  Wärter  befinden.  Dahinter  folgen  die  etwa  300  Per- 
sonen fassende  Kirche,  alsdann  das  Küchengebäude,  das 
Waschhaus,  der  Eiskeller  und  das  Kesselhaus.  Nördlich 
zur  Seite  der  Mittelaxe  sind  die  Pavillons  für  die  männ- 
lichen, südlich  die  für  die  weiblichen  Kranken  errichtet. 
Für  die  chirurgischen  Kranken  und  die  Augenkranken 
beiderlei  Geschlechts  dient  je  ein  Doppelpavillon.  Bei 
, den  innerlich  Kranken  sind  besondere  Häuser  für  die 
Aufnahme  ansteckender  und  nicht  ansteckender  Kranken 
vorhanden,  desgleichen  Häuser  für  unruhigeKranke.  In  den 
Pavillons  für  ansteckende  Kranke  sind  selbständige  Ab- 
theilungen mit  gesonderten  Eingängen  und  auch  sonst 
alle  zum  Schutz  gegen  Uebertragung  nöthigen  Vorkeh- 
rungen angeordnet.  Für  später  ist  die  Hinzufügung  eines 
eigenen  Hauses  für  Lungenschwindsüchtige  und  eines  an- 
deren für  Nasen-,  Rachen-  und  Ohrenkrankheiten  geplant. 

Auf  jeden  Kranken  kommt  ein  Luftraum  von  30 
der  stündlich  5 mal  erneuert  wird.  Die  durch  mechanisch 
betriebene  Ventilatoren  eingeführte  Frischluft  wird  theils 
durch  Dampf-,  theils  durch  Warmwasser-Erzeugung  vor- 
gewärmt und  durch  Staubfilter  gereinigt.  Die  Regelung 
der  Temperaturen  erfolgt  von  einer  Zentralstelle  aus,  die 
durch  Fern-Thermometer  von  den  in  den  einzelnen  Räumen 
herrschenden  Wärmezuständen  Kenntniss  erhält.  Die  Be- 
leuchtung geschieht  elektrisch;  es  ist  dazu  eine  Gleich- 
strom- und  eine  Wechselstrom-Leitung  angelegt,  um  für 
den  Fall  des  Versagens  der  einen  Leitung  sofort  die  an- 
dere einschalten  zu  können.  Eine  elektrische  Leitung  ist 
-für  Heilzwecke  angelegt,  von  derselben  kann  an  jedem  der 
vorhandenen  Krankenbetten  Gebrauch  gemacht  werden. — 

Rücksendung  von  Zeugnissen  usw.  bei  Stellengesuchen. 
Wir  entsprechen  gerne  einer  an  uns  ergangenen  Anregung, 
dafür  wirken  zu  wollen,  dass  Stellensuchenden  die  oft  müh- 
sam, beschafften  Zeugnisse  und  andere  Unterlagen,  auch 
wenn  sie  nur  Abschriften  der  Originale  sind,  wieder  zuge- 
stellt werden.  Wir  betrachten  es  mit  dem  Hrn.  Einsender 
als  eine  Art  Verpflichtung,  zum  mindesten  aber  als  ein  selbst- 
verständliches Entgegenkommen  für  angebotene  Dienste, 

No.  21. 


134 


die  Unterlagen  für  eine  Bewerbung  überhaupt  und  mög- 
lichst bald  wieder  zurückzusenden,  damit  er  in  der  Lage 
ist,  sie  ohne  Zeitverlust,  welcher  bei  der  heutigen  knappen 
Arbeitsgelegenheit  doppelt  hoch  anzuschlagen  ist,  bei  an- 
deren Bewerbungen  wieder  verwenden  zu  können.  — 
Leichte  Gerüste  für  grosse  Höhen,  wie  für  Kirchthürme, 
Fabrik-Schornsteine  usw.  sind  die  „Vereinigten  Gerüst-Bau- 
und  Leihanstalten  J.  Funcke  & Co.“  in  Charlottenburg  her- 
zustellen in  der  Lage.  Diese  Gerüste  unterscheiden  sich 
von  den  üblichen  Balken-  iund  Stangengerüsten  durch 
Schnelligkeit  des  Aufbaues  und  durch  grössere  Billigkeit. 
Eine  Einrüstung  des  Thurmes  der  St.  Johanniskirche  in 
Alt-Moabit  mit  Leitergerüsten  erreichte  eine  Höhe  von 
56“  und  trug  zeitweilig  30—40  Maurer.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  betr.  Skizzen  für  eine  Staats-Real- 
schule in  Teplitz- Schönau  wird  vom  dortigen  Bürger- 
meister zum  7.  Mai  d.  J.  für  deutsch-österreichische  Archi- 
tekten erlassen.  Es  gelangen  3 Preise  von  1500,  1000  und 
750  Kronen  zur  Vertheilung.  — 

Der  Wettbewerb  um  den  Preis  der  Schlichtlng-Stlftung, 
dessen  Gegenstand  in  diesem  Jahre  eine  Untersuchung 
über  die  zweckmässige  Grösse  der  für  den  geplanten 
Grosschiffahrtsweg  Berlin-Stettin  anzuwendenden  Schiffs- 
gefässe  bildete,  hat  kein  völlig  befriedigendes  Ergebniss 
gehabt.  Von  den  4 eingelaufenen  Entwürfen  konnte  keinem 
der  Ehrenpreis  in  Höhe  von  icoo  M.  verliehen  werden, 
da  keiner  die  technischen  und  wirthschaftlichen  Bedingun- 
gen erschöpfend  behandelte.  Es  wurde  jedoch  ein  Be- 
trag von  800  M.  zu  gleichen  Theilen  den  Entwürfen  mit 
dem  Kennwort  ,, Gebaut  wird  er  doch“,  Verf.  Hr.  cand. 
des  Schiffsbaues  P.  Keil  in  Charlottenburg,  und  „Wasser 
ist  wohl  gut“,  Verf.  die  Hrn.  R.  ßlümke  und  Franz  Peters 
in  Mannheim  zuerkannt.  — 

Wettbewerb  Mädchenschule  Giessen.  Den  I.  Preis  er- 
rang der  Entwurf  „Im  besten  Licht“  des  Hrn.  Prof.  Eugen 
Beck  in  Karlsruhe  i.  B.;  den  II.  Preis  der  Entwurf  „Fast- 
nacht“ der  Hrn.  Paul  Weber  und  Arth.  Werner  in  Leip- 
zig; den  III.  Preis  der  Entwurf  „Nordostklasse“  des  Hrn. 
Alwin  Genschel  in  Hannover.  Zum  Ankauf  empfohlen 
wurde  der  Entwurf  der  Hrn.  Ferd.  Köhler  und  Paul 
Kranz  in  Charlottenburg.  — 

Wettbewerb  Kirche  und  Pfarrhaus  der  Thorner  St. 
Georgen-Gemeinde.  Es  liefen  50  Entwürfe  ein;  von  dem 
ausgesetzten  Preise  von  1200  M.  wurden  dem  Entwurf 
,, Weichselkönigin"  des  Hrn.  E.  Joussen  in  Düsseldorf 
900  M.,  dem  Entwurf  „Ara  stillen  tlerd  zur  Winterszeit“ 
des  Hrn.  A.  Schneidereit,  ebenfalls  in  Düsseldorf, 
300  M.  zuerkannt.  Säramtliche  Entwürfe  sind  bis  zum 
16.  März  im  Wiener  Cafö  in  Thorn  öffentlich  ausgestellt.  — 
Wettbewerb  Rathhaus  Hamborn.  Der  Entwurf  mit 
dem  Kennwort  „Das  Rathhaus  am  Rathhausplatz“  des 
Hrn.  Rob.  Neuhaus  in  Rheydt  wurde  zur  Ausführung 
unter  der  Oberleitung  des  Verfassers  gewählt.  Die  ört- 
liche Bauleitung  besorgt  das  dortige  Bauamt.  — 


Bücherschau. 

Brockhaus’  Konversations-Lexikon.  14.  vollständig  neu 
bearbeitete  Auflage.  Neue  revidirte  Jubiläums- Aus- 
gabe. Verlag  von  F.  A.  Brockhaus  in  Leipzig,  Ber- 
lin und  Wien  1901.  Band  III — V.  Preis  für  den 
geb.  Band  12  M.  — 

Wir  haben  bereits  im  Vorjahre,  S.  615,  auf  die  Be- 
deutung und  den  allgemeinen  Charakter  dieser  neuen  Auf- 
lage des  altbekannten  Werkes  bei  Erscheinen  des  I.  und 

11.  Bandes  hingewiesen.  Inzwischen  sind  3 neue  Bände  her- 
ausgegeben, die  durchaus  gehalten  haben,  was  die  ersten 
versprachen.  Ja  welche  dieselben  hinsichtlich  der  Tafeln  und 
namentlich  der  zahlreichen  in  grösserem  Maasstabe  und 
klarer  Darstellung  beigegebenen  Stadtpläne  noch  über- 
treffen. Band  III.  umfasst  auf  1040  S,  Text  die  Worte: 
Biserta  bis  Cesnola  und  wird  illustrirt  durch  40  Tafeln, 
darunter  3 Chromos,  36  Karten  und  Pläne,  sowie  250  Text- 
abbildungen, Unter  den  Stadtplänen  sind  namentlich  die 
von  Breslau  und  Bremen  hervorzuheben,  unter  den  Tafeln 
diejenigen,  welche  Börsen,  Brunnen  und  Burgen  behandeln. 

Bd.  IV  besitzt  sogar,  bei  etwas  reicherem  Texiumfange, 
50  Tafeln,  13  Karten  und  Pläne  und  igöTextfiguren.  Er  um- 
fasst die  Worte:  Cöspedeo— deutsches  Theater.  Unter  den 
technischen  Artikeln  ist  namentlich  hinzuweisen  auf  die 
Worte:  Dampf,  Dampfkessel,  Dampfmaschine,  Dampfschiff 
mit  zahlreichen  Tafeln,  deutsche  Eisenbahnen  mit  reichem 
statistischem  Material,  Dachstühle,  Deutsche  Kunst  usw. 
Natürlich  ist  in  zeitgeraässer  Weise  China  und  chinesischer 

12.  März  1902. 


Kunst  ein  breiter  Raum  an  Text,  Karten  und  Tafeln  ge- 
widmet, 

Der  V.  noch  reicher  iliustrirte  Band  enthält  die 
Worte:  Deutsches  Volk  bis  England  und  beschäftigt- sich 
auf  113  Druckseiten  ausschliesslich  mit  Deutschland  und 
dem  Deutschen  Reich  unter  Beigabe  reichen  statistischen 
Materials  über  wirthschaftliche  und  Verkehrsverhältnisse. 
Unter  den  technischen  Artikeln  haben  eine  sorgfältige  Be- 
arbeitung erfahren:  Eisenbahnbau,  Eisenbahnen,  eiserne 
Brücken,  Eisenerzeugung,  Dock,  Drainage,  Dynamomaschi- 
nen usw.  Auch  Ingenieure  von  Ruf  aus  der  neuesten  Zeit 
werden  genannt.  So  finden  wir  den  Namen  E.  Dircksen 
verzeichnet,  der  mit  dem  Bau  der  Berliner  Stadtbahn 
untrennbar  verknüpft  ist.  — 

Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Huber,  Anton,  jun.  Das  Holzwerk  im  modernenWohn- 
und  G e 5 c h ä f t s h a u s e.  Serie  i,  i.  I.iefrg.  Berlin  1901. 
Max  Spielmeyer. 

Koch,  Karl.  Deutsche  Teppich-  und  Möbelstoff- 
Zeitung.  VII.  Jahrgang  Heft  i— 12.  Berlin  1901.  Selbst- 
verlag, Pr.  des  Jahrgangs  (24  Hefte)  5 M. 

Marr,  Otto,  Ing.  Kosten  der  B e t r i e b s k r äf  t e bei  1—24- 
stündiger  Arbeitszeit  täglich  and  unter  Berücksichtigung  des 
Aufwandes  für  die  Heizung.  München  1901.  R.  Oldenbourg. 
Pr.  2,50  M 

Merckel,Curt,Bauiiisp.  S ch  ö p f u n gen  der  I n g e n i e u r t e c h- 
nik  der  Neuzeit.  Bd.  28:  Aus  Natur  und  Geisteswelt. 
Leipzig  igoi.  B.  G.  Teubner.  Pr.  i M.,  geb.  1,25  M. 
Pastor,  Willy.  Berlin,  wie  es  war  und  wurde.  Zur  Ge- 
schichte der  Stadt  Berlin  igot.  Georg  Heinrich  Meyer.  Pr. 
4 M.,  geb.  5 M. 

V.  Rohrscheidt,  Kurt,  Reg.-Rath.  Gewerbe-Archiv  für 
~ das  Deutsche  Reich.  Sammlung  der  zur  Reichsge- 
werbe-Ordnung ergehenden  Abänderungs-Gesetze  und  Aus- 
führungs-Bestimmungen, der  gerichtlichen  und  verwaltungs- 
gcrichtlichen  Entscheidungen  der  Gerichtshöfe  des  Reichs 
und  der  Bundesstaaten,  sowie  der  wichtigsten,  namentlich 
interpretatorischen  Erlasse  und'  Verfügungen  der.  Zentralbe- 
hörden. I.  Bd.,  Heft  T.  Berlin  1902.  Franz  Vahlen.  Pr. 
des  Bds.  (4  Hefte)  12  M. 

Scheid,  Karl,  Prof.,  Dr.  Die  Metalle.  Bd.  29:  Aus  Natur  und 
Geisteswelt.  Leipzig  igor,  B.  G.  Teubner.  Pr.  geh.  i M., 
geb.  1,25  M. 

Thompson,  Silvanus,  P.  Dir.  Mehrphasige  elektrische 
Ströme  und  Wechselstrom-Motoren.  2.  Aufl., 
Heft  I.  Halle  a.  S.  1902.  Wilhelm  Knapp.  Pr.  2 M.  f.  d. 
Heft  (vollst.  in  10  Heften). 

Vcröffentlicimngen  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Volksbäder.  5.  Heft.  Berlin  igoi.  Aug.  Hirsch- 
wald. 

Wang,  Ferdinand,  Prof.  Grundriss  der  W i 1 d b a c h v e r - 
hauung.  i.  Th.  Leipzig  1901.  .S.  Hirzel.  Pr.  6 M. 
Uebersichlsplan  von  Berlin.  Maasstab  i : 4000.  Kupfer- 
stich und  in  8 farbiger  Darstellung.  Blatt : 2 L.,  4 B.,  C.,  G.,  L., 
M.,  N.,  Q.,  R.,  S.|  V.  u.  W.,  X.  u.  Y.  (bis  jetzt  30  Blätter  er- 
schienen). Berlin  1902.  Julius  Straube.  Pr.  jeder  Karte  2 M. 
Bebauungsplan  der  Umgebung  Berlins.  Maasstab 
1 : 4000.  Abth.  XIII.  Sekt.  2.  Berlin  1902.  Dietrich  Reimer 
(Ernst  Vohsen).  Pr.  2 M. 

Chronik. 

Die  Wiederherstellung  der  evangef.  Kirche  in.  Rodhefm 
V.  d.  Höhe  in  Hessen,  die  im  vergangenen  Jahre  durch  Brand 
zerstört  wurde,  ist  dem  Archit.  Flub.  Kratz  in  Friedberg  über- 
tragen worden.  — 

Die  Jubelfeier  des  25-jährigen  Bestandes  der  k.  k.  Staats- 
gewerbeschule in  Reichenberg  wird  zu  Pfingsten  dieses  Jahres 
begangen.  — 

Technische  Referenten  in  den  badischen  Ministerien. 
Gleich  dem  badischen  Ministerium  des  Inneren  hat  auch  das  badische 
Ministerium  der  Finanzen  in  der  Person  des  Hrn.  Brth.  Friedrich 
Kredell  in  Baden-Baden  einen  technischen  Referenten  bestellt. 
Kredell  gehört  mit  zu  den  erfolgreichsten  der  badischen  Bäu- 
beamten.  — 

Ein  Neubau  des  Kunstmuseums  in  Kiel  kann  infolge  eines 
Verimichtnisses  angebahnt  werden.  — 

Eine  deutsche  Kunstgewerbe-Ausstellung  in  St.  Peters- 
burg soll  im  Oktober  dieses  Jahres  eröffnet  werden. 

Eine  neue  evangel.  Kirche  in  Rheinau  bei  Mannheim  wird 
mit  einem  Aufwande  von  i d.  200  000  M.  nach  den  Plänen  des  Hrn. 
Brth.  Behaghel  in  Fleidelberg  errichtet.  — 

Eine  neue  evangelische  Kirche  in  Engers  a.  Rh.,  er- 
richtet nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Arch.  Ehrhard  Müller  in 
Koblenz,  wurde  am  2.  Febr.  d.  J.  eingeweiht.  — 

Die  neue  Badeanstalt  des  Vereins  der  Wasserfreunde 
in  Berlin,  Königgrätzer-Slr.  19,  wird  zum  April  dem  Betriebe 
übergeben.  — 

Das  neue  Provinzial  - Museum  ln  Hannover,  mit  einem 
Aufwande  von  rd.  2 Mill.  M.  nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Brth. 
Prof.  Hubert  Stier  in  Hannover  errichtet,  wurde  am  14.  Febr. 
feierlich  eröffnet.  — 

Die  Stuttgarter  Theaterfrage  hat  entgegen  den  Meldungen 
der  Tagcsblätter  noch  keine  endgiltige  Lösung  gefunden.  Von  dem 
Bau  eines  Intcrimstheaters  für  das  Schauspiel,  welches  später  zu 
einem  dauernden  Schauspielhause  ausgebaul  werden  würde,  will 
man  neuerdings  absehen  und  anstelle  des  abgebrannten  Floftheaters 
ein  der  heutigen  Bedeutung  der  schwäbischen  Residenz  ent- 
sprechendes Schauspiel-  und'  Opernhaus  errichten. 


135 


Die  Fortsetzung  der  Ausgrabungen  ln  Milet  ist  durch 
Ankauf  des  grössten  Theiles  der  Halbinsel  gesichert.  Das  neu  er- 
worbene Gebiet  umfasst  das  Westende  der  Stadt  nebst  einem 
grossen  Theile  der  Nekropolis  und  des  heiligen  Weges  zum  Apollo- 
tenipel  von  Didyma,  ferner  den  Hügel,  auf  dem  das  Theater  erbaut 
ist,  den  an  seiner  Einfahrt  von  zwei  kolossalen  Marmorlöweo  ge- 
schmückten Hafen  mit  den  Hafenstaden  und  Hallen  von  über  loom 
Länge,  das  kürzlich  aufgedeckte  Rathhaus,  den  Markt  mit  dem  rö- 
mischen Prachtbrunnen,  die  Thermen  und  eine  Anzahl  Ruinen,  deren 
Bedeutung  sich  erst  bei  künftigen  Grabungen  heraussteilen  wird. 
Das  von  da  östlich  bis  ans  Ende  der  Milesischen  Halbinsel  sich 
erstreckende  Stadtgebiet  ist  ebenfalls  jetzt  deutsches  Eigenthum.  — 
Die  Errichtung  eines  Kunstmuseums  in  Düren  nach  dem 
Entwurf  von  Prof.  Georg  Frentzen  in  Aachen,  wurde  durch  die 
städtischen  Kollegien  beschlossen.  Den  Aufwand  für  das  Museum 
von  346000  M.  bestiitt  in  grossherziger  Weise  die  Familie  Hoesch. 
Das  Museum  wird  den  Namen  Leopold  Hoesch-Museum  führen.  — 
Die  umgebaute  und  erweiterte  Kunsthalle  ln  Bremen  ist 
in  diesen  Tagen  wieder  eröffnet  worden.  An  den  Bauarbeiten 
waren  betheiligt  Hr.  Arch.  Ed.  Gildemeister  für  das  Aeussere 
und  Hr.  Arch.  Albert  Dunkel  für  das  Innere.  ^ — 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Dem  Telegr.-Insp.  Bleidorn  ist  die  Amtsstelle 
eines  Zentralinsp.  bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  übertragen. 

Der  Bahnbauinsp.  Schell  bei  der  Gen.-Dir.  ist  gestorben. 

Preussen.  Dem  Ing.  u.  Fabrikbes.  W.  v.  Siemens,  dem 
Reg.-Bmstr.  a.  D.  Dir.  Schwieger  in  Berlin  und  dem  Reg.- 
Bmstr.  a.  D.  Dir.  P.  Wittig  in  Grunewald  ist  der  kgl.  Kronen- 
Orden  III.  Kl.,  dem  Ing.  u.  Fabrikbes.  A.  v.  Siemens  in  Berlin 
der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  dem  Reg.-Bmstr.  Bousset  in 
Gr.- Lichterfelde,  dem  Reg.-Bmstr.  a.  D.  Lerche  in  Berlin  und 
dem  Werkstatt.-Dir.  Schücke  in  Gr.  Lichterfelde  ist  der  kgl. 
Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  der  ihnen  verlieh, 
fremdländ.  Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  dem  Ob,-  u.  Geh.  Brth. 
Goepel  in  Berlin  und  den  Geh.  Brthn.  Grapow  in  Berlin  u. 
Haass  in  Altona  des  Kommandeurkreuzes  des  kgl.  niederländ. 
Ordens  von  Oranien-Nassau;  dem  Eisenb.-Bauinsp.  Meyer  in 
Berlin,  dem  Eisenb.-Bau-  u-  Betr.-Insp.  Sieh  in  Altona  und  dem 
Eisenb.-Bauinsp.  Wolfen  in  Wittenberge  des  Offizierkreuzes  des- 
selben Ordens.  — 

Dem  Geh.  Brth.  u.  vortr.  Rath,  Prof.  Dr.  U I b r i c h t in  Dresden 
ist  der  Rothe  Adler-Orden  IE.  Kl.  verliehen. 

Der  Wasser-Bauinsp.  Brih.  Seidel  in  Posen  ist  zum  Reg.- 
u.  Brth.  das.  und  der  Reg.-Bmstr.  Mundorf  in  Breslau  z.  Wasser- 
Bauinsp.,  die  Baugewerkschullehrer  Arch.  Panek  und  Ing. 
Klasmer  in  Breslau  sind  zu  kgl.  Ob.-Lehrern  ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Erich  Echternach  aus  Neukirch,  Felix 
Schaeker  aus  Potsdam  u.  Paul  Drescher  aus  Werden  (Hoch- 
bfeh.),  — Karl  Schliemann  aus  Lingen  (Wasser-  u.  Strassen- 
bfeh.),  — Heinr.  Meinecke  aus  Holtensen , Max  Weltmann 
aus  Berlin  u.  Fritz  Hilleke  aus  Kalk  (Eisenbfeh.)  sind  zu  Reg.- 
Bmstrn.  ernannt. 

Der  Kr.-Bauinsp.  Schönfeld  in  Schönebeck  a.  E.  u.  der 
Brth.  Landes-Bauinsp.  Cranz  in  Gnesen  sind  gestorben. 

Sachsen.  Dem  Fin.-  u.  Brth.  Schmidt  in  Dresden  ist  die 
Erlaubniss  zur  Annahme  u.  z.  Tragen  des  ihm  verlieh.  Ritter- 
kreuzes des  österr.  Franz-Josef-Ordens  ertheilt. 

Württemberg.  Dem  Brth.  Eisenlohr  in  Stuttgart  ist  das 
Ritterkreuz  I.  Kl.  des  Friedrichsordens  u.  dem  Postbmstr.  H a u s e r 
in  Stuttgart  der  Tit.  u.  Rang  eines  Bauinsp.  verliehen. 

Dem  Ing.  Prof.  Hart  mann  in  Frankfurt  a.  M.  ist  die  Er- 
laubniss zur  Annahme  des  ihm  verlieh.  Grades  eines  Ritters  des 
Ordens  der  franz.  Ehrenlegion  ertheilt,  dem  Ob. -Baurath  a.  D. 
Klose  in  Berlin  diejenige  des  ihm  verliehenen  Ritterkreuzes 
I.  Klasse  des  Bad.  Ordens  vom  Zähringer  Löwen. 

Dem  Reg.-Bmstr.  tit.  Bauinsp.  Wahl  in  Heilbronn  ist  das 
Bez.-Bauamt  Rottweil  übertragen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  L.  Schw.  in  Koblenz.  Da  der  Wortlaut  der  zwischen 
dem  Bauherrn  und  dem  Architekten  getroffenen  Abrede  nicht  vor- 
liegt, kann  ein  unfehlbares  Gutachten  nicht  abgegeben  werden. 
Denn  es  sind  verschiedene  Fälle  denkbar.  Ging  jedoch  die  Abrede 
dahin,  dass  für  ein  bestimmtes  Bauvorhaben  die  Pläne  und  sonsti- 
gen Vorarbeiten  zu  liefern  seien,  so  ist  die  Herstellung  derselben 
der  Gegenstand  und  ihre  Benutzung  für  das  betreffende  Bauwerk 
der  Zweck  der  Werkverdingung  gewesen.  Durch  Ablieferung  der 
Arbeiten  erlangte  Besteller  die  Berechtigung  zur  Verwerthung  für 
das  beregte  Bauwerk.  Der  anfertigende  Architelet  hat  nur  Anspruch 
auf  Bezahlung  des  bedungenen,  oder  falls  es  an  einer  Preisabrede 
fehlt,  des  angemessenen  Werklohnes,  Will  er  die  Verwerthung 
seiner  Arbeit  für  den  ausdrücklich  erklärten  oder  den  aus  dem 
Gange  der  Verhandlungen  ersichtlichen  Verwendungszweck  hindern, 
so  muss  er  seine  Zeichnungen  znrückziehen,  verliert  dann  jedcch 
jeden  Anspruch  auf  Vergütung.  Hat  er,  was  nach  Ihrer  Darstellung 
zuzutreffen  scheint,  bereits  Zahlung  angenommen,  so  hat  er  damit 
jedes  Widerspruchsreclit  gegen  die  Benutzung  seines  Entwurfes 
verloren.  Denn  das  muss  sich  doch  jeder  Architekt  von  selbst 
sagen,  dass  seine  Arbeiten  nicht  zu  dem  Zwecke  bestellt  und  be- 
zahlt werden,  um  sie  zu  besitzen,  sondern  dass  ihre  Verwendung 
für  Bauten  der  Beweggrund  und  der  Zweck  ist,  welche  den  Be- 
steller bei  Ertheilung  des  Auftrages  und  Zahlung  des  Preises  ge- 
leitet haben.  Wenn  also  nicht  ganz  aussergewöhnliche  Umstände 
im  beregten  Streitfälle  obgewaltet  haben,  hat  das  Vorgehen  des 
fragl.  Architekten  keine  Aussicht  auf  Erfolg.  K.  H-e. 

Anmerkung  der  Redaktion.  Den  vorstehenden  Aus- 
lassungen unseres  juristischen  Mitarbeiters  haben  wir  noch  hinzu- 

136 


zufügen,  dass  für  den  Bauherrn  ja  natürlich  nur  der  Rechts-Standpunkt 
infrage  kommt,  dass  dagegen  der  Architekt,  der  in  das  Werk  eines 
anderen  eintreten  soll,  sich  in  erster  Linie  von  künstlerischen  und 
kollegialischen  Rücksichten  leiten  lassen  sollte.  — 

Was  den  zweiten  Theil  Ihrer  Anfrage  betrifft,  so  bestimmt  die 
neue  Gebührenordnung  für  Arch.  u.  Ing.  § 2 Abs.  19  ausdrücklich, 
dass  in  den  festgesetzten  Gebühren  nicht  mit  einbegriffen  sind:  „Bei 
Hochbauten  die  Gebühren  der  mit  statischen  Berechnungen  u.  dgl. 
betrauten  Ingenieui'e“.  Bei  bedeutenden  Aufgaben  haben  Sie  also 
das  Recht,  einen  Ingenieur  zuzuziehen  und  sich  dessen  Liquidation 
zurückerstatten  zu  lassen  — 

Hrn.  A.  H.  in  Broich,  Ruhr.  Der  Grundbuchrichter  lehnt 
mit  Recht  die  Eintragung  ab.  Denn  nach  dem  preuss.  Ausführungs- 
Gesetze  vom  26.  Sept.  1899  zur  Grundbuchordnung  Art.  ii  sind 
öffentliche  Grundstückslasten,  welche  gesetzlich  den  Rechten  am 
Grundstücke  vergehen,  von  der  gruodbuchlichen  Eintragung  aus- 
geschlosen.  Mit  einer  öffentlichen  Grundstückslast  hat  man  es  je- 
doch in  der  Verbindlichkeit  zu  thun,  die  Anliegerbeiträge  zu  zahlen, 
sobald  es  zu  Aufwendungen  für  die  Anlage  öffentlicher  Strassen 
gekommen  und  dadurch  Anbaufähigkeit  geschaffen  sein  wird,  weil 
Art.  2 No.  2 des  Ausführungs-Gesetzes  v.  23.  Sept.  1899  Beiträge, 
die  aus  der  Verpflichtung  zu  öffentlichen  Wegebauten  entstehen, 
zu  den  gemeinen  Lasten  zählen  und  solche  gemeine  Lasten  zu  den 
bevorzugten  öffentlichen  Lasten  im  Sinne  des  Reichsgesetzes  v 
24  März  1897,  §§  IO,  156  gerechnet  werden,  welche  im  Range  den 
Grundbuchrechten  Vorgehen.  Mithin  ist  die  Gemeinde  wegen  ihres 
Aufwandes  selbst  dann  geschützt,  wenn  es  an  einer  grundbuchlichen 
Eintragung  der  auf  dem  Grundstück  gesetzlich  ruhenden  Beiträge 
zum  Wegebau  bezw.  zur  Strassenanlage  fehlt.  Die  grundbuchliche 
Eintragung  dieser  Beiträge  ist  vielmehr  entbehrlich.  Weil  diese 
gesetzliche  Neuerung  bisher  noch  nicht  allgemein  bekannt  ist,  wird 
von  vielen  Gemeinde-Verwaltungen  vorgezogen,  ausnahmslos  Sicher- 
heitsbestellung in  Geld  oder  mündelsicheren  Werthpapieren  zu  ver- 
langen. worin  jedoch  eine  gewisse  Härte  für  die  Grundbesitzer 
liegt,  weil  sie  dadurch  Zinsverluste  erleiden.  — K.  H-e. 

Hrn.  W.  PI.  in  Berlin.  In  den  Zapfen  oder  in  dem  schrägen 
Schnitt  liegt  doch  auch  eine  „wirkliche  Lieferung“,  es  wären  also 
beide  mitzumessen.  Im  allgemeinen  wird  unter  „Verschnitt“  nur 
das  nicht  mehr  verwendbare  Holz  bezeichnet,  welches  übrig  bleibt, 
wenn  die  Konstruktionslängen  von  den  üblichen  Handelsmaasseii 
abgezogen  sind.  — 

Hrn.  A.  L.,  Dresden.  Zu  i.  Linoleum  auf  gut  verlegten 
Koenen’schen  Voutendecken  hat  sich  unseres  Wissens  gut  bewährt. 
Zu  2.  XylolLth  ist  in  viel  begangenen  Räumen  mit  Erfolg  als  Fuss- 
bodenbelag  verwendet  worden. 

Fragebeantwortungen  aus  dem  I-eser kreise. 

Hrn.  Arch.  R.  W.  in  Lüdenscheid.  Gegen  die  in  No.  ii 
bez.  Beseitigung  des  Tropfwassers  erth eilten  Rathschläge  möchte 
ich  mir  erlauben,  aufgrund  vielfacher  Erfahrungen  auf  diesem  Ge- 
biete, einige  Einwendungen  zu  erheben,  welche  vielleicht  auf  allge- 
meines Interesse  Anspruch  machen  dürften. 

Die  Entstehung  des  Schwitz wass ers  am  Wellblechdach  ist 
richtig  dargelegt.  Man  würde  auch  durch  die  vorgeschlagene 
Maassregel  die  Bildung  von  Schwitzwasser  am  Wellblechdach  wohl 
behindern  können,  dadurch  aber,  dass  man  die  Decke  nach  oben 
durch  eine  Aspbaltschicht  fast  vollständig  luftdicht  abschliesst,  die 
Decke  selbst  jedoch  durch  den  empfohlenen  Anstrich  der  Unter- 
ansicht gegen  das  Eindringen  der  stark  mit  Wasserdampf  gesättig- 
ten warmen  Luft  ausreichend  nicht  schützen  kann,  einen  anderen 
Uebelstaad  herbeiführen,  der  mir  nicht  minder  gefährlich  erscheint, 
als  der  seitherige.  Die  in  der  Zwischendecke  angestaute  feucht- 
warme Luft  würde  zweifellos  Schwammbildung  begünstigen  und 
die  daselbst  befindlichen  Holztheüe  mit  der  Zeit  vollständig  zer- 
stören, was  selbst  durch  sorgfältige  Imprägnirung  nicht  verhütet 
werden  könnte. 

Eine  gründliche  Beseitigung  des  erwähnten  Uebelstandes  ist 
m.  E.  nur  auf  folgendem  Wege  möglich:  Entweder  verhindert  man 
das  Eindringen  der  aufsteigenden  feuchten  warmen  Luft  io  die 
Zwischendecke  und  durch  diese  in  den  Dachraum  durch  Ver- 
kleidung der  Deckenunteransicht  mit  einer  4 — 6 cm  starken  Schicht 
gut  imprägnirter,  Wasser  undurchlässiger  Korksteine,  oder  man 
lässt  die  warme  Luft  durch  die  Decke  nach  dem  Dachraum  durch- 
gehen und  bringt  an  der  Uuteransicht  des  Wellblechdaches  eine  6 cm 
starke  Korksteinverkleidung  an,  welche  die  Bildung  von  Schwitz- 
wasser nicht  zulässt.  Die  erstere  Maassregel,  welche  mehrfach 
mit  gutem  Erfolge  in  Badehänsern  angewendet  worden  ist,  würde 
im  vorliegenden  Falle,  der  hohen  Kosten  Avegen,  nur  dann  empfohlen 
werden  können,  wenn  die  Erneuerung  des  Saaldeckenputzes  ohnehin 
erfolgen  muss.  Beide  Vorschläge  setzen  sorgfältigste  Ausführung 
durch  Spezialfirmen  voraus,  indem  der  kleinste  Fehler  in  der  Aus- 
führung die  ziemlich  kostspielige  Anlage  zwecklos  macht. 

Die  in  derselben  No.  ir  unter  i.  von  Ph.  G.  in  K.  gestellte 
Anfrage  betrifft  allem  Anschein  nach  eine  solche  fehlerhaft  aus- 
geführte Anlage.  Jedenfalls  dringt  der  Wasserdampf,  bezw.  die 
heisse  Luft  im  Masebinenhause  durch  die  nicht  genügend  dichte 
Korksteindecke  nach  dem  20  cm  höher  gelegenen  kalten  Wellblech- 
dache. Hier  bildet  sich  Schwitzwasser  und  tropft  durch  die  Kork- 
isolirung  durch.  Eine  unmittelbar  an  das  Wellblech  befestigte, 
sorgfältig  und  sachgemäss  ausgeführte  Isoliruug  aus  gut  iraprägnirten, 
6 cm  starken  Korksteinplatten  muss  unbedingt  auch  in  diesem  Falle 
Abhilfe  schaffen. 

Beiden  Anfragenden  bin  ich  bereit,  mit  eingehenden  Vorschlägen 
an  die  Hand  zu  gehen,  wenn  sie  sich  unter  Beifügung  der  nöthigeu 
Zeichnungen  an  mich  wenden  wollen.  — 

L.  Gibian  & Co.  in  Mainz. 


Inhalt:  Das  II.  Rheinische  Diakonissenhaus  in  Kreuznach.  — Mitthei- 
lungen aus  Vereinen.  — Vermischtes  — Preisbewerbungen.  — Bücherschau. 
Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


No.  21. 


AUZEITUNG. 

GANG,  sfs  * N2;  22,  ^ 
DEN  15.  MÄRZ  IQ02. 


ft.' 

iiliffii 



Verwaltungs-Gebäude.  Architekten:  Zaar  & Vahl  in  Berlin. 


Berliner  Neubauten. 

No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens, 

Architekten:  Ende  & Böckmann,  Kayser  & v.  Groszheim, 

Zaar  & Vahl,  Schultz  & Stegmüller,  C.  Teichen,  Walther  Ende,  Fritz  Schultze  und  Fritz  Gottlob. 

^Hierzu  eine  Bildbeilage.) 

Is  iin  Jahre  1897,  nach  dem  Tode  des  Ver-  desOber-HofbaurathesStrack geknüpft, welcherletztere 
lagsbuchhändlers  Duncker , der  damalige  im  Jahrgang  1847  der  Förster 'sehen  Bauzeitung  über  die 
königliche  Baurath  Hr.  Wilhelm  Böckmann  von  ihm  geschaffenen,  im  damaligen  Sinne  anziehenden 
in  Berlin,  der  bereits  seit  1893  dem  Vor  kleinen  Baulichkeiten  berichtete.  Am  i.  August  1844 
Stande  des  Aktien-Vereins  Zoologischer  Gar  fand  die  Eröffnung  des  Gartens  statt  und  mit  Aller- 
ten  angehört  hatte  und  mit  dem  letzteren  in  nahezu  höchstem  Erlass  vom  7.  Mai  1845  wurden  dem  Verein 
30-jähriger  Thätigkeit  als  Architekt  und  Bcrather  ver-  für  die  Dauer  seines  Bestandes  für  das  von  ihm  ver- 
bunden war,  zum  Vorsitzenden  des  Vereins  gewählt  waltete  Gelände  die  Rechte  eines  Superficiarius  über- 
wurde, da  brach  für  den  Garten  eine  neue  Periode  tragen,  d.  h.  es  wurde  dem  Verein  die  Oberflächen- 
der Umgestaltungen  und  Neubauten  in  einem  solchen  nutzung  des  Gartengeländcs  gewährt,  ohne  ihm  zugleich 
Umfange  an,  dass  Böckmann  mit  Recht  als  der  Neu-  auch  die  Lasten  des  wirklichen  Grundeigenthums  auf- 
schöpfer  des  Zoologischen  Gartens  bezeichnet  wurde,  zuerlegen.  Für  den  Fall  einer  Auflösung  des  Vereins 
Die  Anfänge  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin  war  die  Rückgewähr  des  Geländes  mit  der  Maassgabe 
reichen  mehr  als  60  Jahre  zurück;  im  Jahre  1841  gab  bedingt,  „dass  auch  die  mit  dem  Grundstück  über- 
der  Zoologe  und  Afrikaforscher  Lichtenstein  die  ersten  gebenen  Baulichkeiten  und  die  Umzäunung  restituirt 
Anregungen  dazu  und  es  wurde  zu  dem  gemeinnützigen  oder  deren  Werth  erstattet  werden  müssen“.  Die  Ge- 
Unternehmen  durch  Verfügung  des  Königs  Friedrich  schichte  des  Gartens  hat  diesen  trotz  kritischer  Perioden 
Wilhelm  IV.  ein  86  Morgen  162,5  Q-Ruthen  grosses  davor  bewahrt,  von  diesem  Vorbehalt  Gebrauch  machen 
Gelände  des  Thiergartens,  die  Fasanerie,  überlassen,  zu  müssen  und  wird  ihn  wohl  hoffentlich  auch  in  aller 
welches  später  auf  91  Morgen  vergrössert  wurde,  und  Zukunft  davor  bewahren. 

zugleich  für  die  ersten  baulichen  Einrichtungen  und  In  Deutschland  ist  der  Zoologische  Garten  in 
Thieranschaffungen  ausser  den  Beständen,  welche  dem  Berlin  der  älteste,  für  das  Gebiet  Europas  gehen  ihm 
Garten  aus  der  Fasanerie  und  von  der  Pfaueninsel  die  zoologischen  Gärten  von  London,  welcher  1828 
bei  Potsdam  überwiesen  wurden,  eine  Summe  von  von  der  1825  gebildeten  Zoological  Society  auf  der 
25  000  Thalern  zur  Verfügung  gestellt.  Die  erste  An-  Grundlage  der  Menagerie  des  Earl  of  Derby  geschaffen 
läge  des  Gartens  ist  an  den  Namen  des  berühmten  wurde,  von  Amsterdam,  der  1838  entstand,  und  von 
Gartendirektors  Lenne,  die  erste  Bauperiode  an  den ''Antwerpen,  der  1843  eröffnet  _wurde,  voran.  Es 


37 


folgten  ihm  in,  Deutschland  als  erster  der  aus  privater 
Anregung  hervorgegangene  zoologische  Garten  in 
Frankfurt  a.  M.,  welcher  durch  eine  1857  gebildete 
Gesellschaft  mit  einem  Anfangskapital  von  etwa 
5oooo  Fl.  ins  Leben  gerufen  und  1858  vor  dem  Bocken- 
heimer  Thor  auf  einem  5*^^  grossen  Gelände  eröffnet 
wurde.  Im  Jahre  1860  folgte  der  zoologische  Garten 
in  Köln  a.  Rh,,  1861  der  in  Dresden,  1863  der  in 
Hamburg;  der  jüngste  ist  der  im  Jahre  1901  gegrün- 
dete zoologische  Garten  in  Halle  a.  S.;  dahin  gehende 
Bestrebungen  in  München  haben  bis  heute  noch  nicht 
■zu  greifbaren  Gestaltungen  geführt. 

Die  Zoologischen  Gärten  als  allgemeine  Volks- 
bildungsanstalten sind  überhaupt  Schöpfungen  der 
Neuzeit;  als  privateUnternehmungen  zur  höfischenSchau- 
stellung  oder  zur  Unterstützung  der  Jagdlust  gehen  sie 
bis  in  das  vorchristliche  Alterthum  zurück,  Einen  „Park 
.der  Intelligenz“  gründete  nach  dem  „Heiligen  Buch  der 
Dieder“  der  Chinesen  bereits  der  Ahnherr  der  Tscheu- 
Dynastie,  Wu-Wang  um  1150  v.  Chr.  Der  Name  des  Gar- 
tens mag  daher  kommen,  dass  das  Thier  im  Geistesleben 
des  Ostens  eine  weitaus  bedeutendere  Rolle  spielt,  als 
in  der  westlichen  Kultur.  Die  Thierkämpfe  und  Thier- 
aufzüge der  römischen  Kaiserzeit  scheinen  darauf  hin- 
zuweisen, dass  auch  die  Römer  Thiersanimlungen 
kannten,  die  aus  den  weitverzweigten  Kolonien  ver- 
sorgt wurden.  Die  mittelalterlichen  Thiergärten  und 
Zwinger  gehen  von  den  Klöstern  aus  und  verbreiten 
sich  von  hier  über  zahlreiche  Städte  und  Hof- 
haltungen, zu  deren,  Repräsentation  sie  bis  gegen 
das  XIX.-  Jahrhundert  gehören.  Die  heute  noch  be 
stehende  Schönbrunner  Menagerie  wurde  1752  be- 
gründet und  bekam  einen  Zuwachs  aus  den  Beständen 
|der  1737  aufgelösten  Menagerie  des  Prinzen.  Eugen 
ivon  Savoyen  auf  dem  Schlosse  Belvedere  bei  Wien. 
lAn  den  Höfen  von  London,  Versailles,  Potsdam,  Turin 
Dresden,  usw.  geliörte  die  Haltung  fremder  und  wildei 
Thiere  zum  Zeitvertreib  der  höfischen  Kreise.  Die 
;ersten  Versuche,  die  Thierhaltungen  für  wissenschaft- 
liche Zwecke  nutzbar  zu  machen,  wurden  1794  ge- 
macht, indem  man  die  Menagerie  von  Versailles  mit 
dem  Jardin  des  Plantes  in  Paris  vereinigte.  Es  hat 
;sich  jedoch  in  diesem  Garten,  der  heute  noch  besteht, 
wie  auch  in  den 'Gärten  von  Schönbrunn  und  ander 
wärts  gezeigt,  dass  die  wissenschaftlichen  Darbietungen 
allein  auf  die  Dauer'  nicht  eine  so  zahlreiche  Menge 
zu  fesseln  vermögen,  wie  sie  nöthig  ist,  um  eine  An- 
lage dieser  Art  aus  sich  selbst  heraus  nicht  nur  zu 
erhalten,  sondeim  aus  ihren  Erträgnissen  auch  die  durch 
die  Zeit  bedingten  nothwendigen  Verbesserungen,  Ver- 
vollständigungen und  Erweiterungen  eintreten  zu  lassen. 

Infolge  dieser  mangelnden  Erkenntniss  war  auch 
dem  Berliner  Zoologischen  Garten  in  seiner  ersten 
Zeit  eine  vorwärts  drängende  Entwicklung  nicht  be- 
schieden.  Obwohl  Lenne  mit  seiner  grossen  Kunst 
eine  schöne  englische  Anlage  schuf  und  aus  dem 
sumpfigen  Gelände  zu  machen  versucht  hatte,  was 
nach  der  damaligen  verhältnissmässig  geringen  Be- 
siedelung d(;s  Gartens  zu  thun  möglich  war,  haben 
doch  die  vorwiegend  wissenschaftlichen  Tendenzen, 
welche  durch  Lichtenstein,  Alexander  von  Humboldt 
und  Lenne  verfolgt  wurden,  nicht  vermocht,  den  Garten 
zu  einem  gesuchten  Faktor  im  öffentlichen  Leben  der 
Hauptstadt  des  Königreiches  zu  machen.  Von  den 
500  Aktien  zu  je  100  Thalern,  die  damals  ausgegeben 
wurden,  konnten  nur  150  untergebracht  werden;  es 
gingen  zudem  die  Einnahmen  beständig  zurück  und 
es  wurde  der  Gärten  von  anderen  Unternehmungen 
weit  überholt.  Da  trat  sowohl  ein  Wechsel  in  der 
Oberleitung,  wie  auch  ein  Wechsel  in  der  wissen- 
schaftlichen und  wirthschaftlichen  Leitung  des  Gartens 
ein;  namentlich  der  letztere  Umstand  sollte,  als  es  ge- 
lungen war,  zum  i.  Okt.  1869  den  Direktor  des  Zoolo- 
gischen Gartens  in  Köln,  Dr.  Bodinus,  einen  genialen 
Zoologen,  für  das  Unternehmen  zu  gewinnen,  für  die 
fernere  Zukunft  des  Gartens  entscheidend  sein.  Frei- 
müthige  Vorstellungen  über  den  Zustand  desselben 
fanden  bei  dem  damaligen  preussischen  Finanzminister 
von  der  Heydt  eine  verständnissvolle  Geneigtheit  zur 

138 


Mitarbeit,  sodass  im  Jahre  1869  auf  seine  Anregung 
ein  neues  Comite  aus  den  Aktionären  Dechend,  Ravene, 
Hemptenmacher,  Mendelssohn-Bartholdy,  Stobwasser, 
Spinn,  Prätorius  u.  a.  gebildet  wurde,  welches  bald  ein 
neues  liberaleres  Organisations-Statut  zustande  brachte 
und  den  Vertrieb  von  1000  Aktien  zu  je  100  Thalern 
übernahm.  Doch  es  sollte  das  Jahr  1871  kommen 
bis  alle  Aktien  untergebracht  und  ein  Kapital  von 
300000  M.  vorhanden  war.  Indessen,  für  das,  was 
Dr.  Bodinus  plante,  reichte  diese  Summe  auch  nicht 
entfernt  aus,  sodass  zu  drei  verschiedenen  Malen 
6'^/o  Obligationen  mit  einem  Gesaramt- Betrage  von 
2 100 000  M.  ausgegeben  wurden;  sie  wurden  zu  Beginn 
der  achtziger  Jahre  in  5%,  in  der  Mitte  der  neunziger 
Jahre  in  umgewandelt.  Heute  ist  diese  Schuld 
bis  auf  T400000  M.  getilgt,  durch  jährliche  Ausloosung 
von  früher  10000,  seit  1895  50000  M.  Aus  diesen  er- 
höhten Ausloosungen  kann  zugleich  auf  die  glückliche 
Entwicklung  des  Gartens  geschlossen  werden.  Zu 
diesen  Geldmitteln  traten  noch  die  günstigen  Kassen- 
einnahmen der  siebziger  Jahre;  während  im  Jahre  1869 
an  Eintrittsgeldern  nur  66000  M.  vereinnahmt  wurden, 
stieg  diese  Summe  1870  auf  134000M  , i873auf  366000 M. 
und  es  wurden  gleichzeitig  aus  dem  Abonnement  1872 
29000  M.,  1873  46000  M.,  gelöst. 

Diese  reichen  Geldmittel  bildeten  die  Basis  für  die 
grossartigen  baulichen  Unternehmungen  und  Anlagen, 
welche  dem  Garten  bald  seinen  Weltruf  brachten  und 
welche  ihn  zum  Sammelpunkt  des  sommerlichen  Gesell- 
schaftslebens der  Reichshauptstadt  machten.  Diese 
zweite  Bauperiode  hat  die  Namen  der  Architekten  Ende 
& Böckmann  auch  für  diese  Stelle  unauslöschlich  in 
die  Baugeschichte  von  Berlin  eingeschrieben.  Leider  ist 
damals  — nicht  durch  die  Schuld  der  Architekten  — 
versäumt  worden,  einen  Generalplan  zur  baulichen 
Ausnützung  des  Geländes  aufzustellen,  ein  Mangel, 
der  sich  später  um  so  empfindlicher  bemerkbar  machte, 
je  mehr  der  Besuch  des  Gartens  zunahm.  Es  wurde 
zu  jener  Zeit  namentlich  auf  den  vorhandenen  Baum- 
wuchs grosse  Rücksicht  genommen,  weniger  auf  den 
Verkehr  unddasZurechtfinden  der  schaulustigen  Menge, 
und  daneben  nur  der  eine  Gesichtspunkt  beobachtet,  dass 
nicht  Thiere,  die  einander  feindlich  gesinnt  sind  und  sich 
gegenseitig  aufregen  können,  nahe  zusammengebracht 
wurden.  Dazu  kam,  dass  Lenne  seine  Gartenanlage  nur 
auf  einen  Eingang  von  der  Lichtenstein-Brücke  her  ge- 
schaffen hatte  und  dass,  als  später  zwei  neue  Eingänge 
als  nothwendig  sich  erwiesen,  die  grosse  Systemlosig- 
keit  und  die  mangelnde  Uebersichtlichkeit  um  so  mehr 
noch  empfunden  wurden.  In  dieser  Unübersichtlich- 
keit bilderen  die  grossartigen  Neubauten,  die  nunmehr 
in  kurzer  Folge  nach  den  Entwürfen  der  genannten 
Architekten  entstanden,  willkommene  Orientirungs- 
punkte.  Es  wurden  errichtet  im  Jahre  1869  die 
Restauration  (ein  Theil  der  heutigen  Anlage)  mit 
einem  Aufwande  von  in  000  M.;  im  Jahre  1870 
das  Muschelorchestcr  (6900  M.) , der  Bärenzwinger 
(27000  M.)  und  die  Adlerkäfige  (30000  M.);  in  den 
Wintermonaten  von  1870  auf  1871  enstand  das  grosse 
Raubthierhaus  mit  einer  Kostensumme  von  rd. 
111 000  M.;  in  den  Winterraonaten  1871 — 1872  wurde 
das  Antilopenhaus  mit  einem  Aufwande  von  180000  M. 
geschaffen,  und  im  Jahre  1873  entstand  als  das  be- 
deutendste Bauwerk  dieser  Periode  das  Elefantenhaus 
mit  einer  Bausumme  von  300000  M.  Der- Bau  des 
grossenKonzertsaales,  im  Anschluss  an  die  Restauration, 
in  den  Jahren  1874 — 1875,  welcher  248000  M.  bean- 
spruchte, schloss,  da  die  Mittel  erschöpft  waren,  diese 
Bauperiode  vorläufig  ab.  Nach  einer  Zwischenzeit 
von  nahezu  10  Jahren  folgte  dann  das  mit  einer  Summe 
von  113000  M.  errichtete  neue  Affenhaus,  mit  wel- 
chem die  Bauthätigkeit  der  Firma  Ende  & Böckmann 
ihren  Abschluss  fand. 

Die  Architekten  haben  in  den  Jahrgängen  1875 
und  1876  der  Erbkam’schen  „Zeitschrift  für  Bau- 
wesen“ ausführlich  über  die  Werke  dieser  grossen  Bau- 
periode berichtet  und  in  sorgfältigem  Eingehen  auf  die 
Lebensbedingungen  der  Thiere  und  selbst  auf  ihre 
Psj'^chologie,  die  man  bis  dahin  glaubte  nicht  be- 

No.  22. 


sonders  beachten  zu  brauchen,  ihre  Ziele  dargelegt. 
Diese  Ziele  waren  zum  ersten  eine  hervorragende 
künstlerische  Erscheinung  der  Bauten,  sodann  das 
ebenso  wichtige  Bestreben,  die  Thierhäuser  in  einen 
gewissen  harmonischen  Einklang  mit  ihren  Bewohnern 
zu  bringen.  Die  Architekten  sprechen  sich  darüber  mit 
folgenden  Worten  aus:  „Der  Charakter  dieser  Baulich- 
keiten hat  doppelten  Forderungen  Rechnung  zu  tragen. 
Es  soll  durch  die  äussere  Erscheinung  der  Gebäude  der 
Beschauer  angeregt 


bringen,  erwähnt,  dass  trotz  der  grossen  Aufwendungen 
der  ersten  Hälfte  der  siebziger  Jahre  zu  Beginn  der 
achtziger  Jahre  ein  kurzer  Stillstand  m der  Ent- 
wicklung eintrat,  welcher  am  besten  daran  zu  er- 
kennen ist,  dass  das  Eintrittsgeld,  welches  bereits 
1873  den  Betrag  von  366  000  M.  erreichte,  im  Jahre 
1883  auf  273000  M.,  und  der  Betrag  für  die  Abon- 
nements für  die  gleiche  Zeit  von  46  000  M.  auf 
43000  M.  zurückgingen.  Das  veranlasste  zum  Nach- 
ts., denken  und  zu  wei- 


und  es  sollen  ihm  Ge- 
bilde vorgeführt  wer- 
den , an  welche  an- 
knüpfend seine  Phan- 
tasie das  eingehegte 
Thier  auf  seinem  hei- 
mathlichen  Boden  zu 
sehenglaubt.  Vor  allem 
aber  soll  dem  Thier 
selbst  ein  behaglicher, 
dem  Sonnenlicht  mög- 
lichst zugänglicher,gut 
ventilirter,  im  Sommer 
nicht  zu  heisser,  im 
Winter  warmer  Stall 
oder  Käfig  geschaffen 
werden , sowie  ein 
Schauraum,  in  wel- 
chem auch  der  Besu- 
cher sich  wohl  fühlt." 
In  dieser  Auffassung, 
namentlich  in  dem 
liebevollen  Eingehen 
auf  die  Thierpsycho- 
logie, wie  es  z.  B.  auch 
in  dem  schönen  Auf- 
sätze über  „Luxus- 
Pferdeställe  und  Pfer- 
de-Ausstellungen"zum 
Ausdruck  kommt,  wel- 
chen der  eine  Theil- 
haber  der  Firma,  Hr. 
Wilh.  Böckmann,  im 
Jahrgang  1892  unserer 
Zeitung  veröffentlich- 
te, wurden  die  Bauten 
begehrte  Vorbilder  für 
eine  Reihe  von  zoo- 


Gebäude-Gruppe  beim 
Haupteingang  am 
Kurfürsten  - Damm. 
Arch.:  Zaar  & Vahl 
in  Berlin. 


PFORTNETRHAUS. 


VERWALTUNGSGEBÄUDE  FAHRRAD  HAUS. 


ERDSESCHOSS  f j r i 

KURF  ÜRSTE  N - 

logischen' Gärten,  die  im  Laufe  des  letzten  Vierteljahr- 
hunderts entstanden.  Ihre  doppelte  Bedeutung  als  Bau- 
werk wie  als  individueller  Unterkunftsort  für  das  Thier 
veranlasst , uns,  zugleich  um  dieser  Veröffentlichung 
in  sich  eine  gewisse  Abrundung  zu  geben,  die  be- 
deutendsten derselben,  zumtheil  nach  den  schönen 
Stichen  der  „Zeitschrift  fürBauwesen“,  folgen  zu  lassen. 

Vorher  aber  sei  noch,  um  die  Entwicklungs- 
geschichte des  Gartens  bis  zu  der  augenblicklichen 
grossen  Umgestaltungsperiode  zum  Abschluss  zu 

15.  März  igoa. 


DAMM 

Neuschöpfungen  als  ungefähre  Anhaltspunkte  dienen 
können.  Dazu  sei  erwähnt,  dass  die  Aktionäre  eine 
Dividende  nicht  erhalten,  dagegen  für  sich  und  ihre 
Familienmitglieder  das  Recht  des  freien  Eintrittes  in 
den  Garten  besitzen. 

Trotz  aller  der  erwähnten  Aufwendungen  nun, 
die  bis  zum  Jahre  1896  den  Betrag  von  2552000  M. 
erreichten  und  auf  welche  bis  dahin  810000  M.  ab- 
geschrieben wurden,  fehlten  doch  in  keiner  General- 
versammlung der  Aktionäre  die  berechtigten  Klagen 


139 


über  gewisse  Uebelstände  des  Gartens.  Es  wurde  Seiner  ruhelosen  Thatkraft,  seiner  unvergleichlichen 
geklagt  über  die  Unübersichtlichkeit  der  Anlage,  Dispositionsgabe  und  seinem  weiten  Blick  verdankt 
welcher  man  glaubte  durch  Schilder  usw.  abhelfen  der  Garten  die  Umwandlungsperiode,  in  welcher  er 
zu  können.  Es  fiel  ferner  den  Besuchern  eine  ge- 
wisse Eintönigkeit  in  den  gärtnerischen  Anlagen  und 
ein  Mangel  an  Blumen  auf ; Hand  in  Hand  damit 
gingen  die  Klagen  über  die  unordentlichen  und 
staubigen  Wege,  sowie  über  das  schmutzige  und 
übel  riechende  Wasser  der  Wasseranlagen.  Endlich 
wurde  stets  darauf  hingewiesen,  dass  bei  plötzlich 
eintretendem  Regen  nicht  genügend  Unterkunftsräume 


für  die  Besucher  vorhanden  seien.  Das  war  die 
Sachlage,  als  im  Jahre  1897  Wilhelm  Böckmann  an 
die  Spitze  des  Vorstandes  trat,  der  seit  der  Mitte  der 
neunziger  Jahre  vollständig  erneuert  worden  war. 


sich  heute  noch  befindet  und  die  ihn  nach  der  Voll- 
endung der  Umgestaltungen  nicht  allein  zu  dem  ge- 
sellschaftlichen Mittelpunkte  des  neuen  Berlin,  son- 
dern zu  einer  Schöpfung  macht,  welche  in  der  mo- 
dernen Welt  unseres  Wissens  noch  unerreicht  ist.  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


No.  22. 


140 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldon  1902. 


I.  Der  Kunstpalast. 

Architekt;  A.  Bender  in  Düsseldorf, 
n Düsseldorf  wurde  am  8.  März  d.  J.  das  neue 
Kunstausstellungs-Gebäude,  das  für  die  Veranstaltung 
deutscher  und  internationaler  Zentral-Aussiellungen 
nach  Art  der  jährlichen  grossen  Kunstausstellungen  in 
Paris,  München,  Berlin  usw.  zu  dienen  bestimmt  ist,  feier- 


dustrie-  und  Gewerbe-Ausstellung  für  Rheinland,  West- 
falen und  die  benachbarten  Bezirke.  Der  Palast  wurde 
erbaut  aus  den  seit  1898  reichlich  zugeflossenen  Mitteln 
des  Staates,  der  Provinz,  der  Bürgerschaft,  der  indu- 
striellen Kreise  und  der  Kunstfreunde.  In  einer  wahr- 
haft wohlthuenden  Weise  ist  hier  das  innige  Verhältniss 
zwischen  Industrie  und  Kunst,  zwischen  der  mächtigen 
Beherrscherin  des  Westens  und  ihrer  sanfteren  Genossin 


lieh  eingeweiht.  Dieser 
einem  schon  lange  ge- 
hegten Wunsche  der 
Düsseldorfer  Künstler- 
schaftentsprechende Mo- 
numentalbau verdankt 
seine  Entstehung  zu- 
nächst dem  von  Prof. 
Fritz  R o e b e r ausgegan- 
genen Gedanken  der  un- 
mittelbaren Verbindung 
einer  deutsch-nationalen 
Kunst-Ausstellung,  die 
in  diesem  Sommer  eine 
möglichst  breite  Ueber- 
sicht  über  die  Entwick- 
lung der  deutschenKunst 
in  den  letztverflossenen 
10  Jahren  bieten  soll, 
mit  einer  grossen  In- 

15.  März  1902. 


s 

-J 

H 

- 

— 

B 

- 

... 

am  Rhein,  wieder  ein- 
mal zum  Ausdruck  ge- 
kommen, denn  der  Kunst 
wurde  das  neue  Haus 
wesentlich  erbaut  durch 
die  Opferwilligkeit,  mit 
welcher  Industrie  und  Ge- 
werbe sich  in  den  Dienst 
der  Ideale  stellten.  Die- 
sen Grundgedanken  fin- 
den wir  wiederklingend 
in  dem  Giebel-Relief 
über  dem  Hauptportal: 
„Prometheus  mit  dem 
hohen  Lichifunken  die 
Kunst  begeisternd  und 
Gewerbe  undHandwerk 
befruchtend." 

Zunächst  soll  die  neue 
Schöpfung  der  Düssel- 

141 


dorfer  Kunst  zugute  kommen.  Diese  schien  von  dem  Strome 
des  internationalen  Wettbewerbes  und  dem  Reichthume 
neuer  Ideen  ein  wenig  abgedrängt  zu  werden  und  kann 
nun,  an  der  starken  Hand  der  heimischen  Industrie,  wieder 
sichere  Wege  gewinnen.  Die  Bedeutung  der  bevorstehenden 
erstmaligen  Ausstellung  in  diesem  Palast  wird  dadurch 
noch  gehoben,  dass  mit  ihr  eine  kunsthistorische  Abtheilung 
verbunden  ist,  in  der  die  Ueberlieferungen  mittelalterlicher 
Kunst  in  den  beiden  aus  der  Vergangenheit  so  eindrucks- 
voll erzählenden  Provinzen,  in  einer  ganz  seltenen  Weise 
vereinigt,  zur  Anschauung  gebracht  werden  sollen. 

uas  Gebäude  erhebt  sich  unweit  des  Kunstakademie- 
Gebäudes  und  kehrt  seine  stolze  132  m lange  Hauptfront 
dem  Rhein  zu.  Es  wurde  nach  den  preisgekrönten  Plänen 
des  Architekten  A.  Bender  von  der  Firma  Philipp  Holz- 
mann & Cie.  in  Frankfurt  a.  M.  ausgeführt.  Die  Bear- 
beitung der  Ausführungs-Zeichnungen  und  die  Bauleitung 
lagen  unter  dem  Beirath  von  Prof.  Schill  und  Prof. 
Kleesattel  in  den  Händen  der  Architekten  E.  Rückgaue, r 
und  Kraefft.  Die  überbaute  Fläche  beträgt  rd.  8000  gro, 
die  grösste  Tiefe  90®,  die  Höhe  der  Fassade  18  bezw. 
22“.  Im  Inneren  sind  ausser  der  unter  der  Kuppel  be- 
findlichen Empfangshalle  7 grössere  und  7 kleinere,  z.  Th. 
im  Obergeschoss  des  Vorderhauses  (Loggien  und  Säle  im 
Mittelbau)  gelegene  Ausstellungshallen  enthalten. 

Das  Gelände  für  den  Palast  ist  eine  Zuwendung  der 
Stadt  Düsseldorf  an  die  Künstlerschaft  im  ungefähren 
Werthe  von  800000  M.;  die  Baukosten  betrugen  etwa 
1300000  M.,  auch  an  ihnen  hat  die  Stadt  Düsseldorf  we- 
sentlichen Antheil  genommen.  Im  Inneren  hat  namentlich 


die  Kuppelhalle  eine  reichere  Ausstattung  erhalten.  Die 
Baumaterialien  sind  für  das  Aeussere  Tuffstein,  Sandstein, 
Granit  und  Basalt,  für  das  Innere  Marmor  und  vergoldeter 
Stuck.  Die  Kuppel  ist  mit  Kupfer  eingedeckt.  Die  grossen 
Oberlichtsäle  können  durch  leicht  verstellbare  Holzwände 
in  Einzelabtheilungen  getrennt  werden.  Für  die  erste 
deutsch-nationale  Kunstaustellung  sind  die  Säle  auf  der 
rechten  Seite  der  Düsseldorfer  Kunst,  die- Säle  links  vom 
Eingang  Berlin,  München,  Dresden,  Wien  und  den  übrigen 
deutschen  Kunststädten  gewidmet  worden.  Im  ersten 
Saale  rechts  schliesst  sich  die  Ausstellung  der  Architekten 
an,  die  sich  in  den  oberen  Räumen  der  Loggien  fortsetzt. 
Ein  Flügel  ist  der  kunsihistorischen  Abtheilung  Vorbehalten. 
Die  Abmessungen  der  grösseren  Hallen  sind  55  bezw. 
58“  Länge  zu  22“  Breite  bei  Höhen  von  8—9“.  Die 
Empfangshalle  des  Mittelbaues  hat  16“  Seitenlange. 

Ein  besonderer  Schmuck  ist  der  inmitten  des  Ge- 
bäudes liegende,  einen  Garten  umschliessende  Ehrenhof, 
in  den  ein  Marmorbecken  eingefügt  wird.  Der  stille, 
in  italienischer  Hofarchitektur  mit  Säulenstellungen  ge- 
haltene edle  Hof  ist  in  echtem  weissgeibem  Sandstein 
ausgeführt  und  dient  als  Skulpturensaal,  sowie  zur  Ver- 
anstaltung grosser  Künstlerfeste.  Der  südliche  Anbau, 
der  in  reizvoller  und  farbenfroher  Einrichtung  überall  das 
Anmuthige  mit  dem  Zweckmässigen  verbindet  — auch  er 
ist  gleich  der  Dekoration  aller  Innenräume  von  E.  Rück- 
gauer  geschaffen  — enthält  die  Restaurationsräume,  die 
schon  seit  längerer  Zeit  dem  freien  Besuche  zugänglich 
waren.  Das  in  Putzarchitektur  ausgeführte  Restaurations- 
Gebäude  hat  eine  Länge  von  52“.  — O.  Vorlaender. 


lieber  Radfahrwege, 


Bach  dem  Bericht  über  die  vorjährige  Versammlung 
des  deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege zu  Rostock  in  No.  77,  1901  d.  Dtschn.  Bztg., 
spricht  Stadtbrth.  Genzmer-Halle  a.  S.  in  seinem  Vor- 
trage „Strassenbefestigungs-Materialien  und  Ausführungs- 
arten, sowie  ihr  Einfluss  auf  die  Gesundheit“  sich  dahin 
aus,  dass  es  in  grossen  Städten  geboten  sei,  besondere 
Wege  für  Reiter,  Radfahrer  und  Fussgänger  zu  schaffen. 
Als  Radfahrwege  empfiehlt  er  i “ breite  Streifen  in  der 
Nähe  der  Strassengosse.  Er  bemerkt,  dass  in  den  Stadt- 
verordneten-Versammlungenfür  gewöhnlich  wenig  Geneigt- 
heit für  die  Anlage  solcher  Wege  vorhanden  sei  und  dass 
er  mit  einem  diesbezüglichen  Anträge  in  der  Halle’schen 
Stadtverordneten-Versammlung  keinerlei  Entgegenkommen 
gefunden  habe. 

Diese  Mittheilung  veranlasst  den  Unterzeichneten  Ver- 
fasser zu  einigen  Bemerkungen  über  die  Bedeutung  von  Rad- 
fahrwegen in  der  Umgebung  von  grossen  Städten,  wobei 
auf  eine  Erörterung  über  die  Wichtigkeit  dieser  Wege  im 
Stadtinneren  allerdings  nicht  näher  eingegangen  werden 
soll.  Man  kann  leicht  die  Beobachtung  machen,  dass  auf 
den  Chausseen  in  der  Umgebung  grosser  Städte  und 
auf  den  Strassen,  die  nach  deren  Vororten  führen,  sowie 
auf  den  Strassen  dieser  Vororte  selbst,  die  Zahl  der  Rad- 
fahrer die  Zahl  der  auf  diesen  Wegen  verkehrenden 
Fuhrwerke  oft  erheblich  tibertrifft,  was  au.ch  durch  poli- 
zeiliche Verkehrs-Zählungen  wohl  schon  mehrfach  fest- 
gestellt sein  wird.  Man  ist  daher  fast  versucht,  sich  die 
Frage  vorzulegen,  ob  der.  Radfahrerverkehr  auf  manchen 
dieser  Strassen  für  die  Allgemeinheit  nicht  schon  eine 
grössere  Wichtigkeit  erlangt  hat,  als  der  Verkehr  der  Fuhr- 
werke sie  besitzt.  Jeden  Abend  nach  der  Stunde  des 
Arbeitsschlusses,  mit  Ausnahme  weniger  Frostmonate  des 
Jahres,  kann  man  auf  den  genannten  Strassen  in  der  Um- 
gebung Berlins  ganze  Züge  von  Handwerkern  und  Ar- 
beitern sehen,  die  auf  ihren  Rädern  von  ihren  im  Stadt 
inneren  gelegenen  Arbeitsplätzen  ihren  in  den  umliegen- 
den Ortschaften  befindlichen  Wohnungen  zueilen.  Aehn- 
liche  Erscheinungen  werden  in  der  näheren  Umgebung 
anderer  grosser  Städte  sicher  auch  zu  beobachten  sein. 
Es  ist  bei  einer  Reihe  von  Geschäftsleuten  und  Hand- 
werkern, als  Gas-  und  Wasserleitungsarbeitern,  Tape- 
zierern, Gärtnern  usw.  Regel  geworden,  dass  sie  auch 
innerhalb  ihrer  Wohnorte  alle  weiteren  Wege  auf  dem 
Fahrrad  zurücklegen. 

Auch  die  Zahl  der  Personen  ist  eine  ausserordentlich 
grosse  geworden,  bei  denen  die  durch  das  Fahrrad  ihnen 
gebotene  Leibesübung  für  die  Erhaltung  ihres  Wohl- 
befindens und  der  Gesundheit  unersetzlich  ist,  da  sie 
durch  ihren  Beruf  auf  eine  sitzende  Lebensweise  ange- 
wiesen sind. 

Die  Chausseen  sind,  wenn  sie  noch  eine  unversehrte 
Steindecke  haben,  was  allerdings  öfters  nicht  der  Fall  ist, 
für  das  Fahrrad  leidlich  gangbar.  Die  Strassen  der  Vor- 
orte und  der  Vorstädte  sind  dagegen  wegen  ihres  meist 


unebenen  Pflasters  mit  diesem  Beförderungsmittel  in  der 
Regel  nur  mit  grossen  Unbequemlichkeiten  und  erheb- 
lichem Zeitverlust  zu  durchfahren.  Mit  Rücksicht  hierauf 
und  weil  der  Gebrauch  des  Fahrrades  für  einen  sehr  aus- 
schlaggebenden Bruchtheii  der  breitesten  Bevölkerungs- 
schichten der  Grosstädte  eines  der  wichtigsten  Geschäfts- 
undLebensbedürfnisse  geworden  ist,  erscheint  die  Schaffung 
geeigneter  und  zahlreicher  Radfahrwege  an  den  besproche- 
nen Stellen  als  durchaus  dringlich  und  unabweisbar.  Eine 
Erleichterung  und  Ermöglichung  des  Radfahrverkehres 
durch  Schaffung  besonderer  Wege  würde  eine  Wohlthat 
sein,  die  von  sehr  weiten  Kreisen  der  Bevölkerung  ganz 
besonders  dankbar  empfunden  werden  würde. 

Was  die  beste  Art  der  Anlage  und  Befestigung  dieser 
Wege  betrifft,  darüber  möchte  Verfasser  eine  bezügliche 
Erörterung  einer  berufeneren  Feder  überlassen,  wobei 
vielleicht  auch  entsprechende  Einrichtungen  ausserdeut- 
scher  Grosstädte  zur  Mittheilung  sich  eignen  würden. 

Der  Verfasser  hat  in  einem  Vororte  von  Danzig  kürz- 
lich derartige  Bahnen  gesehen,  die  in  allereinfachster  Weise 
dadurch  hergestellt  sind,  dass  nächst  der  Strassenrinne  ein 
etwa  0,50  “ breiter  Auftrag  von  Zementbeton  von  etwas 
abgerundetem  Querschnitt  auf  das  Strassenpflaster  auf- 
gebracht worden  ist.  Selbst  diese  einfach  hergestellten 
Radfahrwege  werden  als  eine  sehr  schätzenswerthe  Er- 
leichterung des  Radfahrverkehrs  anzusprechen  sein.  Voll- 
kommener sind  ja  etwas  breitere  Asphaltbahnen  mit  regel- 
mässigen seitlichen  Grenzen. 

Die  Ausgaben  für  Herstellung  von  Radfahrwegen  wer- 
den meist  nicht  sehr  hohe  werden  und  werden  sehr  oft 
eine  vorzügliche  Geldanlage  für  die  Gemeinden  darstellen 
ausser  dem  Nutzen,  der  schon  in  Vorstehendem  gekenn- 
zeichnet ist.  Durch  Erleichterung  des  Fahrrad  Verkehrs 
wird  der  Gesammtverkehr  vieler  Ortschaften  in  erheb- 
lichem Maasse  erhöht  werden  und  es  ist  doch  Verkehrs- 
Erhöhung  gleichbedeutend  mit  Wachsen  und  Blühen  jener 
Ortschaften.  Ein  Beispiel  dafür,  zu  welchem  bedeuten- 
den Umfang  der  Radverkehr  durch  gute  glatte  Wege  ge- 
steigert werden  kann,  bieten  die  mit  Asphaltpflaster  ver- 
sehenen Strassen,  welche  von  Berlin  nach  einigen  seiner 
Vororte  führen.  Auch  nach  einer  anderen  Richtung  wird 
der  Herstellung  von  Radfahrwegen  eine  volkswirthschaft- 
liche  Bedeutung  beizumessen  sein.  Seit  lange  haben  sich 
Bestrebungen  geltend  gemacht,  welche  der  lebhaftesten 
Unterstützung  werth  sind,  nämlich  die  fehlenden  Wohnun- 
gen der  Arbeiter  der  Grosstädte  thunlichst  in  deren  Vor- 
orten zu  errichten,  da  in  diesen  der  Baugrund  billiger  ist 
und  da  dort  die  in  gesundheitlicher  Beziehung  so  drin- 
gend erwünschte  weiträumige  Bauweise  auch  für  Arbeiter- 
häuser noch  eher  durchführbar  ist.  Die  Frage  der  Be- 
siedelung hierzu  geeigneter  Vororte  mit  Arbeiter-Familien 
ist  indessen  eng  verknüpft  mit  der  Lösung  der  Verkehrs- 
frage durch  die  Herstellung  von  Vorort-Eisenbahnen  usw. 
Wenn  nun  auch  die  Radfahrwege  die  Vorort-Eisenbahnen 
im  allgemeinen  nicht  werden  ersetzen  können,  so  wird 

No.  22. 


.142 


die  Herstellung  der  ersteren  in  zahlreichen  Fällen  erheb- 
lich zur  Lösung  der  vorerwähnten  Verkehrsfrage  und  zur 
Förderung  der  Errichtung  von  weiträumigen  Arbeiter- 
Ansiedelungen  in  Vororten  beitragen. 

Als  Beweis  übrigens  dafür,  dass  die  Stadtverwaltun- 
gen usw.  sich  nicht  überall  auf  einen  so  ablehnenden 
Standpunkt  gegenüber  der  Anlage  von  Radfahrwegen 
stellen,  wie  in  dem  Eingangs  angeführten  Beispiel,  möge 


die  Angabe  dienen,  dass  im  vergangenen  Jahre  der 
hamburgische  Staat  der  dortigen  Baudeputation  240000  M. 
für  zu  beiden  Seiten  der  Strassen  anzulegende  Radfahr- 
wege zur  Verfügung  gestellt  hat.  Auch  kann  angeführt 
werden,  dass  die  Hauptstrassen  des  Bebauungsplanes  der 
königlichen  Domäne  Dahlem  bei  Berlin  3,25  m breite  Rad- 
bahnen  aufweisen.  - Oehmcke. 


Das  Besprengen  chaussirter  Strassen  mit  Roh-Petroleum. 


Eas  Verfahren,  die  Chausseen  mit  Rohpetroleum  zu 
tränken,  findet  in  Nordamerika  mehr  und  mehr  Auf- 
nahme, da  der  Zustand  der  Strassen  dadurch  ver- 
bessert und  die  lästige  Staubplage  fast  ganz  beseitigt 
werden  soll.  So  ist  beispielsweise  die  Stadt  und  Land- 
schaft von  Sacramento  ausschliessüch  zu  diesem  Verfahren 
anstelle  der  Besprengung  der  Strassen  mit  Wasser  über- 
gegangen. Das  Rohöl  wird  in  kaltem  oder  warmem  Zu- 
stande verwendet,  letzteres  wird  vorgezogen.  Man  pumpt 
oder  giesst  das  Oel  nach  der  Erwärmung  in  den  Spreng- 
wagen, welcher  die  Begiessung  der  Strassen  ausführt.  (Dass 
für  kleinere  oder  Versuchsarbeiten  auch  die  Giesskanne 
genommen  werden  kann,  ist  selbstverständlich.)  In  dem 
technischen  Blatte  „Scientific  American“  1901  II  S.  187 
ist  ein  in  Amerika  angewendeter,  hierfür  besonders  kon- 
struirter  Sprengwagen  abgebildet,  welcher  nahezu  8,5m 
Sprengbreite  haben  soll;  man  kann  aber  auch  jeden  ge- 
wöhnlichen Sprengwagen  fürWassersprengung  verwenden, 
wenn  der  Ausfluss  des  Oeles  regulirbar  ist. 

Das  Verfahren  stellt  sich  bei  den  amerikanischen  Preisen 
für  Rohöl  billiger  als  die  häufige  Wassersprengung  und  die 
Unterhaltungskosten  der  Chaussirung  werden  vermindert. 

Der  erste  Ueberguss  erfordert  mehr  Oel  als  die 
späteren,  welche  in  Zwischenräumen  von  etwa  6 Monaten 
angewendet  werden.  Da  die  Abnutzung  der  Chausseen 
durch  das  Oelverfahren  vermindert  werden  soll,  findet  es 
auch  auf  Landchausseen  Verwendung,  wo  die  Rücksicht 
auf  Staubbildung  weniger  entscheidend  sein  würde.  In 
der  Landschaft  Kern  hat  man  bei  einer  Chaussirungsbreite 
von  3,6  m für  den  ersten  Ueberguss  etwa  60  Fass,  für  die 
weiteren  Güsse  etwa  40  Fass  Petroleum  für  1 verwendet. 

Die  Strassen  in  Los  Angeles,  welche  dem  Touristen 
wegen  ihres  aussergewöhnlich  guten  Zustandes  auffallen, 
werden  ebenfalls  so  behandelt. 

In  San  Francisco  hat  man  mit  bestem  Erfolge  einen 
Versuch  in  dem  Golden  Gate  Parke  gemacht,  dessen 
chaussirte  Strassen  sehr  starken  Wagenverkehr  haben 
und  wegen  ihres  Staubes  berüchtigt  waren.  Man  hat  die 
7 2 km  lange,  10,5“  breite  Hauptchaussee  in  ganzer  Aus- 
dehnung geölt,  das  erste  Mal  allerdings  unter  Verwendung 
von  6000  Fass  Petroleum  (zum  Preise  von  4 M.  f.  d.  Fass), 
sodass  die  Oberfläche  ganz  gesättigt  war;  dann  hat  man 
das  Verfahren  dort  in  kurzen  Zwischenräumen  wiederholt. 
Zuerst  war  der  Geruch  sehr  unangenehm,  verlor  sich  aber 
bald  unter  der  Wirkung  des  Windes  und  der  Sonne.  Der 


Fahrweg  wurde  in  der  ersten  Zeit  von  den  Radfahrern 
gemieden,  welche  wohl  Schäden  für  die  Radschläuche 
fürchteten,  aber  bald  waren  die  Vortheile  in  die  Augen 
springend.  Die  Oberfläche  ist  fest  und  glatt  geworden,  an 
eine  Asphaltstrasse  erinnernd.  Der  Staub  ist  verschwunden, 
und  die  Bäume  des  Parkes,  welche  früher  ganz  verstaubt 
waren,  behalten  wieder  ihre  frische  natürliche  Farbe.  Jetzt 
wird  jene  Strasse  jährlich  zweimal  geölt  und  die  Parkver- 
waltung rechnet  gegenüber  der  Wassersprengung  mit  einer 
Ersparniss  von  2000  M.  monatlich,  ausser  dem  früheren 
Verbrauch  von  täglich  300^^111  Wasser. 

Nach  solchen  Berichten  möchte  es  sich  doch  sehr 
empfehlen,  auch  bei  uns  mit  dem  Verfahren  Versuche  zu 
machen,  namentlich  dort,  wo  man  unter  der  Staubent- 
wicklung auf  den  Strassen  leidet.  Die  Wirkung  des  Oelens 
beruht  wohl  darauf,  dass  die  dickflüssigeren  Theüe  des 
Rohpetroleums  im  Strassenkörper  verbleiben,  nicht  ver- 
dunsten und  den  Schotter  wie  das  kiesige  Füllmaterial 
der  Steinfugen  überziehen  und  tränken.  Dadurch  fällt  die 
schmirgelartige  Wirkung  des  scharfen  Kieses  auf  die  Stein- 
flächen beim  Ueberfahren  der  Wagen  fort,  wodurch  sich 
die  Abnutzung  vermindert  Bei  fortgesetzter  Anwendung 
des  Oeles  verstopfen  sich  die  Fugen  schliesslich  ganz  und 
die  Dicktheile  des  Oeles  bleiben  auf  der  Oberfläche;  die 
Strasse  bekommt  Aehnlichkeit  mit  den  vom  Unterzeich- 
neten wiederholt  in  der  Fachpresse  besprochenen  Pech- 
makadams. 

Da  die  dickflüssigen  Theile  des  Rohpetroleums  von 
besonderer  Wichtigkeit  zu  sein  scheinen,  möchte  es  sich 
empfehlen,  dem  Rohpetroleum  Theer,  womöglich  Theer 
mit  Pechzusatz  beizumengen,  da  die  Gewinnung  einer 
dichten  und  glatten  Decke  dadurch  beschleunigt  wird. 

Ein  grosser  Vortheil  liegt  schliesslich  auch  darin,  dass 
durch  die  Abdichtung  der  Steinfugen  das  Eindringen  von 
Wasser  erschwert  und  somit  das  Aufweichen  der  Strasse, 
das  Lockerwerden  der  Steine  und  die  starke  Schmutz- 
bildung verhindert  werden.  Die  günstige  Einwirkung  eines 
Uebergusses  von  Steinkohlentheer  auf  Chausseedecken 
ist  übrigens  auch  anderweitig  erprobt  worden,  so  in  der 
Nähe  von  Ravenna,  wo  nach  dem  Bulletin  des  italie- 
nischen Ing.-  und  Arch.-Vereins  für  einen  einmaligen 
Ueberguss  etwa  250  M.  für  das  Kilometer  aufgewendet 
wurden  und  die  Oberfläche  allmählig  völlig  dicht  und 
ebenwrde.  - E.  Dietrich, 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin,  In  der  Sitzung 
vom  II.  Februar  theilte  der  Vorsitzende,  Hr.  Wirkl.  Geh. 
Ob.-Brth.  Streckert  u a.  mit,  dass  der  Verein  seinem 
Mitgliede,  Hrn.  Staatsminister  von  Thielen,  zu  dessen  70. 
Geburtstage  ein  Glückwunschschreiben  übermittelt  habe. 
Aus  dem  Bericht  über  die  Prüfung  der  Jahresausgaben 
ist  hervorzuheben,  dass  die  Zinserträge  des  etwa  28000  M. 
betragenden  Vereinsvermögens  mit  einem  Theile  der  lau- 
fenden Einnahmen  zur  Prämiirung  der  vom  Verein  ge- 
stellten Preisaufgaben  verwendet  werden. 

Hr.  Eisenb.-Bauinsp.  Frankel  aus  Guben  hielt  einen 
Vortrag  über  „Dampf-Lokomotive  und  Schnellver- 
kehr*’. Er  führte  etwa  Folgendes  aus: 

Die  Einführung  elektrischen  Betriebes  auf  Vollbahnen 
wird  häufig  wegen  der  zu  erwartenden  wirthschaftlichen 
Vortheile  empfohlen,  die  man  sich  insbesondere  durch 
die  in  grossen  Zentralen  billig  herzustellende  Kraft  ver- 
spricht, die  nach  Umwandlung  in  Elektrizität  und  Hinleitung 
nach  den  betr.  Bahnlinien  zur  Zugförderung  nutzbar  ge- 
macht werden  soll.  Hierbei  entstehen  selbstverständlich 
Kraftverluste,  welche  ein  solches  Maass  erreichen,  dass 
die  Krafterzeugung  in  der  Lokomotive  bereits  eine  etwas 
günstigere  wird;  dieses  Verhältniss  vergrössert  sich  aber 
wesentlich  zu  Ungunsten  des  elektrischen  Betriebes,  weil 
die  vom  Betriebe  bedingten  langen  Züge,  die  sich  nicht 
gleichmässig  über  die  Tagesstunden  vertheilen,  sehr  grosse 
Kraftschwankungen  im  Gefolge  haben,  denen  die  elektr. 
Uebertragung  weder  wirthschafilich  noch  technisch  ge- 
wachsen ist.  Bestehende  Fahrpläne  einer  stark  befahre- 

15.  März  1902. 


nen  Bahn  weisen  Schwankungen  im  Kraftbedarf  von 
1200  bis  6000  P.S.  auf,  es  lassen  sich  auf  solchen  Linien 
kaum  mehr  kleinere  Züge  fahren,  da  die  Zugfolge  schon 
eine  dichte  ist  und  auf  den  Bahnhöfen  für  Rangirzwecke 
gewisse  Zeit  bleiben  muss,  auch  die  Stationsbeamten  für 
die  Betriebs-  und  Sicherheits-Vorrichtungen  die  nöthige 
Zeit  und  Müsse  haben  müssen,  wenn  nicht  Unfälle  ein- 
treten  sollen.  Ist  die  Wirthschaftlichkeit  der  elektr.  Bahnen 
aber  eine  ungünstige,  so  bleiben,  abgesehen  von  der  schon 
der  Beseitigung  nahen  Rauchplage,  nur  noch  ungünstige 
Eigenschaften  der  elektr.  Bahnen  übrig,  vor  allem  die  be- 
sonders in  Kriegszeiten  verhängnissvolle  Abhängigkeit  von 
den  elektr.  Drahtleitungen.  Auch  im  Auslande,  z.  B.  Ame- 
rika, wo  man  von  jeher  für  elektr.  Vollbahnen  schwärmte, 
ist  eine  starke  Ernüchterung  eingetreten,  so  ist  die  wohl 
älteste  elektr.  Linie  der  Pennsylvania-Bahn  wieder  mit 
Dampfbetrieb  versehen  worden.  Auchfür  den  „elektrischen 
Schnellverkehr“  ist  wenig  Aussicht  vorhanden,  da  die 
Krafiverluste  hier  wegen  der  grossen  erforderlichen  Kräfte 
besonders  gross  und  kostspielig,  die  Motorenwagen  sehr 
schwer  und  ebenfalls  theuer  sind  und  endlich,  wie  theo- 
retisch und  praktisch  nachgewiesen,  die  Betriebssicher- 
heit wegen  der  Zerstörung  des  Oberbaues  eine  geringe 
ist;  der  elektrische  Betrieb  würde  für  VoUbahnen  bei  der 
heutigen  Technik  einen  Rückschritt  bedeuten.  Viel  günsti- 
ger nach  allen  Richtungen  verhält  sich  die  für  Schnell- 
verkehr ausgerüstete  Dampflokomotive,  welche  ausser- 
dem den  Vortheil  bietet,  mehrere  Wagen  auf  einmal  zu 
befördern,  was  beim  Bahnbetriebe  erforderlich  ist.  Will 
die  Elektrotechnik  die  Bahn  erobern,  so  muss  sie  bei  den 
ländlichen  Nebenbahnen  anfangen,  wo  kleinere  Kräfte  er- 

M3 


forderlich  sind  und  wo,  zur  Verbilligung  der  Krafterzeu- 
gung, aus  den  Zentralen  die  gerade  nach  dieser  Richtung 
nothieidende  Landwirthschaft  der  Umgegend  mit  Kraft 
für  die  verschiedenen  Maschinen  und  für  das  elektrische 
Pflügen  versehen  werden  müsste. 

Bei  diesen  ländlichen  Kraftzentralen  wäre  auch  die 
Möglichkeit  vorhanden,  die  bisher  zu  wenig  verwendeten 
Wasser-  und  Windkräfte  in  einem  einheitlichen  elektr. 
Sammelnetze  auszunutzen,  und  so  die  Unkosten  zugunsten 
der  Landwirthschaft  und  der  Nebenbahnen  weiter  zu  ver- 
billigen. Hierzu  wäre  freilich  die  Bildung  einer  „Studien- 
gesellschaft“ erforderlich,  um  die  Grundbedingungen  für 
ein  solches  Unternehmen  festzulegen. 

Den  Ausführungen  des  Vortragenden  gegenüber  be- 
tonte Hr.  Geh.  Brth.  Lochner  die  volle  wirthschaftliche 
und  technische  Berechtigung  der  Versuchsfahrten  der 
„Studiengesellschaft  für  elektr.  Schnellbahnen“  • und  em- 
pfahl, an  die  Lösung  der  Frage  weniger  mit  hypothe- 
tischen Betrachtungen  als  vielmehr,  wie  es  die  Gesell- 
schaft gethan,  mit  praktischen  Versuchen  heranzutreten. 

Hierauf  sprach  Hr.  Ing.  Joh.  Zacharias  über 
„Sprechende  Photographien“.  Aus  dem  Vortrage 
ist  folgendes  zu  erwähnen;  Eine  Bildersprache  ist  wohl 
allgemein  bekannt,  auch  die  Sprechmaschinen,  welche  auf 
mechanischem  Wege  wirken,  aber,  dass  eine  völlig  ebene 
Photographie  auch  sprechen  könne,  ist  neu  und  eine  Er- 
findung des  20.  Jahrhunderts.  Nachdem  1877  Edison  sei- 
nen Phonographen  und  Berliner  das  Grammophon  erfunden 
hatten,  konstruirte  1880  Prof.  Beil  das  Photophon,  das  eine 
Telephonie  ohne  Draht  mit  Hilfe  des  lichtempfindlichen 
Selens  darstellt.  Prof.  Simon  erfand  i8q8  die  sprechende 
Bogenlampe,  deren  Einrichtung  und  Schaltung  später  noch 
von  Duddel  und  Ruhmer  vereinfacht  wurde.  Damit  war 
die  Möglichkeit  der  Photographie  von  Schallwellen  gegeben, 
die  sich  auf  einem  schnellaufenden,  lichtempfindlichen  Bande 
wie  beim  Kinematographen  im  sogen.  Photographophon 
hersteilen  lassen.  Diese  Licht-  und  Schattenstreifen  ent- 
haltenden Bilder  lässt  Ruhmer  zwischen  einer  Bogenlampe 
und  einer  Selenzelle  fortlaufend  sich  bewegen,  wobei  in 
einem  Telephon  Stromschwankungen  entstehen,  die  man 
als  Schallwellen  wieder  vernehmen  kann.  Diese  sprechen- 
den Bilder  sind  viel  geeigneter  zur  genauen  Wiedergabe 
von  Lauten  als  die  Sprechmaschinen,  da  elektrische  und 
Lichtwellen  kein  störendes  Geräusch  verursachen,  wie 
z.  B.  der  Membranstift  im  Phonographen. 

Sodann  wies  noch  Hr.  Oberstleutn.  a.  D.  Buchholtz 
auf  die  grosse  Zahl  von  Unglücksfällen  hin,  welche  noch 
ramer  beim  Besteigen  und  Verlassen  der  elektr.  Strassen- 
bahnwagen  verkämen,  und  wirft  die  Frage  auf,  ob  sich 
nicht  durch  zweckentsprechende  Aenderungen  in  der  Ein- 
richtung der  Wagen  dieser  Uebelstand  würde  beseitigen, 
oder  doch  die  Zahl  der  Unglücksfälle  vermindern  lassen. 
Er  sprach  mit  Bezugnahme  auf  die  Einrichtung  der  seit 
mehr  als  30  Jahren  in  Berlin  verkehrenden  Omnibus 
die  Ansicht  aus,  ob  nicht  die  seitlichen  Zugänge  zu  den 
Strassenbahnwagen  die  Schuld  an  den  Ünglücksfälien 
trügen.  Hier  Hesse  sich  vielleicht  Abhilfe  schaffen  durch 
Anordnung  zweckmässiger  Eingänge  an  den  Schmalseiten, 
also  an  den  beiden  Kopfenden.  Bei  Benutzung  von  An- 
hängewagen würde  allerdings  beim  vorderen  Wagen  das 
Besteigen  von  der  Seite  beibehalten  werden  müssen,  es 
Hesse  sich  aber  eine  Verbindung  beider  Wagen,  ähnlich 
der  in  den  D-Zügen,  zur  bequemen  Vertheilung  der  Mit- 
fahrenden herstellen. 

Die  Versammlung  beschloss,  auf  die  angeregte  wichtige 
Frage  später  zurückzukommen. 

In  üblicher  Abstimmung  wurden  in  den  Verein  auf- 
genommen als  einheimische  ord.  Mitgl.  die  Hrn.  Eisenb.- 
Bau-  u.  Betr.-Insp.  C.  Schwarz,  Betriebsdir.  Ad.  Lieb- 
mann, Ob.-  u.  Geh.  Brth.  Alfr.  Goepel;  als  auswärtige 
ord.  Mitgl.  die  Hrn.  Prof.  H.  Wegele  in  Darmstadt  und 
Ing.  Charles  0.  Gleim  in  Hamburg.  — 


Vermischtes. 

Die  neue  Rheinwerft  ln  Düsseldorf,  deren  Schlusstein 
am  8.  d.  M.  in  feierlicher  Weise  in  Gegenwart  des  Hrn. 
Minister  von  Thielen  verlegt  wurde,  bildet  den  Abschluss 
von  Arbeiten,  die  durch  den  Bau  des  Rheinhafens,  der 
im  Jahre  1896  vollendet  worden  ist,  eingeleitet  wurden. 
Diese  Arbeiten,  die  als  eine  nothwendige  Ergänzung  der 
sich  bereits  eines  lebhaften  Verkehrs  erfreuenden  Hafen- 
anlagen anzusehen  sind,  haben  eine  völlige  Umgestaltung 
des  Rheinufers  der  Stadt  zurfolge  gehabt,  das  sich  bis 
dahin  in  einem  vernachlässigten  Zustande  befand,  haben 
der  Stadt  anstelle  der  alten  Schiffbrücke  die  im  Jahre 
1898  vollendete  feste  Rheinbrücke  gebracht  und  schützen 
die  Altstadt  nunmehr  gegen  die  Ueberschwemmungen  bei 
Hochwasser.  Gewonnen  ist  der  Platz  zu  diesen  Anlagen 


durch  eine  erhebliche  Vorschiebung  des  Rheinufers  bei 
entsprechender  Abgrabung  am  gegenüberliegenden  linken 
Ufer.  Es  sind  etwa  184001“  dem  Strom  abgewonnen, 
der  hier  stellenweise  Tiefen  bis  zu  17  “ aufweist,  die  mit 
Baggergut  im  Schutze  einer  Steinschüttung  ausgefüllt  wur- 
den. Die  ersten  Regulirungsarbeiten  wurden  seinerzeit 
schon  im  Anschlüsse  an  die  neue  Brücke  ausgeführt,  in- 
dem damals  die  Werftstrasse  vom  Kohlenthor  auf  500  “ 
abwärts  um  30  “ vorgeschoben  wurde.  Hinter  der  tieferen 
Werft  wurde  eine  26  “ breite,  3 “ höhere  und  völlig  hoch- 
wasserfrei liegende  Strasse  hergestellt,  der  alte  Sicher- 
heitshafen zugeschüttet  und  mit  den  vorhandenen  alten, 
unansehnlichen  Bauten  dieser  Gegend  aufgeräumt. 

Die  neue,  über  Sommerhochwasser  liegende  20“  breite 
Werft  ist  mit  einer  Ufermauer  auf  Betongründung  einge- 
fasst. Sie  hat  zwei  an  den  Hafenbahnhof  angeschlossene 
Gleise  erhalten  und  besitzt  elektrisch  betriebene  Portal- 
krahne von  je  3 1 Tragfähigkeit.  Hinter  der  Werft,  wieder- 
um 3 “ höher,  liegt  eine  25  “ breite,  mit  Bäumen  be- 
pflanzte Uferstrasse,  deren  nach  dem  Rhein  zu  belegener 
8,6  “ breiter  Promenadenweg  unterkellert,  also  zu  Lager- 
zwecken der  Werft  zu  verwenden  ist. 

Die  obere  Uferstrasse  hat  architektonischen  Schmuck 
durch  einige  von  Hrn.  Stadtbrth.  Radke  ausgeführte 
Baulichkeiten,  den  sog.  Hafenvogt,  ein  Pegelhäuschen  und 
das  „Düsseischlösschen“  erhalten. 

Die  gesammten  wasserbaulichen  Arbeiten,  deren  Lei- 
tung dem  zu  diesem  Zwecke  aus  dem  Staatsdienste  be- 
urlaubten Wasser-Bauinsp.  Hrn.  Ottmann  oblag,  wurden 
von  Ph.  Holzmann  & Cie.  ausgeführt.  Die  Kosten  belaufen 
sich  auf  über  3 Mill.  M. 

Eine  weitere  Verbesserung  hat  die  Stadt  ferner  durch 
die  diesjährige  Ausstellung  erhalten  durch  Anschüttung, 
Vorschiebung  und  Sicherung  des  Ufers  der  sogen.  Golz- 
heimer Insel,  eines  tief  liegenden  Uferstreifens  unterhalb 
der  neuen  Rheinbrücke,  auf  welchem  zurzeit  die  Aus- 
stellungsbauten errichtet  sind  und  der  dann  später  ebenfalls 
zuLadezweckenbezw.zurBebauungbenutzt  werdenkann. — 

Deutsche  Städteaussteliung  in  Dresden.  Für  die  1903 
in  Dresden  stattlindende  Deutsche  Städte-Ausstellung  sind 
die  Anmeldungen  in  der  Hauptsache  eingegangen.  Die 
Betheiiigung  der  deutschen  Städte  an  der  Ausstellung 
wird  danach  eine  ausserordentlich  umfangreiche  werden 
und  schon  jetzt  lässt  sich  erkennen,  dass  der  städtische 
Ausstellungspalast  vollständig  von  den  Ausstellungs-Ge- 
genständen der  Städte  besetzt  werden  wird.  Die  Zahl 
der  betheiligten  Städte  ist  auf  126  gestiegen.  — 

Preisbewerbtmgen. 

Wettbewerb  des  Vereins  deutscher  Maschinen-Inge- 
nieure.  Der  Verein  hat  ein  Preisausschreiben  erlassen, 
das,  mit  drei  Preisen  von  5000,  3000  und  2000  Mk.  aus- 
gestattet, folgende  Bedingungen  stellt:  Es  wird  der  Ent- 
wurf einer  Lokomotive  verlangt,  die  imstande  ist,  auf 
gerader  Bahn  einen  Zug  im  Gewicht  von  etwa  180 1 mit 
einer  Geschwindigkeit  von  120  km  in  der  Stunde  auf  die 
Dauer  von  3 Stunden  ohne  Aufenthalt  zu  befördern.  Die 
Wasseraufnahme  kann  im  Fahren  in  Abständen  von  etwa 
120  km  statifinden.  Die  zulässige  Höchstgeschwindigkeit 
des  Zuges  soll  150  km  in  der  Stunde  betragen.  Es  werden 
ferner  verlangt  die  vollständigen  Entwürfe  von  Eisen- 
bahnwagen, die  noch  bei  Geschwindigkeiten  von  i5o  km 
in  der  Stunde  einen  durchaus  betriebssicheren  und  ruhi- 
gen Gang  haben  und  so  eingerichtet  sind,  dass  sie  den 
Reisenden  auch  bei  Unfällen  den  grösstmöglichen  Schutz 
bieten.  Auf  gute  Durchbildung  der  Einrichtungen  zur 
Lüftung,  Beheizung  und  Beleuchtung  der  Wagen  ist  Werth 
zu  legen;  die  Bremseinrichtungen  sollen  so  beschaffen 
sein,  dass  durch  sie  der  Zug  auf  dem  kürzesten  Wege 
zum  Halten  gebracht  werden  kann.  Der  Zug  soll  nur 
•eine  Klasse  führen  und  mindestens  100  Reisende  mit 
ihrem  Gepäck  aufnehmen  können.  Einrichtungen  zur 
Verabreichung  von  Erfrischungen  während  der  Fahrt 
sollen  vorhanden  sein.  — 

Brief-  und  Fragekasten. 

Stadt.  Tielbauamt  Fr.  Die  in  unserem  Anzeigentheil  ge- 
nannten grösseren  Firmen  für  Kunstschmiede- Arbeiten  sind  fast 
sämmtlich  in  der  Lage,  die  genannten  Arbeiten  zu  übeimehmen.  — 

Inhalt:  Berliner  Neubauten,  No.  102.  Die  Umwandluog  und  die  Neu- 
bauten des  Zoologischen  Gartens.  — Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung 
in  Düsseldorf  1902.  — Lieber  Radfahrwege.  — Das  Besprengen  chaussirter 
Strassen  mit  Roh-Peiroleum.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes. 
— Preisbewerbungep.  — Brief-  und  Fragehasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage;  Das  Verwaltungs-Gebäude  und 
der  Haupteingang  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitun^  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  I-T 0 fm ann,  Berlin.-  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


T44 


No.  22. 


IE  UMWANDLUNG  UND  DIE  NEUBAU- 
TEN DES  ZOOLOGISCHEN  GARTENS  IN 
BERLIN  * DAS  VERWALTUNGS-GEBÄU- 
DE UND  DER  HAUPTEINGANG  * ARCHI- 
TEKTEN: ZAAR  & VAHL  IN  BERLIN  * * 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG^ 
* XXXVI.  JAHRGANG  1902  — NO-  22  * 


jrr 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  23.  Berlin,  den  19.  März  1902. 


Die  katnolische  Westminster-Kalhcdralc  in  London.  Architekt:  John  F.  Bentley  f. 


John  Francis  Bentley  *j*.  (Hierzu  die  Abbildungen  auf  S 147.) 


m 2.  März  d,  J.  starb  in  London, 
unmittelbar  vor  Empfang  der  gröss- 
ten Auszeichnung,  welche  die  engli- 
sche Architektenschaft  zu  vergeben  hat 

— der  auf  Vorschlag  des  Royal  Institute  of 
British  Architects  zur  Verleihung  gelan- 
genden königlichen  Goldenen  Medaille 

— der  Architekt  John  Francis  Bentley, 
unseren  Lesern  durch  die  Vorführung 
des  Entwurfes  zu  seinem  bedeutendsten 
Werke,  oder,  wie  die  englischen  Fach- 
blätter mittheilen,  zu  dem  bemcrkens- 
werthesten  Werke,  welches  in  London 
seit  dem  Parlamentshause  errichtet 
wurde,  zu  der  neuen  römisch-katholi- 
schen Westminster-Kathedrale  in  Lon- 
don, in  No.  62  Jahrgang  1895  unserer 
Zeitung,  kein  Fremder  mehr.  Bentley 
ist  im  63.  Lebensjahre  einem  Schlagaii- 
fall  erlegen,  der  ihn  am  i.  März  be- 
troffen hatte.  Mit  ihm  scheidet  eine  der 
ausgesprochensten  der  älteren  Künstler- 
gestalten aus  der  Reihe  der  zeitgenössi- 
schen englischen  Fachgenossen  aus,  ein 
Architekt,  der  im  allgemeinen  zu  der 
englischen  neugothischen  Schule  gezählt 
wird,  jedoch  in  seinem  letzten  und  viel- 
leicht bedeutendsten  Werke,  das  er  lei- 
der nur  bis  zum  Rohbau  fördern  konnte 
und  unvollendet  hinterlassen  musste,  sich 
als  ein  selbständiger  Eklektiker  von 
scharf  umrissencr  persönlicher  Eigenart 
erwiesen  hat. 

Bentley  wurde  im  Jahre  1839  gebo- 
ren und  machte  seine  fachlichen  Stu- 
dien bei  Henry  Clutton,  Er  gehörte  mit 
Pearson,  Bodley,  Austin  und  anderen  zu 


jener  Gruppe  englischer  Neugothiker, 
welche  sich  von  dem  starren  Schulprin- 
zip, wie  es  Charles  Barry  bei  seinem  in 
dem  Jahrzehnt  von  1840—1850  errichteten 
Parlamentshause  durchgeführt  hatte  und 
welchem  auch  noch  G.  Gilbert  Scott 
huldigte,  lossagten  und  unbeengt  von 
einseitigem  Stilzwang  versuchten,  über 
den  Stilen  zu  stehen.  Die  letzte  Frucht 
dieser  befreienden  Bestrebungen  Bent- 
ley’s  waren  die  Entwürfe  zur  West- 
minster-Kathedrale. Dieses  bedeutende 
Werk  krönt  eine  erfolgreiche  Laufbahn, 
welche  mit  nur  wenigen  Ausnahmen 
im  Dienste  der  sakralen  Baukunst  stand. 
Von  seinen  hervorragendsten  Werken 
seien  in  dieserBeziehung  genannt  die  1859 
eingeweihte,  in  Sandstein  und  Ziegelbau 
errichtete,  aus  Kirche  und  Kloster  be- 
stehende Gebäudegruppe  der  „Unbe- 
fleckten Empfängniss“  und  von  St.  Fran- 
cis in  Bocking  Bridge,  Essex;  die  1900 
geweihten  kirchlichen  Gebäude  zum 
„Heiligen  Kreuz“  in  Watford;  ihnen  folg- 
ten kirchliche  Werke  in  Brixton.  Kensal 
Green,  Clapham,  Windsor,  Hammer- 
smith, Notting-Hill , Bayswater,  Leeds, 
Yorkshire,  Holborn,  Chelsea  usw.  Für 
Kardinal  Vaughan  baute  er  in  West- 
rainster  ein  Wohnhaus.  Anseinen  zahl- 
reichen Werken  war  Bentley  entweder 
als  Architekt  sowohl  für  den  Aufbau 
wie  für  die  gesammte  Ausschmückung 
beiheiligt,  oder  es  wurde  ihm  sehr  häufig 
für  bestehende  Gebäude  auch  die  letz- 
tere allein  übertragen.  Seine  reiche  Be- 
gabung für  dekorative  Ausschmückung 


Das  Schinkelfest  des  Architekten -Vereins  zu  Berlin. 


enn  ein  Verein,  wie  der  Architekten-Verein  zu  Berlin, 
auf  ein  78jähriges  Bestehen  zurückblicken  kann, 

wenn  seine  Mitgliederzahl  von  wenigen  Personen 

auf  über  2000  gestiegen  ist,  wenn  ferner  die  Ziele  und 
Bestrebungen  eines  solchen  Vereins  auf  einem  Gebiete 
liegen,  das  eine  derartige  beispiellose  Entwicklung  und 
Umwandlung  erfahren  hat,  wie  dasjenige  der  Technik, 
dann  ist  es  begreiflich,  wenn  auch  das  Vereinsleben 
mancherlei  Umgestaltungen  im  Laufe  der  Jahre  durch- 
machen musste.  An  einer  Einrichtung  jedoch  hat  der 
Verein  bisher  unverbrüchlich  festgehalten,  das  ist  die  fest- 
liche Versammlung  am  13.  März,  am  Geburtstage  des  vor 
nunmehr  60  Jahren  dahingeschiedenen  Altmeisters  Schinkel. 

Auch  in  diesem  Jahre  fand  sich  zu  diesem  Jahresfeste 
am  13.  d.  M.  eine,  wenn  auch  nicht  sehr  zahlreiche  Ge- 
sellschaft aus  Mitgliedern,  Gönnern  und  Freunden  des 
Vereins  in  dem  mit  der  Kolossalbüste  Schinkels  und 
reichem  Blumenflor  geschmückten  grossen  Saale  des 
Architekten-Hauses  zusammen.  Der  Hr.  Minister  d.  öffentl. 
Arbeiten  von  Thielen  war  persönlich  erschienen,  vom 
Reichseisenbahnamt  Wirkl.  Geh.  Ob.-Brth.  Streckert, 
vom  Ministerium  d.  öff.  Arb.  Hr.  Ministerialdir.  Schröder, 
ferner  die  Hrn.  Ob.-Baudir.  von  Dömming  und  Hinckel- 
deyn,  letzterer  gleichzeitig  in  seiner  Eigenschaft  als  Prä- 
sident der  Akademie  des  Bauwesens,  von  der  Technischen 
Hochschule  der  Rektor  Geh.  Brth.  Prof,  ßubendey  und 
Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Müller-Breslau.  Anwesend  waren 
ferner  die  Hrn.  Dir.  Ewald  und  Prof.  Julius  Lessing  als 
Vertreter  des  Kunstgewerbe-Museums,  Hr.  Maler  Wend- 
ling als  Vertreter  des  Künstler- Vereins,  Hr.  Geh.  Brth. 
vonderHudeals  Vorsitzender  der  VereinigungBerl.Arch., 
ausserdem  waren  auch  die  dem  Fache  angehörigen  Abgeord- 
neten Daub,Felisch,  Kindl  er  und  Macco  der  Einladung 
gefolgt.  Von  den  Ehrenmitgliedern  des  Vereins  nahmen  die 
Hrn.  Excellenz  Wiebe  und  Wirkl.  Geh.  Ob.-Brth.Prof.  Ad  1 er 
an  der  Feier  theil. 

Der  Vereins-Vorsitzende,  Hr.  Dir.  Beer,  eröffnete  die 
.Sitzung  mit  kurzen  Worten  der  Begrüssung  und  erstattete 
in  . üblicher  Weise  den  Bericht  über  das  .Vereinsleben  im 
vergangenen  Jahre.  Wir  entnehmen  aus  dem.selben  die 
folgenden  Angaben: 

Die  Mitgliederzahl  betrug  am  i.  Januar  1901  imganzen 
2075,  davon  5 Ehrenmitgl.,  716  einheimische  und  1354  aus- 
wärtige Mitglieder.  Trotzdem  eine.  Anzahl,  namentlich 
auswärtiger  Mitglieder,  ausschied  und  der  Tod  nicht  weniger 
als  38  Opfer  forderte,  war  die  Zahl  am  i.  Jan.  1902  auf 
2104  gestiegen.  Unter  den  Verstorbenen  sind  nicht  nur 
alte  und  treue  Mitglieder  des  Vereins,  sondern  auch  eine 
ganze  Reihe  von  Namen  zu  finden,  die  einen  guten  Klang 
in  der  Baukunst  und  im  technischen  Leben  hatten.  Wir 
nennen  nur  Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Jacobsthal,  Berlin, 
Wirkl,  Staatsrath  Exc.  Victor  Schroeter,  St.  Petersburg, 
Geh.  Brth.  August  Orth,  Geh.  Brth.  Prof.  H.  Garbe, 
denen  wir  schon  an  anderer  Stelle  Worte  ehrender  Er- 
innerung gewidmet  haben. 


Erfreulicher  Weise  kann  der  Verein  auch  auf  eine 
grosse  Anzahl  von  Mitgliedern  zurückblicken,  die  ihm  be- 
reits mehr  als  50  Jahre  angehören.  Im  vergangenen  Jahre 
konnte  das  Diplom  des  Vereins  für  50  jährige  Mitgliedschaft 
verliehen  werden  an  die  Hrn.  Geh.  Brth.  Theod.  Düster- 
haupt in  Freienwalde  a.  O.,  Brth.  Leopold  Petri  in  Det- 
mold, Wirkl.  Geh.  Ob.-Reg.-Rth.  Kinel  in  Berlin,  der  dem 
Verein  ausserdem  als  Ehrenmitglied  angehört,  und  Geh. 
Ob.-Brth.  Theod.  Kozlowski  in  Eberswalde. 

Eine  besondere  Auszeichnung  wurde  den  Mitgliedern 
Geh.  Brth.  Wilhelm  Böckmann,  Berlin,  dem  verdienst- 
vollen Förderer  des  Berliner  Bauwesens  und  des  Archi- 
tekten-Vereins,  und  Ob.-Baudirektor  Franzius  in  Bremen, 
dem  hervorragenden  Vertreter  der  Wasserbaukunst,  durch 
Verleihung  der  Ehrenmitgliedschaft  zutheil,  gelegentlich 
der  Feier  ihres  70.  Geburtstages*). 

Der  Bericht  erstreckte  sich  dann  noch  auf  die  wirth- 
schaftlichen  Verhältnisse  des  Vereins,  die  Stiftungs-  und 
Unterstützungskassen  desselben,  die  Vergrösserung  und 
den  Bestand  der  stattlichen,  werthvollen  Bibliothek  und 
schliesslich  auf  das  Vereinsleben,  wie  es  in  den  Versamm- 
lungen, Vortragsabenden,  Besichtigungen  und  auch  in  den 
geselligen  Veranstaltungen  zum  Ausdruck  kommt. 

Zum  Schlüsse  ging  der  Vorsitzende  zu  dem  Ausfall 
der  diesjährigen  Schinkel- Konkurrenz  über  und  bat  den 
Hrn.  Minister,  den  Siegern**)  die  Medaillen  überreichen 
zu  wollen,  was  mit  Worten  der  Anerkennung  und  An- 
spornung zu  weiterem  Streben  geschah.  Daran  knüpfte 
der  Vorsitzende  selbst  noch  die  Glückwünsche  des  Vereins 
und  bat  dann  den  Festredner  des  Tages,  Hrn.  Dir.  Dr. 
Jessen,  Vorsteher  der  Bibliothek  des  Kunstgewerbe- 
Museums  in  Berlin,  mit  seinem  Vortrage  zu  beginnen. 

Redner  hatte  sich  das  Thema  der  „Erziehung  des 
Raumsinnes“  gestellt.  Seinen  Ausführungen,  die  mit 
Beifall  aufgenommen  wurden,  entnehmen  wir  den  folgen- 
den, kurzen  Gedankengang. 

Redner  knüpfte  an  die  im  Hochbau  gestellte  Schinkel- 
aufgabe  an,  die  ein  durchaus  zeitgemässes  Thema  berührte, 
da  ein  Gebäude  zur  Volkserziehung  zu  schaffen  war,  also 
eine  Frage  behandelt  wurde,  die  zusammen  mit  der  Jugend- 
bildung im  Mittelpunkt  des  heutigen  Interesses  stehe.  Mit 
der  hohen  Bewerthung,  deren  sich  die  Schule  heute  erfreut, 
treten  andieselbe  aber  auch  von  allen  Seiten  neue  Ansprüche 
heran.  Auch  eine  Vertiefung  der  künstlerischen  Erziehung 
soll  angebalint  werden,  denn  die  Kunst  hat  keinen  festen 
Boden,  nicht  das  richtige  Verständniss  im  Volke,  und  als 
Folge  davon  haben  sich  unsere  Künstler  z.  Th.  von  der 
Allgemeinheit  abgewendet  und  pflegen  eine  unfruchtbare 
Kunst  für  die  Künstler.  Die  Erkenntniss,  dass  hier  etwas 
geschehen  muss,  ist  allgemein.  Ein  Bild  von  den  mannich- 
fachen  darauf  gerichteten  Bestrebungen  gab  der  i.  deutsche 
Kunsterziehungstag,  der  im  Herbst  v.  J.  in  Dresden  stattfand. 


*)  Vergl.  Dtsch.  Bztg.  1902  S.  4a  \rad  114. 
Vergl.  die  Namen  S.  128. 


war  in  gleichem  Maasse  geschätzt,  wie  seine  Begabung 
für  die  Bewältigung  der  grossen  Massen  seiner  umfang- 
reichen Bauaufgaben. 

Die  römisch-katholische  Kathedrale  von  Westminster, 
zu  welcher  noch  der  Kardinal  Manning  den  Grund  erwarb 
und  zu  welcher  am  i.  Juli  1895  der  Grundstein  gelegt 
wurde,  ist  das  Werk  des  Künstlers,  welches  seine  Eigen- 
art: freie,  eklektische  Verwendung  der  Stile  und  ein  reiches 
dekoratives  Vermögen,  am  sprechendsten  zum  Ausdruck 
bringt.  Wenn  wir  in  den  beistehenden  Abbildungen  ein 
Bild  des  Werkes  geben,  so  kann  dies  nur  ein  ungefähres 
sein,  denn  auch  Bentley  gehörte  zu  den  zurückgezogenen, 
stillen  Künstlernaturen,  welche  in  der  Einsamkeit  der 
Zeichenstube  so  völlig  in  ihrem  Werke  aufgehen  und  mit 
ihm  verwachsen,  dass  seine  Gestaltung  erst  dann  als  ab- 
geschlossen gelten  darf,  wenn  das  Werk  vollendet  dasteht. 
Gleichwohl  sind  sie  geeignet,  die  Meisterschaft  des  Ver- 
storbenen wenigstens  anzudeuten.  Bei  der  Kathedrale 
ging  Bentley  durchaus  auf  altchristliche  Vorbilder,  in  erster 
Linie  auf  die  alte,  konstantinische  Basiliska  von  St.  Peter 
in  Rom  zurück.  Die  Pläne  hierzu,  sowie  die  ravennatischen 
Bauten  und  die  altchristlichen  Kirchen  in  Venedig,  auf 
Murano,  in  Mailand  usw.  studirte  er  während  eines  länge- 
ren Aufenthaltes  in  Italien,  welcher  den  Ausführungs-Ent- 
würfen voranging.  Auf  dieser  Grundlage  entstand  das, 
was  unsere  Skizzen  andeuten.  Bentley  war  leider  nicht 
zu  bewegen,  mehr  über  das  Werk  zu  veröffentlichen,  als 
was  der  Einzeichnungsbogen  für  die  Beiträge  zum  Kirchen- 
bau enthielt.  Nicht  er  hatte  das  Werk,  sondern  das  Werk 
hatte  ihn  in  solchem  Maasse,  dass  er  erst  dann  eine  innere 
Befriedigung  darüber  fand,  wenn  es  fertig  war.  Um  so 


mehr  muss  man  bedauern,  dass  es  dem  Künstler  nicht 
mehr  beschieden  war,  nach  dem  Rohbau  auch  die  innere 
Ausschmückung  zu  vollenden,  von  welcher  Grosses  er- 
wartet werden  konnte. 

Die  allgemeine  Anlage  und  die  stattlichen  Maasse  des 
Gotteshauses  gehen  aus  unserer  Grundriss-Skizze  hervor. 
Die  Kirche  liegt  nur  an  ihrer  Vorderseite  völlig  frei;  an 
ihren  beiden  Langseiten  ist  sie  eingebaut  und  an  der  Chor- 
seite auf  geringe  Entfernung  durch  hohe  Häuser  umbaut.  Die 
Choransicht,  welche  wir  nach  dem  „Builder“  wiedergeben, 
stellt  die  künstlerische  Haltung  des  Aufbaues  am  treuesten 
dar  und  lässt,  mit  der  Skizze  der  Vorderansicht  zusammen- 
gehalten, erkennen,  dass  Bentley  im  Laufe  der  Ausführung 
von  einer  etwas  zu  heterogenen  Stilmischung  auf  eine 
strengere  Einheitlichkeit  zurückging.  Der  Glanzpunkt  des 
Werkes  ist  das  Innere  mit  seiner  einfachen  Linienführung, 
seinen  Kuppeln  und  seiner  grossen  Weiträumigkeit.  Die 
Konzentration  der  künstlerischen  Kraft  und  Mittel  für  das 
Innere  war  bei  den  ungünstigen  Eigenschaften  der  Baustelle 
naheliegend.  Und  gerade  dieser  bedeutendste  Theil  des 
W erkes  ist  nunmehr  fremden  I-Iänden  überlassen.  Möchten 
sie  eingehende  Vorarbeiten  dafür  vorfinden  und  wenn  es 
der  Fall  ist,  so  möge  ihnen  die  grösste  Pietät  zur  Pflicht 
gemacht  werden.  Denn  hier  hat  ein  Grosser  seine  Spuren 
hinterlassen. 

Mit  der  Feierlichkeit,  die  seiner  künstlerischen  Be- 
deutung entsi^rach,  wurde  Bentley  am  5.  März  bei  St.  Mary 
in  Chapham  durch  Kardinal  Vaughan  der  Erde  über- 
geben. Diese  schliesst  nun  einen  der  besten  Künstler 
des  neuen  England  ein.  — 


146 


No.  23. 


Auch  die  Baukunst  hat  ein  Interesse  an  diesen  Bestre- 
bungen, denn  es  geht  ihr  wie  den  übrigen  Künsten;  auch 
bei  ihr  ist  das.  was  die  Schule  bisher  lehrte,  mehr  eine  Ein- 
prägung von  Einzelheiten,  als  ein  Eindringen  in  das  Wesen. 

Worin  liegen  nun  eigentlich  das  Wesen  und  die  Wir- 
kung eines  Bauwerks?  Nicht  sowohl  im  Stil,  im  Material 
oder  im  Schmuckwerk,  als  vor  allem  in  der  „Macht  des 
Raumes'*,  wie  das  Lucae  schon  vor  30  Jahren  betonte; 
der  Raumgedanke  ist  es,  der  das  Bauwerk  von  innen  nach 
aussen  durchdringen  soll,  den  wir  andererseits  erfassen 
müssen,  wollen  wir  das  Wesen  des  Bauwerks  verstehen  und 
den  vollen  Genuss  von  seiner  Schönheit  haben.  Das  gilt 


das  Verständniss  für  die  Einwirkung  des  Stoffes  auf  die 
Formgebung  zu  gewinnen  und  Handfertigkeits-Unterricht 
sind  werthvolle  Hilfsmittel. 

Das  Verständniss  des  Raumes,  namentlich  des  Innen- 
raumes, kann  jedoch  nur  am  Bauwerk  selbst,  in  diesem 
Falle  dem  Schulgebäude  geweckt  und  geübt  werden. 
Deswegen  können  wir  unsere  Schulgebäude  — für  die 
ärmeren  Klassen  oft  das  einzige  Gebäude,  das  sie  ausser 
ihrem  ärmlichen  Heim  betreten  — nicht  künstlerisch  genug 
ausstatten,  um  so  schon  in  die  Kindesseele  den  Keim 
zum  Verständniss  der  Kunst  zu  legen. 

Wie  dann  die  Fachschulen  und  technischen  Hochschulen 
in  dem  heranwachsenden  Bau- 
künstler den  Raumsinn  weiter  zu 
erziehenhaben,  das  sei  eineAuf- 
gabe,  deren  Lögung  Redner  den 
berufenen  Vertretern  des  Faches 
selbst  überlassen  wolle. 

An  die  Festrede  schlossen 
sich,  wie  üblich,  ein  Rundgang 
durch  die  vorderen  Säle  zur 
Besichtigung  der  ausgestellten 
Wettbewerbs  - Arbeiten , sowie 
schliesslich  das  Festmahl  an, 
das  dieTheilnehmer  noch  einige 
Stunden  in  froher  Stimmung  zu- 
sammenhielt. — £ 


MittheiluQgen  aus  Vereinen. 


Die  kathol.  Westminster- Kathedrale  in  London.  Architekt;  John  Francis  Bentley  f- 


Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Ham- 
burg. Vers,  am  10.  Jan.  1902. 
Vors.  Hr.  Zimmermann.  Auf- 
gen. Hr.  Ing.  C.  Hunvik,  In  den 
Ausschuss  über  Aufnahme  der 
Streikklausel  in  die  Verträge  mit 
Unternehmern  werden  die  Hrn. 
Hennicke,  Heubel,  Carl  El- 
vers,  Reichardt,  Ruppel, 
Vering  u.  Dr.  Wenzel  gewählt. 

Den  Jahresbericht  stattet  Hr. 
Goebel  ab.  — Es  schliesst  sich 
daran  der  Vortrag  „Ueber  den 
Hafenbau  in  Kiautschou“ 
von  firn.  Ing.  Kleinrath,  der 
bei  der  Firma  Vering  in  Ham- 
burg, dem  Unternehmer  für  die 
Hafenbauten,  beschäftigt  ist  (s. 
Pläne  Jahre.  1900  S.  124  u.  127.) 

Der  Hafen  in  der  Nähe  der 
vollständig  neu  entstandenen 
Europäerstadt  Tsingtau,  an  der 
nordöstlichen  Spitze  der  Kiaut- 
schou-Bucht,  soll  ein  grosses 
Becken  von  rd.  200  Grösse, 
etwa  gleich  der  Aussenalster, 
und  ein  kleineres  von  35  ha  er- 
halten bei  10®  bezw.  6“  Wasser- 
tiefe, die  vor  dem  Werftgebiet 
für  ein  Schwimmdock  auf  15“ 
vergrössert  wird  für  Schiffe  von 
14000  Reg.-Tons  = rd.  40000 
ZumSchutze  der  Schiffe  werden 
Steindämme  als  Wellenbrecher 
geschüttet  und  nur  einige  Molen 
mit  festen  Kaimauern  versehen, 
so  die  Kohlen-  und  die  Handels- 
mole und  am  Werftgebiet  eine 
längere,  frisch  zu  schüttende 
Landzunge.  Dazu  sind  rd. 
4 000  000  cb®  Boden  zu  baggern, 
rd.  3,7  Kaimauern  zu  bauen 
und  rd.  7 Steindämme  zu 
schütten.  Diese  von  der  Reichs- 
regierung geplante  ctossc  An- 
lage wird  durch  die  Molen  gegen 


besonders  auch  von  unserer  deutschen  Baukunst.  Wollen 
wir  also  das  Verständniss  für  unsere  Baukunst  in  breitere 
Schichten  eindringen  lassen,  so  müssen  wir  schon  die 
Jugend  zu  künstlerischem  Raumgefühl  erziehen. 

Kann  man  nun  aber  den  „Raumsinn“  erziehen?  Bis 
zu  einem  gewissen  Grade  ja.  Er  schlummert  im  Kinde  und 
braucht  nur  geweckt,  nur  gestärkt  zu  werden.  Die  Schule 
kann  auf  diesem  Geoiete  Manches  leisten.  Verständniss- 
voller,  wieder  mehr  der  Natur,  als  dem  besten  Vorbilde 
zugewendeter  Zeichenunterricht,  frühzeitiges  Formen  in 
Thon,  dann  aber  auch  später  in  härterem  Material,  um 


den  die  Bucht  gefährdenden 
NW- Wind  geschützt.  Die  Kai- 
mauern müssen  1903  fertig  werden,  so  dass  mit  den  Kai- 
anlagen und  Oberbauten  begonnen  werden  kann. 

Der  Bau  wird  dadurch  erschwert,  dass  der  nächste 
Ort,  der  für  Bezugsquellen  inbetracht  kommt,  Shanghai  ist 
und  alles  Wichtigere  von  Europa  aus  beschafft  werden 
muss ; ausserdem  hindern  schwere  Stürme  und  grosse  Kälte 
den  schnellen  Fortgang  der  Arbeiten,  ebenso  längere 
Regenzeit  und  die  geringe  Anstelligkeit  der  einheimischen 
Arbeitskräfte,  denen  nur  wenige  europäische  Handwerker 
und  22  Beamte  von  hier  aus  beigegeben  sind.  Wohl  aus- 
gerüstete Reparatur-Werkstätten,  Wohngebäude,  Arbeiter- 


19,  März  1902. 


147 


Baracken  und  i Bagger  von  der  Akt.-Ges.  „Weser"  sind 
vollständig  zerlegt  und  für  15000  M.  an  Ort  befrachtet 
worden.  — Die  Landung  der  Geräthe  war  im  Anfang 
mangels  irgendwelcher  Entlade-Vorrichtungen  sehr  schwie- 
rig und  wird  jetzt  durch  einen  25  t Tragfähigkeit  besitzen- 
den Schwimmkrahn  sowie  4 fahrbare  Dampfkrähne  von 
2,5—15 1 bewältigt. 

Das  Baggern  wird  durch  2 ältere  und  i neuen  Bagger 
„Hephaistos"  bewirkt,  letzterer  erbaut  von  A.  F.  Mulders 
in  Rotterdam,  45  m lg.,  8,5  ^ br.,  2,6  m Tiefgang,  3,6  ™ Ramm- 
tiefe, 390  Reg.-T.  (zu  2,832  cbm).  Das  Baggerschiff  hat  in 
der  Längsaxe  einen  nach  hinten  offenen  Schlitz,  in  welchem 
sich  die  Eimerleiter  auf  und  nieder  bewegt.  Der  Bagger 
ist  ein  Seitenschütter  und  kann  „vor  Kopf",  also  sich  selbst 
seine  Fahrrinne  baggern.  Die  Leiter  ermöglicht  bei  einer 
Neigung  von  45  ^ gegen  den  Wasserspiegel  eine  Baggerung 
von  II  “ Tiefe, 'kann  aber  um  noch  4 m tiefer  gerückt  wer- 
den, sodass  es  möglich  ist,  bei  einer  Schrägstellung  der 
Leiter  unter  60  0 bis  zu  18 '''  Tiefe  zu  baggern.  Zum  Heben 
und  Senken  der  Leiter  dient  eine  Dampfwinde ; die  aus 
Stahlblech  konstruirten  Eimer  fassen  je  500  k Der  Antrieb 
des  Eimerwerkes  erfolgt  zweiseitig  durch  Winkelzahnräder 
und  Riemenantrieb  von  einer  der  beiden  beliebig  auszu- 
schaltenden Hauptmaschinen  von  je  250  P.S.  Zwischen 
Maschinen  und  Eimerwerk  wird  die  Ein-  und  Ausschaltung 
durch  eine  von  Deck  zu  bedienende  Reibungs-Kuppelung 
bewirkt,  welche  bei  plötzlich  auftretenden  Widerständen 
und  Hindernisseu  das  Eimerwerk  augenblicklich  zum  Still- 
stehen bringt.  — Die  Kohlenbunker  fassen  30 1,  die  drei 
Stisswassertanks  zusammen  18  cbm.  Zwei  Zentrifugalpumpen 
dienen  zur  Förderung  des  Baggergutes  vom  Bagger  über 
See  und  über  Land  nach  der  Ablagerungsfläche.  Nach 
Art  der  Pumpen,  die  auch  als  Säugpumpen  verwendet 
werden  können,  besitzt  der  Bagger  dreifache  Verwendungs- 
art; als  Eimerbagger  für  Entladung  in  Transportgefässe 
mittels  Schütteimern;  desgl.  in  Verbindung  mit  einer  Spül- 
vorrichtung; als  Saugbagger  mit  Spülvorrichtung  für  den 
dort  vorherrschenden  Klaiboden.  Die  zugesicherte  Leistung 
des  Baggers  beträgt  300  cbm  in  der  Stunde.  Die  ganze  Ein- 
richtung und  Ausstattung  des  Baggerschiffes  entpricht  den 
Anforderungen  an  ein  Seeschiff. 

Zur  Bedienung  der  Bagger  sind  2 Dampfer  vorhanden, 
auf  deren  einem  eine  grosse  Taucherglocke  aufgestellt  ist, 
sowie  8 in  Holland  gebaute  Klappschuten. 

Die  Rohrleitung  von'5oomm  D.  ist  (mit  Rücksicht  auf 
den  Bohrraum)  auf  eisernen  Doppel-Schwimmkörpern  ge- 
lagert. — Die  Rohre  sind  mit  Universal-Gelenken  nach 
Patent  C.  Vering  verbunden,  welche  Krümmungen  der 
Leitungen  nach  allen  Richtungen  um  einen  Ausschlag- 
winkel von  35  0 ermöglichen.  Die  Konstruktion  beruht  auf 
der  sogenannten  cardanischen  Aufhängung  in  2 Achsen 
eines  Ringes  und  zeigt  als  elastisches.  Zwischenglied  bei 
den  Gelenken  Lederschläuche  der  Firma  F.  Otto  Gehrkens- 
Hamburg  mit  Doppelschellbändern  auf  Winkeleisenflan- 
schen. Gummischläuche  sind  wegen  Klima  und  Seewasser 
dort  nicht  brauchbar,  daher  auch  Asbest dichtungen  zwischen 
den  Flanschen  nöthig  wurden.  Die  Schwimmkörper  aus 
Eisen  sind  pontonartig  gebaut  mit  einer  zylindrischen  Aus- 
sparung in  der  Mitte,  um  einen  Abfluss  überschlagenden 
Wassers_  zu  ermöglichen  und  innen  durch  4 Abtheilungen, 
mit  je  einem  Mannloch  getheiit. 

Der  Bagger  kostet  rd.  490000  M.,  davon  Versicherung 
und  Transport  110  000  M. , Rohrleitung  frei  Hamburg 
80000  M.,  beide  zusammen  an  Ort  rd.  600000  M. 

Im  Jahre  sind  450  000  cbm  Boden  gebaggert  bei 
etwa  200  Arbeitstagen  und  200  000  cbm  Steindämme  ge- 
schüttet mit  rd.  800  Arbeitern  ausschl.  der  Steinbruch- 
Arbeiter  an  dem  etwa  i Stunde  Weges  von  der  Küste 
liegenden  Bismarck-Berge.  Von  hier  bringen  3 Loko- 
motiven mit  60  cm  und  6 mit  90«“  Spurweite  auf  rd.  20  tm 
Gleis  in  80  Muldenkippwagen  und  75  eisernen  Transport- 
wagen mit  3 cbm  Fassungsraum  die  Steinmassen  herbei. 
Die  Kaimauern  zeigen  noch  wenig  Fortschritte  wegen  er- 
forderlicher Felsbohrungen.  Die  zu  verwendenden  Spund- 
bohlen sind  in  Eisenbeton  hergestellt,  d.  i.  als  ein  Gerippe 
von  2 Doppel-T-Trägern,  die  in  Abständen  wieder  mit 
I-Eisen  verbunden  sind,  eingehüllt  in  Beton.  Zum  siche- 
ren Einführen  in  den  Klaiboden  werden  bei  25/45  Bohlen- 

querschnitt 30  cm  weite  Löcher  vorgebohrt  und  die  rd.  3^^ 
wiegenden  Bohlen  mit  besonderen  Rammen  und  372^^ 
wiegendem  Bär  eingeschlagen.  Die  Dampframme  nach 
Patent  der  Firma  Menk  & Hambrock  in  Altona  hat  bis 
Unterkante  des  hochgezogenen  Bars  18 Höhe  und  er- 
möglicht eine  Schrägstellung  der  Läuferruthe  bis  1:4  nach 
hinten,  1 ; 10  nach  vorn.  Die  am  Ort  in  bedeckten  Räu- 
men hergestellten,  hochgestellt  aufgestapelten  und  in  einer 
von  der  Firma  F.  H.  Schmidt-Altona  eigens  dazu  herge- 
richteten Deckschute  transportirten  Bohlen  werden  durch 
noch  weitere  4 Dampf-Rammen  wie  oben  mit  i6oo  kg  Bär- 

148 


gewicht  und  eine  Schwimm-Ramme  mit  1400  kg  Bär  ein- 
gerammt und  schützen  den  hinter  ihnen  liegenden  Pfahlrost 
vor  dem  gefährlichen  Bohrwurm,  welcher  es  erforderlich 
macht,  dass  die  hölzernen  Fahrzeuge  der  Chinesen  alle 
2—3  Wochen  auf  den  Strand  gesetzt,  abgebrannt  und  neu 
getheert  werden  müssen. 

Der  äusserst  lehrreiche  Vortrag,  zu  dessen  Verständ- 
niss  eingehende  Zeichnungen  und  Photographien  aushin- 
gen, erntete  den  lebhaften  Dank  des  Hrn.  Vorsitzenden 
und  der  Versammlung.  Gbl. 

Vers,  am  17.  Jan.  1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann, 
anwes.  168  Pers.  Aufgen.  die  Hrn.  Ing.  M.  Temme, 
Brandmstr.  W.  Herzog,  Volontär  bei  der  Feuerwehr  L, 
Schiunk  und  Ing.  J.  H.  Brandt. 

Es  spricht  Hr.  Haller  in  eingehender,  höchst  fesseln- 
der Weise  über  den  Wettbewerb  für  ein  Bismarck-Denk- 
mal in  Hamburg. 

Es  giebt  ferner  Hr.  Necker  eine  geschichtliche  Dar- 
stellung der  Entstehung  und  Entwicklung  der  Innungen 
und  Zünfte,  um  zum  Schluss  deren  Bestand  in  Hamburg 
und  ihren  Einfluss  auf  das  althamburgische  Bauwesen  an 
zahlreichen  Beispielen  zu  schildern.  Er  erwähnt  dabei 
eine  ganze  Reihe  früherer  hamburgischer  Baugewerks- 
meister und  bespricht  ihren  Wirkungskreis  durch  Hin- 
weis auf  die  wichtigeren  von  ihnen  geschaffenen  Bauten. 
Beide  Redner  ernten  reichen  Dank  der  Versammlung.  — 
. Hm. 

Vermischtes 

Ein  internationaler  kunsthistorischer  Kongress  in  Inns- 
bruck findet  in  den  Tagen  vom  9.— 12.  Sept.  d.  J.  statt. 
Mit  dem  Kongress  ist  eine  Ausstellung  von  Werken  lebender 
Tiroler  Künstler  sowie  älterer  Kunstwerke  Tirols  und  aus 
tirolischem  Privatbesitz  verbunden  und  es  werden  Aus- 
flüge nach  landschaftlich  und  künstlerisch  anziehenden 
Oertlichkeiten  veranstaltet.  Alle  Auskünfte  vermittelt  Hr. 
Prof.  Dr.  Hans  Semper  in  Innsbruck,  Sillgasse  No.  21.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  betreffend  Entwürfe  für  ein  Stifts- 
gebäude der  Elly  Hölterhoff-Böcking  Stiftung  in  Honnef  wird 
von  dem  bez.  Kuratorium  zum  i.  Juli  d.  J.  für  deutsche 
Architekten  erlassen.  Es  gelangen  3 Preise  von  2000, 
1500  und  1000  M.  zur  Vertheilung;  ein  Ankauf  nicht  preis- 
gekrönter Entwürfe  für  je  500  M.  ist  Vorbehalten.  Unter 
dem  aus  10  Mitgliedern  bestehenden  Preisgerichte  sind 
die  Hälfte  Sachverständige  des  Baufaches,  und  zwar  die 
Hrn.  kgl.  Brth.  Schulze,  Stdtbrth.  Schultze,  Stdtbrth. 
a.  D.  V.  Noel,  Reg.-Bmstr.  Thoma  und  Landesbauinsp. 
Weyland,  sämmtlich  in  Bonn.  — 

Ein  Preisausschreiben  betr.  Entwürfe  für  ein  Sparkassen- 
gebäude- ln  Schluckenau  in  Böhmen  erlässt  die  Direktion 
zum  15.  Mai  d.  J.  Es  gelangen  3 Preise  von  2000,  1200 
und  800  Kr.  zur  Vertheilung  und  es  behält  sich  die  Di- 
rektion das  Recht  vor,  nicht  preisgekrönte  Entwürfe  „im 
Höchstbetrage  von40oKr.in  ihr  Eigenthum  zu  erwerben“. — 


Brief-  und  , Fragekasten. 

{Hrn.  Bmstr.  F.  W.  in  Eschweiler.  Schiefe  Thürme  mit 
mehr  oder  weniger  Abweichung  von  der  Senkrechten  finden  Sie 
noch  in  einer  ganzen  Reihe  von  italienischen  Städten,  wir  nennen 
zunächst  nur  Bologna,  Venedig  usw.  Ueber  den  Grad  der  Ab- 
weichung sind  wir  nicht  unterrichtet,  die  Standfähigkeit  erscheint 
im  allgemeinen  nicht  beeinträchtigt,  denn  mehrere  der  Thürme 
stehen  schon  seit  Jahrhunderten  schief.  — 

Hrn.  B.  K.  in  Eltville.  Für  die  von  Ihnen  beabsichtigten 
konstruktiven  Maassnahmen  sind  die  Vorkehrungen  maassgebend, 
welche  man  bei  den  Tresoren  anzuwenden  pflegt.  Im  Anzeigen- 
theil  unserer  Zeitung  finden  Sie  hier  einschlägige  Firmen  genannt.  — 

Hrn.  Ach.  S.  G.  in  S.  Ihre  Angelegenheit  entbehrt  des  all- 
gemeinen Iiitevesse.Si  welches  wir  für  Briefkasten-Beantwortungen 
voraussetzen  müssen.  — 

Hrn.  R.  G.  in  Oelsnitz.  „Vor“  dem  Wassermesser  liegt 
derjenige  Theil  der  Leitung,  der  das  Wasser  aus  dem  Strassenrohr 
in  das  Grundstück  einführt;  dagegen  liegen  die  sogen,  häuslichen 
Leitungen  „hinter“  dem  Wassermesser.  Hiernach  werden  Sie 
nicht  im  Zweifel  sein  können,  wo  die  verlangte  Absperrung  anzu- 
bringen ist.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

1.  Welche  Erfahrungen  sind  mit  „Sanitas“,  fugenloser  Fuss- 
boden,  gemacht?  Ist  die  Haltbarkeit  gleichwerthig  mit  gewöhn- 
lichen Hobeldielen? 

2.  Es  wird  beabsichtigt,  Sanitas  in  Schankwirthschafts-Räumen 
zu  verwenden;  ist  der  Belag  zu  diesem  Zwecke  zu  empfehlen? 

Arch.  O.  in  Münster. 

Inhalt;  John  Francis  Bentley  f.  — Das  Schmkelfest  des  Arcliitekten- 
Vereins  zu  Berlin.  — Mittheiluagen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — 
Preisbewerbungen.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeltun^  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Ho fm ann,  Berlin.  Druck  von  Wiih.  Greve,  Berlin. 

No.  23. 


Das  Elephantenhaus.  Architekten:  Ende  & Böckmann.  (Nach:  „Zeitschrift  für  Bauwesen“.) 

Berliner  Neubauten. 

No.  102,  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens. 

(Fortsetzung)  Hierzu  die  Abbildungen  S.  152,  153  und  155. 


■"  ei  dem  bis  dahin  herrschenden  Zustande  des 

■ I ^^^1  Zoologischen  Gartens  zunächst  als  Garten 
1 1 war  eine  dauernde  Beseitigung  der  Ursachen, 

I welche  immer  und  immer  wieder  zu  den  am 

”*^**^'  Schlüsse  unseres  ersten  Theiles  erwähnten 
Klagen  führten,  nur  möglich,  wenn  durchgreifende 
Aenderungen  mit  freilich  auch  erheblichem  Kosten- 
aufwande  unternommen  wurden.  In  erster  Linie  galt 
es,  im  Garten  eine  grössere  Ordnung  zu  schaffen,  und 
der  Anlage  die  mangelnde  Uebersichtlichkeit,  über  die 
von  den  zahlreichen  Sonntagsbesuchcm  hauptsächlich 
geklagt  wurde,  zu  geben.  Fast  ein  Drittheil  des  Gar- 
tens lag  für  seine  eigentlichen  Zwecke  unbenutzt  da 
und  bildete  Lagerplätze  für  Kohlen  und  für  Materialien 
aller  Art,  soweit  dieser  Theil  nicht  überhaupt  Wildniss 
war.  Es  galt  daher  zunächst,  die  zerstreuten  Lager-  und 
Kohlenplätze  zu  einem  Wirthschaftshof  und  zu  einem 
zentralen  Kohlenlager  zu  vereinigen  und  aus  dem  frei 
werdenden  Raum,  sowie  aus  den  aufgeschlossenen 
Theilen,  die  verwildert  dalagen,  Baugelände  für  neue 
Thierhäuser  zu  schaffen.  Zu  ersterem  Zwecke  wurden 
rechts  neben  dem  Haupteingang  am  Kurfürstendamm 
ein  Maschinen-  und  ein  Kohlcnhof  und  links  vom 
Haupteingang  ein  umfangreicher  Wirthschaftshof  an- 
gelegt. Durch  diese  Vereinigung  des  wirthschaftlichen 
Betriebes  an  zwei  bestimmten  Stellen  wurde  dieser 
Betrieb  nicht  nur  vereinfacht,  sondern  es  wurde  für 
denselben  auch  eine  leichtere  Ueberwachung  möglich. 

Diese  Neuordnung  des  Wirthschaftsbetriebes  bezw. 
die  Beseitigung  der  zerstreuten  Lagerplätze  war  zu- 
gleich der  erste  Schritt  zur  Erhöhung  der  Uebersicht- 
lichkeit des  Gartens.  Letztere  hatte  naturgemäss  an  die 


drei  Haupteingänge,  sowie  an  die  bestehenden  Haupt- 
gebäude anzuknüpfen.  Es  wurde,  wie  der  Lagcplan 
S.  140  zeigt,  im  Herzen  des  Gartens  die  sogenannte 
„Dreisternpromenade“  derart  angelegt,  dass  vom 
Haupteingang  am  Kurfürstendamm  aus  eine  breite 
Allee  in  das  Innnere  des  Gartens  geführt  wurde,  auf 
welche  von  der  Richtung  des  zweiten  Haupteinganges 
an  der  Lichtensteinbrfleke  her,  sowie  für  die  Besucher, 
welche  durch  den  dritten  Haupteingang  gegenüber 
dem  Bahnhof  „Zoologischer  Garten“  den  Garten  be- 
treten, zwei  weitere  Alleen  inform  eines  dreitheiligen 
Sternes  stossen.  Im  Schnittpunkte  wurde  eine  Leucht- 
fontaine angelegt,  die  fortan  den  scharf  hervortreten- 
den Mittelpunkt  des  Gartens  bildet.  Die  Dreistern- 
promenade wurde  in  reichster  Weise  mit  Beleuchtung 
und  Blumenanlagen  ausgestattet  und  in  ihren  Breiten- 
abmessungen in  einer  über  das  einfache  Bedürfniss 
so  beträchtlich  hinausgehenden  Weise  angelegt,  dass 
sie  vielleicht  den  eindruckvollsten  Theil  des  Gartens 
als  solchem  bildet.  Unsere  Abbildung  S.  152  zeigt  die 
Anlage  und  die  Eintheilung  des  vom  Haupteingang 
ausgehenden  Theiles  dieser  Promenade;  zur  Linken 
werden  die  Gebäude  des  Wirthschaftshofes  sichtbar,  im 
Hintergründe  der  schöne  chinesische  Musikpavillon, 
der  nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Kayser  & 
V.  Groszheim  errichtet  wurde  und  auf  welchen  wir 
noch  zurückkommen  werden. 

Ausser  der  Dreisternpromenade  wurde  ein  grosser, 
den  Grenzen  des  Gartens  ungefähr  parallel  laufender 
Rundweg  angelegt,  welcher  durch  die  Art  seiner  Be- 
festigung leicht  erkennbar  gemacht  wurde  und  ge- 
wissermaassen  einen  Leitfaden  für  die  im  Garten  nicht 


149 


bekanaten  Besucher  bilden  soll.  Dieser  Weg  sowie 
einige  abzweigende  Strecken  wurden  zugleich  als 
Fahrwege  ausgebildet  und  mit  Mosaikpflaster  auf 
Zement-Beton  befestigt;  die  Länge  der  so  befestigten 
Wege  erreicht  heute  schon  etwa  7700“.  Durch  die 
Anlage  der  Alleen  und  des  Rundweges  wurde  einmal 
den  dichteren  Waldgruppen  des  Gartens  Licht  und 
Luft  zugeführt,  sodass  Blumenanlagen,.  , selbst  mit 
tropischen  Pflanzen,  ein  gedeihliches  Fortkommen 
finden,  und  es  wurde  andererseits  die  früher  herr- 
schende Staubplage  auf  ein  geringstes  Maass  ver- 
mindert. So  lange  die  Gartenwege  lediglich  in  ein- 
facher Art  befestigt  waren,  suchte  man  sich  gegen 
die  Staubplage  zu  schützen,  indem  man  die  Kieswege 
fast  bis  zum  Morast  einwässerte;  und  doch  dauerte  es 
nicht  lange,  bis  die  Nässe  unter  dem  Einfluss  eines 
Menschenstroraes  von  80 — 100000  Besuchern  und 
darüber  aufgesaugt  und  der  alte  Zustand  wieder 
herrschend  war. 

Mit  solchen  ßesuchsziffern  rechnet  die  Verwaltung 
an  den  sogenannten  billigen  Sonntagen,  an  welchen 
das  Eintrittsgeld  auf  nur  25  Pfg.  für  den  Besucher 
festgesetzt  ist.  Der  normale  Wochenbesuch  bleibt 
natürlich  hinter  diesen  Zahlen  erheblich  zurück.  Den 
Stamm  der  ständigen  Besucher  des  Gartens  bilden 
die  etwa  2000  Aktionäre,  welche  saramt  ihren  Familien- 
Mitgliedern  freien  Eintritt  geniessen;  hierzu  treten  die 
Abonnenten  mit  über  3000  Familien.  Allein  aus  den 
Aktionären  und  den  Abonnenten  ist  dem  Garten  eine 
tägliche,  nur  vom  Wetter  beeinflusste  durchschnittliche 
Besuchsziffer  von  5 — 10  000  Köpfen  gesichert.  An  ge- 
wöhnlichen Wochentagen  empfängt  der  Garten  ausser- 
dem den  Besuch  von  etwa  3 — 4000  das  volle  Ein- 
trittsgeld zahlenden  Gästen,  zu  welchen  noch  etwa 
2000  Personen  kommen,  welche  Abends  nach  7 Uhr 
für  das  halbe  Eintrittsgeld  die  Konzerte  hören  und  in 
den  Gartenanlagen  Erholung  suchen  wollen.  An  den 
Wochentagen  der  guten  Jahreszeit  schwankt  demnach 
die  Besuchsziffer  zwischen  10  und  15000  Personen. 
lhnen"stehen  -To-boo-Stühle  der  Terrassen  des  Restau- 
rations-Gebäudes und  derUmgebungder  Musikpavillons 
zur  Verfügung.  An  den  Sonntagen  mit  normalem 
Eintrittsgeld  erreicht  die  Zahl  der  Besucher  die  Höhe 
von  30 — 40  000  Köpfen,  um  an  den  billigen  Sonntagen 
auf  die  angegebene  Höbe  von  oft  mehr  als  100000 
Köpfen  emporzuschnellen. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  für  die  Unterbringung 
solcher  Menschenmassen  bei  plötzlichem  Regenvvetter 


sowie  für  ihre  Verpflegung  ungewöhnliche  Maass- 
nahmen getroffen  werden  mussten.  Das  geschah  ein- 
mal dadurch,  dass  man  entlang  des  Kurfürstendamraes, 
wieder  nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Kayser 
& von  Groszheim,  eine  ausgedehnte  Halle  erbaute, 
und  dass  man  zum  anderen  die  alte.  Waldschänke 
durch  geräumige  Hallen  in  Naturstäramen  sowie  durch 
einen  im  Charakter  der  ba3'^erischen  Bauernhäuser 
gehaltenen  Anbau,  beide  nach  den  Entwürfen  der 
Architekten  Zaar  & Vahl,  erweiterte.  Bei  den  Ver- 
pflegungs-Möglichkeiten des  Gartens  sind  ausserdem 
die  sozialen  Gesichtspunkte  und  die  Lebensverhält- 
nisse der  Gartenbesucher  in  der  Weise  berücksichtigt, 
dass  in  der  Waldschänke  eine  Gelegenheit  zur  Er- 
frischung für  die  geringer  bemittelten  Besucher  zu 
massigen  Preisen  gegeben  ist. 

Neben  den  vorstehend  erwähnten  Arbeiten  war 
es  die  schwerwiegende  Sorge  der  Verwaltung,  die 
Teiche  und  Seen  mit  frischem  Wasser  zu  versehen. 
Zu  diesem  Zwecke  musste  die  Maschinenanlage  ver- 
grössert  werden,  welche  mittels  Zentrifugalpumpe  den 
Wasserbecken  das  Wasser  aus  Tiefbrunnen  zuführt. 
Das  auf  diesem  Wege  gewonnene  Wasser  enthielt 
jedoch  so  viel  Eisen,  dass  eine  besondere  Enteisenungs- 
Anlage  geschaffen  werden  musste. 

Alle  diese  umfangreichen  Veränderungen  wurden, 
da  der  Garten  im  Sommer  seiner  Bestimmung  nicht 
entzogen  werden  durfte,  zwar  nach  einem  einheit- 
lichen Plane,  jedoch  nicht  auf  einmal  ausgeführt-; 
es  waren  dazu  mehrere  Winterhalbjahre  nöthig. 
Die  Mittel  wurden  durch  eine  Ausgabe  neuer  Aktien 
im  Nennwerthe  von  i Million  Mark  beschafft,  eine 
Summe,  die  sich  durch  das  Agio  auf  1300000  M.  er- 
höhte. Eine  weitere  Obligationsschuld,  die  der  Garten 
im  Begriff  steht  aufzunehmen,  soll  in  erster  Linie  da- 
zu dienen,  nach  dem  Entwürfe  der  Architekten  Zaar  & 
V ahl  einegrosse,  looooPersonen  fassende  Ausstellungs- 
halle zu  schaffen,  ferner  dazu,  umfangreiche  Stallungen 
für  alle  Rassen  inländischen  Nutzviehes  zu  erstellen, 
und  zwar  unter  Aufsicht  und  mit  Unterstützung  des 
kgl.  preuss.  landwirthschaftlichen  Ministeriums  und  nach 
den  Entwürfen  des  Hrn.  Arch.  Fritz  Gottlob.  Es  soUen 
weiterhin  durch  sie  die  Mittel  beschafft  werden  für  ein 
neues  Seelöwen-Bassin  mit  Grotten,  für  den  Umbau 
und  die  Vergrösserung  des  alten  Affenhauses,  für  ein 
Flaus  für  Nagethiere  und  eine  Reihe  anderer  Ge- 
bäulichkeiten; wir  werden  diese  neuen  Gebäude  zum- 
theil  noch  im  Einzelnen  berühx'en.  (Fortsetzung  folgt.) 


Die  Kanalisation  von  Paris. 


Von  Stadlbauinspektor 

Stadt  Paris  bedeckt  innerhalb  der  Enceinte  eine 
Fläche  von  780011^1  und  wird  von  2600000  Ein- 
'•  wohnern  bewohnt,  die  täglich  400 000 cbm  Leitungs- 
Wasser  (154^  für  den  Kopf)  verbrauchen  und  550  000  cbm 
Schmutzwasser  {212 1 für  den  Kopf)  liefern. 

Die  Kanalisation  von  Paris  ist  wie  diejenige  von  Berlin 
zur  Aufnahme  der,  sämmtlichen  Regen-,  Industrie-, 
Wirthschafts-  und  Klosetwässer  bestimmt,  und  es 
erfolgt  zurzeit  auch  die  Reinigung  der  Schmutzwässer  wie 
in  Berlin  auf  Rieselfeldern.  Während  aber  in  Berlin 
dieses  System  nach  Ueberwindung  des  anfänglichen  Wider- 
standes der  Abfuhrfreunde  von  vornherein  geplant  war 
und  einheitlich  zur  Durchführung  gebracht  wurde,  sind  die 
leitenden  Ingenieure  der  Pariser  Kanalisation  erst  nach 
jahrzehntelangem  Kampfe  und  nur  schrittweise  im  Stande 
gewesen,  dieses  Ziel  zu  erreichen. 

Bis  zum  zweiten  Kaiserreich  unterlag  der  Anschluss 
der  Grundstücke  an  die  Strassenkanäle  keinem  Zwange. 
Von  diesen  Kanälen  bestanden  etwa  136  die  an  50  ver- 
schiedenen Punkten  innerhalb  der  Stadt  in  die  Seine  mün- 
deten und  sie  verpesteten.  Das  zweite  Kaiserreich  hat 
das  zweifellose  Verdienst,  diesen  Zustand  beseitigt  zu 
haben.  Unter  ihm  schnitt  der  Ingenieur  Beigrand,  der 
Chef  der  Kanalisation  und  der  Wasserwerke,  die  Einläufe 
der  Kanäle  in  die  Seine  innerhalb  der  Stadt  durch  den 
Bau  dreier  grosser  Abfangekanäle  ab,  die  sich  unterhalb 
der  Stadt  bei  Clichy  und  bei  St.  Denis  in  die  Seine  ergossen. 
Durch  das  Gesetz  vom  26.  März  1852  wurde  der  Anschluss 
der  Grundstücke  an  die  Strassenkanäle  vorgeschrieben, 
die  - Einführung  der  menschlichen  Auswurfstoffe  Jn  die 

150 


Karl  Meier  in  Berlin. 

Kanäle  aber  grundsätzlich  verboten.  Die  Aufnahme  der 
flüssigen  Abgangsstoffe  wurde  dann  durch  Präfektur-Erlass 
vom  2.  Juli  1867  gegen  eine  Gebühr  von  30  Fres.  für  Jahr 
und  Abfallrohr  gestattet,  und  erst  das  Gesetz  vom  10.  Juli 
1894  machte  auch  den  Anschluss  der  festen  Auswurfstoffe 
zur  Bedingung  für  alle  diejenigen  Strassenzüge,  die  durch 
Präfektur-Erlass  dazu  aufgerufen  wurden. 

Dieses  Gesetz  ist  auch  sonst  von  entscheidender  Be- 
deutung für  die  Entwicklung  der  Pariser  Kanalisation  ge- 
wesen. Es  stellt  gewissermaassen  das  Endglied  und  die 
Krone  in  der  langen  Reihe  von  Kämpfen  dar,  die  seitens 
der  leitenden  Ingenieure  der  Stadtverwaltung  gegen  die 
Voreingenommenheit  der  Bevölkerung  von  Stadt  und  Land 
bis  zur  endgütigen  Anerkennung  des  Grundsatzes  der  Ein- 
führung sämmtlicher  menschlichen  und  thierischen  Aus- 
wurfstoffe in  die  Kanäle  und  ihrer  Reinigung  durch  das 
Verfahren  der  Bodenberieselung  geführt  werden  mussten. 
Letzteres  Verfahren  war  schon  seit  der  Mitte  der  70  er 
Jahre  von  den  Ing.  Mill e und  Durand-Claye,  die  unter 
dem  Nachfolger  Belgrand’s,  dem  Chefingenieur  Alphand, 
als  ausführende  Ingenieure  thätig  waren,  unausgesetzt  als 
das  allein  inbetracht  kommende- und  Erfolg  versprechende 
Mittel  für  die  Reinigung  der  Schmutzwässer  und  die  Rein- 
machung  und  Reinerhaltung  der  Seine  verfochten.^  Der 
ungemein  heftige  Widerstand  der  Bevölkerung  Hess  es 
jedoch  erst  im  Gesetz  vom  4.  April  1889,  in  dem  der 
Stadt  Paris  das  Recht  verliehen  wurde,  das  bei  St.  Germain 
gelegene  Acheres  als  Rieselfeld  einzurichten,  zur  theil- 
weisen  Anerkennung  des  Grundsatzes  derBoäenberieselün.g 
kommen.  Das  Gesetz  vom  10.  Juli  1894  verrichtete  dann 

No.  24, 


endlich  volle  Arbeit,  indem  es  die  Bodenberieselung  all- 
gemein vorschrieb,  den  weiteren  Ausbau  des  Kanalnetzes 
anordnete  und  jedwede  Einführung  von  Schmutzwässern 
in  die  Seine  vom  lo.  Juli  1899  verbot. 

Die  durch  die  beiden  letztgenannten  Gesetze  den  Tech- 
nikern gestellten  Aufgaben  sind  von  den  leitenden  Ing. 
Bechmann  und  Launay  in  musterhafter  Weise  gelöst 
und  rechtzeitig  zur  Ausführung  gebracht  werden.  Am 
8.  Juli  1899  konnte  die  feierliche  Einweihung  der  neuen 
Anlagen  erfolgen  und  seit  diesem  Zeitpunkt  fliesst  der 
Seine,  abgesehen  von  Gewitterregen,  kein  Schmutzwasser 
mehr  zu. 

Nicht  d.assejbe  schneidige  Tempo  konnte  bei  den  Haus- 
anschlüssen eingehalten  werden.  Die  alten  Entwässerungs- 


ganze Netz  der  Rohrpostleitungen  und  eine  ungezählte 
Menge  von  Telegraphen-  und  Telephonkabeln  unterge- 
bracht. _ Die  Vorzüge  dieser  ßelgrand’schen  Anordnungs- 
weise- liegen  in  der  sofortigen  Auffindbarkeit  und  leichten 
Ausbesserungsfähigkeit  aller  undichten  Stellen  in  den 
Leitungen  und  in  der  Vermeidung  von  Strassenaufbrüchen 
bei  Ausbesserungen  und  Neuanlagen,  sowie  von  Draht- 
brüchen bei  Sturmen,  ihr  Nachtheil  in  der  erheblichen 
Vermehrung  der  Anlagekosten. 

Nothwendige  Voraussetzung  bei  der  Annahme  dieser 
Ausführungsweise  war  die  Begehbarkeit  der  Kanäle  und 
zu  ihrer  Verwirklichung  die  Verwerfung  aller  Thonrohr- 
Leitungen die  Ausbildung  einer  Schmutzwasserrinne  in 
der’SönFe"  und  die  Anordnung  besonderer  Fussteige  neben 


Abbildg.  6.  Anordnung  der  Strasseneinläufe. 


Einrichtungen  in  den  Häusern 
sind  : höchst  mangelhafter  Art 
und  ■ bedürfen  fast  durchweg 
der  Erneuerung.  Die  hiermit 
verknüpften  nicht  unbedeuten- 
den Kosten  machen  den  Haus- 
besitzer zum  natürlichen  Gegner 
des  Anschlusses  und  veranlassen 
ihn,  denselben  mit  allen  gesetz- 
lichen Mitteln  so  lange  wie  mög- 
lich hinauszuschieben.  Diese 
Verhältnisse,  denen  auch  die 
Verwaltungen  Rechnung  tragen 
müssen,  bringen  es  mit  sich,  dass 
trotZ;  aller  vorhandenen  techni- 
schen Einrichtungen  noch  eine  Reihe  von  Jahren  verfliessen 
werden,  bevor  aus  Paris  die  Abfuhr  verschwinden  wird. 
Am  31,  Dez.  1899  waren  von  den  86000  Häusern  von 
Paris  erst  18000,  d.  .h.  21%,  angeschlossen.  Ausserdem 
bestanden  noch:  54668,  Abtrittsgruben,  12996  Tonnen, 
27  142  Filtertonnen. 

Nachdem  so  vorstehend  der  allgemeine  Entwicklungs- 
gang der  Pariser  Kanalisation  geschildert  worden  ist,  soll 
nunmehr  zur  Beschreibung  der  baulichen  Anlagen  über- 
gegangen werden.  Das  Pariser  Kanalnetz  erhält  sein  eigen- 
thümliches  Gepräge  dadurch,  dass  es  von  seinem  Schöpfer 
Beigrand  nicht  nur  für  die  Abführung  der  Schmutzwässer, 
sondern  auch  für  die  Unterbringung  sämmtlicher  ande- 
ren städtischen  Versorgungsnetze  mit  einziger 
Ausnahme  der  Gasleitungen  bestimmt  wurde,  die  der 
Explosionsgefahr  wegen  ausgeschlossen  werden  mussten. 
In  den  Ende  1899  vorhandenen  1090,45  Kanälen  waren 
2974km  Wasserleitungsrohre,  279^™  Pressluftrohre,  das 


derselben.  Bei  den  15  zur  An- 
wendung gekommenen  Normal- 
profilen schwankt  die  lichte  Höhe 
zwischen  2 und  5,45  die  lichte 
Weite  zwischen  1 und  6 Die 
kleineren  Kanäle  sind  eiförmig, 
die  grösseren  habenTunnelquer- 
schnitt  mit  halbkreisförmigem 
oder  elliptischem  Gewölbe.  Der 
grösste  Stamrakanal,  der  Clichy- 
Sammler,  hat  eine  lichte  Weite 
von  6ra  und  eine  lichte  Höhe  von 
5 elliptisches  Gewölbe  und 
eine  Schmutzwasserrinne  von 
4 ™ Breite  und  2 Tiefe.  Die 
Abbildungen  1—3  zeigen  den  kleinsten  Kanal  von  2 “ Höhe, 
den  Canal  du  Centre  und  den  Sammler  des  Boulevard 
Sebastopol. 

Für  alle  Strassen  unter  20“  Breite  ist  nur  ein  Kanal 
in  der  Axe  der  Strasse  vorgesehen,  auf  den  die  Einsteige- 
Brunnen  des  Verkehres  wegen  nicht  unmittelbar  aufgesetzt 
sind;  diese  sind  vielmehr  seitwärts  unter  den  Bürgersteigen 
angeordnet,  wie  es  Abbildg.  4 zeigt.  Ein  begehbarer  Stich- 
kanal von  2 ® Höhe  stellt  die  Verbindung  mit  dem  Strassen- 
kanal  her.  Ebenso  sind  auch  die  Hausanschluss-Leitungen 
sowohl  für  die  Zuführung  des  frischen  Wassers  als  auch 
für  die  Abführung  des  Schmutzwassers  nach  Abbildg.  5 
in  einen  begehbaren  Stichkanal  gelegt,  der  jetzt  bei  seiner 
Einmündung  in  den  Strassenkanal  durch  eine  Stirnwand 
geschlossen  ist,  die  früher  fehlte. 

Die  Strasseneinläufe  sind  nach  Abbildg.  6 als  offene 
ausgefuhrt,  um  den  Strassenschlamm  unmittelbar  in  die 
Kanäle  abstürzen  und  abspülen  zu  können.  Ein  Stichkanal 


Abbildg.  5.  Anordnung  der  Hausanschlüsse. 


22-  März  T902. 


15t 


mit  stark  geneigter  Sohle  führt  die  Wasser-  und  Schlamm- 
massen dem  Strassenkanal  zu.  Die  Schnelligkeit,  mit  der 
hierbei  die  Strassenreinigung  erfolgen  kann,  wird  allerdings 
durch  hohe  Betriebskosten  für  die  Kanalreinigung  erkauft. 
Während  in  Berlin  im  Jahre  189g  die  Reinigungskosten 
397  M.  für  I km  betrugen,  beliefen  sie  sich  in  Paris  auf 
2292  Frcs.  = 1833,6  M.  für  i km. 

Am  Schluss  des  Jahres  1899  waren  imganzen  19496 Ein- 
steigebrunnen, 13234  Gullies  und  48498  Hausanschluss- 
kanäle vorhanden. 

Die  Schlammbeseitigung  erfolgt  in  den  kleinen  Kanälen 


ist  und  vermöge  seiner  Schwimmfähigkeit  am  Scheitel  des 
Dückerrohres  entlang  rollt,  unter  sich  an  der  Sohle  den 
Spülschlitz  offen  lassend.  Die  Reinigung  wird  weiter  durch 
die  seit  dem  Jahre  1882  von  Durand-Claye  eingeführten 
Spülkammern  von  8 — 10  cbm  Inhalt  unterstützt,  deren  Ent- 
leerung selbstthätig  durch  Heberanordnungen  verschie- 
dener Ausführungsart  (St.  Genest  und  Herscher,  Aimond, 
Parenty)  erfolgt  und  deren  Anzahl  jetzt  bis  auf  3500  an- 
gestiegen ist. 

Ende  1899  waren  von  Wagen-  und  Prahmschützen 
IT3  bezw.  24  im  Betrieb.  Sie  schaffen  den  Schlamm  nach 


durch  Vortreiben  mittels  Handkrücken;  in  den  grösseren 
Kanälen  wird  hierzu  die  Spülkraft  des  aufgestauten  Kanal- 
wassers benutzt.  Der  Aufstau  wird  durch  Schützen  be- 
wirkt, die  von  auf  den  Kanten  der  Schmutzwasserrinne 
laufenden  Wagen  oder  von  in  der  Rinne  schwimmenden 
Prähmen  aus  derartig  in  die  Rinne  hinabgelassen  werden, 
dass  am  unteren  Rande  des  Schützes  noch  ein  Spülschlitz 
verbleibt,  durch  den  das  aufgestaute  Kanalwasser  mit 
grosser  Geschwindigkeit  herausschiesst  und  die  Schlamm- 
massen dünenanig  vor  sich  her  treibt.  Bei  den  Dückern 
tritt  an  die  Stelle  der  Schützen  der  Belgrand’sche  Holz- 
ball, der  etwas  kleiner  als  der  Dückerquerschnitt  gehalten 


besonderen  Schlammkammern,  die  an  geeigneten  Punkten 
der  Stadt  gleichlaufend  mit  den  Kanälen  neben  denselben 
mit  um  I ™ vertiefter  Sohle  angeordnet  und  des  Wechsel- 
betriebes halber  stets  in  doppelter  Anzahl  vorgesehen  sind. 
In  der  einen  Schlammkaramer  setzt  sich  der  Schlamm  ■ ab, 
während  er  aus  der  anderen  durch  Bagger  auf  Wagen  oder 
Schiffe  übergeladen  wird.  Es  sind  auf  diese  Weise  1898 
nicht  weniger  als  27  237  Sand  beseitigt  worden. 

An  Strassenkanälen  waren  bis  zum  Schluss  des  Jahres 
1899  imganzen  1090,45  km,  an  Stichkanälen  für  die  Ein- 
steigebrunnen, Gullies  und  Hausanschlüsse  421,51  km  vor- 
handen. Abbildg.  7 zeigt  das  Netz  der  Stammkanäle  mit 

No.  24. 


152 


den  Hauptnebensammlern  in  seinem  jetzigen  Zustand.  Es'^schmiedeisernen  Rohren  von  20  «nm  starken  Blechen  be- 
sind  4 Stammkanäle  vorhanden.  Von  Westen  nach  Osten  steht  und  auf  einem  40  starken  Betonbett  mit  70  cm  Ueber- 
folgen  sich  der  Reihe  nach:  deckung  hergestellt  ist,  deren  Oberkante  mit  der  Seine- 

I.  Der  Marceau-Sammler,  der  den  westlichen  Theil  sohle  zusammenfällt. 


Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens  In  Berlin. 

von  Paris  entwässert.  Die  Abwässer  des  linken  Ufers,  die  2.  Der  Asniferes-Sammler,  dem  vom  linken  Ufer 
im  Rapp-  und  Bosquetsammler  vereinigt  sind,  werden  ihm  die  Abwässer  des  Osttheiles  aus  dem  Bi^vre  und  dem 
durch  den  von  Belgrand  1868  hergestellten  Dücker  an  der  linken  Ufersammler  durch  den  Dücker  an  der  Concordien- 
Alma-Brücke  zugeführt,  der  aus  zwei  im  Lichten  weiten  Brücke  zugeführt  werden.  Dieser  Düdcer  ist  im  Jahre 

22.  März  1902. 


153 


1896  durch  den  Unternehmer  Berlier  unter  der  Oberleitung 
von  Bechmann,  Lannay  und  Legouez  unter  Verwendung 
von  Pressluft  mit  dem  Greathead-Schüd  10  m unter  dem 
Seinebett  vorgetrieben  worden.  Er  hat  einen  lichten  Durch- 
messer von  1,8“  und  besteht  ausgusseisernen,  mit  Innen- 


Abbildg.  7. 

Uebei'sicht  des  Kanalnetzes, 


flanschen  versehenen  Ringen  von  50  cm  Länge,  die  mit 
einander  verbolzt  werden.  Jeder  Ring  setzt  sich  aus  5 
ebenfalls  mit  Flanschen  versehenen  Theilen  zusammen. 
Auf  dem  rechten  Ufer  fliessen  ihm  der  rechte  Ufer-,  der 
Rivoli-Strassen-  und  der  Mittelsammler  zu. 


3.  Der  Clichy-Sammler,  der  mit  6“  lichter  Weite 
und  5 m lichter  Höhe  der  grösste  aller  Kanäle  ist  und  nach 
den  Plänen  von  Bechmann  in  den  Jahren  1895—1899  aus- 
geführt  wurde.  Er  war  zur  Entlastung  des  vorher  stark 
beanspruchten  Asniferes-Sammlers  nothwendig  und  dient 
als  Vorfluth  für  den  grossen  Bergsammler,  der  das 
Wasser  der  hochgelegenen  nördlichen  Stadttheile 
aufnimmt,  soweit  dieselben  nicht  zum  Entwässe- 
rungsgebiet des  Nordsammlers  gehören.  Bei  einem 
Gefälle  von  führt  er  in  der  4m  breiten  und 

2 m tiefen  Rinne  12  Sek./cbm^  bei  einer  Füllung  von 
75  cm  über  den  Fussteigen  bis  zu  25  Sek./cbm.  Der 
Sammler  durchschneidet  die  Batignolles- Kuppe; 
während  er  in  Clichy  ausserhalb  der  Enceinte  fast 
unmittelbar  unter  dem  Pflaster  liegt,  hat  er  unter 
dieser  eine  Tiefenlage  bis  zu  40  m,  an  seinem  An- 
fang auf  dem  Trinitd-Platz  eine  solche  von  8m. 

Sehr  beachtenswerth  ist  seine  bauliche,  Her- 
stellung. Sie  erfolgte  selbst  auf  den  flachen 
Strecken  aus  Verkehrsrücksichten  durchweg  unter- 
irdisch im  Tunnelbetriebe  unter  Verwendung 
offener,  eiserner  Vortriebschilde,  die  mittels  Druck- 
wasser-Pressen  vorwärts  gedrückt  wurden.  Der 
ausserhalb  der  Enceinte  auf  der  flachen  Strecke 
benutzte  Chagnaud-Schild  schnitt  nur  das  ellip- 
tische Gewölbe  aus  dem  Erdreich  heraus,  der  in 
Paris  selbst  verwandte  Fougerolles-Schild  dagegen 
den  ganzen  Tunnelquerschnitt. 

Der  zu  den  Kanal-Besichtigungen  durch  das 
Publikum  in  der  Regel  benutzte  Sebastopol-Samm- 
1er,  dessen  Querschnitt  die  Abbildg.  3 zeigt,  ver- 
bindet den  Berg-,  Mittel-,  Rivoli-  und  rechten  Ufer- 
sammler untereinander  zu  Entlastungszwecken. 

4.  Der  Nordsammler,  der  die  hochgelege- 
nen nordöstlichen  Stadttheile  Menilmontant,  Belle- 
ville,  La  Vülette,  La  Chapelle  und  Montmartre 
entwässert  und  früher  bei  St.  Denis  in  die 
Seine  floss.  Diese  Vorfluth  ist  jedoch  schon 
seit  vielen  Jahren  durch  eine  andere  ersetzt,  die 
bei  St.  Ouen  mittels  zweier  öo.cm  starker  Rohre  die 
Seine  überschreitet  und  unmittelbar  mit  freiem  Gefälle 
auf  das  Rieselfeld  Gennevilhers  führt.  Im  Jahre  1899 
musste  die  Leitung  der  stärkeren  Zuflüsse  wegen  ver- 
doppelt werden.  — (Schluss  folgt.) 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  (Feste  und  Aus- 
flüge 1901.)  Das  erste  Fest  wurde  am  15.  März  zu  Ehren 
des  nach  Koblenz  versetzten  langjährigen  Vereins-  und 
Vorstands-Mitgliedes  Geh.  Brth.  Franz  Gerstner  inform 
einer  Abschiedskneipe  veranstaltet.  Der  Vorsitzende,  Hr. 
Baudir.  Zimmermann,  feierte  in  herzlichen  Worten  den 
Scheidenden,  welcher  in  der  Zeit  seiner  Mitgliedschaft 
durch  seine  stets  gleich  bleibende  Liebenswürdigkeit  und 
durch  sein  eifriges  Vereinsinteresse  es  verstanden  hatte, 
sich  die  allgemeine  Beliebtheit  im  Verein  zu  erwerben 
und  hob  zum  Schluss  noch  die  hervorragende  Thätigkeit 
Gerstners  bei  der  Herausgabe  des  Verbandswerkes  über 
das  deutsche  Bauernhaus  hervor.  Sodann  erschien  auf 
einen  Wink  des  Redners  eine  hübsche  Vierländerin,  die, 
dem  erstaunten  Gerstner  einen  hübschen  echten  Vierländer 
Bauernstuhl  übergab. 

Am  Sonnabend  den  19.  April  feierte  der  Verein  unter 
recht  guter  Betheiligung  seiner  Mitglieder  und  ihren  Damen 
in  den  Sälen  der  Erholung  sein  42.  Stiftungsfest. 

Am  8.  Nov.  wurde  in  den  schönen  Räumen  des  Logen- 
hauses in  der  Welkerstr.  ein  seltenes  und  in  schönster 
Art  verlaufenes  Fest  abgehalten.  Um  den  70.  Geburtstag 
des  hochverehrten  Vorsitzenden  unseres  Vereins,  des  Hrn. 
Baudir.  Zimmermann,  in  würdiger  Weise  zu  feiern, 
hatten  sich  eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Vereins- Mitgliedern 
mit  anderweitigen  Freunden  und  den  in  Hamburg  an- 
wesenden Verwandten  des  Gefeierten  mit  ihren  Damen 
in  den  festlich  geschmückten  Räumen  zu  einem  Mittags- 
mahle eingefunden,  bei  dem  Hr.  Classen,  als  zweiter 
Vorsitzender,  in  schönen  Worten  den  herzlichen  Gefühlen 
aller  Anwesenden  Ausdruck  gab.  Nach  einer  tief  em- 
pfundenen Antwort  des  Gefeierten  und  einigen  weiteren 
Reden  traten  junge  Mädchen  vor,  um  die  Städte  Elbing, 
Königsberg,  Berlin,  Breslau  und  Hamburg  darzustellen,  in 
denen  Hr.  Zimmermann  gelebt  und  gewirkt  hat.  Theils 
durch  Gesang,  theils  durch  poetischen  Vortrag  wurden  in 
sinnreichster  Weise  seine  Erlebnisse  und -seine  Wirksamkeit 
in  diesen  Städten  zur  Darstellung  gebracht. 

Am  27.  Dez.  wurde  in  den  unteren,  weihnachtlich  ge- 
schmückten Räumen  des  Patriotischen  Hauses  die  übliche 
Jahresschluss  - Kneipe  abgehalten,  welche  in  fröhlicher 
Stimmung  verlief.  — ■ 


An  Ausflügen  wurden,  in  . dem  . verflossenen  Jahre  7 
mit  Damen  und  7 ohne  diese  unternommen. 

Unter  Betheiligung  der  Damen  wurde  am  6.  Febr. 
die  Parfumeriefabrik  von  Georg  Dralle  in  Altona  besucht 
und  am  31.  März  auf  einem  besonders  gecharterten  Dampfer 
eine  Elbfahrt  nach  Krautsand  zur  Besichtigung  des  der 
Hamburg-Amerika-Linie  gehörenden  Schnelldampfers 
„Deutschland“  unternommen.  Die  gewaltige  Ausdehnung 
dieses  schnellsten  und  grössten  Dampfers  der  Welt,  mehr 
aber  noch  die  luxuriöse  Ausstattung  der  Kajüten,  welche 
nach  den  Plänen  des  verstorbenen  Mitgliedes  Georg 
Thielen  ausgeführt  sind,  dann  die  Küchen-Einrichtungen 
und  endlich  die  mächtigen  Maschinen  erregten  die  unge- 
theilte  Bewunderung  aller  Theilnehmer. 

Eine  weitere  Elbfahrt  mit  Damen  fand,  ebenfalls  mit 
besonderem  Dampfer,  am  15.  Mai  nach  dem  Kirschenlande 
Lühe  bei  herrlichstem  Wetter  zur  Besichtigung  des  neuen 
eisernen,  etwa  80“  hohen  Leuchtthurmes  statt,  von 
dem  man  eine  herrliche  Aussicht  auf  den  belebten  Elb- 
strom und  landeinwärts  einen  entzückenden  Rundblick 
auf  das  in  voller  Kirschblüthe  prangende  Binnenland  hatte. 
Nach  einer  Durchwanderung  des  im  13.  Jahrhundert  durch 
Holländer  eingedeichten  Marschlandes,  in  dem  seit  undenk- 
lichen Zeiten  eine  Kirschbaumkultur  gepflegt  wird,  wie  sie  in 
wenigen  Gegenden  zu  sehen  ist,  wurde  ein  fröhliches 
Mahl  eingenommen. 

Als  besonders  schön  gelungen  ist  die  am  6.  Juli  unter- 
nommene Fahrt  nach  Kiel  unter  Betheiligung  unserer 
Damen  zu  bezeichnen.  Durch  Zuvorkommenheit  unseres 
Mitgliedes,  des  Hrn.  Eisenb.-Präs.  Jungnickel,  konnte 
die  Reise  in  Inspektions-  und  D -Wagen,  welche  dem 
Schnellzuge  angefügt  waren,  nach  Kiel  zurückgelegt  werden , 
wo  sich  etwa  30  Herren  und  Damen  von  dem  Schleswig- 
Holsteinischen  Ing.-Verein  anschlossen.  Hier  wurden  zu- 
erst die  Kaiserzimmer  des  dortigen  Bahnhofes , dann  die 
kaiserlichen  Werften  und  die  Germaniawerft  besichtigt. 
Leider  war  die  Zeit  durch  die  lange  Fusswanderung  etwas 
kurz,  sodass  beide  Werften  nur  rasch  durchschritten  wer- 
den konnten.  Immerhin  wurden  alle  Sehenswürdigkeiten 
mit  Interesse  in  Augenschein  genommen.  Unter  diesen 
sind  besonders  die . mächtigen  überdeckten  Hellinge  der 
Germaniawerft  hervorzuheben,  auf  denen  4 Schiffe  von. 
verschiedener  Grösse  gleichzeitig  in  Angriff  genommen 
werden  können.  Dieser  in  Europa  einzig  dastehende  Bau 


151  No.  24.. 


ist  jedenfalls  ein  hervorragendes  Beispiel  für  die  Energie,  herrlichen  Fahrt  in  See  wurde  ein  fröhliches  Mahl  aul 
welche  man  jetzt  in  Deutschland  in  allen  Schiffbau-Ange-  Bellevue  eingenommen. 


legenheiten  entfaltet. 

Auch  das  Model  _ 
glocke  ausgeführt  ist,  mit  der  die 


Am  IO.  Juli  folgte  eine  grosse  Anzahl  von  Vereins- 


Auch  das  Modell,  nach  welchem  die  grosse  Taucher-  mitgliedern  mit  ihren  Damen  der  Einladung  der  Hrn. 

Firma  Ph.  Holzmann  & Co.  Aug.  F.  Richter  zum  Besuch  ihrer  Goldwaarenfabrik 

inBarmbeck,  und  am  24. Sept.  der 
Aufforderung  der  Hrn.  Architekten 
Lorenzen  & Stein  zur  Besich- 
tigung der  neu  erbauten  Wands- 
becker Kirche.  — 

Der  letzte  Ausflug  mit  Damen 
war  am  9.  Nov.,  bei  dem  das  ganz  im 
modernen  Stil  eingerichtete  und 
theils  nach  den  Plänen  der  Darm- 
städter Künstler  ausmüblirte  Haus 
desTapetenhändlersHrn.C.  W.Iven 
an  der  Flottbecker  Chaussee  in 
Altona  besucht  wurde.  Gleichzeitig 
wurdeaufEinladungdasan  der  Elbe 
neu  erbaute  sog.  Schiffsbaus  eines 
Hrn.  Harder  besichtigt,  welches 
einen  meikwürdigen  Gegensatz  zu 
dem  Iven'schen  Hause  bildet.  Das 
Treppenhaus  dieses  Schiffshauses 
Ist  nämlich  in  reizvoller  und  ausser- 
ordentlich getreuer  Weise  einem 
Kajütenaufgange  und  der  Empfangs- 
salon dem  Kajütensalon  eines  gros- 
sen Passagierdampfers  nachgebil- 
det, wozu  Hr.  Harder  die  nach  und 
nach  angekauften  Schiffsreste  der 
gestrandeten  deutschen  Schiffe 
Fulda  und  Geliert  und  der  engli- 
schen Schiffe  Nervonia,  Servonia 
und  Cassius  verwendet  hatte. 

Der  erste  Ausflug  ohne  Damen 
fand  am  13.  April  statt  im  An- 
schluss an  einen  Vortrag  des  Hrn. 
Bauinsp.  Richter  über  den  Bau 
derStammsiele.  EswurdedieimHau 
begriffene  Tunnelstrecke  bei  dem 
Berliner  Thor  besichtigt,  welche  mit 
einem  Brustschild,  aber  z.  Z.  noch 
ohne  Luftdruck  vorgetrieben  wur- 
de. Es  musste  diese  Baustrecke  ge- 
zeigt werden,  weil  der  unter  Luft- 
druck ausgeführte  Tunnelbau  am 
Neuen  Pferdemarkt  sich  zu  einer 
Besichtigung  einmal  wegen  der  Ar- 
beitsstörung, dann  wegen  der  mög- 
lichen Gefahr  für  den  Einzelnen 
beim  Durchschleusen  nicht  eignete. 
Nach  Besichtigung  der  Tunnel- 
strecke und  der  Brustschilder  führte 
der  Vertreter  der  den  Tunnelbau 
ausführendenFirmaPhil.  Holzraann 
Co.,  Hr.  Ing.  Beck,  ein  ihm  pa- 
tentirtes  Brustschild  vor,  dessen  Vor- 
züge besonders  auf  dem  Prinzip 
der  Spülung  beruhen.  Da  sich  diese 
Spülung  bei  näherer  Auseinander- 
setzung als  eine  Bierspülung  er- 
wies, so  wurde  die  Besichtigung 
dieses  vorzüglichen  Brustschildes 
eingehend  vorgenommen , umso- 
mehr, weil  demselben  auch  delikate 
Butterbröde  entnommen  werden 
konnten. 

Dem  Vortrage  des  Hrn.  Obering. 
Harald  Wallern  aus  Nürnberg  über 
die  Entwicklung  der  Hamburger 
Elektrizitätswerke  anschliessend, 
wurden  am  ii.Maidiebeidenneuer- 
bauten  elektrischen  Zentralstationen 
in  Barmbeck  und  im  Hammerbrook 
besucht. 

Am  8.  Juni  machte  Hr.  Obering. 
C u li  n von  der  Hamburger  Strassen- 
bahn-Gesellschaft  im  Verfolg  seines 
im  Verein  gehaltenen  Vortrages  auf 
dem  Lagerplatz  der  Gesellschaft  an 
der  Isestrasse  eine  Schienen- 
schweissung  mittels  Thermit  nach 
dem  Goldschmid’schen  Verfahren, 
Die  Besichtigung  der  hochinter- 
essanten Eisenbahnumbauten  zwischen  dem  Oberhafen  und 
Rothenburgsort  unter  Führung  des  Hrn.  Geh.  Brth.  Caesar 
fand  am  24.  Oktober  statt. 

Die  von  der  Hamburg-Amerika-Linie  neuerbaute  Aus- 


Das  Elephantenhaus.  Architekten:  Ende  & Böckmann. 

Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin. 

die  umfangreichen  Betonschüttungen  der  zwei  Docks  für 
die  kaiserliche  Marine  in  bedeutender  Tiefe  unter  Wasser 
ausführt,  wurde  mit  grossem  Interesse  besichtigt.  Nach 
einem  Frühstück  in  dem  sogen.  Werfthause  und  einer 


22.  März  1902. 


155 


Wanderer -Halle  auf  der  Veddel,  unweit  der  Freihäfen, 
wurde  am  ii.  Dez.  auf  Einladung  des  Erbauers,  des  Hrn. 
Arch.  Wilhelm  Schmidt,  von  einer  Anzahl  von  Vereins- 
mitgliedern in  Augenschein  genommen.  Diese  Hallen  sind 
erbaut,  um  den  Massen-Auswanderern  aus  Russland,  Ga- 
lizien usw.  während  ihres  Aufenthaltes  bis  zur  Abreise 
nach  Uebersee  ein  billiges  und  gutes  Unterkommen  zu 
geben,  ohne  dass  die  Leute  genöthigt  sind,  die  Stadt  Ham- 
burg selbst  zu  berühren.  Diese  Maassregeln  sind  von 
den  Hamburger  Behörden  schon  vor  der  Cholera  im  Jahre 
1891  vorgesehen  und  es  wurden  zu  dem  Zweck  von  der 
Schiffsgesellschaft  damals  provisorische  Hallen  in  der  Nähe 
des  Amerika-Kais  errichtet.  Da  nun  dieser  Platz  ander- 
weitig gebraucht  werden  soll,  wurden  die  oben  erwähnten 
Hallen  auf  einem  vom  Staate  auf  25  Jahre  überwiesenen 
2500  <3®  grossen  Platze  neu  erbaut.  Die  Hallen  zerfallen 
in  die  sog.  unreine  und  die  reine  Abtheilung.  Tn  der  ersteren 
werden  die  neu  angekommenen  Auswanderer  in  2 Ba- 
racken, nach  Geschlechtern  getrennt,  für  eine  Nacht  unter- 
gebracht. Am  nächsten  Morgen  werden  dann  alle  diese 
Leute  nach  einem  Bade  durch  einen  Arzt  untersucht,  wäh- 
rend Gepäck  und  Kleidung  innerhalb  dieser  Zeit  desinfizirt 
werden.  Nun  erst  werden  die  gesund  Befundenen  in  die 
von  der  unreinen  Abtheilung  streng  geschiedene  sog. 
reine  Abtheilung  gelassen,  wo  sie  nach  Geschlechtern  und 
Religion  getrennt  in  9 Baracken  und  2 Logirhäusern  für 
Bessergestellte,  untergebracht  werden.  Diese  Gebäude, 
ein  jüdischer  Betsaal,  eine  Speisehalle,  in  welcher  christ- 
lich und  jüdisch  getrennt  gekocht  und  gegessen  wird,  und 
ein  Verwaltungsgebäude  gruppiren  sich  um  eine  kleine  in 
nordischen  Anklängen  erbaute  Kirche,  in  deren  getrennten 
Räumen  protestantischer  und  katholischer  Gottesdienst 
abgehalten  wird;  es  bildet  die  gesammte,  von  einer  hohen 
Planke  umgebene  Anlage,  in  welcher  1000  Personen  unter- 
gebracht  werden  können,  eine  eigenartige,  von  der  Aussen- 
welt  getrennte  Kolonie.  Da  ferner  bei  dem  Bau  aller 
dieser  Gebäude  die  strengsten  hygienischen  Vorschriften 
beobachtet  sind,  so  erweckte  die  gesammte  Anlage  das 
Interesse  der  Anwesenden  in  hohem  Grade.  — 

Den  Schluss  der  vorjährigen  Ausflüge  machte  die  Be- 
sichtigung der  für  den  Hamburger  St.  Pauli-Turnverein 
neuerbauten  Turnhalle  am  19.  Dez.,  bei  welcher  der  Er- 
bauer, Hr.  Arch.  H.  Groothoff,  die  Erklärung  und  die 
Führung  übernommen  hatte.  — — rt. 


Vermischtes. 

Zur  Urheberschaft  des  Kunstausstellungs-Gebäudes  in 
Düsseldorf  theilt  uns  Hr.  Arch.  E.  Rückgauer  in  Düssel- 
dorf mit  Bezug  auf  die  entsprechenden  Aeusserungen 
S.  142  unserer  Zeitung  mit,  dass  es  nicht  zutreffend  sei, 
dass- der  Fassaden-Entwurf  des  Hrn.  A.  Bender  „bei  dem 
jetzt  stehenden  Bau  zur  Ausführung  gebracht  wurde“. 
Bereits  Ende  1900  sei  Hr.  Rückgauer  seitens  der  Firma 
Ph.  Holzmann  & Co.  und  im  Einverständniss  mit  dem 
Ausstellungs- Ausschuss  mit  der  Bearbeitung  des  Entwurfes 
betraut  worden  und  habe  bei  dieser  Bearbeitung  für  die 
Fassade  nur  das  übernommen,  was  durch  die  allgemeine 
Anlage  des  Grundrisses  bedingt  war.  Hr.  Rückgauer  sei 
also  nicht  allein  der  entwerfende  Architekt  des  Inneren 
des  Gebäudes,  sondern  ausser  dem  Entwurf  des  Aufbaues 
rühre  auch  die  gesammte  Einzelbearbeitung  von  ihm  her.  — 

Eine  Ausstellung  künstlerischer  Gasbeleuchtungs-Gegen- 
stände in  Düsseldorf  soll  mit  der  diesjährigen  Versamm- 
lung des  Deutschen  Vereins  von  Gas-  und  Wasserfach- 
männern vom  25.  bis  27.  Juni  verbunden  werden.  Die 
4 Wochen  dauernde  Ausstellung  wird  im  Kunstgewerbe- 
Museum  in  Düsseldorf  angeordnet  und  es  findet  eine  Preis- 
vertheilung  durch  ein  Preisgericht  statt,  dem  u.  a.  die  Hrn. 
Prof.  W.  Cremer-Berlin,  Dir.  C.  Frauberger  und  Prof. 
Schill  in  Düsseldorf  angehören.  — 

Effektbogenlampen  mit  farbigem  Licht  der  Firma  Siemens 
& Halske  leisten  bei  gleichem  Energieverbrauch  erheblich 
mehr  als  gewöhnliche  Bogenlampen.  Sie  werden  hergestellt 
für  gelbes  Licht  (Gleichstrom  mit  dem  2fachen,  Wechsel- 
strom mit  dem  3 fachen  Lichteffekt),  ferner  für  rothes  und 
milchweisses  Licht  (ausschl.  Wechselstrom  mit  dem  1^2- 
fachen  Effekt  gegenüber  den  Lampen  mit  gewöhnlichen 
Kohlen).  Sie  eignen  sich  in  erster  Linie  für  Reklamezwecke, 
Hervorhebung  einzelner  Punkte,  wie  Eingänge  von  Ver- 
kehrsanstalten, Theatern  usw.,  ausserdem  aber  auch  für 
die  Beleuchtung  von  Strassen,  Plätzen  usw.  Näheres  ent- 
hält No.  IO  der  Mittheilungen  von  S.  & H.  — 

Die  Einfügung  ständiger  Krankenräume  in  die  Mieth- 
wohnungen  wird  von  Geh.  Med.-Rth.  Dr.  E.  Roth  in  Jahrg. 
1901,  Heft  4 der  „Krankenpflege“  (Verlag-  von  Georg 
Reimer  in  Berlin)  empfohlen,  wenn  es  sich  darum  han- 

156 


delt,  Kranke  mit  übertragbaren  Krankheiten  von  den 
übrigen  Familienmitgliedern  abzusoridern,  und  wenn  diese 
Absonderung  innerhalb  der  Wohnungvollzogen  werden  soll. 
Zu  diesem  Zwecke  schlägt  der  Verfasser  vor,  die  mehr- 
räumige  Wohnung  so  einzurichten , dass  je  nach  der 
Himmelsrichtung  ein  in  der  Nähe  des  zweiten  Zuganges 
oder  des  Haupteinganges  am  Ende  des  Korridors  gele- 
gener, von  den  übrigen  Räumen  durchaus  getrennter 
Raum  als  Krankenraum  vorgesehen  wird,  in  dessen  Vor- 
und  Nebenraum  sich  die  Badeeinrichtung  befindet.  Dieses 
Krankenzimmer  müsste  bis  auf  2“  Höhe  einen  abwasch- 
baren Anstrich  erhalten,  einen  fugendichten  Fussboden 
haben,  grosse  Fenster  und  eine  entsprechend  wirkende 
Lüftungseinrichtung  besitzen  und  dürfte  nur  Möbel  ent- 
halten, die  nach  ihrer  Form  leicht  zu  reinigen  sind.  Nord- 
seite ist  auszuschliessen,  Loggien  oder  Veranden  vor  dem 
etwa  50 — 60  cbm  haltenden  Zimmer  sind  sehr  zu  empfehlen. 
Auch  für  die  grossen  Familienhäuser  der  gemeinnützigen 
Baugesellschaften  wird  die  Anlage  eines  solchen  Raumes 
empfohlen.  — 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Versetzt  sind:  Der  Bahnbauinsp.  Brth.  Straub  in 
Eberbach  an  die  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  nach  Karlsruhe,  der 
Bahnbauinsp.  Schwarzmann  bei  der  Gen.-Dir.  nach  Eberbach; 
die  Reg.-Bmstr.  Blum  in  Heidelberg  z.  Bahnbauinsp.  in  Bruchsal 
und  Joachim  in  Bruchsal  z.  Bahnbauinsp.  II  in  Heidelberg. 

Bayern.  Versetzt  sind:  Die  Ob.-Bauinsp.  Stumpf  von 

Weiden  nach  Eger,  Sperr  in  Neuulm  zur  Eisenb.-Betr.-Dir. 
Weiden,  Liederer  v.  Liederskron  von  Schweinfurt  nach 
Neuulm,  Riedenauer  in  Würzburg  als  Vorst,  der  Eisenb.- 
Bausekt.  nach  Schweinfurt,  der  Dir.-Ass.  Happ  in  Aschaffenburg 
zur  Eisenb.-Betr.-Dir.  Würzburg;  — die  Ob-Bauinsp.  Frank  in 
Donauwörth  als  Vorst,  zur  Eisenb.-Bausekt.  das.,  v.  Bezold  von 
Augsburg  nach  Donauwörth,  der  Dir.-Ass,  Gg.  S c h m i d in  Lands- 
hut zur  Eisenb.-Betr.-Dir.  Augsburg,  der  Eisenb.-Ass.  Stegner 
von  Nürnberg  nach  Landshut;  — die  Ob.-Bauinsp.  Zahn  von 
Ingolstadt  nach  Salzburg,  Kui'fer  von  Bamberg  nach  Ingolstadt. 

Zu  Eisenb.-Ass.  sind  ernannt:  Die  Staatsbauprakt.  Mühlbauer 
bei  d.  Eisenb.-Betr.-Dir.  Roscnlielm  und  Jäger  bei  d.  Eisenb.- 
Betr.-Dir.  Kempten. 

Preussen.  Der  vortr.  Rath  Geh.  Ob.-Brth.  v.  Münster- 
mann ist  z.  ordentl.  und  der  Eisenb.-Dir.  Präs.  Jungnickel  in 
Altona  z.  ausserord.  Mitgl.  der  Akademie  des  Bauwesens  ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Fel.  Kunath  aus  Nagy-Bocszko,  Heinr.  Siebern 
aus  Dorum,  Alb.  Zimmermann  aus  Nauen  und  Paul  Rost  aus 
Kottbus  (Hochbfeh.),  Max  H u ra  ra  e 1 1 aus  Dreye  (Wasser-Bfeh.), 

— Kurt  Ziegler  aus  Stannaitschen  (Wasser-  u.  Strassenbfeh.), 

— Hugo  Pieper,  aus  Hannover  und  Willy  Lucht  aus  Stettin 
(Eisenbfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Der  Geh.  Brth.  Quantz  in  Münster  i.  W.  ist  gestorben. 

Sachsen.  Der  Eisenb.-Dir.  Ob;-Brth.  Andrae  in  Dresden 
ist  als  Mitgl.  in  die  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  versetzt. 

Württemberg.  (Techn.  Hochschule  in  Stuttgart.) 
Dem  Baudir.  Prof,  von  Bach  ist  das  Kommenthurkreuz  II.  Kl. 
des  Friedrichsordens  verliehen.  Dem  Privatdoz.  Hohenner  in 
München  ist  unt.  Verleihung  des  Tit.  u.  Ranges  eines  Prof,  auf  der 
VII.  Rangstufe  die  Hilfslehrstelle  für  geodät.  Fächer  übertragen. 


Briet-  und  Fragekastea. 

Hrn.  H.  in  B.  Zum  Anstrich  solcher  Wände  dürfte  sich  am 
besten  die  sogen.  Emailfarbe  eignen,  die  jeder  Anstreicher  kennt. 
Damit  die  Farbe  aber  haltbar  sei,  muss  der  Auswitterungs- 
Vorgang  des  Zementputzes  durch  vielleicht  einjähriges  Stehen  zu 
Ende  gekommen  sein.  Eine  gewisse  Abkürzung  dieser  Dauer  ist 
dadurch  erreichbar,  dass  der  Putz  mit  einer  schwachen  Schwefel- 
säure-Lösung bestrichen  und  dann  mit  i'einem  Wasser  abgewaschen 
wird.  Das  Absäuern  und  Abwaschen  darf  aber  niemals  unter- 
bleiben, auch  wenn  der  Zementputz  i Jahr  und  länger  gestanden  hat. 

Hrn.  J.  P.  in  Gelsenkirchen.  Die  zehnjährige  Frist  beginnt 
von  dem  Tage,  an  welchem  Ihr  Nachbar  das  Dasein  der  Fenster 
erkennen  musste  oder  erkannt  hat.  Wann  dieser  Zeitpunkt  in 
Ihrem  Falle  eingetreten  ist,  ist  eine  Frage  thatsächlicher  Natur,  die 
der  Richter  aufgrund  der  thatsächlichen  Verhältnisse  nach  eigenem 
pflichtschuldigen  Ermessen  zu  beantworten  haben  wird.  Muth- 
maasslich  würde  die  Ingebrauchnahme  bezw.  Gebrauchsabnahme 
als  der  entscheidende  Tag  bezeichnet  werden.  Uebrigens  wurde 
die  Verjährung  bereits  an  dem  Tage  unterbrochen,  an  welchem  Ihr 
Nachbar  das  erste  Mal  dem  Fortbestände  der  Fenster  widersprochen 
und  deren  Schliessung  gefordert  hat,  sofern  damals  die  Verjährungs- 
frist noch  nicht  abgelaufen  war.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  Joh.  K.  in  Freiberg.  Bezugsquellen  für  aus- 
ländische Hölzer  vermögen  auch  wir  Ihnen  nicht  anzugeben.  Viel- 
leicht kann  Ihnen  die  Firma  Heinrich  Freese,  Berlin,  Rungestr.  i8a, 
Auskunft  ertheilen,  die  für  ihre  Holzpflasterungen  vielfach  aus- 
ländische Hölzer  bezieht.  — 

R.  1902.  Wir  nennen  Ihnen  das  eingehende  Werk  über  die 
Markthallen  Berlins  von  Stadtbauinsp.  Baurath  Lindemann,  Verlag 
von  Julius  Spiinger  in  Berlin.  — 


Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  102-  Die  Umwandlung  und  die  Neu- 
bauten des  Zoologischen  Gartens  (Fortsetzung).  — Die  Kanalisation  von 
Paris.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.'  — Vermischtes.  — Personal-Nach- 
richten. — Brief-  und  Fragekasten.. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  24. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  25.  Berlin,  den  26.  März  1902. 


Ueber  Zementrohre  mit  verstärkter  Wandung. 

Von  Prof.  Max  Möller,  Braunschweig. 


jor  10  Jahren  ersuchte  mich  die  Firma  Drcnckhahn 
] & Sudhop  in  Braunschweig,  die  Bruchfestigkeit  ge- 
- ' wöhnlicher  Zementröhren  durch  Rechnung  festzu- 
stellen. Ein  Jahr  später  folgten  Belastungsproben.  Auch 
in  den  folgenden  Jahren  halte  ich  wiederholt  Gelegenheit, 
praktische  Uniersuchungen  über  diesen  Gegenstand  unter 
verschiedenen  Verhältnissen  auszuführen. 

An  den  Stellen  ir  (vergl.  Abbildg.  1)  entstehen  Mo- 
menten-Nullpunkie;  es  sind  das  Wendepunkte  der  elasti- 
schen Linie.  In  den  Punkten  H’  tritt  nur  eine  Vertikalkraft 

und  zwar  hier  im  Betrage  auf.  Das  Scheitelstück  ir,  Il'o 
■wirkt  als  Balken.  Die  SeitenstQcke  11«  und  h’i 
bilden  exzentrisch  beanspruchte  Stützen.  Die  gezogene 
Faser  liegt  bei  A und  B an  der  inneren,  bei  C'  und  D an 
der  äusseren  Laibung  des  Rohres.  Dementsprechend  er- 
folgen auch  an  diesen  Stellen  schliesslich  die  Rissebildungen 
und  der  Bruch,  vergl.  Abbildg.  2.  Bei  allen  nachfo'gen- 
den  Bruchproben  zeigte  sich  dasselbe.  Die  vier  Stellen 


Ueberschüttung  erhalten,  ist  für  die  Ausführung  der 
Werth  « = 45®  maassgebend  gewesen.  Für  den  günstigen 
Ausfall  von  Probebelastungeu  mit  konzentrirter  Scheitel- 
last wäre  es  zweckmässiger  gewesen,  die  Scheitelstrecke 
kürzer  zu  halten,  also  n etwas  grösser  als  45^  zu  wählen. 
Das  hätte  aber  dem  Gebrauchslall  nicht  entsprochen 

Das  erste  Rohr  dieser  Art  wurde  auf  dem  Bahnhof 
in  Harburg  im  März  1900  geprüft.  Es  zeigte  einen  inneren 
Durchmesser  von  70*^«’,  100  cm  Baulänge,  Wand- 

siäike  an  den  verstärkten  Stellen  und  6‘icm  Eiseneinlage 
auf  I »n  Baulänge.  Das  Rohr  trug  freiliegend  eine  in  der 
Scheitellinie  konzentrirt  aufgebrachte  Last  von  Q = 12000 
Starke  Risse  waren  eingetreten.  Das  Rohr  befand  sich 
nahe  vor  dem  Zusammenbruche;  jedoch  fehlte  weiteres 
Belastungsmaterial,  um  diesen  ganz  herbeizuführen. 

In  Erde  eingebettet,  50  cm  überschüttet  uud  über  dem 
Scheitel  unter  Vermittelung  eines  in  der  Längsrichtung 
des  Rohres  auf  den  Boden  gelegten  Schwellenstückes  von 
I m Länge  belastet,  trug  das  Rohr  Q = 15000  ‘cg.  Die  innere 


Abbildg.  4. 


A,  B,  C und  D sind  gefährdete,  weil  am  meisten  auf  Bie- 
gung beanspruchte  Stellen  des  Rohres. 

Vor  gut  3 Jahren  fragte  die  oben  genannte  Firma  bei 
mir  an , wie  sich  die  Bruchfestigkeit  von  Zementrohren 
wohl  am  besten  steigern  Hesse.  Es  galt  damals,  Rohre 
herzustellen,  welche  unter  Gütergleisen  des  Bahnhofes 
Harburg  verlegt  werden  sollten.  Ich  schlug  eine  Ver- 
stärkung der  4 gefährdeten  Stellen  vor  und  die  Anwen- 
dung von  Eiseneinlagen,  letztere  bei  A und  B nahe  der 
inneren,  bei  C und  D nahe  der  äusseren  Laibung  (vergl, 
die  gestrichelte  Linie  Abbildg.  3).  Diese  Konstruktion  ist 
der  Firma  Drenckhahn  & Sudhop 
durch  Pateul  geschützt  worden. 

Die  Lage  der  Wendepunkte  IV' 
der  elastischen  Linie  in  einer  Bogen- 
höbe « (vergl.  Abbildg.  3)  findet  sich 
aus  der  Gleichung  der  elastischen 
Verbiegungen.  Für  jeden  Punkt  des 
•Querschnittes  ist  die  Winkeländerung 
dieselbe,  einerlei,  ob  man  die  Be- 
rechnung aus  dem  Scheitelstück  oder 
dem  Seilenstück  ableitet.  Für  den 
Wendepunkt  tritt  noch  die  beson- 
dere Beziehung  hinzu,  dass  für  ihn 
das  Biegungsmomeni  Null  ist.  Für  eine  im  Scheitel  kon- 
zentrirte  Last  eines  freiliegenden  Rohres  findet  man 
« = 50^/2°.  Bei  vertheilter  Last  wird  n etwa  45^.  Da  die 
Rohre  nun  allemal  im  Boden  eingebettet  werden  und 


Abbildg.  3. 


Untersuchung  ergab  bei  dieser  Belastung  einen  ganz  feinen 
inneren  Scbeitelriss.  Ein  Zu.sammenbruch  wäre  voraus- 
sichtlich erst  bei  mehr  als  30  000  k?  Belastung  erfolgt. 

Um  das  Verhalten  der  Rohre  weiter  festzustellen,  sind 
desgleichen  unter  meiner  .Mitwirkung  von  der  Firma 
Drenckhahn  & Sudhop  im  September  1900  Rohre  von 
150 innerem  Durchmesser  in  Braunschweig  und  alsbald 
auch  in  Peine,  ferner  im  Juni  1901  verschiedene  Rohre 
von  70  innerem  Durchmesser  mit  und  ohne  Wandver- 
stärkung und  mit  und  ohne  Eiseneinlagen  einer  Prüfung 
unterzogen.  Ohne  Eisen  und  bei  nicht  verstärkter  Wand 
fand  sich  die  Bruchgrenze  bei  einer  Last  von  S'mo  Die 
grösste  Bruchlast  wurde  seiteus  der  Firma  Holm  & Molzen 
in  Flensburg  im  April  1901  erreicht.  Die  dort  herge- 
stellten Rohre  mussten  besonders  stark  sein,  da  sie  mit 
geringfügiger  Ueberschüttung  in  schlechtem,  häufig  über- 
schwemmtem Boden  unter  Eisenbahngleisen  Verwen- 
dung finden  sollten.  Bei  100  innerem  Durclimesser, 
75  cm  Baulänge,  138’»*'«  Wandstärke  an  den  verstärkten 
Stellen  und  7 qcm  Eiseneinlage  auf  75'=®  Baulänge  er- 
reichten die  Rohre  eine  Bruchlast  von  Q = 14  800  kg.  Das 
macht  Q = 19700kg  Scheitellast  auf  i lfd. 

Abbildg.  4 zeigt  die  Vornahme  der  Belastung.  Längs 
des  Rohrscheitels  ist  ein  Eisenstab  von  2x2""  Querschnitt 
gelegt,  dessen  Ende  hier  nur  als  hellerer  Punkt  erscheint. 
Darüber  sind  4 Balken  gestreckt,  welche  atn  Ende  auf 
einem  schmalen  Eisen  ein  2.  Auflager  besitzen.  Das  andere 
Ende  der  Balken  schwebt  bei  dem  Versuch  frei;  es  ist 


157 


nur  unterstapelt,  um  das  Fallen  der  Last  bei  eintretendem 
Rohrbruch  abzukürzen.  Auch  die  durchgesteckte  Schwelle 
dient  diesem  Zweck.  Das  Belastungsmaterial  war  Roheisen. 
Die  Last  wurde  so  ausgeglichen,  dass  derselben  das 
Rohr  traf  und  i/jß  das  feste  Auflager.  Diese  Anordnung 
war  getroffen,  um  ein  Kippen  der  Last  zu  hindern. 

Es  ist  noch  hervorzuheben,  dass  bei  der  Einbettung 
eines  Rohres  in  Boden  ausser  der  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Biegung  und  Bruch  auch  eine  Widerstandsfähigkeit 
durch  Gewölbewirkung  hinzukommt.  Eingebettet  und 
fest  mit  Boden  umstampft  trugen  Rohre  2 — 3 mal  so  viel 


als  freiliegend,  bei  sehr  guter  Umstampfung  ferner  doppelt 
so  viel,  als  bei  mangelhaft  ausgeführtem  Stampfen. 

Es  sind  inzwischen  2250  lfd.  “ Rohre  mit  verstärkter 
Wand  in  Weiten  von  50—150  c®  Durchmesser  verlegt 
worden.  Auch  sind  Siele  von  2,5  ^ Weite  in  ähnlicher 
Bauweise  von  mir  entworfen.  Die  Verwendung  der  Rohre 
erfolgte  seitens  der  Stadtbauämter  in  Harburg,  Braun- 
schweig und  Flensburg,  von  dem  Magistrat  der  Stadt  Peine 
und  von  der  Firma  Lenz  & Co.,  von  letzterer  für  Eisen- 
bahn-Durchlässe, ferner  von  dem  Kreisbauamt  Neuhaldens- 
leben und  dem  Landesbauamt  Celle.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Vereinigung  Berliner  Architekten.  Gesellige  Zusammen- 
kunft vom  6.  März.  Vors.iHr. Wolffenstein.  — Hr.Stiehl 
besprach  seine  Entwürfe  für  die  architektonische  Ausge- 
staltung der  Kühlhäuser  der  „G esellschaft  für  Mark t- 
und  Kühlhallen“  an  der  Luckenwalder-  und  an  der 
Trebbinerstrasse  in  Berlin.  Die  Anlagen  sind  auf  einem 
umfangreichen  Gelände  errichtet,  welches  auf  die  beiden 
genannten  Strassen  mündet  und  von  der  elektrischen  Hoch- 
bahn durchschnitten  wird.  Die  Baugruppe  besteht  aus 
dem  Verwaltungsgebäude  und  dem  Maschinen-  und  Kessel- 
haus, deren  ar- 
chitektonische 
Ausgestaltung 
durch  Hrn.  J. 

W ellmann  be- 
arbeitet wurde, 
und  aus  den  bei- 
den durch  Hrn. 

Stiehl  bearbei- 
teten grossen 
Kühl  - Häusern. 

Die  mit  einem 
Aufwande  von 
rd.  4 Mill.  M.  er- 
stellte Anlage 
hat  die  Bestim- 
mung, in  ver- 
miethbarenRäu- 
men  die  lange 
Erhaltung  leicht 
verderblicher 
Lebensmittel  zu 
sichern.  Die 
wohlgelungene 
architektonische 
Ausbildung 
schliesst  an  die 
Formensprache 
des  märkischen 
Backsteinstiles 
an.  Ausserdem 
wurden  die  Ent- 
würfe des  Red- 
ners für  das  im 
Stile  der  deut- 
schen Renais- 
sance errichtete 
Kaufhaus 

„Neu  - Kölln“  Fürstliches  Theater  in  Gera, 

an  der  Waisen- 
brücke in  Berlin  sowie  einige  seiner  litterarischen  Ver- 
öffentlichungen berührt.  — 

Es  gab  darauf  in  einer  mehr  als  zweistündigen  Rede 
Hr.  Heinr.  Seeling  einen  Ueberblick  über  seine  ungemein 
reiche  und  fruchtbare  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete  des 
Theaterbaues,  welche  mit  der  Errichtung  des  Stadt- 
theaters  in  Halle  für  laooBesucher  in  den  Jahren  i884bis 
1886  begann  (Dtsch.  Bztg.  1886  No.  93  ff).  Nach  einer  länge- 
ren Pause  folgte  in  den  Jahren  i8go  - 92  das  für  700  Personen 
entworfene  Stadttheater  in  Essen  (S.  160),  zu  welchem 
gleich  dem  Hallenser  Hause  der  Auftrag  auf  dem  Wege 
des  allgemeinen  Wettbewerbes  errungen  wurde.  Aus 
einem  unmittelbaren  Auftrag  entstand  in  dieser  Zeit  das 
Neue  Theater  in  Berlin  für  rd.  900  Personen  {Dtsch. 
Bztg.  1893  No.  76},  während  das  Jahr  1894  das  Stadt- 
theater in  Rostock  als  Ergebniss  eines  engeren  Wett- 
bewerbes brachte.  Dasselbe  fasst  1000  Personen  und  be- 
anspruchte eine  Bausumme  von  600  000  M.  Wieder  aus 
einem  unmittelbaren  Auftrag  entstand  1896  mit  einer  Bau- 
surame  von  nur  450000  M.  das  Stadttheater  in 
Bromberg  (Dtsche.  Bztg.  1897,  No.  77).  Dann  kamen  in 
rascher  Folge  die  engeren  Wettbewerbe  um  Entwürfe  für 
die  Stadttheater  in  Frankfurt  a.  M.  und  Kiel.  In 
beiden  Wettbewerben  blieb  Seeling  Sieger.  Das  Frank- 

J58 


furter  Schauspielhaus  (s.  Abbildg.  S.  159)  ist  eine  umfang- 
reiche Bauanlage  auf  einer  bevorzugten  Baustelle,  auf 
welcher  neben  dem  Theater  und  im  Einklang  mit  diesem 
eine  Wohnhausgruppe  mit  Cafe  usw.  angelegt  wurde.  Das 
Theater  soll  im  Herbst  d.  J.  eröffnet  werden.  Dazwischen 
entstand  das  umgebaute  Stadttheater  in  Aachen;  es 
ist  am  ]6-  Sept.  igor  festlich  und  unter  grossen  Ehrungen 
für  den  Architekten  eingeweiht  worden.  Das  alte  Gebäude, 
ein  Werk  Schinkels,  genügte  den  Anforderungen  des 
modernen  Bühnenbetriebes  nicht  mehr  und  verwahrloste 
im  Laufe  der  Zeit  so  sehr,  dass  ein  E^mbau  dringend  er- 
forderlich wurde.  Da  eine  neue  und  gute  moderne 

Bühnen-Einrich- 
tung  vorhanden 
war,  so  erstreck- 
te sich  der  Um- 
bau in  derHaupt- 
sache  auf  das  Zu- 
schauerhaus und 
eine  Erweite- 
rung der  Büh- 
nen - Nebenräu- 
me. Der  Umbau 
war  so  tiefgrei- 
fend, dass  das 
Zuschauerhaus 
kaum  hinter  ein- 
erNeuanlage  zu- 
rücksteht (1898, 
No.  39).  Einen 
ähnlich  weitge- 
henden Umbau 
wird  mit  einem 
Kostenaufwande 
von  I 300000  M. 
das  Hofthea- 
ter in  Braun- 
schweig erfah- 
ren.Für  dieDau- 
er  des  Umbaues 
wird  nach  dem 
Entwurf  des  Hrn. 
Ob.-Brth.  Lilly 
inBraunschweig 
ein  provisori- 
sches Theater- 
gebäude errich- 
tet. Der  Umbau 
belässt  nur  die 
Umfassungs- 
mauern, das 
Dach,  das  Foyer 
und  einige  Bühnen-Nebenräume  in  ihrem  alten  Zustande, 
während  der  Zuschauerraum,  die  Treppenhäuser,  die 
Kleiderablagen  usw.  völlig  neu  eingebaut  werden.  Es 
erhält  ferner  die  Bühne  eine  neue  Maschinerie  mit  elek- 
trischem Betriebe  und  es  wird  an  der  Rückfront  des 
Theaters  ein  grosser  Handmagazinbau  mit  darüber  liegen- 
der Probebühne  und  mit  Malersaal  neu  angebaut.  Der 
Zuschauerraum  wird  nach  seiner  Neugestaltung  1650  Per- 
sonen fassen.  Etwa  gleichzeitig  mit  den  schon  seit  länge- 
rer Zeit  bearbeiteten  Umbau-Entwürfen  für  Braunschweig 
entstanden  Entwürfe  für  ein  Stadttheater  in  Posen, 
sowie  für  ein  fürstliches  Theater  in  Gera.  Letztere 
Anlage,  welche  wir  hier  im  Grundriss  wiedergeben  und 
welche  im  Herbste  d.  J.  eröffnet  wird,  ist  besonders  da- 
durch interessant,  dass  sie  unter  einem  Dache  mit  einem 
grossen  Konzertsaale  vereinigt  ist.  Das  Theater  enthält 
1000  Sitzplätze,  der  Konzertsaal  1600.  Die  Bausumme  be- 
trägt nur  I Mill.  M.  Die  Vereinigung  zweier  selbständiger 
Unternehmungen  war  den  Stuttg.  Tagesblättern  zufolge 
auch  infrage  bei  dem  Urtheil,  welches  Seeling  für  den 
Neubau  des  Hoftheaters  in  Stuttgart  abzugeben  be- 
rufen wurde.  Er  schlug  hier  vor,  ein  Opernhaus  für  1400 
und  ein  Schauspielhaus  für  800  Personen  zu  vereinigen, 
um  dadurch  an  Betriebskosten  insbesondere  zu  sparen. 

No.  25. 


Architekt:  H.  Seeling  in  Berlin. 


Das  Stadttheater 
in  Frankturt  a.  M, 


Bei  dem  Stadttheater  in  Nürnberg,  welches  Seeling 
wieder  als  freien  Auftrag  erhielt  una  welches  zurzeit 
Parketthöhe  erreicht  hat,  plant  man  die  Anlage  eines 
grossen  Festsaalbaues  nicht  in  so  engem  Zusammenhang 
wie  bei  Gera,  also  unter  einem  Dache,  wohl  aber  als  ge- 
schlossene, harmonische  Baugruppe  mit  der  Möglichkeit 
gleichzeitiger  Benutzung  beider  Anlagen  bei  grossen  Festen. 

Wieder  auf  dem  Wege  des  Sieges  in  einem  engeren 
Wettbewerb  wurde  der  Auftrag  zur  Auführung  des  Stadt- 
theaters in  Freiburg 
i.  Br.  gewonnen,  für  wel- 
ches bei  einer  Sitzzahl  von 
1280  Plätzen  die  bedeu- 
tende Summe  von  2 700  000 
M.  aufgewendet  werden 
soll.  Neben  dieser  reichen 
praktischen  Thätigkeit 
übte  Seeling  auch  eine 
vielbegehrte  gutachtliche 
Thätigkeit  aus.  Neben 
Stuttgart,  das  schon  er- 
wähnt wurde,  wurde  er 
u.  a.  nach  Karlsruhe,  nach 
Mannheim,  Dortmund,  so- 
wie nach  mehreren  ande- 
ren Städten  zur  Beurthei- 
lung  der  einschlägigen 
Theaterverhältnisse  be- 
rufen. Auch  das  Ausland 
bewarb  sich  um  seine  Mit- 
wirkung. Ein  von  demAr- 
chitekten  Lilljequist  ge- 
schaffenerEntwurffürden 
Neubau  eines  kgl.  Schau- 
spielhauses in  Stockholm 
wurde  Seeling  zur  Begut- 
achtung und  Bearbeitung 
desGrundrisses  vorgelegt. 

Es  war  ein  reiches  Bild 
fruchtbarer  künstlerischer 
Gestaltungskraft  und 
scharfsinniger  technischer 
Erfahrung,  welches  der 
Redner  vor  einer  zahlrei- 
chen und  beifallfreudigen 
Versammlung 
entwickelte.  — 

V.  ordent.Ver- \ 

Sammlung  v. 

20.  März.  Vors. 

Hr.  von  der 
Hudej  anwes. 

37  Mitgl.  und 
mehrere  Gäste. 

Die  Hrn.  Jos. 

Moser  und  Rieh. 

Bielenberg  wur- 
den alsneueMit- 
glieder  aufge- 
nommen. In  die 
Jury  betr.  Be- 
urtfieilung  der 
nach  Düsseldorf 
gehenden  archi- 
tektonischen 
Ausstellungsar- 
beiten werden 
die  Hrn.  Alb. 

Hofmann,  G. 

Roensch  und 
H.Solf  berufen. 

Hr.  Solf  berich- 
tet über  den  er- 
folgreichenFort- 
gang  der  Arbei- 
ten für  die  Archi- 
tektur - Abthei- 
lung der  grossen 
Berliner  Kunstausstellung  1902.  Im  Anschluss  daran  er- 
läutert Hr.  Reuters  den  von  ihm  aufgestellten  Ent- 
wurf zur  architektonischen  Gliederung  und  Ausschmückung 
des  Raumes,  bei  welcher  die  Hrn.  Bildh.  Prof.  Riegel- 
mann und  Giesecke,  sowie  Hr.  Maler  Kellner  mit- 
wirken  werden.  Die  Mittheilungen  des  Hrn.  Wittich 
über  die  künstlerische  Ausschmückung  der  elek- 
trischen Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin, 
sowie  die  sich  ihnen  anschliessenden  Erläuterungen  der 
Hrn.  Dinklage,  Solf  und  Wolffenstein  über  die  von 
i hnen  gestalteten  Bahnstrecken  und  Bahnhöfe  erregten 


das  lebhafteste  Interesse  der  Versammlung.  Der  Vor- 
sitzende gab  der  besonderen  Anerkennung  der  Vereinigung 
darüber,  dass  man  hier  zum  ersten  Male  und  mit  bestem 
Erfolge  versucht  habe,  ein  umfangreiches  Werk  der  In- 
genieurbaukunst durch  künstlerische  Mittel  zu  veredeln, 
warmen  Ausdruck  und  stattete  unter  dem  lebhaften  Bei- 
fall der  Versammlung  der  „Gesellschaft  für  elektrische 
Hoch-  und  Untergrundbahnen“  für  das  weitgehende  Ent- 
gegenkommen, welches  einen  Wendepunkt  in  der  Ge- 
staltung der  Ingenieurbau- 
werke bedeutet,  den  Dank 
Architekt:  H.  Seeling  ^er  Fachgenossenschaft 
behalten  uns  vor, 
auf  die  architektonische 
Ausgestaltung  der  neuen 
Bahnanlage  eingehender 
zurückzukommen.  An  die 
Vorträge  schliesst  sich 
eine  kurze  Besprechung, 
an  welcher  die  Hrn.  Rei- 
mer und  Böckmann 
theilnahmen  und  in  wel- 
cher letzterer  die  Aussich- 
ten und  Hoffnungen  bei 
Gründung  der  Berliner 
Stadtbahn  streift  und  den 
weitschauen  den  wirth- 
schaftlichen  Plänen  des 
damals  leitenden  Archi- 
tekten Hartwig  Worte 
wärmster  Anerkennung 
zollt.  Wenn  die  als  Privat- 
unternehmung gegrün- 
deteStadtbahnnichtgleich 
von  dem  Erfolge  begleitet 
war,  den  ihre  Begründer 
erwarteten,  so  liegt  das  an 
der  engherzigen  Wirth- 
schaftspoliiik,  mitweicher 
man  den  Plänen  Hartwigs 
entgegenwirkte.  — 

Vermischtes 
Zum  Gesundheitsschutz 
ln  öffentlichen  Lokalen  ist 
von  einer  er- 
freulichen An- 
ordnung des  Mi- 
nisters des  Inne- 
ren Kenntniss 
zu  nehmen  und 
nur  zu  wün- 
schen,dass  diese 
Anordnung  na- 
mentlich in  den 
Lokalen  geringe- 
rer Art  rück- 
sichtslos durch- 
geführt werde. 
Aber  auch  in 
den  feinerenLo- 
kalen  wird  sich 
oft  Anlass  finden 
von  der  Anord- 
nung Gebrauch 
zu  machen,  da 
es  nicht  selten 
vorkommt,  dass 
die  erste  An- 
forderung: ge- 

sunde Luft!  hin- 
ter der  anderen, 
möglichst  auffal- 
lende und  luxu- 
riöse Ausstat- 
tung, zurücktre- 
ten muss.  Der 
an  die  Regie- 


rungs-Präsidenten gerichtete  Min isterial- Erlass  lautet: 

Es  ist  neuerdings  zur  Sprache  gekommen,  dass  immer 
noch,  selbst  in  vielen  grösseren  Städten,  Restaurations- 
räume hergestellt  werden,  die  jeder  geeigneten  Lüftungs- 
Vorrichtung  entbehren,  obwohl  in  ihnen  täglich  die  An- 
sammlung zahlreicher  Menschen  stattfindet. 

In  § 3 der  durch  die  Rundverfügung  vom  26.  August 
1886  mit^etheilten  Anforderungen,  die  in  baulicher  und 
gesundheitlicher  Beziehung  an  die  Gast-  und  Schankwirth- 
schaften  zu  stellen  sind,  ist  darauf  hingewiesen,  dass  die 
Gastzimmer  ausser  mit  Fenstern,  die  einen  hinreichenden 


25.  März  190Z. 


159 


Zutritt  von  Luft  und  Licht  unmittelbar  von  der  Strasse 
oder  vom  Hofe  aus  gestatten,  auch,  soweit  nöthig,  mit 
sonstigen  zur  Herstellung  eines  genügenden  Luftwechsels 
erforderlichen  Einrichtungen  versehen  und  überhaupt  ihrer 
ganzen  Anlage  nach  so  beschaffen  sein  müssen,  dass  sie 
die  menschliche  Gesundheit  in  keiner  Weise  gefährden. 

Es  wird  ersucht,  diese  Vorschriften  den  Konzessions- 
Behörden  in  Erinnerung  zu  bringen.  Die  Herstellung  von 
Lüftungsvorrichtungen,  welche  durch  natürliche  Tempe- 
raturdifferenz — auch  ohne  schädlichen  Zug  zu  verur- 
sachen — wirken,  könnte  ohne  nennenswerthe  Belastung 
der  die  Konzession  Nachsuchenden  stets  vorgeschrieben 
werden.  Inwieweit  die 
Anbringung  vonVorrich- 
tungen , welcne  durch  be- 
sonders erzeugten  Wär- 
me - Unterschied  oder 
durch  die  mechanischen 
Kräfte  wirken,  zu  for- 
dern ist,  wird  in  je 
dem  einzelnen  Falle  un- 
terBerücksichtigung  der 
Zweckbestimmung  der 
Räume  und  der  etwa 
zur  Verfügung  stehen- 
den Betrieb.skraft  zu 
prüfen  sein.  — 

Zustände  an  der  Tech- 
nischen Hochschule  in 
Wien.  Nach  einer  Mit- 
theilung in  den  österrei- 
chischen Tagesblättern 
ist  ein  Theil  der  Studi- 
renden  in  den  Ausstand 
eingetreten,  weil  die 
Raumverhältnisse,  über 
die  bekanntlich  seit  vie- 
len Jahren  Beschwerden 
laut  geworden  sind,  die 
ordnungsmlssige  Theil- 
nahme  an  den  Vorlesun- 
gen nicht  mehr  gestatten. 

Am  8 d.  M.  begab  sich 
eine  Abordnung  der  Stu- 
direnden  des  3.  Jahr- 
ganges der  Maschinen- 
bauschule zum  Rektor, 
um  demselben  darzule- 
gen, dass  der  Lehrsaal 
des  Professors  Englän- 
der nur  für  144  Hörer 
ausreiche,  während  für 
dessen  Vorlesung  258 
Hörer  eingeschrieben 
seien.  Der  Rektor  ver- 
mochte baldige  Ab- 
hilfe nicht  in  Aussicht 
zu  stellen,  weil  auch  alle 
anderen  Hörsäle  über- 
füllt seien.  Nach  Ent- 
gegennahme des  Be- 
richtes der  Abordnung 
haben  die  Hörer  des  3. 

Jahrganges  der  Maschi- 
nenbauschule beschlos- 
sen, den  Vorle.sungen  so 
lange  fernzubleiben,  bis 
Abhilfe  geschaffen  wird, 
um  nicht  gezwungen 
zu  sein,  während  der 
heissen  Sommermonate 
den  Vorlesungen  in 
einem  allen  An.sprüchen 
der  Gesundheitspflege 
widersprechenden  Saale  beiwohnen  zu  müssen ; dem  Rektor 
wurde  von  diesem  Beschlüsse  Mittheilung  gemacht. 

Zeitweilige  Ueberfüllungen  von  Hörsälen  sind  auch 
an  anderen  Hochschulen  häufige  Erscheinungen;  in  Wien 
aber  scheint  das  Ucbel  längst  chronisch  zu  sein.  — 

Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Rathhaus  Schmalkalden.  Unter  44  Ent- 
würfen errang  den  I.  Preis  der  mit  den  Kennzahlen 
„1419-1902"  des  Hrn.  Rieh.  Aurich  in  Dresden;  den  II. 
Preis  der  Entwurf  „Pro  nihilo“  der  Hrn.  Rieh.  Drach 
und  A.  Möllinghoff  in  Karlsruhe.  Zum  Ankauf  ge- 
langten die  Entwürfe  der  firn.  Rud.  Koch  in  Charlotten- 
burg und  Joh.  Roth  in  Kassel.  — 


Briet-  und  Fragekasteo. 

Hrn.  Arch.  M.  in  Würzburg.  Wir  setzen  Ihre  Frage,  die 
für  viele  Fälle  zweifellos  von  grosser  Bedeutung  ist,  hierher,  um 
dadurch  zur  Mittheilung  etwaiger  Erfahrungen  in  diesem  Blatte  an- 
zuregen. Unsere  eigene  Ansicht  tragen  wir  der  Frage,  die  folgen- 
dermaassen  lautet: 

„Welche  Mittel  und  Wege  sind  einer  städtischen  Verwaltung 
an  die  Hand  gegeben,  um  ein  hervorragend  gelegenes  Bauland 
(Hochkai-Slrasse),  dessen  ästhetischer  Ausbau  die  Zierde  der  Stadt 
würde,  nach  bestimmten  Entwürfen  oder  Vorschriften 
zu  ermöglichen,  ohne  auf  die  Bauunternehmer  einen  Einfluss 
durch  eigenen  Besitz  daselbst  ausüben  zu  können?“  unmittelbar 
wie  folgt  nach:  Nach  dem  in  Preussen  geltenden  Recht  (Th.  1,  Tit.  8, 
§66A.  L.  R.)  sind  nur  Bau- 
ten untersagt,  die  zum  Scha- 
den oder  zur  Unsicherheit 
des  gemeinen  Wesens  oder 
zur  Verunstaltung  der 
Städte  und  öf  (e  11  lUchen 
Plätze  vorgenommen  wer- 
den. In  der  Rechtsprechung 
ist  der  hier  aufgcstellte 
Grund.salz  theils  in  er- 
weiterndem, thcils  in  ver- 
engerndem Sinne  ausgelegt 
worden.  Verengernd  inso- 
fern, als  festgesleilt  ist,  dass 
als  „Verunstaltung“  nur  ein 
Zustand  gilt,  der  das  Auge 
positiv  beleidigt,  nicht 
aber  schon  ein  solcher,  bei 
dem  das  Ange  einen  Mangel 
an  Schönheit  empf  ndet,  bei 
dem  es  sich  um  ein  Mehr 
oder  Weniger  davon  han- 
delt Erweiternd  ist  die 
Rechtsprechung  thätig  ge- 
wesen, indem  sie  unter  dem 
Begriff  „zum  Schaden  des 
gemeinen  Wesens“  neuer- 
ding.s  Dinge  gebracht  hatte, 
die  früher  ausserhalb  des- 
.selben  gelassen  wurden.  Sie 
hat  auerkaniit,  dass  das 
Uebereinanderschichten  der 
Bev'ölkerung  in  vielgeschos- 
sigen  Gebäuden  und  die  Ent- 
behrung von  frischer  Luft 
und  Licht  auch  zum  Scha- 
den des  gemeinen  Wesens 
dient,  und  gestützt  hierauf 
haben  O rts  - Polizei  - Ver- 
ordnungen Rcclitsgiltigkeit 
gewonnen,  durch  die  Fa- 
brikbauten  von  bestimmten 
Stadttheilen  ausgesdilo.ssen 
werden  bezw.  durch  die  für 
andere  Stadttheile  nur  be- 
stimmte Bauweisen  der 
Wohngebäude  (landhaus- 
mässige  Bebauung)  als  zu- 
lässig erklärt  worden  sind. 
Dies  ist  aber  auch  alles,  und 
Vorschriften  rein  ästheti- 
scher Natur,  die  vereinzelt 
in  Baupolizeiordnungen  Vor- 
kommen, sind  verschiedent- 
lich durch  die  Rechtspre- 
chung als  rechtsuiiverbind- 
lich  erklärt  worden. 

Dass  durch  ortsstatu- 
l a r i s c h eVorschrilteii  mehr 
als  durch  Polizeiverordnun- 
generreichbarsei, erscheint 
uns  (in  Preussen)  ausge- 
schlossen, weil  ein  Orts- 
statut zu  seiner  Giltigkeit 
der  Hinzufügung  polizei- 
licher Straf  bestimmungen 
bedarf. 

Ein  einziger  Weg  mag 
ausnahmsweise  gangbar 
sein : Befindet  sich  das  betr. 
Gelände  im  Besitze  einer 
Gesellschaft,  .so  ist  die  Stadt 
unbehindert,  ihre  Genehmigung  zu  auszuführenden  Strassen-  usw. 
Anlagen  an  Bedingungen  auch  ästhetischer  Natur  zu 
knüpfen.  Derartige  Fälle  sind  bekannt. 

Hrn.  Ing.  G.  B.  ln  Bilbao.  Umfassende  Versuche  über  die 
Elastizität  des  Zementmörtels  und  Betons  sind  von  Prof.  Bach, 
Stuttgart,  in  der  Ztschrft.  d.  Vereins  deutsch.  Ing  1895,  1896  und 
1897  veröffentlicht.  Diese  Versuche  erstrecken  sich  jedoch  nur  auf 
Druck,  nicht  auf  Zug.  Eine  Zusammenstellung  verschiedener  Ver- 
suchs-Ergebnisse ist  auch  in  dem  Werke  „Der  Portland-Cement 
und  seine  Anwendung  im  Bauwesen“,  Berlin,  Verlag  der  Dtschn. 
Bauztg.  wiedergegeben.  — 


Inhalt:  Ueber  Zemeotrolire  mit  verstärkter  Wandung.  — Mittheilungen 
ans  Vereinen.  — Vermischtes  — Preisbewerbuugen.  — Brief-  u.  Fragekasteo. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Ho fm an n,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


Das  Stadttheater  in  Essen.  Architekt:  H.  Seeling  in  Berlin. 


160 


No.  25. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  26.  ^ 


Berliner  Neubauten. 


No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens. 


(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  S.  163  und  eine  Bildbeilage. 


BTSCftl  Zoologischen  Gartens  im  Garten  antrat,  legte  er  sich  die  für  den  Thiergärtner 

im  Allgemeinen  und  seiner  Besiedelung  wichtigste  Grundfrage  vor,  „ob  bei  den  Bauten  im 
durch  ausgesuchte  Exemplare  der  verschic-  Zoologischen  Garten  nur  die  Sicherheit  der  Besucher 
denen  Thiergattungen  sind  es  in  erster  und  des  Wärters  und  das  Wohl  der  Thiere  in  Betracht 
Linie  die  Baulichkeiten,  welche  die  An-  kommen  dürfen,  oder  ob  man  mit  diesen  Bauten  — un- 
ziehungsln-aft  der  Thiere  auf  den  Besucher  ergänzen,  beschadet  der  genannten,  ohne  Zweifel  nothwendigsten 

Erfordernisse 


ihm  das  Thier, 
soweit  irgend 
möglich,  mit 
einer  Andeu- 
tung seiner  hei- 
mathlichenUm- 
welt  umgeben 
und  es  ihm 
so  näher  brin- 
gen. Wir  ha- 
ben schon  die 
Grundsätze  be- 
rührt, nach  wel- 
chen die  Archi- 
tekten Ende  & 

Böckmann  die 
erste  grosse 
Bauperiode  im 
Garten  einlei- 
teten. Diese 
Grundsätzewa- 
ren so  ideale 
und  das,  was 
auf  ihnen  auf- 
gebaut wurde, 
zeigte  eine  so 
reiche  Erschei- 
nung, dass  sich 
hier  und  da 
Stimmen  erho- 
ben hatten, wel- 
che besorgt  vor 
einem  Zuviel 
warnten  und 
es  nicht  gerne 
sahen,  dass  die 
Ställe,  die  sie 
den  Thieren 
nur  zugestehen 
wollten,  sich  in 
Paläste  ver- 
wandelten.Und 
es  blieb  auch 
nicht  aus,  dass, 
als  der  erste  be- 
deutendeTliier- 
gärtner  des 
Gartens,  als  Dr. 

Bodinus  starb, 
unter  seinem 
Nachfolger  Dir. 

Schmidt  die 
Verwaltung  des  Gartens  in  das  entgegengesetzte  Extrem 
verfiel  und  „nüchterne  Ställe  und  öde  Scheunen  baute“. 
Man  glaubte,  „dass  das  Hässliche  nothwendiger  Weise 
auch  praktisch  und  das  Schöne  nothwendiger  Weise  auch 
unpraktisch  sein  müsse“.  Diese  Periode  hat  den  Zoolo- 
gischen Garten  wahrnehmbar  zurQckgebracht  und  als 
daher  der  heute  noch  mit  so  grossem  Erfolge  seines 
Amtes  waltende  Direktor  Dr.  L.  Heck  seine  Thätigkcit 


Musikpavillon  an  der  üreisternpromenade.  Architekten:  Kays 


— auch  noch 
höhere  Zwecke 
undidealeZiele 
verfolgen  kann 
und  soll,  die  auf 
dem  Gebiete 
der  künstleri- 
schen Anreg- 
ung und  Volks- 
erziehung lie- 
gen“. Es  liegt 
auf  der  Hand, 
dass  ein  Thier- 
gärtner mit 
grösseren  Ge- 
sichtspunkten 
sich  dieseFrage 
unbedingt  be- 
jahen musste 
und  so  ist  denn 
auch  Heck  „aus 
begeisterter 
Ueberzeugung 
zu  dem  Ergeb- 
niss  gekom- 
men: Ja,  wir 
sind  auf  dem 
rechten  Wege! 
Die  Bauten  im 
Zoologischen 
Garten  sollen 
auch  an  sich 
etwas  bedeu- 
ten, weil  sie  so 
vielen  Tausen- 
den vor  Augen 
treten,  die  Geld 
bezahlt  haben, 
um  etwas  Se- 
henswertheszu 
sehen,  und  na- 
mentlich müs- 
sen die  grossen 
Thierhäuser  ar- 
chitektonische 
Sehenswürdig- 
keiten sein,  um 
auch  solche  Be- 
sucher anzu- 
Groszheim  in  Berlin,  ziehen  und  ZU 

befriedigen, die 
nicht  geneigt  sind,  sich  in  die  Einzelheiten  des  Thier- 
bestandes zu  vertiefen.“  Der  ungewöhnliche  Erfolg 
des  Gartens  hat  diese  Ansicht  bestätigt  und  hat  dazu 
geführt,  dass  durch  die  von  die.sen  Anschauungen  erfüll- 
ten leitenden  Persönlichkeiten  die  Baugeschichte  des 
Gartens  mit  Ausnahme  jener  kurzen  Periode  künstle- 
rischer Kleinmüthigkeit  eine  stetig  aufsteigende  wurde 
und  noch  fortwährend  ihrem  Zenith  entgegenschrcitet. 


Als  Ende  & Böckmann  die  erste  grosse  Bauperiode 
des  Gartens  eröffneten,  da  stellten  sie  für  die  Einrich- 
tung der  Thierhäuser  eine  Reihe  grundlegender  Bedin- 
gungen auf,  an  die  man  bis  dahin  kaum  mit  dieser 
Sorgfalt  gedacht  hatte,  die  sich  aber  im  Laufe  der 
Zeit  als  für  das  Wohlbefinden  der  Thiere  und  die 
damit  innig  zusammenhängende  Familienbildung  als 
unerlässlich  erwiesen  haben.  Sie  forderten  zunächst 
eine  gute  Beleuchtung  des  Hauses,  eine  Lage  des- 
selben gegen  Südosten,  damit  im  Winter  die  Sonnen- 
strahlen, die  ein  wichtiges  Lebensmoment  auch  für 
die  Thiere  sind,  das  Haus  für  einige  Stunden  durch- 
scheinen und  erwärmen  können.  Oberlicht  ist  die 
zweckmässigste  Art  der  Beleuchtung,  namentlich  für 
die  Thiere,  die  sich  durch  Farbenreiz  besonders  aus- 
zeichnen. Den  Raubthieren  ist  dabei  die  Möglichkeit 
zu  geben,  im  dunkeln  Schatten  zu  lagern.  Der  Raum 
für  die  Besucher  ist  gedämpfter  zu  beleuchten,  wie  der- 
jenige für  die  Thiere,  weil  dadurch  die  Möglichkeit 


durch  die  ammoniakalischen  Gase,  welche  die  Aus- 
würfe der  Thiere  entwickeln,  fast  überall  vereitelt  wor- 
den. So  ist  die  Verbindung  namenüich  einer  bezüg- 
lichen heimischen  Pflanzenwelt  mit  den  Thierhäusern 
ein  auch  heute  noch  ungelöstes  Problem. 

Den  Thieren,  welche  den  heissen  Zonen  ent- 
stammen, ist  ein  warmer  Fussboden  durch  künstliche 
Erwärmung  zu  bereiten.  Asphalt-Fussboden  hat  sich 
für  Raubthier-Käfige  bei  den  zersetzenden  Eigen- 
schaften des  Urins  nicht  bewährt,  hier  ist  Holz-Fuss- 
boden  vorzuziehen.  Der  Sandboden  der  Sommer- 
käfige ist  vor  Feuchtigkeit  undSchlagregen  zu  schützen. 
Um  die  Thiere  dem  Beschauer  in  ihrer  günstigsten 
Ansicht  vorzuführen,  erhalten  die  Fussböden  eine  be- 
stimmte Höhenlage,  bei  Raubthieren  1,2 — 1,3"',  bei 
Wiederkäuern,  grossen  Vögeln  usw.  0.3  bis  0,6"*.  Be- 
sondere Beachtung  verdient  die  Grössenbemessung 
der  Sommerausläufe  der  Thiere.  In  Ihnen  geniesst  das 
Thier  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die 


einerSteigerung  des  Ein- 
druckes gegeben  ist. 

Die  Heizung  ist  zeit- 
lich wie  örtlich  möglichst 
gleichmässig  einzurich- 
ten; es  empfiehlt  sich 
daher  eine  der  üblichen 
Zentralheizungs  - Arten 
auch  schon  deshalb,  weil 
sie  die, Möglichkeit  einer 
guten  Lüftung  gewäh- 
ren. Bei  dem  penetran- 
ten Geruch , den  die 
meisten  Thierarten  ent- 
wickeln, wird  sich  diese 
jedoch  nicht  ohne  Zu- 
hilfenahme künstlicher 
Mittel,  wie  Absaugung, 

Ventilatoren  usw.  er- 
möglichen lassen.  Ein 
wirksames  Mittel,  wenn 
man  grössere  Geldbe- 
träge aufwenden  kann, 
ist  in  der  Absonderung 
der  Thierräume  von  den 
Zuschauerräumen  durch 
Glas  zu  finden,  ein  Mittel, 
welches  für  einzelne’ 

Thiergattungen  geradezu  gefordert  wird.  Ohne  Zweifel 
ist  die  durch  eine  solche  Anordnung  erreichte  Erschei- 
nung eines  Thierhauses,  wie  die  neueren  Häuser  für 
grosse  Vögel  der  Architekten  Kayser  & v Groszheim 
bewiesen  haben,  eine  ungleich  gefälligere,  wie  die  dei 
Thierhäuser  ohne  absondernde  Spiegelscheiben.  Sie 
wird  aber  wegen  der  bedeutenderen  Mittel  nur  von 
den  grössten  Gärten  angestrebt  werden  können.  Auch 
die  Einführung  von  ozonhaltiger  Pflanzenluft  in  die 
Häuser  oder  Gelasse  solcher  Thiere,  welche  gewöhn 
heitsmässig  im  Walde  leben,  ist  nicht  ohne  Erfolg  ver- 
sucht worden.  Man  hat  hier  und  da  es  zu  diesem  Zwecke 
unternommen,  in  den  Thierhäusern  Pflanzen-Anord- 
nungen  zu  treffen,  und  dadurch  das  Bild  um  einen 
neuen,  werthvollen  Reiz  vermehrt.  Das  Seite  153  dar- 
gestellte Antilopenhaus  der  Arch.  Ende  & Böckmann 
erhielt  einen  zentralen,  durch  Oberlicht  beleuchteten 
Raum,  welcher  die  Möglichkeit  zu  Pflanzen-Anordnun- 
gen  darbietet.  Leider  aber  sind  diese  Versuche 


Freiheit,  "die  in  der  Ge- 
fangenschaft überhaupt 
möglich  ist.  Daher  hat 
man  wohl  danach  ge- 
trachtet , die  Ausläufe 
möglichst  geräumig  und 
andererseits  so  anzule- 
gen, dass  sie  in  Verbin- 
dung treten  m it  den  inter- 
essantesten landschaft- 
lichen Theilen  des  Gar- 
tens. Die  Grösse  der 
Ausläufe  findet  aber  in 
der  Forderung  eine  na- 
türliche Grenze,  dass  das 
Thier  dem  Beschauer 
nicht  zu  sehr  entzogen 
werden  soll.  Wichtig 
sind  die  Lage  der  Aus- 
läufe gegendieSonne,  et- 
was Baumbestand  schon 
innerhalb  der  Ausläufe 
und  ■ namentlich  die 
Bodengestaltung  durch 
Schaffung  von  Rasenflä- 
chen, Felsgelände  usw., 
wie  es  die  verschiedenen 
Thierarten  zu  ihrem 
Wohlbefinden  verlangen.  Besonders  in  Felspartien  hat 
die  neue  Bauperiode  dem  Garten  Anordnungen  gebracht, 
welche,  mit  Glück  der  Natur  abgelauscht,  mit  ihrem  male- 
rischen Gepräge  werthvolle  Bei'eicherungen  des  Gartens 
•sind.  Wir  kommen  noch  auf  Einzelnes  dieser  Art  zurück. 

Ein  wesentlicher  Umstand  für  die  Darbietung  der 
Thiere  ist  der  Anstrich  der  Käfige.  Wenn  es  auch, 
namentlich  bei  schön  gefärbten  Thieren,  erwünscht 
erscheint,  dem  Anstrich  gegensätzliche  oder  Komple- 
mentärfarben zu  geLc*^.  um  das  Thier  möglichst  günstig 
abstechen  zu  lassen,  so  haben  sich  doch  für  die  Rein- 
lichkeit und  aus  Gründen  leichter  Erneuerung  neu- 
trale lichte  Farben  als  zweckmässig  erwiesen,  wenn  sie 
auch  nicht  als  eine  unbedingte  Regel  aufzustellcn  sind. 

Von  besonderem  Interesse  sind  bei  den  Raubthier- 
Käfigen  die  Verschluss-Vorrichtungen;  auf  sie  im  ein- 
zelnen einzugehen,  würde  hier  zu  weit  führen,  zumal 
sie  am  anschaulichsten  an  der  Ausführung  studirt 
werden  können.  — (Fortsetzung  folgt.) 


Das  Straussenhaus.  Architekten:  Kayser  & von  Groszbeini. 


No.  26. 


162 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseidort  1902. 


II.  Vorge.schichte,  Bedeutung  und  allgemeine 
Anordnung  der  Ausstellung, 
ährend  noch  die  Vorbereitungen  für  die  Weltaus- 
stellung in  Paris  des  Jahres  igoo  im  Gange  waren 
und  Deutschland  sich  rüstete,  um  dieses  Mal  dort 
an  dem  friedlichen  Wettkampfe  der  Völker  theilzunelimen, 
tauchten  zuerst  Gerüchte  von  einer  für  1902  in  Düsseldorf 
geplanten  Ausstellung  auf.  Diese  nahmen  greifbare  Gestalt 
an,  als  im  Sommer  J898  drei  grosse  Vereinigungen:  die 
nordwestliche  Gruppe  des  Vereins  deutscher  Eisen-  und 
Stahündubtrieller , der  Verein  deutscher  Eisenhüttenleute 
und  der  Verein  zur  Wahrung  der  wirthscliaftlichen  Inter- 
essen in  Rheinland  und  Westfalen  den  Entschluss  fassten, 


Die  Gründe  für  ein  solches  Vorgehen  lagen  einerseits 
darin,  dass  man  von  der  Theilnahme  an  der  Ausstellung 
in  Paris  nicht  einen  Erfolg  erwartete,  der  den  grossen, 
dafür  aufzuwendenden  Opfern  entsprochen  hätte  und  weil 
der  deutschen  Industrie  dort  ausserdem  nur  ein  Raum 
gewährt  wurde,  der  nicht  entfernt  den  gestellten  An- 
sprüchen nachkam,  nicht  ausreichte,  um  ein  richtiges  Bild 
von  der  Bedeutung  und  Leistungsfähigkeit  unserer  Gross- 
industrie namentlich  auf  dem  Gebiete  des  Bergbaues,  der 
Eisen-  und  Stahlfabrikation  und  der  damit  zusammenhän- 
genden Betriebe  zu  geben.  Die  Rheinisch-Westfälische 
Montanindustrie  blieb  der  Weltausstellung  völlig  fern, 
von  der  Eisenindustrie  fehlten  z.  Th,  die  bedeutendsten 
Vertreter.  Maassgebend  war  wohl  ferner  die  immer  mehr 


ira  Jahre  1902  in  der  Voraussetzung,  dass  ein  geeignetes  Ge- 
lände durch  die  Stadt  zur  Verfügung  gestellt  und  ausserdem 
die  Mittel  für  das  Unternehmen  gesichert  würden,  in  Düssel- 
dorf eine  „Industrie-  und  Gewerbe-Ausstellung 
für  Rheinland  und  Westfalen  und  benachbarte 
Bezirke“  zu  veranstalten,  mit  welcher,  einer  Anregung 
aus  Künstlerkreisen  folgend,  eine  allgemeine  deutsche  Kunst- 
ausstellung verbunden  werden  sollte. 


an  Boden  gewinnende  Anschauung,  dass  eine  Weltaus- 
stellung überhaupt  nicht  der  Ort  sei,  um  ein  abgerundetes 
Bild  eines  grossen  Industriezweiges  zu  geben,  dass  dies 
nur  kleinere,  in  sich  abgeschlossene  nationale,  oder  noch 
enger  begrenzte  Ausstellungen  zu  thun  vermögen. 

Düsseldorf  hat  bereits  im  Jahre  1880  eine  rheinisch- 
westfälische Industrie-  und  Gewerbe-Ausstellung  in  Ver- 
bindung mit  einer  Kunstausstellung  in  seinen  Mauern  ge- 


29  März  Jfyv2. 


163 


sehen,  eine  Ansstellang  von  unbestrittenem  Erfolge,  der 
auch  in  dem  finanziellen  Abschluss  zum  Ausdruck  kam, 
da  dieselbe  — eine  seltene  Erscheinung  auf  diesem  Ge- 
biete — einen  Reinüberschuss  von  260000  M.  ergab. 

Damals,  vor  22  Jahren,  zählte  Düsseldoff  keine  100000 
Einwohner,  die  Bevölkerung  der  beiden  Provinzen  etwa 
6 Mill.;  jetzt  hat  Düsseldorf  über  200000  Seelen,  während 
die  Bevölkerung  der  beiden  Provinzen  fast  auf  9 Mill.  an- 
gestiegen sein  dürfte,  also  fast  V4  der  gesaramten  Be- 
völkerung Preussens  ausmacht.  Von  den  13  Städten,  die 
seit  1882  eine  Bewohnerzahl  von  100  000  Seelen  überschritten 
haben,  entfallen  nicht  weniger  als  7 auf  die  Rheinprovinz 
und  Westfalen,  Auf  allen  Gebieten  der  Industrie  und  des 
Gewerbes  hat  eine  Entwicklung  stattgefunden,  die  vor 
22  Jahren  nicht  entfernt  vorauszusehen  war.  Es  sei  nur 
auf  die  beiden  wichtigsten  Industrien  der  Gegend,  den 
Bergbau  und  die  Eisenindustrie  hingewiesen.*) 

Bei  ersterem  steht  die  Steinkohlenförderung  voran, 
die  in  den  beiden  Provinzen  von  28  Mill.  t im  Jahre  1880 
auf  nicht  weniger  als  59  Mill.  t,  also  mehr  als  das  Doppelte 
im  Jahre  1897  gestiegen  ist  und  220000  Personen  be- 
schäftigt. Noch  bedeutender  ist  der  Aufschwung  in  der 
Eisenindustrie.  Die  deutsche  Roheisenerzeugung  hat  die 
englische  von  1880  bis  1898  nicht  nur  fast  eingehoh,  son- 


Abbildg.  I.  Lagcplan  von  Düsseldorf. 

dem  gewissermaassen  überflügelt.  Denn  während  England 
1880  schon  8 Mill.  t im  Jahre  erzeugte,  war  Deutschland 
eben  auf  2V2*  gekommen,  1898  hatte  England  dagegen 
erst  9 Mill.  »,  Deutschland  aber  eine  Höhe  von  7,4  Mill. 
also  fast  das  3 fache  des  früheren  erreicht.  Von  dieser 
Menge  lieferte  Rheinland-Westfalen  allein  3,6  Mill.  ‘,  der 
Saarbezirk,  Lothringen,  Luxemburg  2,5  Mill.  k Gleiche 
Fortschritte  sind  auf  dem  Gebiete  der  Eisenverarbeitung, 
des  Maschinen-  und  Kesselbaues,  der  chemischen,  Glas-, 
Papier-  und  Textil-Industrie  zu  verzeichnen,  deren  Fabri- 
kationsmethoden ausserdem  vielfach  eine  völlige  Umge- 
staltung erfahren  haben. 

Diese  Fortschritte,  diese  Entwicklung  der  Leistungs- 
fähigkeit der  beiden  Provinzen,  die  in  dem  industriellen 
und  gewerblichen  Leben  Deutschlands  wohl  an  erster 
Stelle  stehen,  vorzuführen,  das  ist  der  Zweck,  der  mit 
dieser  Ausstellung  verfolgt,  und  nach  dem  Umfang,  welchen 
dieselbe  angenommen  hat,  nach  der  Art  und  Weise,  wie 


*)  Wir  entnehmen  dieses  statistische  Material  und  die  Angaben  Ober 
die  Vorgeschichte  der  Ausstellung  z.  Th.  der  von  dem  Generaisekretfir 
derselben,  Hm.  Job.  von  Wildenradt,  als  verantwortlichem  Schriftleiter 
geleiteten  AusstellnnCT-Zcitung,  die  auch  der  baniecbnischen  und  tech- 
nischen Seite  der  Unternehmung  in  anerkennenswerther  Weise  gerecht 
zu  werden  sucht.  — 


Gruppe  I.  Bergbau  und  öalineuwesen.  II.  Hültenweseo.  IlL  Metallindustrie.  IV.  und  V.  Maschinenwesen  und  Elektrotechnik. 
VI.  Transportmittel.  VII.  Chemische  Industrie.  VIII.  Nahrungs-  und  Genussmittel  und  Apparate  zu  ihrer  Herstellung. 
IX.  Stein-,  Thon-,  Porzellan-,  Zement-  und  Glaswaaren.  X.  Holz-  und  Möbelindustrie,  Haus-  und  Zimmer-Einrichtungen. 
XI.  Galanterie-  und  Kurzwaaren- Industrie.  XII.  Textilindustrie.  XIII.  Bekleidungs-Industrie.  XTV.  Leder-,  Gummi-  und 
Asbestwaaren.  XV.  Papierindustrie.  XVI.  Polygraphische  Gewerbe.  XVII.  Wissenschaftliche  Instrumente.  XVIII.  Musik- 
instrumente. XIX.  Bau-  und  Ingenieurwesen.  XX.  Schul-  und  Unterrichtswesen.  XXL  Gesundheitspflege  und  Wohlfahrts 
Einrichtungen.  XXII.  Sport.  XXllI.  Gartenbau.  XXIV.  Land-  und  Forstwirthschaft.  XXV.  Kunstgewerbe. 


164 


No.  26. 


das  Unternehmen  angegriffen  und  bisher  durchgeführt  von  denen  das  Westf.  Kohlensyndihat,  die  Rheinprovinz 
worden  ist,_  wie  man  trotz  der  inzwischen  eingetretenen  und  die  Stadt  Düsseldorf  je  looooo  M.,  Westfalen  60000  M. 
wirthschaftlichen  Krise  hoffen  darf,  auch  erreichen  wird,  beisteuerten,  und  ein  sog.  Beitragsfonds  (uut.Umst.  rückzahl- 
Während  sich  im  Jahre  1880  die  Grossindustrie  dem  bar)  von  ebenfalls  400000  M.,  sowie  schliesslich  ein  Ga- 
Gedanken  einer  Ausstellung  nur  zum  Theil  und  ohne  son-  rantiefonds  von  3 Mill,  M.,  letzterer  hauptsächlich  aus  den 
derlichen  Enthusiasmus  anschloss,  ist  sie  dieses  Mal  die  trei-  Kreisen  der  Düsseldorfer  Bürger  gezeichnet,  waren  in 
bendeKraftgewesen,  an  ihrer  Spitze  Hr.  Geh.  Kommerzien-  kürzester  Zeit  sicher  gestellt. 

rath  H.  Lueg,  Düsseldorf,  bereits  im  Jahre  1880  der  ge-  Auch  die  Vorarbeiten  des  aus  den  Kreisen  der  In- 
schickte Leiter  der  Ausstellung,  hat  sie  in  verhältnissraässig  dustrie,  der  Künstlerschaft  und  Vertretern  der  Gemeinde 
kurzer  Zeit  alle  Hindernisse  glücklich  überwunden  und  und  staatl.  Behörden  gebildeten  Ausstellungs-  bezw.  Ar- 
zwar  wiederum  in  einmüthigera  Zusammengehen  mit  der  beits-Ausschusses,  an  dessen  Spitze  Hr.  Geh.  Kommerz.- 
Dusseldorfer  Künstlerschaft.  Rath  H.  Lueg,  Düsseldorf,  steht,  während  der  Beigeord- 

Für  die  Veranstaltung  der  Ausstellung  war  von  vorn-  nete  Dr.  Wilms  die  geschäftliche  Leitung  der  Ausstellung 
herein  Düsseldorf  als  das  Zentrum  der  Industriegegend,  übernommen  hat,  waren  bald  so  weit  gefördert,  dass  be- 


• Abbildg.  16.  Rolirkonstruktion  des  Dückers 

Abbildg.  8.  Uebersichtsplan  der  Rieselfelder  mit  dem  Zuleitungs-Kanal.  von  Maurecourt. 


Abbildg.  9.  Längsschnitt  des  Zuleitungs-KanaLs, 


Abbildg.'ii.  Anordnung  der  Druckrohre  bei  Argenteuil.  Abbildg.  12.  Freie  Gefälleitung  bei  Argenteuil. 


Die  Kanalisation  von  Paris. 

ausserdem  günstig  zu  einer  Reihe  von  wichtigen  Haupt-  reits  im  Sommer  1899  ein  Ideen-Wettbewerb  für  die  Ge- 
Verkehrslinien  gelegen,  ins  Auge  gefasst.  Auch  die  Frage  sammt-Ausgestaltung  der  Ausstellung  abgehalten  werden 
des  Ausstellungs-Geländes  war  rasch  erledigt,  da  sich  un-  konnte,  aus  welchem  der  inzwischen  leider  verstorbene 
mittelbar  an  der  festen  Rheinbrücke  längs  des  Rhein-  Hamburger  Arch.  G.  Thielen  bekanntlich  als  Sieger  her- 
ufers  und  im  Zusammenhänge  mit  dem  prächtigen  Hof-  vorging=*=),  der  dann  auch  bis  zu  seinem  vorzeitigen  Ende 
garten  ein  geeignetes,  freiliegendes  und  der  Stadtgemeinde  als  leitender  Architekt  der  Ausstellung  thätig  war.  Nach 
gehöriges  Gelände  in  der  sogenannten  Golzheimer -Insel  seinem  Tode  haben  die  Hrn.  Arch.  Prof.  Kleesattel  und 
bot,  das  in  seinem  Umfange  den  Anforderungen  entsprach  Schill  die  künstlerische  Oberleitung  ehrenamtlich  über- 
und mit  dem  städtischen  Hafen  und  den  Bahnhöfen  durch  nommen.  Die  Leitung  des  Baubureaus  der  Ausstellung 
Gleisanschlüsse  in  einer  dem  Bedürfniss  entsprechenden  ist  dem  1.  Arch.  Hrn.  Fischer  übertragen,  während  Hr. 
Weise  in  Verbindung  gesetzt  werden  konnte.  Estner  als  r.  Ingenieur  des  Maschinen-Baubureaus  thätig 

Auch  die  Finanzirung  des  Unternehmens  ging  rasch  

vonstatten.  A fonds  perdu  wurden  400  000  M.  aufgebracht,  Vergi.  Dtsche.  Bauztg.  1899,  s.  352. 

29  März  1902.  165 


ist,  beide  selbstverständlich  unterstützt  noch  durch  eine 
grössere  Anzahl  von  Architekten  und  Ingenieuren.  (Es 
sei  dabei  übrigens  vorweg  bemerkt,  dass  die  besonderen 
Ausstellungs-Gebäude  einzelner  Aussteller  von  diesen  selbst 
nach  eigenen  Plänen  hergestellt  sind.) 

Das  Ausstellungs- Gelände  wird,  wie  schon  erwähnt, 
gebildet  von  einem  unmittelbar  am  rechten  Rheinufer 
unterhalb  der  festen  Rheinbrücke  gelegenen,  früher  bei 
Hochwasser  überschwemmten  und  fast  ungenutzten  Land- 
streifen, der  sog.  Golzheimer-Insel.  Es  liegt  also  am 
Nordende  der  Stadt  (vgl.  den  Uebersichtsplan  Abbildg.  i) 
und  zwar  in  unmittelbarem  Zusammenhänge  mit  dem 
Hofgarten,  dem  Glanzpunkt  Düsseldorfs,  von  dem  noch 
ein  kleiner  Theil  in  die  Ausstellung  einbezogen  ist.  Das 
Gelände  liegt  also  soweit  von  den  Bahnhöfen  entfernt, 
dass  sich  die  Herstellung  eines  besonderen  Gleisanschlusses 
zur  Bewältigung  des  grossen  Verkehres  der  von  ausser- 
halb zuströmenden  Besucher  (man  rechnet  imganzen  auf 
etwa  3 Millionen)  als  nothwendig  erwies.  Die  Mittel  zur 
Herstellung  dieses  Gleisanschlusses  nebst  einem  Personen- 
Bahnhofe  am  Nordende  der  Ausstellung  wurden  in  der 
Sitzung  des  preuss.  Abgeordnetenhauses  vom  5.  März 
1900  in  Höhe  von  1618000  M.  bewilligt.  Ein  Theil  dieser 
Gleisanlage  wird  übrigens  nach  Angabe  des  Hrn.  Ministers 
d.  off.  Arbeiten  erhalten  bleiben  behufs  4gleisigen  Aus- 
baues der  ersten,  stark  überlasteten  Strecke  nach  Duis- 
burg, der  2.  als  Anschluss  an  vorhandene,  bezw.  im  Ent 
stehen  begriffene  industrielle  Anlagen,  sodass  nur  ein  Theil 
nach  Schluss  der  Ausstellung  vollständig  wieder  beseitigt 
wird,  falls  nicht  schliesslich  auch  dieser  liegen  bleibt  als 
2.  Anschluss  an  die  Rheinwerften  der  Stadt.  Für  den 
Stadtverkehr  ist  ein  theilweiser  Ausbau  der  Strassenbahn- 
linien  durchgeführt,  um  die  Ausstellung  mit  den  Haupt- 
verkehrs-Mittelpunkten  in  Verbindung  zu  setzen.  Schliess- 
lich bietet  der  Rhein  einen  weiteren  Zugangsweg.  Ver- 
schiedene Anlagestellen  an  der  Ausstellung  ermöglichen 
den  Zugang  zu  Schiff.  Für  den  Nachbarverkehr  dienen 
ausserdem  Strassenbahnen  nach  Kaiserswerth  bezw. 
Duisburg  und  Krefeld. 

Das  Ausstellungs -Gelände,  das  eine  Gesammt-Fläche 
von  etwa  55  ha  umfasst,  ist  z.  Th.  dem  Rheinstrom  abge- 
wonnen durch  Vorschieben  der  rechten  Uferlinie  bei  gleich- 
zeitiger Abgrabung  vom  linken  Ufer.  Diese  Arbeit  bildet 
den  Abschluss  der  bedeutenden  Wasserbauten,  welche 
Düsseldorf  seit  dem  Jahre  1896  ausgeführt  hat.  Es  sind 
dies  die  Anlage  des  Rheinhafens  am  Südwestende  der 
Stadt^J  (vgl.  Abbildg.  i)  und  die  Regulirung  des  rechten 
Rheinufers  zur  Gewinnung  einer  niedrigeren  über  Sommer- 
hochwasser gelegenen  Werft  und  einer  völlig  hochwasser- 
freien Uferstrasse,  die  im  'Zusammenhänge  mit  der  festen 
Rheinbrücke**)  begonnen,  vor  kurzem  zum  Abschluss 
kam***)  und  das  Stadtbild  von  der  Rheinseite  her  völlig 
umgestaltet  hat. 

Zur  Vorschiebung  des  Ufers  und  zur  Aufhöhung  so- 


wie Regulirung  der  Golzheimer-Insel  ist  von  der  Gemeinde 
Düsseldorf  im  Dezember  1898  ein  Betrag  von  fast  4 Mill.  M. 
bewilligt  worden.  Davon  entfallen  allein  1100  000  M.  auf 
die  Aufhöhung  des  Geländes  bis  auf  -f  6 m am  Düssel- 
dorfer Pegel,  bezw.  im  hinteren,  von  den  eigentlichen 
Ausstellungs-Gebäuden  besetzten  Theilebis  -f  9m.  Eswaren 
hierbei  etwa  700  000  cbm  Kies  zu  bewegen  und  einzubauen 
(aus  dem  Rhein  gebaggert)  und  70000  cbm  Mutterboden,  eine 
Arbeit,  die  von  der  Firma  Philipp  Holzmann  & Co.  in 
Frankfurt  a.  M.  ausgeführt  wurde.  Von  diesen  Anschüttun- 
gen muss  ein  Theil  nach  der  Ausstellung  wieder  beseitigt 
werden,  im  wesentlichen  aber  sind  diese  Aufwendungen 
von  bleibendem  Werthe  für  die  Stadtgemeinde  durch 
Nutzbarmachung  des  Geländes. 

In  Abbildg.  2 geben  wir  den  Uebersichtsplan  der  Aus- 
stellung, der  die  klare  einheitliche  Gestaltung  derselben 
erkennen  lässt.  Wie  schon  hervorgehoben,  besitzt  das 
Gelände  eine  Gesammtfläche  von  55  wovon  etwa  10  ha 
bebaut  wurden.  Als  Vergleich  sei  angeführt,  dass  Berlin 
1896  zwar  120  ha  Gesammt-Fläche  besass,  dass  davon  je- 
doch nur  7,5  ha  bebaut  waren.  Alle  neueren  Ausstellungen 
in  Lübeck,  Leipzig,  Glasgow  usw.  waren  auch  in  der  Ge- 
sammtfläche erheblich  kleiner. 

Die  Ausstellung,  zu  welcher  lediglich  die  Provinzen 
Rheinland  und  Westfalen,  ausserdem  Frankfurt  a.  M.  und 
der  Reg.-Bezirk  Wiesbaden  zugelassen  sind,  wird  also 
schon  räumlich  zu  einer  sehr  bedeutenden.  Aber  auch 
baulich  hat  man  bei  aller  dem  Zweck  und  den  Mitteln 
entsprechenden  Einfachheit  nicht  nur  von  Seiten  der  Aus- 
stellung selbst,  sondern  auch  von  Seiten  der  einzelnen 
Aussteller  erhebliche  Aufwendungen  gemacht.  Dement- 
sprechend ist  denn  auch,  abgesehen  von  den  Kosten  die- 
ser von  den  Ausstellern  hergestellten  Einzeianlagen  (zus. 
einige  90  grössere  Gebäude  und  Pavillons),  der  Etat  der 
Ausstellung,  der  1880  sich  auf  2 Mill.  M.  belief,  für  1902 
auf  7 Mill  M.  festgesetzt  worden. 

Es  sei  hierbei  gleich  erwähnt,  dass  im  Gegensätze  zu 
manchen  anderen  Ausstellungen,  alles  nicht  zur  Ausstellung 
selbst  gehörige  Beiwerk  auf  ein  Mindestmaass  beschränkt 
ist.  Selbstverständlich  sind  die  Anlagen  zur  leiblichen 
Stärkung,  also  Restaurations-Gebäude,  neben  dem  gleich- 
zeitig als  Festhalle  dienenden  Haupt-Bierrestaurant  und 
dem  Haupt-Weinrestaurant  noch  in  grösserer,  Anzahl  an- 
gemessen vertheilt  und  den  verschiedenartigen  Ansprüchen 
genügend,  vorhanden;  die  Schaustellungen  sind  aber  im 
wesentlichen  beschränkt  auf  das  am  Südende,  nahe  der 
Rheinbrücke  (vgl.  den  Uebersichtsplan  Abbildg.  2)  er- 
richtete Panorama,  enthaltend  den  Uebergang  Blüchers 
bei  Caub  über  den  Rhein  (gemalt  von  den  Malern  Wend- 
ling und  Ungewitter),  ein  Aipenpanorama  (Zillerthal 
mit  Dorfanlage),  am  Nordende  des  Haupt-Ausstellungs- 
gebäudes, eine  Orientstrasse  westlich  davon  am  Rhein- 
ufer und  schliesslich  die  schon  von  anderer  Stelle  be- 
kannten Marineschauspiele  neben  dem  Staatsbahnhof.  — 
(Schluss  folgt.) 


Die  Kanalisation  von  Paris. 

(Schluss.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  165, 


fflieStammkanälesindals  im  wesentlichen  gleichlaufende 
Abfangekanäle  aufzufassen,  die  stufenförmig  überein- 
ander angeordnet  sind.  Der  am  höchsten  gelegene 
Nordsammler  führt  unmittelbar  mit  freiem  Gefälle  nach 
Gennevüliers,  die  drei  übrigen  vereinigen  sich  auf  der 
Pumpstation  von  Clichy,  wo  der  Marceau-  und  Asni^res- 
Sammler  vor  dem  8.  Juli  1899  in  die  Seine  flössen,  wäh- 
rend jetzt  das  Abwasser  aller  3 Sammler  auf  die  Riesel- 
felder gedrückt  wird. 

Die  Abwässer  der  beiden  Seine-Inseln  La  Cite  und 
St.  Louis  sind  durch  Seinedücker  an  den  linken  und 
rechten  Ufersammier  angeschlossen,  diejenigen  der  tief- 
gelegenen Arrondissements  XII.  und  XV.  werden  auf  den 
Pumpstationen  Mazas  und  La  Convention  in  den  rechten 
Ufer-  und  Rappsammler  gehoben. 

Die  Sohlengefälle  schwanken  bei  den  Stammlcanälen 
zwischen  i,5®/oo>  bei  den  Nebensammlern  Zwischen 

5 und  30  O/oQ.  Die  Kanäle  werden  jetzt  durchweg  unter 
Verwendung  von  langsam  abbindendem  Portlandzement 
aus  unbehauenem  Kalksteinmauerwerk  auf  einer  Beton- 
unterlage hergestellt  und  in  den  Rinnen  und  auf  den 
Steigen  mit  3 cm  starkem,  im  Widerlager  und  Gewölbe, 
sowie  auf  den  Anssenflächen  mit  1 — 2 starkem  Rapp- 

putz aus  Vassy-Zement  bekleidet.  Am  Widerlager  sind 
in  Handhöhe  auf  den  Fussteigen  Handleisten  aus  ver- 
zinktem Rundeisen  zur  Verhinderung  des  Abstürzens  in 
die  Schmutzwasserrinne  angebracht. 

*)  Verg].  Dtsch.  Pztg.  Jahvg.  1896  S.  641,  652- 

•»*)  Vergl.  Dtsch.  Bztg,  Jahrg.  1898  S.  629. 

***)  Vergl.  Dtsch.  Bztg.  Jahrg.  1902  S.  144. 


Der  Berechnung  der  Schmutzwasserrinne  hat  Beigrand 
einen  Regenfali  von  nur  6 Stunden  mm.  mit  der  weiteren 
Einschränkung  zugrunde  gelegt,  dass  dieser  Regen  erst 
in  der  dreifachen  Zeit  zum  Abfluss  in  die  Kanäle  gelangt. 
Es  giebt  dies  eine  Wassermenge  von  5^/ßSi/iia.  Beigrand 
konnte  mit  einer  so  niedrigen  Zahl  rechnen,  da  ihm  als 
Aushilfe  der  ganze  Kanalquerschnitt  oberhalb  der  Fuss- 
steige  zur  Verfügung  stand. 

Die  Ueberfallschwelle  der  Nothauslässe  liegt  wenig 
über  den  Fussteigen  und  wird  in  der  Regel  durch  Damm- 
balken atif  75  cm  über  den  Steigen  gehalten.  Die  Noth- 
auslässe arbeiten  nach  den  Berichten  8 bis  lomal  im  Jahr 
und  meistens  nur  für  kurze  Zeit. 

Auf  der  Pumpstation  von  Clichy  wird  das  Wasser 
der  3 westlichen  Sammler  durch  6 Kreiselpumpen  mit 
senkrechter  Achse  und  3,4  m Durchmesser  theils  auf  10  bis 
II  m Höhe  nach  dem  Rieselfeld  Gennevilliers,  zum  Weitaus 
grösseren  Theil  aber  nur  auf  4 — 5 “Höhe  in  den  grossen 
Zuleitungskanal  nach  den  neuen  Rieselfeldern  Achferes, 
Möry-Pierrelaye  und  Carriöres  gehoben.  Die  Pumpen 
werden  durch  4 liegende  Farcot-Maschinen  3facher  Ex- 
pansion von  je  250  P.S.  und  2 kleinere  Maschinen  von 
je  130  P.S.  angetrieben. 

Abbildg.  8 zeigt  die  Lage  der  Rieselfelder  und  den 
W'eg  des  Zuleitungskanales,  Abbildg.  9 den  Längsschnitt 
des  letzteren.  Die  bis  jetzt  für  die  Berieselung  einge- 
richteten Felder  umfassen  eine  Fläche  von  5000  ha  von 
denen  auf  Gennevilliers  900  ha  ^ Achöres  1000  ha  ^ Mery- 
Pierrelaye  2150  ha^  Carrieres  950  ha  entfallen.  Im  Eigen- 
thum der  Stadt  befinden  sich  in  Achöres  1000  ha  ^ Möry 


166 


No.  26. 


520  Carrieres  looba^  zus.  1620  iia;  der  Rest  der  Fiäche 
gehört  Privatbesitzern,  die  sich  vertraglich  zur  Abnahme 
von  Rieselwasser  verpflichtet  haben. 

Das  Gesetz  vom  4.  April  1889  sieht  eine  bestimmte 
Höchstbelastung  von  40000  cbm  für  ba  und  Jahr  = ii  Tagesmm. 
vor.  Die  Berieselung  erfolgt  im  Wechselbetrieb,  so  dass 
jede  Fläche  nur  jeden  4.  oder  5.  Tag  berieselt  wird. 

Die  Vertheilungsrohre  sinken  von  dem  Durchmesser 
der  Hauptzubringer  von  1,25 — i in  Stufen  von  20  und 
10  cm  bis  auf  30  cm  herab.  Der  Baustoff  passt  sich  den 
verschiedenen  Druckverhältnissen  an;  es  kommen  guss- 
eiserne, Beton-Eisenrohre  mit  innerer  schwacher  Blechhaut 
und  reine  Betonrohre  vor.  Auf  rd.  3,4  ba  Fläche  wird  ein 
Ausfluss  gerechnet,  der  nicht  als  Schieber  ausgebildet  ist, 
sondern  aus  einem  30  cm  starken  stehenden  Rohr  besteht, 
das  oben  durch  einen  Teller  geschlossen  ist.  Der  Teller 
kann  durch  eine  Spindel  fest  gegen  das  Rohr  gedrückt 
werden;  die  Mutter  der  Spindel  sitzt  in  einem  am  Rohr 
angebrachten  Bügel.  Bei  einigen  Auslässen  wird  der 
Teller  nicht  durch  die  Spindel,  sondern  durch  ein  an  einem 
einarmigen  Hebel  wirkendes  Gewicht  nach  Art  der  Sicher 
heitsventile  der  Dampfkessel  angepresst,  so  dass  sie  sich  bei 
einem  gewissen  Innendruck  selbstthätig  öffnen.  Diese  Aus- 
lässe übernehmen  somit  die  Aufgabe  unserer  Standrohre 
und  verhindern  einen  Ueberdruck  in  den  Leitungen. 

Die  Pariser  Felder  sind  nicht  in  unserem  Sinne  drainirt, 
d.  h.  mit  einem  Netz  von  engen,  dicht  bei  einander  liegen- 
den Quer-  und  Längsdrains  versehen;  es  sind  vielmehr 
nur  Hauptentwässerungsgräben  und  Drainleitungen  grösse- 
ren Durchmessers  geschaffen,  denen  das  Wasser  der  an- 
stossenden  Flächen  mit  dem  Gefälle  des  durch  die  Beriese- 
lung erhöhten  Grundwasserspiegels  zufliesst.  Die  Drain- 
rohr-Leitungen  bestehen  aus  30—45  cm  starken,  mit  Löchern 
versehenen  Betonrohren  von  4,5  cm  Wandstärke. 

Es  verbleibt  nunmehr  nur  noch,  den  Zuleitungskanal 
zu  den  neuen  Rieselfeldern  zu  beschreiben,  der  in  den 
Jahren  1893—99  von  Bechmann  und  Launay  geschaffen 
wurde  und  der  eine  Fülle  technisch  beachtenswerther 
Einzelheiten  bietet  (vgl.  Abbildgn.  8 und  9).  Er  hat  eine 
Gesammtlänge  von  28  km  und  zerfällt  in  die  2 Hauptstrecken 
von  Clichy  bis  Colombes  und  von  Colombes  bis  Triel. 
Auf  der  Pumpstation  von  Clichy  wird  das  Wasser  4—5"^ 
gehoben,  welche  Höhe  ausreicht,  um  es  durch  den  Seine- 
Ducker  bei  Clichy  in  eine  Leitung  zu  heben,  die  mit  freiem 
Gefälle  quer  über  die  Halbinsel  Gennevilliers  fort  zur 
Pumpstation  in  Colombes  führt.  Hier  findet  eine  aber- 
malige Hebung  statt  und  zwar  diesmal  um  36“,  die  zur 
Ersteigung  des  steilen  Abhanges  am  rechten  Seineufer 
bei  Argenteuil  erforderlich  sind.  Die  erstiegene  Höhe 
reicht  aus,  um  die  Leitung  mit  freiem  Gefälle  weiter  zu 
führen.  Nach  Unterdückerung  der  Oise  und  Durchfahrung 
des  l’Hautie-Hügels  endet  sie  jetzt  bei  Triel  am  rechten 
Seineufer;  für  später  ist  eine  Fortsetzung  auf  das  linke 
Seineufer  bis  les  Mureaux  in  Aussicht  genommen.  Von 
der  Hauptleitung  zweigen  3 Seitenarme  ab;  der  erste  bei 
Herblay  zur  Speisung  vonAchöres,  der  zweite  für  Pierrelaye 
und  der  dritte  in  Cnanteloup  für  Carriöres.  In  Pierrelaye 
ist  ferner  eine  dritte  Pumpstation  erforderlich,  um  das 
Wasser  auf  das  hoch  gelegene  Plateau  von  Möry  zu  heben. 
Der  Zuleitungskanal  ist  für  eine  Leistung  von  9,75  Sek./cb*n 
berechnet,  während  sich  der  augenblickliche  Bedarf  auf  nur 
etwaö, 4 Sek./cbm  beläuft.  DieDruckrohre  sind  auf  die  eigent 
liehen  Druckstrecken  beschränkt  und  in  der  Nähe  der  Ort- 
schaften zur  Verhinderung  von  Ueberschwemmungen  bei 
Undichtigkeiten  und  Rohrbrüchen  in  besondere  Tunnel 
gelegt.  Das  Gefälle  auf  den  freien  Gefällstrecken  beträgt 
V2  *^/oo‘  stets  kreisförmige  Querschnitt  wechselt  je 

nach  den  Verhältnissen  des  Längsschnittes.  Er  hat  3111 
Durchmesser  auf  den  freien  Gefällstrecken,  bei  welcher 
Grösse  der  Querschnitt  bei  obiger  Leistung  bis  zu  V4  der 
Höhe  gefüllt  wird.  Als  Druckrohr  hat  er  im  Clichy-Dücker 
2,3  m lichte  Weite;  auf  der  Druckrohrbrücke  von  Argenteuil 
liegen  4 je  i,i  m starke  Rohre,  auf  dem  Abhang  von  Argenteuil 
2 je  1,8“  weite  Rohre,  bei  der  Durchquerung  des  Thaies 
vonChenneviöres  und  der  Oise  nur  ein  Rohr  von  2°iStärke. 
Auf  der  Ebene  von  Conflans  endlich  sind  auf  Anordnung 
des  Generalstabes  aus  strategischen  Gründen  anstelle  des 
einen  3“  weiten  Kanales  zwei  Kanäle  von  2“  Weite  vor- 
gesehen, deren  Sohlengefälle  zur  Erzielung  der  erforder- 
lichen Leistung  auf  0,95  O/qq  erhöht  ist. 

Der  Clichy-Dücker  war  das  Vorbild  des  bereits  be- 
schriebenen Dückers  an  der  Concordien- Brücke.  Von 
einem  24  tiefen,  3,5  ™ im  Lichten  weiten  Schacht  auf 
dem  rechten  Seineufer  aus  wurde  er  auf  463  “ Länge  in 
15,8  “ Tiefe  unter  dem  Seinespiegel  mittels  Pressluft  unter 
Verwendung  des  Greathead-Schildes  nach  dem  linken  Ufer 
vorgetrieben.  Seine  Wandung  besteht  aus  einzelnen,  50cm 
breiten,  25““!  starken  gusseisernen  Ringstücken  von  2,5  m 
Aussen-Durchmesser  mit  100 langen  Innenflanschen, 

29.  März  1902. 


an  denen  die  Verbolzung  der  einzelnen  Ringe  stattfindet. 
Jeder  Ring  besteht  wieder  aus  5 mit  Innenflanschen  ver- 
sehenen Kreisabschnitten  und  einem  Passtück.  Der  Raum 
zwischen  den  Flanschen  wird  auf  75  ““  Stärke  mit  Zement 
ausgefüllt,  so  dass  die  Lichtweite  2,3“  beträgt. 

Die  freien  Gefälleitungen  von  2 und  3“  lichter  Weite 
werden  auf  den  Strecken  mit  offener  Baugrube  in  Kalk- 
stein-Mauerwerk in  Zementmörtel,  auf  den  Tunnelstrecken 
in  Beton-Mauerwerk  hergestellt.  Auf  letzteren  Strecken 
war  die  Wandstärke  durchweg  30 auf  ersteren  die 
Scheitelstärke  27 — 30,  die  Widerlagsstärke  33,  die  Sohl- 
stärke 35  cm.  Die  Sohlbreite  schwankte  je  nach  den  Unter- 
grund-Verhältnissen zwischen  2 und  3,76“.  Der  für  das 
Kalkstein-Mauerwerk  benutzte  Mörtel  hatte  auf  i cbm  Sand 
300  kg  Zement;  der  Beton  der  Tunnelstrecken  bestand  aus 
3 Theilen  Kies  und  2 Theilen  Mörtel  von  400  kg  Zement 
auf  I cbm.  Aussen  und  innen  wurden  die  Kanäle  mit  einem 
3 cm  starken  Rapputz  versehen.  Für  die  Aussenflächen 
hatte  der  Mörtel  400  kg,  für  die  Innenflächen  im  Gewölbe 
900  kg  Vassy  Zement,  für  Widerlager  und  Sohle  650  kg 
Portland-Zement  auf  1 cbm  gesiebten  Sand. 

Die  1,10“  starken  Druckrohre  auf  der  Brücke  von 
Argenteuil  sind  aus  6“  langen  Rohren  aus  genieteten; 
xomm  starken  Stahlblechen  hergestellt,  die  durch  den  in 
Abbildg.  10  dargestellten  Gibaultstoss  mit  einander  ver- 
bunden werden,  bei  dem  zwei  Ringe  winkelförmigen 
Querschnitts  durch  30  Schraubenbolzen  zwei  Gummiringe 
fest  gegen  die  Stirnenden  eines  den  Stoss  deckenden,  aus 
zusammengeschweisstem  Stahlblech  angefertigten  Ueber- 
schiebers  pressen. 

Auf  dem  steilen  Ufer  von  Argenteuil  liegen  zwei  1,8“ 
weite  Rohre  in  einem  elliptischen  Tunnel  von  5, 16“  Weite 
und  3,34“  Höhe  (Abbildg.  ii).  Die  Rohre  sind  in  der 
unteren,  dem  stärkeren  Druck  ausgesetzten  Strecke  wieder 
6“  lange  Stahlrohre  mit  dem  Stoss  der  Firma  Charles 
Gibault  & Co.  in  Paris,  in  der  oberen  aber  mit  Eisen  ver- 
stärkte Zeraentrohre  nach  der  Anordnung  von  Aime  Bona. 
Derselbe  verwendet  kreuzförmige  Formeisen  von  40/22““ 
und  3.5““  Stärke  in  den  Querlagen,  solche  von  20/14““ 
und  3 mm  Stärke  in  den  Längslagen.  Die  Länge  der  Rohre 
betrug  2,5“,  die  Deckung  der  Stösse  erfolgt  durch  Ueber- 
schieber  derselben  Ausführung.  Die  Wandstärke  war  loc“ 
und  die  Maschen  weite  der  Eiseneinlage  schwankte  je  nach 
der  Belastung  zwischen  05  und  204““. 

Der  Tunnel  selbst  ist  in  äusserst  kühner  Weise  eben- 
falls in  Beton-Eisenkonstruktion,  aber  in  der  Ausführungs- 
weise Coignet  hergestellt,  .bei  dem  die  Eiseneinlagen  aus 
Rundeisen  bestehen.  Die  Querstäbe  von  16““  Stärke 
stehen  unten  in  im  Widerlager  eingebetteten  U-Eisen;  die 
Längsstäbe  von  8““  Stärke  liegen  im  Widerlager  auf  der 
inneren,  im  Gewölbe  auf  der  äusseren  Seite  der  Quer- 
stäbe. Die  Maschenweite  beträgt  ri  cm,  die  Wandstärke 
nur  8 cm.  Der  im  Gewölbe  verwandte  Mörtel  hat  die 
Mischung  900  kg  Vassy-Zement  auf  i cbm  gesiebten  Sand, 
derjenige  im  Widerlager  eine  solche  von  600  kg  Portland- 
Zement  auf  I cbm  Sand. 

Nach  derselben  Bauweise  ist  auch  eine  561“  lange 
Strecke  der  freien  Gefälleitung  von  3“  lichter  Weite  auf 
der  Höhe  von  Argenteuil  hergestellt,  die  zumtheil  im  Auf- 
trag liegt.  Die  Stärke  der  Rundeisen  beträgt  hier  durch- 
weg 8““,  die  Masnhenweite  wieder  II  cm,  die  Wandstärke 
einschliesslich  des  Rapputzes  9 cm;  die  Mörtelmischung  ent- 
hält 450  kg  auf  I cbm  Sand,  Das  Rohr  wiegt  nur  iVm.  In 
Abständen  von  4,2“  wird  es  in  der  in  Abbildg  12  gezeig- 
ten Weise  durch  schuhähnliche  Rippen  gestützt,  die  bis 
zum  Kämpfer  reichen. 

Der  Dücker  von  Chenneviöres  ist  ebenfalls  in  Beton- 
Eisenkonstruktion  unter  Verwendung  von  Querstäben  n-  und 
T-förmigen  Querschnitts  hergestellt.  Der  Oisedücker,  der 
15  m unter  dem  Oise-Spiegel  liegt,  ist  vollständig  dem  Clichy- 
Dücker  nachgebildet,  während  der  2“  weite  Dücker  von 
Maurecourt  aus  den  in  der  Abbildg.  13  dargestellten  guss- 
eisernen Rohren  der  Bauweise  Jacquemart  besteht,  bei 
dem  das  4“  lange  Rohr  ausser  an  der  Muffe  noch  an 
5 Stellen  mit  Verstärkungswulsten  versehen  ist  (tuyeaux 
en  fonte  frettee),  deren  nutenförmige  Aussparungen  mit 
ausgeglühtem,  6““  starken  Stahldraht  fest  umwickelt 
werden.  Die  Drahtumwicklungen  erhöhen  die  Wider- 
standsfähigkeit des  Rohres  gegen  Bruch,  verhindern  ein 
Auseinanderfallen  der  Rohrstücke  bei  einem  Bruch  und 
vermindern  dadurch  in  solchem  Falle  die  Bodenausspü- 
lungen. Die  Rohre  werden  von  der  Socidtö  d’Aubrives 
et  Villerupt  hergestellt.  — 

Der  zur  Verfügung  stehende  Raum  erlaubt  es  nicht, 
auf  weitere  Einzelheiten  einzugehen.  Wie  die  vorstehende 
Darstellung  zeigt,  ist  das  grosse  Werk  der  Pariser  Kanali- 
sation im  wesentlichen  vollendet  Was  noch  fehlt,  ist  die 
Ausnutzung  der  geschaffenen  Einrichtungen,  die  Durch- 
führung des  Anschlusses  von  noch  fast  80%  sämmtlicher 

167 


Grundstücke  und  damit  die  endliche  Verwirklichung  des  hatte.  Den  Ingenieuren  der  Stadt  Paris  wird  es  für  immer 
„Tout  ä l’ögout",  das  der  Schlachtruf  gewesen  ist  in  dem  zum  Ruhme  gereichen,  dass  sie  in  diesem  Kampfe  als  Führer 
langen  Kampfe,  den  die  von  richtigen  hygienischen  Ge-  an  erster  Stelle  standen,  ebenso  wie  die  von  ihnen  geschaffe- 
sichtspunkten  geleitete  Stadtverwaltung  gegen  die  Vor-  nen  technischen  Lösungen  der  gestellten  Aufgaben  immer 
eingenommenheit  breiter  Bevölkerungsschichten  zu  führen  als  Musterleistungen  der  Ingenieurkunst  gelten  werden. — 


Vermischtes. 

Technisch  vorgebildete  Verwaltungs-Beamte.  In  der 
bayerischen  Abgeordnetenkammer  wurden  kürzlich  bei 
der  Berathung  des  Etats  für  das  k.  Staatsministerium  des 
Inneren  Klagen  vorgebracht  über  die  zu  geringe  Vor- 
bildung der  Verwaltungs-Beamten  in  wirthschaftlichen 
Dingen  und  betont,  dass  diese  Beamten  vielen  zu  ihrem 
Wirkungskreise  gehörigen  Dienstaufgaben  fremd  gegen- 
überstünden. Auf  diese  Angriffe  erwiderte  der  Minister, 
dass  es  heutzutage  unmöglich  sei,  den  Verwaltungs-Beamten 
in  allen  den  Zweigen  auszubilden,  mit  denen  er  in  der 
Praxis  zu  thun  habe,  und  fügte  hinzu,  dass,  wenn  man  dies 
thun  wollte,  der  Beamte  dabei  so  alt  werden  würde,  dass 
er  bald  nach  seiner  Anstellung  pensionirt  werden  müsste. 
Diese  Ausführungen  hat  ein  Abgeordneter  schlagfertig 
widerlegt  mit  dem  Hinweise,  dass  die  Landleute  keine 
Versuchsobjekte  sein  dürften  für  unzeitgemäss  vorge- 
bildete Beamte.  Er  wünsche  für  diese  Beamten  eine 
technische  Vorbildung,  da  der  Schwerpunkt  ihrer  Thätig- 
keit  auf  technisch -wirthschaftlichem  Gebiete  liege  und 
befinde  sich  mit  dieser  Ansicht  in  Uebereinstimmung  mit 
dem  k.  Universitäts-Professor  Mayer  in  Würzburg,  welcher 
den  Polizei-Beamten  ebenfalls  durch  einen  technisch  vor- 
gebildeten Beamten  ersetzt  wissen  möchte. 

Der  Schwerpunkt  der  Thätigkeit  des  Verwaltungs 
Beamten  erstreckt  sich  auf  die  Ausführung  bezw.  Unter- 
haltung von  Hochbauten,  Strassenbauten,  Wasserleitungen, 
von  Wasserbauten,  Kanalisations-Anlagen,  Brunnenanlagen, 
von  Ent-  und  Bewässerung  von  Ländereien,  Obstbaumzucht, 
Viehzucht, Landwirthschaft  im  engeren  Sinne,  Beleuchtungs- 
und Feuerungs-Anlagen  u.  dergl.  m.  Nun  ist  aber  der 
heutige  Beamte  mit  seiner  nur  juristischen  Vorbildung 
nicht  imstande,  derartige  Aufgaben  und  Fragen  zu  bear- 
beiten oder  der  Bevölkerung  Aufschlüsse  darüber  zu  er- 
theilen.  Die  Bevölkerung  fühlt  es,  dass  der  Beamte  für 
ihre  Bedürfnisse  und  Wünsche  nicht  volles  Verständniss  be- 
sitzt und  hält  deshalb  vielfach  mit  Neuerungen  und  Verbesse- 
rungen zurück.  Der  Verwaltungs-Beamte  sollte  der  Vater 
seines  Bezirkes  sein  und  nicht  blos  den  Wünschen  der 
Bevölkerung  nachkomraen  können,  sondern  Neuerungen 
und  Verbesserungen  selbst  anregen  und  der  Bevölkerung 
in  dieser  Hinsicht  mit  Rath  und  That  an  die  Hand  gehen. 
Bei  seiner  jetzigen  Ausbildung  ist  er  dazu  bei  dem  besten 
Willen  nicht  imstande.  Dieser  Misstand  Hesse  sich  auf 
einfache  Weise  beseitigen.  Es  wäre  nur  nothwendig,  statt 
lauter  juristisch  vorgebildete  Beamte  vielleicht  die  Hälfte 
derselben  als  ingenieur-technisch  vorgebildete  anzustellen. 
Jedes  Bezirksamt  hat  mindestens  zwei  Beamte  für  den 
höheren  Dienst  und  es  könnte  daher  leicht  einer  derselben 
technisch  vorgebildet  sein.  Eine  wesentliche  Verminderung 
der  Vielschreiberei  und  eine  einfache  Geschäftsabwicklung 
würden  die  Folge  sein.  Beide  Beamte  zusammen  würden 
alle  Dienstaufgaben  des  Bezirkes  beherrschen. 

Als  zweckmässigste  technische  Vorbildung  für  den 
Verwaltungs-Beamten  würde  die  eines  Kultur-Ingenieurs 
erachtet,  welcher  leicht  die  wenigen  juristischen  Kennt- 
nisse, die  er  braucht,  sich  an  der  Hochschule  und  in  der 
Praxis  dazu  erwerben  könnte.  Nur  nebenbei  sei  bemerkt, 
dass  bei  Einführung  dieser  Neuerung  eine  nennenswerthe 
Zahl  von  Beamten  erspart  werden  könnte.  — X. 

Die  Fenersicherheit  der  Balkendecken  In  Wohn-  und 
Geschäftsräumen  kann  dadurch  erheblich  gesteigert  wer- 
den, dass  der  übliche,  leicht  verbrennliche  Rohrdecken- 
putz auf  Schaalbrettern  durch  eine  feuersichere,  bei 
einem  Brande  haltbare  Deckenbekleidung  ersetzt  wird. 
In  dieser  Hinsicht  scheinen  die  Hrn.  Reg.-Bmstr.  See- 
mann in  Berlin  N.W.  23  ges.  gesch.  Hartgipsplatten  mit 
haibeingegossenem  Wellendrahtgewebe,  welche  auf  der 
gerauhten  Unterseite  überputzt  werden,  einen  Fortschritt 
herbeizuführen,  da  bei  ihrer  Befestigung  an  den  Balken 
zwischen  Platten  und  Balken  ein  freier,  durch  das  Wellen- 
drahtgewebe begrenzter  Luftraum  verbleibt.  Dieser  Luft- 
raum erschwert  von  unten  her  die  Uebertragung  der 
Feuersgluth  auf  die  Balken  und  auch  die  Uebertragung 
des  Schalles.  — 

Neuerung  an  Klosets.  , Eine  Neuerung,  welche  die 
Firma  Wippermann  & Holzer  in  Dortmund  auf  den 
Markt  bringt,  betrifft  ein  Kloset,  welches  nach  der 
Angabe  der  Firma  durch  die  Art  seiner  Konstruktion 
durch  Frost  nicht  zerstört  werden  kann  und  den  Namen 
Westfaiia  frostfrei  erhalten  hat.  Strenge  • Kälte  ist 


der  grösste  Feind  aller  Klosets  aus  Porzellan,  Steingut 
oder  auch  aus  Eisen;  denn  stehen  solche  nicht  in  geheizten 
oder  angewärmten  Räumen,  so  gefriert  das  in  dem  Ein- 
laufstutzen oder  in  dem  Rande  stehen  bleibende  Wasser 
und  das  sich  bildende  Eis  zerstört  den  Klosetkörper.  Ein 
Ersatz  des  letzteren  ist  störend  und  mit  Kosten  verknüpft. 
Bei  dem  Kloset  Westfaiia  frostfrei  soll  dieser  Misstand 
dadurch  vermieden  sein,  dass  das  Wasser  mittels  eines 
Einlauf-T-Stückes  aus  Messing  eingeführt  und  durch  ein 
besonders  eingelegtes  elastisches  Spülrohr  auf  der  inneren 
Klosetwand  vertheilt  wird.  Ein  Entzweifrieren  des  Ein- 
laufes des  Spülrohres  oder  des  Klosets  ist  hierbei  ausge- 
schlossen. Dabei  ist  dieses  Kloset  kaum  theurer,  wie  die 
bis  jetzt  im  Gebrauch  gewesenen.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  betr.  eine  Vorspann-Maschine 
mit  Spiritusmotor  erlassen  die  preussischen  Ministerien 
des  Krieges  und  der  Landwirthschaft  und  setzen  3 Preise 
von  10000,  5000  und  2500  M.  aus.  Die  Bereitstellung  der 
Fahrzeuge  zur  Prüfung  hat  zum  i.  Febr.  1903  zu  erfolgen. 
Die  Maschine,  deren  Gesammtgewicht  einschl.  Bemannung 
und  allem  Zubehör  7500  nicht  übersteigen  darf,  soll  auf 
guten  Strassen  mit  nicht  über  1 : 10  Steigung  imstande  sein, 
eine  Brutlolast  von  15  000  kg’  mit  einer  mittleren  Ge- 
schwindigkeit von  5 km  in  der  Stunde  täglich  70  km  weit 
zu  schleppen.  Bezüglich  des  Betriebsstoffes  ist  Bedin- 
gung, dass  der  Motor  in  erster  Linie  mit  Spiritus  gleich- 
massig  und  wirthschaftlich  arbeitet  und  stets  sofortige 
Betriebsbereitschaft  besitzt.  Es  ist  beabsichtigt,  nicht  preis- 
gekrönte Fahrzeuge  zu  dem  von  der  bez.  Firma  angege- 
benen Preise  zu  erwerben. 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Ent’würfen 
für  ein  städt.  Hallen-Schwimmbad  in  Pforzheim  erlässt  der 
Oberbürgermeister  mit  Frist  zum  i.  Aug.  1902.  Es  ge- 
langen 3 Preise  von  3000,  2000  und  1000  M.  zur  Verthei- 
lung.  Dem  Preisgericht  gehören  ausser  Hrn.  Ob.-Brgrrastr. 
Habermehl  in  Pforzheim  an  die  Hrn.  Ob.-Brth.  Prof. 
Dr.  O.  Warth  und  Ob.-Brth.  Stolz  in  Karlsruhe,  Prof. 
K.  Hocheder  in  München  und  Stdtbmstr.  Kern  in 
Pforzheim.  — 

Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  H.  K.  in  Bremen.  Vorausgesetzt,  dass  der  Lehm 
nicht  auf  einer  Rutschfläche  liegt,  so  dass  er  in  Bewegung  gerathen 
kann,  würden  wir  ihn  als  Baugrund  höher  bewerthen,  als  Baugrund, 
der  aus  einer  Aufschüttung  von  Bauschutt  besteht.  Denn  der  Lehm 
ist  im  Vergleich  zu  Schutt  immer  als  sogen,  reiner  Boden  anzu- 
sehen,  dem  im  gesundheitlichen  Sinne  der  Vorzug  zukommt. 
Bei  niedriger  Lage  hat  der  gewachsene  Lehmboden  auch  darin 
einen  Vorzug,  dass  er  weniger  leicht  Wasser  aufnimmt,  als  aufge- 
schütteter Boden,  daher  dem  zu  errichtenden  Gebäude  die  grössere 
Sicherheit  gegen  Feuchtigkeit  gewährt.  Muss  ein  Hausbruniieu  an- 
gelegt werden,  so  ist  derselbe,  wenn  die  obere  Bodenschicht  aus 
Lehm  besteht,  besser  gegen  Zutritt  von  Auslaugungen  und  Schmutz 
gesichert,  als  in  dem  Falle,  dass  der  Brunnen  eine  Schicht  aus 
Bauschutt  durchfahren  muss.  — 

Hrn.  Arch.  F.  St.  in  Bernburg.  Wenn  der  Baugi'und  aus  auf- 
gefüllten Massen  besteht,  die  also  jedenfalls  nur  mit  geringem  Druck 
belastet  werden  dürften,  ist  eine  Sandschüttung  im  vorliegenden 
Falle  kaum  am  Platze.  Richtiger  würde  es  hier  sein,  das  Gebäude 
auf  einzelne  Pfeiler  mit  Erdbögen  zu  stellen,  welch’  erstere  bis 
zum  guten  Baugrund  herabzuführen  wären.  Bei  gleichmässigem, 
aber  nicht  genügend  tragfähigem  Untergrund  hat  sich  die  Anwen- 
dung einer  Sandschicht  im  übrigen  sehr  gut  bewährt.  Zu  ihrer  Be- 
rechnung ist  zunächst  die  Sohlenbreite  zu  bestimmen  aus  der  für 
den  Untergrund  noch  zulässigen  Belastung.  Dann  bestimmt  sich 
die  Höhe  der  Sandsclncht  (gew.  i — 2 m)  aus  der  Annahme,  dass 
sich  der  Druck  von  der  Mauersohle  aus  im  Trocknen  etwa  unter 
einem  Winkel  von  40°  gegen  die  Senkrechte  nach  beiden  Seiten 
vertheilt  und  unter  24®  unter  Wasser. 

Ihre  2.  Anfrage  würde  die  Abgabe  eines  Gutachtens,  Auf- 
stellung einer  Taxe  bedingen,  eine  Arbeit,  die  durch  den  Brief- 
kasten nicht  erledigt  werden  kann.  — 


Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neu- 
bauten des  Zoologisclien  Gartens  (Fortsetzung).  — Von  der  Industrie-  und 
Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902.  II.  — Die  Kanalisation  von  Paris 
(Schluss.)  — Vermischtes.  — Preisbewerbuegen.  — Brief- und  Fragekasten. 


Hierzu  eine  Bildbeilage;  Das  neue  Straussenhaus  im 
Zoologischen  Garten  zu  Berlin. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmanu,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


168 


No.  26. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  27.  Berlin,  den  2.  April  1902. 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


..u  Tij.  jii  Stellung,  Abbildg.  2 in  No.  26).  Es  ist  so  vor  dem  Ge- 

II.  Vorgeschichte  Bedeutung  und  allgemeine  bände  eine  grosle  Platzanlage  von  etwa  15000?»  Fläche 
Anordnung  der  Ausstellung.  (Schluss.)  geschaffen,  luf  der  sich  bei  besonderen  Veranstaltungen 

Sie  Gesammtanordnung  der  Baulichkeiten  war  durch  eine  Menschenmenge  bis  zu  25000  Personen  aufstellen  kann, 
die  Lage,  Form  und  Ilöhengestaltung  des  gewählten  Die  Mitte  dieses  Platzes  nimmt  ein  Wasserbecken  ein, 

' Geländes  in  gewisser  Bezi^ung  gegeben.  Da  der  das  eine  grosse  Zahl  von  Fontainen,  die  sich  bis  zu  20 
Aussteliungsplatz  sich  in  einer  Länge  von  mehr  als  1,5  Höhe  steigern,  enthalten  soll.  Ursprünglich  war  von  dem 
bei  nur  etwa  250™  mittlerer  Breite  längs  des  Rheinufers  Architekten  Thielen  eine  noch  viel  grossartigere  Anlage  von 
erstreckt,  so  ergab  sich  naturgemäss  die  Anordnung,  dass  2Wasserbecken  geplant,  deren  oberes,  ähnlich  dem  Chäteau 
sich  die  Bauten  in  langer  Reihe  längs  des  Rheines  hin-  d’eau  der  letzten  Pariser  Weltausstellung,  sich  unmittelbar 

der  Mitte  des  Hauptge- 
bäudes vorlagem  und  sei- 
ne Wassermassen  dann 
unterirdisch  an  das  zweite, 
tiefere  Becken  abgeben 
sollte.  Die  Schwierigkeit 
der  Wasserbeschaffung 
un  d dieKostenfrage  brach- 
ten diesen  PlanzumSchei- 
tern.  Trotzdem  soll  die 
ausgeführteAnlage,  deren 
Fontänen  in  wechselndem 
Licht  erstrahlen  werden, 
alles  an  Grossartigkeit 
übertreffen,  was  bisher  in 
Deutschland  an  ähnlichen 
Ausführungen  geleistet 
worden  ist.  — Einschliess- 
lich des  Hauptgebäudes, 
das  noch  durch  zwei  Er- 
weiterungs-Hallen (siehe 
den  Plan)  mit  je  3400  q«“ 
und  schliessl.  noch  durch 
eine  dritte  kleinere  Halle 
ergänzt  wird,  sind  imgan- 
zen 93  Einzelpavillons  für 
Aussteilungszwecke  er- 
richtet, die  zusammen  et- 
wa 99000  qm  Grundfläche 
bedecken. 

Von  den  Einzelbauten, 
die  von  Privaten  bezw. 
Behörden  ausgeführt  sind, 
ist  das  Gebäude  des  Ver- 
eins für  bergbauliche 
Interessen  für  den 
Ober  • Bergamts  - Be- 
zirk Dortmund  mit  rd. 
6400  q“  Grundfläche  das 
bedeutendste.  Ihm  reihen 
sich  an  die  Bauten  von 
Krupp  (3400  q®),derG  Ute 
Hoffnungshütte  in  Ge- 
meinschaft mit  der  Deut- 
zerMaschinen-Fabrik 
(3500  q™),  des  Hörder 
Bergwerks  - Vereins , des 
Bochumer  Vereins,  der 
Vereinigten  W^gon- 
undLokomotiv-Fabri- 
ken,  Düsseldorf  (6000  q«), 
derDüsseldorf  erHand- 
werkskammer  u.  a.  m. 

Während  die  Industrie- 
hallen der  Ausstellungs- 
Verwaltung  grösstentheils 
in  Holz  mitEisen-Verstär- 

Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens  ln  Berlin.  kungen  hergestcllt  sind, 

® smd  die  vorgenannten 

Baulichkeiten  meist  ganz 

ziehen,  letzterem  ilire  ocnauseite  zuKehrend.  .Dieterrassen-  in  Eisen  erstellt  worden.  In  Eisen  ausgeführt  ist  auch  die 
förmige  Gestalt  des  Geländes,  das  2 Stufen  auf  -{-  6 bezw.  grosse  Maschinenhalle,  deren  Bauplatz  sich  aus  dem  Aus- 
-f-  9 ™ D.  P.  aufweist,  gestattete  dabei  einen  wirkungsvollen  stellnngsgelände  heraus  östlich  in  die  Stadt  einschiebt.  Die 
Aufbau  in  der  Weise,  dass  die  Hauptbauten  auf  dem  bebaute  Fläche  dieser  Halle  mit  allen  ihren  Nebenanlagen 
hinteren  höheren  Streifen  errichtet  sind,  die  anderen  kommt  auf  14 500 q®,  die  Kosten  der  vom  Unternehmer 
sich,  ohne  sie  ganz  zu  verdecken,  ihnen  vorlagern.  Vor  nur  vorgehaltenen  Halle  stellen  sich  auf  600  000  M.  Hier 
dem  Hauptausstellungs-Gebäude,  das  mit  allen  nachträg-  werden  auch  die  Maschinen  für  den  Kraft-  und  Licht- 
lichen  Anbauten  28  000  q™  Fläche  bedeckt  und  mit  einem  verbrauch,  annähernd  je  6000  P.S.,  aufgestellt.  Ein  17 
Kostenaufwande  von  1,2  Mill.  M.  aufgeführt  wird,  ist  da-  langes  unterirdisches  Kabelnetz  vertheilt  von  hier  die 
bei  der  vordere  Streifen  ganz  frei  gehalten  und  nach  dem  elektrische  Energie  nach  den  verschiedenen  Verwendungs- 
Ufer  zu  allmählich  abgedacht  (vergl.  den  Plan  der  Aus-  stellen  des  Ausstellungsplatzes. 


169 


Ausser  den  Baulichkeiten,  welche  den  eigentlichen 
Ausstellungszwecken  dienen,  und  abgesehen  von  dem 
schon  besonders  geschilderten  dauernden  Kunstpalast*), 
sind  noch  diejenigen  zu  erwähnen,  welche  dem  Vergnügen 
und  der  leiblichen  Erfrischung  geweiht  sind.  Die  ersteren 
sind  bereits  kurz  bezeichnet  worden.  Von  den  letzteren 
sind  2 Gebäude,  das  Haupt-Bierrestaurant,  das  gleichzeitig 
als  Fest-  und  Konzerthalle  dient  und  2800  q™  Flächeninhalt 
besitzt,  und  das  Haupt-Weinrestaurant  mit  1900  q™  Grund- 
fläche von  der  Ausstellungs-Verwaltung  selbst  errichtet. 
Beide  sind  ebenfalls  im  wesentlichen  als  Holzbauten,  das 
erstere  mit  bedeutender  Spannweite  des  Daches  über  dem 
Hauptraura,  erstellt  und  zur  Rechten  und  Linken  der 
Industriehalle  nach  dem  Rheinufer  vorgeschoben.  Um 
sie  wirkungsvoller  in  die  Erscheinung  treten  zu  lassen, 
ist  das  auf  -j-  9“^  D.P.  liegende  Gelände  hier  soweit  nach 
dem  Rhein  vorgezogen,  dass  diese  Bauten  noch  in  hoher 
Lage  hergestellt  werden  konnten,  sodass  man  die  freie  Aus- 
sicht auf  den  hier  zwar  der  landschaftlichen  Reize  entbeh- 
renden, aber  durch  seine  rastlos  dahinströmenden  Wasser- 
massen doch  Eindruck  machenden  und  durch  seinen  Ver- 
kehr fesselnden  Rheinstrom  geniesst.  Abgesehen  von  den 
in  anderen  Gebäuden  mit  untergebrachten  Erfrischungs- 
räumen sind  nicht  weniger  als  23  Cafes  und  Restaurationen 
verschiedenster  Art  ausgeführt,  in  den  mannichfachsten 
Formen  theils  alte  Bauten  nachahmend,  theils  in  neuesten 
Stilformen  gebildet.  Sie  gruppiren  sich  theils  um  den 
Mittelplatz  vor  dem  Hauptgebäude,  theils  sind  sie  über 
das  ganze  Ausstellungsfeld  zerstreut. 

Ausser  den  Baulichkeiten  galt  es  noch,  Verkehrsanlagen 
innerhalb  des  Ausstellungsplatzes  zu  schaffen  und  auf  dem 
bisher  wüsten,  baumlosen  Gelände  Gartenanlagen  entstehen 
zu  lassen,  Bäume  anzupfianzen,  um  den  Besuchern  auf 
dem  langen  Wege  längs  des  Rheinufers,  der  im  Sonnen- 
brände nicht  zu  den  besonderen  Annehmlichkeiten  gehört 
haben  würde,  Schatten  zu  spenden. 

Die  Weganlage  war  wiederum  gegeben  durch  das 
Gelände.  Ein  grosser  Hauptweg  durchzieht  die  Anlage 


nach  ihrer  ganzen  Länge,  und  von  ihm  zweigen  sich  die 
Querwege  ab.  Aus  dieser  Hauptstrasse  ist  in  ihrem  ganzen 
südlichen  Theile  bis  zum  Hauptausstellungs-Gebäude  eine 
4reihige  Allee  geschaffen,  aus  Bäumen,  die  zumtheil 
weither  herangeholt  und  auf  das  sorgfältigste  verpflanzt 
werden  mussten.  Hier  und  an  den  beiden  Hauptrestau- 
rations-Gebäuden  sind  etwa  400  z.  Th.  schon  recht  statt- 
liche Ulmen,  Linden,  Kastanien  eingesetzt  worden.  Wie 
schon  erwähnt  wurde,  ist  ausserdem  ein  Theil  des  Hof- 
gartens mit  seinem  schönen,  alten  Baumbestände  mit  in 
das  Ausstellungs  - Gelände  einbezogen  und,  abgesehen 
von  kleinen  Einbauten,  ganz  der  Erholung  bezw.  dem 
Sport  gewidmet. 

Zur  Heranschaffung  der  Materialien  während  ' des 
Baues  und  der  An-  und  Abfuhr  der  Ausstellungs-Gegenstände 
ist  ein  Gleisanschluss  von  den  südlichen  Rheinwerften  her 
(also  bis  zum  Rheinhafen  führend)  hergestellt  worden.  Von 
hier  verzweigen  sich  dann  die  eingepflasterten  Gleise 
durch  das  ganze  Feld  nach  den  einzelnen  Bauten  hin. 

Schliesslich  ist  noch  der  Verkehrs-Erleichterungen  für 
die  Ausstellungsbesucher  zu  gedenken.  Sie  bestehen  in 
der  Anlage  einer  mit  Akkumulatoren  betriebenen,  normal- 
spurigen  elektrischen  Rundbahn,  zu  welcher  die  Ges. 
Helios  in  Köln  die  Wagen,  Gottfr.  Hagen  in  Kalk  die 
Akkumulatoren  stellt.  Linienführung  und  Haltestellen  sind 
aus  dem  Ausstellungsplan  ersichtlich. 

Selbstverständlich  ist  das  Ausstellungsgelände  ange- 
schlossen an  die  städtische  Kanalisation , an  Gas-  und 
Wasserleitung.  Letztere  liefert  das  Trink-  und  Wirth- 
schaftswasser,  während  für  technische  Zwecke  eine  Pump- 
station am  Rhein  errichtet  ist.  Die  Beleuchtung  des  Ge- 
ländes selbst  ist  elektrisch.  Es  sind  1000  Bogenlampen 
und  40000  Glühlampen  für  die  Platz-  und  Illuminations- 
Beleuchtung  vorgesehen.  Ein  Hauptstück  letzterer  Be- 
leuchtung wird  die  Rheinbrücke  werden,  die  an  festlichen 
Abenden  im  Glanze  von  2500  Glühlampen  in  ihren  Um- 
risslinien erstrahlen  soll.  — ir  i? 


Umbau  des  Stuttgarter  Hauptbahnhofes. 


'eher  die  Frage  des  Umbaues  des  Stuttgarter  Haupt- 
bahnhofes, die  schon  seit  Jahren  eine  brennende 
geworden  ist,  scheint,  nach  den  Stuttgarter  Tages- 
blättern,  eine  vorläufige  Entscheidung  dahin  gefallen  zu  sein, 
dass  es,  entgegen  anderen  fachmännischen  Stimmen,  die 
dafür  eintraten,  die  jetzigeKopfstation  aufzugeben  und  unter 
Hinausrückung  der  gesummten  Bahnanlagen  um  etwa 
600“  eine  Durchgangs -Station  zu  schaffen,  vorgezogen 
wurde,  den  Bahnhof  als  Kopfstation  an  seiner  jetzigen 
Stelie  zu  belassen  und  hier  die  baulichen  Umgestaltungen  vor- 
zunehmen, die  den  Betriebs-Bedürfnissen  der  Gegenwart 
und  der  nächsten  Zukunft  entsprechen.  Die  General- 
Direktion  der  Staatseisenbahnen  hat  mit  der  Aufstellung 
der  vorläufigen  Entwürfe  die  Hrn,  Baudir,  vOn  Fuchs 
und  Prof.  H.  Jassoy  betraut.  Nach  deren  'Entwurf  soll 
der  Haupteingang  wie  bisher  unmittelbar  an  die  Schloss- 
strasse zu  liegen  kommen;  an  ihn  reihen  sich  die  Warte- 
räume usw.  an;  von  diesen  gelangt  man  nach  dem  Verbilde 
des  Frankfurter  Bahnhofes  auf  einen  über  die  ganze  Breite 
der  Gleishallen  sich  hinziehenden  Querbahnsteig,  an  den 
sich  Bahnsteige  für  die  verschiedenen  Fahrrichtungen  und 
besondere  Gepäckbahnsteige  anschliessen.  An  die  Steile 
der  jetzigen  beiden  Gleisnallen  und  des  Mittelbaues  mit 
den  Wartesälen  würde  eine  dreitheilige  Halle  mit  I4(bisher8) 
Gleisen  treten.  Gegen  die  Friedrichs-  und  die  Königsstrasse 
sind  Ausgänge  vorgesehen  mit  Droschken-Aufstellplätzen. 
Der  Bahnhof  soll  wcmlKopfbahnhof  bleiben,  jedoch  sollen  die 
Gleisverbindungen  den  Durchlauf  ganzer  Züge  und  einzelner 
Wagen  nach  ahen  Richtungen  und  mit  geringstem  Zeit- 
aufwand ermöglichen. 

Der  Gedanke  der  Schaffung  eines  Durchgangs- 
Bahnhofes  wurde  von  dem  Ing.  Alb.  Sprickerhof  in 
Gemeinschaft  mit  den  Architekten  Lambert  & Stahl, 
sämmtiieh  in  Stuttgart,  vertreten.  Unter  Anpassung  an 
die  jetzigen  Einfahrten  ist  der  neue  Bahnhof  auf  den  Ge- 
länden  der  Zuckerfabrik,  des  Zollamtes  und  eines  kleinen 
Theiles  der  Reiter-Kaserne  geplant;  das  Bahnhof-Gelände 
würde  eine  Länge  von  etwa  1100™  erhalten  und  es  würde 
auf  den  Bahnhof  eine  breite  Zufahrtsstrasse  führen.  An 
seinem  nordöstlichen  Ende,  in  der  Nähe  der  unteren 
Wolframstrasse,  münden  die  von  Cannstatt  kommenden 
Züge  in  einer  Höhe  ein,  welche  etwa  5,5“  über  dieser 
Strasse  liegt.  Am  südwestlichen  Ende  der  Bahnhofhalle 
verlassen  die  durchgehenden  Züge  die  Halle  auf  den  nach 
Ludwigsburg  und  Böblingen  führenden  Gleisen,  die  etwa 


*)  Vergl.  No.  22,  Seite  141. 


7 “ tiefer  als  die  Bahnhofstrasse  liegen.  Diese  Gleise 
werden  zunächst  durch  einen  etwa  960  bezw.  1400'“  langen 
Tunnel  geführt,  in  einem  Bogen  von  350“  Halbmesser, 
welcher  den  Güterbahnhof,  die  gegenwärtigen  Gleise  der 
von  Böblingen  und  Ludwigsburg  k^ommenden  Linien,  die 
Strassen  und  schliesslich  den  Kriegsberg  selbst  unterfährt. 
Am  Tunnelausgang  in  der  oberen  Bahnhofstrasse  wird 
der  6“  tiefer  liegende  Güterbahnhof,  mittels  eines  150“ 
langen  Viaduktes  überschritten  und  unmittelbar  darauf 
werden  diese  beiden  neuen  Linien  oberhalb  der  Wolfram- 
strasse mit  den  bestehenden  Böblinger  und  Ludwigsburger 
Gleisen  verbunden.  Gegen  .den  genannten  Tunnel  richten 
sich  die  Bedenken  der  Gegner  des  Sprickerhof  sehen 
Planes.  Sie  befürchten  Betriebserschwerungen  und  Ge- 
fährdungen durch  den  Steinköhlenrauch  der  Lokomotiven,' 
der  eine  Beleuchtung  der  Tunnelstrecke  erschwere,  welche' 
Einwände  Sprickerhof  durch  den  Hinweis  auf  andere 
Tunnelanlagen  sowie  auf  die  Möglichkeit  des  elektrischen: 
Betriebes  zu  entkräften  sucht.  Als  besonderer  Vorzug  des 
geschwungenen  Tunnels  wird  bezeichnet,  dass  er  eine  Thei- 
lung  der  Stadt  durch  seine  unterirdische  Führung  vermeide. 

In  grossen  Abmessungen  ist  der  Personen-Bahnhof  ge- 
dacht ; seine  Fassadeliegt  in  einer  Linie  mit  der  neuen  Bahn-' 
hof-Zufahrtstrasse.  In  der  Mitte  erhebt  sich  ein  Kuppelbau, 
flankirt  von  zwei  hohen  Seitenthürmen,  die  romanische  An- 
klänge  zeigen.  Das  Gebäude  selbst  enthält  drei  grosse  Ein- 
gangshallen, Wartesäle  usw.  Die  beiden  Restaurationssäle) 
r.undll. Klasse,  sowie  III.Klasse,  liegen  links  und  rechts  vom' 
Haupteingang,  zwischen  beiden  dieWirthschaftsführung.  Die' 
erste,  dem  heutigen  Bahnhof  nächste  Eingangshalle  ist' 
dem  Nahverkehr  gewidmet,  die  untere  dem  Fernverkehr. 
Beide  Hallen  sind  durch  breite  Quersteige  verbunden, 
die  sich  auf  gleicher  Höhe  wie  Strasse  und  Wartesäle  be- 
finden. Die  Bahngleise  liegen  6“  tiefer.  Zu  ihnen  und 
zu  den  dazu  gehörigen  Bahnsteigen  führen  5“  hohe  Treppen 
herab,  die  von  dem  Quersteige  herabgehen.  Diese  sämmt- 
liche  Bahnsteige  verbindenden  Quersteige  sind  nach  dem 
Vorbilde  des  neuen  Hamburger  Zentral-Bahnhofes  mit 
dem  Zwecke  geplant,  eine  Uebersicht  über  die  tiefer 
liegenden  Gleise  und  Bahnsteige  der  Halle  zu  gewinnen, 
so  dass  eine  leichte  Zurechtweisung  der  Reisenden  möglich 
ist.  Die  Quersteige  sind  dem  Publikum  noch  frei  zu- 
gänglich; von  dem  Abstiege  zu  den  tieferliegenden  Bahn- 
steigen beginnt  die  Bahnsteigsperre.  Auf  dem  Gelände 
des  Bahnhofes  sind  ein  eigener  Zugang  für  den  könig- 
lichen Hof,  sowie  ein  neues  Postgebäude  geplant.  Die 
Kosten  sind  mit  rd.  31  Mill.  M.  geschätzt,  von  welchen 

No.  27. 


170 


jedoch  ein  grosser  Theü  aus  dem  frei  werdenden  jetzigen 
Bahngelände  erhofft  wird. 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  mit  diesem  weit- 
gehenden Plane  ungleich  günstigere  Betriebsverhältnisse 
erzielt  werden  können,  als  mit  der  Wiederanlage  einer 
Kopfstation  auf  dem  alten  Gelände,  welche  allerdings 


eine  möglichste  Schonung  der  bestehenden  wirthschaft- 
lichen  und  städtischen  Verkehrs-Verhältnisse  gestattet.  Denn 
es  spielt,  wie  in  zahlreichen  anderen  Städten  so  auch  hier, 
die  Verschiebung  der  wirthschaftlichen  Werthe  durch 
Verlegung  des  Bahnhofes  eine  so  bedeutende  Rolle,  dass 
sie  sorgfältig  mit  in  Erwägung  gezogen  werden  muss.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch  - u.  Ing.-Verein  zu  Wiesbaden.  Die  II.  ordentl. 
Versammlung  fand  unter  Vors,  des  Hrn.  Brth.  Genzmer 


am  3.  Dez.  v.  J.  statt.  Anwes.  waren  17  Mitgl.  u.  2 Gäste. 
Es  sprach  Hr.  Stdtbnh.  a.  D.  Brix  in  Wiesbaden  über  „Die 
Abwasserreinigung  durch  das  biologische  Klär- 
verfahren“, Nach  einer  allgemeinen  Uebersicht  über 
die  verschiedenen  Reinigungs- Verfahren  der  Abwässer 
und  einem  historischen  Rückblick  auf  die  Entwicklung  des 
biologischen  Reinigungsverfahrens,  dessen  Wiegein  England 
gestanden  hat,  wurde  das  wissenschaftliche  Prinzip  dieser 
auf  natürlichen  Selbstreinigungs  - Vorgängen  beruhenden 
Klärmethode  erläutert  und  betont,  dass  durch  dieses  Ver- 
fahren, welches  keinerlei  Chemikalien  oder  präparir- 
ter  Filter-Stoffe  bedarf,  die  grösste  Reinigungswirkung 


unter  allen  Klärmethoden  erzielt  wird.  Redner  zeigt  eine 
Reihe  Pläne  der  von  der  „Allgem.  Städtereinigungs-Ge- 
sellschaft"  geplanten  und  ausgeführten  biologischen  Klär- 
anlagen vor;  es  war  hieraus  zu  ersehen,  dass  es  sich  um 
in  Bau  und  Betrieb  sehr  einfache  Bauten 
handelt.  Ueberrascht  waren  die  Anwesen- 
den durch  die  Proben  der  Abläufe  dieser 
Kläranlagen,  welche  sich  als  farbloses,  ge- 
ruchloses und  völlig  klares  Wasser  zeigten, 
das  auch  bei  monatelanger  Aufbewahrung 
keine  faulige  Trübung  oder  Schlammbildung 
bekommt,  sondern  dauernd  klar  bleibt.  Wäh- 
rend des  Vortrages  wurde  Wiesbadener  Ka- 
nalwasser, welches  seitens  des  städtischen 
Kanal-Bauamtes  zur  Verfügung  gestellt  war, 
in  einem  Modell-Filter  nach  dem  System  der 
„Allgem.  Städtereinignngs- Ges.“  einer  Klä- 


rung unterworfen  mit  dem  Ergebniss,  dass 
sich  die  trübe  stinkende  Kanalflüssigkeit 
nach  Verlauf  einer  Stunde  in  ein  geruch- 
loses klares  Wasser  verwandelte.  Man 
hat  es  zweifellos  in  der  biologischen  Klä- 
rung mit  einem  hochbedeutendenFortschritte 
auf  dem  Gebiete  der  Abwasserreinigung  zu 
thun,  wie  die  Ausführungen  des  Vortragen- 
den und  die  von  ihm  verlesenen  Analysen 
der  in  den  ausgeführten  Kläranlagen  der 
„Allg.  Städtereinigungs-Ges."  erhaltenen  ge- 
reinigten Kanalwässer  ergaben.  In  die  leb- 
hafteßesprechunggriffen  namentlich  die  Hrn. 
Geh.  Brth.  Böttger  und  Ing.  Bethäuser  ein.  Ersterer 
machte  darauf  aufmerksam,  dass  bei  jeder  Kläranlage  der 
Desinfektionsfrage  gleichmässig  grosse  Aufmerksamkeit 
zugewendet  werden  müsse  und  man  sich,  sofern  eine 
günstige,  die  ausreichende  Verdünnung  der  Abwässer  ge- 
währleistende Vorfluth  vorhanden  sei,  mit  mechanischer 
Sedimentirung  begnügen  könne;  andererseits  würde  wie- 
der überall  da,  wo  geeignetes  Gelände  für  Rieselfelder 
vorhanden  sei  und  die  Kosten  derselben  nicht  grösser 
seien,  als  diejenigen  des  biologischen  Reinigungs-Verfah- 
rens, den  altbewährten  Rieselfeldern  zur  Kanalwasser- 
Reinigung  der  Vorzug  zu  geben  sein.  Mit  diesen  Aus- 


2.  April  T902. 


17t 


führungen  befand  er  sich  im  Einklang  mit  den  An- 
schauungen des  Vortragenden. 

Hr.  Bethhäuser  erkundigte  sich  nach  dem  Carboferrit- 
Verfahren,  nach  dem  Vortragenden  auch  ein  biologisches 
Verfahren  und  wahrscheinlich  ein  früher  unter  dem  Namen 
Ferrozonpolarit-Verfahren  aufgetretenes  System,  welches 
aber  in  Deutschland  nach  eingehenden  Üntersuchungen 
keinen  Anklang  finden  konnte.  Man  sei  bei  diesem  Ver- 
fahren an  ein  besonderes,  wahrscheinlich  künstlich  er- 
zeugtes Filtermaterial  gebunden,  während  bei  dem 
durch  die  „Ailg.  Städtereinigungs-Ges.“  vertretenen  bio- 
logischen System  in  Deutschland  kein  präparirtes,  son- 
dern nur  ein  gut  ausgewähltes,  sowie  richtig  gemischtes 
und  gelagertes  Filter-Material  erforderlich  sei.  — G, 


Todtenschau. 

Hofrath  Joseph  Ritter  von  Storck  In  Wien  ist  am 
27.  März  der  ehemalige  Direktor  der  Kunstgewerbeschule 
des  Oesterreichischen  Museums  für  Kunst  und  Industrie, 
Hofrath  Josef  Ritter  von  Storck,  im  72.  Lebensjahre  einem 
Schlaganfall  erlegen.  Mit  ihm  scheidet  einer  der  letzten 
der  Männer  aus,  welche  an  der  zweiten  grossen  Renaissance 
der  Kaiserstadt  an  der  Donau  der  zweiten  Hälfte  des  ig.  Jahrh. 
thätigen  und  erfolgreichen  Antheil  genommen  haben.  Ob- 
gleich noch  in  voller  Rüstigkeit,  starb  er  nicht  im  Amte; 
auch  er  ist  der  so  ungestüm  einsetzenden  neuen  Bewegung 
in  Wien  vorzeitig  zum  Opfer  gefallen.  Joseph  Storck  war 
in  Wien  geboren  und  machte  seine  fachlichen  Studien 
unter  van  der  Nüll  und  Siccardsburg.  Im  Jahre  1866 
wurde  er  Dozent  für  Ornamentik  an  der  Technischen 
Hochschule  in  Wien.  Im  Jahre  1868  wurde  er  zu  seiner 
Lebensaufgabe  berufen:  er  wurde  zum  Professor  und 
später  zum  Direktor  der  Kunstgewerbeschule  des  Oester- 
reichischen Museums  ernannt.  Hier  wirkte  er  ungemein 
segensreich  länger  als  30  Jahre,  bis  er  im  Jahre  1899  der 
neuen  Bewegung,  die  rücksichtslos  über  ihn  hinwegging, 
nicht  ohne  Erbitterung  unterlag.  Es  ist  beispiellos  in  der 
Geschichte  der  Kunstentwicklung,  wie  damals  die  ange- 
sehensten Kräfte,  die  auf  ein  Menschenalter  an  Verdiensten 
zurückblicken  konnten,  von  der  gleich  einem  Orkan  ein- 
setzenden Bewegung  einfach  weggefegt  wurden.  Man 
darf  an  diesem  Umstande  nicht  das  grosse  Verdienst  Storcks 
11m  die  Entwicklung  des  österreichischen  Kunstgewerbes 
messen.  Mit  dem  früh  verstorbenen  Valentin  Teirich  zu- 
sammen hob  er  es  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  zu  einer  Bedeutung,  die  ihm  Weltruhm  ver- 
schaffte. — 


Preisbewerbungen. 

Ein  internationaler  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen für  ein  Denkmal  zur  Erinnerung  an  die  Begründung 
des  Weltpostvereins  in  Bern  ist  in  Aussicht  genommen. 
Für  das  Denkmal  steht  eine  Summe  von  200  000  frcs.  zur 
Verfügung.  Das  Preisgericht  besteht  aus  den  Hrn.  Geh. 
Postrath  Hacke,  Architekt  in  Berlin,  Prof.  E.  Helmer, 
Bildhauer  in  Wien,  Arch.  Graf  Laling  in  Brüssel,  Arch. 
Prof.  Mehldahl  in  Kopenhagen,  Arch.  Uriote-Velada 
in  Madrid,  Bildh.  Bartholdi  in  Paris,  H.  H.  Amstead 
in  London,  Bildh.  Alois  Strobl  in  Budapest,  Prof  H. 
Ximenes  in  Rom,  Arch.  Prof.  Bluntschli  in  Zürich  und 
dem  Direktor  des  internationalen  Postbüreaus  E.  Ruffy 
in  Bern.  — 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Dem  Bauamtm.  Wehrle  in  Würzburg  ist  der 
Verdienstorden  IV.  Kl.  vom  hl.  Michael  verliehen. 

Der  Eisenb.-Ass.  W ö r n e r bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseiseob. 
ist  aus  dem  Staatsdienst  ausgetreten.  1 

Pfalz.  Eisenbahnen.  Versetzt  sind;  Ing.  Schnabl  von 
Neustadt  z.  bautechn.  Bür.  der  Dir.  in  Ludwigshafen  und  Emrich 
von  Altenplan  nach  Neustadt. 


Preussen.  Dem  Kr.-Bmstr.  Müller  in  Stolp  i.  P.  ist  der 
kgl.  Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  z.  Anlegen  der  ihnen  verlieh, 
fremdländ.  Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  dem  Reg.- u.  Brth.  Beck- 
mann in  Kassel  des  fürstl.  waldeckschen  Verdienstkreuzes  III.  KL, 
demPräs  der  kgl.  Eisenb.-Dir.inSt  Johann-SaarbrückenSchwering 
des  kais.  russ.  St.  Annen-Ordens  II.  Kl , dem  Reg.-  u.  Brth.  F r i e d e - 
richs  in  St.  Joh.-Saarbrücken  des  kais.  russ.  St.  Annen-Ordens 
III.  Kl,  dem  Reg.-  u.  Brth.  R a s c h in  Wiesbaden  des  Offizierskreuzes 
des  franz.  Ordens  der  Ehrenlegion. 

Der  Reg.-Bmstr.  Wix  in  Aurich  ist  z.  Wasser-Bauinsp.,  die 
Reg.-Bfhr.  Paul  Schmidt  aus  Pfalzburg  {Eisenbfcb.)  u.  Ludw. 
Schnorbusch  aus  Münster  i.  W.  (Masch.-Bfch.)  sind  zu  Reg.- 
Bmstrn.  ernannt.  Den  Reg.-Bmstrn.  Wal.  Janetzki  in  Oppeln 
und  Ernst  Lipmann  in  Capetown  (Südafrika)  ist  die  nachges. 
Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Sachsen.  Dem  Brth.  Oehme  ist  die  Stelle  eines  techn. 
Hilfsarb.  bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.,  unt.  gleichzeit.  Weiter- 
führung der  Vorst.-Geschäfte  des  Elektrotechn.  Bür.,  und  dem  Betr.- 
Insp.  Brth.  Müller  die  Leitung  der  Betr.-Dir.  Dresden-Altstadt 
übertragen.  Der  Bauinsp.  Schramm  ist  bei  der  Betr.-Dir. 
Zwickau  wieder  in  den  Dienst  getreten.  Dem  Reg.-Bmstr.  P 0 k 0 r n y 
ist  die  Leitung  des  Baubür.  Dresden-Neust.  I übertragen. 

Versetzt  sind  die  Reg.-Bmstr.  Benndorf  in  Chemnitz  zum 
Betr.-Masch.-Bür.,  Hallenberg  in  Chemnitz  zur  Masch.-Insp. 
Chemnitz  und  Colberg  in  Dresden  zur  Betr.-Dir.  Dresden-A.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  Gr.  in  Dortmund.  Die  Anfrage,  ob  es  Muster 
zu  Werkverträgen  giebt,  wie  sie  zwischen  Bauherrn  und  Unter- 
nehmern abzuschliessen  sind,  die  in  ihren  allg.  Bedingungen  die 
Bestimmungen  des  neuen  bürgei  liehen  Gesetzbuches  genau  berück- 
sichtigen, ist  schon  mehrfach  an  uns  gestellt  worden.  Nach  Aus- 
kunft unseres  juristischen  Mitarbeiters  ist  ein  wirklich  brauchbarer 
Entwurf  noch  nicht  veröffentlicht.  Jedenfalls  aber  kann  die  Auf- 
stellung eines  solchen  nur  in  gemeinsamer  Arbeit  des  Technikers, 
und  eines  in  Bausacheii  erfahrenen  Juristen  bewirkt  werden.  — ^ 
Hat  vielleicht  einer  unserer  Leser  schon  etwas  derartiges  zu  Gesicht 
bekommen?  — 

Hrn.  P.  Schm,  ln  Witten.  Au  den  Baugewerkschulen,  mit 
welchen  Abtheilungen  für  Wiesenbau  verbunden  sind,  z,  B.  an  der 
kgl.  Baugewerkschule  in  Königsberg  i.  Pr. 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise 

Hrn.  R.  B.  in  Westfalen.  Zu  Ihrer  Anfrage  in  No.  15  der 
Dtschn.  Bztg.  über  Strassen  mit  einer  Kiesdecke  auf 
Faschinen  als  Packlage  gehen  uns  folgende,  sich  allerdings  wlder- 
spi'echende  Antworten  zu; 

1.  Buschen  (Busch)  oder  Faschinen  können  nie  den  Zweck  der 

Packlage  in  Kunststrassen  erfüllen;  Erfahrungen  damit  sind  nicht 
bekannt,  Werke  und  Zeitschriften  handeln  darüber  nicht.  Nur  in 
solchen  Ausnahmefallen,  wo  es  sich  darum  handelt,  eine  Strasse 
zur  vorübergehenden  Benutzung  schnell  herzustellen  und  durch 
nassesMoor  oder  Sumpf  zu  führen,  wird  die  Anordnung  vonFaschinen 
als  Unterlage  für  den  Strassenkörper  zweckmässig  sein.  Es  wer- 
den dann  zunächst  Faschinen  in  Verband  in  der  Richtung  der 
Strasse  und  dann  quer  darüber  zu  legen  sein.  Die  Stärke  der 
ganzen  Faschinenpackung  würde  so  zu  bemessen  sein,  dass  das 
Gewicht  des  durch  die  Faschioenlagen  verdrängten  Moor-  oder 
Sumpfbodens  mindestens  mit  dem  Gewicht  der  Faschinen  sammt 
dem  darüber  herzustellenden  Strassenkörper  und  der  darauf  zu 
führenden  Last  übereiustimmt.  Die  Faschinen  dürften  zunächst  mit 
Rasen  zu  bedecken  sein,  weil  Kies  leicht  durch  die  Faschinen  fällt 
und  die  alsdann  frei  werdenden  Aeste  nicht  ohne  Gefahr  für  die 
Zugthiere  sind.  Gleiche  Gefahr  ist  vorhanden,  wenn  die  Strasse 
so  lange  benutzt  wird,  bis  die  Faschinen  faulen.  Die  Fragestellung 
lässt  nicht  erkennen,  warum  Faschinen  verwendet  werden  solleoj 
da,  wenn  Kies  in  ausreichender  Menge  für  angemessenen  Preis  vor- 
handen ist,  die  Faschinen  entbehrlich  erscheinen.  — t.  — 

2.  Ich  habe  wiederholt  solche  Strassen  mit  vortrefflichem  und 
nachhaltigem  Erfolge  ausgeführt  und  bin  gerne  bereit,  die  nöthigen 
Mittheilungen  zu  geben,  wenn  mir  gefälligst  bekannt  gegeben  wird, 
wohin  ich  selbe  zu  adressiren  habe. 

August  Bernatz,  Reg.-  u.  Kreisbaurath  in  Regensburg. 

Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neu-| 
bauten  des  Zoologischen  Gartens.  — Von  der  Industrie-  nnd  Kunstaus) 
Stellung  in  Düsseldorf  1902,  II.  (Schluss).  — Umbau  des  Stuttgarter  Haupt- 
bahnhofes. — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Todtenschau.  — Preisbe- 
werbuugen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten- ^ 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitimg,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmana,  Berlin.  Druck  von  Wüh.  Greve,  Berlin. 


Conrad  Wilhelm  Hase  'j*. 

Am  Charfreitag,  den  28.  März,  entschlief  in  Hannover  im  84.  Lebensjahre  der  Altmeister 
der  gothischen  Baukunst  in  Deutschland,  der  Geheime  Regierungs-  und  Baurath,  Kousistorial-Bau- 
meister  a.  D.  Conrad  Wilhelm  Hase,  nachdem  er  schon  vor  längeren  Jahren  seine  Thätigkeit  als 
Architekt  wie  als  Lehrer  aufgegeben  und  in  stiller  Zurückgezogenheit  gelebt  hatte.  Der  Höhepunkt 
seines  Schaffens  lag  in  der  Mitte  der  sechsziger  Jahre  des  vergangenen  Jahrhunderts  und  wurde 
seinem  Umfange  und  seiner  Bedeutung  nach  auch  in  diesem  Blatte  mehrmals,  zuletzt  bei  Gelegenheit 
der  Feier  seines  achtzigsten  Geburtstages  im  Jahrgang  1898  gewürdigt.  Wir  werden  aber  jedenfalls 
Veranlassung  nehmen,  demnächst  noch  einmal  etwas  eingehender  auf  die  Person  des  verstorbenen 
grossen  Meisters  und  die  Art  seiner  Wirksamkeit  zurQckzukommen , an  dessen  Bahre  heute  tiefbe- 
wegt eine  grosse  Zahl  von  Schülern  und  Verehrern  trauernd  sich  vereinigt.  — 


172 


No.  27. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2:  28.  * 
APRIL  igo2. 

'«stÄSr 


Die  Strassenbrücken  der  Stadt  Berlin.*) 


ünfundzwanzig  Jahre  waren  am  i.  Jan.  1901  verflossen, 
seit  die  Stadtgemeinde  Berlin  die  bis  dahin  im  wesent- 
lichen dem  Fiskus  obliegende  Strassen-  und  Brücken- 
baulast übernahm  und  damit  auch  das  Eigenthums- 
recht an  diesen  Verkehrsanlagen  einschl.  des  Grund 
und  Bodens  erwarb,  über  welchen  die  Gemeinde  bis 
daliin  keinerlei  Verfügungsrecht  besass.  Es  wurde  da- 
mit Verhältnissen  ein  Ende  gemacht,  die  bei  dem 
raschen  Aufblühen  der  Stadt  schon  seit  Anfang  der 
60  er  Jahre  ein  ausserordentliches  Hinderniss  für  die 
Verkehrs-Entwicklung  bildeten  und  geradezu  unhalt- 
bar wurden,  seit  man  an  Berlin  als  Reichshauptstadt 
Ansprüche  stellte,  denen  man  mit  den  knappen  Mitteln, 
welche  vom  Landtage  für  die  Verkehrsanlagen  Berlins 
und  vielfach  noch  sehr  ungern  bewilligt  wurden,  in 
keiner  Weise  mehr  gerecht  werden  konnte. 

Diese  Verhältnisse  und  die  Anschauung,  dass 
man  „auch  um  den  Preis  bedeutender  Opfer  auf  jenen 
der  Gemeinde  naturgemäss  zustehenden  Besitz  und 
auf  ein  so  wichtiges  Stück  der  Selbstverwaltung  nicht 
verzichten“  wollte,  führten  nach  langen  Verhandlungen 
zum  Abschluss  des  Vertrages  vom  ii.  30./31.  Dez. 
1875,  nach  welchem  mit  wenigen  Ausnahmen  die 
Strassen  und  Plätze,  sowie  die  sämmtlichen  Brücken 
in  den  Besitz  und  die  Unterhaltungspflicht  der 
Stadtgeraeinde  gegen  eine  jährlich  vom  Fiskus  zu 
zahlende  Rente  von  556431,22  M.  übergingen,  die  im 
Jahre  1882  durch  eine  einmalige  Abfindungssumme 
von  II  128  624  M.  abgelöst  wurde.  Diese  Summe  ent- 
sprach allerdings  nicht  entfernt  den  Aufwendungen,  die 
Berlin  allein  für  seine  Brücken  machen  musste,  um 
diese  nicht  nur  in  einer  dem  Verkehrsbedürfnisse  in 
vollem  Maasse  entsprechenden,  sondern  auch  ästhe- 

•) Herausgegeben  vom  Magistrat.  Verlag  von  Julius  Springer. 
Berlin  1902.  (Die  beigegebenen  beiden  Abbildungen  sind  dem 
Werke  entnommen.) 


tische  Ansprüche  erfüllenden  Weise  umzugestalten; 
wurden  doch  von  1876 — 1899  allein  26,5  Mill.  M.  von 
der  Stadt  für  Brücken-Um-  und  Neubauten  aufgewendet. 

Mit  der  Uebernahme  dieser  Verpflichtung  erwuchs 
der  Stadtgemeinde  eine  schöne  bauliche  Aufgabe; 
denn  wenn  auch  die  Wasserläufe,  welche  die  Stadt 
durchziehen,  im  allgemeinen  zu  einer  schon  allein 
durch  die  Abmessungen  wirkenden  Entwicklung  der 
Brücken  wenig  Gelegenheit  geben,  wenn  auch  die 
Untergrund- Verhältnisse  im  wesentlichen  so  gestaltet 
sind,  dass  aus  denselben  bauliche  Schwierigkeiten 
nur  ausnahmsweise  folgten,  so  zwangen  doch  die  Rück- 
sicht auf  möglichste  Einschränkung  der  Konstruktions- 
höhe, um  bei  den  niedrigen  Ufern  an  kostspieliger 
Rampenentwicklung  zu  sparen  und  trotzdem  den  An- 
sprüchen einer  ausserordentlich  regen  Schiffahrt  zu 
genügen,  ferner  die  Rücksicht  auf  die  Unterbringung 
der  den  Strassenkörper  mehr  und  mehr  in  Beschlag 


173 


nehmenden  Leitungen  und  Kabel  des  städtischen  Ver- 
sorgungsnetzes zu  stellenweise  sehr  interessanten  Kon- 
struktionen und  zu  einer  sehr  sorgfältigen  Erwägung 
aller  inbetracht  zu  ziehenden  Umstände.  Dazu  kam  . 
die  Schwierigkeit,  den  ausserordentlich  gesteigerten 
.Landverkehr,  namentlich  der  an  feste  Bahnen  gebun- 
denen Strassenbahnen,  und  ebenso  den  Schiffsverkehr 
während  der  Bauzeit  möglichst  ungestört  aufrecht  zu 
erhalten,  eine  Aufgabe,  die  ganz  besonderes  Interesse 
bot  und  z,  Th.  auch  nicht  ohne  Rückwirkung  auf  die 
ganze  Brückenanlage  bleiben  konnte.  Schliesslich  kam 
dazu,  dass  die  Stadtgeraeinde  von  vornherein  sich  die 
Aufgabe  stellte,  nicht  nur  Nützlichkeitsbauten  auszu- 
führen, sondern  durch  die  künstlerische  Ausbildung 
der  Brücken  auch  das  Stadtbild  zu  bereichern,  ein  Ziel, 
.das  abgesehen  von  einigen  Fehlgriffen  und  einer  bei 
der  Fülle  der  Aufgaben  und  der  Schnelligkeit  der  Aus- 
führung begreiflichen,  nicht  immer  ganz  gleichwerthigen 
Durchbildung  der  Einzelforraen,  unzweifelhaft  erreicht 
wurde.  So  entstanden,  trotz  einer  durch  die  örtlichen 
und  natürlichen  Verhältnisse  gegebenen  gewissen  Gleich- 
artigkeit der  Gesammtanlage  und  trotz  der  grossen 
Anzahl  — sind  doch  in  dem  25-jährigen  Zeitabschnitt, 
abgesehen  von  einigen  hölzernen  Fussgängerbrücken, 
nicht  weniger  als  48  Brücken  in  Eisen  und  Stein  her- 
gestellt worden  — , dennoch  Bauwerke  von  einer  ziem- 
lichen Verschiedenheit  der  äusseren  Erscheinung  und 
von  einer  grossen  Mannigfaltigkeit  der  Ausbildung  im 
Einzelnen. 

..  Dieses  reiche  Material  nicht  in  den  Akten  zu  be- 
graben, vielmehr  der  Allgemeinheit  zugänglich  zu 
machen,  erschien  der  Stadtgemeinde  als  eine  vor- 
nehme Pflicht.  Auf  Antrag  des  Magistrates  beschloss 
daher  die  Stadtverordneten-Versammlung  im  Jahre 
1896,  ein  Werk  über  die  Strassenbrücken  der  Stadt 
Berlin  herauszugeben,  das  „neben  dem  technischen 
Zwecke  gleichzeitig  auch  den  Mitgliedern  der  städti- 
schen Behörden,  welche  zu  dem  Erfolge  mit  Rath  und 
That  beigetragen  haben,  als  werthvolle  Erinnerung 
an' eine  Zeit  voller  Arbeit  dienen  sollte“. 

Dieses  Werk  liegt  jetzt  in  2 stattlichen,  vornehm 
ausgestatteten  Grossquart-Bänden  voruns.  Der  doppelte 
Zweck  desselben,  einestheils  dem  Fachmanne  ein  ver- 
werthbares  Material  zu  bieten  und  andererseits  auch 
den  Nichtfachmann,  ohne  ihn  zu  ermüden,  über  die 
Bedeutung  der  städtischen  Bauthätigkeit  auf  dem  ge- 
nannten Gebiete  zu  unterrichten  und  ihn  durch  schöne 
Illustrationen  zu  erfreuen,  hat  dabei  auf  Anordnung  und 
Inhalt  des  Werkes  entscheidenden  Einfluss  ausgeübt. 

Zweckmässiger  Weise  hat  man  zunächst  alle,  kon- 
struktiven Zeichnungen^.;  also  das  für  den  Techniker 
weithvollste  Material,  in  einem  Bände  für  sich  vereint. 
Auf  41  Tafeln  (davon  25  Doppeltafeln)  ist  die  Kon- 
struktion von  30  verschiedenen  Brücken  in  Uebersichts- 
Zeichnung  und  in  Einzelheiten  zur  Darstellung  ge- 
bracht, ausserdem  sind  3 Pläne  der  Stadt  aus  dem 
Jahre  1685  (in  verkleinertem  Maasstabe  gestochen 
nach  dem  Plane  von  La  Vigne),  1688  (Photojitho- 
graphie  nach  der  Vogelperspektive  von  Joh.  Bernhard 
' Schultz)  und  1901,  sowie  Längenprofile  der  Spree  und 
der  4 die  Stadt  durchschneidenden  Schiffahrtskanäle 
beigegeben.  Sämmtliche  Konstruktionsblätter  sind  in 
trefflicher,  klarer  Darstellung  in  der  lithographischen 
Anstalt  von  Bogdan  Gisevius  in  Berlin  hergestellt. 

, Als  Grundlage  der  Tafeln  dienten  Zusammenstellun- 
gen nach  den  Revisions-Zeichnungen.  Es  war  da- 
durch möglich,  die  Pläne  in  der  Hauptsache  in  ein- 
' heitlichem  Maasstabe,  i : 200  für  die  Uebersicht,  bezw. 
1 : 100  für  die  Querschnitte  und  i : 40  für  die  Einzel- 
heiten, darzustellen.  Nur  einige,  in  ihren  Grössen- 
verhältnissen sich  nicht  in  den  gegebenen  Rahmen 
einpassendeBauwerke  mussten  in  abweichendem  Maass- 
stabe wiedergegeben  werden.  Bei  der  Fülle  des  Stoffes 
sind  natürlich  nur  besonders  charakteristische  Beispiele 
vorgeführt,  so  einige  der  vor  1876  erbauten,  eisernen 
Bogenbrücken  und  die  Augusta-Brücke  (eiserne  Klapp- 
brücke), dann  eine  grössere  Anzahl  der  nach  1884 
erbauten  Steinbrücken,  darunter  als  bedeutendste, nach 
Ausdehnung  und  Aufwand  die  Oberbaum -Brücke, 


interessant  durch  ihre  eigenartige  Grundrisslösung 
und  demzufolge  schwierige  Gewölbe-Konstruktion  die 
Kaiser  Wilhelm-Brücke,  ungewöhnlich  durch  die  be- 
sonderen Vorkehrungen  zur  Aufstellung  des  Schlüter’- 
schen  Reiterstandbildes  die  Kurfürsten-Brücke,  neu- 
artig durch  die  bei  ihrer  Ausführung  angewendeten 
Hilfskonstruktionen  (eisernes  Lehrgerüst  mit  Ausleger- 
trägern und  eingehängtem  Mittelstück  behufs  Ge- 
winnung möglichsterDurchfahrtshöhe)  die  Gertraudten- 
Brücke.  Unter  den  Brücken  mit  eisernem  Ueberbau 
aus  demselben  Zeitabschnitt  sind  hervörzüheben  die 
durch  die  Verzwicktheit  ihrer  Konstruktion  und  die 
Schwierigkeit  der  stückweisen  Ausführung  beistärkstdra, 
ununterbrochenem  Verkehr  interessanten  Anlagen  am 
Mühlendamm,  als  eleganter  Bogen  die  Ebertsbrücke 
und  als  Auslegerbrücke  mit  sehr  beschränkter  Kon- 
struktionshöhe die  Weidendammer  Brücke.  Der  In- 
genieur wird  in  diesen  Zeichnungen,  die  namentlich 
in  den  Einzelheiten  mancherlei  bemerkenswerthe  An- 
ordnungen zeigen,  ein  schätzenswerthes  Material  finden. 

Der  Textband  umfasst  220  Seiten  und  enthält 
203Textabbildungen,  Autotypien  bezw.  Strichätzungen, 
sowie  52  Heliogravüren,  meist  nach  eigens  zu  dem 
Zwecke  gefertigten,  trefflichen  Aufnahmen  von  Herrn. 
Rückwardt,  Berlin,  von  der  Firma  Meisenbach, 
Riffarth  & Co.,  Berlin,  in  vorzüglicher  Wiedergabe 
in  Kupferdruck  hergestellt.  Um  ein  abgerundetes  Bild 
' von  der  Entwicklung  des  Berliner  Brückenbaues  zu 
geben,  ist  auch  die  Zeit  vor  1876  mit  in  den  Rahnien 
des  Werkes  einbezogen.  Neben  anderen  Quellen  sind 
dabei  namentlich  die  Akten  des  kgl.  Geh.  Staats- 
Archivs  herangezogen  worden,  während  für  die  spätere 
Zeit  die  städtischen  Akten,  Verwaltungsberichte  und 
auch  Veröffentlichungen  in  den  technischen  Zeit- 
schriften benutzt  sind. 

Die  Darstellung  der  Vorgeschichte  ist  eingetheilt 
in  die  Zeitabschnitte  bis  1640,  von  1640 — 1740  (Be- 
festigung der  Stadt  durch  den  Grossen  Kurfürsten, 
Bau  der  Kurfürsten-Brücke)  1740  —1824  (Entfestigung 
der  Stadt,  Stadterweiterung,  Bauten  Friedrichs  des 
Grossen,  Bau  der  Schlossbrücke  durch  Schinkel), 
1824 — 1860  (Beginn  der  Selbstverwaltung,  Aufhören 
der  Fürsorge  des  Herrscherhauses,  Bewilligung  nur 
knapper  Mittel  durch  den  Landtag,  daher  ausschliess- 
lich Herstellung  einfachster  Nutzbauten),  1860 — 1876 
(gesteigerte  Verkehrs-Entwicklung,  dementsprechend 
gesteigerte  staatliche  Bauthätigkeit , Moltke  - Brücke, 
Alsen-Brücke,  Belle-Alliance-Brücke,  private  Bauthätig- 
keit, kräftigeres  Einsetzen  der  städtischen  Initiative). 

. Ein  zweiter  Abschnitt  ist  dem  Zeitraum  von  1876, 
also  von  derUebernahme der  gesammten Brückenbaulast 
auf  die  Stadt  bis  1884  gewidmet.  Während  die  Stadt- 
gemeinde bis  1876  nur  21  Brücken,  darunter  die  Mehr- 
zahl unbedeutender  Natur,  in  Unterhaltung  hatte,  über- 
nahm sie  jetzt  77  weitere  Brückenbauwerke,  von  denen 
nur  der  kleinste  Theil,  in  Konstruktion  und  baulichem 
Zustande  dem  Verkehrs-Bedürfnisse  genügte,  sodass 
von  vornherein  zu  übersehen  war,  dass  der  weitaus 
grössere  Theil  einem  völligen  Neubau  zu  unterziehen  sein 
würde.  Dieser  Umbau  ist  bei  den  17  Spree-Brücken 
(von  denen  nur  die  Schillingsbrücke  von  der  Stadt  1870 
bis  1874  massiv  hergestellt  war)  durchgeführt,  bei  den 
Kanal-Brücken  theils  erfolgt,  theils  eingeleitet  bezw. 
in  Aussicht  genommen;  eine  bedeutende  Leistung,  na- 
mentlich wenn  man  berücksichtigt,  dass  sich  die  Haupt- 
bauthätigkeit  der  Stadt  auf  dem  Gebiete  des  Brücken- 
baues zusammendrängt  in  die  Jahre  1885 — 1897,  d.  h.  in 
die  Zeit,  in  welcher  der  Geh.  Brth.  Di-.  J.  Hobrecht 
als  Stadtbaurath  die  Tiefbau-Abtheilung  leitete. 

Diese  beiden  Zeitabschnitte,  1876—1884  und  1885 
bis  1897,  geben  eine  eingehende  Schilderung  von  der 
Entwicklung  des  städtischen  Brückenbaues,  den  Grund- 
sätzen, welche  die  Stadt  bei  der  Konstruktion  und  bei 
der  Ausgestaltung  im  Einzelnen,  sowie  bei  der  Aus- 
schmückung leiteten.  Ergänzt  werden  diese  Mitthei- 
lungen durch  ein  besonderes  Kapitel  über  die  Kana- 
lisirung  der  Unterspree,  da  diese,  welche  den  Jahr- 
hunderte lang  dem  Schiffahrtsverkehr  durch  den  Stau 
am  Mühlendaram  verschlossenen  Hauptspreearm  wieder 

No.  28 


U4 


eröffnete,  damit  auch  gleichzeitig  die  Hochwasser-Ver- 
hältnisse der  Berlin  durchziehenden  Wasserläufe  wesent- 
lich änderte.  Es  wurde  dadurch  möglich,  die  Scheitel 
der  Brücken  nunmehr  erheblich  tiefer  zu  legen,  bezw. 
anstelle  der  Eisenkonstruktion  vielfach  den  Massivbau  zu 
setzen,  der  seitdem  von  der  Stadt  überall  da  angewendet 
worden  ist,  wo  das  die  Verhältnisse  irgend  gestatteten. 
Erläutert  werden  diese  Abschnitte  durch  die  Beschrei- 
bung der  einzelnen  Brückenbauwerke,  wobei  auch 
namentlich  dem  Material,  der  künstlerischen  Aus- 
schmückung, stellenweise  auch  einer  besonders  inter- 
essanten Bauausführung  nähere  Mittheilungen  gewid- 
met werden,  sodass  auch  hier  sich  dem  Fachmann 
manche  schätzenswerthenAufschlüssedarbieten  werden. 
Den  Beschluss  des  Ganzen  bildet  eine  zusammenfassende 
Darstellung  der  Baukosten,  der  Verding-Ergebnisse  und 
ein  Verzeichniss  der  sämmtlichen  Brücken. 

Das  Werk  ist  entstanden  unter  der  Mitarbeit  der 
bauleitenden  Baumeister  der  einzelnen  Brückenbauten. 
Die  Zusammenstellung,  geschäftliche  Leitung  und  Re- 
daktion lagen  dem  Stadtbauinsp.  G.  Pinkenburg  ob, 


dem  langjährigen  Leiter  des  städtischen  Brückenbau- 
Büreaus.  Von  seinen  Mitarbeitern  ist  namentlich 
Stadt-Bmstr.  Max  Neumann  hervorzuheben.  Dieend- 
giltige  Fassung  erhielt  das  Werk  im  Büreau  des  Stadt- 
brths.  Fr.  Krause  unter  besonderer  Mitarbeit  des 
Stadtbauinsp.  Brth.  Gottheiner. 

Bei  der  Beurtheilung  des  Werkes  ist  der  doppelte 
Zweck  desselben  zu  berücksichtigen,  einem  Laien- 
PubÜkum  und  dem  Fachmann  gleichzeitig  etwas  zu 
bieten.  Diese,  nicht  einfache  Aufgabe,  ist  durch  die 
Stoffvertheilung,  die  reiche  Ausstattung  des  Buches 
mit  photographischen  Aufnahmen  und  mit  Konstruk- 
tions-Zeichnungen, sowie  durch  den  klaren,  knappen 
Text  in  geschickter  Weise  gelöst,  und  wenn  der  Fach- 
mann für  sich  allein  wohl  manchmal  ein  tieferes  Ein- 
gehen auf  die  Materie  gewünscht  hätte,  so  wird  er 
doch  eine  Fülle  von  Anregung  und  manchen  praktischen 
Wink  aus  dem  Werke  entnehmen  können,  das  der 
Stadtgemeinde,  den  Mitarbeitern,  sowie  dem  Verleger 
und  den  Firmen,  die  es  ausgestattet  haben,  zur  Ehre 
gereicht.  — P 


Berliner  Neubauten. 

No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens. 

(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  S.  176  u.  177. 


en  voraufgegangenen  Erörterungen  allge- 
meiner Natur  lassen  wir  nunmehr  eine 
kurze  Einzel-Darstellung  der  hauptsächlich- 
sten Thierhäuser  und  Neubauten  folgen, 
für  deren  Schilderung  wir,  was  die  Werke 
der  Bauperiode  des  Anfanges  der  siebziger  Jahre  an- 
belangt, die  ausführliche  Beschreibung  benutzen,  welche 
die  Architekten  Ende  & Böckmann  in  der  „Zeitschrift 
für  Bauwesen“  gegeben  haben,  während  für  die  Be- 
schreibung der  späteren  Bauten  unmittelbare  Mitthei- 
lungen der  Architekten  oder  Nachrichten  von  der  Ver- 
waltung des  Gartens  als  Unterlage  dienten. 

1.  Der  Bärenzwinger.  (Abbildg.  S.  röa.) 

Architekten : Ende  & Böckmann  in  Berlin. 

Der  Bärenzwinger  hat  im  Grundriss  eine  fächer- 
förmige Gestalt  erhalten,  welche  zumtheil  noch  ver- 
ändert wurde,  um  dem  Beschauer  eine  möglichst  grosse 
Schaufläche  darzubieten.  Da  die  Bären  dem  Tempe- 
raturwechsel leicht  widerstehen,  so  bedurfte  es  keiner 
besonderen  Winterräume,  wohl  aber  sind  Räume  ge- 
schaffen, um  der  Reinigung  wegen  einen  Wechsel  des 
Aufenthaltes  der  Thiere  herbeiführen  zu  können.  Die 
Architektur,  in  Ziegelfugenbau,  ist  schwer  gehalten, 
um  dem  Beschauer  das  Gefühl  der  Sicherheit  einzu- 
flössen.  „Ein  Löwe  oder  Tiger  wird  selten  seine 
Kräfte  gegen  die  ihn  umgebenden  Gitter  oder  Wände 
zur  Anwendung  bringen,  dagegen  unterlässt  der  Bär 
nie,  die  Festigkeit  seines  Gefängnisses  einer  fortwäh- 
renden Prüfung  zu  unterwerfen.“  Infolge  dessen  haben 
sich  auch  nur  massive  Scheidewände  und  stärkere 
Eisengitter,  als  sie  im  Raubthierhaus  zur  Anwendung 
gelangten,  als  sicher  erwiesen.  Der  etwa  0,7“  über 
Gelände  liegende  Boden  der  Käfige  wurde  als  Roll- 
schichtpflaster  in  Zement  erstellt.  Von  zwei  Seiten 
führt  eine  etwa  1,6“  breite  Treppe  zu  einer  hochge- 
legenen Plattform,  von  welcher  die  Besucher  des  Gartens 
die  Thiere  von  oben  beobachten  können.  Wie  bei  den 
meisten  Käfigen,  so  ist  auch  hier  den  Thieren  die 
Möglichkeit  geboten,  sich  den  Blicken  der  Beschauer 
entziehen  zu  können.  Der  Bau  wurde  in  den  Sommer- 
monaten des  Jahres  1870  mit  einem  Aufwande  von 
27  000  M.  für  rd.  370  bebauter  Fläche  erstellt.  — 

II.  Das  grosse  Raubthierhaus.  (Abbiidg.  S.  163) 
Architekten:  Ende  & Böckmann  in  Berlin. 

Die  Anziehungskraft  der  grossen  Raubthiere 
namentlich  während  der  Fütterung  hat  die  Anlage 
eines  Zuschauerraumes  von  grösseren  Abmessungen, 
von  58“  Länge  und  5,7'"  Breite,  zur  Folge  gehabt. 
Die  Hauptaxe  des  Hauses  ist  in  der  Richtung  Südost 
gewählt,  um  den  Thieren  reichliches  Sonnenlicht  zu- 

5.  April  1902. 


führen  zu  können.  Aus  diesen  beiden  Bedingungen 
ergab  sich  die  langgestreckte  Form  des  Hauses,  welche 
lediglich  aus  malerischen  Gründen  in  der  Queraxe 
einen  halbrunden  Ausbau  erhalten  hat,  der  die  für 
die  Einwirkungen  des  Sonnenlichtes  weniger  empfind- 
lichen Raubthiere  aufnimmt.  Für  die  hervorragend- 
sten Individuen  dieser  Raubthiergruppe  sind  sechs- 
eckige, pavillonartige  eiserne  Sommerkäfige  angelegt 
worden,  welche  den  Thieren  freie  Bewegung  und  dem 
Beschauer  freie  Beobachtung  gewähren.  Die  Winter- 
käfige haben  geölten  Bohlenbelag  mit  leichter  Neigung 
und  mit  einer  vor  dem  Käfig  hinziehenden  Rinne,  die 
Sommerkäfige  Pflaster  aus  harten  Ziegelsteinen  mit 
einer  darüber  gebreiteten  Sandschicht  erhalten.  Die 
Winter-  und  die  Somraerkäfige  sind  durch  hohe 
und  0,65“  breite  Fallthüren  mit  einander  verbunden, 
um  den  Thieren  einen  leichten  Wechsel  der  Aufent- 
haltsräume zu  ermöglichen.  In  ähnlicher  Weise  sind 
für  die  Zwecke  der  Reinigung  die  Sommerkäfige  unter 
sich  verbunden.  4 Wurfkäfige  haben  den  Zweck,  die 
Jungen  von  der  Mutter,  'deren  Fürsorge  oft  eine  Ge- 
fahr für  ihr  Leiben  bedeutet,  zu  trennen  und  sie  für 
die  ersten  Tage  nach  der  Geburt  den  Blicken  der  Be- 
sucher zu  entziehen.  Vor  den  Käfigen,  deren  Fuss- 
boden  rd.  über  dem  Fussboden  des  Zuschauer- 
raumes liegt,  zieht  ein  1,35*”  breiter  Wärtergang  hin, 
welcher  die  Besucher  zugleich  von  der  zu  nahen  Be- 
rührung mit  den  Käfigen  abhält.  Das  Innere  ist  in 
der  schlichtesten  Weise  mit  offenem  Dachstuhl  durch- 
gebildet, das  Aeussere  zeigt  Zicgelverblendung.  Das 
Haus  bedeckt  eine  Fläche  von  etwa  1500  und  kostete 
etwa  HO  000  M.  Es  wurde  in  den  Wintermonaten 
der  Jahre  1870/1871  errichtet.  — 

III.  Das  Antilopenhaus.  (Abbildungen  S.  152  und  153.) 

Architekten:  Ende  & Böckmann  in  Berlin. 

Das  Antilopenhaus  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass 
in  seine  Anlage  grundsätzlich  das  Pflanzeneleraent 
einbezogen  wurde,  um  mit  der  Vorführung  des  Thieres 
auch  eine  Andeutung  wenigstens  der  es  umgebenden 
heimischen  Landschaft  zu  bieten  und  den  Thieren 
Pflanzenluft  zu  verschaffen.  Zu  diesem  Zwecke  wurde 
das  Pflanzenbaus  in  der  Mitte  des  Hauses  angelegt  und 
die  21  Ställe  zentral  um  dasselbe  gruppirt,  um  die  Zu- 
führung der  Ptlanzenluft  zu  einer  möglichst  gleich- 
massigen  zu  machen.  Es  hat  sich  nun  aber  in  der 
praktischen  Verwerthung  dieser  Anordnung  gezeigt, 
dass  Palmengruppen,  welche  hier  in  erster  Linie  als 
Pflanzenschmuck  infrage  kamen,  wie  bereits  früher 
berührt,  unter  den  ammoniakalischen  Ausdünstungen 
nicht  gedeihen  wollten  und  dass  es  selbst  für  andere, 
weniger  empfindliche  Pflanzen  schwer  war,  sie  fortzu- 


^75 


bringen.  Es  musste  daher  auf  dieses  so  wirkungsvolle 
Mittel  zur  Einrahmung  der  Thiere  verzjchtetwerden.  Es 
wäre  noch  der  Ausweg  geblieben,  die  grossen  Bogen- 
öffnungen S.  153  zu  verglasen,  ein  Versuch,  der  nun- 
mehr unternommen  wurde,  obgleich  damit  nur  ein 
Theil  des  beabsichtigten  Zweckes  erreicht  wird.  Man 
darf  gespannt  sein,  wie  die  Pflanzen  nunmehr  sich 
erhalten. 

Die  Beleuchtung  ist  derart  gewählt,  dass  man  aus 
einem  im  Lichte  gedämpften  Vorraum  in  den  Umgang 
für  die  Besucher  kommt,  welcher  von  dem  zentralen 
Pflanzenhause  reichliches  Licht  erhält.  Die  Ställe,  die 
durch  Anlage  eines  rückwärtigenWärterganges  frei  in 
den  Raum  gebaut  erscheinen,  von  welchem  sie  nur 
durch  Eisengitter  getrennt  sind,  erhalten  unmittelbare 
Beleuchtung.  Der  hinter  den  Käfigen  angelegteWärter- 
gang  hat  den  doppelten  Zweck,  durch  die  notliwen- 


Die  Architekturtheile  sind  in  Ziegelfugenbau  mit 
sparsamen  Putzflächen  unter  Verwendung  von  Fayence- 
gemälden für  den  Haupteingang  gehalten.  Der  Stil 
schüesst  sich  in  freier  Weise  an  orientalische  Vor- 
bilder an  und  sucht  die  Heimathformen  der  beherberg- 
ten Thiere  wieder  zu  geben.  Das  Haus  selbst  be- 
deckt eine  Fläche  von  rd.  2000  q™;  mit  den  Sommer- 
ausläufen erreicht  diese  Fläche  4100  q™.  Die  Bau- 
kosten betrugen  rd.  180000  M.  Die  Bauzeit  be- 
schränkte sich  auf  den  Winter  1871/1872.  — 

IV.  Das  Elephantenhaus.  (Abbildgn.  S.  149  u.  155.) 

Architekten:  Ende  & Böckmann  in  Berlin. 

Das  Elephantenhaus  hat  seinen  Namen  nach  dem 
bedeutendsten  Vertreter  der  Familie  der  Dickhäuter  er- 
halten, obwohl  es  zum  vergleichenden  Studium  Indi- 
viduen dieser  ganzen  Familie  beherbergt.  Da  die  her- 


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digen  Verrichtungen  und  durch  die  Wartung  der 
Thiere  die  Besucher  nicht  zu  stören  und  die  Ställe 
von  den  der  Witterung  und  der  Temperatur  ausge- 
setzten Umfassungsmauern*  zu  isoliren.  Soll  das  Thier 
in  den  Auslauf  treten,  so  legt  sich  die  innere  der 
Doppelthüren  als  Brücke  über  den  vertieft  liegenden 
Wärtergang.  Die  Erwärmung  erfolgt  durch  eine 
Zentralheizung  auf  etwa  20*^0.  Der  Giraffenstall  hat 
einen  Bohlenbelag  und  darüber  eine  Sandschüttung 
erhalten.  Durch  die  Erwärmung  der  letzteren  wird 
den  Thieren  der  warme  Wüstensand  ersetzt. 


vorragendsten  Dickhäuter  in  Asien  ihre  Heiinath  haben, 
so  lag  es  nahe,  für  das  Haus  den  bis  dahin  bekanntesten 
asiatischen  Baustil,  den  vorderindischen,  zu  wählen. 
Das  Haus  selbst  bedeckt  eine  Fläche  von  rd.  1130^®, 
seine  Ausläufe  eine  solche  von  rd.  2000  q®.  Auch  bei 
dieser  Anlage,  die  sich  im  Grundriss  mit  grösster  Ein- 
fachheit entwickelt,  wurde  der  Grundsatz  befolgt,  den 
Zuschauerraum  mit  gedämpftem  Licht  in  einen  wir- 
kungsvollen Gegensatz  zu  bringen  zu  dem  vom  hellen 
Sonnenlicht  durchflutheten  Thierstall.  Die  Ställe  liegen 
rd.  0,5“  über  dem  Fussboden  der  Halle  für  die  Be- 


No.  28. 


176 


Kleines  Hirscbhaus.  Archilekten:  Kayscr  & v.  Groszheim  in  Berlin. 


5.  April  1902. 


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Sucher  und  unmittelbar  an  den  Umfassungsmauern  des 
Hauses,  Mit  den. .Ausläufen  sind  sie  durch  hölzerne 
Schiebethüren  verbunden.  Ein  Wärtergang  fällt  hier 
fort,  weil  die  grossen  Zwischenweiten  der  starken 
Stäbe  der  Trennungsgitter  dem  Wärter  ermöglichen, 
ohne  Benutzung  einer  Thüre  unmittelbar  von  einem 
Abtheil  in  das  andere  zu  gelangen.  Der  unge- 
heuren Kraft  des  Elephanten  gegenüber  haben  sich 
Eisenrundstäbe  von  8 Durchmesser  als  noch  nach- 
giebig gezeigt,  sodass  nichts  anderes  übrig  blieb, 
als  die  Stäbe  in  ihrer  ganzen  Höhe  mit  Stacheln  zu 
versehen,  vor  welchen  die  Thiere  zurückscheuen.  Die 
Elephanten-Fallthüren  sind  35  schwer  und  nur  mittels 
einer  Windevorrichtung  zu  öffnen,  falls  der  Wärter 
nicht  vorzieht,  das  Oeffnen  unter  seiner  Aufsicht  vonJ 


den  Elephanten  selbst  besorgen  zu,  lassen. , Die  Heizung 
ist  eine  Zentralheizung. 

Das  Aeussere  strebt  durch  grosse  und  kleine 
Kuppelaufbauten,  durch  Vor-  und  Rücklagen  nach 
malerischer  Gruppirung;  an  ihm  spielt  die  Farbe  eine 
reichliche  Rolle.  Hier  wurde  für  die  aus  der  Ziegel- 
forra  heraus  stilisirten  Thier-  und  anderen  Ornamente 
in  mosaikartigem  Eindruck  die  damals  neu  auftretende 
Silikatfarbe  der  Gesellschaft  Vieille  Montagne  ver- 
wendet, während  die  Gold-  und  Silberflächen  durch 
Aufkleben  von  vergoldetem  oder  versilbertem  Staniol 
erlangt  wurden.  Das  Haus  ist  im  Jahre  1873  errichtet 
worden  und  stand  inbezug  auf  seine  Baukosten  unter 
dem  Einfluss  der  baulichen  Hochkonjunktur  dieses 
Jahres.  Daraus  erklärt  sich  dieSumme  von  300000M,  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


Der  Wasserbau  in  den  deutsch-afrikanischen  Schutzgebieten. 

Von  Schwabe,  Geh.  Reg.-Ralh  a.  D. 


Hlle  Bemühungen  zur  Anlage  von  Eisenbahnen  in  den 
deutsch-afrikanischen  Schutzgebieten  sind  bisher  nur 
von  geringem  Erfolge  begleitet  gewesen.  Bei  der 
Abneigung  des  Reichstages  gegen  den  weiteren  Bau  von 
Kolonialbahnen  auf  Reichskosten'  und  bei  den  ausser- 
ordentlichen Schwierigkeiten,  deutsches  Privat-Kapital  zum 
Bahnbau  zu  gewinnen,  sowie  bei  den  nicht  minder  grossen 
Schwierigkeiten  und  Kosten,  mit  welchen  die  Anlage  von 
fahrbaren  Wegen  in  den  Tropen  verbunden  ist,  werden-' 
wir  daher  zunächst  auf  die  Benutzung  der  natürlichen 
Verkehrsstrassen,  der  Flüsse,  vorzugsweise  Bedacht  neh- 
müssen.  Leider  ist  unsere  Kenntniss  der  Häfen,  so- 
wie der  schiffbaren  Flüsse  und  des  Grades  ihrer  Schiff- 
barkeit noch  sehr  gering  und  mangelhaft,  wie  dies  auch 
nicht  anders  sein  kann,  da  wir  die  afrikanischen  Schutz- 
gebiete erst  seit  dem  Jahre  1884  besitzen,  ihr  gesamrater 
Flächenraum  von  2407400^01  den  des  Deutschen  Reiches  . 
von  540484 A«  um  mehr  als  das  4fache  überlrifft,  und 
daher  grosse  Landstriche  vorhanden  sind,  die  noch  nie 
der  Fuss  eines  Weissen  betreten  hat.  So  mangelhaft  in- 
dessen auch  unsere  Kenntnisse  darüber  sein  mögen,  so 
macht  sich  "doch’  in  zahlr'eicheri'wirthschaftiichen  Fragen, 
wie  bei  der  Anlage  von  Bahnen,  Plantagen  usw.  das  ße- 
dürfniss  geltend,  über  die  Landungs Verhältnisse  und  die 
Schiffbarkeit  der  Flüsse  unterrichtet  zu  sein.  Aus  diesem 
Grunde  habe  ich  Veranlassung  genommen,  das  darüber 
vorhandene  Material  übersichtlich  zusammenzustellen  und 
unter  der  Bezeichnung  „Die  Schiffahrtsverhältnisse 
der  deutsch-afrikanischen  Schutzgebiete“  in  der 
„Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt“  zu  veröffentlichen,  in  der 
Hoffnung,  dass  dadurch  nicht  nur  die  Kenntniss  unserer 
afrikanischen  Kolonien  erleichtert  werden,  sondern,  dass 
diese  Arbeit  auch  zur  Berichtigung  und  Vervollständigung 
derselben  anregen  möchte  und  somit  nach  und  nach  eine 
wissenschaftliche  Grundlage  dafür  gewonnen  wird. 

Inbezug  auf  den  Charakter  der  Flüsse  im  allgemeinen 
ist  zu  bemerken,  dass  bei  der  meist  schon  in  geringer 
Entfernung  von  der  Küste  beginnenden  Bodenerhebung 
und  der  dann  in  mehreren  hohen  Terrassen  ansteigenden 
Gestaltung  des  Landes  die  Schiffbarkeit  der  Flüsse  am 
Fusse  jeder  Terrasse  durch  Schnellen  unterbrochen  wird 
und  daher  vielfach  schon  in  geringer  Entfernung  vom 
Meere  aufhört.  Ausserdem  ist  die  Schiffbarkeit  der  Flüsse 
durch  den  grossen  Wasserwechsel  zwischen  dem  Niedrig- 
wasser und  dem  während  der  Regenzeiten  eintretenden 
Hochwasser  starken  Schwankungen  unterworfen  und  viel- 
fach überhaupt  nur  während  der  Regenzeiten  ausnutzbar. 

Die  in  unseren  Schutzgebieten  ausgeführten  Wasser- 
bauten haben  sich  bisher  ausschliesslich  auf  Anlagen  zum 
Schutz  und  zur  Erleichterung  der  Schiffahrt  an  der  Küste 
beschränkt.  Es  sind  hergestellt  worden;  i.  Sudwest- 
Afrika:  eine  Plafenanlage  bei  S wakopmund.  2.  Togo; 
eine  Landungsbr’ücke  bei  Lome.  3.  Kamerun:  eine 
Landungsbrücke  bei  Kamerun,  jetzt  Duala.  Zur  Aus- 
besserung der  Schiffe  von  der  an  dieser  Küste  üblichen 
Grösse  sind  ein  i Slip  und  eine  Werkstätte  vorhanden. 
4.  Ostafrika;  Landungsbrücken  bei  Tanga  und  bei 
Dar-es-Saläm.  ; 

Von  diesen  Bauten  ist  die  Hafenanlage  bei  Swakop- 
mund,  zuerst  auf;  1200  Ö00M.,  demnächst  auf  2 000  000  M. 
veranschlagt,  unter  Leitung  des  Reg.-Brastrs.  Ortloff, 
welcher  sich  seit  Dezember  1898  an  Ort  und  Stelle  be- 
findet, in  der  Ausführung  bereits  so  weit  vorgeschritten, 
dass  die  Vollendung  in  diesem  Jahre  zu  erwarten  ist.  In 
Lome,  weiches  infolge  der  starken  Brandung  sehr  un- 
günstige Landungsverhältnisse-hat,  wird  die  vom  Sturm., 
fortgerissene  hölzerne  Landungsbrücke  nunmehr  durch 

178 


eine  Eisenkonstruktion  zu  dem  veranschlagten  Kostenbe- 
träge von  800000  M,  ersetzt.  Die  Landungsbrücke  in 
Tanga  ist  umgebaut  und  erweitert  worden.  In  Dar-es- 
Saläm  ist  die  zu  600000  M.  veranschlagte  Anlage  eines 
Schwimmdocks  für  Fahrzeuge  von  1 800  ^ Tragfähigkeit  zwar 
bereits  erfolgt,  aber  noch  nicht  betriebsfähig,  da  das  Dock 
gesunken  war  und  erst  wieder  gehoben  werden  musste; 
die  Anlage  einer  befestigten  Kohlenstation  ist  in  Aussicht 
genommen.  Im  Hafen  von  Tanga  ist  im  Anschluss  an  die 
Bahnanlagen  der  Bau  eines  eisernen  Piers  bereits  in  An- 
griff genommen  und  soweit  gefördert,  dass  die  Fertig- 
stellung nahe  bevorsteht. 

Was  den  Ausbau  des  Hafens  von  Dar-es-Saläm  be- 
trifft, so  sind  zwei  Sachverständige,  die  Reg.-ßfhr.  Böcke- 
mann und  Brandes  von  der  kaiserl.  Werft  in  Kiel,  an 
Ort  und  Stelle  thätig,  um  nach  sorgfältigen  Aufnahmen 
. der  Wasser-  und  Uferverhältnisse  die  Unterlagen  zu  liefern, 
aufgrund  deren  ein  allen  Erfordernissen  Rechnung  tragen- 
der, einheitlicher  Bauentwurf  für  die  Ausgestaltung  des 
Hafens  ausgearbeitet  werden  kann.  Insbesondere  wird 
angestrebt,  durch  den  Bau  von  Kai-  und  Pieranlagen,  so- 
wie zweckmässigen  Einrichtungen  für  Kohlen-  und  Wasser- 
einnahme, den  an  einen  brauchbaren  Seehafen  zu  stellen- 
den Anforderungen  zu  genügen. 

Was  dagegen  die  Regulirung  der  in  Togo,  Kamerun 
und  Ost-Afrika  vorhandenen  Flüsse  zum  Zwecke  ihrer 
Schiffbarkeit  betrifft  (Südwest-Afrika  hat  keine  schiffbaren 
Flüsse),  so  haben  darüber  bisher  amtliche  Ermittelungen 
irgend  welcher  Art  nicht  stattgefunden,  auch  haben  die 
zahlreichen  Forscher  in  ihren  Reise-Beschreibungen  dieser 
wichtigen  Frage  eine  iiurgeringeAufmerksamkeitgesctienkt. 
Unsere  Kenntniss  über  die  Schiffbarkeit  der  Flüsse  ist 
daher  eine  sehr  oberflächliche  und  lückenhafte,  was,  um 
nur  ein  Beispiel  anzuführen , daraus  hervorgeht,  dass  die 
bisherige  Annahme,  der  für  die  wirthschaftliche  Er- 
schliessung von  Nordwest-Kamerun  wichtige  Cross-Fluss 
. sei  nur  von  der  Mündung  bis  zu  den  Schnellen  bei  Nssakpe 
' schiffbar,  dadurch  widerlegt  worden  ist,  dass  in  neuester 
Zeit  eine  englische  Kriegsschaluppe  die  Schnellen  passirt 
und  oberhalb  derselben  zum  Zeichen  ihrer  Anwesenheit 
Schiessübungen  abgehalten  hat.  Es  wird  daher  zunächst 
nothwendig  sein,  in  den  Etat  der  drei  Schutzgebie.te  Togo, 
Kamerun  und  Ost-Afrika  die  Mittel  einzustelien,  um  den 
Zustand  der  Ströme  inbezug  auf  ihre  Schiffbarkeit  durch 
je  einen  Wasserbau-Techniker  zu  untersuchen  und  Vor- 
schläge zu  ihrer  Regulirung  zu  machen. 

Dass  die  dafür  aufgewendeten  Mittel  nicht  vergebens 
sein,  sondern  im  Gegentheil' reiche  Früchte  tragen  würden, 
kann  daraus  geschlossen  werden,  dass  es  durch  die  bis 
auf  eine  kleine  Strecke  erfolgte  Beseitigung  des  Sedd,  der 
den  Oberlauf  des  Nil  viele  Jahre  hindurch  verstopft  hatte, 
nunmehr  gelungen  ist,  die  Fahrstrasse  des  Nil  bis  in  den 
Kongostaat  hinein  benutzbar  zu  machen.  Infolgedessen 
hat  bereits  der  Gouverneur  des  Sudan  mit  der  „Egyptian 
and  Soudane  Development  Company“  einen  Vertrag  ge- 
schlossen, für  eine  Zeit  von  10  Jafiren  einen  Personen- 
Dampferverkehr  zwischen  Kartum  und  verschiedenen 
Plätzen  am  oberen  Nil  bis  Lago  hinauf  zu  unterhalten. 

Wird  es  auch  nicht  immer  gelingen,  mit  so  geringen 
Mitteln  einen  so  grossen  Erfolg  zu  erzielen,  so  lehrt  doch 
u.'-a.  auch  der  Hinweis  eines  Forschers,  der  den  Mungo 
(Kamerun)  wiederholt  befahren  hat,  dass  schon  durch  Be- 
seitigung der  Aeste  der  im  Flussbett  liegenden  Baumstämme 
die  Schiffahrt  von  Mund  am  e bis  zur  Mündung  wesentlich 
verbessert  werden  könne,  dass  es  unter  Umständen  nur 
einfacher  MitteLund  geringer  Kosten  bedarf,  um  die  Schiff- 
fahrt zu  verbessern. 


No.  28. 


Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  in  dieser  Beziehung 
auch  die  Erfahrungen,  die  der  berühmte  amerikanische 
Kundschafter  Major  Burnham  nach  halbjährigem  Gold- 
suchen in  den  Sümpfen  und  Wäldern  der  Goldküste  in- 
bezug  auf  die  Schiffahrt  des  die  Grenze  von  Togo  bilden- 
den Voltaflusses  gemacht  hat.  Burnham  sagt:  „Der  Volta 
wird  von  beständigen  Ufern  begrenzt  und  ist  frei  von 
Sandbarren;  zwei  Meilen  Eisenbahn  um  eine  Stromschnelle 
werden  ihn  auf  500  Meilen  von  der  See  schiffbar  machen. 
Ich  hoffe,  bald  eine  Flotte  Flusschiffe,  Heckraddampfer, 


wie  auf  dem  Nil,  bei  der  Arbeit  zu  sehen,  zusammen  mit 
leichten  Eisenbahnen,  die  von  den  verschiedenen  Berg- 
werken an  die  Ufer  des  Volta  das  Erz  zur  Weiterbe- 
förderung zum  Dampfer  bringen.“ 

Ich  schliesse  mit  dem  Wunsche,  dass  diese  Mittheilun- 
gen den  Erfolg  haben  mögen,  den  deutschen  Wasser- 
Bautechnikern  ein  neues,  wenn  auch  sehr  schwieriges,  so 
doch  hoch  interessantes  Feld  der  Thätigkeit  zu  eröffnen 
und  dadurch  die  wirthschaftliche  Erschliessung  unserer 
Schutzgebiete  wesentlich  zu  fördern.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Vereln  zu  Hamburg.  Vers,  am  24.  Jan. 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  14t  Pers. 

Es  erhielt  das  Wort  Hr.  Vermehren  über  „Den 
neuen  Stadt-  und  Vorortbahn-Entwurf“,  den  der 
Senat  am  24.  Dez.  1901  der  Bürgerschaft  zur  Beschluss- 
fassung vorgelegt  hat. 

Die  Bahn  war  zuerst  i.  J.  1893  von  Ob.-Ing.  F.  Andr. 
Meyer  als  Vollbahn  im  Anschluss  an  die  Hamburg- Alton  aer 
Verbindungsbahn  geplant.  Angeregt  durch  einen  Entwurf 
von  Siemens  & Halske  und  der  Allg.  Elektricitäts-Ges., 
dessen  Urheber  die  Ing.  Gleim  und  A ve-Lalleman,t 
waren,  entschlossen  sich-  die  Hamburgischen  Behörden, 
statt  einer  Vollbahn  ein  selbständiges  Hamburgisches  Klein- 
bahnnetz  in  der  Art  der  Berliner  Hoch-  und  Untergrund- 
bahn vorzusehen,  über  dessen  Linienführung  jahrelange 
Verhandlungen  stattgefunden  haben.  Der  gegenwärtige 
Entwurf  von  Siemens  & Halske,  der  Alig.  Elektricitäts- 
Ges.  und  der  Strassen-Eisenbahn-Ges,  zu  Hamburg  ist  aus 
den  früheren  Entwürfen  entstanden  durch  Einbeziehung 
eines  Entwurfes  der  letztgenannten  Gesellschaft,  der  einen 
grossen  Strassendurchbruch  vom  Rathhausmarkt  nach  dem 
Steinthor  und  dem  neuen  Hauptbahnhof  enthielt  und  da- 
durch eine  fast  geradlinige  Durchquerung  der  inneren 
Stadt  ermöglichte.  Die  Bahn  wird  als  Hochbahn  von  den 
Landungsbrücken  in  St.  Pauli  längs  der  Elbe  bis  zum 
Baumwall  und  über  den  Rödingsmarkt  nach  dem  Mönke- 
damm  führen.  Hier  ist  eine  Rampe  mit  einer  Neigung 
von  1 : 20,7  vorgesehen,  mit  welcher  die  Bahn  zur  Unter- 
grundbahn übergeht.  Die  Börse  wird  nach  Südosten  frei- 
gelegt und  erweitert.  Der  Neubau  wird  in  Höhe  der  Keller- 
sohle von  der  Bahn  durchfahren.  Der  Tunnel  folgt  der  Gr. 
Johannisstrasse  bis  zum  Rathhausmarkt,  biegt  in  den  er- 
wähnten Strassendurchbruch  nach  dem  Steinthor  ein,  unter- 
fährt den  Hauptbahnhof  und  folgt  der  Grossen  Allee  bis 
zum  Berliner  Thor.  Dann  schwenkt  die  Bahn  nach  der 
Lübeckerstrasse  hinüber  und  erhebt  sich,  indem  sie  sich 
dem  Eilbeckkanal  nähert,  auf  bequemer  Rampe  zur  Hoch- 
bahn, überschreitet  den  Eilbeckkanal  und  durchzieht  den 
Vorort  Barmbeck  als  Hochbahn.  An  der  Pestalozzistrasse 
in  Barmbeck  biegt  die  Bahn  nach  Westen  um,  durchfährt 
Winterhude  und  Eppendorf  und  wendet  sich  südwärts 
über  die  Schlankreye  nach  der  Sternschanze.  Hier  tritt 
die  Bahn  wieder  in  den  Tunnel  ein,  unterfährt  den  künfti- 
gen Bahnhof  Schanzenstrasse  und  führt  durch  den  Schlacht- 
und  Viehhof  und  unter  dem  Heiligengeistfeld  nach  dem 
Millernthor.  Sich  durch  den  Elbpark  im  Tunnel  hindurch- 
windend, erreicht  die  Bahn  ihren  Ausgangspunkt  an  der 
Elbhöhe  unterhalb  der  Seewarte.  Eine.  Anschlussbahn 
einfachster  Bauart  führt  von  Eppendorf  nach  Ohlsdorf. 
Haltestellen  werden  in  durchschnittlich  800“  Entfernung 
an  allen  Hauptverkehrspunkten,  insbesondere  am  Rath-, 
hausmarkt  und  am  Steinthor  errichtet.  Letztere  Haltestelle 
erhält  eine  unmittelbare  unterirdische  Verbindung  mit  dem 
Hauptbahnhof.  Der  grössere  Theil  der  insgesammt  22,7  km 
langen  Bahn  ist  einfacher  Erdbau,  der  Rest  besteht  aus 
Viadukten  (4,5  km)  und  Untergrundstrecken  (5  km). 

Der  für  den  Betrieb  erforderliche  elektrische  Strom 
wird  in  einem  besonders  zu  erbauenden  Kraftwerk  erzeugt. 
Die  Abmessungen  der  Bahn  sind  wenig  grösser,  als  die- 
jenigen der  Berliner  Ploch-  und  Untergrundbahn,  die  im 
übrigen  als  Muster  genommen  wird.  An  der  sich  dem  Vor- 
trage anschliessenden  Besprechung  betheiligten  sich  die 
Hrn.  Gleim,  Röhl,  Schimpff  und  Stein.  — St. 

Vers,  am  31.  Jan.  1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann, 
anwes.  34  Pers.,  aufgen.  die  Hrn.:  Brandmstr.  Krüger 
und  Fischer,  sowie  Arch.  Ernst  Rentsch  und  Ernst  Walter. 

Der  Vorsitzende  theilt  mit,  dass  Hr.  Dr.  Albrecht  be- 
absichtige, einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Fassaden- 
Entwürfen  für  ein  von  ihm  zu  erbauendes  Geschäftshaus 
am  Alsterdamm  unter  den  Vereinsmitgüedern  zu  veran- 
stalten. Hr.  Ohrt  erstattet  Bericht  über  die  Thätigkeit 
des  Geselligkeits-Ausschusses  im  abgelaufenen  Jahre  Hier- 
auf verliest  Hr.  Himmelheber  den  von  Hrn.  Kohf ahl 
verfassten  Jahresbericht  des  Bibliothek- Ausschusses  und 
Hr.  Groothoff  erstattet  den  Kassenbericht. 

5.  April  1902. 


Weiterhin  berichtet  Hr.  Hagn  über  eine  Druckschrift 
des  Hrn.  Brth.  Unger  in  Hannover  betr.  „Die  Gebühren 
der  Architekten  und  Ingenieure  in  deren  Thätigkeit  als 
gerichtliche  Sachverständige“.  Der  Berichterstatter  erörtert 
eingehend  die  für  die  Beschlussfassung  des  Vereins  inbe- 
tracht kommenden  Gesichtspunkte  und  gesetzlichen  Be- 
stimmungen, unter  denen  namentlich  auch  der  § 413  der 
C.  P.  O.  Und  der  § 84  der  Str.  P.  O.,  auf  deren  Anwend- 
barkeit Ilr.  Unger  in  seinen  Erläuterungen  aufmerksam 
gemacht  hat,  genannt  werden.  Der  Berichterstatter  theilt 
ferner  seine  eigenen  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  mit 
und  beantragt:  i,  die  Frage  ad  I durch  das  dem  Hannover- 
schen Verein  diesseits  eingesandte  Material  für  erledigt  zu 
erklären;  2.  die  Fragen  ad  II  und  III  mit  Ja;  3.  die  Frage 
ad  IV  a mit  Nein , diejenige  ad  IV  b dagegen  mit  Ja  und 
endlich  4.  die  Frage  ad  V mit  Ja  zu  beantworten.  Die 
Versammlung  beschliesst  dem  Anträge  gemäss. 

Endlich  macht  Hr.  Martens  einige  Mittheilungen  über 
Einrichtungen  für  elektrische  Licht-,  sowie  für  Dampf- 
bäder, die  sich  bezüglich  des  Preises  und  der  gedrängten 
Anordnung  vortheilhaft  von  denjenigen  unterscheiden 
sollen,  welche  er  vor  kurzem  bei  Gelegenheit  der  Be- 
sichtigung des  Gramko’schen  Institutes  gesehen  habe. 
Während  für  die  dort  benutzten  Lichtbade-Einrichtungen 
ein  Preis  von  800  M.  angegeben  worden  sei,  könne  man 
solche  Apparate  bei  einer  hiesigen  Firma  bereits  zum 
Preise  von  350  M.  haben.  Auch  für  den  Bezug  äusserst 
billiger  Einrichtungen  für  amerikanische  Dampfbäder  em- 
pfiehlt Redner  eine  hiesige  Firma,  wo  solche  zum  Preise 
von  25  M.  zu  haben  seien.  Endlich  macht  Redner  noch 
auf  die  von  der  Firma  Knackstädt  und  Näther  herausge- 
gebene Sammlung  von  Photographien  Hamburger  An- 
sichten aufmerksam,  deren  Anschaffung  er  Liebhabern 
empfiehlt.  — tt 


Vermischtes. 

Ahornfussböden.  Der  Fussboden  aus  dem  Holz  des. 
amerikanischen  Zuckerahornbaumes  (acer  saccha- 
riniim  wangenh.),  über  den  wir  bereits  vor  einigen  Jahren 
(siehe  Jahrgang  1896,  Seite  183)  berichtet  haben,  recht- 
fertigt mehr  und  mehr  die  schon  s.  Z.  gleich  anfangs  auf 
ihn  gesetzten  Erwartungen.  Das  völlig  ausgetrocknet 
und  durchaus  astrein  hier  eintreffende  Atiornholz  besitzt 
fast  gar  keine  Poren  und  kann  sich  weder  ziehen,  noch 
schwinden  oder  reissen.  Die  Prüfungsergebnisse  der 
kgl.  Versuchsanstalt  in  Charlottenburg  haben  dargethan, 
dass  das  Ahornholz  alle  anderen  Plolzarten,  sogar  auch 
das  Eichenholz,  an  Widerstandsfähigkeit  bei  Weitem  über- 
trifft und  auch  bei  feuchter  Behandlung  nicht  wie  letz- 


teres schwarz  wird.  Alle  Bretter  sind  83  breit  und 
können  in  Riemen  von  1,2  “ bis  4,9  “ Länge  geliefert 
werden.  Sie  sind  stets  beiderseits  gehobelt  und  an  allen 
4 Seiten  gespundet,  sodass  es  nicht  darauf  ankommt,  dass 
die  Enden  der  mit  wechselnden  Stössen  zu  verlegenden 
Bretter  gerade  jedesmal  auf  einen  Balken  treffen.  In- 
folgedessen i't  die  Nagelung  durchweg  eine  verdeckte, 
und  die  Riemen  lassen  sich  sowohl  unmittelbar  auf  die 
Balken,  wie  auf  Blindboden  bezw.  auf  abgängia  gewordenen 
alten  Fussboden  verlegen.  Im  letzteren  Falle  bedient 
man  sich  statt  der  22  starken  Riemen  solcher  von  9, 
12  oder  16  min  Stärke.  Für  massive  Decken  hat  es  sich 
andererseits  auch  sehr  bewährt,  anstelle  der  ehedem  in 
Asphalt  verlegten  Eichenholzriemen  innerhalb  flacher 
Nuten  der  Betondecken,  wie  unsere  Abbildung  zeigt, 
Lattenlager  in  Asphalt  zu  verlegen  und  auf  diesen  den 
Ahornfussboden  zu  vernageln.  Die  Gehlläche  gestaltet 
sich  hierdurch  bei  weitem  elastischer  und  angenehmer. 


179 


In  Hamburg  sind  Ahornfussböden  bereits  seit  . 1894 
besonders  bei  Staatsbauten  vielfach  angewendet,  In  Berlin 
sind  u.,a.  in  der  Fabrik  von  Ludwig  Loewe  &•  Co.  grosse 
Speicherböden  damit  belegt,  wobei  sich  der  Ahornboden 
für  das  Transportiren  von  schweren  Maschinentheilen 
vorzüglich  bewährt  hat.  Der  Preis  stellt  sich  in  Hamburg 
auf  3,50  M.  für  das  qm  für  die  22  mm  starken  Riemen,  für.  die 
schwächeren:  entsprechend  billiger.  Bei  allen  Fabrik- und 
Speicherräumen,  wo  die:Böden  nur  gefegt  werden,  oder 
bei  Wohnräumen,  wo  dieselben  stets  gescheuert  werden, 
lässt  man  sie  ganz  ohne  Anstrich  einfach  in  der  natür- 
lichen weissen  Farbe  des  Holzes  stehen.  Wo  sie  viel- 
facher .oder  dauernder  Nässe  ausgesetzt  sind,  können  sie 
mit  2/g  Terpentin  und  V3  Leinöl  geölt  werden.  In  bes- 
seren Räumen  mit  geringer  Benutzung  wird  der  Boden 
ohne  vorheriges  Oelen  lackirt  und  bildet  dann  eine  tadel- 
los gleichmässige,  fugenlose  nahezu  weisse  Fläche,  die  sich 
in  allen  Fällen  billiger  :Und  haltbarer  stellt  als  jeder,  andere 
Stabfussboden.  Den  Vertrieb  für  Deutschland  besorgt  die 
Firma  Koefoed  & Isaakson  in  Hamburg.  — Fw. 

Im  grossherzogl.  hessischen  Finanzministerium  ist  die 
Stelle  eines  technischen  Vortragenden  Rathes  neu  ge- 
schaffen, dessen  Thätigkeit  vorwiegend  auf  dem  Gebiete 
der  Wasserversorgung  und  Abwässer-Beseitigung  liegen 
wird  (der  also  einen  Theil  der  Funktionen  auszuüben  hat;,  die 
in  Preusseii  der  neu  errichteten  Versuchs-  und  Prüfungs- 
anstalt für  Wasserversorgung  und  Abwässer -Reinigung 
zugetheilt  sind).  Zu  dieser  Stelle  ist  der  auf  diesem  Ge- 
biete schon  länger  erfolgreich  thätige  Zivil-Ing.  Reg.-Bmstr. 
Rudolf  Schmick  aus  Frankfurt  a.  M.  mit  dem  Titel  Ober- 
Baurath  berufen  worden.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Künstler. , Die  theologische  Fakul- 
tät. der  kgl.  Universität  zu  Berlin  hat  den  Architekten, 
Wirkl.  Geh,  Ob.-Brth.  Friedrich  Adler  in  Berlin,. Professor 
an  der  Technischen  Hochschule  z.u  Charlottenburg  und 
Mitglied  der  kgl.  Akademien  der  Künste  und  für  Bau- 
wesen in  Berlin,  zum  Ehrendoktor  ernannt,  weil  er 
durch  Errichtung . und  Wiederherstellung  von  Kirchen- 
bauten dem  Vaterlande  neuen  Glanz  verliehen,  sowie  die 
Geschichte  und  die  Denkmäler  der  Baukunst  in  Bild  und 
Wort  gelehrt  und  klar  und  gehaltreich, dargesteUt  habe.  — 


P.reisbewerbungen. 

Der  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Stiftsgeb.äude 
nebst  Küchen-  und  Gärtnerhaus  der  Elly  Hölterhoff-Böcking- 
Stiftung  ln  Honnef  bietet  an 'sich  eine  nicht  uninteressante 
Aufgabe  dar,  ist  aber  in  einigen  Punkten  zu  beanstanden. 
Zunächst  erscheint  das  Arbeitsmaass,  namentlich  die  For- 
derung der  geometrischen  Zeichnungen  1:100,  grösser, 
als  es  üblich  und  zur  Beurtheilung  der  Entwürfe  nöthig 
ist.  • Die  dem  Baufache  angehörigen  Mitglieder  des  Preis- 
gerichtes bilden  ferner  . nicht  die  Mehrzahl,  ihre  Zahl  ist 
nur  gleich  der  der  übrigen  Mitglieder  des  Preisgerichtes. 
Hinsichtlich  der  Ausführung  ist  vollständig  freie  Hand  Vor- 
behalten. Die  Preise  können  auch  in  anderen  Abmessun- 
gen vertheilt  werden. 

Es  handelt  sich  um  die  mit  einer  Summe  von  300000 
bis  350000  M.  zu  errichtende  Baugruppe  eines  Stiftshauses 
für  12  Damen,  die  sich  mit  der  Unterrichtung  junger 
Mädchen  in  der  Haushaltung  befassen,  In  einem  Neben- 
hause sind  Küche,  Schulzimmer  usw.,  in  einem  weiteren 
Nebenhause  der- Gärtner  und  die  seiner  Verwaltung  unter- 
stehenden Stallungen  unterzubringen.  Der  Baustil  ist 
freigestellt;  hinsichtlich  des  Materiales  ist  bestimmt,  dass 
Fachwerksbau  ausgeschlossen  sein  soll  und  die  Gebäude 
in  Haustein  mit  Putz,  oder  mit  Backstein-  oder  Tuffstein- 
Verkleidung  entworfen,  wer  den  sollen.  Sollte.es  gelingen, 
das  Preisausschreiben  etwas  mehr  den  bisher  bewährten 
Grundsätzen  anzupassen,  so  würden  wir  die  Theilnahme 
an  ihm  wohl  empfehlen  können.  — 

Einen  Wettbewerb,  betr.  Entwürfe  zu  einer  Bronze- 
plakette, Grösse  16 : ii  bis  i6:  2ocm  erlässt  das  Oester- 
reichiche  Museum  für  Kunst  und  Industrie  in  Wien  für 
Künstler  österreichischer  Staatsangehörigkeit  oder  solche, 
die  in  einem  der  im  Reichsrathe  vertretenen  Königreiche 
und  Länder. ansässig  sind.  Es.  gelangen  3 Preise  von  2500, 
1500,  und  800  Kr.  zur  Vertheilung;  dem  zur  Ausführung 
gewählten  Entwurf  wird  ein. besonderer  Preis  von  500. Kr. 
zuerkannt. . — • 

Chronik. 

Die  Errichtung  eines  neuen,  Stadttheaters  in  Freiburg 
i.  Br.  nach  .den  Entwürfen  des  Hrn.  Ärch.  Heinr.  Seeling  in  Berlin 
ist  nunmehr  von  den  Stadtverordneten  einstimmig  beschlossen  vi?orden. 

Ein  Gesetz  betr.  die  Erhaltung- der. Kunstalterthümer.  ist 
•von  dem  Berner  Volk,  angenommen  worden.  Sämmüiche  beweg- 
lichen Kunistgegenstände  des,  Staates,  der  Gemeinden'  und  .öffentlich- 
, rechtlichen  Körperschaften,  die  als, geschichtliche  ..Denkmäler  oder 


kulturgeschichtliche  Alterthümer  einen  Werth  haben,  werden  in  ein 
durch  die  Regierung  zu  führendes  Inventar  aufgenommen  und  dürfen, 
ohne  Bewilligung  dieser  Behörde  nicht  veräussert  werden.  Das 
Gesetz  bezweckt  hauptsächlich,  den  Verkauf  von  Alterthümern 
nach  dem  Auslande  zu  verhindern.  — 

Der  Bau  einer  .Thalsperre  bei  Nordhausen  mit  einem  Auf- 
w.ande  von  öooooo.M,  ist  von  den  dortigen  Stadtverordneten  be- 
schlossen worden  — 

Ein  neues  Opernhaus  für  . St.  Petersburg  für  2300  Per- 
sonen und  mit  einem  Aufwande  von  1900000  Rbl.  soll  errichtet 
werden.  Ob  es  sich  dabei  um  den  mehrfach  erörterten  Entwurf 
des  verstorbenen  Arch.  Prof.  V.  Schröter  (s.  igoi,  No.  38)  han- 
delt, ist  aus  unserer  Quelle  nicht  ersichtlich.  — 

Ein  Stadt.  Elektrizitätswerk  in  Fürth  soll  nach  den  Ent- 
würfen des  Hrn.  Brth.  Uppenborn  in  München  mit  einem  Auf- 
wande von  420000  M.  erbaut  werden.  — 

Die  künstlerische  Umgestaltung  des  Palais  des  Gross- 
fursten  Sergius'  in'  St.  Petersburg  ist  dem  Architekten  Prof. 
J.  M.  Olbrich  in  Darmstadt  übertragen  worden.  — 

Ein  neues  Polizeigebäude  in  Augsburg,  welches  mit  einem 
Kostenaufwande  von  rd. . i Mül.  M.  nach  dem-  Entwurf  des  Hrn. 
Stdtbrth.  Steinhä.u.sser  .und  unter  Mitwirkung  des  Hrn.  Prof. 
Friedr.  v.  Thiersch  in  München  errichtet  wurde,  ist  seiner  Bestim- 
mung übergeben  worden.  Das  an  der  Maximilianstrasse  errichtete 
Gebäude  schliesst  sich  sowohl  im  Aeusseren  wie  insbesondere 
in  seiner  malerischen  Hofanlage  der  Architektur  Augsburgs  an.  — 
Das  neue  eidgenössische  Parlaments-Gebäude  in  Bern 
(Arch.  Prof.  Hans  Auer  in  Bern),  ist  am  i.  April  d.  J.  feierlich 
eingeweiht  worden.  Aus  diesem  Anlass  wurde  sein  Schöpfer  zum 
Ehrenbürger  von  Bern  ernannt.  — 

Herstellung  kleiner  'Wohnungen  in  Berlin.  Die  Stadtge- 
meinde Berlin  gewährte  der  Aktien-Gesellschaft  „Verein  zur  Ver- 
besserung der  kleinen  Wohnungen  in  Berlin“  .ein  mit  3^2%  zu  ver- 
zinsendes Darlehen  von  500000  M.  mit  der  Verpflichtung,  kleine 
Wohnungen  mit  einem  Miethwerthe  herzustellen,  welcher  nur  der 
Verzinsung  und  Amortisation  des  für  die  Herstellung  aufgewendeten 
Kapitals,  der  Kosten  für  Instandhaltung  und  Verwaltung  entspricht.  — 
Der  Durchschlag  des  Albula  - Tunnels  ist  im,  Mai,  des 
Jahres  zu  erwarten.  Der  5,8  km  lange  Tunnel  ist  zur  Durchführung 
einer  Schmalspurbahn  nach  dem  Engadin  bestimmt.  Man  wird  dann 
in  3 Stunden  von  Chur,  in  6 Stunden  von.  Zürich  nach  dem  Engadin 
gelangen  können.  Die  Fertigstellung  der  Bahnlinie  ist  für  1903  in 
Aussicht  genommen.  — 

Die  Errichtung  eines  neuen  Krankenhauses  der  Stadt 
Charlottenburg  am  Spandauer  Berg-  erfolgt  nach  den  Entwürfen 
der  Architekten  Schmieden  & ,Boethke  in  Berlin  mit  einer 
Bausumme  von  rd.  3025000  M,  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Reg.-Bmstr.  Hagen  ist  z.  Mar.-Garn.- 
Bauinsp.  in  Kiel  ernannt. 

Baden.  Zugetheilt  sind  die  Ing. -Praktik. ; Spiess  der  Wasser- 
u.  Strassen-Bauinsp.  Donaueschingcn,  Nesselhauf  derj.  in  Bonn- 
dorf, Walther  dem  bautechn.  Bür.  der  Ob. -Dir.  des  Wassei'-  u. 
Strassenbaues,  Hopp  der  Kultur-Insp.  Heidelberg,  Schüler 
derj.  in  Konstanz  und  Menningen  derj.  in  Waldshut. 

Preussen.  Dem  Landbauinsp.  Fülle  s in  Wittlich  ist  der 
Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  verliehen.  — 

Der  Reg-Bmstr.  Dethlefsen  in  Königsberg  i.  Pr.  ist  zum 
Prov. -Konservator  der  Prov.  Ostpreussen  bestellt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Paul  Ramme  aus  Rendsburg,  Paul  Zipler 
aus  Berlin  (Eisenbfch.),  — Heinr.  Pontani  aus  Eschwege,  Alb. 
Proske  aus  Namslau  (Masch.-Bfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Ad.  Jörgensin  Oberhauseo,  Matth.  Wein- 
garten in  Köln,  Fel.  Klöpel  in  Berlin  und  Herrn.  Ludowieg  in 
Landsberg  a.  W.  ist  dienachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Der  Geh.  Brth.  Lükcn  in  Stettin,  der  Eisenb.-Dir.  G ö tz  e in 
Frankfurt  a.  O.  uad  der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Gremler  in 
Gleiwitz  sind  gestorben. 

Sachsen.  Dem  Geh.  Brth.  Bergmann  bei  der  Gen.-Dir. 
der  Staatseisenb.  ist  das  Offizierkreuz  des  Aibrechtsordens  und 
dem  Ob.-Brth.  Pagenstecher  bei  ders.  Behörde  der  Tit.  und 
Rang  eines  Geh.  Brths.  verliehen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  A.  St.  in  Medebach.  Sofern  Sie  das  Recht  zur  Anlage 
der  Fenster  und  zur  Traufe  urkundlich  nachweisen  können,  be- 
dürfen Sie  keiner  Erlaubniss  des  Nachbars,  im  Neubau  Fenster  an- 
zulegeh  und  das  Dach  so  zu  gestalten,  dass  das  Wasser  herabfällt. 
Wir  glauben  indess  aus  Ihrer  Sachdarstellung  annehmen  zu  dürfen, 
dass  es  sich  um  ein  Zwischenraumsrecht  handeln  wird  und  dass 
zu  diesem  Z-wischeuraum  jeder  der  beiden  Nachbarn  Land  herge- 
geben hat.  Zwar  ist  der  Zwischenraum  an  den  verschiedenen 
Stellen  ungleich,  dagegen  liegt  die  Grenze  von  Ihrem  Grundstücke 
durchweg. 50  cm,  also  etwa  iV-iFuss  zurück.  Wahrscheinlich  wird 
also  Ihr  Grundstück  zuerst  aufgeführt  sein  und  den  landrechtlichen 
Abstand  ringehalten  haben,  wonach  der  Nachbar  baute,  der  aus 
irgend  welchen  Erwägungen  mit  seinen  Baulichkeiten  weiter  zu- 
rückgeblieben ist.  Weil  somit  die  Rechtsnatur  der  einschiagenden 
Verhältnisse  sehr  verschieden  sein  kann,  sind  wir  zu  einem  un- 
trüglichen Urtheile  ausser  Stande  und  rathen  Ihnen,  einen  dortigen 
Anwalt  zu  befragen.  . — K.  tl-e. 

Inhalt:  Die  Strassenbrücken  der  Stadt  Berlin.  — Berliner  Neubauten. 
No.  102.  Die.  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens 
(Fortsetzung).  — Der  tVasserbau  in  den  deutsch-afrikanischen  Schufzge- 
Ueten..—,  Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes  — Preisbewerbun- 
gen. — Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


-Verlag  der  Deutschen  Bauzeitun^  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmaan,  Berlin.  Druck  von  'Wilh.  Greve,  Berlin. 


180 


No.  28. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  29.  Berlin,  den  9.  April  1902. 


Kleines  Hirschhaus.  Architekten;  Kayiser  & v Groszheim  in  Berlin. 


Berliner  Neubauten. 

No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens. 


(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  S.  183,  184  u.  185. 


V.  Das  neue  Vogelhaus.  (Abbildgn.  S.  184  u.  185.) 

Architekten:  Kayser  & v.  Groszheim  in  Berlin, 
las  die  erste  mit  der  zweiten  grossen  Bau- 
V Periode  des  Gartens  verbindende  neue  Vogel- 
; haus,  welches  nach  den  Entwürfen  der  Archi- 
tekten Kayser  & von  Groszheim  in  zier- 
' lichem  maurischen  Stile  errichtet  wurde,  steht 
an  der  grossen  Rundpromenade  des  Gartens  und  ge- 
langte zunächst  nur  in  seinem  östlichen  Theile  zur 
Ausführung.  Die  gesammte  Anlage  ist  aus  dem  Grund- 
riss S.  184  ersichtlich ; siehatn-Form  und  schÜesst  eine 
malerisch  gelagerte  Reiher-  und  Schwimmvogel- Voliere 
zwischen  den  beiden  Flügeln  ein.  Die  Anordnung  ist 
so  getroffen,  dass  man  nach  der  Vollendung  des  ganzen 
Gebäudes  aus  4 Vorhallen  in  die  Schauräume  tritt;  der 
östliche  und  der  westliche  Schauraum  sind  gewisser- 
maassen  zweischiffig  gehalten.  An  beiden  Seiten  der 
grossen  Schauräume  entlang  sind  die  Käfige  aufge- 
stellt, hinter  welchen  sich  die  Wärtergänge  hinziehen. 
Auch  hier  ist  der  Versuch  unternommen,  durch  ange- 
baute Pflanzenhäuser  mit  der  Darbietung  des  Thieres 
gleichzeitig  eine  Belebung  durch  Pflanzen  zu  geben. 
Der  die  beiden  Flügelbauten  verbindende  Zwischen- 
theil  soll  die  Raubvögel  aufnehmen.  Bei  ihnen  ist 
der  Wärtergang  vor  den  Käfigen  geplant,  um  die 
Berührung  der  Besucher  mit  den  Raubvögeln  zu  ver- 
meiden. Die  verhältnissmässig  schlichte,  gegen  das 
reichere  Aeussere  abstechende  Durchbildung  des 
Inneren  mit  seinen  vorwiegend  weissen  Tönen,  von 


welchen  sich  das  bunte  Gefieder  der  Vögel  wirkungs- 
voll abheben  soll,  geht  aus  der  Abbildung  S.  185 
hervor.  Das  Plätschern  der  aufgestellten  Marmor- 
brunnen w'ird  in  dem  Ohren  betäubenden  Konzert  der 
tropischen  Vögel  nicht  vernommen.  Die  Darbietung 
der  Thiere  erfolgt  hinter  Spiegelscheiben.  — 

VI.  Das  neue  Stelzvogelhaus.  (Abbildgn.  s.  169 u.  17t.) 

Architekten:  Kayser  & von  Groszheim  in  Berlin. 

Gegenüber  dem  neuen  Vogelhause  liegt  das  neue 
Stelzvogelhaus.  Für  die  Durchbildung  desselben  wur- 
den die  Kunstformen  des  äussersten  Osten  gewählt. 
In  seiner  Grundrissanlage  ist  es  von  grösster  Ein- 
fachheit: ein  Rechteck  mit  einem  durchziehenden  Mittel- 
gang, an  dessen  rechter  Seite,  vom  Beschauer  durch 
Glas  abgeschlossen,  sich  die  Käfige  der  fischfressenden 
Stelzvögel  befinden,  während  die  Käfige  der  linken  Seite 
durch  Drahtgitter  abgeschlossen  sind.  Die  farbige  und 
die  ornamentale  Behandlung  sind  sowohl  im  Aeusseren 
wie  im  Inneren  reich  und,  namentlich  was  das  Aeussere 
anbelangt,  mit  grossem  Glück  japanischen  Vorbildern 
nachgebildet.  Mit  dem  leuchtenden  Roth  des  Holz- 
werkes vereinigen  sich  in  der  Wirkung  die  goldenen 
Löwenköpfe  sowie  farbige  naturalistische  Pflanzcn- 
Ornanicnte  in  einer  interessanten  Antragetechnik.  Der 
ornamentale  und  figürliche  Theil  des  Hauses  entstand 
unter  der  geschickten  Hand  des  Hrn.  Prof.  G,  Ricgel- 
mann,  während  die  Malereien  sowie  die  übrige  farbige 
Behandlung  durch  Hrn.  Maler  J.  Senft  (in  Firma 


181 


M.  J.  Bodenstein)  ausgeführt  wurden^  Die  Rohb-au- 
arbeiten  hatte  die  Firma  Held  & Francke  über- 
nommen, während  die  durch  ..den  Stil  bedingte 
schwierige  Eindeckung  des  Daches  mit  grün  glasirten 
Ziegeln  (Nonnen  und  Mönchen)  durch  die  Firma 
W..  .Neumeister  erfolgte.  Das  Haus  wird  durch  eine 
Warmwasserheizung  erwärmt,  welche  von  Herrn. 
Lieb  au  in  Magdeburg  ausgeführt  wurde. 

Der  dekorative  Schmuck  des  Inneren  wird  in 
schöner  Weise  ergänzt  durch  die  Aufstellung  eines 
japanischen  Götterbildes  in  Bronze,  eines  Geschenkes 


•des  Vorsitzenden -des 'Gartens,  Hrn.  Geh.  Brth.  W. 
Bö  ckmann,-  sowie  durch  2 japanische Tempellaterneii, 
welche  Rex  & Co.  in, Berlin  dem  Hause  widmeten. 

In  der  Ueberwindung  der  nicht  leichten  Aufgabe, 
die  Bedürfnisse  eines  heizbaren  Thierhauses  in  unse- 
rem Klima  mit  den  Formen  und  Mitteln- des  japani- 
schen Stiles  zu  befriedigen,  war  der  Direktor  des  Gartens, 
Hr.  Dr.  L.  Heck,,  in  der  Lage,  die  Architekten  in 
der  wirksamsten  Weise  zu  unterstützen.  Aus  dieser 
gemeinsamen  Arbeit  ist  ein  anziehendes  und  vorbild- 
liches Werk  des  Gartens  entstanden.  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Dresdner  Architekten-Verein.  Am  ii.  Febr.  d.  J.  hielt 
Hr.  Ob. -Ing.  Meng  einen  höchst  interessanten  Vortrag 
über  „die  Anwendung  des  elektr.  Starkstromes 
im  Hochbau",  in  welchem  Redner,  wie  er  vorweg  be- 
tonte, eine  Reihe  von  an  sich  nicht  zusammenhängenden, 
die  Architekten  aber  besonders  interessirenden  Einrichtun- 
gen zusammenfasste. 

Zunächst  ging  er  auf  das  Gebiet  der  Beleuchtung  ein 
und  besprach  zuerst  die  neuerdings  besonders  in  Stettin 
vielfach  eingeführte^  sich  selbstthätig  beim  Oeffnen  der  Thür 
einschaltende  und  nach  einigen  Minuten  wieder  ausschäl- 
tende  Treppenbeleuchtung.  Er  ging  Sodann  auf  die  neuer- 
dings sehr  modernen  Deckenbeleuchtungen  ein^  bei  denen 
besondere  Vorsichtsmäassregelri  mit  Rücksicht  auf  did, 
Peuergefährlichkeit,  namentlich  eine -gute  VentilatioHj  ah-, 
züwenden  sind.  Der  Vortragende  erläuterte  dann  einige 
neuere  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  elektrischen, 
Beleuchtung,  im  besonderen  die  bekannte  Nernstlampe, 
die  Osmium-Lampe  von  Dr.  Auer,,  Erfinder  des  Gas- 
glühlichts, dann  die  bisher  noch  nicht  über  Laboratoriums- 
Versuche  hinausgekömmene  Elektrolyt-Lampe  von  Dr. 
Rasch  und  eine  elektrische  Quecksilber- Dampf-, 
lampe  des  Amerikaners  Co  Oper  Hewit.  Letztere  Lampe 
ist  ebenfalls  noch  nicht  über  den  Versuch  hinausgekommen. 
Das  Licht  geht  von  einer  in  ganzer  Länge  leuchtenden 
Quecksilberröhre  aus,  nähert  sich  also  dem  zerstreuten 
Tageslicht.  Die- Osmiurn-Lampe  soll  demnächst  in  den 
Handel  gebracht  werden;  Sie  arbeitet  nur  mit  ganz  ge- 
ringer Spannung  (20  Volt),  sodass.  ihre  Anwendung  bei 
Gleichstrom  Sch-wierigkeiteii  bietet; 

Von  neuen  Bogenlampen  ist  jetzt  vielfach  die 
Bremerlarape,  namentlich  in  Berlin,  zur  Verwendung 
gekommen,  deren  Licht  ein  überaus  helles,  goldgelbes  ist. 
Die  Lampe  würde  jedoch  im  geschlossenen  Raume  nicht 
zu  verwenden  sein.  Ihre  Wirkung  wird  durch  Zusätze 
von  Chemikalien  zu  den  Bogenlichtkohlen  erzielt  und 
scheint  auf  den  gleichen  Grundsätzen  wie  die  Rasch’sche 
Elektrolyt-Lampe  zu  beruhen.“  s Kr:'  =-  - 

Interessant  ist  ein  Vergleich  der  erzeugten  Hitze  bei 
den  genanntenLampen.  Es  entstehen  folgende  Hitzegrade: 
Lichtbogen  der  Bogenlampe  3750—4200,  Faden  der  Nernst- 
lampe 2200 — 2480,  Gasgiühlichtlampe  2200 — 2450,  Kohlen- 
glühlampe 1875—2100,  während  eine  Stearinkerze  1750  bis 
1960°  C liefert.  Auffallend  ist  die  Uebereinstimmung  der 
Nernstlampe  mit  der  Gasgiühlichtlampe,  was  auf  die  gleich- 
artige chemische  Beschaffenheit  der  Glühkörper  zurück- 
zuführen ist. 

Zur  Kraftübertragung  wird  die  elektrische  Kraft 
im  Hochbauwesen  sowohl  während  der  Bauausführung, 
wie  als  dauernde  Einrichtung  im  fertigen  Bau,  verhältniss- 
mässig  noch  wenig  in  Anwendung  gebracht.  Es  gilt  dies 
namentlich  von  den  Ausführungen,  trotzdem  sich  die 
elektrische  Kraft  zu  Hebungen  von  Lasten,  Betrieb  von 
Baupumpen  sehr  gut  eignet.  Sehr  weitgehender  Gebrauch 
von  Elektromotoren  ist  im  Dresdener  neuen  Johannstädter 
Krankenhause  gemacht  worden.  Diese  Anlagen  arbeiten 
dort  tadellos.  Auch  bei  Waschhäusern  hat  der  Betrieb 
mit  Elektromotoren  Anwendung  gefunden.  Am  ver- 
breitetsten ist  aber  jedenfalls  ihre  Anwendung  zum  Be- 
trieb von  Aufzügen  für  Personen  und  Lasten.  Bei  tief- 
liegenden Grundstücken  empfiehlt  sich  ferner  die  An- 
wendung selbstthätiger  elektrischer  Pumpen  zum  Her- 
ausschaffen der  Abwässer  nach  den  höher  liegenden 
Schleusen,  die  Betriebskosten  sind  dabei  sehr  gering, 

Die  Verwendung  der  Elektrizität  zu  Heizzwecken 
macht  ebenfalls  Fortschritte,  in  Dresden  allerdings  .noch 
wenig,  da  der  Preis  des  Stromes  ein  zu  hoher  ist.  'Prak- 
tische Verwendung  der  Elektrizität  zu  Heizzweoken  ist 
auch  in  der  Küche  möglich.  Die  elektrische  Küche  ist  als 
das  Ideal  einer  Küche  zu  bezeichnen,  da  alle  die  störenden 
Nebenerscheinungen,  wie  Stauberzeugung  durch  Kohlen 
und  Asche  usw.  in  Wegfall  kommen.  Der  Hr.  Vortra- 


gende führte  das  Beispiel  einer  solchen,  seit  mehreren 
Jahren  in  Betrieb  stehenden  Küche  an.  In  derselben  kostet 
für  einen  Hausstand’  von  4 — 5 Personen  die  Koch-  und 
Brat-Einrichtung  jährlich  ungefähr  1500  M.  Die  Betriebs- 
kosten stellen  sich  bei  elektrischem  Strome,  allerdings  noch 
50 — iooO/q  höher, -Jals  bei  Verwendung  von. Gas  zu  Koch- 
zwecken, eine  Vertheüerung,  die  den  Vortheilen,  gegen- 
über in  zahlreichen  Haushaltungen  keine  so  bedeutende 
Rolle  spielt.  Der  Vortrag  wurde  durch  Vorlage  von  Ab- 
bildungen und  Modellen  unterstützt  und  fand  den  leb- 
haften Beifall  der  Versammlung.  ‘ O.  H. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  - Vers,  am  7.  Febr. 
1902.  Vors.  Hr;  Zimm-ermann,  anwes.-v88 :Pfers.--c ; 

Der  m Verfolg  der  Tagesordnung  gehaltene  Vortrag 
der  Hrn.  Melhop  und  Schüler  über  die  Alster  und 
Thre  Zuflüsse  unter  besonderer  Berücksichtigung  des 
im  Bau  begriffenen  Osterbeck-Kanals  mit  Ausstellung  Von 
Planen  und  Vorführung  von  Lichtbildern  führte  die  Zu- 
hörer unter  Leitung  des  Hrn.  Melhop  in  das  Quellengebiet 
der  Alster  im  Henstedter  Moor,  wo  sie  auf  -f-  31,20“  über 
Hamburger  Null  entspringt.  Ihr  Lauf  misst  eine  ^ Länge 
■von  59  k.“  bis  zur  GraskellerschleuSe  in.  Hamburg  und  er- 
leidet ein  Gefälle  von  24“;  40  k“  sind  schiffbar  und  von 
Haidkrüg  bis  Fuhlsbüttel-  mit  8 Schleusen  versehen,  die 
als  Fluth-  oder  Staüschleusen  1,4  bis  2,2“  Gefälle  .haben. 
Früher  reichte  die  Schiffbarkeit  weiter  als  bis  Haidkrug, 
nämlich  bis  Stegen,  von  wo  der  Alster -Tratte-Kanäl  aD- 
zweigte,  der  bei  Oldesloe  in  die  Trave  mündete. 

Derselbe  wurde  aufgrund  des  Vertrages  zwischen 
König  Friedrich  von  Dänemark  als  Herzog  von  Schleswig 
und  den  Hansestädten 'Hamburgiubeck  irri  Jahre  1525 
als  „Nige  Waterfart"  zwischen  Hamburg ' und  Lübeck  in 
Angriff  genommen  und  nach  dem  Muster  ähnlicher  hol- 
ländischer Bauten  trotz  aller  wegen  des  moorigen  Unter- 
grundes entstehenden  Bauschwierigkeiten  i.  J 1530  glück- 
lich zu  Ende  geführt.  Er  kostete  nach  heutigem  Gelde 
etwa  860000  M. 

Die  Zahl  der  Schleusen,  die  ein  Gefälle  von  28“  über- 
winden mussten,  betrug  24 — 26,  deren  Lage  heute  vielfach 
nicht  mehr  festzustellen  ist.  Es  waren  Kasten-  und  Fang- 
oder Stauschleusen. 

Aus  den  Ueberlieferungen  er-giebt  sich,  dass  an  den 
Schleuse'n  und  anderen  Bauwerken  des  Kanals  bald  grosse 
Schäden  auftraten,  die  aus  den  Erträgnissen  des  Schleusen- 
geldes nicht  gedeckt  werden  konnten.  Auch  liessen  ,es 
die  an  den  Nebenflüssen  und  Kanalufern  anliegenden  be- 
güterten Adeligen  nicht  an  Plackereien  fehlen;  sie  hielten 
Schiffe  an,  wollten  Zölle  erheben  usw.  Nur  etwa  30  Jahre, 
bis  gegen  1560,  wurde  diese  Wasserstrasse,  .auf . durch- 
gehender Fahrt  benutzt.  Um  1612  waren . manche  Schleu- 
sen schon  ganz  verfallen,  andere  ihrer  Lage  nach  nicht 
mehr  bekannt.  — Das  unbefriedigende  Ergebiiiss  war  be- 
sonders begründet  in  der  unzureichenden  Kenntniss  der 
Geländeverhältnisse  und  der  Wasserläufe,  sowie  in  üh- 
richtiger  Ermittelung  über  das  für  die  Kanalspeisung  er- 
forderliche Wasser.  — Immerhin  brachte  die' Schiffbar- 
machung der  Alster  auch  in  späteren  Zeiten  Vortheile  für 
Hamburg,  welches  von  deren  oberen  Lauf  her  Kalk,  Holz 
und  Torf  billig  .beziehen  konnte.  Heute  ist  der  Verkehr 
von- Kähnen,  die  theils  auf  Leinpfad  gezogen,,  theils  ge- 
stossen  werden,'  sehr  gering,  weil  der  Bedarf  an  Torf  mst 
-ganz  aufgehört  hat  und  fristet  nur  noch  mit  wenig  Fahr- 
zeugen sein  Dasein. 

Um  so  regeres  Leben  entwickelt  sich  im  unteren 
Alsterlauf  und  seinen  beiden  grossen  Becken  in  der  Stadt 
sowie  auf  den  Kanälen,  welche  von  diesen  abz'weigen. 
Hr;  Schüler  berichtete  so  eingehend  darüber  an  der  Hand 
. von  Karten  und  ßau-Theilzeichnungen,  dass  deren  Wieder- 
gabe hier  zu  weit  führen  würde.  Für  den  Bau  des  Oster- 
•beck-Kanals,  welcher  bei  2 “Tiefe  von  23“  auf  30“  ver- 
breitert werden  soll,  sind  3 Mill.  M.  in  Aussicht  genommen, 
ohne  Grunderwerb,  der  durch -vorhandene  Staatsankäufe 
■erleichtert  wird. 


182 


No.  29. 


Beide  Theile  des  Vortrages  waren  durch  äusserst  ge- 
lungene Lichtbilder  verdeutlicht  und  ernteten  den  vollsten 
Beifall  der  Versammlung.  — Gbl. 

Vers,  am  14.  Febr.  1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann, 
anwes.  64  Pers.  Der  Vorsitzende  gedenkt  des  unerwarteten 
llinscheidens  unseres  langjährigen  fleissigen  Mitgliedes 
Ch.  Westendarp,  Ziviling.  in  Hamburg,  und  des  Ablebens 
des  auswärt.  Mitgl.  Carl  Hellström,  Ing.  in  Stockholm. 

Es  spricht  Hr.  Faulwasser  über  das  neue,  bisher 
am  Jungfernstieg  Np.  34  belegene,  1866  gegründete  Heine- 
Asyl  am  Holstenwall,  welches  rd.  260000  M.  gekostet 


hat,  d.  h.  für  das  cbm  bis  Ob.-K.-Hauptgesims  27,40  M.,  bis 
Ob.-K.-Mansarde  21.66  M.  Ferner  macht  er  Mittheilung 
von  einem  neuen,  mit  allen  Erfahrungen  der  Neuzeit  herge- 
stellten Kuhstall  des  Hrn.  Lippert  in  Hohenbüchen 
bei  Hamburg,  in  welchem  besonders  die  gute  Lüftung  durch 
65  cm  weite  John’sche  Sauger  aus  verzinktem  Eisenblech 
mit  Ummantelung  bemerkenswerth  ist  und  die  massive 
Deckenkonstruktion,  bestehend  aus  12  cm  starker  „Kleine’- 
scher  Decke",  belegt  mit  9«“  Stichtorf,  3 cm  Sägespähnen, 
6 cm  Torfsteinen  und  5 cm  Kiesbeton,  zusammen  35  cm  stark 
zwecks  Wärmehaltung  gegen  den  2000  cbm  fassenden  Futter- 

9.  April  1902. 


boden  hin,  in  welchem  für  jede  Kuh  rd.  60  cbm  Futter  und 
Stroh  lagern,  letzteres  in  solcher  Menge,  weil  täglich  die 
Streu  erneuert  wird  — sonst  rd.  14  cbm  für  jede  Kuh  — . 
Durch  besten  Klinkerfussboden  und  Kachelbekleidungen  an 
den  Wänden  ist  die  Erhaltung  grösster  Sauberkeit  gewähr- 
leistet und  durch  Krippenscheidewände  gegen  Krankheits- 
Uebertragungen  Fürsorge  getroffen.  In  gleichem  Sinne 
wirkt  schützend,  dass  jede  Kuh  ihren  eigenen  Trinkbehälter 
hat,  dessen  Deckel  sie  selbst  öffnen  kann.  Ein  Maschinen- 
baus sorgt  für  Eisbereitung  und  elektrisches  Licht.  Schie- 
nenstränge erleichtern  die  Dungabfuhr  zu  den  Dunggruben. 

Stalikosten  rd.  60000  M.  bei  4000  cbm 
Fassungsraum,. 

c Hr.  Haller  macht  Mittheilungen  i.  über 

c 2 das  Haus  des  verstorbenen  Hrn.  Gottlieb 
n " Jänisch,  welches  Ende  der  1820er  Jahre 
n ^ von  Forstmann  erbaut  wurde.  Die  Tochter 
c - des  ersteren  wohnte  sehr  lange  in  dem 
g g Hause,  bis  es  vor  3 Jahren  von  Hm. 
- S Amsing-Hamburg-Newyork  gekauft  und 
js  auf  dessen  Wun.sch  von  Haller  zu  einem 
S ^ Junggesellenheim  umgebaut  wurde.  Weit- 
2 g g^ehende  Unterfangungen  der  schlechten 
O -g  Grundmauern,  Aenderung  der  Einfahrt 
> « zwecks  bequemen  Ein-  und  Aussteigens, 
^ o sowie  Anlage  von  Wohn-  und  FrühstOcks- 

0 zimmern  in  Verbindung  mit  Schlafstube, 
2 N usw.  im  I.  Obergeschoss,  schliesslich 
^ to  eine  Erhöhung  des  Dachgeschosses  zu 

-o  einem  vollen  Geschoss  für  Fremden-  wie 
Dienerzimmer  waren  nöthig, 
um  das  Gebäude,  in  welchem 
Kaiser  Wilhelm  I.  bei  seinem 
Besuche  in  Hamburg  auf 
einige  Stunden  Gast  des  Frl. 
Jänisch  gewesen  war,  den 
vermehrten  Ansprüchen  ent- 
sprechend zu  gestalten. 

2.  Ueber  eine  Villa  auf 
dem  Krähenberg  beim  Bahn- 
hof in  Blankenese,  welche  für 
ihren  ersten  Besitzer  Blaker 
1794  von  dem  Kopenhagener 
Arch.  Hansen  sen.  als  Fach- 
werkbau im  Tempelstil  mit 
Holzsäülen  erbaut  wurde  und 
nur  Keller- nebst  Erdgeschoss 
fasste.  1807  kaufte  es  Hr. 
Ross,  dessen  Tochter  hier 
voni8o7— iSgöwohnte.  Dann 
erwarb  es  Hr.  Gossler,  der 
jetzige  Besitzer;  er  liess  es 
1897  ausbauen.  1901  brannte 
es  infolge  seiner  wenig  feuer- 
sicheren Bauart  ganz  nieder 
und  ist  nunmehr  von  Haller 
massiv  wieder  erbaut  unter 
vollem  Festhalten  an  dem 
c g altenGrundriss  und  der  Architektur  vor  dem 
a Brande.  Im  April  1902  wird  es  bezogen. 
~ ^ 3-  Ueber  das  Afrika-Haus  in  der 

■g  g R.eichenstrasse,  meist  Büreauräume  für 
^ 2 die  Firma  Woermann  u.  Bohlen  enthal- 
« tend,  dessen  Umbau  aus  einem  alten  Ge- 
« bäude  wegen  der  unausgesetzten  Be- 
^ ■o  nutzung  des  letzteren,  dem  Fortschritt 
■ü  3 des  Neubaues  entsprechend,  sehr  schwie- 
E rig  war. 

tS  o 4-  Ueber  die  Tuberkulosen  - Heil- 
„ -o  Stätte  in  Edmundsthal  bei  Geesthacht 
Q n und  Bergedorf,  welches  1890—99  für  die 

1 Männer-Abtheilung  errichtet  wurde,  mit 
j“  Maschinenbaus,  Warmwasserheizung, elek- 
^ tnschem  Licht  ausgesiattet  und  herrlich 
5 gelegen  ist.  Liegehallen  nach  Süden.  Die 

Mittel  waren  von  Hrn.  Siemers  gestiftet 
und  beliefen  sich  auf  396000  M.  einschl. 
Doktorwohnung  usw.  Kosten  für  das  Bett 
des  Krankenblocks  1960  M.  Seit  1901  wird  an  einer  Frauen- 
abtheilung gebaut,  die  1902  fertig  werden  soll  und  für  dasBett 

wegenEinrichtungkleinererZimmer2566M.kostet,imgan2en 

154  000  M.,  die  ebenfalls  Hr.  Siemers  bereit  gestellt  hat. 

5.  Ueber  den  Neubau  des  Büreaugebäudes  für  die 
Amerika  - Linie  zwischen  Ferdinandstrasse  und  dem 
Alsterdamm,  welches  im  Herbst  1902  bezogen  werden  soll. 
Grundstücksgrösse  2685  q®,  die  für  570  M.  f.  i q®  erworben 
wurden.  Eingehende  Zeichnungen  erläuterten  beide  Vor- 
träge, welche  von  der  Versammlung  mit  grossem  Beifall 
und  Dank  entgegengenommen  wurden.  — Gbl. 


183 


Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Düsseldorf.  Vers.  v.  17.  Dez. 
1901.  Vors.  Hr.  Radke.  Aufgen.  Hr,  Beigeordn.  Geusen. 
Der  Ausschuss  für  die  Architektur- Ausstellung  auf  der 
deutsch-nationalen  Kunstausstellung  1902  zu  Düsseldorf 
erstattet  eingehenden  Bericht  über  die  Vorbereitung- 
Arbeiten  in  Gemeinschaft  mit  der  Kölner  Abordnung.  Ks 


anlässlich  des  Darmstädter  Dokumentes  Über  Aufgabe  und 
Ziele  der  Architektur  und  des  Kunstgewerbes  und  deren 
Ausartungen.  — 

Vers.  V.  II.  März  1902.  Vors.  Hr.  Radke.  Hr.  Salz- 
mann berichtet  über  die  weiteren  Fortschritte  des  Aus- 
schusses für  die  Architektur-Ausstellung.  Die  Versammlung 


EIRDGCSCHOSI 


Das  neue  Vogelhaus.  Architekten:  Kayser  & v.  Groszheim  in  Berlin. 

Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens  ln  Berlin. 


wurde  einstimmig  beschlossen,  die  von  der  Ausstellungs- 
Leitung  angebotenen  Räume  im  Palast  als  unzulänglich 
zu  bezeichnen  und  um  die  (inzwischen  erfolgte)  Mitüber- 
weisung des  südlichen,  an  der  Hauptfront  gelegenen  Ober- 
saales zu  bitten.  Hierauf  folgte  ein  sehr  anregender 
Meinungsaustausch  zwischen  den  Hrn.  Radke  und  Fuchs 


beschliesst,  dem  bisherigen  Vorstands-Mitgliede,  Geh.  Brth. 
Dreling,  zu  seinem  70.  Geburtstage  die  Ehrenmitglied- 
schaft des  Vereins  zu  verleihen  und  zur  Ueberreichung 
des  Diploms  eine  Feier  zu  veranstalten.  — 

Vers.  V.  25.  März  1902.  Vors.  Hr.  Peiffhoven.  Die 
Vorstandswahl  ergiebt  die  Wiederwahl  des  Vorsitzenden 


184 


No.  29. 


9 April  1902- 


Hm.  Radke  und  der  Vorstands-Mitglieder  Peiffhoven  und 
Tharandt.  Das  Vereinsjahr  1901  brachte  14  Versamm- 
lungen und  2 Ausflüge  und  schloss  mit  einem  Bestand 
von  75  Mitgliedern  ab.  Die  Rechnungsprüfung  ergab  die 
Entlastungs  - Ertheilung  an  den  Kassenwart.  Das  Baar- 
vermögen  beträgt  657  M.  Aufgen.  die  Arch.  Hrn.  Goos 
und.  Fettweiss.  Hierauf  werden  die  Vorschläge  für  Neu- 
regelung der  Gebührenordnung  für  gerichtliche  Zeugen 
und  Sachverständige  nach  Vortrag  des  Hrn.  Tüshaus 
durchberathen  und  es  wird  dem  Anträge  des  Hrn.  Unger 
in  Hannover  im  Wesentlichen  zugestimmt.  — Xh. 

Vermischtes. 

Der  niederösterreichische  Ingenieur-  und  Architekten- 
Verein  und  die  staatliche  Kunstpflege  in  Oesterreich.  Der 
genannte  Verein  hat  auf  Antrag  des  Hrn.  Hofrth.  R.  von 
Gruber  die  Einsetzung  eines  Ausschusses  beschlossen, 
welcher  Fragen  der  staatlichen  Kunsttörderung  berathen 
und  nach  Zustimmung  der  Völlversammiung  der  Regierung 
entsprechende  Anträge  vorlegen  soll.  Dem  Ausschuss  ge^.- 
hören  an:  ;Chef-Arch.  Karl  Theod.  Bach,  Brth.  Lud.  Bau- 
mann, Ob.  Brth.  Stadtbaudir.  Franz  Berger,  Brth.  Prof, 
jul.  Deininger,  diplom.  Arch.  Max  Fabiani,  Ob. -Brth. 
Mich.  Fell'ner,  Min-Rth.  Emil  R.  v., -Forst er,  ■ Hofrth, 
Prof.  Fran2:  R.  v.  Gruber,  Brth.  Herrn.  Helmer, , Brth. 
Dombmstr.  Jul.  Hermann,  Brth.  Prof.  Jul.  Koch,  Prof. 
Karl  König,  Arch.  Franz  Freib.  v.  Krauss,  Prof.  Vict., 
Luntz,  Prof.  dipl.  Arch.  Karl  Mayreder,  Brth,  Franz 
R.  V.  Neumann,  Prof.  Fried.  Ohmann,  Bauinsp.  Hans 
Peschl,  Hofrth.  Prof.  Aug.  Prokop,  Reg.-Rath  Dir. 
Camillo  Sitte,  Brth.  Andr.  Streit,  Ob.-Brth.  Prof.  Christ. 
Ulrich,  Brth.  Ludw,  Wächtler,  Ob.-Brth.  Prof.  Otto 
Wagner,  Arch.  Ant.  Weber  -und  Ob.-Brth.  Alex,  von 
Wielemans.  Bei  der  Begründung  des  Antrages  er- 
innerte v.  Gruber  daran,  dass  der  Ausschuss  für  die  bau- 
liche Entwicklung  Wiens  mit  A.ufmerksamkeit  die  Vor- 
gänge bei  dem  Ausbau  des  letzten  Theiles  der  Ringstrasse, 
zwischen  dem  Wientlusse  und  der  ehemaligen  Dominikaner- 
bastei, verfolge  und  sich  darum  veranlasst  sah,  nach  Wegen 
zu  suchen,  durch  welche  es  möglich  wäre^  in  letzter  Stunde 
zu  retten,  was  noch  -zu  retten  ist.  Mit  dem  Baugesetze 
könne  man  derart  wichtigen  künstlerischen  Fragen  gegen-, 
über  nicht  Vorgehen,  der  Ausschuss  habe  also  unwillkür- 
lich sein  Augenmerk  auf  die  im  Ministerium  für  Kultus 
und  Unterricht  bestehenden  Körperschaften  des  Kunst- 
rathes  und  der  Kunstkommission  gerichtet.  Nun  sei  aber 
von  Künstlern,  die  denselben  angehören,  in  Erfahrung 
gebracht  worden,  dass  ihnen  jede  Möglichkeit  des  Ein- 
greifens in  dieser  und  ähnlichen  Angelegenheiten  be- 
nommen sei,  und  dass  dem  nur  durch  eine  Neu-Organi- 
sation  der  :staatlichen  Pflege  der  bildenden  Künste  in 
Oesterreich  abgeholfen  werden  könnte.  Durch  eine  solche 
Organisation  würden  zweifellos  auch  Fragen  berührt, 
welche  bei  der  baulichen  Ausgestaltung  Wiens  zur  Sprache 
kommen;  jene  Organisation  müsse  aber  viel  weiter  aus- 
greifen und  sich  nicht  nur  auf  die  bei  neuen  Kunst- 
schöpfungen zu  ■ erledigenden  Angelegenheiten  beziehen, 
sondern  auch  auf  die  staatliche  Kunstpfiege  im  Allgemeinen, 
auf  den  Kukstunterricht,  die  Erhaltung  der  vorhandenen 
Kunstdenkrriiäler  usw.  ’ Für  das  .Studium  dies.es  ausgedehn- 
ten Gebietes  empfehle  der  Ausschuss'für  die  bauliche  Ent- 
wicklung Wiens  einen  besonderen  Ausschuss.  Gruber 
giebt  der  Meinung  Ausdruck,  es  möge  wohl  Manchem 
idealistisch  erscheinen,  jetzt  wieder  an  .das  Studium  einer 
im  öffentlichen  Interesse  gelegenen  .Organisation  zu  schrei- 
ten, nachdejTt  die  vor  nahezu  zehn  Jahren . vom  Vereine 
unternommenen  Schritte  .behufs  Errichtung  eines  obersten 
Baurathes  ^nz  erfolglos  geblieben  sind,  obschon  sich  in 
Preussen  die  seit  nahezu -einem  VierteJjahrhundert  be- 
stehende Akademie  des  Bauwesens  und  der  noch  ältere 
österreichisdh.e  oberste  .Sanitätsrath,  welche  dem  Wesen 
nach  ganz  ähnliche  Fachräthe  sind,  in  jeder  Beziehung' 
bewährt  haben.  Der  Ausschuss  glaubte  aber,  dass  der. 
Verein  dieser  neuen  Frage  nicht  ausweichen  solle. . Dem 
Ausschüsse  solle  es  Vorbehalten  bleiben,  unt.  Urast.  durch 
Veranstaitur  g einer  Enqugte,  Vorschläge  für  jene  Orgam- 
sation  auszu^rbeiten,  sowie  die  Wege  zu  berathen,  weiche 
man  einschlagen  müsste,  um  diese  Vorschläge,  falls- sie 
vom  Verein^  genehmigt  wenden,  allenfalls  gemeinsam  -mit 
den  Künstlerveremen  Wiens  und  den  Organen  der.StaatSr 
Verwaltung  zur  Vorlage  zu 'bringen. 

Billige  Wohnuügen  im  Erbbaurecht  ln  Leipzig  will,  wie 
wir  in  Eigänzung  einer  bez.,Notizin.No.  45,  ipoi  mittheilen 
können,  die'.  „Gemeinnützige. Gesellschaft“  mit  Hüle  der 
Stadt  erstellen.  Der  Gesellschaft  wird  von  der  Stadt  in  ge- 
sunder und  bequemer  Lage  ein  Gelände  von  rd.  82  400  q“ 
zum  Baue  von  etwa  120  zweistöckigen  Häusern  in  offener 
Bauweise  mit  Vorgärten, Turn-  undSpielplätzen,  sowie  park- 

186^ 


artigen  Anlagen  auf  die  Dauer  von,  100  Jahren  zu  Erbbau- 
recht gegen  einen  Erbbauzins  von  jährlich  12  Pfennigen  für 
iq“  überlassen,  während  welcher  Zeit  die  Gesellschaft  das 
Aktienkapital  und  die  Hypotheken  bequem  tilgen  kann. 
Nach  Ablauf  von  100  Jahren  gehen  sämmtliche  Gebäude 
ohne  Entschädigung  an  die  Stadt  über..  In  den  letzten 
50  Jahren  übt  die  Stadt  das  Aufsichtsrecht  aus^  um  einer 
Verwahrlosung  der  Häuser  vorzubeugen.  Die  Landes-Ver- 
sicherungsanstalt  gewährt  ein  Darlehen  von  1200000  M. 
zu  massigem  -Zinsfuss  gegen  Hypothek. , Der  Gewinn  der 
Gesellschaft  idarf  4%  nicht  -übersteigen.  Die  Wohnungen 
sind  für  die  ärmsten  Klassen  der  Bevölkerung,  vorzugs- 
weise für  Arbeiter,  welche  bei  der  Landes-Versjcherungs- 
anstalt  versichert  sind,  bestimmt.  Jede  Wohnung  soll  nur 
einer  Familie  öder  Person  dienen;  Aftermiethe  ist  ohne 
Gen'ehmitiung  der  Landes-Versicherungsanstalt  nifht  ge- 
stattet. Keine  der  Wohnungen  darf  mehr  als  3.  ausnahms- 
weise 4 Wohn-  und  Schlafräume,  einschl  der  Küche,  ent- 
halten. Eine  fühlbare  Konkurrenz  für  den  sonstigen  Grund- 
besitz wird  nicht  entstehen,  da  derartige  kleine  Wohnun- 
gen nur  in  sehr  geringer  Anzahl  gebaut  werden,  ein  be- 
klagenswerther  Umstand,  der  das  Unternehmen  der  Ge- 
meinnützigen Gesellschaft  als  dringend  nothwendig  und 
unaufschiebbar  erscheinen  liess.  — 

•Sonnenbrand  der  Basalte.  Bei  den  Pflastersteinen 
zeigt  sich  bisweilen  eine  Krankheits-Erscheinung,  infolge 
deren  die  von  ihr  heimgesuchten  Steine  wenige  Monate 
nach  ihrer  Verwendung  zerfallen  und  Lücken  im  Pflaster 
hinterlassen.  Dieser  mit  „Sonnenbrand“  bezeichneten  Er- 
scheinung hat  Hr.  Landesgeologe  Dr.  Leppla  in  Berlin 
in  der  bei  Julius  Springer  in  Berlin  erscheinenden  „Zeit- 
schrift für  praktische  Geologie“  .(Mai  1901)  eine  längere 
Untersuchung  gewidmet,  aufgrund  deren  er  zu  der  Ver- 
muthung  komrnt,  dass  der  Sonnenbrand  bei  den  Basalten 
höchstwahrscheinlich  auf  der  Gegenwart  eines  leicht  zer- 
setzbaren Natronsilikates  in  der  Grundmasse  der  Basalte 
beruht.  Dieses  Silikat  hat  die  Neigung,  an  der  Atmo^phäre 
Wasser  aufzunehmen  und  in  Zersetzung  überzu^ehen, 
wobei  sich  der  Raumgelialt  vergrössert  und  durch  Bildung 
von  Rissen  der  Zerfall  eingeleitet  wird.  Bei  frisch  ge- 
brochenem Gestein  lässt  sich  die  Anwesenheit  des  schäd- 
lichen Silikates  nur  mit  dem  Mikroskop  nachweisen,  bei 
Basalten,  die  bereits  längere  Zeit  an  der  Luft  lagen,  er- 
scheint es  in  der  Gestalt  von  hellen  Flecken  in  der  dunklen 
Gesteinsmasse.  Die  Erkennung  auf  chemischem  Wege 
erfolgt  durch  eine  warme  Lösung  von  kohlensaurem 
Ammoniak  oder  durch  verdünnte  Essigsäure,  welche  die 
hellen  Flecken  hervorrufen.  — 

Desinfizirende  Wandanstriche.  Den  Versuchen  über 
desinfizirende  Wandanstriche,  die  vor  einiger  Zeit  an  dem 
hygienischen  Institut  der  Universität  Halle  a.  S.  durch 
Stabsarzt  Dr.  E.  Jacobitz,  sowie  an  anderer  Stelle  durch 
Stabsapotheker Dr.Rapp  inMünchen  angestellt  wurdeii und 
über  welche  wir  imJahrg.i9oiNo.54,56  und  102  berichteten, 
sind  nunmehr  weitere  Versuche  des  erstgenannten  For- 
schers gefolgt,  über  deren  Ergebniss  derselbe  in  No.  5 
des  XII.  Jahrganges  der  „Hygienischen  Rundschau"  be- 
richtet und  auf  welche  wir,  da  uns  der  Raum  zu  ausführ- 
licherer Wiedergabe  mangelt,  Interessenten  verweisen.  — 
Techniker  als  besoldete  Stadträthe.  Am  > . April  d.  J.  ist  in 
.Leipzig  Hr.  Gasdirektor  Wunder  in  sein  neues  Amt  als 
Stadtrath  .eingeführt  worden.  Mit  ihm  hat  die  Stadt  Leip- 
’zig  nunmehr  4 besoldete  Stadträthe,  die  Techniker  sind 
..und  zwar  die  Hrn.  Stadtbrth.  Prof.  H.  Licht,  Stadtbrth. 

' Scharenberg,  .Stadtbrth.  Franze  und  Gasdirektor  Wunder. 
Mit  hoher  Genugthuung  wird  der  gesammte  Stand  der  Tech- 
niker von  den  Worten  Kenntniss  nehmen,  mit  welchen 
Hr.  Ob.-Bürgermstr.  Dr.  Tröndlin  den  neuen  Stadtrath 
in  sein  Amt  einlührte.  Er  begrüsste  es,  nach  den  Leip- 
. ziger  Tagesblättern,  mit  Freuden,  dass  man  bei  der  fort- 
schreitenden Entwicklung  und  der  hohen  Bedeutung 
s.des  technischen  Gebietes  den  Gedanken  verwirklicht 
; habe,  die  Stelle  mit  einer  fachmännischen  Kraft  zu  besetzen ; 
^■man  habe  ja  mit  den  technischen  V.ertretern  des 
tRathes  so  a,uss,eror,den.tlich  günstige  Erfahrungen 
gemacht.  Die  technischen  Anforderungen  würden  immer 
...bedeutender;  die  Stadtgemeinde  stehe  jetzr  vor  Fragen 
der  höchsten  Wichtigkeit  und  die  Wahl,  welche  die  Stadt- 
Kverordheten  getroffen  hätten,  bedeute  gewissermaassen 
^die  ;K,r.ö.n un.g  einer  Anschauung,  welche  man 
früher  nic.h't  glaubte  ver.w.irklichen  zu  können. 
.nDer  Redner  gab'  .der  Zuversicht  Ausdruck,  dertieue  Stadt- 
rath  werde  sicher  seinen  Platz  voll  und  ganz,  ausfüllen. 

Wie,.wohlthuend  heben  sich  djese  Worte  .des  unbe- 
fangen  und  grossdenkenden  Leiters  eines  vornehmen 
städtischen  Gemeinwesens  ab  von  den  engherzigen  Zunft- 
anschauungen, wie  sie  gelegentlich  in  ähnlichen  Fragen  in 
der  „Deutschen  Juristenzeitung“  nach  Ausdruck  ringen.  — 

No.  29.  ■ 


Der  Korkstein  ltn  Wohnhausbau  ist  der  Gegenstand 
eines  von  der  Firma  Grünzweig  & Hartmann,  Ludwigs- 
liafen  a,  Rh.,  herausgegebenen  kleinen  Schriftchens,  das 
in  klaren  Zeichnungen  und  kurzen  Erläuterungen  an  dem 
Beispiel  einer  grösseren  Villa  die  vielfache  Anwendbar- 
keit, des  in  seinen  Vorzügen  — gute  Isolirung  gegen 
.Fduehtigkeit  und  Temperatur-Einflüsse  bei  grosser  Leichtig- 
keit — ja  hinlänglich  bekannten  Materials  darthut.  — 

Zur  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs-Arbeiten  am 
Heidelberger  Schloss.  Um  bei  dem,  Widerstreit  der  An-' 
schauungen  über  die  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs- 
Arbeiten  am  Heidelberger  Schloss  für  die  EntschlieSSun- 
gen  der  grossh.  badischen  Regierung  eine  genügend  sichere 
Grundlage  zu  geben,  ist  für  die  zweite  Hälfte  des  Monats 
April  die  Einberufung  einer  neuen  Kommission  von  Sach- 
verständigen eingeleitet,  die  lediglich  vom  technischen 
Standpunkte  aus  aufgrund  einer  Untersuchung  des  Baues 
selbst  die  Frage  beantworten  soll,  ob  der  Otto  Heinrichs- 
Bau  mit  ästhetisch  vertretbaren  Mitteln  auf  eine  längereZeit- 
dauer  in  seiner  dermaligen  Gestalt  erhalten  werden  kann.  — 
Die  27.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffent- 
liche Gesundheitspflege  inMünchen  findet  vom  17,  — 2o.,Sept. 
d.  J;  statt.  Auf  der  Tagesordnung  befinden  sich  u.  a.  die 
folgenden  Gegenstände:  „Die  hygienische  Ueberwachung 
der  Wasserläufe“  (Berichterstatter:  Geh.  Hofrth.  Prof.  Dr. 
A.  Gärtner  in  Jena  und  Wasserbauinsp.  Schümann  in 
Berlin) ; „Die  Wechselbeziehungen  zwischen  Stadt  und 
-Land  inbezug  auf  ihre  Gesundheitsverhältnisse  und  die 
Sanirung  der  ländlichen  Ortschaften“  (Berichterstatter: 
•Geh.  Med.-Rth.  Dr.  E.  Roth  in  Potsdam);  „Feuchte  Woh- 
nungen: Ursache,  Einfluss  auf  die  Gesundheit  und  Mittel 
zur  Abhilfe“  (Berichterstatter:  Med.-Rth.  Dr.  Abel-Berlin 
und  Bauinsp.  Olshausen  in  Hamburg).  — 

Ehrenbezeugungen  an  Künstler.  Aus  Anlass  der  Vollen- 
dung des  neuen  Parlamentsgebäudes  in  Bern  wurde  dessen 
Erbauer,  Prof.  Plans  Auer  in  Bern,  von  der  philosophischen 
F akultät  derUniversitätBasel  zum  Ehre  n d o kt  o r ernannt.  — 


Preisbewerbungen. 

Der  Verein  deutscher  Elsenbahnverwaltungen  erlässt 
ein  Preisausschreiben  für  wichtige  Erfindungen  und  Ver- 
besserungen im  Eisenbahnwesen  mit  einer  Gesammtpreis- 
Summe  von  30  000  M.  (ein  solches  Ausschreiben  soll  alle 
4 Jahre  veranstaltet  werden).  Je  3 Preise  von  7500,  3000 
und  1500  M.  sind  ausgesetzt  für  Arbeiten  aus  dem  Gebiete 
der  baulichen  und.  mechanischen  Einrichtung  der  Eisen- 
])ahnen,  einschl.  ihrer  Unterhaltung,  bezw.  für  das  Gebiet 
des  Baues  und  der  Unterhaltung  der  Betriebsmittel.  Ein 
Preis  von  3000  M.  und  zwei  Preise  von  je  1500  M.  sind 
gemeinsam  zu  vergeben  für  Verbesserungen  und  Er- 
findungen betr.  die  Verwaltung,  den  Betrieb  und  die 
Statistik  der  Eisenbahnen  bezw.  für  hervorragende  schrift- 
stellerische Arbeiten  über  Eisenbahnwesen.  Das  Pro- 
gramm schlägt  eine  Reihe  von  Arbeiten  zur  Lösung  vor, 
ohne  dadurch  jedoch  die  Bewerber  oder  den  vom  Verein 
deutsch.  Eisenb.-Verwaltungen  eingesetzten,  aus  12  Mitgl. 
bestehenden  Preisausschuss  festlegen  zu  wollen.  Die  Preise 
können  sowohl  in  derselben  Gruppe  gegebenenfalls  anders 
vertheilt,  bezw.  auch  anderen  Gruppen  zugetheilt  werden. 

Mit  Preisen  können  nur  Erfindungen  bezw.  Schrift- 
werke bedacht  werden,,  die  in  der  Zeit  vom  16.  Juli  1895 
bis  15.  Juli  1903  ausgeführt,  bezw.  erschienen  sind.  Wich- 
tig ist  ferner  die  Bestimmung,  dass  jede  Erfindung  oder 
Verbesserung,  um  zum  Wettbewerbe  zugelassen  zu  werden, 
auf  einer  zum  Verein  dtsch.  Eisenb.-Verw.  gehörigen  Eisen- 
bahn bereits  vor  der  Anmeldung  zur  Ausführung  ge- 
, bracht  sein  und  der  Antrag  auf  Ertheilung  des  Preises 
durch  die  betr.  Verwaltung  unterstützt  werden  muss.  Die 
Bewerbungen,  sind  durch  Beschreibungen,. Zeichnungen, 
Modelle  entsprechend  zu  erläutern  und  in  der  Zeit  vom 
i.  Jan.  bis  15.  Juli  1903  an  die  geschäftsfülirende  Ver- 
waltung des  Vereins  dtsch.  Eisenb.-Verw.  ernzureichen. 
Die  übrigen  Programm-Bestimmungen  sind  mehr  formaler 
Natur.  Die  Veranstaltung  derartiger  (übrigens  nicht  neuer) 
Wettbewerbe  kann  nur  mit  Freuden  begrüsst  werden  und 
erscheint  auch  als  geeigneter  Weg,  um  zu  eingehender 
Arbeit  auf  den  bezeichneten  Gebieten  anzuregen,  sicherlich 
niclrt.  zum  Nachtheile  der  Eisenbahntechnik.  — . 

Einen  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine  Sparkasse 
.in  Laibach,  erlässt  die  bez.  Direktion  mit  Frist  zum  10.  Mai 
d.  J.  .Es  gelangen  3 Preise  von  1400,  1000  und  600  Kr. 
zur  Yertheilung;  ein  Ankauf  nicht  preisgekrönter  Entwürfe 
für  je  500  M.  ist  Vorbehalten.  — 

Zu  einem  Wettbewerb  betr.  ein  Kossuth-Mausoleum  in 
Budapest  liefen  12  konkurrenzfähige  Arbeiten  ein.  Von 
ihnen  erhielt  den  I.  Preis  von.'Söoo,  Kr.'  die  ‘der 'Hrni'Ko- 
loman  Gerster  & Alois  Strobl;  den  II.  Preis  von  4000  Kr. 

.9.  April  7902. 


die  Arbeit  der  Hrn.  Bela-Leiterdorfer,  Stefan  To.th  & 
Eduard  Telcs;  den  HI.  Preis  van  3000'Kr.  die  Arbeit  der 
Hrn.  Rud.  Hikisch'&  Ludw.  Matrai.  'Zum  Ankat^  für 
je  lobo  Kr.  wurden  5 Entwürfe  vorgeschlagen.  Bei  der 
Thätigkeit  des  Preisgerichtes  ereignete  sich  ein  Zwischen- 
fall, indem  3 der  Preisrichter  öffentlich  erklärten, ' dass 
nach  ihrer  Ueberzeugung  die  Beurtheilüng  der  Entwürfe 
nicht  von.  künstlerischen  Gesichtspunkten  geleitet  worden 
sei  ünd  sie  .daher  für  die  Entscheidung  die  moralische  Und 
künstlerische  Verantwortung  nicht  übernehmen  könnten. 
Dieser  Aufsehen  . erregenden  Erklärung  setzte  der  Vor- 
sitzende des . Preisgerichtes  zwar  eine  Erklärung  mit  der 
•Versicherung . völliger  Korrektheit  des  Verfahrens  ent- 
gegen, es  wird  aber  doch  vielleicht  nicht  ausbleiben,  dass 
die  öffentlichen  Erörterungen  über  die  Angelegenheit  sich 
fortspinnen  . Thatsächlich  sind  Bestrebungen  im  Gange, 
das  Urtheil  des  Preisgerichts  aufzuheben.'  — 

Das  akademische  Reisestipendium  der  kgl.  Akademie 
der  bildenden  Künste  in  . Dresden Tm  Betrage  von  6000  M. 
für  eine  zweijährige  Studienreise  wurde  dem  Architekten 
Joh.  Zimmermann  aus  Zwickau,  einem  Schüler  Wallots, 
verliehen.  ^ — 


Bücherschau. 

Eduard  Knoblauch.  Ein  Abriss  seines  Lebens.  -Aus  An- 
lass des  100.  Geburtstages  seines  Stifters  ara'25.  Sept. 
1901  dem  Architekten -Verein  zu  Berlin  gewidmet 
von  Prof.  P.  Walle.  Mit  Knoblauchs  Bildniss  und 
18  Abbildungen  seiner  hauptsächlichsten  Werke. 
Berlin  1902.  Verlag  von  Wilhelm  Ernst  & Sohn. — 

Die  Bedeutung  von  Eduard  Knoblauch  im  Berliner 
Kunstleben  der  ersten  Hälfte  des  19.  labrhunderts  is.t  mit 
an  dem  Umstande  zu  messen,  dass  er  einmal  ein  von  den 
staatlichen  Faktoren  unabhängiger  Vertreter  der  Privat- 
Architektur  war  und  dass  er  seinem  ersten  Vortrage  in 
dem  von  ihm  begründeten  Architekten-Verein  zu  Berlin 
das  Thema  über  die  griechische  und  die  deutsche  Archi- 
tektur zugrunde  legte  und  die  Geringschätzung  der  aus 
der  Eigenthümlichkeit  des  Volkes  hervorgegangenen  deut- 
schen Architektur  bekämpfte.  Im  Jahre  1824!  Wallö,  der 
diese  und  ähnliche  Eigenschaften  und  Aeüsserungen 
Knoblauchs  mit  Recht  mit  Nachdruck  hervorhebt,  giebt 
von  ihm  ein  ausführliches  Lebensbild  und  einen  Ueberblick 
über  sein  Schaffen,  in  welchem  die  freie  Unabhängigkeit 
des  Künstlers,  für  deren  Wahrung  er  gelegentlich  mit 
Entschiedenheit  eintritt,  vielfach  durchleuchtet.  Wir  be- 
grüssen  die  reich  illustrirte  Schrift  als  einen  interessanten 
Beitrag  zur  Berliner  Baugeschichte  der  ersten  Hälfte  des 
vergangenen  Jahrhunderts.  — 

Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik.  45.  Bd.  1900. 
Herausgegeben  von  den  Prof.  Dr.  Mehnke  und 
Dr.  M.  Cantor.  Leipzig.  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 

Von  dieser  auch  für  den  Techniker  wichtigen  Zeit- 
schrift ist  Band  43  im  Jahrgang  1899  S.  399  und  Band  44 
im  Jahrgang  igoo  besprochen.  Der  vorliegende  Band  ent- 
hält folgende  für  Techniker  beachtenswerthe  Aufsätze: 

1.  Karl  Heim:  Neue  Methode  zur  approximativen  Integration 
der  Differenzialgleichungen  einer  unabhängigen  Veränderlichen. 

2.  C.  Runge:  Ueber  die  Vergleichung  empirischer  Formeln. 
Flierin  wird  gezeigt,  dass  zwischen  dem  hyperbolischen  und  dem 
parabolischen  Ausdruck  für  die  Beziehungen  zwischen  Spannung 
und  elastischer  Dehnung  eines  Baustoffes  betreffs  der  Genauigkeit 
kein  wesentlicher  Unterschied  besteht.  Die  in  Dtsch.  Bztg.  1897 
S.  58  angegebene  hyperbolische  Form  dürfte  demnach  vorzuziehen 
sein,  weil  sie  auch  die  Wärme-Einflüsse  bequem  einzubegreifen 
gestattet. 

3.  Somoff:  Ueber  Gebiete  von  Schrauben-Geschwindigkeiten 
eines  starren  Körpers  bei  verschiedener  Zahl  von  Stützflächen. 

4.  Jolies:  Die  charakteristischen  Parabeln  des  einfachen, 
gleichmässig  belasteten  Balkens. 

5.  H.  Lorentz:  Die  Dynamik  der  Kurbelgetriebe,  Schluss 
zum  vorigen  Jahrgang  (jetzt  auch  in  Buchform  erschienen). 

6.  j.  Kühler:  Beitrag  zur  Knick-Elastizität  d.  Festigkeit.  Be- 
merkt sei  hierzu,  dass  Auszüge  aus  diesem  Aufsatz  auch  in  der 
Deutschen  Bauzeitung  1900  S.  368  mitgetheilt  sind  unter  dem  Titel: 
■„Die  richtige  Knickformel“,  dass  aber  sofort  Fehlernachweise  von 
Kriemler  und  Prandtl  erschienen  (1900  S.  610)  und  dass  auch  im 
Bd.  46  der  besprochenen  Zeitschrift  S.  362/9  Beric'htigungen  von 
Kriemler  und  Pilgrim  folgen,  die  durch  Kühlers  Entgegnung  S.  370 
nicht  entkräftet  werden. 

7.  Mehmke  bietet  wieder  eine  gute  Uebersicht  der  im  Jahre 
1899  in  technischen  Zeitschriften,  erschienenen  Aufsätze  über  Ge- 
biete der  angewandten  Mathematik. 

Aus  der  „historisch  litterarischen  Abtheilung“  seien  noch 
Besprechungen  erwähnt  über:  • x.  Die  Funktion  des  Auges  bei 
Leonardo  da- Vinci;  2.  Fischer:  Der  Gang  des  Menschen,  — ein  für 
die  Berechnung  der  Arbeitsleistungen  unserer  Bauarbeiter  wichti- 
tiges  Werk. 

Die  zuletzt  erwähnte  historisch  litterarische  Abtheilnng 
.wird  in  den  folgenden  Jahrgängen  wegfallen,  da  der  ver- 
. dienstvolle  M.  Cantor  die  Redaktion  .niedergelegt  und  an 

't87 


seiner  Stelle  Prof.  Dr.  C.  Runge  getreten  ist,  auch  hervor- 
ragende Techniker  als  Mitarbeiter  gewonnen  sind.  Die 
kommenden  Jahrgänge  versprechen  daher  für  den  Tech- 
niker noch  wichtiger  als  bisher  zu  werden,  da^  sie  ganz 
der  angewandten  Mathematik  sich  widmen  und-  den  von 
uns'  1899  S.  397  ausgesprochenen  Wünschen  und  Bedürf- 
nissen der  Techniker  in  noch  stärkerem  Maasse  als  bisher 
entgegenkommen  ■wollen.  — Lang.  - 

Praktische  Beispiele  aus  der  darstellenden  Geometrie  für 
■ Lehranstalten  mit  bau-  oder  kunstgewerblicher 
• , , Richtung.  Mit  Unterstützung' des  k.  k.  Unterrichts- 

Ministeriums  heräusgegeben  . von  k.  k.  Schülrath 
■ Josef  Wildt,  Prof,  aii  der,k.:k.  Staatsgewerbeschule 
; in.  Reichenberg.  12  grosse  Blätter;  mit  erklärendem 
, Text.  Preis  18  Krönen.  Verlag  von  A.  Pichler’s 
Wittwe. und.  Sohn  in  Wien;, 

Die  bereits  vor  6 Jahren'  erschienene  i.  Lieferung  des 
genannten  Vorlagenwerkes  hat. von  fachlidier  Seite  aus- 
nahmslos die  günstigste  Beurtheüung  g.efünden.  und  ist 
seither,  vielen,  Lehrern  der  darstellenden  Geometrie  ein 
werthvolles  Unterrichtsmittel  geworden.  Kürz-lich  ist  nun 
die  2.  Lieferung  erschien"en7  welche  wieder  aus  12  elegant 
ausgeführten  Vorlagen  nebst  erläuterndemText  besteht.  An 
dem  verspäteten  Erscheinen  der  . 2.  Lieferung.,  trägt  der 
Wechsel  des  Verlegers  schuld,  Die  Ausführung  der  Tafeln 
•besorgte  die  Firma  Meisenbach,  Riffarth  & Co.  in  Berlin- 
Schöneberg;  sie  wird  den  höchsten  Anforderungen  ge- 
recht... Ein,  Vergleich  der  beiden  Lieferungen  zeigt,  dass 
die  zweite  die  erste  übertrifft  hinsichtlich  .der  Wahl  des 
behandelten  Stoffes  und  der  Reichhaltigkeit  der  daraus 
erwachsenden  Einzelaufgaben, 

Ein  anderer  Umstand,  welcher  zu  Gunsten  der  -2.,Lie- 
ferung  • spricht,  ist  ■ der,  dass  in,  ihr  alle  Selb'stschatten  mit 
einerlei -Ton  und  alle  Schlagschatten  gleichmässig  lasirt 
sind,,  während  auf  einigen  Blättern  der  früheren  Lieferung 
zur,  Erzielung  einer  grösseren  Plastik  auf  die  ' Vertiefung 
der  schattirten  Flächeiitheile  Rücksicht  genommen  War. 
Abgesehen  davon,  dass  eine  gewisse  Luftperspektive  bei 
Gegenständen  von  geringer -Vertiefung  kaum . zur';  Geltung 
kommt  und  dass  sie  sich -mit  Parallel-Pröjektion  nicht  gut 
verträgt,  erschwert  die  verschiedene  Abtönung  dem  Stu- 
direnden  die  zeichnerische  Wiedergabe  des  Blattes,  viel- 
leicht auch  die  Auffassung.  Wir  können  feststellen,  dass 
die  neuen  Blätter  durch  die  erwähnte  Vereinfachung  nur 
gewonnen  , haben  und  an  Anschaulichkeit  den  früheren 
nicht  im-  geringsten  nachstehen;  diese  Verbesserung- steht 
im,  Gegensätze  zum  Vorgänge  vieler  anderer  Werke. , 

Die  in  Anwendung  kommenden  Konstruktionen'  über- 
raschen durch  ihre  Einfachheit  und'beruhen  trotzdem  auf 
strenger  Wissenschaftlichkeit.  Die  angewendeten  archi- 
tektonischen Formen  befriedigen  selbst  strenge  Anforde- 
rungen. -Das  Textbuch  ist  klar  und  verständlich  und  bietet 
einen  sicheren  Leitfaden  für  die  Durchführung  der  einzel- 
nen Konstruktionen.  Wir  können  jeder  technischen  Lehr- 
anstalt, selbst  solchen  höheren  Ranges,  das  inredestehende 
Werk  nur  bestens  empfehlen.  — M.  Hacker. 

Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Beiden,  C.  W.  Rabatt-Tabeljen  für  Fabrikanten  und 
Grosshändler,  welche  mit  Rabatt  verkaufen.  Text  in  Deutsch 
und  Französisch.  Hannover  igoa.  Gebr.  Jänecke.  Pr.  2,50  M., 
Bennstein, .Alexander.  Die  R e in  i g u n g der  S c h u 1 z i m m e r. 

Dt.-^ilmersdorf  1902.  Selbstverlag.  Pr.  60  Pf; 

Borrmann,  R.  & R.  Graul.  D i e B a u k u n s t-  8.  Heft,  II.  Serie. 
Mauern  und  Thore  des . alten  Nürnberg  von  K.  Schaefer; 
Berlin.  1902.  W.  Spemann.,  Pr.  4,  M. 

Buls,  Chr.,  Bürgermstr.  Aesthetik  der  Städte.  Autorisirte 
Uebersetzung  von  Ph.  Schäfer.  2.  Aufl.  Giessen  1898.  Emil 
Roth.  Prv  I M. 

Ehlerding,  W.  D e r K u n s t s c h ra  i e d.  Vorlagen  für  Schlosser- 
und  Schmiedearbeiten.  3 u.  4.  Heft.  Ravensburg.  Otto, 
Maier.  Pr.  des  Heftes  50  Pf.  , 

Feuerherd,  Franz.  Die  Entstehung  . der  Stile  aus  der 
politischen  Qekonomie.  i.  Th.  Die  bildende  Kunst  der. Grie- 
chen und  Römer.  Braunschweig  1902.  Rieh.  Sattler.  Pr.  3,60  M. 
Grossmann,  E.  Billige  Wohnhäuser  in  moderner 
Bauart.  Mustergiltig  ausgeführte  Ein-  und  Zwei-Familien- 
häuser zu  Baupreisen  von  8 — 15000  M.  5.  u.  6.  Liefrg. 
Ravensburg.  Otto  Maier.  Pr.  der  Liefrg.  (vollst.  in  10  Liefrg.) 

1,50  M.  ' ; ; 

Gutheil,  j.  R.,  Bücherrevisor.  Buch!  üb  r u n gs - Unterricht. 
(Methode  Gutheil).  Kaüfmännische'ünterrichtsbriefe.  4.  Kursus. 
Berlin- igo2.  Selbstverlag.  Pn  geh.  1,20  M,,  geb.  1,80  M. 
Haase,  U.,  Ing.  Erfirnder-Taschenbuch.  Ein  Rathgeber 
für  Jedermann  über  Erfindung,  Erfindungsschutz^  Erfindungs- 
yerwerthung.  Leipzig  - 1992.  Rudolf- Uhlig.  ' Pr.  1,40  M. 
Haberland,  Georg.  Für  das  Bauhandwerk.  Kritik  der 
. neuesten  Gesetzentwürfe  des  Reichsjustizamtes.  Berlin  1902. 
Leonhard  Simion.  Pr.  50  Pf. 

Joseph,  Prof.  Dr.  p.  W;as  muss  man  von  der  Architek- 
tur der  Neuzeit  wissen?  Leitfaden  der  Archittkten- 
Gesehichte  der  . Renaissance,  des  Barock,  Rokoko,  Klassizis’- 
. ;tnus  und  des  19.  Jahrhunderts..  Berlln-.igoi.  . Hugo  .Steinitz. 


Kanitz,  F.  Katechismus  der  Ornamentik.  Leitfaden 
über  die  Geschichte , Entwicklung  und  charakteristischen 
Formen  der  Verzierungsstile  aller  Zeiten.  ,6.  Aufl.  Leipzig 
1902.  J.  J.  Weber.  Pr.  2,50  M. 

Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin,  Bibliothek- 
Katalog,  Heft  2.  Dekorative  Malerei.  2.  Aufl.  .Berlin 
1902.  W.  Spemann.  Pr.  25  Pf. 

Keck,  Wilh.,  Geh.  Reg.-Rth.  Vorträge  über  graphische 
S t a'tik' mit  Anwendung  auf  die  Festigkeits-Berechnung  der 
Bauwerke.  2.  Auflage.  -Hannovei  1902.  Helwing’sche  Ver- 
.lagsbchhdlg.  Pr.  3 M.  ; ; . . . . . ; 

Kempf,  , Friedr.,  A'rch.,  , Das.  Münster  zu  Freiburg  irn 
Breisga.u  und  seine  ■Wiederherstellung.  Freiburg  i.  Br. 
1902. '.Herdef’sche  Verlagsbchhdlg.  Pr.'r  M..  .' 

Mi'ethe,'Prof.  Dr.  A.'  Lehrbuch  der  p r ä kti  s ch  e n- Ph  0 1 o- 
graphie.  2.  Auflage.  Halle  a.  S.  1902.  Wilhelm  Knapp. 
,Pr.  -ID  M.  • ' ^ . 

Personal-Nachrichten.  ^ 

Deutsches  Reich.  Die  Regi-Bmkr.  ,C  i e c i e r s k i än  Strass- 
burg i.  E.  und  So'ehring  in' Chateaü-Salins  sind  zu  Eisenb.-Bau- 
ü.  Betr.-Insp.  bei  der  Reichseisenb.  in  Els.-Lothringen  ernannt.  • 
Garni  s.on-Baüv  er  Walt  uh  g.;  Versetzt  sind:  der  Int- u.'^Brth. 
Koch  von  der  Int,  des  V.  Armee-Korps  .zur  Int  .des  X.  A.-K.; 
der  Garn.-Bauinsp.  Brth.  Kni  tt  e r s c h e i d in  Metz  zur  Int,  des 
V.  A.-K.'  und  mit  Wahrnehmung  der  Geschäfte,  des  Int.-  u.  B.rths. 
■beauftragt;  die  Garn.-Bauinsp.  Brthe.  Reimer  in  Frankfurt  a;  M. 
näch  Metz  II,  Schwenck  in- Magdeburg  zur  Int.  des  XVin.  A-- 
K.  -und  mit  Warnehniung  der  -Geschalte  eines  Int-  u.  Brths.  be- 
auftragt, RohlfingVin  Köln  nach- Paderborn;  die  Garn.-Bauinsp. 
Stahr  in  Glo'gau  nach  Köln  I,  Zappe  in  Magdeburg  nach  Magde- 
burg I,  Liebenau  bei  der  Int  des  -XV.  A.-K.  dach  Glogau, 
Wiesebaum  bei  der  Int.  des  XVL  A.-K.  nach  Magdeburg  III, 
Bender  iri  der  Bauabth.  des'Kri'egsminist  nacK  BerlinTI  (Militr 
Institute),  Wefel-s'bei  der  Int.  des  XVIIL  A.-K;,  nach  Frankfurt 
•a;-M.,  Krebs -bei  der  Int  des- Garde-Korps  zur-Int;  der. Militär. 
Inst  und  als  techn.  Hilfsarb.  in  dife  Bauabth.- des-'Kriegsminist  • - ■ 
Bayern.  Der  Dir.-Rath  Voltz  in  Augsburg  ist  gestorben. 
Preussen.  Versetzt  sind:  die.  Reg.-  u.  Brthe.  Richter.  in 
.Speldorf  als  Vorst  der  Masch.-Insp.  i nach  .'Schheide'mühl  und 
Baum  in  Hannover  nach  Leinhausen  als  Vorst'ein'er  Werkst-Insp. 
bei -der -Hauptwerkst  • das.;  — die  Eisenb.-Bau--  u.  Bett.'-Insp. 
M eil  ly  in  Gandersheim  zur  kgh  Eisenb.-Dir.  in  Hannover,  Jaspers 
in  Köln  als  Vorst,  der  Bauabth..  nach  Nideggen,  Richard  in  Essen 
als  Vorst  der  Bauabth.  nach  Lünen,  Schürmann  in  Köln  als 
.'Vorst'  der  Bauabth.  nach  M.-Gladbach,  H ah  n'z  0 g in  Koburg  nach 
-Vacha  zur- Anfertigung  ausführl.  Vorarb.  • für  Vacha-Wenigentaft- 
Geisa,  Müller  in  Wipperfürth  zur:kgl.  Eisenb-.-Dir.  in  Elberteld, 
Gehth'  in  Duisburg  zur  kgl-.  Eisenb.-Dir.  in  Essen,  Krause  in 
Seh-weldnitz  nach-Berbn  zur  Beschäftigung  im  techn.  Eisenb.-Bur. 
'.des  Minist,  der  öffentl.  Arb.,  R i e b e n s a h ui  in  Danzig  als'Vorst. 
der  Bauabth.-  nach  Reinerz  - und  , S c h i e f l e r in' Hjrsehberg  rals 
Vorst  der  Bauabth^ -nach  Sch-weidnitz ; die  Eisenh.-Banüisp. 
Glimm  in  Schneidemubl  ah  Vorst  der  Masch.-lnsp.  2 nach  Hanno- 
ver, Paschen  in  Königsberg  i.  Pr.  als  Vorstjauftrw.)  der  Masch.- 
Insp.  nach  Lissaund  Blindo  w in  Lissa  zur  kgl.  Eisenb.-Üir,  in 
Königsberg  i.  Pr. 

Dem  grossh.  hess.  Eisenb.-Dir.  Querner  in  Darmstadt  ist 
die  Stelle  des  Vorst,  der  Werkst -Insp.  das.  und  dem  grossh.  hess. 
Eisenb.-Bauinsp.  Stiel  er  in  Darmstadt  die  Stelle  des  Vorst  der 
Masch.-Insp.  das.  verliehen. 

Die  Geh.  Brthe.  Robrmann  in  Bromberg  und  Doülin  in 
Breslau,  der  Reg.-  u.  Brth.  Danziger  in  Posen,  der  Eisenb.-Dir. 
z.  D.  Becker  in  Hannoverj  der  Brth.  z.  D. , S t e i g e r t h a 1 in 
Stettbi  die  Kreis-Bauinsp., Brthe.  M e b us  in  Drossen  u.  Gn  u s c hk  e 
in  Quedlinburg  sind  in  den  Ruhestand  getreten. 

Den  Reg.-Bmstrn.ßrunoG  au  e r in  Schlochau,  PaulD  r e s ch  e r 
in  Elberfeld  und  Heinr.  Siebern  in  Hannover  ist  die  nachges. 
Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt,  — - 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  W.  R.  in  B.uxtehude.  In , hannoverschen  Städten,  be- 
stand vielfach  ein  Gewohnheits-  oder  Ortsrecht,  wonach  Baulich- 
keiten in  gewissem  Abstand  yon  einander  zu  errichten  waren.  Zu 
diesem  Abstande  musste  jeder  Nachbar  die  Hälfte  hergeben.  Diese 
Bauweise  beruhte  auf  der  Annahme,  dadurch  der  Feuersgefahr 
wirksamer  vorzubeugen  und  das  Uebergreifen  des  Feuers  auf  das 
Holzvi?erk  des  Nachbars  zu  verhindern.  Ob  in  den  Städten  des 
Reg.-Bez.  Stade  dieses  Gewohnheitsrecht  gegolten  hat,  können  wir 
hier  nicht  feststellen,  glauben  es  jedoch  aus  den  Wahrnehmungen 
aonehmen  zu  dürfen,  dass  vielfach  derartige  Z-vyischenräume  vor- 
. handen  sind.  'Besteht  ein  Zwischenraumsrecht,  so  bildet  die  dafür 
liegen  gebliebene  Fläche  eine  Gemeinschaft,  die  einseitig  nicht  be- 
schränkt werden  kann.  Sie  dürfen . also  auf  der  Grenze  nur  im 
Einverständniss  des  Nachbars  Baulichkeiten  oder  Grenzscheidungen 
aufführen.  Wir  verweisen  Sie  nach  dieser,  Richtung  auf  den  kürz- 
lich . von  uns  gebrachten  Aufsatz  . über  Zwischenraumsrecht, 
(No.  roi,  jährg.  ippr),  aus  dem  Sie  die  einschlagend.en  Rechtsver- 
hältnisse entnehmen  und  die  Richtschnur  für  Ihr  'Verhalten  ge- 
winnen können.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  H.  in  M.-Gladbäch.  Es  giebt  zur  Vertreibung 
des  Geruches  kein  arideres  Mittel,  als  andauernde  Lüftung.  — 

Inhalt:  Berliner  Neubauten.  ,No.  102.  DieUm-wandlimg  md  die  Neu- 
bauten des  Zoologischen  Gartens  (Fortsetzung).  Mittheilungeri  aus  Ver- 
einen. — Vermischtes' — Preisbewerbüngen.  — Bücherschäu. — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten.-  • ; ; 


Verlag  der-Deutschen  Baüzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
•verantwortl.  -Albert  H-of-üiann:,  Berlin. - Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlih, 

No.  29. 


,188 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  ^ 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NQ;  30.  ^ 
DEN  12.  APRIL  1902. 

is:s:st«rss!K«2jÄSfÄ9tsra: 


Villa  Stroblberger  in  Thalkirchen  bei  München. 

Architekten;  Gebr.  Rank  in  München. 


(Hierzu  eine  Bildbeilage  und 

eneBewegung,  welche, vonEngland  kommend, 
seit  einigen  Jahren  die  jüngeren  Kräfte  des 
Kunstgewerbes  mit  fortgerissen  hat  und  voll- 
ständig im  Bann  hielt,  hat  auch  in  der  Ar- 
chitektur ihre  Spuren  hinterlassen  und  so 
sehen  wir  in  München,  welches  gewissermaassen  der  Hort 
mittelalterlicher  Bauweise  und  einer  Kunstanschauung 
ist,  begründet  einerseits 
auf  den  ehrwürdigen 
Vorbildern  glanzvoller 
Vergangenheit,  ande- 
rerseits auf  einer  für 
München  typisch  ge- 
wordenen Stilform, 
man  könnte  sagen  dem 
Münchener  Stil,  auch 
einige  Vertreter  der 
Baukunst,  deren  künst- 
lerisches Schaffen  aus 
diesem  Rahmen  her- 
austritt und  eigene  Bahnen  wandelt.  Allen  voran  steht 
hier  der  Name  Martin  Dülfer,  der  in  seinen  neueren 
Arbeiten  sein  ihm  liebgewordenes  Empire  verleugnet 
und  nur  ab  und  zu  Erinnerungen  daran  durchblicken 
lässt.  Als  Beispiel  einer  anderen  Richtung,  welche  aui 
dem  Studium  klassischer  Formensprache  aufgebaut, 
jedoch  mit  modernem  Beiwerk  durchsetzt  ist,  möge 
die  hier  vorgeführte,  im  Jahre  1900  erbaute  Villa 
Stroblberger  in  Thalkirchen  dienen. 

Da  jedes  architektonische  Bauwerk  unter  normalen 
Verhältnissen  auf  eine  Lebensdauer  von  mehr  denn 


die  Abbildungen  auf  Seite  193-) 

hundert  Jahren  rechnen  darf,  so  soll  auch  sein  Gewand 
so  gewählt  sein,  dass  es,  über  dem  wechselnden  Zeit- 
geschmack stehend,  stets  seinen  ästhetischen  Werth 
behalten  wird,  d.  h.  es  muss  künstlerisch  durchdacht 
und  seelisch  empfunden  sein.  Und  es  wird  dies  umso 
mehr  der  Fall  sein,  wenn  es  alte  Formen  zur  Grund- 
lage hat,  wenn  diese  Formen  im  Geiste  der  gegen- 
wärtigen Zeit  umge- 
staltet und  den  prak- 
tischen Bedürfnissen, 
sowie  dem  zur  Aus- 
führung gewählten  Ma- 
terial angepasst  sind. 
Das  Bedürfniss  nach 
Flächenbildung  und 
nach  vornehmer  Ein- 
fachheit, wie  wir  sol- 
ches im  klassischen  Al- 
terthum finden,  später 
in  der  Renaissancezeit 
und  derSchinkelpcriodewieder  auftauchen  sehen,  ist  ein 
Kennzeichen  unserer  modernen  Kunstanschauung.  Und 
mit  Recht,  denn  die  Fläche  ist  das  günstigste  Moment 
zur  Belebung  und  Betonung  des  dieselbe  umgebenden 
Ornamentes;  je  sparsamer  mit  letzterem  und  je  aus- 
giebiger mit  ersterer  gearbeitet  wird,  um  so  günstiger 
wird  die  Wirkung  beider  ausfallen.  Aegyptische  Bau- 
denkmäler, die  Rathhäuser  der  deutschen  Renaissance 
und  namentlich  das  einfache  Bauernhaus  mit  seinen 
grünen  Fensterläden  sind  packende  Beispiele  hierfür. 
Einer  ausgiebigen  Behandlung  der  Fläche  kommt  in 

189 


München  der  Mangel  eines  in  der  Nähe  auffind- 
baren natürlichen,  wetterbeständigen  Hausteines  zu- 
gute, dessen  verschieden-  und  eigenartige  Behandlung 
auch  eine  solche  der  Fläche  ermöglichen  würde.  Der 
weichere,  sich  besser  formende  Kalkmörtel  hat  den 
Zementmörtel  mit  seinen  selbst  bei  grösstem  Sand- 
zusatz nicht  zu  vermeidenden  Haarrissen  vollständig 
verdrängt.  Zu  welch’  künstlerischer  Gestaltung  der 
Fläche  ersterer'nöch  zubringen  ist,  haben  in  München  die 
Behandlung  des  Innenraumes  im  neuen  Schauspielhause 
durch  Littmann  und  Theodor  Fischer's  Schulhäuser  ge- 
zeigt, und  scheinbar  stehen  wir  erst  in  den  Anfangs- 
stadien der  Entwicklung  dieses  billigsten  Dekorations- 
mittels. Auch  der  zur  Ausführung  solcher  Arbeiten  ge- 
rufene Münchener  Maurer  setzt  bereits  seinenEhrgeizund 
sein  jedem  Menschen  mehr  oder  minder  angeborenes 
Schönheitsgefühl  darein,  durch  neu  erfundene  Arten 
und  Schablonen  der  Fläche  Belebung  und  Abwechse- 
lung zu  geben.  In  vorliegendem  Entwurf  hat  sich  die 
Behandlung  auf  Kalk-Riesel  wurf  undFiizzug  beschränkt, 
während  das  Ornament  eingesetzt  wurde.  Die  aus- 
schliessliche Verwendung  der  Farben  Ocker,  Grün  und 
Grünblau  auf  weissgetünchtem  Fassadengrunde  bei 
vollkommener  Vermeidung  von  rothen  Tönen  geben 
dem  Aeusseren  dieser  Villa  eine  harmonische,  frische 
Farbenstimraung.  Roth  leuchtet  aber  doch  zur  Sommer- 
zeit aus  dem  grünen  Blätterhintergrunde,  das  feurige 
Roth  der  Geranien  und  Begonien,  für  deren  Anbringung 
an  fast  jedem  Fenster  und  am  oberen  Theil  der  Baikone 
durch  eisengeschraiedete  Bluraengitter  Vorsorge  ge- 
troffen ist.  Die  Motive  des  Ornaments  sind  der  Flora 
und  ' Fauna  des  Waldes  entnommen,  stilisirtes  Moos 
und  Löwenzahn,  Eber,  Schlange  und  Hirschkäfer,  so- 
dass  auch  in  dieser  Beziehung  Einheitlichkeit  herrscht. 

Die  schiefe  Lage  der  Hausaxe  zur  Baulinie  er- 
schwerte die  Grundrisslösung,  ermöglichte  aber  an- 
dererseits eine  malerische  Lösung  der  Südecke.  Die 
Trennung  der  Wirthschaftsräume  von  den  Wohn- 
räumen  erfolgt  durch  eine  Nebentreppe,  welche  Keller, 
Küche  und  Speicherräume  verbindet. 

Der  Wunsch  des  Bauherrn  ging  dahin,  für  sämmt- 
liche  Räume  Abwechselung  in  den  Stilformen  zu  haben 
und  je  nach,  der -Bestimmung  des  Raumes  denselben 
strenger  oder  gemüthlicher  zu  gestalten.  Deshalb  ist 
die  Diele  in  klassischen  Formen,  mehr  als  Empfangs- 
raum gedacht;  um  diese  Diele  gelagert  sind  ein 
gemüthliches  Wohnzimmer  in  gothisirender  Holz- 
architektur, die  Herrenzimmer  als  romanische  Studir- 
Idosterstube  und  als  Jagdzimmer  mit  vorherrschender 
grüner  Farbe,  im  Biedermeier-Charakter,  hieran  an- 

Eine  charakteristische  Eigenschaft  der  neueren 
Baukunst. 

ass  die  Baukunst  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  als 
ein  Ganzes  betrachtet,  einen  ausgesprochenen  Cha- 
rakter erkennen  lasse,  wird  bekanntlich  von  vielen 
Seiten  überhaupt  bestritten,  oder  es  wird  zum  wenigsten, 
wo  man  die  Möglichkeit  zugiebt,  die  Feststellung  der  cha- 
rakteristischen Merkmale  gewöhnlich  als  z.  Z.  noch  nicht 
angängig  oder  auch  überflüssig  einer  zukünftigen  Kunst- 
forschung anheimgestellt.  Nun  ist  aber  die  Selbsterkennt- 
niss,  d,  h.  die  Erkenntniss  des  relativen  Werthes  unserer 
eigenen  künstlerischen  Errungenschaften,  für  unser  dem- 
nächstiges  Thun  und  Lassen  jedenfalls  von  Bedeutung, 
sodass  man  schon  heuteeinen  Versuchmachenkann,  dieneu- 
zeitliche  Baukunst  auf  etwaige  charakteristische  Besonder- 
heiten hin  zu  untersuchen.  Und  so  lange  es  nicht  fest- 
steht, dass  dieses  angenommene  Charakteristikum  ein  ein- 
ziges und  für  den  gesammten  Bereich  der  modernen 
Architektur  gemeingiliiges  ist,  darf  es  schon  als  ein  Ge- 
winn angesehen  werden,  wenn  der  Nachweis  gelingt,  dass 
zum  wenigsten  ein  grosser  und  wesentlicher  Theil  aller 
jener  baukünstlerischen  Erzeugnisse,  welche  entstanden 
sind  unter  der  Herrschaft  des  neuzeitlichen  Eklektizismus 
auf  stilistischem  Gebiet,  ein  bestimmtes  gemeinsames,  von 
der  jeweiligen  Stilart  unabhängiges  Unterscheidungs-Merk- 
mal trägt,  durch  welches  diese  angeblich  im  Geiste  der 
Antike,  des  Mittelalters  oder  der  Renaissance  erfundenen 
Werke  klar  und  deutlich  vor  ihren  „echten"  Vorbildern 
gekennzeichnet  sind. 

Ein  solches  Unterscheidungs-Merkmal  soll  im  Folgen- 
den nachgewiesen  werden  in  einer  gewissen  baulichen 

190 


schliessend  der  Salon,  der  Musikraum  des  Hauses, 
mit' bewegten  Linien  und  Kreisen,  in  blau  gehalten, 
sodann,  mit  diesem  durch  ein  kleines  Pförtchen  ver- 
bunden, der  Wintergarten.  Ira  Obergeschoss  liegen 
die  Schlafzimmer  in  Empire,  das  Damenzimmer 
und  die  anderen  Räume  in  Barock  und  fröhlichem 
Rokoko. 

Wird  der  Eintretende  durch  die  strengen  Linien 
der  klassizirenden  Formen  der  Diele  einen  Augenblick 
in  Bann  gehalten,  so  löst  sich  dieser  bald  durch  das 
Murmeln  und  Plätschern  eines  gegenüber  dem  Eingang 
befindlichen  Brunnens.  Durch  Einlegen  der  Differenz- 
treppe in  den  Dielenraum  wurde  ein  bemerkens werthes 
malerisches  Moment  gewonnen.  Desgleichen  wurde  die 
Haupttreppe  mit  ihrem  Anfänge  ausserhalb  des  Raumes 
angelegt,  wodurch  dieser  intimer  und  für  sich  abge- 
schlossener erscheint,  sodass  der  Diele  der  Eindruck 
eines  Treppenhauses  genommen  ist.  Hier,  als  der  Fort- 
setzung von  Aussen,  ist  wieder  mit  der  etwas  derben 
Putzmanier  gearbeitet;  ein  in  gleiche  Felder  getheilter 
Thierfries  urasäumt  den  oberen  Theil  der  Wände;  ein 
nicht  allzubreit  angelegter  Podest,  zugleich  Vorplatz 
der  oberen  Räume,  gestattet  dem  Eintretenden  den 
Blick  nach  dem  Obergeschoss.  Die  Tagesbeleuchtung 
des  Raumes  erfolgt  von  der  Schmalseite,  an  deren 
entgegengesetzter  Wand  ein  grosser  Spiegel  die  Diele 
räumlich  bedeutend  grösser  erscheinen  lässt.  Die 
Nachtbeleuchtung  dagegen  geschieht  durch  herab- 
hängende Glühlampen,  welche  an  einem  eisenge- 
schmiedeten Ständer  befestigt  sind,  der  durch  Ketten 
mit  der  den  Podest  tragenden  Säule  verbunden  ist. 
Die  gleiche  einheitliche  Durchbildung  im  Stil  erfuhren 
auch  die  Heizkörper-Verkleidungen. 

Im  Wohnzimmer  ist  durch  eine  kleine,  durch  das 
Buffet  begehbare  Wendeltreppe  die  Verbindung  mit 
der  im  Keller  liegenden  Kegelbahn  gebildet.  Lauschige 
Winkel  und  ein  um  öo'^“  erhöhter  Runderker  mit 
Sitzbank,  desgleichen  die  braungebeizte  Holzbeklei- 
dung von  Decke  und  Wänden  theils  in  Föhren-,  theils 
in  Zirbelholz  erhöhen  den  Eindruck  der  Wohnlichkeit. 
An  der  Schmalwand  des  Wohnzimmers  neben  dem 
Eingang,  somit  in  der  Langaxe  des  Raumes,  herrscht 
der  weissgeputzte  Kamin,  dessen  mittlere  Oeffnung 
die  offene  Feuerung  birgt,  während  in  den  seitlichen. 
Theilen,  durch  gestanzte  Bleche  verdeckt,  die  Heiz- 
körper Aufnahme  gefunden  haben.  Durch  Tieferlegen 
dieses  Raumes  um  3 Stufen  ist  nicht  allein  die  Höhe 
des  Zimmers  bedeutend  vergrössert;  dieser  Höhen- 
unterschied bildet  auch  ein  vorzügliches  Mittel  zum 
besseren  Ueberblick. 


Eigenart,  welche  man  als  die  Neigung  zu  dekorativer 
Gliederung  der  Massen  bezeichnen  kann;  und  wenn 
dieser  Nachweis  auch  nicht  oder  wenigstens  nicht  in  allen 
Einzelheiten  den  Werth  einer  Neuentdeckung  in  Anspruch 
nimmt,  so  möge  er  hingenommen  werden  als  eine  gerade 
im  gegenwärtigen  Augenblick  vielleicht  nicht  unnütze 
Erinnerung. 

Vor  uns  liegt  eine  Abbildung  der  alten  Mauthalle  zu 
Nürnberg;  daneben  das  Bild  eines  italienischen  Palastes, 
etwa  des  Palazzo  Albergati  zu  Bologna.  Zwischen  diesen 
beiden  Werken  welch’  ein  Abstand  in  dem  praktischen 
Zweck,  dem  zu  dienen  sie  einst  errichtet  wurden,  in  den 
vorauszusetzenden  künstlerischen  Absichten  ihrer  Meister, 
in  dem  Stil  und  dem  Reichthum  ihrer  schmückenden 
Bekleidungsformen!  — Und  doch  weckt  ihr  Anblick 
wenigstens  in  einer  grossen  Beziehung  nahe  verwandte 
Stimmungen.  Es  ist  ganz  gewiss  nicht  allein  der  dunkel- 
farbige Niederschlag  der  Jahrhunderte  auf  den  wuchtigen 
Steinmauern,  wodurch  unser  seelisches  Empfinden  er- 
griffen wird  wie  von  einer  Geistererscheinung  aus  der 
Zeit  unserer  baukünstlerischen  Ahnen:  sondern  wir  fühlen 
es  lebhaft,  dass  in  der  architektonischen  Haltung  selbst 
ein  Etwas  verborgen  liegt,  das  unserer  heutigen  Art  zu 
entwerfen  im  Innersten  fremd  ist.  Auch  der  unbe- 
fangenste Beurtheiler,  auch  der  nicht  kunstverständige 
Laie  wird  mit  Bestimmtheit  erklären;  das  sind  alter- 
thtimliche  Bauten,  so  pflegte  man  vor  Jahrhunderten  zu 
bauen,  für  unser  modernes  Gefühl  sind  sie  zu  ungefüg, 
zu  schwer!  — Und  das  alles,  obwohl  die  Stilformen  der 
einen  wie  des  anderen  uns  auch  heute  wieder  durchaus 
geläufig  sind,  wie  im  allgemeinen  auch  die  ursprüngliche 
Zweckbestimmung  und  nicht  minder  die  hauptsächlichen 

No.  30. 


Die  herrliche  Lage  des  Bauplatzes  mit  dem  ent- 
zückenden Blick  in  das  waldbewachsene  Isarthal  und 
dem  Rundblick  über  die  ganze  Alpenkette  waren  Ver- 
anlassung, dem  Atelier  im  zweiten  Obergeschoss  eine 
grössere,  theils  gedeckte,  theils  ungedeckte  Veranda 
vorzulegen.  Zur  Verhinderung  zu  starker  Abkühlung 
der  darunter  liegenden  Zimmer  wurde  unter  der  Beton- 
decke eine  Luftisolirung  eingefügt.  Einen  vollständi- 
gen Blick  auf  das  Weichbild  der  Stadt  einerseits  und 
die  bewaldete  südlich  gelegene  Landschaft  andererseits 
gestattet  der  obere  runde,  am  Dachfirst  angelegte 
Austritt,  in  dessen  Mitte  der  Blitzableiter  das  ganze 
Gebäude  gegen  elementare  Gefahren  zu  schützen  hat. 


Wäsche-  und  ' Bügelkammer,  sowie  Fremden- 
zimmer und  .Mägdekammern  sind  im  zweiten  Ober- 
geschoss untergebracht,  die  Küche  im  Erdgeschoss, 
Kesselraum  und  Eiskeller  im  Untergeschoss.  Das  Ge- 
bäude hat  Warmwasserheizung  und  elektrisches  Licht. 
Leider  ist  bis  zu  diesem  Punkte  die  Kanalisation 
Münchens  noch  nicht  vorgedrungen,  sodass  noch  das 
Grubensystera  angewendet  werden  musste,  i cbm  um- 
bauten Raumes  von  Kellersohle  bis  Oberkante  Dach- 
geschoss stellt  sich  auf  23,40  M.  einschl.  Einzäunung. 
— Die  Ausführung  stammt,  wie  der  Entwurf,  von  der 
Firma  Gebr.  Rank.  — tt  p 


Die  Stellung  der  bayerischen  Staatsbahn-Ingenieure. 


ie  etwas  veraltete  Gliederung  der  bayerischen  Staats- 
' eisenbahn-Verwaltung  hat  zur  Folge,  dass  der  grösste 
Theil  der  technischen  Beamten  dieser  Verwaltung 
zeitlebens  in  ganz  untergeordneten  Steilungen  aushalten 
muss.  Es  untersteht  nämlich  das  bayerische  Staatsbahn- 
netz,  zu  dessen  Betrieb  eine  beträchtliche  Anzahl  von 
Beamten  und  Bediensteten  nöthig  ist,  der  Leitung  der  im 
Ranae  nur  einer  Kreisregierung  gleichkommenden  General- 
direktion, welcher  als  Ausführungs-  und  Vollzugs-Behörden 
unter  anderen  10  Eisenbahn-Betriebsdirektionen  im  Range 
von  Bezirksämtern  untergeordnet  sind.  Diesen  Betriebs- 
direktionen sind  wieder  als  Ausführungs-  und  Vollzags- 
dienst-Stellen  für  den  Betrieb  die  Bahnstationen  und  Be- 
triebswerkstätten, für  die  bauliche  Unterhaltung  und  Bahn- 
bewachung die  Staatsbahn-Ingenieure  und  schliesslich  die 
Bahnmeister  untergeordnet.  Die  Staatsbahn-Ingenieure,  von 
deren  Stellung  wir  sprechen  wollen,  sind  Beamte  im  Range 
und  Gehalte  der  Vorsteher  der  Bezirksämter.  Während  aber 
diese  Amtsvorstände  mit  ziemlich  weitgehenden  Befug- 
nissen ausgestattet  sind, , ist  die  Zuständigkeit  der  Staats- 
bahn-Ingenieure als  Vorstände  der  gleichbenannten  Dienst- 
stellen eine  nur  sehr  beschränkte,  die  sogar  hinter  jener 
der  Betriebswerkstätten  zurückbleibt,  obwohl  die  Vor- 
standschaften  dieser  den  Staatsbahn-Ingenieuren  gleich- 
geordneten Dienststellen  vielfach  mit  Beamten  niedrigeren 
Ranges  besetzt  sind. 

Das  Missliche  dieser  Verhältnisse  wohl  fühlend,  suchte 
man  früher  die  Härte,  die  in  der  untergeordneten  Stellung 
der  Staatsbahn-Ingenieure  liegt,  dadurch  etwas  zu  mildern, 
dass  man  dieselben  zu  Referenten  der  Oberbahnämter 
machte,  wodurch  ihnen  ein  grösserer  Einfluss  auf  den 
Gang  der  Geschäfte  und  besseres  Ansehen  gewährt  wurden. 
Allerdings  befanden  sich  dabei  die  Staatsbahn-Ingenieure 
in  einer  Zwitterstellung,  indem  sie  auch  Ausführungs-  und 
Vollzugs-Beamte  blieben.  Immerhin  konnten  sie  sich  im 
Rahmen  der  damaligen  Gliederung  der  bayerischen  Staais- 
bahnen  mit  dieser  Geschäftszutheilung  zutrieden  geben.  — 
Nun  hat  aber  das  mit  der  Oberleitung  der  bayerischen 


Grössenabmessungen  beider  Gebäude.  Auch  heutzutage 
errichtet  man  ja  wieder  allenthalben  gothische  Profange- 
bäude und  Renaissancepaläste  von  gewaltiger  Ausdehnung, 
wenn  auch  der  Schwerpunkt  von  denprivaten  Werken  auf  die 
öffentlichen  gewandert  ist;  aber  wenn  ein  Meister  unserer 
Tage,  und  wäre  es  der  berufenste,  sein  Parlamentsgebäude, 
sein  Rathhaus,  seinen  Justizpalast  oder  auch  nur  sein 
grosstädtisches  Lagerhaus  — also  einen  nach  seinem 
praktischen  Zweck  der  Nürnberger  Mauthalle  verwandten 
Bau  — mit  derselben  ungegliederten  Wucht  zu  umkleiden 
wagte,  so  würde  sein  Werk  von  der  Laienkritik  zweifels- 
ohne als  nicht  „gefällig"  gescholten  werden  und  auch 
seitens  der  Kunstverständigen  dem  Vorwurf  eines  ge- 
suchten Anachronismus  schwerlich  entgehen. 

Freilich  ist  jene  einfachste  prismatische  Gestalt,  die 
man  als  Blockbau  bezeichnen  könnte,  auch  bei  den  älteren 
Werken  nicht  immer  die  Regel  oder  auch  nur  unbedingt 
vorherrschend  gewesen.  Zahllose  auf  das  reichste  ge- 
gliederte Kirchen  des  Mittelalters  und  der  Renaissance, 
aus  den  verschiedensten  Bautheilen  zusammengeflickte 
Burgen,  die  wunderlichsten  Ecken,  Krümmungen  und 
Winkel  in  den  Strassenwandungen  alter  Städte  scheinen 
sogar  eher  auf  das  Gegentheil  zu  deuten.  Allein  bei 
näherem  Zusehen  wird  uns  zunächst  das  Folgende  klar: 
diese  scharfen  Knicke  und  einspringenden  Winkel  in  den 
alten  Strassen  sind  verhälmissmässig  selten  durch  Vor- 
und  Rücksprünge  an  den  einzelnen  Gebäuden  selbst  her- 
vorgerufen, sie  entstehen  viel  häufiger  da,  wo  zwei  ver- 
schiedene Häuser  zusammenstossen;  ebenso  offenbart 
sich  der  gegliederte  Burgenbau  keineswegs  als  die  von  vorn- 
herein geplante  Zergliederung  eines  einheitlich  gedachten 
Ganzen,  sondern  vielmehr  als  eine  (manchmal  sogar  in 

12.  April  1902. 


Staatseisenbahnen  betraute  Staatsministerium  des  k.  Hauses 
und  des  Aeusseren  gelegentlich  der  im  vorigen  Herbste 
vorgenommenen  Aenderung  der  Bezeichnungen  der  Bahn- 
Behörden  und  -Beamten  die  Staatsbahn -Ingenieure  unter 
Zuweisung  despersönlichen  Titels  „Oberbauinspektor“  ihrer 
Referenten-Eigenschaft  entkleidet,  während  gleichzeitig  die 
Zuständigkeit  der  in  „ Eisenbahnbetriebs-Direktionen“  urabe- 
nannten  Oberbahnämter  nicht  unbeträchtlich  erhöht  wurde. 
Hiermit  nicht  genug,  sind  die  Staatsbahn-Ingenieure,  nach- 
dem man  ihnen  das  selbständige  Referat  entzogen  hat, 
nunmehr  gehalten,  die  Referatsgeschäfte  in  der  Eigenschaft 
als  Hilfsarbeiter  der  Referenten  nach  wie  vor  fortzuführen. 

Hierdurch  mussten  sich  die  Staatsbahn-Ingenieure  un- 
verdient zurückgesetzt  und  gekränkt  fühlen.  Aber  ihre 
Schritte  um  Rückgängigmachung  der  betreffenden  Verord- 
nung sind  erfolglos  geblieben.  Jedenfalls  hatte  das  Ministe- 
rium bei  der  Zutheilung  der  neuen  Amtsbezeichnungen  schon 
die  zukünftige  Neugliederung  der  bayerischen  Staatsbahn- 
Verwaltung  im  Auge.  Man  will  nämlich  dem  Muster  der 
preussischen  Staatsbahn-Verwalmng  nicht  folgen,  da  man 
die  Bezirke  der  Betriebsinspektionen  für  zu  klein  für  die 
Durchführung  eines  entsprechenden  Bahnbetriebes  hält, 
und  glaubt  durch  Errichtung  getrennter  Betriebs-  und  Ban- 
inspektionen von  grösserer  Ausdehnung  bessere  Erfolge 
zu  erzielen.  Dies  wäre  aber  wieder  nur  auf  Kosten  der 
Staatsbahn-Ingenieure  möglich,  welchen  einerseits  der  den 
Ingenieuren  gebührende  Betriebsdienst  vorenthalten  würde, 
während  andererseits  ihre  Anzahl  durch  Vergrösserung 
der  schon  jetzt  nicht  kleinen  Bezirke  eine  Verminderung 
erfahren  soil.  Dies  sind  sehr  wenig  tröstliche  Aussichten 
für  die  bayerischen  Staatsbahn-Ingenieure  und  wir  be- 
sorgen nur,  dass  durch  die  fortwährende  Zurücksetzung 
dieser  Beamten,  die  neuerdings  auch  dadurch  wieder  zum 
Ausdruck  gekommen  ist,  dass  Oberbauführer  zu  Vorstän- 
den von  Betriebswerkstätten  ernannt  wurden , ohne  dass 
der  Rang  dieser  Dienststellen  erniedrigt  wurde,  der  Dienst- 
eifer der  Staatsbahn-Ingenieure  so  erlahmen  muss,  dass, 
hierunter  der  Dienst  Schaden  leidet.  — — n. 


sehr  verschiedenen  Zeitabschnitten  erfolgte)  Angliederung 
oder  Zusammensetzung,  als  eine  Aneinanderschiebung 
mehrerer  mit  der  Fähigkeit  zu  einer  selbständigen  Existenz 
ausgestatteter  Baukörper  zu  einer  mehr  oder  weniger  zu- 
sammenhängenden Gruppe;  und  an  dieser  Thatsache  kann 
auch  die  bisweilen  zutage  Iretendelörmiiche  Verschmelzung 
der  zusammeiigerückten  Massen,  wie  sie  besonders  das 
spätere  Mittelalter  liebt,  grundsätzlich  nichts  ändern.  Es 
gilt  hier  eben  die  nur  ausnahmsweise  verlassene  Regel, 
dass  das  abgesondert  Scheinende  auch  wirklich  ein  selb- 
ständiges Einzelwesen  darstellt,  dass  der  Thurm  kein  blosser 
sozusagen  krankhafter  Auswuchs  eines  Wohnhauses  und 
der  vorspringende  Giebelbau  nicht  etwa  eine  launische  Aus- 
buchtung ist,  sondern  dass  beide  thatsäch  lieh  das  Ineinander- 
wachsen zweier  verschiedener  Körper  verrathen.  Ein  frühes 
und  besonders  interessantes  Beispiel  einer  solchen  Massen- 
gruppirung  bietet  u a.  schon  das  athenische  Erechtueion; 
die  Theile  — drei  in  einander  verwachsene,  z.  Th.  imaginäre 
„Blockbauten“  — sind  hier  auffallend  unähnlich  durchge- 
bildet,  und  der  Eindruck  eines  — scheinbaren  — Organis- 
mus ist  streng  vermieden.  Auch  die  an  unsere  Kirchen 
angegliederten  Thürme  bewirken  schliesslich  eine  sehr 
verbreitete  Art  von  Massengruppirung;  hier  erkennt  man 
es  ja  an  den  ältesten  in  Italien  vorhandenen  Beispielen 
ganz  deutlich,  dass  Basilika  und  Thurm  nicht  aus  der 
Zergliederung  eines  in  der  Idee  schon  vorher  vorhanden 
gewesenen  ursprünglichen  Ganzen  entstanden  sind. 

Trifft  dasselbe  nun  aber  auch  für  säramtliche  Gliede- 
rungen des  eigentlichen  Kirchengebäudes  zu?  Offenbar 
nicht;  denn  während  sowohl  der  Thurm  wie  die  Kirche 
auch  getrennt  und  etwa  in  einiger  Entfernung  neben  ein- 
ander aufgestellt  im  Wesentlichen  dasselbe  bleiben,  lässt 


191 


Kosten  der  elektrischen  Beleuchtung  nebst . vergleichenden  Bemerkungen. 


n No.  73  der  Dtschn.  Bztg.  1901  ist  eine  Mittheilung 
über  .Kosten  der  verschiedenen  Beieuchtungsarten“ 
wiedergegeben,  nach  welcher  das  Gasglühlicht  als 
das  gegenwärtig  billigste  Beleuchtungsmittel  hingestellt 
wird.  Aus  der  aufgeführten  Preisskala  geht  das  nicht  un- 
mittelbar hervor,  denn  darnach  wäre  das  Acetylen-Gas- 
glühlicht das  billigste  Beleuchtungsmittel.  Jedoch  wird  der 
Verfasser  bei  Abgabe  obigen  Unheils  wohl  auch  die  Be- 
quemlichkeit, Sicherheit  und  Zuverlässigkeit,  mit  welcher 
ein  Beleuchtungsmittel  verwendet  werden  kann,  in  An- 
schlag gebracht  haben,  und  in  diesem  Zusammenhänge 
kann  ihm  vollständig  zugestimmt  werden.  Die  Zahlen- 
angaben des  angezogenen  Artikels  sind  jedoch  nur  durch 
knappe  Angaben  begründet  und  namentlich  ist  ihre  Ent- 
stehung unerörtert  geblieben,  was  den  in  der  Praxis  stehen- 
den Bau-Fachmännern,  denen  solche  Angaben  nicht  so 
geläufig  sind,  wohl  erwünscht  gewesen  wäre.  Die  nach- 
stehenden Ausführungen  sollen  hierin  eine  gewisse  Er- 
gänzung bieten  und  zugleich  zeigen,  dass  das  elektrische 
Licht  doch  nicht  so  aussergewöhnlich  theuer  ist,  wie  dort 
angegeben  ist. 

Das  Gasglühlicht  hat  seit  seinem  Auftauchen  vor 
etwa  8 Jahren  eine  ungemein  schnelle  Verbreitung  ge- 
funden und  sich  trotz  grössten  Wettbewerbes  anderer 
Beleuchtungsarten,  hauptsächlich  vonseiten  der  Elektrizität, 
vollständig  zu  behaupten  gewusst.  Dieser  Erfolg  war  auch 
voll  begründet;  führte  doch  die  Verwendung  der  Glüh- 
strümpfe zwecks  Erhöhung  des  Lichteffektes  des  Gases 
einen  selbst  jedem  Laien  in  die  Augen  fallenden  Fortschritt 
herbei,  so  dass  man  sich  dem  gebotenen  Vortheile  nicht 
lange  verschliessen  konnte. 

Die  grosse  Lichtfülle  des  Gasglühlichtes  rührt  von  der 
grossen  Verbrennungs-  und  Strahlungsfläche  her,  welche 
durch  den  Strumpf  dem  ausströmenden  Gase  geboten  wird. 
Das  in  den  Brenner  eintretende  Gas  reisst  bei  Austritt  aus 
dem  Zuführungsrohr  Luft  mit  sich  und  erzeugt,  durch  den 
in  der  Luft  enthaltenen  Sauerstoff  in  der  Verbrennung 
unterstützt,  mittels  des  über  dem  Brenner  hängenden 
Strumpfes  ein  strahlendes  weisses  Licht.  Das  Gasglühlicht 
wird  nun  durch  die  kürzlich  auf  den  Markt  gebrachten 
Gas  - Intensivlampen  (Gasglühlicht  in  vergrössertem 
Maasstabe)  eine  weitere  Verwendung  finden.  Durch  eine 
solche  Lampe  können  etwa  8 kleine  Gasglühlichter  ersetzt 
werden,  was  insbesondere  für  Saal-,  Strassen-  und  Schau- 
fenster-Beleuchtung wichtig  ist. 

Hat  nun  das  Steinkohlen- Gaslicht  solche  Fortschritte 
zu  verzeichnen,  so  ist  die  Elektrizität  auch  nicht  müssig 
gewesen.  Sie  hat,  nach  Vervollkommnung  strebend,  zu- 
nächst dahin  gewirkt,  alle  Einrichtungen  möglichst  ökono- 
misch zu  gestalten,  um  dadurch  imstande  zu  sein,  billigere 
Verkaufspreise  für  den  elektrischen  Strom  stellen  zu 
können.  Dies  ist  denn  auch  in  mancher  Hinsicht  gelungen; 
während  vor  etwa  10  Jahren  Strompreise  von  65  ja  70  Pfg. 
für  die  Kilowattstunde  die  Regel  waren,  sind  solche  heute, 
wenn  nicht  ganz  verschwunden,  so  doch  zu  den  grössten 
Seltenheiten  geworden.  Man  rechnet  heute  mit  etwa 
50  Pf.  für  die  Kilowattstunde  elektrischer  Energie,  wenn 


sich  ein  Gleiches  z.  B.  von  der  Apsis  des  Chores  nicht 
sagen.  Denn  bei  dem  eigentlichen  Kirchengebäude  selbst 
liegt  zumeist  wirklich  die  — in  der  Idee  — nachträgliche 
Gliederung  eines  architektonischen  Individuums  vor.  Aber 
eine  willkürliche,  blos  dekorative  ist  diese  Gliederung  auch 
nicht,  sondern  es  folgt  nur  die  äussere  Schaale  getreulich 
den  Ausweitungen  des  seinem  Wesen  nach  einheithchen, 
aber  als  Basiüka,  als  Kreuzanlage,  als  Zentralbau  mit  dar- 
über schwebender  Hochkuppel  ausgebildeten  Kirchen- 
raumes. Also  die  Masse  erscheint  hier  gegliedert,  weil 
die  Gliederung  als  solche  eine  wesentliche  Eigenschaft  der 
den  Gebäudeinhalt  ausmachenden  einheitlichen  Raum- 
bildung ist.  Bei  der  Basilika  sind  z.  B.  die  niedrigeren 
Abseiten  bestimmend  für  das  Wesen  der  basilikal  genannten 
Raumbildung;  und  wenn  die  HagiaSophia  in  Konstantinopel 
anstelle  ihrer  Jichtzuführenden  Kuppel  etwa  mit  einer 
wagrechten  Glasdecke  abgeschlossen  würde,  so  wäre  gleich- 
zeitig die  Existenz  der  für  dieses  Gebäude  charakteristischen 
Raumart  vernichtet:  und  nicht  etwa  blos  die  Vollständigkeit 
der  inneren  und  der  äusseren  Erscheinung. 

Wo  dagegen  bei  einem  gegliederten,  seiner  Natur  nach 
einheitlichen  Ganzen  durch  ein  Unterlassen  dieses  Gliederns 
zwar  die  Form  verändert,  nicht  aber  diesem  Ganzen  ein 
ihm  eigenthümlicher  räumlicher  Sonderbegriff  genommen 
würde;  wo  mit  anderen  Worten  die  Gliederung  willkürlich 
erfolgt  ist,  etwa  um  der  Gebäuderaasse  ein  lebendigeres 
Ansehen  zu  geben,  den  Anschein  einer  Gruppirung  oder 
eines  organisch  gegliederten  Raumes  hervorzurufen:  da 
ist  eine  „dekorative  Massengliederung“  anzunehmen. 


der  gewöhnlich  gewährte  Rabatt  mit  in  Berechnung  ge- 
bracht wird. 

Betrifft  dieser  Fortschritt  hauptsächlich  die  innere 
Einrichtung  einer  elektrischen  Zentrale  und  den  Strom- 
verkäufer, so  hat  die  Elektrotechnik  auch  auf  dem  Gebiete, 
das  den  Verbraucher  besonders  angeht,  solche  wirth- 
schaftlichen  Fortschritte  zu  verzeichnen.  Die  verbesserten 
Konstruktionen  der  elektrischen  Lampen  weisen  gegen 
früher  eine  Energie-Ersparniss  bis  zu  30  o/,,  auf.  Der  erste 
Schritt  hierzu  wurde  mit  Kohlenfaden-Glühlampen 
erreicht,  indem  es  gelang,  solche  Lampen  mit  einem  Ver- 
brauch von  2,5  Watt  gegenüber  von  3,5  .Watt  für  die  Normal- 
kerze herzustellen.  Jedoch  sah  man  ein,  dass  auf  diesem 
Wege,  also  durch  Verfeinerung  der  Kohlenfäden  in  dat 
Glühlampen,  ein  weiterer  Fortschritt  nicht  mehr  i\ 
erzielen  sein  würde. 

Die  Konstruktion  der  Nernst-Glühlampe  lenkte 
dann  das  Streben  nach  sparsamerer  Erzielung  einer 
entsprechenden  Lichiwii'kung  in  andere  Bahnen.  Die 
Nernstlampe  beruht  auf  dem  Prinzip,  solche  Stoffe 
als  Leuchtkörper  (wie  z.  B.  Magnesium)  zu  verwenden, 
die  erst  bei  höherer  Temperatur  elektrisch-leitend  wer- 
den und  bei  Glühtemperatur,  die  zu  erreichen  und  zu  er- 
halten nur  einen  geringen  elektrischen  Energie-Aufwand 
erfordert,  an  der  Luft  ziemlich  beständig  bleiben.  Um 
mit  Verwendung  solcher  Materialien  elektrische  Glühlampen 
■herzustellen,  musste  eine  Vorrichtung  zum  Anwärmen  des 
• Glühstäbchens  innerhalb  der  Lampe  geschaffen  werden, 
wollte  man  nicht  wieder  zum  Laternen- Anstecker  zurück- 
greifen. Gegenwärtig  wird  das  Erwärmen  des  Glühstabes 
durch  eine  denGlühstab umgebende,  vomelektrischenStrom 
durchflossene  Heizspirale  besorgt.  Mittels  eines  kleinen, 
ebenfalls  in  der  Lampe  untergebrachten  Elektromagneten, 
wird  nach  erzielter  Erwärmung  des  Glühstabes  die  Heiz- 
spirale selbstthätig  aus-  und  der  Glühstab  in  den  elektrischen 
Stromkreis  eingeschaltet.  Diese  Anordnung  ist  nach  vielen 
Versuchen  nun  soweit  vervollkommnet,  dass  man  mit  der 
Nernstlampe  bei  der  Beleuchtung  rechnen  kann,  namentlich 
soweit  die  grossen  Lampen  mit  135  Kerzen  Lichtstärke  in- 
betracht kommen.  Die  Nernstlampe  verbraucht  j,8  Watt 
für  die  Normalkerze  und  besitzt  eine  verwendbare  Lebens- 
dauer von  rd.  150  Stunden.  Sie  eignet  sich  mehr  zur 
allgemeinen  Beleuchtung  von  Räumen,  weniger  zur  be- 
sonderen Platz -Beleuchtung,  da  ihre  Leucntkraft  nach 
100  Stunden  nur  noch  70%  beträgt  und  weiterhin  stetig 
abnimmt. 

Das  Neueste  auf  dem  Gebiete  der  elektrischen  Glüh- 
lampen ist  die  Osmiumlampe.  Diese  wurde  von  dem 
Erfinder  des  Glühstrumpfes,  Hrn.  Auer  von  WeJsbach, 
konstruLrt.  Dem  Aussehen  nach  unterscheidet  sich  die 
Osmium-  von  der  Kohlenfaden-Glühlampe  nicht,  es  ist  nur 
anstelle  des  Kohlen-  ein  Osmiumfaden  getreten.  Da  das 
Metall  Osmium  einen  geringen  elektrischen  Widerstand 
hat,  so  ist  es  bis  heute  nur  gelungen,  Lampen  für  eine 
Betriebsspannung  von  höchstens  50  Volt  herzustellen. 
Käuflich  sind  Osmiumlampen  noch  nicht  erhältlich,  da  das 
Metall  Osmium  sehr  theuer  und  vorläufig  auch  noch  schwer 


■ Es  lässt  sich  nun  an  der  Hand  der  Geschichte  der 
Architektur  und  nach  Maassgabe  der  noch  vorhandenen 
Denkmäler  ohne  besondere  Schwierigkeit  der  Nachweis 
führen,  dass  wohl  zu  keiner  Zeit,  solange  es  eine  Bau- 
kunst giebt,  die  Neigung  zu  dieser  Art  der  Massenbe- 
lebung — und  zwar  im  wagrechten  Sinne,  also  im  Grund- 
riss — auch  nur  annäherungsweise  so  vorherrschend  ge- 
^ wesen  ist,  wie  in  den  zuletzt  vergangenen  hundert  Jahren. 
Von  der  Entstehungszeit  der  Pyramiden  an  durch  das 
Zeitalter  der  hellenischen  Tempel  ' hindurch  bis  zu  den 
mittelalterlichen  Kirchen  und  den  Palästen  der  Renaissance 
sind  derBIockbau,  derGruppenbau  und  die  natürliche  Raum- 
und Massengliederung  unbedingt  als  Regel  anzusehen.  Bel 
manchen  besonderen  Arten,  wie  bei  den  grossen  monu- 
mentalen Tempelbezirken  Altägyptens,  könnte  man  allen- 
. falls  darüber  imZweifel  sein,  ob  man  es  mit  einer  Gruppirung 
oder  mit  einer  natürlichen  Gliederung  zu  thun  hat,  aber 
willkürlich  und  nur  dekorativ  ist  diese  in  keinem  Fall;  die 
von  Säulenstellungea  umschlossenen  hypäthralen  Säle  und 
Vorhöfe  sind  dabei  — wie  beiläufig  auch  alle  Atrien,  die 
Kreuzgänge  und  Hallenhöfe  späterer  Zeiten  — dem  natür- 
lichen Gliederbau,  manches  Andere  dagegen,  so  die  An- 
reihung der  Pylonen,  offenbar  der  Gruppirung  zuzurechnen. 
Beinahe  auffallend  ähnlich  ist  übrigens  das  Verhältniss  bei 
, der  Langhäuskirche  mit  zwei  Thürmen  an  der  schmalen 
Eingangsfront.  Dafür  aber  ist  in  vielen  Fällen,  ja  in  ganzen 
Kun^tperioden  eine  der  modernen  gerade  entgegen  gesetzte 
Neigung  zu  beobachten,  nämlich  das  offenkundige  und  zum 

(Fortsetzung  auf  S.  194  ) 


192 


No.  30. 


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zu  beschaffen  ist.  Die  Eigenschaften 
dieser  neuen  elektrischen  Lampen  in 
wirthschaftlicher  Hinsicht  sind  sehr 
grosse.  Der  Energie- Verbrauch  für 
I Kerze  beträgt  nur  1,5  Watt  und  die 
Lebensdauer  rd.  1000  Stunden,  wäh- 
rend welcher  die  Leuchtkraft,  was  sehr 
wesentlich  ist  und  die  Osmium-  vor 
der  Nernst-Lampe  auszeichnet,  nahe- 
zu konstant  bleibt. 

Auf  dem  Gebiete  der  elektrischen 
B o g e n 1 i c ht  - B eleuchtun  g sind 
ebenfalls  einige  Fortschritte  zu  ver- 
zeichnen, jedoch  beruhen  diese  mehr 
auf  Erzielung  einer  längeren  Brenn- 
dauer der  Kohlenstifte.  Es  ist  gelungen, 
Bogenlampen  zu  konstruiren,  deren 
Brenndauer  loo  und  mehr  Stunden 
mit  einem  Kohlenpaar  beträgt;  es  ist 
diese  für  manche  Verhältnisse  sehr 
günstige  Eigenschaft  aber  auf  Kosten 
der  Wirthschaftlichkeii  erzielt  worden. 

Die  neueste  Bogenlampen  - Kon- 
struktion, die  sogenannte  Bremer- 
Lampe,  scheintauf  dem  Gebiete  der 
besseren  Lichtausbeute  grosse  Erfolge 
zu  haben.  Diese  Lampen  haben  auf  der 
Pariser  Weltausstellung  am  Eiffelthurm 
geleuchtet  und  allgemeines  Aufsehen 
erregt,  ebenso  in  Berlin,  wo  sie  jetzt 
mehr  und  mehr  Aufnahme  finden. 
Das  Licht  der  Lampe  ist  ein  sehr 
kräftiges;  es  füllt  die  ganze  Glocke 
gleichmässig  ohne  Schatten  aus  und 
ist  von  etwas  röthlicher  Färbung.  Der 
Lichteffekt  ist,  bezogen  auf  die  Ein- 
heit, etwa  100%  grösser,  als  der  ge- 
wöhnlicher Bogenlampen.  Ein  Nach- 
theil haftet  diesen  Lampen  noch  inso- 
fern an,  als  sie  wegen  lästiger  Gas- 
entwicklung in  geschlossenen  Räumen 
nicht  Verwendung  finden  können.  — 
Nach  diesem  kurzen  Ueberblick  soll 
nun  zu  demNachweis  derBeleuchtungs- 
kosten  übergegangen  werden.  Aus- 
führlich werden  wir  dabei  nur  die  elek- 
trische Beleuchtung  behandeln,  da  die 
Angaben  in  No.  73  Jhrg.  1901  — für 
100  Kerzen  5 Pf.  — für  Steinkohlengas- 
Beleuchtung  als  zutreffend  zu  erachten 
und  die  anderen  Beleuchtungsarten 
noch  nicht  für  so  weit  ausgebildet 
anzusehen  sind,  dass  es  sich  verlohnte, 
dieselben  hier  zu  erörtern. 

Die  üblichenEinheitspreise  für  elek- 
trische Energie  betragen  mit  Berück- 
sichtigung des  Rabattes,  wenn  von 
einem  Elektrizitätswerk  bezogen: 

a)  1 Kilowattstunde  = 1000  Watt- 
stunden aus  einem  Elek- 
trizitätswerk bezogen  . . 50  Pf. 

b)  Desgleichen  durch  Ver- 
mittelung einer  Akkumu- 
latoren-Batterie  ....  28  „ 

c)  I Kilowattstunde  bei  Her- 
stellung in  eigener  Anlage  20  „ 

Der  praktische  Energie-Verbrauch 
für  die  verschiedenen  Lampen  beträgt : 

1.  Kohlenfaden  - Glühlampe  2,5  Watt 
für  die  Kerze, 

2.  Nernst-Glühlampe  1,8  Watt  für  die 
Kerze, 

3.  Bogenlampe  gewöhnlich  0,8  Watt 
für  die  Kerze, 

4.  Bogenlampe,  Bremer  0,4  Watt  für 
die  Kerze. 

Diese  Werthe  sind  der  Praxis  ent- 
nommen. Hier  möchte  ich  gleich  noch 
bemerken,  dass  ein  Strompreis  von 
66V3  Pf-,  wie  er  sich  aus  den  An- 
gaben in  No.  73  Jahrg,  1901  berechnen 
lässt  und  wodurch  hauptsächlich  der 
so  hohe  Preis  für  die  elektrische  Be- 
leuchtung herausgerechnet  wurde, 
kaum  noch  vorkommt,  mindestens  zu 
den  Ausnahmen  gehört,  sodass  er  nicht 
Ansichten  des  Wobnzinmiers  und  des  oberen  Theiles  der  Diele.  für  allgemeine  Berechnungen  ange- 

Villa  Stroblberger  in  Thalkirchen  bei  München.  Arch.;  Gebr.  Rank  in  München.’  nomraen  werden  sollte. 


12.  April  1902. 


193 


Unter  Zugrundelegung  der  vorstehendenEinheitszahlen 
kosten  nun  loo  Kerzenstunden  in  Pfennigen: 


,a. 

b.  1 c. 

. ■ 

■ b. 

Kohlenfaden-Glüblicht  n 

or  1 

Nernst-Glühiieht  n 

30.1,8 

0.028  : 0,02  1 

Bogenlampe,  gewöhnl.  n 

30.0,8  ' 

0,028  1 0,02 

— 

' 2,24- 

1,6 

„ Bremer  k 

30 . 0,4  . 

0,028  j 0,02  j 

! “ 

; 1,12 

0,8 

Aus  dieser  Tabelle  ersieht  man,  dass  die  elektrische 
Beleuchtung  für  den  Konsumenten  nur  in  4 Fällen  theurer 
wird  als  Steinkohlen-Gasglühlicht  (100  Kerzenstunden  5 Pf.), 
nämlich  für  das  gewöhnliche  Kohlenfaden-  und.Nernstr^ 
Glühlicht  im  Falle  a.  und  b.  Bogenlampen-Licht  ist  . mit 
Bezug  auf  den  Beleuchtungs-Effekt  stets  billiger  als  Gas- 


glühliciit;  und  .nie  -theurer  -als  ^Nernst-Licht.  .Rechnet  man 
zu,  obigen  , Kosten,  noch  den  Lampen-Brenner  bei  Nernsf- 
Lampen,-.  und;den  Kohlen-Ersatz  bei  den  Bogen^Lampen, 
so  erhöhein  sich' dieselben  für.;  ! 

- Kphienfaden-Glühlkht  um  ....  0,6  Pf.  i 
Nernst-Glühlieht  um  ......  1,0 

Bogen-Licht  0,4  „ 

Diese  Berechnung  zeigt,  auch,  dass  man  bei  einiger- 
maassen  umfangreichen-Anlagen  sich  wohl  überlegen  soll, 
wie  man  den  elektrischen  Strom  sich  am  billigsten  ver- 
schaffen kann.  Eine  Regel  lasst  sich.  .. hierfür,  nicht  giit 
aufstellen,,  da  jeder.  Fall  seine  Eigenheiten  hat  und  deirl- 
ftaeh  auch  stets  , für  sich  behandelt  werden  muss.  — 

Friedenauib.  Berlin.  , J.^Wolgien,’ Ingenieur 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin.  In  der  Sitzung 
vom  II.  März  d.  J.  gedachte  der  Vors.,  Hr.  Wirk!.  Geh\ 
Ob.-Brth.  Streckert,  des  Ablebens  des  früheren  Präs, 
d.  kgl.  Eisenb.-Dir.  Berlin,  Wirkl.  Geh.  Ob.-Brths.  Wex, 
und  des  Eisenb.-Bauinsp.  a.  D.  Albrecht.  Dann  sprach 
Hr._  Major  im  Eisenbahn-Regiment  No.  3 Bauer  über 
,,  DieThätigkeit  der  deutschen  Eisenbahn  truppen 
in  China  1900  igoi.  “ Der  Vortragende,  der  dem  Stabe  des 
Grafen  Waldersee  während  der  China-Expedition  ange- 
hörte. schilderte  zunächst  die  Schwierigkeiten,  die  schon 
beim  Transport  der  Truppe  in  Bremerhaven  und  noch  mehr 
bei  der  Landung  auf  der  völlig  ungeschützten-Taku-Rhede  - 
sich  ergaben  und  dazu  führten,  dass  die  Kompagnien  ohne 
Feldgeräih  und  Materialien  ausgeschifft  werden  mussten. 
Die  erste  hinausgesandte  Kompagnie  Neumann  traf  am 
15.  Sept.  in  Tientsin  ein'  und  baute  daselbst  zunächst  pine 
3 lange  Schmalspurbahn  vom  Bahnhof  nach  dem 
deutschen  Lager  an  der  Universität;  .ihre  ausgiebige 
Thätigkeit  beginnt  aber  erst  mit  dem  Eintreffen  des  ober- 
kommandirenden  Feldmarschalls  am  25.  Sept.  und  dessen 
energischer  Betreibung  der  Wiederhersiellungsarbeiten  der 
im  grossen  Umfange  zerstörten  Bahnlinien  Tshilis. 

Wie  gründlich  namentlich  die  100  lange  Strecke 
Jangtsun-Peking  zerstört  war,  schildert  Vortragender  ein- 
gehend an  der  Hand  vieler  Lichtbilder.  Diese  Zerstörung 
erstreckte  sich  sowohl  auf  die  eisernen  Brücken  von  z.  Th, 
bedeutender  Spannweite,  den  Oberbau,  die  rollenden  Ma- 
terialien und  die  Bahnhöfe,  ja  selbst  auf  die  Eisenbahn- 
dämme, die  streckenweise  abgetragen  waren.  Tausende 
von  Menschen  mussten  an  dieser  gründlichen  Zerstörung 
mitgewirkt  haben.  Zur  Wiederherstellung  der  Bahn  stan- 
den dem  Vortragenden  zur  Verfügung  eine  Kompagnie 
der  britischen  Bengal  Sappers  and  Miners,  eine  starke, 
japanische  Eisenbahnbau-Kompagnie,  und  die  deutsche 
Eisenbahnbau-Kompagnie  Neumann ; zwei  weitere  deutsche 
Kompagnien  waren  Anfang  November  zu  erwarten.  Unter 
diese  wurden  die  Arbeiten  vertheilt,  wobei  den  Deutschen 
aber  der  bei  weitem  schwierigste  Theil,  der  Vorbau  von 
Jangtsun  über  Lofa-Langfang  nach  Anting,  zugedacht  wurde 
mit  zahlreichen  Brücken,  darunter  3 über  den  Peiho  und 
Tunho  von  315,  105  und  210®  Konstruktionslänge,  von 
denen  das  ganze  Trägerwerk  in  den  Fluss  abgestürzi  'war. 

ästhetischen  Gesetz  erhobene  Bestreben,  mögliclist  viele 
räumliche  Bestandtheile  in  ein  grosses  Ganzes  zu  ver- 
schmelzen und  für  dieses  wenigstens  nach  den  Haupt- 
schauseiten hin  den  Eindruck  eines  einfachen  Blockbaues 
zu  wahren.  Ein  grosser  Gedanke,  den  wir  u.  a.  an  den 
gewaltigen  Schaubauten  der  Römer  und  wohl  am  ent- 
schiedensten im  italienischen  Palasibau  verwirklicht  sehen. 
Aber  auch  in  der  Art,  wie  unsere  spätgothischen  Hallen- 
kirchen mit  ihren  allbeherrschenden  Riesendächern  und 
wie  manche  Werke  der  norddeutschen  Backsteingothik 
sich  aufbauen  und  fast  gewaltsam  einheitlich  zusammen- 
schliessen,  ist  die  nämliche  Absicht  ganz  unverkennbar. 

Und  nun  zu  den  modernen  Bauten!  Was  sehen  wir 
z.  B,  an  den  gothischen  Kirchen  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  19.  Jahrhunderts,  insonderheit  an  den  so  zahlreichen 
Backsteinwerken?  Auch  das  kleinste  Kapellchen  glaubt' 
noch  der  weitgehendsten  Gliederung  zu  bedürfen;  und 
wenn  sich  auch  diese  Gliederung  hier  in  der  Regel  mit 
nicht  willkürlichen  Abtheilungen  des  Innenraumes  be- ' 
gründen  lässt,  so  beweist  doch,  der  Vergleich  mit  dem 
Mittelalter  das-  Vorherrschen  einer  veränderten  Ab- 
sicht. Und  zwar  ist  es  für  die  Volksthümlichkeit  die- 
ser alles  zergliedernden  Richtung  sehr  bezeichnend,  dass 
bei  dem  grossen  Publikum  fast  immer  diejenigen  Kirchen 
und  Kirchenentwürfe  den  meisten  Beifall  finden,  bei  denen 
der  unvermeidliche  Thurm  am  kühnsten  und  schlanksten 
über  das  kirchliche  Gebäude  hinausragt  und  daher  das 
Kirchendach,  um  diesen  Anblick  zu  ermöglichen,  entweder 


Nach  Üeberwindung -zahlloser: Hindernisse,  die  nicht  nur 
aus  technischen  Schwierigkeiten,  sondern  oft  auch  aus 
Missverständnissen,  oder  dem  UebelwoUen  der.  anderen 
Nationen  entsprangen,  gelang  es,. -die  gestellte  Aufgabje 
innerhalb  denilesieesetzten  Frist  zu  losen,  eine.  Leistung, 
auf  die  alle  BetheÜigten-  mit  berechtigtem  Stolze  zurück- 
blicken können.  Am,  15.  Dez.  vollzog  sich  die  feierliche 
Eröffnung  des  Betriebes,  der  zunächst  auf  der  Strecke 
Jangtsun-Peking  von  der  deutschen  Kompagnie  Neumanh 
bewerkstelligt  wurde,  während  die  Russen  mit  ihreih 
Ussuri-Eisenbahn-Bataillon  den  Betrieb  auf  der  Strecke 
Tonku-Jangtsun  und,  nach  Wiederherstellung  der  Strecke 
Tonku-Hanku,  auch  auf  dieser  Linie  und  jenseits  des 
GhacAo  vpn-R-ankul-bis-rShanliaLkvv^ ,aiiSLÜb.tejiv....:_.. 

: Nach  einer  lebhaften  Schilderung  .der  Schwierigkeiten, 
die,  eine  solche,  internationale  Betriebsführung,  mit  sich 
brachte,  ging  der  Vortragende  zu  einer  eingehenden 
Darstellung  der  Wiederhefstellungs- Arbeiten  an  der  grossen 
Brücke  über  den  Chaoho  bei,  Hanku  über,  die  von  sach- 
kundiger Hand  durch  Sprengung  der  hölzernen  Pfahljoch- 
unterstützungen über  dem  niedrigsten  Ebbewasserstand  in 
ihrer  ganzen  200,®  ausmachenden. Konstruktionslänge  von 
Grund  auf  zerstört  war.  Auch  hier  galt  es,  ausserordent- 
licher Schwierigkeiten  Herr , zu  werden,  wie  wohl  am 
besten  daraus  hervorgeht,  dass  die  Russen  ihre  wiedelr- 
holten  Versuche,  diesen  Brückenbau  in  Angriff  zu  nehmen, 
immer  wieder  eingestellt  haben. 

• Hr.  Major  Bauer  schloss  seinen  mit  lebhaftem  Beifdll 
aufgenommenen  Vortrag  mit  dem  Hinweis,  die  junge 
deutsche.  Eisenbahntruppe  habe  drüben  in  China  auf  allen 
Gebieteri  des  derzeitigen.  Kriegseisenbahnwesens  bewiesen, 
dass  sie  auf  der  Höhe  der  Situation  steht  und  verdient, 
als  kriegsbrauchbares  W.erkzeug  in  der  Hand  .der  obersten 
Heerführung  angesehen  zu  werden:  das  sei  von-  allen 
Seiten  vollauf  anerkannt  -word'en.  — • Auch  mit  der. Waffe 
in- der  Hand  bei  grösseren  .Ünternehmungen  ihre  Kriegs- 
tüchtigkeit zu  beweisen,  sei  der  Truppe  leider  versagt 
geblieben,  trotzdem  sich  ihre  Thätigkeit  keineswegs  immer 
friedlich  abgespielt  habe.  Aus  diesen  Schlussworten  klang 
es,  wenn  auch  nur  verdeckt,  wie  ein  Bedauern,  dass  die 
verdienstvolle  Thätigkeit  dieser  Truppe  doch  mehr  nur 
vom  technischen  Standpunkte  gewürdigt  ist.  — 

Hr.  Prof.  Siegm.  Müller  von  der  Techn.  Hochschule 
in  CUa'rtQt,tehbtirg\'wir3.-  älsl.einh..ord..  Mitghe.d  aufgen.  — 

stilwidrig  flach . gehalten  oder  m ein  System  von  lauter 
kleineren  Dächern  zerklüftet  werden  musste. 

Immerhin . tritt- gerade  im  Kirchenbau  das  Streben 
nach  architektonischer  Wahrhaftigkeit  und  die  Gelegenheit 
zu  natürlicher , Gliederung  und  Gruppirung  der  reinen 
Willkür  vielleicht  noch  am  häufigsten  mit  . Erfolg  ent- 
gegen. Bei  den  meisten,  Profanbauten  dagegen,  öffent- 
lichen, und  privaten  j ist,  die  dekorative  Massengliederung 
namentlich  von  der  Mitte  des  Jahrhunderts  an  so  allge- 
mein verbreitet  gewesen  und  ist  es  zum,  grossen  Theil 
noch  heute,  dass  man  wohl  befugt  ist,  geradezu  von  einer 
Herrschaft  derselben  zu  sprechen,  Und  zwar  ist  bei  den 
Wohnhäusern  zumeist  eine  weniger  schematische,  oft  un- 
regelmässige und  scheinbar  zwanglose  Weise  im  Ge- 
brauch, während,  sich  bei  den  öffentlichen  Monumental- 
bauten schon  bei  Zeiten  ein  ganz  bestimmter  Typus  her- 
ausgebildet hat,  weicher  seither  die  monumentale  Profan- 
Architektur  der  ganzen  gesitteten  Erde  unter  sein  Szepter 
zu  beugen  wusste. 

Als  Grundregel  dieser  typischen  Formbildung  kann 
die  besondere  Anordnung  gehen,  dass  die  einzelnen  Theile 
der  zergliederten  Gebäudemasse  nicht  unter  einander  gleich- 
werthig  auftreten,  sondern  einen  fortlaufenden  Rhythmus 
bilden,  bei  welchem  Glieder  erster  und  zweiter  Ordnung 
wechselweise  auf. einander  folgen;  dabei  sind  die  Haupt- 
glieder — Pavillons  — durchaus  als  selbständige  Baukörper, 
als  Einzelgebäude  gekennzeichnet,  während  die  übrigen 
zu  mehr  oder  weniger  untergeordneten  Verbindungs- 


No.  30. 


194 


Vermischtes. 

Geh.  Reg.-Rath  Wilhelm.  Launhardt,  Prof,  an  derTechn. 
Hochschule  in  Hannover,  feierte  am  7.  d.  Mts,,  trotz  der 
Osterferien  unter  reger  Theilnahme  des  Professoren- 
Kollegiums  und  der  Studentenschaft,  seinen  70.  Geburts- 
tag in  voller  Rüstigkeit  und  geistiger  Frische.  Geborener 
Hannoveraner,  war  Launhardt  nach  abgelegten  Studien 
an  der  Polytechnischen  Schule  zu  Hannover  vorwiegend 
in  seiner  Heimath  bei  Strassen-  und  Brückenbauten  thätig 
und  wurde  1869  anstelle  v.  Kavens  auf  den  Lehrstuhl 
für  Strassen-,  Eisenbahn-  und  Brückenbau  an  der  genann- 
ten Anstalt  berufen.  Als  Nachfolger  von  Karmarsch 
war  er  dann  der  letzte  Direktor  der  Polytechn.  Schule 
und  der  erste  Rektor  dei*  Technischen  Hochschule  nach 
1879.  Ununterbrochen  ist  er  seitdem  dort  thätig  gewesen. 
Seine  Verdienste  um  die  Technik  wurden  durch  Berufung 
als  ausserordentl,  Mitglied  in  die  Akademie  des  Bauwesens 
und  im  Vorjahre  durch  Berufung  in  das  preuss.  Herren- 
haus, als  einer  der  drei  ersten  Vertreter  des  technischen 
Berufes  in  dieser  Körperschaft,  ausgezeichnet.  — 

Holz-Fachwerksbogen  von  Ph.  Stephan  in  Düsseldorf. 
Während  im  allgemeinen  für  weitere  Räume  die  Holz- 
konstruktionen gegen  solche  aus  Eisen  mehr  und  mehr 
zurücktreten  müssen,  ist  es  dem  Zimmermeister  Hrn. 
Philipp  Stephan  in  Düsseldorf  gelungen,  aus  Brettern  und 
Latten  einen  Fachwerkbogenträger  zusammenzusetzen, 
der  sich  für  die  Ueberdeckung  von  Spannweiten  von  12 
bis  40  “ eignet.  Die  Anordnung  ist  gesetzlich  geschützt 
und  gewährt  neben  ihrem  billigen  Herstellungspreis  ein 
so  zierliches  Aussehen  der  Bogendecke,  dass  dieselbe 
schon  vielfach  für  Reithallen,  Exerzierhäuser,  Säle  usw. 
Verwendung  gefunden  hat.  Unsere  Abbildung  zeigt  die 
Einzelheiten  dieser  Konstruktion  an  dem  17.9  ^ weiten 


Exerzierschuppen  in  Neu-Ruppin.  Der  Fachwerk- 
träger ist  aus  einem  5 cm  und  vier  3 cm  starken  Brettern 
zusammengesetzt  und  mittels  5 zu  7 cm  starker  Latten  aus- 
gesteift. Den  Zug  nimmt  eine  Verankerung  aus  zwei  9 
zu  IO  cm  starken  Hölzern  auf.  Die  Verankerung  des  Auf- 
lagers ist  aus  der  Abbildung  ersichtlich.  Die  Binder  sind 
in  Abständen  von  4,70  “ angeordnet  und  tragen  Pfetten, 
die  2™  von  einander  entfernt  liegen.  Die  hauptsächlich 
durch  das  Patent  betroffene  Eigenart  des  Daches  besteht 
nun  darin,  dass  auf  diese  Pfetten  4 cm  starke  Bretter  ver- 
nagelt werden,  die  Dank  der  Krümmung  im  Stande  sind, 
die  Sparren  zu  ersetzen  und  die  Dachschalung  aufzu- 
nehmen. Jede  Einzelheit  dieser  trefflich  durchgebildeten 
Konstruktion  ist  statisch  zuverlässig  bestimmbar,  sodass 
der  Ausführung  auch  für  bleibende  Bauten  gerade  nichts 
entgegengestellt  werden  kann.  — Fw. 

Der  IX.  internationale  Schiffahrts-Kongress  findet  in 
den  Tagen  vom  29.  Juni  bis  6.  Juli  d.  J.  in  Düsseldorf 
statt.  Mit  dem  Kongress  ist  eine  Ausstellung  für  Schiff- 
fahrt verbunden.  Aus  den  Verhandlungen  seien  hervor- 
gehoben: „Die  Ueberwindung  grosser  Höhen“ ; „DieAnlage 
und  Unterhaltungskosten  eiserner  und  hölzerner  Schleusen- 
thore“;  „Der  Verkehr  mit  See-Prähmen“;  „Die  Dock-An- 
lägen“  usw.  Von  den  in  Aussicht  genommenen  Besichti- 
gungen sind  hervorzuheben  eine  solche  der  Düsseldorfer 
Hafenanlagen,  eine  Fahrt  nach  Ruhrort  und  Duisburg,  Be- 
sichtigungen des  Dortmund-Ems-Kanales  bei  Herne,  des 
Hebewerkes  bei  Henrichenburg,  der  Anlagen  von  Krupp 
in  Essen,  der  Müngstener  Brücke  und  der  Remscheider 
Thalsperre.  Den  Schluss  des  Kongresses  bildet  ein  Aus- 
flug nach  dem_ Kaiser  Wilhelm-Kanä.  und  nach  den  Hanse- 
städten. — j 

Bücherschau. 


Die  graphische  Statik  der  Baukonstruk- 
tionen von  Müller -Breslau.  Band  I. 
3.  Aufl.  Baumgärtner’s  Buchh.  Leip- 
zig 1901.  Pr.  broch.  18  M.,  geb.  20  M. 
Die  Kunst  des  Eisenbaues  hat  in 
Deutschland  eine  hohe  Stufe  der  Aus- 
bildung erreicht;  die  Weltausstellungen 
in  Chicago  1893,  in  Paris  1900  zeigten 
deutlich,  dass  Deutschland  mit  seinen 
Leistungen  in  erster  Reihe  steht.  Das 
günstige  Ergebniss  ist  zum  grossen  Theile 
erreicht  durch  die  wissenschaftliche  Aus- 
bildung der  Ingenieure,  durch  die  ernste 
ununterbrochene  Arbeit  auf  dem  Gebiete 
der  Theorie  sowohl  seitens  der  Praktiker, 
wie  der  Theoretiker.  In  unseren  grossen 
Brückenbau  - Anstalten  sind  ausgezeich- 
nete Ingenieure  ständig  bemüht,  die  ihnen 
erwachsenden  Aufgaben  in  streng  wissen- 
schaftlichem Sinne  zu  lösen.  Erleichtert, 
ja  in  vieler  Hinsicht  ermöglicht  wurde  ein 
erfolgreiches  Arbeiten  auf  den  einschlägi- 
gen Gebieten  durch  die  ausgezeichneten 
und  grundlegenden  Arbeiten  des  Ver- 
fassers vorstehend  genannten  Werkes. 
Die  beiden  Hauptwerke  von  Müller- 


flügein  — Rücklagen  — herabsinken.  Diese  Art  bildet 
mancherlei  Wechselformen  aus  und  ist,  wie  erwähnt, 
insonderheit  zur  Vorstufe  des  eigentlichen  Typus  gewor- 
den, jener  uns  so  hervorragend  geläufigen  Form  des 
Giiederbaues,  bei  welcher  der  die  Mitte  der  Fassade 
einnehmende  Pavillon  als  „Mittelbau“  besonders  liervor- 
gehoben  und  als  selbständige  Palastfassade  (bisweilen 
nochmals  gegliedert!),  als  Tempelfront,  als  thurmartiger 
oder  kuppeltragender  Baukörper  oder  sonstwie  repräsen- 
tativ behandelt  wird.  Eine  Abart  dieses  Systems  könnte 
man  übrigens  die  bei  modernen  Strassenkreuzungen  so 
überaus  beliebte  Anordnung  nennen,  bei  welcher  an  die 
Stelle  des  „Mittelbaues“  die  Eckpartie  tritt,  wobei  dann 
häufig,  zumal  bei  Mietbs- und  Geschäfsbäusern,  diese  Eck- 
partie sich  etwas  gewaltsam  in  einen  „Thurm“  oder  ähn- 
lichen Aufbau  von  vorherrschend  aufstrebender  Richtung 
zu  verwandeln  pflegt. 

Wo  diese  Grundform  zum  erstenMal  auftritt,  würde  sich 
vielleicht  nachweisen  lassen;  so  viel  ist  gewiss,  dass,  so 
modern  sie  auch  im  übrigen  sein  mag,  gerade  sie  in  früheren 
Perioden  ihre  unmittelbaren  Vorläufer  hat.  So  nament 
lieh  hier  und  da  in  England,  besonders  aber  in  manchen 
französischen  Schlossanlagen,  als  man  anfing,  diese  regel- 
mässiger und  wohnlicher  zu  bauen,  und  schon  häufiger 
in  gewissen  Barockbauten.  Zur  vollen  Herrschaft  aber 
gelangt  auch  diese  Form  erst  im  Verlauf  des  neunzehnten 
Jahrhunderts,  zumal  in  dessen  zweiter  Hälfte.  Das  Capitol 
zu  Washington  wie  die  Parlamentspaläste,  im  alten  Europa, 

12.  April  1902. 


die  monumentalen  Neubauten  für  die  mancherlei  Behörden 
und  anderen  Körperschaften,  welche  das  vielfältig  zusam- 
mengesetzte moderne  Staats-  und  Wirtlischaltsleben  schuf, 
die  oft  nicht  weniger  repräsentativ  behandelten  Gebäude  für 
den  öffentlichen  Unterricht,  für  hohe  und  minder  hohe  Schu- 
len, Museen,  die  riesenhaften  Paläste  der  Weltausstellungen 
usw.  — sie  alle  sind  einzelne  Figuren  in  diesem  grossen 
Triumphzuge,  welcher  gradezu  als  monumentale  Versinn- 
lichung  des  ungeheuren  Siegeslaufes  der  modernen  Zivili- 
sation betrachtet  zu  werden  verdient;  schon  richtete  diese 
fern  im  äussersten  Ostasien  wie  auf  den  letzten  Insel- 
gruppen des  Grossen  Ozeans  ihre  steinernen  Sieges- 
zeichen auf,  und  alle  fast  zeigen  dieselbe  t3'’pisch-moderne 
Hauptform. 

Und  einer  Kunstperiode,  welche  einen  so  weit  ver- 
breiteten architektonischen  Typus  ausgebildet  hat,  wie  es 
sonst  nur  noch  allenfalls  der  Peripteraltempel  und  die 
Langhauskirche  waren : einer  solchen  Periode  der  Baukunst 
wollte  mau  jeden  Charakter  absprechen?  — 

Nur  dass  eben  das  charakteristische  Kennzeichen  ab- 
seits der  üblichen  Stileintheilung  liegt.  Auch  hierfür 
ein  lehrreiches  Beispiel:  man  betrachte  darauf  hin  den  Platz 
vor  dem  Rathhause  in  Wien,  wie  hier  derselbe  dekorative 
Grundgedanke  in  drei  bezw.  vier  verschiedenen  „Stilarten“ 
in  vierfacher  Wiederholung  zum  monumentalen  Ausdruck 
gelangt  — es  ist  jedesmal  derselbe  durchaus  moderne 
Grundsatz,  nur  in  drei  verschiedenen  historischen,  wenn 
man  will  „toten“  Sprachen  ausgedrückt.  — (Schluss  folgt.) 


^95 


Breslau;  „Die  graphische  Statik  der  Baukonstruk- 
tionen"  und  „Die  neueren  Methoden  der  Festig- 
keitslehre“, dürfen  auf  dem  Tische  des  konstruirenden 
Ingenieurs  nicht  fehlen.  Von  dem  erstgenannten  Werke 
liegt  die  3.  Auflage  des  f.  Bandes  vor.  — Die  2.  Auflage 
des  Bandes  ist  1887  erschienen;  sie  bildete  eine  so  um 
fangreiche  Neubearbeitung  der  i.  Auflage,  dass  man  sie 
als  ein  neues  Werk  bezeichnen  konnte.  Auch  die  neue 
Auflage  ist  in  -wichtigen  Punkten  bereichert  und  umge- 
arbeitet. Von  einer  Empfehlung  dieses  ausgezeichneten 
Werkes  kann  hier  abgesehen  -werden;  dasselbe  ist  in  den 
weitesten  Kreisen  anerkannt  und  bekannt;  der  Bericht 
darf  sich  auf  die  Hervorhebung  der  Abänderungen  be- 
schränken, welche  das  Buch  bei  der  Neubearbeitung 
erfahren  hat.  — 

Der  vorliegende  Band  umfasst  die  allgemeinen  Unter- 
suchungen über  Zusammensetzung  und  Zerlegung  von 
Kräften  in  der  Ebene,  Trägheits-  und  Zentrifugal-Momente 
ebener  Querschnitte,  die  Spannungen  in  geraden  Stäben, 
endlich  das  grosse  Gebiet  der  statisch  bestimmten  Träger. 
In  dem  Kapitel  über  Trägheits-  und  Zentrifugal-Momente 
ist  der  Trägheitskreis  nach  Mohr  eingehend  behandelt 
eine  Hilfskonstruktion,  welche  gestattet,  die  Lage  der  Null- 
Linie  und  die  grössten  auftretenden  Spannungen  ausser- 
ordentlich leicht  zu  ermitteln.  Für  die  Spannungen  in 
geraden  Stäben  sind  einfache  Ausdrücke  erstrebt,  die  An- 
wendung derselben  auf  Mauerpfeiler  von  zusammenge- 
setzten Querschnittsformen  auch  an  Zahlenbeispielen  vor- 
geführt. Neu  in  dieser  Auflage  ist  ferner  die  Standsicher- 
heits-Untersuchung  gemauerter,  runder  Schornsteine.  Der 
Verfasser  stellt  bei  diesen  die  Forderung  auf,  dass  die  Null- 
Linie  höchstens  den  Querschnitt  halbiren  dürfe,  sodass  bei 
Ausserachtlassung  der  Zugspannungen  stets  wenigstens  die 
Hälfte  derQuerschnittsfläche  wirksam  sei.Uebereinstimraend 
mit  dem  Beschluss  der  Akademie  des  Bauwesens  hält  er  es 
für  ausreichend,  im  Binnenlande  einen  Winddruck  von 
125  kg/qm  einzuführen;  wenn  aber  grössere  Annahmen  bis 
zu  200  kgy'qm  (an  der  Seeküste)  erforderlich  werden,  so 
empfiehlt  er,  hohe  Pressungen  als  grösste  Inanspruch- 
nahmen zuzulassen.  Für  die  zu  Schornsteinbauten  be- 
sonders geeigneten  schweren,  dichten  Lochsteine  bezw. 
gute  Hartbrandsteine  in  verlängertem  Zementmörtel  (i  R.- 
T'h.  Portland-Zement,  i— 2V4  R.-Th.  Kalk  und  4— 9 Raum- 
theile  reiner  scharfer  Sand)  hält  er  eine  Inanspruchnahme 
von  12— 3okg/qcm  als  zulässig:  natürlich  ist  dabei  Rücksicht 
auf  die  Herstellungsart  zu  nehmen.  — Sehr  eingehend  ist 
die  Theorie  der  statisch  bestimmten  Träger  behandelt  und 
stets  das  Bestreben  nach  möglichster  Einfachheit  erkennt- 
lich; überall  ist  die  Anwendung  durch  Vorführung  von 
durchgerechneten  Zahlenbeispielen  erleichtert.  Bei  Be- 
sprechung der  Gerber’schen  Fachwerkbalken  (Ausleger- 
und  Koppelträger)  sind  auch  die  Gerber’schen  Balken  mit 
Hängegurtung  aufgenommen,  wie  sie  zuerst  bei  dem  Mann- 
heimer Wettbewerb  im  Jahre  1887  von  Gerber  und 
Rieppel  vorgeschlagen  und  auch  dort  ausgeführt  sind.  — 

Bogen-  und  Hängebrücken  sind  wie  in  der  früheren  Auf- 
lage eingehend  behandelt;  eine  wichtige  Bereicherung  des 
betr.  Kapitels  bildet  der  Paragraph  über  die  Verwerthung 
der  Kettenlinie  zur  Ermittelung  angemessener  Linienführung 
für  die  Gurtungen.  Das  angegebene  Verfahren  hat  der 
Verfasser  zuerst  bei  der  von  ihm  entworfenen  Fussgänger- 
Brücke  über  die  Oberspree  bei  Oberschöneweide  ange- 
wendet: die  Linien  der  Gurtungen  wurden  als  Seilecke 
lothrechter  Lasten  gebildet,  wobei  die  Lasten  nach  einer 
gewissen  Gesetzmässigkeit  gewählt  wurden  (s.  Zeitschr.  f. 
Bauw.  igoo,  S.  65.  Centralbl.  d.  Bauverw.  1900,  S.  257). 
Dieser  neue  Weg  für  die  Bestimmung  der  Gurtform  ist 
auch  für  Bogenbrücken,  Gewölbe  usw.  gangbar.  — Wesent- 
lich .bereichert  und  umgearbeitet  ist  der  Abschnitt  über 
allgemeine  Theorie  des  statisch  bestimmten  ebenen  Fach- 
werkes. Aus  praktischen  Rücksichten  ist  dieser  Abschnitt 
an  den  Schluss  des  Bandes  gestellt.  Es  ist  hier  besonders 
auf  das  Verfahren  der  Ersatzstäbe  hinzuweisen,  welches 
zur  Untersuchung  der  statischen  Bestimmtheit  bezw.  Brauch- 
barkeit des  Fachwerkes  sowie  der  in  demselben  aufireten- 
den  Stabspannungen  stets  ausreicht.  Dasselbe  wurde  uns. 
Wissens  von  dem  Verfasser  zuerst  im  Jahre  1891  im  Centralbl. 
d.  Bauverw.  (S.439)  in  dem  Aufsatze  über  räumliche  Fach- 
werke veröffentlicht.  Als  Beispiel  für  die  Anwendung  des 
Verfahrens  sind  in  dem  vorliegenden  Bande  mehrfache 
Netzwerke  untersucht,  eine  Trägerart,  welche  früher  viel- 
fach, seit  mehreren  Jahrzehnten  aber  bei  uns  nur  aus- 
nahmsweise verwendet  ist.  Neuerdings  scheinen  diese 
Träger  für  zerlegbare  Brücken  grössere  Bedeutung  ge- 
wonnen zu  haben  und  zwar  mit  Diagonalen,  die  an  den 
Kreuzungspunkten  mit  einander  vernietet  sind.  Diesen 
Fall  behandelt  der  Verfasser  allgemein.  Den  Schluss  bildet 
die  kinematische  Theorie  des  Fachwerkes,  welche  bereits 
in  der  2.  Auflage  vorgeführt  war,  aber  in  der  vorliegenden 

196 


Auflage  bedeutend  erweitert  ist;  sehr  fruchtbar  erweist 
sich  dieselbe  für  die  Berechnung  der  mehrtheiligen  Fach- 
werke, für  welche  eine  Reihe  wichtiger  Beispiele  vor- 
geführt ist. 

Auch  in  dem  hier  besprochenen  Bande  treten  die 
Vorzüge  der  Arbeiten  des  Verfassers  in  die  Erscheinung: 
es  ist  stets  ein  allgemeines  Verfahren  gefunden,  durch 
dessen  Benutzung  sich  eine  ganze  Reihe  von  Aufgaben 
lösen  lässt;  die  Richtigkeit  des  Verfahrens  ist  streng  nach- 
gewiesen, die  Ausnahmefälle  sind  ins  Auge  gefasst;  dann 
ist  die  Anwendung  des  allgemein  angegebenen  Verfahrens 
an  einer  Reihe  von  Beispielen  gezeigt.  So  ist  das  Buch 
nicht  nur  von  hervorragender  wissenschaftlicher,  sondern 
auch  ausserordentlicher  praktischer  Bedeutung.  — 

Th.  Landsberg. 

Preisbewerbungen. 

Volksheilstätte  der  Stadt  Leipzig  in  Sorg  bei  Adorf. 
Unter  Bezugnahme  auf  den  im  öffentlichen  Wettbewerbe 
mit  dem  I.  Preise  ausgezeichneten  Entwurf  für  die  seitens 
der  Stadtgemeinde  Leipzig  zu  errichtende  Volksheilstätte 
in  Sorg  b.  Adorf  im  Voigtlande  sind  wir  in  der  erfreu- 
lichen Lage  zu  berichten,  dass  der  Rath  der  Stadt  Leipzig 
die  Ausarbeitung  der  Pläne  den  Verfassern  dieses  Ent- 
wurfes, den  Hrn.  Architekten  Reichel  & Kühn  in  Leipzig 
übertragen  hat.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Bfhr.  Jensen  ist  zum  Mar. 
Maschinen-Bmstr.  und  die  Ing.  Stade  und  W.  Wolf  sind  zu 
techn.  Hilfsarb.  beim  kais.  Pat.-Amt  ernannt. 

Hessen.  Der  Wasserbau-Ass.  Spam  er  in  Darmstadt  ist  z. 
Sekret.-Assist  beim  Min.  der  Fin.  mit  der  Berechtigung  zur  Fahrung 
des  Tit.  Reg-Bmstr.  ernannt. 

Preussen.  Versetzt  sind;  Die  Reg.-  u.  Brthe.  Saran  von 
Königsberg  i.  Pr.  nach  Wiesbaden,  Bohnen  von  Aurich  nach 
Königsberg  i.  Pr.  und  Behrndt  von  Berlin  nach  Aurich;  — die 
Wasser-Bauinsp.,  Brthe.  Hasenkamp  von  Kuckerneese  nach 
Saarbrücken,  G r a e v e 1 1 von  Posen  nach  Breslau  u.  Werneburg 
von  Saarbrücken  nach  Trier;  die  Wasser-Bauinsp  Thiel  ecke 
von  Wittenberge  nach  Potsdam,  Berg  haus  von  Breslau  nach 
Hannover,  Reichelt  von  Köpenick  nach  Potsdam,  Knispel 
von  Posen  nach  Köpenick,  Hefe  r mehl  von  Hannover  nach 
Kuckerneese  und  Rosskothen  von  Einlage  nach  Halle  a.  S.;  — 
die  Kreis-Bauinsp.  Brth.  Ochs  von  Magdeburg  nach  Quedlinburg 
und  Böttcher  von  Pillkallen  nach  Langenschwalbach;  der  Land- 
bauinsp.  Jaensch  von  Arnsberg  als  Kr.-Bauinsp.  nach  Drossen; 
der  Kr.-Bauinsp.  Rohr  von  Langenschwalbach  alsLaudbauinsp.  nach 
Wiesbaden;  — der  Bauinsp.  Beck  in  Osnabrück  nach  Dortmund. 

Der  Amtssitz  der  Kreis-Bauinsp.  Czarnikau  ist  nach  Schneide- 
mühl verlegt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Emil  Hartmann  aus  Göttingen,  Wilh.  Ger- 
bens aus  Bochum  und  Leo  Rudolph  aus  Dramburg  (Hochbfch.), 
— Alb.  Scheel  aus  Berlin  u.  Joh.  Seiffert  aus  Braunschweig 
(Eisenbfch.),  — Frz.  Kurzak  aus  Sakrau  u.  Erich  Menge  aus 
Holzminden  (Masch.-Bfch.)  sind  zu  Reg.-Brnstrui  ernannt. 

Sachsen.  Den  Geb.  Brthn.  Peters,  Bergmann  und 
Pagenstecher  bei  der  Gen. -Dir.  der  Staatseisenb.  ist  die  nach- 
ges.  Versetzung  in  den  Ruhestand  bewilligt. 

Die  Eisenb.-Dir.,  Ob.-Brthe.  Ho milius  in  Leipzig  u.  Löser  in 
Chemnitz  sind  als  Mitgl.  in  die  Gen.-Dir.  der  Staatseisenbahn  versetzt. 

Ernannt  sind:  Der  Ein.-  u.  Brth,  Buschmann  zum  Mitgl. 
der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.,  die  Betr.-Insp.  Müller,  Rühle 
V.  Lilienstern  und  Weidner  zu  Eisenb.-Dir.  in  Dresden-A., 
Leipzig  I und  Chemnitz ; — die  Reg.-Bmstr.  Heim,  Otto,  Rothe 
und  K.  E.  Schneider  zu  Bauinsp.;  der  Reg.-Bmstr.  Meyer 
Masch.-Insp. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Maurermstr.  W.  i.  Nach  Ihrer  eigenen  Darlegung  der 
Sachlage  haben  Sie  weder  an  die  Gemeinde  noch  an  den  Bürgermeister 
irgend  welchen  Anspruch.  2.  Da  im  geltenden  Verwaltungsrechte 
nicht  einmal  den  Städten  mit  mehr  als  10000  Einwohnern  oder  den 
Polizeibehörden  derartiger  Gemeinden  vorgeschrieben  ist,  dass  sie 
nur  Reg.-Baumeister  als  bautechnische  Sachverständige  benutzen 
dürften  und  sich  noch  weniger  ein  Verbot  findet,  in  Städten  unter 
10000  Einwohnern  geprüften  Baugewerksmeistern  Geschäfte  bau- 
technischer oder  baupolizeilicher  Natur  zu  übertragen,  so  ist  in 
Ihrem  Falle  dem  Bürgermeister  unverwehrt,  bei  Auswahl  bau- 
kundiger Beamten  geeignete  Baugewerksmeister  zu  verwenden,  so- 
weit nicht  etwa,  was  an  Ihrem  Orte  nicht  vorliegt , die  staatliche 
Aufsichtsbehörde  oder  ein  Ortsstatut  Ausnahme-Bestimmungen  ge- 
troffen hat.  — H.  H-e. 


Inhalt:  Villa  Stroblberger  in  Thalkirchen  bei  München.  — Eine  cha- 
rakteristische Eigenschaft  der  neuen  Baukunst  — Die  Stellung  der  baye- 
rischen Staatsbahn-Ingenieure.  — Kosten  der  elektrischen  Beleuchtung  nebst 
vergleichenden  Bemerkungen.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermisch- 
tes — Bücherschau.  — ■ Preisbewerbungen..  — Personal-Nachrichten.  — 
Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage;  Villa  Stroblberger  in  Thalkirchen 
bei  München. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitui^  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  30. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  31.  Berlin,  den  16.  April  1902. 


Das  städtische  Elektrizitätswerk  in  Worms. 


Architekt;  Stadtbaumeister  Metzler  ii 
n 2.  Januar  1900  fasste  die  Stadtverordneten^ Ver- 
sammlung von  Worms  den  einstimmigen  Beschluss, 
ein  Elektrizitätswerk  zur  Licht-  und  Kraftabgabe  und 
Betrieb  der  Strassenbahn  auf  städtische  Kosten  zu  er- 


Worms.  (Hierzu  die  Abbilduog  S.  jgg.) 

bauen  und  zu  betreiben.  Die  Vergebung  der  elektrischen 
und  motorischen  Einrichtung  des  Werkes  erfolgte  am 
20.  Juni  1900  an  die  Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft  vormals 
Schuckert  & Co.  in  Nürnberg.  Die  Hochbauten  wurden 

durch  das  Stadtbau- 
amt  aufgrund  der 
von  Hrn.  Geheim- 
rath K i 1 1 1 e r in 
Darmstadt  gegebe- 
nen Gesichtspunk- 
te und  im  Einver- 
nehmen mit  der 
genannten  Gesell- 
schaft nach  den  rait- 
folgenden  Abbil- 
dungen errichtet. 
Als  Bauplatz  des 
Werkes  wurde  ein 
vomVangionenring, 
der  Kloster-  und 
der  Aulstrasse  um- 
schlossenes Gelän- 
de bestimmt,  wel- 
ches die  Möglich- 
keit späterer  Er- 
weiterungen der 
Anlage  darbot.  Die 
Gruppirung  des 
Aufbaues  ergab  sich 
aus  der  Bestim- 
mung der  einzelnen 
Theile  der  Anlage; 
ohne'  den  Zusam- 
menhang zu  stören, 
war  es  möglich,  je- 
dem Bautheile  eine 
ihm  charakteristi- 
sche Gestaltung  zu 
geben.  DieStrassen- 
ecke  fand  eine  be- 
sondere Berück- 
sichtigung durch 
Zurücksetzung  des 
Akkumulatoren- 
hausesura  eine  Vor- 
gartentiefe , sodass 
hier  einebewegtere 
Gestaltung  der  An- 
lage möglich  war. 
Die  einzelnen  Ge- 
bäudetheile  gruppi- 
ren  sich  um  einen 
kleinen  Innenhof.  — 
Für  die  dem  Betrieb 
des  Werkes  dienen- 
den Gebäudetheile 
wurden  romani- 
sche Formen,  für 
das  Verwaltungsge- 
bäude gothische 
Formen  mit  Be- 
standth  eilen  imStile 
der  deutschen  Re- 
naissance gewählt. 
Der  Sockel  besteht 
aus  einer  unteren 
Schicht  aus  Nie- 
dermendiger  Ba- 
saltlava, sowie  aus 
mit  dem  Hammer 
bearbeitetem  Mau- 
erwerk aus  Neckar- 
sandstein. Die  Fas- 
sadengliederunger- 
folgte durch  Lise- 
nen  in  Neckarsand- 
stein und  Putzflä- 
chen, während  die 
architektonischen 
Gliederungen  in 


197 


Pfälzer  Sandstein  ausgeführt  wurden.  Kragsteine  und  Ge- 
simse sind  in  sparsamer  Weise  mit  Ornament  belebt.  Die 
Dächer  des  Verwaltungsgebäudes  und  des  Akkumulatoren- 
hauses sind  in  blauem,  deutschem  Schiefer,  die  Dächer 
auf  dem  Maschinenhause  mit  braun  glasirten  Ludovici- 
Ziegeln  gedeckt.  Sparsam  angebrachtes  Fachwerk  unter- 
bricht in  gefälliger  Weise  die  Steinarchitektur.  Es  ist  mit 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Architekten-Verein  zu  Berlin.  Vortragsabend  mit  Damen 
am  1.7.  März  1902.  Vors,  Hr.  Plathner,  anw.  174  Personen 
einschl.  der  Damen  und  Gäste.  Hr.  P.  Gerhardt  sprach 
unter  Vorführung  ausgezeichneter  Lichtbilder,  theiis  nach 
eigenen  Aufnahmen,  theiis  nach  solchen  des  Hrn.  Dir. 
Görke  der  Urania  bezw.  der  Firma  Minzloff  in  Tilsit 
über  „Die  Kurische  Nehrung  und  ihre  Dünen". 
Redner  verwies  zunächst  diejenigen,  welche  mehr  in  die 
Einzelheiten  des  Gegenstandes  einzudringen  wünschten, 
auf  das  seinerzeit  im  Aufträge  der  Regierung  von  ihm 
in  Gemeinschaft  mit  anderen  herausgegebene  Werk  „Hand- 
buch des  Deutschen  Dünenbau-s"  und  schilderte 
dann  in  anziehender  Weise  Land  und  Leute,  sowie  die 
systematisch  durchgeführten  Arbeiten  zur  Wiederauf- 
forstüng  der  Dünen,  durch  welche  allein  dem  verderben- 
bringenden Wandern  der  letzteren  ein  Halt  geboten  werden 
kann.  Die  Zuhörer  gewannen  ans  den  Ausführungen  in 
Verbindung  mit  den  prächtigen  Aufnahmen  eine  lebendige 
Vorstellung  von  der  Eigenthümlichkeit  dieses  landschaftlich 
keineswegs  aller  Reize  haaren  Landstriches,  seiner  zähen, 
an  der  Schölle  haftenden  Bevölkerung  und  von  der  mühe- 
vollen Kleinarbeit,  mit  welcher  der  fast  unüberwindlich 
erscheinenden  Kraft  des  Windes  und  des  rieselnden  Sandes 
Schritt  für  Schritt'  der  Boden  streitig  gemacht  wird. 

Die  Kurische  Nehrung  besitzt  eine  Längenausdehnung 
von  98  bei  grösster,  0,44  k”  geringster  Breite. 

Rossitten,  Nidden  und  Schwarzort,  letzteres  ein 
aufblühender  Badeort,  im  übrigen  Orte,  deren  Bewohner 
hauptsächlich  von  der  Haffischerei,  ausserdem  von  den 
geringen  Erzeugnissen  des  schmalen  anbaufähigen  Land- 
streifens an  der  Binnenseite  der  Düne  leben,  sind  die 
Haüptplätze  der  Halbinsel,  die  man  am  bequemsten  mit 
dem  Dampfschiffe  erreicht,  das  zwischen  Cranz  (d.  h.  vom 
Binnenhafen)  und  Memel  in  5—6  Stunden  regelmässig  ver- 
kehrt. Sonst  ist  man  auf  den  Wagen  angewiesen,  die 
kurische  Post  oder  sonstiges  Fuhrwerk,  mit  dem  sich  auf 
.dem  nassen,  seeseitigen  Strande,  bezw.  auf  der  Palwe, 
d.  h.  dem  hinter  der  Vordüne  gelegenen,  wüsten,  aber 
ebenen  Landslfeifen  leidlich  vorwärts  kommen  lässt.  Die 
mit  breiten  Felgen  ausgestatteten  Wagen  werden  mit  3 
Pferden,  falls  4-sitzig  schon  mit  4 Pferden  bespannt. 

Der  Querschnitt  der  Nehrung  zeigt  zunächst  seeseitig 
einen  schmalen  Strand,  dahinter  die  Vordüne,  die  jetzt 
durchweg  befestigt  wird,  dann  die  schon  genannte  Palwe, 
weiter  einen  etwas  hügeligen  Streifen,  das  kupsige  Ge- 
lände,. aus  dem  sich  flach  ansteigend  die  Wanderdüne  er- 
hebt, die  nach  der  Haffseite  steil  abfällt  und  nur  noch  ein 
schmales  Vorland  übrig  lässt.  Einst  lagen  diese  Dünen 
viel  weiter  zurück,  sie  waren  bewaldet,  wie  noch  heute 
Spuren  von  Waldboden  in  den  Sandmassen,  Reste  alter 
verschütteter  Wälder,  die  mit  dem  Fortschreiten  der  Düne 
wieder  freigelegt  sind,  beweisen.  Unvernünftige  Abholzun- 
gen in  früherer  Zeit  werden  hieran  die  Hauptschuld  tragen, 

jetzt  bemüht  man  sich,  dem  losen  Sande,  der  unter 
dem  Einflüsse  des  Windes  langsam,  aber  unwiderstehlich 
fortschreitet,  Dörfer  verschüttet  und  später  wieder  freilegt, 
von  neuem  einen  festen  Halt  zu  geben  durch  mühevolle, 
aber  erfolgreiche  Arbeit.  Zunächst  wird  die  Vordune  be- 
festigt, dann  die  Binnendüne  durch  Aufforstung.  Zu  diesem 
Zweck  wird  die  ganze  Fläche  des  seeseitigen  Hanges  durch 
niedrige  Reisighecken  in  Quadrate  von  4 “ Seitenlange,  das 
sog.  Besteck,  getheilt.  In  jedes  dieser  Quadrate  wird  in 
einzelnen  Löchern  Lehmboden  eingebracht,  in  den  dann 
kleine  Kiefern  eingesetzt  werden,  die  bald  dem  losen 
Boden. Halt  geben.  — 

Ausserord.  Vers,  vom  7.  April.  Vors.  Hr.  Beer, 
Gegenstand  des  Abends  bildete  neben  geschäftlichen  Mit- 
theilungen die  Frage,  in  welcher  Weise  der  Verein  Stellung 
nehmen  solle  zu  den  Uebergangs-Bestimmungen  betr.  die 
Zulassung  der  Reg.-Bauführer  zur  Doktor-Promotion  an 
den  techn.  Hochschulen.  Nach  den  Mittheilungen,  die  von 
amtlicher  Stelle  im  Abgeordnetenhause  gemacht  wurden^ 
ist  eine  Verschmelzung  der  Bauführer-  und  der  Diplom- 
prüfung für  die  Zukunft  geplant,  so  dass  es  nur  noch  ein 
einziges  akademisches  Abgangs -Examen  giebt.  Die  bis- 
herigen Reg.-Baumeister  sollen  dann  ohne  Weiteres,  die 
Reg.-Bauführer  nach  Nachlieferung  einer  der  Diplomarbeit 


■*)  Vergl.  die  Besprechung  des  Werkes  in  No.  52,  Jahrg.  1901  der  D.  Bzfg. 


Anerkennung  zu  bemerken,  dass  das  mit  einem  Gesammt- 
aufwand  von  1 100000  M.  erbaute  Werk  in  seiner  archi- 
tektonischen Haltung  über  den  Charakter  eines  einfachen 
Nutzbaues  hinausgeht  und  sich  den  bewährten  Ueberliefe- 
rnngen,  welche  die  Stadt  Worms  bei  ihren  neueren 
Bauten  mit  so  viel  Glück  aufgenommen  hat,  würdig 
anschliesst.  — 


entsprechenden  häuslichen  Arbeit  zur  De  ktor- Promotion 
zügelassen  werden.  Die  Versammlung  beschloss,  eine  vom 
Vorstande  des  Vereins  eingebrachte  Resolution,  weiche  den 
bisherigen  Standpunkt  des  Vereins  und  des  Verbandes  d.  A.- 
u.  I.-V.  (unbedingte  Zulassung  der  Reg -Bauführer)  währt, 
den  Abgeordneten  zuzustellen.  DieseResolution  soll  auf  An- 
trag des  Plrn.  Graef  auch  noch  den  Hrn.  Ministern  des 
Kultus  und  der  öffentl.  Arbeiten  überreicht  werden.  — 

Im  Anschluss  an  diese  ausserordentl.  Versammlung 
fand,  wiederum  unter  sehr  starker  Theilnahme,  ein  Vor- 
tragsabend mit  Damen  statt.  Es  sprach  Hr.  Ob. -Ing.  Arlt 
bei  der  Allg.  Elektr.-Ges.  über  „Die  Erzeugung  der 
Elektrizität  und  ihre  Verwendung  für  Beleuch- 
tung und  Kraftübertragung“.  Der  Vortrag  war  von 
Experimenten  und  der  Vorführung  von  Lichtbildern  be- 
gleitet. Der  Zusammensetzung  der  Zuhörerschaft  ent- 
sprechend ging  der  Redner  weniger  auf  die  Begründung 
und  die  Ursachen,  als  auf  die  Vorführung  der  Folge-Er- 
scheinungen ein  und  führte  die  seinen  Ausführungen  mit 
Interesse  folgende  Versammlung  dann  im  Bilde  durch  die 
Werkstätten  und  die  Zentralen  der  genannten  Gesellschaft 
in  Berlin.  — Fr.  e. 

Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Magdeburg,  ln  der  sehr 
stark  besuchten  Versammlung  am  12.  Febr.  d.  J.  hielt  Hr. 
Landbauinsp.  Hesse  einen  Vortrag  über  „Die  Magde- 
burger Justizneubauten".  Unter  Vorlegung  von  zahl- 
reichen Zeichnungen  führte  er  etwa  Folgendes  aus:  Die 
verschiedenen  Gerichtsbehörden  sind  bisher  in  mehreren 
entfernt  von  einander  liegenden  Gebäuden  innerhalb  der 
Altstadt  untergebracht.  Hierdurch  sowohl  wie  durch  die 
Unzulänglichkeit  der  alten  Häuser  wird  der  dienstliche 
Verkehr  sehr  erschwert.  Man  fasste  daher  zu  Ende  der 
achtziger  Jahre  den  Entschluss  zu  einem  gemeinsamen 
Neubau  und  suchte  ein  zweckentsprechendes  Grundstück. 
Die  Unmöglichkeit,  ein  geeignetes  Gelände  innerhalb  der 
Altstadt  zu  finden,  führte  zu  dem  Erwerb  des  Grund- 
stückes an  der  Halberstädter-Strasse,  das  neben  seiner 
annehmbaren  Lage  in  der  Nähe  der  Stadt  den  Vortheil 
eines  preiswürdigen  Ankaufes  bot,  obschon  die  sehr  eng 
angrenzende  Nachbarschaft  und  die  knapp  bemessene 
Strassenbreite  vor  der  Hauptfront  nicht  gerade  alle  Wünsche 
in  vollem  Maasse  befriedigen.  Der  Preis  des  Bodens  be- 
trug 700  000  M.  bei  einer  Grösse  von  annähernd  3,45 
Der  Baugrund  ist  gut  und  erfordert  keine  besonderen  Grün- 
dungsarbeiten. Auch  der  Grundwasserstand,  der  bis  6 und 
7 ” unter  Strassenkrone  liegt,  ist  günstig.  Schwierigkeiten 
stellten  sich  aber  hinsichtlich  der  Entwässerung  der  Ge- 
bäude ein  durch  die  geringe  Tiefenlage  des  vorhandenen 
Entwässerungskanaies.  Man  musste  sich  zur  Anlage  eines 
neuen  Kanales  verstehen,  der  auf  fiskalischem  Boden 
unterhalb  der  Eisenbahn  eingebettet  wurde.  Redner  giebt 
nun  eine  allgemeine  Uebersicht  über  das  Raumbedürfniss, 
über  die  Vertheilung  der  einzelnen  Verwaltungszweige  auf 
die  verschiedenen  Gebäude  und  ferner  über  die  Gruppirung 
der  letzteren  im  Gelände,  bei  welcher  Bedacht  auf  die 
spätere  Erweiterungsfähigkeit  zu  nehmen  war.  Das  Haupt- 
gebäude mit  seinen  fünf  grossen  umschlossenen  Höfen 
nimmt  die  hervorragendste  Stelle  an  der  Hauptverkehrs- 
strasse ein,  enthält  die  grossen  Sitzungssäle  mit  den  zuge- 
hörigen Dienst-  und  Nebenräumen  und  getrennte  Zugänge 
für  den  Geschäftsverkehr  und  für  das  Publikum.  Sein 
Hauptraum,  der  Schwurgerichtssaal,  ist  in  die  Mittelaxe 
der  Gesammtanlage  verlegt  und  bildet  hier  das  bestimmende 
Motiv  für  die  äussere  architektonische  Erscheinung.  Zu 
ihm  führt  der  Hauptzugang.  Stattliche  und  übersichtlich 
angeordnete  Treppen  in  den  Längs-  und  Queraxen  ver- 
mitteln den  Verkehr  im  Inneren.  Die  äussere  Gestaltung 
des  Hauptgebäudes  mit  seiner  ruhigen,  monumentalen 
Massenvertheilung  zeigt  in  ihren  Einzelheiten  Anklänge  an 
spätgothische  Motive  und  bringt  in  würdiger  Weise  die 
Zweckbestimmung  des  Bauwerkes  zum  Ausdruck.  Lehr- 
reich wirkten  einzelne  der  ausgestellten  Studienblätter, 
welche  die  verschiedenartigen  Lösungen  der  architektoni- 
schen Aufbauten  und  des  Hauptportales  iri  meisterhafter 
Darstellung  zur  Anschauung  brachten.  Den  Erläuterungen 
zu  den  inneren  Ausführungsarbeiten,  den  Konstruktionen, 
den  Grössenverhältnissen,  der  Bauzeit  und  den  Baukosten 
schloss  der  Vortragende  die  Beschreibung  des_  Zellenge- 
fängnisses, des  Verwallungs- Gebäudes  mit  dem  eingefügten 
Betsaale,  des  Lazareths  mit  Aerzte-  und  Krankenzimmern, 

No.  31. 


198 


und  desDienstwolingebäudes  für  Unterbeamte  an.  Reicher 
Beifall  und  Dank  lohnten  die  werthvollen  Ausführungen. 
Eine  gemeinsame  Besichtigung  des  bereits  bis  zum  Erd- 
geschoss gediehenen  Bauwerkes  ist  für  die  nächste  Zeit 
geplant.  — Th. 


und  Hannover  abgehalten  werden  sollen,  haben  erstmalig 
staugefunden.  In  Hannover  trugen  die  Hrn.  Prof.  Nuss- 
baum bezw.  Ob.-Stabsarzt  Dr.  Schumburg  in  der 
Zeit  vom  lo.— 22.  März  vor,  während  in  Berlin  die  Vor- 
lesungen am  7.  d.  M.  begonnen  haben.  Sie  werden  ab- 


Vermischtes. 

Die  Kurse  über  Bau-  und  Wohnungshygiene  welche 
nach  unserer  früheren  Mittheilung  (vgl.  No.  15)  für  ältere 
Baubeamte  an  den  technischen  Hochsdmlen  zu  Berlin 

16.  April  1902. 


gehalten  von  Hrn.  Landesbrth.  Th.  Goecke  bezw.  für  den 
ärztlichen  Theil  von  Hrn.  Reg.-Rth.  Prof.  Dr.  Kossel.  Die 
bautechnischen  Vorträge  befassen  sich  mit:  Bebauungs- 
p^lan,  Bauordnung,  Bauplan,  Bauart  und  wirthschaftlichen 
Fragen,  die  ärztlichen  Vorlesungen  behandeln:  die  Ent- 


199 


.Wicklung  der  heutigen  Gesundheitslehre  und  ihre  Ver- 
werthung  für  die  Volksgesundheit,  Statistik,  Infektions- 
Krankheiten,  Forderungen  für  ein  gesundes  Wohnen.  Mit 
den  Vorlesungen  sind  Besichtigungen  verbunden.  — 

Die  Errichtung  einer  zweiten  bayerischen  technischen 
Hochschule  in  Nürnberg,  welche  das  bayer.  Kultusministe- 
rium beim  Landtag  beantragt  hat,  hat  sich  immer  dringender 
als  ein  Bedürfniss  herausgestellt.  Nürnberg  zählt  mit  seiner 
Nachbarschaft  Fürth  rd.  320000  Einwohner,  es  bildet  den 
wirthschaftlichen  Mittelpunkt  der  drei  fränkischen  Pro- 
vinzen, Bayerns  und  hat  zu  seiner  Nachbarschaft  die  in- 
dustriereichen Städte  Schwabach  und  Erlangen.  Sonach 
bildet  Nürnberg  den  Mittelpunkt  des  bedeutendsten  Indu- 
striegebietes Süddeutschlands,  dessen  Industriezweige,  wie 
die  Maschinen-Industrie,  die  Elektrotechnik,  der  Brücken- 
bau, die  chemische  Industrie,  die  Metall-,  Farben-  und 
Spielw'aaren-Industrie  an  erster  Stelle  des  Weltmarktes 
stehen.;  Die  architektonische  Bedeutung  der  Stadt,  wie  ihre 
künstlerische  Bedeutung,  im  allgemeinen  sind  nicht  minder 
weltberühmt;  als  Sitz  dreier  grosser  Anstalten,  wie  des  Ger- 
manischen National-Museuiris,  des  Bayerischen  Gewerbe- 
Museüfns  und  des  Verkchrs-Museums  bietet  sie  dem  Stu- 
direnden  wie  dem  Lehrer  reiche  Anregung.  Eine  Reihe 
grosser  industrieller  Werke  ist  imBesitzypn  Versuchs-Labo- 
ratorien und  Betriebs-Einrichtungen,  deren  Kennfniss  den 
Studirenden  nicht  vorenthalten  würde.  Zu  der  Einfluss- 
sphäre Nürnbergs  darf  auch  ein  grosser  Theil  der  Ober- 
pfalz mit  seiner  Porzellan-,  Glas-  und  Eisenindustrie,  na- 
mentlich die  Gegend  von  Weiden,  Sulzbach,'  Neümarkt 
us'w.  gerechnet  werden.  Die  Studirenden,  deren  Zahl  für 
den  Anfang  auf  etwa  500  (.gegen  380,  mit 'welchen  die 
technische  Hochschule  in  München  eröffnet  wurde)  ange- 
nomrnen  wird,  dürften  sich  aus  den  Hörern  Baj^.erns  zu- 
samm'ensetzen,  welche  bisher  die  Hochschulen  der  kleine,- 
ren  Städte  wie  Karlsruhe,  Darmstadt,  Stuttgart  usw.  wegen 
ihrer  angenehmen  Lebensbedingungeh  aufsuchten,  sodann 
iiameDtlich  aber ' auch  aus  Hörern  aus  Thüringen,  ins- 
besondere, so  lange  hier  nicht  eine  eigene  technische 
Hochschule  errichtet  wird.  Die  Stadt  Nürnberg  stellt  den 
Bauplatz  unentgeltlich  zur  Verfügung;  sie  hat  sich  ein  Ge- 
lände von  rd.  2 ha  von  dem  .früheren  Gelände  der  Ma- 
schinenbau-Akt.-Ges.  an  der  Ring-  und  Kesslerstrasse  vor- 
läufig gesichert;  daneben  hat  die  Stadt  noch  einen  zweiten 
Bauplatz  gegenüber  dem  Stadtparke  Maxfeld  angeboten. 
Nicht  ohne  Bedeutung  für  die  künftige  technische  Hoch- 
schule ist  die  Thatsache,  dass  in  Nürnberg  bereits  die 
Johann  Friedrich  Klett’sche  Polytechnikums-Stiftung  be- 
steht, welche  zum  Zwecke  der  Errichtung  einer  polytech- 
nischen Hochschule  in  Nürnberg  mit  der  Bestimmung 
ins  Leben  gerufen  wurde,  dass,  solange  dies  nicht  mög- 
lich sei,  die  Stiftung  zu  Stipendien  für  die  Studirenden 
technischer  Hochschulen  verwendet  werden  solle.  Das 
Stiftungsvermögen  beträgt  zurzeit  über  400  000  M.  Im 
Studienjahre  1900/1901  flössen  aus  der  Stiftung  11  iio  M. 
Stipendien  an  Studirende  der  technischen  Hochschule 
München.  Diese  bedeutende  Stiftung  würde  stiftungsge- 
mäss  an  die  Nürnberger  technische  Hochschule  überzu- 
gehen haben.  Ferner  ist  im  Jahre  1898  die  Carl’sche 
Stiftung  mit  einem  Kapital  von  200000  M.  errichtet  wor- 
den, deren  Renten  u.  a.  auch  zu  Stipendien  für  Schüler 
Nürnberger  technischer  Unterrichts-Anstalten  bestimmt  sind. 
Und  schliesslich  besteht  mit  dem  gleichen  Zwecke  die 
Kohn’sche  Stiftung  im  Betrage  von  200000  M.,  welcher 
in  der  neueren  Zeit  |ein  gleich  grosser  Betrag  zugeführt 
wurde.  So  erfolgt  die  Gründung  der  Hochschule  auf 
guter  Grundlage.  — 

Deutsche  Gesellschaft  für  Volksbäder.  Die  diesjährige 
Hauptversammlung  findet  am  26.  Mai  in  Weimar  statt. 
Aus  dem  reichen  Material  erwähnen  wir;  „Wie  gelangen 
kleinere  und  mittlere  Gemeinden  am  besten  in  den  Besitz 
einer  Badeanstalt  mit  Brausebädern?"  (Landger -Rth.  Dr. 
As  chrott- Berlin);  „Grundsätze  für  Bauanlage  und  Einrich- 
tung von  Volksbadeanstalten  als  Programm  zum  Gebrauch 
bei  der  Ausschreibung  und  Aufstellung  der  Entwürfe". 
(Brth.  Peters-Magdeburg  und  Ing.  Oslender-Düsseldorf.) 

Zur  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs-Arbeiten  am 
Heidelberger  Schloss.  Die  S.  187  erwähnte  Kommission 
tritt  am'  17.  April  d.  J.  im  ersten  Obergeschoss  des  Fried- 
richsbaues des  Heidelberger  Schlosses  zusammen.  Der 
Kommission  sind,  21  Fragen  fast  ausschliesslich  technischer 
Natur  zur  Berathung  vorgelegt.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Elly-Hölterhoff-Böcklng-Stiftung  in  Bonn. 
Man  übersendet  uns  von  verschiedenen  Seiten  und  unter 
lebhaften  Klagen  eine  gedruckte  Postkarte,  welche  das 
Kuratorium  der  genannten  Stiftung  an  die  um  die  Unter- 


lagen sich  Bewerbenden  schickte.  Die  Karte  hat  abge- 
sehen von  Anrede  usw.  folgenden  Wortlaut: 

„Nachdem  infolge  unseres  öffentlichen  Aufrufs  468 
Gesuche  um  Ueberlassung  der  Bedingungen  für  den  Wett- 
bewerb um  den  Stiftsbau  an  uns  gelangt  und  berücksichtigt 
sind,  sehen  wir  im  Interesse  einer  sachgemässen  Prüfung 
der  gewiss  zahlreich  eingehenden  Entwürfe  von  einer 
weiteren  Ausdehnung  des  Wettbewerbs  ab  und  haben  die 
Versendung  der  Bedingungen  eingestellt". 

Mit  Recht  wird  hierzu  bemerkt,  dass,  abgesehen 
von  der  gewiss  eigenartigen  Begründung,  durch  dieses 
Verfahren  der  allgemeine  Wettbewerb  zu  einem  beschränk- 
ten wird  und  dass  es  durchaus  nicht  ausgeschlossen  sei, 
dass  unter  den  Abgewiesenen  gerade  derjenige  sich  be- 
finden könnte,  der  den  glücklichsten  und  durchschlagend- 
sten Gedanken  hat.  Jedenfalls  liegt  die  vorgenommene 
Beschränkung,  von  welcher  es  nicht  feststeht,  ob  sie  mit 
Zustimmung  der  Preisrichter  unternommen  wurde,  weder 
im  Interesse  der  Sache,  noch  in  dem  der  Theilnehmef  des 
Wettbewerbes.  Wollte  sich  das  Kuratorium  gegen  einen 
Missbrauch  in  der  Forderung  von  Unterlagen  schützen, 
so  war  ihm  der  bewährte  Ausweg  gegeben,  diese  Unter- 
lagen nur  gegen  eine  angemessene,  im  Falle  der  Betheili- 
gung am  'Wettbewerbe  zurückzuerstattende  Summe  abzu- 
geben. Da  das  nicht  geschehen  ist,  so  musste  das  Kura- 
torium auch  alle  aus  dieser  Unterlassung  sich  ergebenden 
Folgen  tragen,  selbst  wenn  eine  Auflage  der  Unterlagen 
von  1000  und  mehr  Exemplaren  nöthig  wurde.  Die  be- 
scheidene Ausgabe  hierfür  würde  immerhin  in  einem  nur 
verschwindend  kleinen  Verhältnisse  stehen  zu  dem  Arbeits- 
aufwande  der  Wettbewerbenden.  — 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
Landeshaus  in  Wiesbaden,  für  welches  eine  Summe  yon 
800000  M.  in  Aussicht  genommen  ist,  soll  für  deutsche 
Architekten  eröffnet  wer-den.  — 

Infolge  eines  engeren  Wettbewerbes  betr.  Entwürfe  für 
eine  evangelisch -lutherische  Kirche  in  Frankfurt  a.  M., 
welcher  unter  den  Verfassern  der  3 prämiirten  und  der 
2 angekauften  Arbeiten  des  allgemeinen  Wettbewerbes 
stattgefunden  hat,  wurde  der  Entwurf  des  Hrn.  Prof. 
Fr.  Pützer  in  Darmstadt  zur  Ausführung  gewählt.  — 

Der  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine  Passade  des 
Stiftungshauses  der  Familie  von  Besser  in  St.  Petersburg 
endigte  mit  der  Vertheilung  der  ausgesetzten  3 Preise  an 
die  Entwürfe  der  Hrn.  Muntz,  Dietrich  und  Dmitrijew. 
Mit  den  Verfassern  der  aus  Deutschland  eingegangenen 
Entwürfe  „Gute  Nachbarn“  und  „International“  wurden 
Ankaufsverhandlungen  angeknüpft.  — 

Wettbewerb  Verwaltungsgebäude  der  Hamburger  Frei- 
hafen-Lagerhaus-Gesellschaft.  Unter  35  Entwürfen  fielen 
die  beiden  gleichen  I.  Preise  von  je  3000  M.  an  die  der 
Hrn.  J.  Grotjan  und  B.  Hanssen  & Meerwein  in 
Hamburg;  mit  dem  II.  Preise  von  2000  M.  wurde  der 
Entwurf  des  Hrn.  E.  Döring,  z,  2t.  in  Heidelberg,  aus- 
gezeichnet; mit  dem  III.  Preise  von  1000  M.  der  Entwurf 
des  Hrn.  C.  W.  Martens  in  Hamburg.  Sämmtliche  Ent- 
würfe sind  bis  einschl.  24.  April  Alter  Wandrahm  12  von 
9—5  Uhr  öffentlich  ausgestellt.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  X.  in  D.  Die  „Grundsätze“  des  Verb,  deutsch. 
Arch.-  und  Ing.-Ver.  „über  das  Verfahren  bei  'Wettbewerben"  ent- 
halten über  Ihre  Fragen  keine  bestimmten  Angaben.  Sowohl  für 
den  Zusammentritt  des  Preisgerichts,  der  allerdings  häufig  erst 
nach  einer  Vorprüfung  durch  die  ausschreibende  Stelle  selbst  wird 
erfolgen  können,  wie  für  die  Ausstellung  der  Arbeiten  wird  aber 
eine  thunlichst  schleunige  Erledigung  erwartet.  Auch  bezüglich 
der  beiden  anderen  Fragen  geben  die  „Grundsätze“  (abgedr.  im 
Dtschn.  Baukalender  Th.  I.  und  als  Sonderdruck  ersch.  im  Verlag 
d.  Dtsch.  Bztg.)  keine  Vorschrift.  Die  Arbeit  des  Preisgerichts  ist 
beendet  nach  der  Feststellung  der  Reihenfolge  der  zu  prämiiren- 
den  Entwürfe  und  der  Ausarbeitung  des  Gutachtens'.  Alles  weitere 
erfolgt  durch  den  Ausschreibenden  selbst;  doch  ist  es  jedenfalls 
üblich,  die  Namen  der  Sieger  schon  bei  der  Entscheidung  in  Gegen- 
wart der  Preisrichter  zu  ermitteln.  Bezüglich  des  Schutzes  der 
nicht  preisgekrönten  oder  angekauften  Arbeiten  kommen  nur  die 
gesetzlichen  Bestimmungen  inbetracht.  — 

Hrn.  Bmstr.  H.  M.  ln  Brünn.  Angaben  über  die  Kon- 
struktionen von  Sonnenuhren  finden  Sie  in  Lueger,  Lexikon  der 
gesammten  Technik,  Hd.  VII.  S.  406  f.  Im  Briefkasten  können  wir 
eine  ausführliche  Darstellung  darüber  nicht  geben.  — 

Hrn.  O.  W.  in  Chemnitz.  Wir  bitten  Sie,  Ihre  Frage  un- 
mittelbar an  die  Bauschule  in  Zerbst  zu  richten,  welche  Ihnen  wohl 
auch  die  gewünschten  Beweise  liefern  würde.  — 


Inhalt : Das  städtische  Elektrizitätswerk  in  Worms.  — Miltheilungen  aus 
Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbuogen.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veraotwortl.  Albert  Hofmanji,  Berlin..  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  31. 


2C0 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2:  32.  * 


Das  Elektrizitätswerk  am  Rheinhafen.  Architekt:  A.  StOrzenacker  in  Karlsruhe  i.  B. 


Neue  Karlsruher  Verkehrsanlagen. 

Regierungszeit  für  das  Land  eine  unvergleichliche 
Periode  des  geistigen  und  materiellen  Aufschwunges 
bedeutet,  seine  Weihe  erhalten  soll,  werden  davon  ein 
vorbildliches  Zeugniss  ablegen.  — 

I.  Die  geplanten  neuen  Bahnanlagen. 

Der  in  seiner  Hauptanlage  aus  dem  Jahre  1842 
stammende,  den  Ansprüchen  des  Eisenbahnwesens  ent- 
sprechend aber  mehrfach  erweiterte  Bahnhof  Karlsruhe 
ist  für  die  Haupt-Verkehrs-Richtungen  Frankfurt-Basel 
und  München-Paris  mit  ihren  Ausläufern  Durchgangs- 
Bahnhof.  Er  liegt  auf  der  Südseite  der  Stadt,  in  nächster 
Nähe  ihres  Verkehrsmittelpunktes,  und  läuft  mit  seiner 
Längsaxe  parallel  zur  Kaiserstrasse,  der  die  Stadt  von 
Osten  nach  Westen  in  der  stattlichen  Länge  von  2.5 
durchziehenden  Hauptverkehrsader.  Da  der  Bahnhof 
selbst,  wie  natürlich  auch  die  von  ihm  auslaufenden 
Bahnlinien,  in  Geländehöhe  liegt,  so  konnte  es  nicht 
ausbleiben,  dass  er  einer  Ausdehnung  der  Stadt  nach 
Süden  hin,  sobald  diese  einmal  einen  lebhafteren  Auf- 
schwung nahm,  sehr  hinderlich  werden  musste.  Nach- 
dem dieser  Aufschwung  zu  Anfang  der  70er  Jahre 
des  vorigen  Jahrhunderts  eingetreten  war,  ist  die  ehe- 
mals so  stille  Hauptstadt  des  badischen  Landes  in  be- 
ständigem Wachsthum  verblieben.  Je  mehr  ihr  Aus- 
dehnungs-Bestreben aber  wuchs,  um  so  lästiger  musste 
die  Behinderung  einer  Ausdehnung  über  den  Bahnhof 
und  die  Bahnlinien  hinaus  empfunden  werden.  Diese 
Behinderung  einer  Ausdehnung  der  Stadt  nach  Süden 
hin  fällt  um  so  schwerer  ins  Gewicht,  als  die  'ganze 
Nordseite  der  Stadt  eingenommen  ist  durch  den  im 
Besitz  der  Krone  befindlichen  ausgedehnten  Hardtwald, 
sodass  ein  ungehindertes  Wachsthum  nur  nach  zwei 
Richtungen  hin  möglich  blieb,  nach  Osten  und  nach 
Westen.  Im  Westen  ist  das  ehemals  selbständige 
Städtchen  Mühlburg  schon  erreicht  und  als  neuer 
Stadttheil  angegliedert  worden,  im  Osten  erfolgt  mehr 
und  mehr  eine  Annäherung  an  die  Nachbarstadt 


n dem  wirthsch  ältlichen  Auf- 
schwung, dessen  sich  Deutsch- 
land im  Laufe  des  letzten  Jahr- 
zehntes erfreute,  haben  neben  den 
grösseren  auch  die  mittleren  und 
kleineren  Städte  des  Reiches  in 
einem  solchen  Umfang  theilge- 
nommen,  dass  diese  gleich  den 
ersteren  vielfach  gezwungen  wa- 
ren, ihre  Verkehrseinrichtungen,  deren  erste  Anlage 
in  den  meisten  Fällen  um  Jahrzehnte  zurückging,  zu 
erweitern  oder  neue  Verkehrseinrichtungen  zu  schaffen. 
Für  die  Residenzstadt  des  Grossherzogthums  Baden, 
deren  Verkehrseinrichtungen  hier  in  Rede  stehen, 
kamen  zu  diesem  Grunde  der  natürlichen  Entwicklung 
noch  zwei  weitere  Gründe,  welche  die  Veranlassung 
waren,  dass  einerseits  die  Bahnverhältnisse  von  Grund 
aus  umgestaltet  wurden  und  andererseits  die  Neuanlage 
eines  Rheinhafens  zur  unaufschieblichen  Nothwendig- 
keit  wurde.  Diese  Gründe  waren  einmal  die  Lage 
Karlsruhes  an  einer  Weltverkehrsstrasse,  an  der  Bahn- 
linie Frankfurt-Basel,  einer  Linie,  an  welche  der  mehr 
und  mehr  sich  entwickelnde  Schnellverkehr  die  gröss- 
ten Anforderungen  an  die  sämmtlichen  Einrichtungen 
stellt,  und  andererseits  seine  Lage  in  nächster  Nähe 
des  Rheines,  aufgrund  welchen  Umstandes  Karlsruhe 
in  natürlichen  Wettbewerb  trat  mit  Strassburg  und 
mit  Mannheim  und  Ludwigshafen.  Den  Anforderun- 
gen, die  aus  diesen  beiden  Umständen  sich  ergaben, 
sind  die  infrage  kommenden  Faktoren,  Staat  und  Stadt, 
in  für  die  Verhältnisse  des  Grossherzogthums  und  der 
Stadt  glänzender  Weise  gerecht  geworden.  Die  nach- 
folgenden Veröffentlichungen  über  das,  was  in  bahn- 
technischer Beziehung  in  grösstem  Umfange  geplant 
ist,  und  das,  was  an  wasserbautechnischen  Arbeiten 
einschliesslich  der  dazu  gehörigen  Hochbauten  jüngst 
vollendet  wurde  und  zur  Feier  des  50jährigen  Re- 
gierungs-Jubiläums des  Grossherzogs  Friedrich,  dessen 


201 


Durlach.  So  hat  Karlsruhe  allmählich  in  der  Richtung 
von  Osten  nach  Westen  eine  Längsausdehnung  von 
nahezu  erlangt,  während  im  Verkehrsmittelpunkt, 
eingeengt  im  Norden  durch  das  Schloss  und  den  Hardt- 
wald, im  Süden  durch  den  Bahnhof  und  die  Bahnlinien, 
in  der  Richtung  von  Norden  nach  Süden  immer  noch 
die  alte  Breite  von  nur  etwa  600  ^ vorhanden  ist.  Es 
leuchtet  ein,  dass  diese  langgestreckte,  gerade  in  ihrer 
Mitte  so  engbrüstige  Form  der  Stadt  für  die  Abwicklung 
des  Verkehres  höchst  unbequem  sein  muss.  So  wurde 
die  an  sich  ausserordentlich  günstige  Lage  des  Bahn- 
hofes in  grösster  Nähe  des  Verkehrsmittelpunktes  der 
aufstrebenden  Stadt  gerade  verhängnissvoll. 

Mit  dem  wachsenden  Strassenverkehr  wurden 
ausserdem  die  Unterbrechungen  desselben  durch  den 
sich  in  Geländehöhe  bewegenden,  ebenfalls  stetig  zu- 
nehmenden Eisenbahnverkehr  immer  lästiger.  Hieran 
besserte  auch  die  Anlegung  zuerst  einer  Fussweg- 
Ueberführung  und  später  die  von  zwei  Fussgänger- 
Tunneln  wenig  oder  nichts;  denn  gerade  dem  eiligen 
Wagen-  und  Fahrrad- Verkehr  kommen  diese  Anlagen 
ja  nicht  zustatten. 

Der  stetig  zunehmende  Werth  der  Grundstücke 
im  Inneren  der  Stadt  hatte  die  Miethspreise  inzwischen 
höher  und  höher  hinauf  getrieben  und  die  Nachfrage 
nach  billigeren  Wohnungen  hatte  dazu  genöthigt,  nicht 
nur  am  Ost-  und  Westende,  sondern  auch  jenseits  der 
Bahnlinien  neue  Gelände  der  Bebauung  zu  erschliessen. 
Mit  fortschreitender  Anbauung  dieser  südlich  des  Bahn- 
hofes gelegenen  Flächen  tauchte  sehr  bald  auch  das 
Bedürfniss  nach  einer  besseren  Verbindung  derselben 
mit  den  anderen  Stadttheilen,  vor  allem  mit  dem  Inneren 
der  Altstadt  auf.  Aber  je  dringender  die  Forderung 
einer  Strassenbahn-Verbindung  zwischen  Südstadt  und 
Altstadt  auch  mit  der  Zeit  wurde,  ihre  Erfüllung  schei- 
terte dennoch  an  dem  Widerstande  der  grossherzogl. 
General-Direktion  der  badischen  Staatseisenbahnen, 
die  freilich  aus  sehr  triftigen,  aus  betriebstechnischen 
Gründen  einer  Fortführung  der  Strassenbahn  über  die 
Gleise  der  Staatsbahn  hinweg  sich  dauernd  widersetzte. 
So  lange  aber  die  General-Direktion  diesen  von  ihrem 
Standpunkte  aus  sehr  berechtigten  Widerstand  auf- 
recht erhielt,  so  lange  war  an  ein  inniges  Verwachsen 
der  neuen  Südstadt  mit  den  älteren  Stadttheilen  nicht 
zu  denken  und  so  lange  war  somit  auch  eine  gedeih- 
liche Weiterentwicklung  der  Stadt  nach  Süden  hin 
unmöglich  gemacht. 

Als  diese  Zustände  allmählich  unerträglich  zu 
werden  begannen,  beantragte  die  Gemeinde  Karlsruhe 


bei  der  Gen.-Direktion  ihre  baldige  Abstellung.  Ueber 
die  Frage,  in  welcher  Weise  die  Uebelstände  ihrer 
Meinung  nach  am  besten  abzuändern  seien,  Hess  die 
Stadt  sich  zunächst  noch  nicht  aus.  Die  Gen.-Direktion 
erkannte  die  Beschwerden  der  Stadt  als  berechtigt 
an  und  Hess  einen  Entwurf  ausarbeiten,  nach  welchem 
die  zumeist  in  ihrem  Verkehr  behinderten  Strassen 
mittels  Rampen  über  die  Bahngleise  hinweggeführt  wer- 
den sollten.  Um  hierbei  auch  die  Interessen  der  Babn- 
verwaltung  bei  einer  später  etwa  nöthig  werdenden 
Bahnhofs-Erweiterung  zu  berücksichtigen,  wurden  die 
Strassenkreuzungen  in  diesem  Entwürfe  beiderseits  des 
Bahnhofs  um  je  100*”  nach  aussen  verschoben,  sodass 
dann  eine  erwünschte  Verlängerung  des  Bahnhofes 
möglich  geworden  wäre. 

Mit  diesem  Rampen-Entwurf  erklärte  sich  die  Stadt 
nicht  einverstanden,  da  ihrer  Meinung  nach  die  mächti- 
gen Rampen-Anlagen  die  Stadt,  in  erster  Linie  den 
sehr  hübschen  Bahnhof-Stadttheil,  in  hässlicher  Weise 
verunstaltet  haben  würden.  Da  eine  Senkung  der 
Bahngleise  ausgeschlossen  und  für  die  Rampen  eine 
Steigung  von  i : 40  vorgesehen  war,  so  hatten  die 
Rampen-Ungethüme  herzlich  wenig  Bestechendes.  Die 
Stadt  erklärte  weiter,  dass  sie  eine  wirklich  befriedi- 
gende Lösung  nur  in  einer  Höherlegung  des  ganzen 
Bahnhofes  und  einer  Unterführung  der  Strassen  an 
ihrer  ursprünglichen  Stelle  und  in  ihrer  jetzigen  Höhen- 
lage unter  den  Bahngleisen  her  erblicken  könne.  Diese 
Lösung  erschien  aber  der  Gen.-Direktion,  die  sich  zu- 
nächst ausserdem  auf  den  Standpunkt  stellte,  dass  sie 
selbst  gar  kein  Interesse  an  der  Sache  habe,  der  hohen 
Kosten  wegen  für  unausführbar.  Um  den  Nachweis 
zu  erbringen,  wieviel  theurer  sich  die  beantragte  Hoch- 
legung gegenüber  den  von  ihr  vorgeschlagenen  Rampen- 
Anlagen  stellen  würde,  Hess  sie  indessen  auch  einen 
Entwurf  für  einen  Hochbahnhof  ausarbeiten,  dessen 
Ausführungskosten  auf  rd.  15  Mill.  M.  veranschlagt 
wurden,  während  der  Kostenanschlag  für  die  Rampen- 
überführungen mit  nur  4V2  Mill.  M.  schloss.  Der  Hoch- 
bahnhof wäre  demnach  10V2  Mill.  M.  theurer  gewor- 
den. Die  Aufwendung  so  bedeutender  Mehrkosten 
aus  Staatsmitteln  lediglich  zum  Vortheil  der  Stadt 
Karlsruhe  glaubte  die  Regierung  dem  ganzen  Lande 
gegenüber  nicht  verantworten  zu  können,  Lehne  die 
Stadt  also  die  Ueberführung  der  Strassen  ab,  so  könne 
ihr  nicht  geholfen  werden  und  alles  müsse  beim 
Alten  bleiben.  Die  Stadt  beruhigte  sich  bei  dieser 
Entscheidung  nicht  und  forderte  zunächst  drei  hoch- 
angesehene Fachmänner,  den  hiesigen  Ob.-Brth.  Bau- 


Eine charakteristische  Eigenschaft  der  neueren 
B aukuns  t . (s  cUuss.) 

lEä’Mlndessen  ist  hier  noch  ein  vielleicht  nahe  liegender  Ein- 
Ira  ra  zu  erörtern.  Es  möchte  nämlich  scheinen,  als  ob 

bei  vielen  der  genannten  Beispiele  von  einer  blos 
dekorativen  Anordnung  garnicht  einmal  die  Rede  sein 
könne.  In  Wahrheit  sind  die  Fälle  handgreiflicher  Willkür 
nur  seiten.  Ungleich  häufiger  umfassen  thatsächlich  die 
vortretenden  Pavillons  usw.  abgesonderte  Einzelräume 
oder  für  sich  abgeschlossene  Raumgruppen;  der  Mittelbau 
enthält  vielleicht  die  auch  im  Grundriss  ein  selbständiges 
Dasein  führende  Eintrittshalle,  darüber  den  grossen  Haupt- 
raum, die  Eckpavillons  etwa  Nebensäle  von  grösserem 
Tiefenmaass;  man  könnte  sagen,  dass  hier  verschiedene 
selbständige  Baukörper  aneinander  geschoben  oder  in 
einander  verwachsen  seien,  demnach  eine  ganz  naturge- 
mässe  Zusammensetzung,  eine  Gruppirung  vorliege.  Auch 
bei  den  meisten  unregelmässig  gegliederten  Gebäuden, 
Villen  usw,,  ist  etwas  Aehnliches  zu  bemerken.  Man  wird 
denn  auch  nicht  müde,  namentlich  in  Laienkreisen,  die 
„natürlich  ungezwungene  Gruppirung“  solcher  Landhaus- 
bauten dem  früher  üblichen  „Kasten''  und  der  ungefälligen 
„Scheune“  lobend  gegenüber  zu  stellen.  Und  gewiss,  der 
„Kasten“,  die  annähernd  regelmässige  Würfelgestalt,  ist 
zumal  für  ein  freistehendes  Landhaus  kein  dankbarer 
Vorwurf. 

Allein  es  wird  bei  dem  Entwerfen  eines  nach  einheit- 
lichem Bauprogramm  zu  schaffenden  Gebäudes  wohl  nur 
ausnahmsweise  — etwa  aus  gewissen  praktischen  Grün- 
den — der  natürliche  Anlass  sich  darbieten,  schon  von 
vornherein  an  eine  Zerlegung  in  eine  Anzahl  selbständiger 
Einzelkörper  zu  denken;  man  sollte  im  Gegentheil  an- 


nehmen, dass  es  im  allgemeinen  das  Nächstliegende,  natür- 
lich Gegebene  sei,  vor  allem  anderen  die  Idee  des  Hauses 
an  sich,  des  baulichen  Individuums,  zum  Ausdruck  zu  brin- 
gen, wie  es  denn  auch  in  allen  naiv  schaffenden  Kunstzeiten 
geschehen  ist.  Wer  aber  nichtsdestoweniger  die  Thatsache 
der  Zusammensetzung  aus  einer  Vielheit  von  Einzelräumen 
für  das  wichtigere  Moment  ansehen  wollte,  der  müsste 
folgerichtig  dazu  gelangen,  eine  Herausgliederung  jedes 
einzelnen  "Raumes  als  den  höchsten  Grad  von  Natürlich- 
keit anzustreben,  denn  mit  dem  Zusammenfassen  einer 
jeweilig  beliebigen  Anzahl  von  Räumen  in  einzelne  ge- 
schlossene Abtheilungen  ist  ja  doch  die  Willkür  in  keinem 
Fall  vermieden;  es  wäre  dann  überdies  garnicht  einzu- 
sehen, warum  die  Eintheilung  des  Ganzen  in  überein- 
ander liegende  Geschosse  nicht  mit  ebenso  grossem  Recht 
eine  Gruppirung  in  senkrechter  Richtung  erheischen  sollte! 
Wir  werden  es  demzufolge  in  der  Regel  nicht  mit  einer 
folgerecht  entwickelten  oder  zufällig  gewordenen  Gruppe, 
sondern  in  Wahrheit  mit  einem  seinem  Begriff  nach  ein- 
heitlichen Ganzen  zu  thun  haben. 

Noch  viel  weniger  wird  aber  andererseits  eine  solche 
Gliederung  dieses  einheitlichen  architektonischen  Ganzen 
als  eine  natürliche  angesprochen  werden  können,  denn 
dieselbe  ist  ja  nicht  wie  bei  dem  Hallenhof  oder  der 
Basilika  durch  die  besondere  Art  eines  einheitlichen  Raum- 
systems von  selbst  gegeben,  vielmehr  gerade  durch  die 
gegenseitige  Lagerung  mehrerer  von  einander  unabhän- 
giger Räumlichkeiten  hervbrgerufen.  Als  besondere  Aus- 
nahraefälle, wo  die  natürliche  Gruppirung,  gewöhnlich 
neben  der  dekorativen  Zergliederung,  auch  bei  ganz  mo- 
dernen Bauten  regelmässig  vorzukommen  pflegt,  seien 
hier  beiläufig  die  Theater,  ferner  manche  grosstädtischen 
Bahnhofsgebäude  genannt. 


202 


No.  32. 


meister,  den  Ing,  Gleim  ausHamburgunddenGeneral- 
Dir.  der  bayerischen  Staatseisenbahnen  v.  Ebermayer 
zur  Abgabe  eines  Gutachtens  über  die  beiden  Entwürfe 
auf.  Die  Sachverständigen  kamen  zu  dem  Schluss,  dass 
in  dem  Hochbahnhof  unzweifelhaft  die  vollkommenere 
der  beiden  Lösungen  zu  erblicken  sei.  Die  Schluss- 
Summen  der  beiden  Kosten-Anschläge  der  Gen.-Direk- 
tion  könnten  ausserdem  nicht  so  ohne  Weiteres  mit 
einander  verglichen  werden,  weil  in  den  Kosten  des 
Hochbahnhofes  selbstverständlich  die  Kosten  für  den 
völligen  Umbau  des  Bahnhofes  mit  enthalten  seien, 
in  dem  Rampenentwurf  diese  dagegen  fehlten.  Wollte 
man  den  über  kurz  oder  lang  doch  erforderlichen 
Bahnhof-Umbau  auch  hier  mit  berücksichtigen,  so 
würden  die  Kosten  des  Entwurfes  mit  Rampenanlagen 
sogar  noch  etwas  höher  anzusetzen  sein,  als  diejenigen 
des  Hochbahnhofes,  der  bei  bescheidener  Ausführung 
sich  auch  wohl  noch  etwas  billiger  herstellen  lassen 
möchte,  wie  für  15  Mill.  M.  Die  Gen. -Direktion  Hess 
ihren  Rampenentwurf  nun  endgiltig  fallen,  sie  war  in- 
zwischen wohl  selbst  zu  derUeberzeugung  gelangt,  dass 
er  keine  idealeLösung  der  Aufgabe  darstellte.  Etwa  zwei 
Jahre  , lang  ruhte  die  öffentliche  Erörterung  der  Bahn- 
hofsfrage ganz;  bis  im  Frühjahr  des  vergangenenjahres 
die  Gen. -Direktion  mit  einer  neuen  Lösung  hervortrat. 
Diese  Lösung  war  übrigens  so  ganz  neu  eigentlich  nicht, 
denn  sie  war  im  Laufe  des  Streites  um  den  Bahnhof 
schon  vereinzelt  aus  der  Mitte  der  Bürgerschaft,  aller- 
dings noch  ziemlich  unklar  und  verschwommen,  aufge- 
taucht, hätte  aber  wohl  schon  damals  greifbarere  Gestalt 
angenommen,  wenn  die  Regierung  sie  nicht  zunächst 
als  völlig  unmöglich  weit  von  der  Hand  gewiesen  hätte. 
Um  so  überraschender  musste  es  wirken,  diese  früher 
von  ihr  als  unmöglich  bezeichnete  Lösung  nun  von 
der  Eisenbahn-Verwaltung  selbst  nicht  nur  als  die 
verhältnissraässig  beste,  sondern  nun  sogar  als  die 
einzig  mögliche  vorgeschlagen  zu  sehen.  Diese  Lösung 
bestand  in  nichts  anderem,  als  einer  Verlegung  des 
Bahnhofes.  Bei  näherem  Zusehen  und  bei  vorur- 
theilsfreier  Beurtheilung  aller  Verhältnisse  verliert  diese 
veränderte  Stellung  der  Regierung,  die  anfänglich 
Jedermann  verblüffte,  mehr  und  mehr  das  Ueber- 
raschende.  Die  Regierung  hatte  den  zweijährigen 
Waffenstillstand  eben  nicht  unbenutzt  verstreichen 
lassen.  Sie  hatte  die  ganze  Angelegenheit  noch  ein- 
mal von  ihren  ersten  Anfängen  an  mit  aller  Unbe- 
fangenheit durchgesehen,  noch  einmal  alle  einschlägigen 
Verhältnisse  einer  eingehenden  Prüfung  unterzogen, 
die  Anforderungen  der  Eisenbahn-Verwaltung  an  einen 

Es  liegt  also  thatsächlich  auch  bei  diesen  anscheinend 
so  natürlich  entwickelten  modernen  Grundrissbildungen 
lediglich  eine  dekorative  Gliederung  vor  und  zugleich  ein 
Fall  jener  „künstlichen  Natürlichkeit“,  der  wir  ja  im  mo- 
dernen Kunstschaffen  auch  sonst  öfters  begegnen.  Der 
Entwerfende  begeht  ja  schon  damit  einen  Akt  der  Willkür, 
dass  er  — immer  mit  jenem  dekorativen  Ziel  im  Auge  — 
zunächst  das  Bauprogramm  nach  einem  Anlass  untersucht, 
um  sich  vielleicht  durch  Betonung  irgend  welcher  Eigen- 
thümlichkeit  desselben  einen  Behelf  zu  schaffen,  kraft 
dessen  er  alsdann  die  gewünschte  Gliederung  mit  einer 
an  sich  unanfechtbaren  Folgerichtigkeit  hervorzaubert.  Es 
genügt,  dass  ihn  die  dekorative  Absicht  leitet,  auch  wenn 
sie  ihm  im  einzelnen  Fall  gar  nicht  melu-  deutlich  zum 
Bewusstsein  kommen,  die  ganze  Sache  ihm  vielmehr  schon 
als  etwas  Gewohnheitsmässiges,  Selbstverständliches  er- 
scheinen sollte.  Wäre  es  denn  aber  ohne  Annahme  einer 
solchen  latent  vorhandenen  Absicht  überhaupt  zu  erklären, 
dass  bei  fast  allen  öffentlichen  Profangebäuden  ohne  Unter- 
schied der  jedesmaligen  praktischen  Aufgabe  immer  wie- 
der genau  dieselbe  typische  Anordnung  herauskommt? 
Würde  der  Architekt  wohl  auch  ohne  diese  dekorative 
Absicht  darauf  verfallen  sein,  jenen  Hörsaal  genau  in  die 
Mitte  des  Traktes  zu  legen  oder  dieses  eine  Sitzungs- 
zimmer um  0,5™  tiefer  zu  machen  als  alle  übrigen,  und 
musste  etwa  nicht  blos  darum  in  allen  darunter  und  dar 
über  liegenden  Geschossen  jene  sonst  unverständliche  und 
daher  so  gekünstelt  scheinende  Raumgruppe  ersonnen 
werden?  Man  gebe  sich  nur  keiner  Selbsttäuschung  hin: 
die  bewegte  Grundrissanlage  ist  um  der  Fassadengliederung 
willen  da,  nicht  umgekehrt!  Ursprünglicher  und  wahr 
haft  natürlich  dachten  jedenfalls  die  älteren  Meister,  indem 
sie  der  konstruktiv  leichter  herzustellenden,  dauerhafteren 

19.  April  1902. 


neuen  Karlsruher  Bahnhof  sehr  sorgfältig  ermittelt  und 
war  so,  nicht  halsstarrig  und  eigensinnig  an  früher 
abgegebene  Erklärungen  sich  anklammernd,  zu  dem 
Schluss  gelangt,  dass,  wenn  der  Karlsruher  Bahnhof 
doch  schon  einmal  einer  völligen  Umgestaltung  unter- 
zogen werden  müsste  — und  der  Ueberzeugung  von 
der  zwingenden  Nothwendigkeit  einer  durchgreifenden 
Erneuerung  des  Bahnhofes  konnte  auch  sie  sich  nun 
nicht  länger  mehr  verschliessen,  — dass  es  dann  unter 
allen  Umständen  auch  durchaus  gerathen  sei,  gleich 
ganze  Arbeit  zu  machen  und  den  neuen  Bahnhof  von 
vornherein  so  anzulegen,  dass  er  einerseits,  auf  lange 
Jahrzehnte  hinaus  allen  Anforderungen  des  stetig  zu- 
nehmenden Verkehres  gewachsen  sei  und  dass  er  auch 
andererseits  dem  Ausdehnungs-Bestreben  der  Stadt 
in  absehbarer  Zeit  nicht  hinderlich  im  Wege  stehe. 

Nun  bietet  das  Gelände  des  jetzigen  Bahnhofes, 
das  nur  zur  einen  Hälfte  seiner  Breite  von  Bahnhofs- 
gleisen, zur  anderen  von  Lokomotiv-Schuppen,  Ver- 
waltungs-Gebäuden usw.  eingenommen  wird,  bei  einer 
Verlegung  dieser  Anlagen  an  eine  andere  Stelle  zwar 
noch  Platz  für  eine  ziemHch  bedeutende  Vermehrung 
der  Bahnhofsgleise,  und  bei  einer  Hochlegung  des 
Bahnhofes  an  der  alten  Steile  würde  auch  wohl  die 
sehr  wünschenswerthe  Verlängerung  des  Bahnhofes 
nach  beiden  Seiten  hin  in  ziemlich  befriedigender 
Weise  zu  erreichen  gewesen  sein;  auch  ein  Umbau 
des  Bahnhofes  während  des  Betriebes  würde,  zumal 
unter  Zuhilfenahme  des  jetzt  noch  nicht  für  die  eigent- 
lichen Bahnhofszwecke  in  Anspruch  genommenen  Ge- 
ländes, nicht  durchaus  unmöglich  gewesen  sein,  wenn 
er  auch,  besonders  im  Hinblick  auf  die  am  Ostende 
des  Bahnhofes  liegenden  Güter-  und  Werkstätten- 
Bahnhöfe,  der  Bauleitung  ganz  ungewöhnliche  Schwie- 
rigkeiten verursacht  und  der  mit  der  Aufrecbterhaltung 
eines  ungestörten  und  vollkommen  gesicherten  Be- 
triebes betrauten  Verwaltung  eine  ungeheuer  schwere 
Verantwortung  aufgebürdet  haben  würde.  Unaus- 
führbar war  die  Hochlegung  des  Bahnhofes  während 
des  Betriebes  also  wohl  nicht;  sicher  aber  würde  der 
unter  so  überaus  schwierigen  Verhältnissen  auszu- 
führende Neubau  des  Bahnhofes  durch  die  mit  ihnen 
unvermeidlich  verknüpften  häufigen  Störungen  des 
Baues  eine  unverhältnissmässig  lange  Bauzeit  erfordert 
haben.  Gerade  mit  Rücksicht  auf  den  sehr  lebhaften 
Zugverkehr  war  die  möglichste  Abkürzung  der  Bau- 
zeit aber  dringend  geboten.  Bei  Belassung  des  Bahn- 
hofes an  seiner  jetzigen  Stelle  hätte  man  also,  um  den 
Neubau  völlig  ungestört  und  möglichst  rasch  ausführen 

und  zudem  sparsameren  Blockform  auch  bei  zusammen- 
gesetzten räumlichen  Bedingungen  meist  so  lange  den 
Vorzug  gaben,  als  eine  gruppenweise  Anlage  aus  den  nicht 
dekorativen  Gründen  der  Geländebeschaffenheit,  der  besse- 
ren Lichtzuführung,  der  Vertheidigung  usw.  nicht  über- 
wiegende Vortheile  versprach.  Bleibt  doch  selbst  der 
italienische  Palastbau,  welcher  die  mannigfaltigste  Raum- 
zusammenscharung  nach  attssen  hin  einer  einheitlichen 
künstlerischen  Fiktion,  aber  einer  deutlich  als  solche  er- 
kennbaren, unterwirft,  damit  immer  noch  offenherziger 
und  innerlich  wahrhafter,  als  der  moderne  Schein- 
verismus! — 

Ein  Kind  der  neueren  Zeit  ist  diese  Art,  hervorge- 
gangen aus  der  zusammentreffenden  Wirksamkeit  jüngst- 
vergangener  Kunstübung  und  echt  moderner  geistiger 
Strömungen.  Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  in  dem 
Schlossbau  der  französischen  Renaissance  eine  der  wich- 
tigsten Quellen  der  dekorativen  Massengliederung  zu  suchen 
sei.  Ungefähr  in  demselben  Maasse  nun,  wie  der  franzö- 
sische Geschmack  in  die  Architektur  der  übrigen  euro- 
päischen Kulturländer  eindringt  und  dieselbe  beeinflusst, 
beginnen  auch  mehr  und  mehr  die  starren  Massen  der 
italienischen  Barockpaläste,  der  deutschen  Schlösser  und 
Ordensbauten  usw.  sich  zu  lösen  und  nach  einem  ge- 
wissen Schema  zu  zergliedern.  Immerhin  noch  sehr  ge- 
mässigt; denn  die  am  weitesten  gehende  Form,  das  da- 
mals so  beliebte  Hufeisen,  ist  vermuthlich  — Palazzo 
Pitti  — aus  dem  durch  umfassende  Hallengänge  gebildeten 
Binnenhof  hervorgegangen  und  mithin  eher  als  natürliche 
Gliederung  anzusprechen.  Vielmehr  kündigt  sich  die 
Neigung,  durch  ein  so  nachdrückliches  Mittel,  wie  es  die 
Massenzergliederung  ist,  dekorativ  zu  wirken,  zunächst 
fast  allein  durch  schwache  Fassaden-Vorsprünge  an,  wäh- 


203 


zu  können,  zur  Anlage  eines  einstweiligen  Bahnhofes 
weit  draussen  vor  der  Stadt  und  zur  Verlegung  des 
gesammten  Bahnhofsverkehres  dorthin  für  die  "ganze 
Dauer  der  Bauzeit  schreiten  müssen.  Die  Anlegung 
und  die  nachträgliche  Wiederbeseitigung  eines  aus- 
reichend grossen,  weit  entlegenen  Nothbahnhofes  ein- 
schliesslich der  für  die  Umleitung  der  Züge  nothwen- 
digen  sehr  umfangreichen  Linien  verlegungen  aber  würde 


für  die  kurze  Zeit  von  5 — 6 Jahren  keine  geringen  Sum- 
men verschlungen  haben,  ganz  abgesehen  davon,  dass 
mit  der  Herstellung  dieser  Nothanlagen  auch  wieder 
ein  gut  Theil  kostbarer  Bauzeit  verloren  gegangen 
wäre.  Wenn  eine  Verlegung  des  Bahnhofsverkehres 
aber  überhaupt  schon  einmal  vorgenommen  werden 
sollte,  war  es  dann  nicht  in  der  That  das  einzig  Rich- 
tige, den  Verkehr  gleich  endgiltig  da  draussen  zu  be- 


Lageplan  von  Karlsruhe  i.  B.  mit  der  geplanten  neuen  Bahuhofsanlagc. 


rend  die  grossen  Massen  der  Gebäude  gewöhnlich  immer 
noch  zusammengehalten  werden,  im  Norden  besonders 
durch  die  Herrschaft  des  einheitlichen  Daches.  Allein 
durch  die  Gewöhnung  an  starke  Verkröpfungen  aller  Art, 
wie  sie  die  Barockkunst  ohnehin  liebte,  durch  das  Ueber- 
handnehmen  des  französischen  Pavillonbaues  im  Zeit- 
alter des  Rokoko  und  schliesslich  durch  die  weit  ver- 
breitele  Vorliebe  für  Garten-  und  Parkarchitekturen,  bei 
denen  ja  schon  die  früheren  Italiener  in  ausgesprochen 
dekorativer  Absicht  von  ihrer  sonstigen  strengen  Grösse 
abgewichen  waren:  durch  diese  eigenthümliche  Gewohn- 
heit der  Künstler,  das  Zergliedern  selbst  als  einen  be- 
deutungsvollen Faktor  zu  reicher  und  zugleich  erleichtern- 
der Wirkung  zu  benutzen,  waren  die  historischen  Grund- 
lagen für  die  allgemeine  Ausbreitung  dieser  Tendenz  ge- 
geben, welche  dann  im  neuen  Jahrhundert  nicht  eben 
selten  bis  zu  einer  völligen  Massenzerklüftung  des  Archi- 
tekturwerkes fortschreiten  sollte.  Und  gar  manches  Neue 
kam  dem  bereitwilligst  entgegen. 

Man  würde  sicherlich  zu  weit  gehen,  wenn  man  den 
Bruch  in  der  bisherigen  Stilentwicklung  um  die  Wende 
des  18.  Jahrhunderts  einem  allgemeinen  Nachlassen  des 
künstlerischen  Formensinnes  zuschreiben  wollte;  aber  es 
ist  vielleicht  anzunehmen,  dass  die  vorwiegend  auf  litte- 
rarische  Bethätigung  und  auf  wissenschaftliche  Forschung 
gerichtete  Geistesströmung  der  neuen  Zeit  wenigstens 
mittelbar  das  Schaffen  der  bildenden  Kunst  beeinträch- 


tigte. In  der  That  schien  die  Unbefangenheit  dieses 
Schaffens  für  lange  Zeit  verloren,  an  dessen  Stelle  trat 
einerseits  die  Sucht,  die  Einzelformen  der  Baukunst  wissen- 
schaftlich zu  analysiren,  andererseits  die  sentimentale 
Schwärmerei  bald  für  diese,  bald  für  jene  längst  ent- 
schwundene Kunstepoche. 

Die  zuerst  genannte  Richtung  ging  bekanntlich  meistens 
davon  aus,  alle  architektonischen  Kunstformen  auf  die  in 
der  Materie  wirksamen  Gesetze  der  Statik  zurückzuführen; 
man  vernachlässigte  dabei  die  ebenfalls  und  bei  der  Mehr- 
zahl moderner  Bauten  sogar  in  erster  Linie  Berücksich- 
tigung erheischenden  Gesetze  des  Raumumschliessens,  in- 
dem man  die  Aussenseite  der  Umfassungswände  einfach 
mit  einem  System  von  scheinbar  tragenden  und  getra- 
genen Gliedern  schmückte.  Man  glaubte  dabei  — und 
auch  das  kam  wieder  dem  modernen  Scheinverismus  ent- 
gegen — man  glaubte  nur  der  architektonischen  Wahrheit 
zum  Siege  zu  verhelfen,  wenn  man  dabei  jedem  Geschoss, 
auch  den  untergeordneten,  seine  besondere  Stützenordnung 
zueignete.  Dieses  Mittel  der  Dekoration  war  freilich  schon 
früher  bekannt  gewesen,  aber  erst  die  neue  wissenschaftliche 
Art  mit  ihrer  strengen  Folgerichtigkeit  brachte  es  zuwege, 
dass  nunmehr  auch  bei  geringen  Geschosshöhen  sämmt- 
liche  wagrechten  Gesimse,  Gebälke,  Friese  u.  dergl.  ott  um 
das  ganze  Gebäude  in  vollständiger  Ausbildung  gleich- 
mässig  herumgeführt  wurden;  dieser  lebhaften  Betonung 
(Fortsetzimg  auf  S.  so6.) 


204 


No.  33, 


lassen  und  die  ganze  Nothanlage  gleich  zu  einer  Lösung  bot  unter  Wegfall  jeder  Notlianlage  den  Vor- 
ständigen auszubauen?  Der  ganze  Bahnhofsverkehr  theil  grösstmöglicher  Abkürzung  der  Bauzeit  und  gleich- 
konnte ungehindert  durch  den  Neubau  ruhig  an  seiner  zeitig  noch  andere,  nicht  minder  werthvolle  Vortheile, 
alten  Stelle  verbleiben  und  der  Neubau  konnte  unge-  Bei  einer  endgiltigen  Verlegung  des  Bahnhofes 


stört  durch  den  Betrieb  in  kürzester  Zeit  soweit  voll- 
kommen fertiggestellt  werden,  dass  die  Ueberleitung 
des  Zugverkehrs  auf  die  Neuanlage  mit  Leichtigkeit 
in  einer  einzigen  Nacht  zu  bewerkstelligen  war.  Diese 

19.  April  1902. 


wurde  das  in  unmittelbaier  Nähe  des  Mittelpunktes 
der  Stadt  belegene,  also  sehr  werthvolle  alte  Bahn- 
hofgelände frei.  Aus  seinem  Erlös  war  eine  nicht 
zu  unterschätzende  Beisteuer  zu  den  Baukosten  des 


205 


neuen  Bahnhofes  zu  erwarten  und  diese  Beisteuer  war- 
um so  willkommener,  als  die  gründliche  Vertiefung  in 
die  Ausarbeitung  eines  ausführlichen  Entwurfes  für  die 
neue  Bahnhofsanlage  immer  neue  Bedürfnisse  zutage 
gefördert  hatte,  deren  Befriedigung  unabweisbar  er- 
schien, so  dass  die  Kosten  des  .Neubaues  von  den. 
früher  veranschlagten  16  MilL  M.  inzwischen  bereits 
auf  28  Mill.  M.  angewachsen  waren.  Zudem  hätte  ein 
Ausbau  des  Bahnhofes  auf  alter  Stelle  zwar  dem  Bedürb 
nisse  der  Jetztzeit,  aber  keinesfalls  dem  einer  späteren 
Zukunft  genügen  können.  Eine  Vergrösserung  durch 
Grunderwerb  wäre  aber  schon  jetzt  unerschwinglich 
gewesen,  während  bei  einer  Verlegung  ausreichendes 
Gelände  zu  angemessenem  Preise  zu  haben  war. 

Ein  weiterer  Umstand,  der  die  Verlegung  des 
Bahnhofes  der  Eisenbahn-Verwaltung  aus  Betriebsrück- 
sichten als  grossen  Gewinn  erscheinen  lassen  musste, 
war  der,  dass  die  in  den  jetzigen  Bahnhof  einmün- 


denden Bahnlinien  sowohl  dicht  vor,  wie  dicht  hinter 
dem  Bahnhof  sehr  scharfe  Krümmungen  beschreiben, 
die  für  den  Betrieb  schon  jetzt  sehr  ungünstig  sind, 
bei  einer  Erweiterung  des  Bahnhofs  und  der  hierbei 
nothwendig  werdenden  Verlängerung  desselben  aber 
noch  sehr  viel  unbequemer  werden  müssten.  Bei  einer 
Hinausschiebung  des  Bahnhofs  aber  weiter  ab  von 
dem  Mittelpunkt  der  Stadt  würde,  selbst  bei  Einlegung 
einer  mehr  als  ausreichend  langen  Bahnhofsgeraden, 
die  Einführung  der  Linien  in  den  Bahnhof  von  Osten, 
wie  von  Westen  her  sich  einwandfrei  gestalten  lassen. 

Schliesslich  konnte  auf  der  neuen  Baustelle  der 
Bahnhof  sogleich  als  Hochbahnhof  angelegt  wer- 
den, so  dass  in  Zukunft  sowohl  das  Wachsthura  der 
Stadt  wie  auch  die  Entwicklung  ihres  Strassenbahn- 
netzes  durch  die  Bahnanlagen  voraussichtlich  nicht 
mehr  eingeschränkt  und  gehemmt  werden  würden.  — 

(Schluss  folgt.) 


Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen. 

Von  M.  Buhle-Charlottenburg  und  G.  Schirnpff-Altoua. 


ie  in  Deutschland  gebräuchlichen,  Mittel  der  Kraft- 
übertragung auf  grössere  Entfernungen  beschränken 
sich,  abgesehen  von  der  Seil-Transmission,  im  We-  - 
sentlichen  auf  den  Dampf  und  den  elektrischen^  Strom, 
ferner  auf  Gas  und  Druckwasser.  Während  als  ein  weite- 
res, den  übrigen  ebenbürtiges  Mittel,  besonders  in  Frank- 
reich und  den  Vereinigten  StaatenNordamerikas  dieDruck- 
luft  zu  nennen  ist,  hat  sich  dieselbe  bei  uns  bisher  noch 
kein  so  ausgedehntes  Arbeitsfeld  erringen  können.  Das 
ist  eigentlich  verwunderlich  und  auch-  nicht  durch  den 
beispiellosen  Aufschwung  der  elektrischen  Kraftübertragung 
zu  erklären;  denn  in  vielen  Fällen  ist  die  Druckluft  zweb 
fellos  dem  elektrischen  Strom  mindestens  ebenbürtig,  in 
manchen  ihm  sogar  überlegen.  Man  kennt  bei  uns  allge- 
mein in  der  Hauptsache  nur  zwei  Anwendungen  der 
Druckluft:  einmal  zum  Tunnelbau,  bei  welchem  häufig  mit 
dem  Antrieb  der  Bohrmaschinen  zugleich  die  Lüftung  und 
Kühlung  der  Stollen  vor  Ort  verbunden  ist,  sodann  zweitens 
für  die  selbstthätigen  Bremsen  der  schnellfahrenden  Per- 
sonenzüge. In  Frankreich  tritt  uns  in  ausgedehnterem 
Maasse  die  Druckluft  in  der  Pariser  Kraftübertragung  der 
Compagnie  Parisienne  de  l’Air  Comprirae  entgegen.  In  dem 
bekannten  Krafthause  am  Quai  de  la  Gare  (mit  8000  P.  S.)^) 
wird  mittels  Riedler’schen  Dampf-Luftpumpen,  von  Schnei- 
der & Co.  in  Le  Creusot,  auf  5 at  gespannte  Druckluft  er- 
zeugt, die  in  einem  über  die  ganze  innere  Stadt  verzweig 
ten  Rohrnetz  zur  Vertheilung  kommt  und  zu  den  ver- 
schiedensten Zwecken  dient:  zum  Antrieb  aller  Arten 
von  Motoren,  zum  Heben  und  Befördern  von  Lasten  (be- 


1)  Zeitschr.  d.  Ver.  deutscher  Ingenieure,  1889—1893. 


sonders  bei  Personen-Aufzügen),  zur  Kälteerzeugung  usw. 

Wesentlich  ausgedehnter  noch  ist  die  Verwendung 
der  Druckluft  in  den  Vereinigten  Staaten,  insbesondere 
zum  Betriebe  von  Werkstätten-Hebezeugen.  Sowohl  die 
kleinsten  als  auch  die  grössten  Fabriken  entbehren  selten, 
selbst  wenn  im  übrigen  die  elektrische  Kraftübertragung 
vorherrschend  ist,  daneben  einer  mehr  oder  weniger  aus- 
gedehnten Anlage  zur  Druckluft-Erzeugung.  Fast  aus- 
schliesslich wird  Druckluft  benutzt  für  jede  Art  von  Bohr- 
und  Nietarbeit  sowohl  in  Werkstätten  als  auch  auf  Bau- 
stellen, desgl.  zum  Verstemmen,  Dichten,  Meissein  usw.2), 
und  ferner  sind  zu  nennen  die  wichtigen  Anwendungen 
für  die  Stellung  der  Weichen  und  Signale  bei  den  Vor- 
richtungen der  Union  Switch  and  Signal  Co.  in  Swissvale^), 
und  neuerdings  der  Internationa]  Pneumatic  Railroad  Co. 
in  Rochester.4) 

^ Ohne  weiter  auf  die  zahlreichen  weiteren  Anwen- 
dungen der  Druckluft,  wie  die  Hebung  und  Beförderung 
von  körnigen  und  staubförmigen  (stückigen)  Stoffen  und 
von  Flüssigkeiten,  den  Betrieb  von  Signalen  und  Läute- 
werken usw.  einzugehen,  sei  als  eigenartige  Verwendung 
hoch  erwähnt,  dass  in  den  Werkstätten  verschiedener 


Erfreulicherweise  hat  in  Deutschland  die  Grossindustrie  jetzt  eben- 
falls begonnen,  auf  diesem  Gebiete  Nutzen  zu  ziehen  aus  den  unzweifel- 
haft grossen  Vortheilen  der  Druckluft-Werkzeuge.  Sehr  interessant  und 
lehrreich  sind  die  kürzlich  in  der  Potsdamer  Eisenbahn-Hauptwerkstätte 
gemachten  diesbezügl.  Versuche.  Vergl.  auch  Organ  für  Eisenbahnwesen 
1901,  S.  66  und  Glasers  Ann,  1899,  S.  77  ff. 

3)  Vergl.  der  Verf.  Aufsatz  „Der  neue  Haupt-Personenbahnhof  in  St. 
Louis“,  Dlsche.  ßauzlg.  rSgp“  S.  321.  Ferner;  Annalen  für  Gewerbe  und 
Bauwesen,  r.  Juli  igoi,  „Bostoner  Süd-Bahnhof“. 

*)  Organ  für  Eisenbahnwesen  1900,  S.  308  ff. 


der  wagrechten  Richtung  gegenüber  vertraten  ausser  den  merei  für  Ritter-  und  Klosterwesen  von  grossem  und  noch 
jetzt  nicht  selten  völlig  kahlen  Fensteröffnungen  die  nur  viel  nachhaltigerem  Einfluss  auf  die  Anlage  des  Wolin- 
inschwachemRelief  angedeuteten  tragenden  Glieder,  und  hauses,  namentlich  des  freistehenden,  und  zwar  bis  auf 
auch  diese  häufig  nur  an  den  Ecken,  allein  die  Vertikal-  den  heutigen  Tag.  Anstelle  des  Florentiner  Palastes  traten 
tendenz,  zumal  jede  Verkröpfung  der  strengen  wissen-  nunmehr  als  Ideal  der  äusseren  Erscheinung  die  englische 
schaftlichen  Auffassung  ebenfalls  widerstrebt  hätte.  Nicht  un'd  die  deutsche  Burg,  und  nicht  etwa  blos  für  schloss- 
aber  widerstrebte  dieser  scheinbaren  Wahrhaftigkeit,  artige  Herrensitze;  und  wieder  musste,  indem  man  den 
welche  sich  ja  nur  auf  das  der  Antike  entlehnte  Gerüst  mittelalterlichen  Gruppenbau  in  dem  Einheitsbau  des 
bezog,  eine  Zergliederung  der  ganzen  Masse  des  Gebäu-  modernen  Wohnhauses  nachzuahmen  suchte,  das  Ergebniss 
des,  und  man  konnte  sich  dabei  zur  Noth  sogar  auf  Bra-  eine  rein  dekorative  Zergliederung  der  Masse  sein;  be- 
rnanles  Cancellaria  berufen!  Das  Ergebniss  waren  aller-  sonders,  da  man  die  innere  Verwandtschaft  mancher 
dings  noch  ein  paar  scharfe  Linien  mehr  in  der  Fassade,  neuzeitlichen  Erfordernisse  auf  dem  Gebiete  des  Ein- 
was  aber  dem  vorherrschenden  Sinn  für  nüchterne  Be-  familienhauses  mit  gewissen  alten  Vorbildern,  wenigstens 
stimmtheit  vielleicht  als  ein  Gewinn  erscheinen  mochte,  in  Deutschland,  erst  sehr  viel  später  praktisch  verwerthen 
Aber  viel  unmittelbarer  kam  die  dekorative  Massen-  lernte.  Einstweilen  blieb  es  wesentlich  der  malerische 
gliederung  den  Wünschen  der  romantischen  Schule  ent-  Reiz  der  Aussen-Erscheinung,  dem  man  huldigte,  und  den 
gegen.  Glaubte  man  doch  in  der  ausgesprochenen  Verti-  man  durch  eine  scheinbar  zwanglos  angeordnete  Gliede- 
kaltendenz  der  kirchlichen  Gothik,  in  dem  pflanzenhaften  rung  am  leichtesten  nachahmen  zu  können  glaubte.  Dies  um 
Emporschiessen  der  zergliederten  Massen,  in  dem  Himmel-  so  mehr,  als  sich  der  Städtebau,  die  Anlage  der  Strassen 
anstreben  der  Thürme  und  Fialen  einen  der  bedeutend-  und  Plätze,  dem  Einfluss  der  Kunst  nach  und  nach  ent- 
sten  Werthe  zu  verehren,  aus  denen  sich  der  geistige  In-  wunden  hatte  und  allenthalben  einer  langweiligen  Oede 
halt  der  mittelalterlichen  Kunst  zusammensetze.  Da  nun  verfallen  war;  was  Wunder,  wenn  der  Architekt,  und  zwar 
aber  die  meisten  modernen  Aufgaben  profaner  Natur  ge-  jeder  auf  seine  Art,  der  geschickte  wie  der  minder  ge- 
rade das  Entgegengesetzte,  nämlich  eine  in  die  Breite  schickte,  diesen  lebenbringenden  Einfluss  hinfort  um  so 
strebende  Entwicklung  verlangten,  so  war  das  Zertheilen  kräftiger  an  dem  einzelnen  Gebäude  selbst  zu  erweisen 
der  Massen  ein  hochwillkommenes  Mittel,  um  wenigstens  ,sich  bemüssigt  fand!  Und  da  innere  Gründe  in  der  Regel 
einigen  bevorzugten  Stücken  ein  aufstrebendes  Ansehen  nicht  Vorlagen,  so  griff  er  denn  abermals  auf  eine  deko- 
zu  verleihen,  und  es  bot  sich  dazu  besonders  das  typische  rative  Gliederung. der  einzelnen  architektonischen  Gegen- 
Pavillonsystem  wie  von  selbst  dar.  . stände  zurück  — und  wäre  es  auch,  wie  meistens  beiReihen- 

Und  wie  der  hehre  Ueberschwang  der  gothischen^häusern,  nur  andeutungsweise,  d.  h.  nur  im  Aufbau.  — 
Kathedral- Baukunst  auf  die  Architektur  der  öffentlichen  Wird  doch  eine  solche  rein  theaterraässige  Gliederung 
Monumental-Gebäude, ebensoward dieroman'tischeSchwär-  durch  gewisse  gutgemeinte  Bauvorschriften  in  manchen 

206  No.  32, 


Eisenbahnen  (beispielsweise  in  denen  der  Manhattan-Hoch-  und  zwar  in  weit  höherem  Maasse,  als  die  für  das  Erwärmen 
bahn  in  New-York)  zum  Bewegen  kalter  Lokomotiven  der  Luft  verbrauchte  Energie  beträgt.  Die  obere  Grenze  für 
innerhalb  der  Werkstatt  die  Kessel  mit  Druckluft  von  die  Einströmungs-Temperatur  ist  hierbei  dadurch  gegeben, 


etwa  Pressung  gefüllt  werden.^)  dass  das  zum  Schmieren  des  Kolbens  benutzte  Oel  bei 

Das  leitet  über  zur  Betrachtung  der  Druckluftverwen-  etwa  270  ^ verdampft.  Indem  so  die  Anfangstemperatur  so- 
dung  zum  Betriebe  von  Eisenbahn-Fahrzeugen,  wie  sie  wohl  wie  die  Endtemperatur,  d.  h.  das  Temperaturgefälle, 
insbesondere  bei  Kleinbahnen  in  Frankreich  und  in  den  bestimmt  ist,  andererseits  die  Ausströmungs-Spannung  zur 
Vereinigten  Staaten  in  grösserem  Umfange  zur  Anwen-  Vermeidung  eines  hörbaren  Auspuffs  nicht  wesentlich 
düng  gelangt  ist.®)  höher  als  der  Atraosphärendruck  sein  darf,  so  ist  damit  zu- 

Bevor  wir  im  Einzelnen  auf  die  Bauart  der  verschie-  gleich  das  dem  Temperatur-Unterschiede  entsprechende 
denen  durch  Druckluft  bewegten  Betriebsmittel  (Lokomo-  Druckgefälle  und  demnach  die  Einströmungs-Spannung  ge- 
tiven  und  Treibwagen)  eingehen,  mögen  einige  theoretische  geben.  Will  man  die  letztere  steigern  und  dabei  den 
Erläuterungen  vorangeschickt  werden,  welche  das  Ver-  Auspuff  vermindern,  so  muss  man  zur  Verbundanordnung 
halten  der  Druckluft  besonders  beim  Betrieb  von  Fahr-  greifen  und  die  Luft  zwischen  den  beiden  Ausdehnungs- 
zeugen kurz  zusammenfassen  sollen.  stufen  nochmals  erwärmen. 

Die  Druckluft  giebt  ihre  Energie  in  einem  Motor  ab,  Die  Erwärmung  der  Luft  im  Zylinder  während  der 
indem  sie  sich  ausdehnt  wie  der  Dampf  im  Zylinder  einer  Ausdehnung  etwa  durch  ein  Dampfhemd  ist  nicht  mög- 
Dampfmaschine.  Man  benutzt  demnach  zweckmässig  als  lieh,  da  die  Luft  ein  sehr  schlechter  Wärmeleiter  ist. 
Motor  eine  Kolbenmaschine,  in  welche  die  Luft  mit  10  bis  Allein  man  kann  theilweise  eine  Nachwärmung  erreichen, 
20  at  Pressung  eingelassen  wird.  Arbeit  leistend  dehnt  die  indem  man  die  Luft  vor  der  Einströmung  mit  Wasser- 
Luft  sich  aus  und  kühlt  sich  dabei  erheblich  ab;  beispiels-  dampf  mischt,  der  während  der  Expansion  sich  verdichtet 
weise  beträgt  die  Endtemperatur,  wenn  sich  Luft  von  und  seine  hierbei  frei  werdende  Wärme  an  die  Luft  ab- 
15  OC.  und  loa-t  Spannung  bis  auf  den  äusseren  Atmo-  giebt.  Die  hierdurch  erzielte  Ausdehnung  liegt  etwa  in 
Sphärendruck  ausdehnt,  — 257  0.  Da  nun  die  Luft  stets  der  Mitte  zwischen  der  adiabatischen  und  isothermischen 
mehr  oder  weniger  und  die  für  die  Beimengung  des  Wasserdarapfes 


mehr  oder  weniger 
F euchtigkeit  enthält, 
und  der  Wasserdampf 
bei  der  Abkühlung 
eine  Eisbildung  in  den 
Zylindern  hervorrufen 
würde,  die  leicht  zu 
einer  Verstopfung  der 
Kanäle  usw.  führen 
könnte,  so  ist  man  ge- 
nöthigt,  die  Luft  vor 
dem  Eintritt  in  die 
Zylinder  zu  erwärmen. 
DieVorwärmung  bietet 
zugleich  um  deswillen 
einen  erheblichen  Vor- 
theil,  weil  die  bei  der 
Ausdehnung  erzeugte 
Energie  mit  derTempe- 
ratur  erheblich  wächst. 


®)  So  ist  es  in  Amerika  j| 

auch  allgemein  üblich,  nach  J 

Festlegung  der  Laufräder  das 
Triebwerk  von  Lokomotiven  j 

auf  Ausstellungen  usw.  durch  i 

Druckluft  in  Bewegung  zu  j 

setzen  (BaldwininParisigooj,  i| 

gleichwie  die  Lokomotiv-Mo-  A= 

delle  im  South -Kensington-  AKLildo- 
Museum  in  London  durcli 
Druckluft  betrieben  werden. 

Vergl.  auch  der  Verf. 

Aufsatz  in  d.  Ztschrft.  d.  Ver. 

Dtsch.  Ingen.  igo2,  No.  17; 
„Druckluft-Lokomotiven“. 


Druckluft-Trockner. 


Abbildg.  2.  Diagramm  der  Luftverdichtung  und  Ausdehnung. 


erforderliche  Energie  ist  im  Verhältniss  zu  dem 
erzielten  Gewinn  ebenso  unbedeutend  wie  die 
durch  die  Vorwärmung  verbrauchte;  ein  weite- 
rer Vortheil  der  Wassereinspritzung  liegt  darin, 
dass  der  Unterschied  zwischen  der  Anfangs- 
und der  Endtemperatur  der  Luft  nicht  so  gross 
ist,  man  also  die  Temperatur  der  Vorwärmung 
ermässigen  kann. 

Die  Vorwärmung  der  Luft  und  die  Bei- 
mengung von  Wasserdampf  geschieht  auf  zwei 
Weisen : entweder  dadurch,  dass  der  in  einerHeiz- 
schlange  erwärmten  Luft  nachträglich  aus  einer 
zweiten  Pleizschlange  entnommener  Wasser- 
dampf zugesetzt  wird,  oder  einfacher  derart,  dass 
die  Luft  durch  ein  Bad  von  heissem  Wasser 
von  etwa  200®  geleitet  wird,  in  dem  sie  sich 
während  der  Erwärmung  mit  Wasserdampf 
sättigt. 

Die  Antriebsluft  wird  in  Behältern  auf  dem 
Fahrzeuge  mitgeführt.  Um  die  Grösse  dersel- 
ben möglichst  zu  beschränken,  ohne  die  Länge 
der  Entladestrecke  zu  vermindern,  wird  die 
Luft  in  den  Vorrathsflaschen  der  Betriebsmittel 
in  einem  Vielfachen  des  Arbeitsdruckes  aufge- 
speichert und  vor  dem  Gebrauch  durch  ein 
zwischen  Behälter  und  Zylinder  eingeschaltetes 
Ventil  auf  den  Anfangs- 
Arbeitsdruck  herunter- 
gesetzt,  was  keine  nen- 
’ i''-  nenswerthe  Abkühlung 
und  Ausdehnung.  zurfolge  hat.  Der  Weg 


Städten  auch  heute  noch  geradezu  künstlich  zum  Gemein- 
gut gemacht!  Und  dass  ein  so  drastisches  Motiv  in  end- 
loser Wiederholung  auch  bei  der  grössten  sonstigen  Stih 
Verschiedenheit  überaus  ermüdend  wirkt  und  wirken  muss, 
ist  vielleicht  schuld  daran,  wenn  man  bisweilen  versucht 
sein  möchte,  die  ästhetische  Berechtigung  dieses  Motives 
an  sich  in  Zweifel  zu  ziehen. 

Auf  den  strengen  Klassizismus  und  die  Schule  der 
Romantiker  folgte  dann  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts 
noch  so  manche  Stilwandlung;  die  Formen  der  Einzelheiten 
wechselten  wie  nie  zuvor,  der  Geist  der  neueren  Zeit 
aber  sprach  sich  um  so  entschiedener  aus  in  dem  allge- 
meinen Festhalten  an  jener  eigenartigen  Behandlung  der 
grossen  Massen.  Jawohl,  der  Geist  der  neuen  Zeit; 
denn  die  dekorative  Massengliederung  kommt  ohne  Zweifel 
dem  Bedürfniss  nach  Eleganz  entgegen:  und  wer  wollte 
es  leugnen,  dass  die  Eleganz,  das  Streben  nach  dem  „Ge- 
fälligen", in  der  Kultur  des  19.  Jahrhunderts,  ja  in  der 
modernen  Kultur  überhaupt  eine  beherrschende  Stellung 
eingenommen  hat  und  noch  fortgesetzt  behauptet! 

Vielleicht  ist  die  Eleganz  überhaupt  ein  wesentlich 
moderner  Begriff;  vielleicht  hat  man  in  ihr  jenes  noch 
unbekannte  allumfassende  Kennzeichen  der  neueren  Ar- 
chitektur zu  erblicken,  von  welchem  auch  die  Neigung 
zu  dekorativer  Massengliederung  nur  eine  Folgeerschei- 
nung wäre.  Ist  doch  noch  so  manche  andere  Eigenart 
der  modernen  Baukunst  im  wesentlichen  auf  das  Streben 
nach  Eleganz  zurückzuführen:  so  z.  B.,  dass  die  Wirkung 
der  Massen  auch  sonst  nicht  mehr  ein  -volles  Ausleben  zu 
vertragen  scheint;  dass  daher  u,  a.  die  Dächer  sehr  oft 
künstlich  unterbrochen  und  theilweise  unterdrückt  werden 
also  dass  die  zuweilen  sehr  beträchtlichen  Tiefenentwick- 

19.  April  T903. 


langen  moderner  Gebäude  fast  nie  zur  vollen  majestäti- 
schen Geltung  gelangen;  so  auch  zum  anderen,  dass  die 
Fensteröffnungen  überall  annähernd  dieselbe  rechteckige 
Gestalt  aufweisen  und  dadurch,  im  Gegensatz  zum  Mittel- 
alter  und  der  italienischen  Renaissance,  eine  künstlerische 
Einheitswirkung  namentlich  der  Wohnhaus-Fassaden  so 
oft  gründlich  vereiteln! 

Im  übrigen  wird  die  Frage  nach  dem  künstlerischen 
Werth  oder  Unwerth  der  dekorativen  Massenzergliederung 
vermuthlich  sehr  verschieden  beantwortet  werden,  je  nach- 
dem man  z.  B.  überhaupt  das  rein  Dekorative  in  der 
Kunst  als  mehr  oder  minder  berechtigt  oder  auch  gar 
nicht  gelten  lassen  wird;  einstweilen  genügt  es  wohl,  diese 
Errungenschaft  anzuerkennen  als  das,  was  sie  wirklich 
ist,  nicht  was  sie  öfters  zu  sein  vorgiebt.  Man  wird  auch 
vielleicht  im  allgemeinen  jene  Lösungen  für  die  dank- 
barsten erkennen,  bei  welchen  der  Architekt  bemüht  war, 
alles  zu  vermeiden,  was  auf  eine  organische  Raumgliederung 
zu  deuten  scheint,  wie  beispielsweise  das  Schmücken  der 
ganzen  gegliederten  Masse  nach  einem  einheitlichen  System; 
und  man  wird  ferner  erkennen,  dass  diese  Gliederungs- 
Methode  oft  ihre  grössten  ästhetischen  Triumphe  feiert, 
wenn  die  Gesammtmasse  in  wenige  grössere,  deutlich 
unterschiedene  Abtheilungen  zerlegt,  dem  Eindruck 
einer  aus  mehreren  Bauten  zusammengesetzten  Gruppi- 
rung  sich  nähert.  Am  allerwenigsten  aber  wird  man  un- 
gestraft die  Erfahrung  ausseracht  lassen  dürfen,  dass  eine 
Zergliederung  der  Masse  gegenüber  der  schlichten  Block- 
form eine  Abschwächung  des  Grösseneindrucks  zu  be- 
deuten pflegt;  denn  Einheit  ist  Grösse  und  daher  „ein- 
heitlich" im  Sinne  der  künstlerischen  Wirkung  .meistens 
gleichbedeutend  mit  „gross".  — -Hans  Freude. 


207 


der  Luft  ist  also  für  gewöhnlich;  Vorraths  - Behälter, 
Druckverminderungs -Ventil,  Erwärmer,  Arbeitszylinder, 
Auspuff. 

Die  Vorgänge  bei  der  Zusammenpressung  der  Luft 
entsprechen  den  bei  der  Ausdehnung  der  Druckluft  be- 
schriebenen und  es  gelten  dafür  die  gleichen  theoretischen 
Erwägungen.  Da  es  sich  indessen  dabei  um  die  Herstellung 
des  ziemlich  hohen  Behälterdruckes  (in  Frankreich  in 
Amerika  bis  zu  löoat)  handelt,  so  wäre  bei  einmaliger 
Kompression  der  entstehende  Wärmegrad  zu  hoch,  so 
dass  man  — entsprechend  den  Verbund-Dampfmaschinen 
— eine  mehrstufige  Verdichtung  wählt  und  die  Luft  auf 
jeder  Stufe  wieder  auf  den  Wärmegrad  der  Aussenluft 
abkühlt.  Der  Wirkungsgrad  der  Verdichtung  ist  um  so 
grösser,  je  niedriger  die  Anfangs-Temperatur  ist,  so  dass 
man  möglichst  kalte  Luft  in  die  Luftpumpen  eintreten 
lässt.  Je  grösser  man  die  Anzahl  der  Stufen  wählt,  um 
so  mehr  kann  man  sich  der  isothermischen  Kurve  der 
Verdichtung  nähern;  praktisch  geht  man  indessen  bis  jetzt 
nicht  über  vier  Stufen  hinaus.  Die  Kühlung  erreicht  man 
durch  Wasserumspülung  der  Zylinder  oder  durch  Ein- 
spritzung kalten  Wassers,  das  während  der  Verdichtung 
der  Luft  verdampft  und  dadurch  die  Wärme  bindet.  Die 


wirkliche  Verdichtungskurve  liegt  wiederum  zwischen  der 
adiabatischen  und  der  isothermischen  Linie. 

Um  die  auf  diese  Weise  der  Luft  beigemengte  Feuchtig- 
keit wieder  zu  entfernen,  wendet  man  Trockner  (Abb.  i) 
an,  in  denen  die  bei  C einströmende  Luft  gegen  ein  Rohr  B 
trifft,  an  welchem  sich  das  Wasser  niederschlägt.  Die 
Entnahme  der  Luft  erfolgt  bei  D. 

Ein  Diagramm  von  einer  in  4 Stufen  erfolgenden  Ver- 
dichtung mittels  Dampfluftpumpen,  sowie  von  der  zuge- 
hörigen Ausdehnung  der  Druckluft  im  Betriebsmittel  zeigt 
Abbildg.  2.  Die  Abscissen  stellen  die  Volumina,  die  Ordi- 
naten  die  Spannungen  dar.  Die  einzelnen  wagrechten 
Abschnitte  der  Gesammtkurvenfläche  sind  die  entsprechen- 
den Indikator-Diagramme  der  betreffenden  Zylinder,  und 
die  wagrechten  Absätze  in  der  Verdichtungs-  und  Aus- 
dehnungshnie  entsprechen  den  durch  die  Kühlung  bezw. 
Vorwärmung  hervorgerufenen  Volumenänderungen.  In 
den  Vorrathsbehältern  im  Kraftwerk,  sowie  in  den  Wagen, 
und  ferner  beim  Füllen  der  letzteren  aus  ersteren  beläuft 
sich  der  Spannungsverlust  auf  das  in  der  Ausdehnungs- 
kurve gezeichnete  Maass  2-3,  während  4-5  den  Spannungs- 
abfall bedeutet,  welcher  durch  das  Druckverminderungs- 
Ventil  der  Fahrzeuge  bewirkt  wird.  — (Fortsetzung  folgt.) 


Todtenschau. 

Wilhelm  Streckert,  Wirkl.  Geh.  Ob.-Baurath  f.  Als 
vor  1I/2  Jahren  Wilhelm  Streckert  seinen  70.  Geburtstag 
feierte  (vgl.  Dtsch.  Bztg.  1900,  S.  592),  da  sprachen  wir 
den  Wunsch  aus,  dass  dem  Jubilar  noch  manches  Jahr 
fruchtbringender  Thätigkeit  vergönnt  sein  möge.  Es  ist 
anders  gekommen.  Nach  kurzer  Krankheit  ist  er  am 
13.  d.  M.  am  Herzschlag  verschieden.  Wir  haben  damals 
schon  die  Thätigkeit  des  Entschlafenen  gewürdigt,  die  vor- 
wiegend auf  organisatorischem  und  betriebstechnischem 
Gebiete  lag,  und  während  seiner  28-jährigen  Arbeit  im 
Reichseisenbahnamt  in  hohem  Maasse  der  einheitlichen 
Ausgestaltung,  sowie  der  Hebung  der  Betriebssicherheit  und 
der  Leistungsfähigkeit  der  deutschen  Eisenbahnen  im  Frie- 
den und  im  Kriege  zugute  gekommen  ist.  Es  sei  noch  kurz 
der  Lebensgang  in  seinen  Hauptpunkten  wiedergegeben 

Streckert  wurde  am  22.  November  1830  in  Kassel 
geboren,  legte  seine  technischen  Studien  in  Kassel,  Berlin 
und  München  ab  und  war  seit  1865  als  Ingenieur  bei  Eisen- 
bahnarbeiten in  seiner  Heimath,  sowie  inPreussen,  Bayern 
und  auch  Russland  thätig.  1868  trat  er  in  den  preussischen 
Dienst  über  und  zwar  in  das  eisenbahntechnische  Büreau 
des  Handelsministeriums.  Im  Jahre  1873  erfolgte  unter 
Ernennung  zum  Reg.-Rath  seine  Berufung  als  techn.  Hilfs- 
arbeiter in  das  Rei<3iseisenbahnamt,  dem  er  fortan  bis  zu 
seinem  Tode  angehört  hat.  Seine  Tüchtigkeit  und  Arbeits- 
kraft Hessen  ihn  rasch  aufrücken.  Schon  1875  wurde  er 
zum  Geh.  Reg.-Rath  und  Vortragenden  Rath  ernannt  und 
schliesslich  1895  zum  Wirkt  Geh.  Ob.-Baurath  befördert. 
Neben  anderen  Auszeichnungen  wurde  ihm  1880  die  Be- 
rufung als  ordentliches  Mitglied  in  die  preuss.  Akademie 
des  Bauwesens  zutheil.  Die  Anerkennung  der  Fachge- 
nossenschaft kam  darin  zum  Ausdruck,  dass  ihm  mehrere 
Jahre  hindurch  der  Vorsitz  im  Architekten-Verein  zu  Berlin 
und  später  lange  Jahre  bis  zu  seinem  Ende  derjenige  im 
Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin  übertragen  war.  — 

Jules  Dalou  J.  In  diesen  Tagen  starb  in  Paris  der 
Bildhauer  Jules  Dalou,  ein  Künstler,  der  mit  wenigen 
Anderen  an  der  Spitze  der  modernen  Denkmalbewegung 
in  Frankreich  stand.  Im  Jahre  1840  in  Paris  geboren, 
machte  er  seine  Studien  an  der  Ecole  des  Beaux  Arts  in 
Paris.  „C’est  lä,  que  mon  esprit  a ete  döflorö,  que  Ton 
m’a  detournö  de  la  nature  pour  m’apprendre  ä composer 
selon  des  formules  sous  pretexte  de  me  faire  faire  mes 
humanites“.  So  klagte  der  Künstler  und  er  fand  an  dem 
Bildhauer  Jean  Baptiste  Carpeaux  ein  Vorbild,  welches 
seinen  Muth  wieder  belebte.  Der  Krieg  von  1870  zwang 
Dalou  zur  Flucht  nach  London;  er  kehrte  nach  Paris  zu- 
rück mit  dem  Entwurf  zu  einem  Denkmal  des  Triumphes 
der  Republik,  welcher  seinen  Ruf  begründete.  Das  Denk- 
mal wurde  zunächst  nur  in  Gips  ausgeführt  und  stand  so 
einige  Zeit  auf  der  früheren  Place  du  Tröne,  der  jetzigen 
Place  de  la  Nation;  seine  Ausführung  in  Bronze  wurde 
erst  1899  vollendet  und  gefeiert.  Vorher  schon  schuf  er 
das  eigentliche  Denkmal  der  Republik  auf  der  früheren 
Place  du  Chäteau-d'Eau,  der  heutigen  Place  de  la  Re- 
publique.  Beide  Denkmäler  sind  Werke  von  grossem 
Wurf  und  reichem  plastischem  Können.  Von  kleineren 
Werken  schuf  der  Künstler  eine  Statue  von  Lesseps  für 
den  Suez-Kanal,  ein  Gambetta-Denkmal  für  Bordeaux, 
ein  Standbild  Mirabeaus  für  die  französische  Deputirten- 
kammer,  das  Basrelief  des  Friedens  an  der  Mairie  des 
X.  Arrondissements,  die  Denkmäler  Blanqui’s  und  von 


Viktor  Noir  auf  dem  Phre-Lachaise,  das  Denkmal  La- 
voisiers  in  der  Sorbonne,  die  Denkmäler  für  Jean  Le- 
claire,  Boussingault,  das  schwungvolle  Denkmal  für  De- 
lacroix im  Jardin  du  Luxembourg  in  Paris  usw.  Das 
Hauptwerk  seines  letzten  Lebensabschnittes  ist  das  Denk- 
mal für  Alphand  in  der  Avenue  du  Bois  de  Boulogne, 
zu  welchem  Formigö  die  Architektur  entwarf.  Es  zeigt 
Alphand  in  amtlicher  Thätigkeit,  am  Sockel  seine  Mit- 
arbeiter, den  Maler  Roll,  den  Architekten  Bouvard,  den 
Ingenieur  Huet  und  den  Bildhauer  Dalou,  den  Künstler 
selbst.  Dalou  hat  an  diesem  Werke  seine  Eigenart  viel- 
leicht etwas  übertrieben,  gleichwohl  ist  es  eines  der  be- 
deutendsten der  neueren  französischen  Denkmalkunst. 
Dalou  war  ein  würdiger  Nachfolger  von  Carpeaux,  etwas 
gemässigter,  von  etwas  geringerer  Initiative,  dafür  aber 
vielleicht  von  monumentalerer  Gesinnung,  jedenfalls  ein 
seltener  Meister  in  der  Beherrschung  der  plastischen  Aus- 
drucksmittel. In  ihm  hat  die  französische  Kunst  der 
Gegenwart  einen  ihrer  bedeutendsten  und  selbständigsten 
Charaktere  verloren.  — — H. 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Der  Bez.-Ing.  Hinlein  in  Nürnberg  ist  s.  Ans. 
entspr.  in  den  Ruhestand  versetzt. 

Mecklenburg-Schwerin.  Die  Reg.-Bfhr.  Schondorf  in 
Güstrow  u.  Wachenhusen  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Preussen.  Dem  Geh.  Reg.-Rath  Prof.  Hartmann  im  Reichs- 
versicherungsamt ist  die  Erlaubniss  zur  Anlegung  des  ihm  verlieh. 
Offizierkreuzes  des  franz.  Ordens  der  Ehrenlegion  ertheilt.  — 

Dem  Kr.-Koramunal-Bmstr.  Creutzfeldt  io  Kalbe  a.  S.  ist 
der  Char.  als  Bith.  verliehen. 

Die  Reg.-Bnistr.  R 0 t z o 1 1 in  Posen,  S e e f 1 u t h in  Liegnitz 
und  Hier  au  in  Kaukehmen  sind  zu  Mel.-Bauinsp.  ernannt  und  ist 
denselben  je  eine  etatm.  Mel.-Baubeamtenstclle  übertragen. 

Die  Stadtbmstr.  Tietze  u.  Knopff  in  Berlin  sind  zu  Stadt- 
bauinsp.  und  die  Reg.-Bmstr.  Broniatowski  u.  Jautschuss 
zu  Stadtbmstrn.  ernannt. 

Dem  Reg.-  u.  Gewerberath  Pufahl  in  Oppeln  ist  die  er- 
betene Entlass,  aus  dem  Amt  unt.  Verleihung  des  Rothen  Adler- 
Ordens  IV.  Kl.  ertheilt.  Dem  Gew  .-Rath  Kusch  elbauer  in 
Osnabrück  ist  aus  Anlass  der  von  ihm  nachges.  Entlass,  aus  dem 
Amt  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Der  Gew  .-Rath  Mangelsdorff  in  Potsdam  ist  z.  Reg.-  u. 
Gew.-Rath  ernannt  und  ist  deras.  die  etatm.  Stelle  eines  gewerbe- 
techn.  Raths  bei  der  Reg.  in  Potsdam  verliehen. 

Der  Gew.-Insp.  Böhmer  in  Oppeln  ist  mit  der  Wahrnehmung 
der  Geschäfte  eines  Reg,-  u.  Gewerberaths  bei  der  Reg.  in  Oppeln 
beauftragt. 

Dom  Gew.-Rath  Stromeyer  in  Stettin  ist  die  etatm.  Stelle 
eines  gewerbetechn.  Hilfsarb.  bei  der  Reg.  in  Arnsberg  übertragen. 

Versetzt  sind;  Die  Gew.-Räthe  Lau  risch  in  Arnsberg  nach 
Düren,  Menzel  in  Halberstadt  nach  Halle  a.  S.,  Haeusler  in 
Halle  nach  Halberstadt;  die  Gew.-Insp.  K o z e r in  Lüneburg  nach 
Göttingen,  Lampe  in  Düren  nach  Celle  und  Steinhäuser  in 
"Wesel  nach  Stettin  I. 

Die  Baugewerkschullehrer  Salzer  in  Breslau,  Zander  in 
Buxtehude,  Reg.-Bfhr.  Schulte  und  Friedrichs  in  Eckern- 
förde sind  zu  kgl.  Oberlehrern  ernannt. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Nowack  in  Berlin  ist  gestorben. 

Sachsen- AltenbuTg.  Dem  Ob.-Bauinsp.  Bernhardi  in 
Altenburg  ist  das  Prädikat  Brth.  verliehen. 


Inhalt:  Neue  Karlsruher  Verkehrsanlagen.  — Eine  charakteristische 
Eigenschaft  der  neueren  Baukunst  (Schluss).  — lieber  die  Verwendung  von 
Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städu  Strassenbahnen.  — 
Todtenschau.  — Personal-Nachrichten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
vcrantwortl.  Albert  Hof  mann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  32. 


208 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  33.  Berlin,  den  23.  April  1902. 


Ilaupieingang  zum  Lagerhaus  (Werfthalle).  Architekt:  A.  S tflrzen  ack  er  in  Karlsruhe  i.  B. 


Neue  Karlsruher  Verkehrsanlagen. 

I.  Die  geplanten  neuen  Bahnanlagen.  (Schluss.) 


iür  eine  Verlegung  des  Bahnhofes  sprachen 
also  die  folgenden,  sehr  gewichtigen  Gründe : 
I,  Die  schon  heute  sehr  grossen  und  sich 
noch  beständig  steigernden  Anforderungen, 

' welche  die  Neuzeit  an  die  Bequemlichkeit, 
Schnelligkeit  und  Sicherheit  der  Verkehrsabwicklung 
stellt  und  welche  Weiträumigkeit  und  Uebersichtlichkeit 
für  jeden  grösseren  Bahnhof  zur  unerlässlichen  Bedin- 
gung machen. 

2.  Die  Unmöglichkeit,  auf  dem  heutigen,  räumlich 
sehr  beschränkten  Bahnhofsgelände  einen  solchen, 
auch  auf  längere  Zeit  hinaus  allen  Bedürfnissen  des 
Verkehrs  entsprechenden  Neubau  errichten  zu  können. 

3.  Der  unerschwingliche  Preis  der  Grundstücke 
in  der  nächsten  Umgebung  dieses  Geländes,  der  eine 
Vergrösserung  desselben  für  eine  spätere  Erweiterung 
des  Bahnhofs  verhindert  und  damit  über  kurz  oder 
lang  doch  zu  dessen  Verlegung  genöthigt  haben  würde. 

4.  Der  mit  wachsender  Ausdehnung  der  Stadt  be- 
ständig steigende  Bodenwerth,  der  heute  noch  den 
Grunderwerb  für  einen  allen  Anforderungen  nicht  nur 
der  Jetztzeit,  sondern  auch  einer  absehbaren  Zukunft 
vollauf  genügenden  Bahnhof  in  nicht  allzu  weiter  Ent- 
fernung von  der  Stadt  zu  massigem  Preise  möglich 
macht,  bei  einer  späteren  Verlegung  des  Bahnhofes 
aber  sicher  sehr  viel  höhere  Kosten  verursachen,  oder 
aber  zur  Anlage  des  Bahnhofes  in  sehr  viel  weiterer 
Entfernung  von  der  Stadt  nöthigen  würde. 

5.  Die  Aussicht,  durch  eine  Verlegung  des  Bahn- 
hofes eine  für  die  Sicherheit  des  Betriebes  sehr  viel 
günstigere  Einführung  der  Bahnlinien  in  den  Bahnhof 
gewinnen  zu  können. 

6.  Die  Ueberzeugung,  dass  nur  die  Verlegung  des 
Bahnhofes  die  sichere  Gewähr  für  eine  wirksame  Ab- 
stellung des  heutigen,  allmählich  der  Stadt  wie  der 
Eisenbahn-Verwaltung  gleich,  unerträglich  gewordenen 


(Fortsetzung.) 

Misstandes  der  gegenseitigen  lähmenden  Abhängig- 
keit von  einander  bietet,  indem  sie  allein  die  Stadt  von 
den  cinengenden  Fesseln  der  Bahnlinien,  die  Eisen- 
bahn-Verwaltung aber  gleichzeitig  von  jedem  Zwange 
durch  die  beständige  Rücksicht  auf  den,  den  Zugverkehr 
störenden,  ja  selbst  ernstlich  gefährdenden  Strassen- 
verkehr  mit  einem  Schlage  völlig  frei  machen  kann. 

7.  Die  Möglichkeit  einer  ungehinderten,  weder  den 
Zugverkehr  gefährdenden,  noch  durch  ihn  gestörten 
Ausführung  des  Neubaues  unter  Vermeidung  aller 
kostspieligen  und  zeitraubenden  Nothanlagen. 

8.  Die  hieraus  entspringende  möglichste  Abkür- 
zung der  Bauzeit,  die  frühzeitige  Inbetriebnahme  der 
Neuanlage  und  mit  ihr  eine  rasche  und  durchgreifende 
Verbesserung  der  heutigen  Misstände:  der  unzuläng- 
lichen Bahnhofsverhältnisse  einerseits  und  der  Aus- 
dehnungs-Behinderung der  Stadt  andererseits. 

9.  Die  aus  dem  Fortfall  aller  Nothbauten,  der  Ab- 
kürzung der  Bauzeit  und  dem  damit  verbundenen 
früheren  Beginn  der  Verzinsung  des  Baukapitals  mit 
Sicherheit  zu  erwartende  bedeutende  Ersparniss. 

10.  Schliesslich  der  aus  dem  Verkauf  des  alten 
Bahnhofsgeländes  zu  erhoffende  nicht  unbedeutende 
Beitrag  zu  den  sehr  hohen  Kosten  des  Neubaues. 

Dies  die  Gründe  für  eine  Verlegung;  gegen 
dieselbe  wird  angeführt: 

1.  die  aus  der  weiteren  Entfernung  des  Bahnhofes 
vom  Mittelpunkte  der  Stadt  der  Gesammtheit  der  Be- 
wohner Karlsruhes  erwachsenden  Unbequemlichkeiten ; 

2.  die  zu  befürchtende  Abnahme  des  Fremden- 
verkehrs und  die  hierdurch  herbeigeführte  Benach- 
theiligung  der  Geschäfte  im  Inneren  der  Stadt; 

3.  die  Entwerthung  der  Gasthofsgrundstücke  in 
der  Nähe  des  alten  Bahnhofes. 

Als  Baustelle  für  den  neuen  Bahnhof,  der  gleich- 
falls wieder  als  Durchgangs-Bahnhof  angelegt  werden 
soll,  weil  ein  Kopfbahnhof  den  entschieden  vorherr- 
schenden Durchgangsverkehr  nur  unnöthig  aufhalten 


209 


würde  und  auch  nicht  näher  an  die  Stadt  herangerückt 
werden  könnte,  hierzu  ist  die  dicht  hinter  dem  Stadt- 
garten sich  ausbreitende  Fläche  in  Aussicht  genommen ; 
vergl.  den  Lageplan,  den  wir  bereits  in  No.  32,  Seite  204, 
wiedergegeben  haben.  Der  Bahnhof  soll  gegen  seine 
jetzige  Lage  also  in  der  Hauptsache  nach  Süden  hinaus 
geschoben  werden,  so  dass  er  auch  an  seiner  neuen 
Stelle  ungefähr  in  der  Hauptqueraxe  der  Stadt  liegen 
würde.  Bei  dieser  Verschiebung  wird  die  Entfernung 
des  Mittelpunktes  der  Stadt  vom  Bahnhofe  sich  aller- 
dings gegenüber  dem  jetzigen  Zustande  vervierfachen. 
Zunächst  will  aber  diese  grössere  Entfernung  von  2,8 
für  eine  Stadt  von  der  Grösse  Karlsruhes  schon  an 
sich  nicht  allzuviel  bedeuten;  sie  verliert  aber  bei- 
nahe jede  praktische  Bedeutung,  wenn  man  die  lang- 
gestreckte Form  des  Karlsruher  Stadtbildes  ins  Auge 
fasst.  Je  weiter  wir  uns  in  der  Längsaxe  der  Stadt,' 
gleichviel  ob  nach  Osten  oder  nach  Westen,  aus  ihrer 
Mitte  entfernen,  desto  günstiger  wird  das  Verhältniss 
der  beiden  Wege  zum  alten  und  zum  neuen  Bahnhof. 
Beträgt  es  vom  Marktplatz  aus,  wie  gesagt,  1:4,  so 
stellt  es  sich  vom  Durlacher  Thor,  dem  Mittelpunkt  der 
Oststadt  aus,  nur  noch  auf  1:2,6,  vom  Mühlburger 
Thor,  ;dem  Mittelpunkt  der  Weststadt  aus,  gar  nur 
noch  auf  1 : 1,3.  Dabei  kommt  noch  inbetracht,  dass 
diejenige  Richtung,  nach  welcher  die  Stadt  sich  am 
ungehindertsten  ausdehnen  kann,  nicht  die  nordöst- 
liche, sondern  die  südwestliche  ist;  für  den  auf  dieser 
Seite  entstehenden  Stadttheil  wird  die  Lage  des  neuen 
Bahnhofes  aber  nicht  nur  nicht  ungünstiger,  sondern 
im  Gegentheil  eher  noch  günstiger  werden,  als  die 
alte  es  gewesen  wäre.  Nimmt  man  dann  noch  hinzu, 
dass  nach  dem  Verschwinden,  der  Bahnlinien,  welche 
die  Stadt  jetzt  im  Süden  einengen,  das  Netz  der  elek- 
trischen Strassenbahn  ungehindert  weiter  ausgebaut, 
vor  allem  auch  durch  nord-südliche  Querlinien  vervoll- 
ständigt und,  dass  das  alte  Bahnholsgelände  der  Be- 
bauung erschlossen  und  damit  die  Südstadt  auch  mit 
der  Ostseite  der  Altstadt  enger  angegliedert  werden 
kann,,  so.  wird  -man  schon  in, naher  Zuloin-ft -kaum  noch 
berechtigt  sein,  die  Behauptung  einer  Benachtheiligung 
der  Gesammtheit  der  Karlsruher  Einwohnerschaft  durch 
die  Bahnhofsverlegung  aufrecht  zu  erhalten. 

Dagegen  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  die 
Gasthofs-Grundstücke  in  der  Nähe  des  alten  Bahnhofes 
durch  die  Verlegung  desselben  wohl  thatsächlich  eine 
Verminderung  ihres  Werthes,  wenn  auch  nicht  in  der 
befürchteten  Höhe,  erleiden  werden;  aber  ohne  Ver- 
letzung der  berechtigten  Ansprüche  Einzelner  ist  wohl 
noch  keine  dem  Allgemeinwohl  dienende  Anlage,  am 
wenigsten  die  eines  neuen,  grossartigen  Verkehrs- 
mittels, möglich  geworden.  Wird  doch  auch  die  Stadt 
Karlsruhe,  so  viele  und  so  grosse  Vortheile  sie  auch 
sonst  von  der  Verlegung  des  Bahnhofes  ziehen  mag, 
durch  sie  eine  bleibende,  auf  keine  Weise  wieder 
wett  zu  machende  Einbusse  erleiden:  Bis  hart  an  die 
Grenze  des  neuen  Bahnhofes  hin,  dessen  Baustelle  für 
die  Verkehrsverhältnisse  so  günstig  wie  nur  irgend 
möglich  liegt,  erstreckt  sich  der  Stadtgarten,  eine  von 
der  Stadt  mit  grossen  Kosten  geschaffene,  herrliche 
Parkanlage,  die  in  Deutschland  wenigstens  ihres 
gleichen  sucht.  Die  sehr  freundliche  landschaftliche 
Lage  dieses  zärtlich  gehegten  und  unermüdlich  ge- 
pflegten Lieblingskindes  der  Stadt  wird  ihres  lieb- 
lichsten Reizes,  des  wunderschönen  Blickes  auf  die 
im  Hintergründe  aufragenden  blauen  Berge  des  nahen 
Schwarzwaldes  durch  den  dicht  hinter  dem  Garten 
sich  erhebenden  Hochbahnh'of  schmählich  beraubt 
werden.  Auch  sonst  wird  die  Nachbarschaft  des 
Bahnhofes  sich  unangenehm  bemerkbar  machen  und 
den  heutigen  Werth  des  Gartens  als  eines  vielbenutzten 
Erholungsortes  mindestens  stark  beeinträchtigen.  Man 
mag  auch  das  als  unabänderlich  ansehen,  wird  es  aber 
trotzdem  schmerzlich  bedauern  müssen. 

DieKarlsruher  Bahnhofsfrage  geht  aber  nicht  allein 
die  Gasthofsbesitzer  in  der  Nähe  des  alten  Bahnhofes, 
sie  geht  auch  nicht  einmal  die  Stadt  Karlsruhe  allein 
an,  sie  ist  eine  Angelegenheit  des  ganzen  badischen 
Landes.  Nicht  nur  weil  dieses  die  Mittel  zu  dem 


Neubau  aufzubringen  hat,  sondern  auch  um  deswillen, 
weil  von  dem  Grade  der  betriebstechnischen  Voll- 
kommenheit des  Karlsruher  Bahnhofes,  des  bedeutend- 
sten Knotenpunktes  des  badischen  Eisenbahnnetzes,  der 
Ertrag  aus  den  Eisenbahnen  des  Staates  in  hohem 
Maasse  abhängig  ist.-  Denn  es  wäre  so  unmöglich  gar- 
nicht,  dass  -wenn  die  Leistungsfähigkeit  des  Karlsruher 
Bahnhofes  hinter  den  Anforderungen  des  grossen 
Durchgangsverkehrs,  besonders  der  beiden  wichtigen 
Weltverkehrslinien  Berlin — Genua  und  Wien — Paris 
nur  im  geringsten  zurückbliebe,  dass  dann  dieser  Ver- 
kehr den  badischen  Eisenbahnen  durch  Umleitung 
über  andere,  leistungsfähigere  fremde  Bahnlinien  ent- 
zogen und  dadurch  das  I,.and  in  seinen  Einnahmen 
schwer  geschädigt  werden  würde.  Diese  Gefahr  ist 
durchaus  nicht  zu  unterschätzen;  wird  doch  schon 
heute  ein  nicht  unbedeutender  Theil  des  Verkehrs 
zwischen  Norddeutschland  und  der  Schweiz  über  die 
Reichseisenbahnen  geleitet.  Das  Wohl  und  Wehe  des 
ganzen  Landes  ist  mit  der  Lösung' der  Karlsruher' Bahn- 
hofsfrage also  eng  genug  verknüpft.  Bei  der  Stellung 
Karlsruhes  als  eines  wichtigen  Knotenpunktes  des 
Weltverkehrs  gewinnt  die  bei  oberflächlicher  Betrach- 
tung als  eine  rein  örtliche  Angelegenheit  erscheinende 
Karlsruher  Bahnhofsfräge  eine  ganz  ungewöhnliche 
Bedeutung,  die  es  durchaus  als  gerechtfertigterscheinen 
Hesse,  wenn  die  Theilnahme  an  dieser  zwei  grosse 
Hauptstrassen  Mittel-Europas  so'  nahe  berührenden 
Frage  nicht  auf  das  Badener  Land  beschränkt  bliebe, 
sondern  wenn  ihre  .weitere  Entwicklung  auch  jenseits 
der  roth-gelben  Grenzpfähle  mit  Aufmerksamkeit  ver- 
folgt werden  würde. , Die  von  der  General-Direktion 
der  badischen  Staätseisenbahnen  vorgeschlagene  und 
als  beschlossene  Sache  anzusehende  Lösung  der  Bahn- 
hofsfrage bietet  mit  der  Möglichkeit,  die  Leistungs- 
fähigkeit des  Bahnhofes  auf  die  zur, Zeit  höchste  er- 
reichbare Stufe  betriebstechnischer.  Vollkommenheit  zu 
bringen,  auch  die  Gewähr  für  eine  Abwendung  der 
dem  ganzen  badischen  Lande  drohenden  Gefahr  einer 
Ausschliessung  von  dem  nach  tausend  Richtungen 
hin  Segen  stiftenden  Weltverkehr. 

Wenn  nun  aber  schon  eine  solche  einschneidende 
Umgestaltung  in  die  Wege  geleitet  wird,  so  wäre  es 
wünschenswerth,  dass  dem  aus  dem  Mittelpunkte  der 
Stadt  verschwindenden  Personenbahnhof  der  jetzt  an 
seinem  Ostende  dicht  vor  ihm  liegende  Gtüerbahnhof 
möglichst  bald  an  die  Weichbildgrenze  . der  Stadt 
nachfolgen  möge,  damit  auch  dieses  Gelände  der  Be- 
bauung erschlossen  werden  könnte.  Für  einen  Güter- 
bahnhof, dessen  Verkehr  mit  der  Stadt  doch  im 
wesentlichen  durch  Fuhrwerke  vermittelt  wird,  fällt 
die  Entfernung  von  der  Stadt  sehr  viel  weniger  ins 
Gewicht,  wie  für  einen  Personenbahnhof,  der  von  der 
überwiegenden-  Mehrzahl  aller  Reisenden  zu  Fuss 
aufgesucht  und  verlassen  wird.  Würde  mit  dem 
Güterbahnhof  auch  noch  der  hinter  ihm  liegende 
Werkstätten-Bahnhof  aus  der  Stadt  hinaus  verlegt 
werden  können,  so  würde  die  so  nothwendige,  jetzt 
aber  beinahe  gänzlich  mangelnde  Verbindung  der 
Oststadt  mit  der  Südstadt  durch  einen  zwischen  ihnen 
sich,  einschiebenden  neuen  Stadttheil  sich  von  selbst 
hersteilen;  die  Stadt  würde  auch  diese  Lücken  füllen 
und,  nun  nur  noch  im  Norden  durch  das  Schloss  und 
den  Hardtwald  in  ihrer  Ausdehnung  beschränkt,  nach 
allen  übrigen  Richtungen  hin  sich  ungehindert  aus- 
breiten, um  den  Stadtgarten  als  neuen  Mittelpunkt 
sich  immer  dichter  zusammenschliessen  und  so  ihren 
Grundriss  mehr  und  mehr  abrunden  können. 

Wer  darauf  entgegnen  wollte,  das  höre  sich  zwar 
sehr  schön  an,  sei  aber  doch  Zukunftsmusik,  die 
heute  noch  nicht  auf  allgemeines  Verständniss  rechnen 
könne,  wo  in  aller  Welt  denn  aucli  der  Bevölkerungs- 
zuwachs herkommen  solle,  um  diese  grossen,  durch 
Verlegung  aller  drei  Bahnhöfe  aus  der  Stadt  heraus 
frei  werdenden  Gelände  zu  besiedeln,  — dem  wäre 
zu  erwidern,  dass,  sobald  diese  zum  Mittelpunkt  der 
-Stadt  so  bequem  gelegenen  Gelände  erst  einmal  ver- 
fügbar geworden  wären,  man  ihnen,  unbedingt  den 
V orzLig  geben  würde  vor  den  weitentlegenen  Gegenden, 

No.  33. 


210 


dem  Bannwald  im  Westen  und  der  Nachbarschaft  des 
Fasanengartens  oder  der  Durlacher  Landstrasse  im 
Osten;  wenn  die  Baulust  heute  schon  so  ungünstig 
gelegene  Gelände  aufsucht,  thut  sie  es  doch  sicher 
nur  der  Noth  gehorchend  und  es  ist  wohl  kein  Zweifel, 
dass  sie  diese  Felder  ihrer  Thätigkeit  in  demselben 
Augenblick  verlassen  würde,  in  dem  ihr  ein  anderes, 
so  viel  günstiger  gelegenes  erschlossen  würde.  Selbst- 


verständlich wäre  die  Bebauung  eines  so  ausgedehnten 
Geländes  wie  dasjenige  der  drei  Bahnhöfe  nicht  von 
heuteauf  morgenzu erwarten.  EinegrosstädtischeStadt- 
verwaltung  muss  aber  weitausschauende  Pläne  haben; 
sie  darf  nicht  nur,  sie  soll  sogar  Zukunftsmusik  pflegen, 
wenn  auch  Gevatter  Schneider  und  Handschuhmacher 
die  Köpfe  dazu  schütteln,  dass  die  Zöpfe  fliegen. 

Karlsruhe,  im  Nov.  190t.  Otto  Schultz. 


23,  April  1902. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 
Mecklenburgischer  Arch.-  und  Ing,  Verein.  In  der  Vers, 
am  13  Febr.  d.  J.  gedachte  man  zunächst  ehrend  des  am 


Eckthurm  am  Lagerhaus.  Architekt:  A.  Stürzenacker  in  Karlsruhe  i.  B. 
Neue  Karlsruher  Verkehrsanlagen. 


30.  Jan.  zu  Rostock  verstorbenen  dortigen  Stadtbaudir.  a.  D. 
Julius  Studemund,  langjährigen  Mitgliedes  des  Vereins 
und  dessen  Vorstandes,  erledigte  die  vorliegenden  geschäft- 
lichen Angelegenheiten  und  stellte  die  Beantwortung  der 
Verbandsfrage  betr.  die  Gebühren  der  Architekten  und 
Ingenieure  als  gerichtliche  Sachverständige  nach  Maass- 
gabe des  vom  Landbmstr.  Dreyer  vorgetragenen  Aus- 
schussberichtes fest.  Neben  anderen  Mittheilungen  brachte 
der  Vorsitzende  zur  Kenntniss,  dass  er  dem  Magistrate 
und  Bürgeraus-schusse  der  Stadt  Parchim  die  Denkschrift 
des  Verb,  deutsch.  Arch.-  u.  Ing.-Vereine  über  die  Stellung 
der  höheren  städt.  Baubeamten  übersendet  und  dabei  das 
Ersuchen  ausgesprochen  habe,  zur  Wiederbesetzung  der 
dort  zurzeit  offenen,  mit  den  städtischen  Kämmerei-  und 


Bauangelegenheiten  betrauten  Magislratsstelle  neben  den 
Meldungen  von  Vermessungs-Ingenieuren  auch  solche  von 
Architekten  und  Bauingenieuren  zuzulassen.  — 

Die  Versammlung  am  8.  März  d.  J.  war  die  hun- 
dertste seit  Heraustreten  des  Ver- 
eins als  besondere  Arbeitssektion 
aus  dem  von  den  Fachgenossen 
am  3.  März  1840  in  Schwerin  ge- 
gründeten Verein  der  bildenden 
Künstler  und  Kunstfreunde  und 
der  am  15.  März  1890  gehaltenen 
ersten  Versammlung.  Aus  den 
erledigten  Geschäfts- Angelegen- 
heiten ist  die  Aufnahme  des  Ing. 
Weber  in  den  Verein  zu  erwäh- 
nen. Das  Hauptinteresse  des 
Abends  bildete  der  Vortrag  des 
Hrn.  Hafenbaudir.  Kerner-Ro- 
stock über  „DieUmgestaltung 
des  Rostocker  Hafengebie- 
tes“, welchen  Redner  durch  zahl- 
reiche Karten  und  Baupläne  ver- 
deutlichte und  durch  eineSchilde- 
rung  der  Verhältnisse  des  Warnow- 
flusses  in  früheren  Jahrhunder- 
ten einleitete;  Abdämmung  des 
Flusses  durch  ein  Mühlenwehr 
bei  Rostock  und  Verlegungen  der 
Flussmündung  in  dem  am  Seeufer 
liegenden  Dünenstriche  stellten 
im  wesentlichen  den  jetzigenFluss- 
lauf  unterhalb  Rostock  her,  in  wel- 
chen dieStadtverwaltung  seitdem 
Jahre  1830  mit  einem  Durchstich 
und  Baggerungen  korrigirend  ein- 
griff;  in  den  sechziger  Jahren  er- 
langte man  durch  die  Baggerei 
4,20"»  Wassertiefe,  aber  erst  seit 
1885,  als  der  Vortragende  in  den 
städt.  Dienst  eintrat,  hat  man  plan- 
niässig  unter  Aufwendung  erheb- 
licher Geldmittel  mit  Herstellung 
geordneterVerhältnisse  begonnen, 
was  man  um  1904  errreicht  haben 
dürfte.  Das  Fahrwasser  hält  jetzt 
von  Rostock  bis  zur  See  5,20  ™ 
Tiefe  bei  Normalwasserstand  in 
mindestens  30«"  Breite  mit  5 bis 
8-fachenBöschungen.  Der  Strom- 
querschnitt ist  in  dem  Durchstich 
auf  300  und  neben  der  Ostmole 
durch  Fortnahme  ihrer  strom- 
seitigen  Böschung  auf  150  er- 
weitert. Mit  den  Baggermassen 
sind  in  derNähe  von  Warnemünde 
im  sog.  Breitling  (dem  Haff)  75  ha 
Land  aufgeschüttet  und  zumtheil 
als  Gartenland  bereits  verpachtet. 
DieWestmole  wurde  um  rd.  120  m 
verlängert,  und  der  Warnemün- 
der Leuentthurm  in  verstärkter 
Wirksamkeit  neugebaut.  Das 
Flussufer  vor  der  Stadt  Rostock 
wurde  um  etwa  10  ™ vorgescho- 
ben und  theils  mit  einer  Kai- 
mauer, theils  mit  Bollwerken  und  mit  Faschinenwerk  bis 
auf  die  Schiffstiefe  hinab  begrenzt. 

Redner  schilderte  dann  die  Verhandlungen,  welche 
geführt  wurden,  um  im  Anschluss  an  die  1885  von  einer 
belgischen  Gesellschaft  gebaute  Lloydbahn  Neustrelitz- 
Warnemünde  einen  Trajeklverkehr  für  Eisenbahnzüge  von 
Rostock  nach  Dänemark  einzurichten.  Um  jede  Störung 
und  Beeinträchtigung  des  übrigen  Schiffsverkehres  auf 
der  Warnowmündung  zu  verhindern,  verhielt  sich  die  Stadt 
gegen  diesen  Gedanken  so  lange  ablehnend,  bis  die  Re- 
gierung einen  Plan  zur  Vorlage  brachte,  nach  welchem 
eine  Verlegung  des  ganzen  Bahnhofes  in  die  Nähe  der 
Mündung  auf  die  Ostseite  des  jetzigen  Stromes  mit  dreh- 
barer Ueberbrückung  desselben  vorgesehen  war.  Auf- 


2tl 


griinri  dieses  vom.  Vortragenden  mit  den  Vorzügen  der 
verschiedenen  Regierungs  - Vorschläge  verschmolzenen 
Planes  ist  der  von  der  Stadt  Rostock  und  der  Regierung 
angenommene  Entwurf  zustande  gekommen,  welcher  jetzt 
in  Ausführung  begriffen  ist.  Behufs  Ueberführung  der 
Eisenbahn  nach  der  Ostseite  des  jetzigen  Stromes  wurde 
dieser  unterhalb  des  Bahnhofbeckens  mit  einem  Damme 
abgeschnilten,  und  an  der  Ostseite  des  zu  erbauenden 
Bahnhofes  ein  neuer  Strom  für  die  Rostocker  Schiffahrt 
ausgehoben,  welcher  durch  eine  neue  Ostmole  nach  der 
entsprechend  verbreiterten  jetzigen  Strommündung  ge- 
leitet wird.  Der  jetzige  Strom  bleibe  als  Warnemünder 
Hafen  erhalten;  zwischen  ihm  und  dem  neuen  Strom 
würde  der  Bahnhof  mit  den  Fährbecken  seitens  der. gross- 
herzoglichen Eisenbahn-Verwaltung  angelegt  werden.  Zu 
besserer  Ablenkung  des.  Küstenstromes  soll  dieAVestmole 
noch  um  iro  “ als  ein  niedriger  Sandfang  verlängert,  auch 
über  den  alten  Strom  zwischen  Warnemünde  und  dem 
neuen  Bahnhofe  eine  Drehbrücke  erbaut  werden.  Zu  dem 
im  Interesse  der  grossherzogl.  Staatsbahn  für  diese  Ver- 
vollkommnung der  Verbindung  mit  Dänemark  aufzuwen- 
denden  Kostenbeträge  von  rd.  5 Mill.  M.  leistet  die  Stadt 
Rostock  wegen  erzielter  Verbesserungen  ihrer  Schiffahrts- 
strassen einen  Beitrag  von  500000  M.  und  hat  die  Aus- 
führung der  wasserbaulichen  Arbeiten  für  eine  von  der 
Regierung  ihr  zu  zahlende  Pauschsumme  übernommen. 
Diese  Arbeiten  konnten  gleich  nach  erfolgter  Bewilligung 
durch  den  Landtag  noch  im  Spätherbst  1900  beginnen,  und 
es  ist  bis  jetzt  die  Aushebung  des  neuen  Warnowbettes,  so- 
weit dieselbe  imTrocknen  zur  vollen  Tiefe  geschehen  konnte, 
nebst  den  beiderseitigen  theils  als  Kaimauern,  theils  als 
Faschinendeckung  ausgeführten  Uferbefestigungen  vollen- 
det, ein  erheblicher  Theil  der  Baggerei  beschafft  und  die 
neue  Ostmole  bis  auf  die  obere  Aufmauerung  fertig  ge- 
stellt worden.  — H. 


Vermischtes. 

DieFragederWasserversorgungundAhwässer-Reittlgung; 
hat  bekanntlich  in  Preussen  eine  wesentliche  Forderung 
dadurch  erfahren,  dass  am  i.  April  v.  J.  eine  staatliche 
Versuchs-  und  Prüfungsanstalt  für  diese  Zwecke  ins  Leben 
getreten  ist  (vgL.Dtsche.  Bztg.  1901  S.  358),  die  unter  der 
Direktion  des  Hrn.  Prof.  Dr.  Günther  und  der  Oberleitung 
des  Hrn.  Geh.  Ob.-Mediz.-Rths.  Pr.  Schmidtmann  be- 
reits eine  lebhafte  Thätigkeit  entfaltet  hat.  Angeregt  wurde 
die  Einrichtung  dieser  Anstalt  durch  die  im  Frühjahr  19,00 
erfolgte  Eingabe  einer  grossen  Anzahl  von  Stadtmagistraten 
sowie  Vorständen  von  industriellen  und  technischen  Ver- 
bänden. Für  die  Zwecke  dieser  Anstalt  ist  im  Staats^ 
haushalt  jedoch  nur  eine  Summe  von  45000  M.  jährlich 
ausgeworfen,  die  nach  Anschauung  der  betheiligten  Kreise 
nicht  ausreicht,  um  die  Aufgaben  der  Anstalt  in  vollem 
Maasse  zu  erfüllen.  Ausserdem  erschien  es  wünschens- 
werth,  einen  Weg  zu  finden,  der  er  es  ermöglichen  soEte, 
einerseits' auch  die  technischen  und  wirthschafilichen  Kennt- 
nisse privater  Kreise  der  Anstalt  nutzbar  zu  machen,  an.de^ 
rerseits  den  letzteren  die  Möglichkeit  zu  gewähren,  ihre 
Wünsche  und  Anschauungen  in  angemessener  Weise  zum 
Ausdruck  zu  bringen.  Es  sind  daher  sofort  nach  der  Be- 
willigung der  staatlichen  Mittel  die  Männer,  welche  auch 
die  erste  Bewegung  eingeleitet  haben,  wieder  zusammen 
getreten,  um  einen  Verein  zu  gründen,  der  mitarbeiten 
sollte  bei  den  Aufgaben  der  staatlichen  Anstalt  und,  wenn 
erforderlich,  die  Mittel  aufbringen  sollte  für  grössere  Ziele. 
Dieser  „Verein  für  Wasserversorgung  und  Ab- 
wasserreinigung“ ist  unter  dem  Vorsitz  des  Brths. 
Herzberg-Berlin  als  Vertr.  d.  Vereins  Dtsch.  Ing.  ge- 
bildet worden  und  besitzt  z.  Zt.  65  Mitgl.  (keine  Einzel- 
personen, sondern  nur  Gemeinden,  Verbände),  die  für 
5 Jahre  einen  Beitrag  von  rd,  38  000  M.  zugesichert  haben. 
Im  vorigen  Monate  sind  Verhandlungen  eingeleitet  wor- 
den zwischen  dem  Vorstande  des  Vereins  und  dem  be- 
theiligten Ministerium,  die  zu  einem  solchen  vorläufigen  Er- 
gebnisse geführt  haben,  dass  eine  für  beide  Theile  gedeih- 
liche Art  der  gemeinsamen  Arbeit  und  gegenseitigen 
Unterstützung  der  Interessen  mit  voller  Voraussicht  ge- 
schaffen werden  wird.  — 

Zur  Fortsetzung  der  Wiederhersteliungs- Arbeiten  am 
Heidelberger  Schloss.  An  der  S.  200  erwähnten  Berathung 
nahmen  unter  Vorsitz  des  Hrn.  Geh.  Ob.-Fin.-Rath  Göller 
vom  grossh.  bad.  Ministerium  der  Finanzen  theil  die  Hrn. 
Geh.  Ob.-Brth.  H.  Eggert,  Geh.  Brth.  W.  Böckmann  und 
Geh.  Reg.-Rath  H.  Lutsch  aus  Berlin,  Prof.  Bluntschli 
aus  Zürich,  Prof.  H.  Jassoy  und  Prof.  Theod.  Fischer 
aus  Stuttgart,  Stadtbmstr.  Thoma  aus  Freiburg,  sowie  die 
beiden  früheren  Vorstände  des  Schlossbaubüreaus,  Brth. 
Koch  und  Arch.  Fr.  Seitz  aus  Heidelberg.  Hr.  Eggert 


war  Vertreter  des  Schlossvereins,  Hr.  Geh.  Brth.  Prof. 
Wallot  in  Dresden  war  als  Vertreter  der  Stadt  Heidel- 
berg erwählt;  da  er  erkrankte,  so  trat  Prof.  Bluntschli  für 
ihn  ein.  — 

Kurse  übei  Bau-  und  Wobnungsbygiene.  Zu  unserer 
kurzen  Notiz,  über  diesen  Gegenstand  auf  S.  199  erhalten 
wir  noch  die  ergänzende  Mittheilung,  dass  bei  den  Vor- 
trägen des  Hrn.  Landesbrth.  Goecke  an  der  Berliner 
Technischen  Hochschule  über  „Hygiene  des  Städte- 
baues“ der  Bebauungsplan  im  Vordergründe  der  Erörte- 
rungen stand.  Es  wurden  dabei  nicht  nur  die  gesundheit- 
lichen und  wirthschaftlichen,  sondern  auch  die  damit  un- 
zertrennlich verbundenen  gesellschaftlichen  und  künstle- 
rischen Fragen  des  Stadtbauplanes  und  der  Bauordnung 
besprochen.  Der  Rahmen  war  also  weiter  gesteckt,  als 
obige  Uebersicht  vermuthen  lässt.  — 


Preisb  ewerbungen. 

Zwei  Preisausschreiben  des  Vereins  deutscher  Verblend- 
stein-uudTerrakotten-Fabrikanten  InBerlinbetreffen:  i.eine 
Abhandlung,  in  welcher  die  ästhetischen  und  praktischen 
Vorzüge  des  Verkleidens  der  Fassaden  mit  Baumaterialien 
aus  gebranntem  Thon,  in  erster  Linie  mit  Verblend-  und 
Formsteinen,  aber  auch  mit  Terrakotten,  glasirten  Steinen 
undPlatten  anderenBaumaterialien  gegenüber  erörtert  wer- 
den sollen.  Für  die  beiden  besten  Arbeiten  im  Umfang  von 
höchstens  24  Druckseiten  stehen  zwei  Preise  von  300  und 
200  M.  zur  Verfügung.  2.  Fassaden-Entwürfe  im  modernen 
Stil  zu  einem- Wohn-  und  Geschäftshaus  einer  Mittelstadt. 
Als  Material  sind  auss-chl.  gebrannte  Thonsteine  zu  ver- 
wenden. Als  Preise  stehen  300  bezw.  150  M.  für  die  beiden 
besten  Entwürfe  zur  Verfügung.  Zugelassen  sind  Deutsche 
in  Deutschland  lebende  Architekten.  Zu.  Preisrichtern  sind, 
für  beide  Wettbewerbe  gewählt  dre  Hrn.  Prof.  Rieh.  B o r r - 
mann  inBerlin,  Prof.K.  MohrmanninHanniover;  kgLBrth. 
Chr.  Schramm  in Los.chwitz,  kgl.  Brth.  Fr.  Sehwechten' 
in  Berlin^,  sowie  der  Vorstand  des.  genannten  Vereins,  be-' 
stehend  aus  den  Hrn.  Ing.  O.  Rot  her  in  Liegnitz,  Arch. 
G.  Benfey  in  Hermölheim,.  Dir.  R.  Gallasch  in  Hangelar, 
F.  Hauers  jun.  in  Hannover,  Reg.-Bmstr..  K.  Hoffmann 
in  Sigersdorf,  Areh  K.  Dummler  und  Chem.  Ph.  Krei- 
ling inBerlin.  Frist  für  beide  Wettbewerbe  der  2.  Aug.  d.  J; 

ln  einem  Wettbewerb  des  k.  k.  Österr.  Ministeriums 
für  Kultus  und  Unterricht  betr.  Entwürfe  für  eine  katholische 
Pfarrkirche,  welcher  ausgeschrieben  war,  um  dem  Klerus 
geeignete  Vorbilder  für  eine  moderne  Gestaltung  des  ka- 
tholischen Gotteshauses,  zu  geben,  erhielten  die  Architekten 
Jos.  Zasche  in  Prag-Weinberge,  Leop.  Bauer  und  Wuni- 
bald Deininger  in  Wien  die  3 gleichen  Preise.  Dem 
Preisgerichte  gehörten  an  die  Hrn.  Ob.-Brth.  Prof.  Otto 
Wagner,  Prof.  Friedr.  Ohmann,  Prof.  Jos.  Neuwirth 
und  Brth.  Jordan,  sämmtlich  in  Wien,,  sowie  Vertreter 
des  genanntenMinisteriums  und  der  geistlehenBehörden.  — 

Der  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  efti  Hallenschwimm- 
bad in  Pforzheim  bietet  den  Fachgenossen  eine  anziehende 
Aufgabe,  leidet  aber  auch  unter  zu  hohen  Ansprüchen. 
Mit  Ausnahme  des  Lageplanes  sind  die  sämmtlichen  Zeich- 
nungen X : 100  verlangt,  ein  Maasstab,  der,  wenn  es  sich 
nicht  um  eine  Auswahl  zur  Ausführung  geeigneter  bis  da- 
hin unbekannter  Kräfte  handelt  — und  das  ist  hier  nicht 
der  Fall,  denn  über  die  Ausführung  ist  völlig  freie  Wahl 
Vorbehalten  — eine  für  einen  allgemeinen  Wettbewerb 
unbedingt  zu  hohe  Arbeitsleistung  darstellt.  Dazu  kommt, 
dass  ein  Erläuterungsbericht  gefordert  wird,  „der  sich  auf 
die  Art  der  Erwärmung  des  aus  Brunnen  oder  der  Wasser- 
leitung zu  entnehmenden  Wassers,  auf  die  Einführung  der 
Zu-  und  Ableitungen  in  das  Bassin,,  die  Art  der  Lüftung 
und  Heizung,  die  Unterbringung  der  Maschinen,  Reser- 
voire, die  Rohrleitungen  und  auf  die  gesammte  Ba.deein- 
richtung  erstreckt“.  Mit  anderen  Worten;  Wer  die  Ab- 
sicht hat,  einen  wirklich  konkurrenzfähigen  Entwurf  ab- 
zuliefern, dem  wird  nichts  anderes  übrig  bleiben,  als  sich 
mit  einer  Firma  für  Einrichtung  von  Bädern  zu  verbinden 
oder  sich  von  einer  solchen  Firma  einen  vorläufigen  rein 
technischen  Entwurf  ausarbeiten  zu  lassen.  Und  das  ist 
unseres  Erachtens  doch  vielleicht  etwas  zu  viel  verlangt. 
Es  ist  uns  nicht  unbekannt  geblieben,  dass  Preisrichter 
mit  Erfolg  bemüht  waren,  die  Anfangs  noch  grösseren 
Anforderungen  an  die  Theilnehmer  des  Wettbewerbes  zu 
ermässigen;  vielleicht  gelingt  es  ihrem  Eingreifen,  noch 
weitere  Ermässigungen  durchzusetzen.  Es  würde  nur  im 
Interesse  des  Erfolges  des  Wettbewerbes  liegen.  — 

Inhalt:  Neue  Kailsruher  Verkehrsanlagen  (Fortsetzung).  — Mitthei- 
limgea  ans  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veraatwortl,  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  33. 


212 


AUZEITUNG. 

GANG.  * % N2.-  34.  ^ 


Neue  Karlsruher  Verkehrsanlagen. 

(Schluss.)  Hierzu  eine  Bildbeilage. 


II.  Der  Rheinhafen. 


A.  Die  Anlage  und  technische  Ausgestaltung 
des  Hafens. 

Von  Rosshirt,  Grossherzogi.  Baurath. 


it  der  zunehmenden  Entwicklung  des  Ver- 
I kehres  auf  den  Wasserstrassen  überhaupt 
I und  insonderheit  nach  dem  Oberrhein  in 
den  letzten  Jahrzehnten,  namentlich  aber  im 
Hinblick  auf  die  in  Aussicht  stehende  Ver- 
besserung des  Fahrwassers  daselbst  durch  Regulirung 
des  Niederwasserbettes  hat  sich  in  der  Haupt-  und 


gang  genommen  werden  infolge  der  Schwierigkeiten, 
die_  sich  in  diesem  Falle  aus  dem  Höhenunterschiede 
zwischen  dem  Wasserstande  des  Rheines  und  jenem 
in  dem  Hafen  von  durchschnittlich  etwa  10®  ergaben. 
Nach  verschiedenen  anderen  Versuchen  kam  man  da- 
her zu  dem  nunmehr  ausgeführten  Entwürfe  des  Hafens 
in  der  Niederung  westlich  vom  Stadttheil  Mühlburg, 
wie  der  Lageplan  (S.  216)  zeigt,  mit  Verbindung  nach 
dem  Rhein  durch  einen  offenen  Stichkanal  in  west- 
licher Richtung,  der  etwa  2^®  oberhalb  der  Schiff- 
brücke bei  Maxau  in  den  Rhein  mündet.  Wie  aus 
dem  Hafenplan  selbst,  S.  216,  und  dem  Querschnitt 


Residenzstadt  Karlsruhe  das  Bestreben  geltend  gemacht 
nach  einer  besseren  Verbindung  mit  der  Schiffahrt- 
strasse des  Rheins  und  Schaffung  einer  grösseren 
Hafenanlage  mit  modernen  Einrichtungen  für  den  Um- 
schlag und  für  die  Lagerung  der  Güter. 

Bisher  hatten  die  benachbarten  Hafenplätze  Maxau 
und  Leopoldshafen  den  Verkehr  der  Stadt  Karlsruhe 
mit  dem  Rheine  vermittelt.  Dieser  war  indessen  von 
ziemlich  geringer  Bedeutung  infolge  der  beschränkten 
Raumverhältnisse  und  mangelnden  Verkehrs-Einrich 
tungen  in  den  beiden  gedachten  Häfen,  sowie  nament 
lieh  infolge  der  beträchtlichen  Entfernung  der  letzteren 
von  der  Stadt  von  5 und  ii 

Von  der  früher  geplanten  Anlage  eines  Hafens  in 
unmittelbarer  Nähe  von  Karlsruhe  auf  dem  Hochge- 
stade, auf  welchem  die  Stadt  selbst  liegt,  musste  Um- 


durch  die  Hafenbecken,  an  gleicher  Stelle,  hervorgeht, 
besteht  die  Anlage  aus  zwei  Hauptbecken  — dem  in  der 
Kanalaxe  liegenden  Mittel-  und  dem  Südbecken  — und 
einem  kleineren  Becken  für  den  Petroleumverkehr.  Die 
Vereinigungsstelle  der  drei  Hafenbecken  vor  dem 
Uebergang  in  den  Kanal  dient  als  Schiffswendeplatz. 
Für  die  künftige  Vergrösserung  des  Hafens  ist  ein 
weiteres,  zum  Södbecken  symmetrisch  auszubildendes 
Hafenbecken  auf  der  Nordseite  in  Aussicht  genommen. 
Die  Gesammtanlage  des  Hafens  sararat  dem  Stich- 
kanal nach  dem  Rhein,  den  zugehörigen  Dämmen, 
Wegverbindungen  u.  dergl.  nimmt  eine  Fläche  von 
135 1»»  in  Anspruch,  wovon  etwa  19^»  auf  die  der- 
zeitige Wasserfläche  entfallen. 

Das  Mittelbecken  besitzt  eine  Länge  von  1050® 
(einschl.  des  Wendeplatzes)  bei  80  ® Sohlenbreite,  das 


213 


Südbecken  eine  solche  von  740“  bei  65"’  Sohlen- 
breite und  das  Petroleumbecken  250 Länge  und  38^ 
Breite.  Die  Wasserfläche  des  letzteren  ist  zur  Ver- 
hütung des  Austrittes  brennenden  Petroleums  durch 
ein  Bauwerk  mit  12,5“  weiter  Durchfahrt,  die  mittels 
eines  ausdrehbaren  eisernen  Pontons  abgeschlossen 
wird,  von  den  übrigen  Hafentheilen  feuersicher  ge- 
trennt Für  Lagerplätze  und  industrielle  Anlagen 
stehen  37  Nutzfläche  (nach  Abzug  der  Strassen 
und  Gleise)  zur  Verfügung.  Durch  den  späteren  Aus- 
bau des  nördlichen  Beckens  kann  diese  Fläche  noch 
um  etwa  10  die  Wasserfläche  aber  um  7 ver- 
grösscrt  werden. 

Die  Uferlänge  an  den  Hafenbecken  beträgt  derzeit 
insgesammt  4,5'^'",  wovon  500”^  am  Mittelbecken  als 
Kaimauer  ausgebaut,  die  übrigen  Strecken  aber  ab- 
geböscht und  durch  Pflasterung  und  Steinablage  be- 
festigt sind.  Die  Kaimauer 
(vgl.  beisteh.  Abbildg.)  — 
aulBetonzwischenSpund- 
wänden  gegründet  — be- 
steht auch  im  oberen 
Mauertheil  aus  Beton  mit 
Sandstein-Verkleidung  in 
der  Sichtfläche;  sie  ist  mit 
einer  Anzahl  von  Anmähr- 
vorrichtungen,  sowie  von 
Reibhölzern  zum  Schutze 
der  anlegenden  Schiffe 
ausgerüstet.  ZuraVerkehr 
nach  den  letzteren  sind 
7 Treppen  nischenförmig 
in  die  Mauer  eingebaut. 

Die  Sohle  der  Hafen- 
becken und  des  Kanals 
nach  dem  Rhein  liegt  auf 
der  Höhe  der  verglichenen 
Rheinsohle  an  der  Mün- 
dungsstelle, entprechend 
dem  Nullpunkt  des  Maxau- 
er  Pegels  unter  Berück- 
sichtigung des  Stromge- 
fälles. Das  Hafenplanum 
liegt  8,60  “ über  der  Sohle, 
d.  h.  nahezu  auf  der  Höhe  des  Hochwassers  von  1882. 
Zum  Schutze  der  umliegenden  Niederung  gegen  das 
Hochwasser  im  Inneren  des  Hafens,  welches  sich  bei 
offener  Verbindung  jenem  im  Rheine  stets  gleichstellt, 
ist  die  gesammte  Hafenfläche  einschliesslich  des  Kanals 
von  durchaus  hochwasserfreien  Dämmen  umschlossen. 

Der  Kanal  nach  dem  Rhein  {vgl.  den  Querschnitt 
S.  216)  besitzt  2^“  Länge  bei  20™  Sohlenbreite  und 
gestattet  auch  bei  niedrigen  Wasserständen  die  Be- 
gegnung zweier  grossen  Schiffe.  Die  Uferböschungen, 
auf  welchen  sich  die  Hochwasserdämme  unmittel- 
bar aufsetzen,  sind  mit  Steinen  und  im  oberen  Theil 
ebenso  wie  die  Dämme  mit  Rasen  abgedeckt.  Süd- 
lich von  der  Mündung  in  den  Rhein  ist  ein  Vorhafen 
von  350“  Länge  und  95“  Sohlenbreite  angeordnet, 
der  die  Einfahrt  grosser  Schleppboote  gestattet. 

Infolge  der  Hineinschiebung  der  Hafenanlage  auf 
nahezu  4 vom  Rhein  ins  Innere  des  Kulturlandes 
wurden  mehrfache  Abänderungen  an  Wasserläufen, 
Be-  und  Entwässerungs - Anlagen,  Wegen  u.  dergl. 
nöthig.  Die  Alb,  ein  kleines  Flüsschen,  welche  das 
Hafengelände  durchquert  hatte,  musste  um  die  Ost- 
seite des  Hafens  herumgeführt  werden  unter  Erstellung 
eines  neuen,  bei  höheren  Wasserständen  der  Alb  nieder- 
zulegenden Wehres  von  1,8“  Stauhöhe  zu  Bewässe- 
rungszwecken. Ein  weiterer  Abzugsgraben,  die  alte 
Federbach,  wurde  mittels  eines  eisernen  Dükers  unter 
dem  Kanal  zum  Rhein  unterführt.  Die  durch  die  Hafen- 
becken und  den  Kanal  durchschnittenen  Wegeverbin- 
dungen sind  durch  die  Erstellung  einer  Fähranlage 
(s.  den  Lageplan)  über  den  Kanal  aufrecht  erhalten. 

Sämmtliche  Uferstrecken  und  Hafenflächen  sind 
mit  Gleisen  ausgestattet,  welche  an  die  Staatsbahn 
anschliessen,  und  mit  Strassenanlagen  ausgerüstet.  An 
Gleisen  liegen  im  Hafengebiet  rd.  15,5  mit  gpWeichen 


und  2 elektrisch  betriebenen  Schiebebühnen ; an  Strassen 
sind  5,5  vorhanden.  Die  Hafengleise  sind  mit  dem 
Karlsruher  Westbahnhofe  in  Verbindung  gesetzt,  wäh- 
rend der  Landverkehr  durch  eine  27“  breite  Zufahrt- 
strasse von  dem  Stadttheil  Mühlburg  her  vermittelt 
wird.  Bahn  und  Strasse  überschreiten  den  neuen 
Lauf  der  Alb  auf  neben  einander  liegenden  Brücken 
des  Hafens.  Das  ganze  Hafengebiet  ist  mit  Wasser- 
versorgung, Abwasserkanälen,  sowie  mit  elektrischer 
Leitung  von  dem  städtischen  Elektrizitätswerke  aus 
für  die  Kraft-  und  Lichterzeugung  ausgestattet. 

Dieses  Elektrizitätswerk  liegt  am  Ostende  der  Hafen- 
anlagen, der  Stadt  zugewendet,  die  es  ebenfalls  mit  Licht 
und  Kraft  versorgt,  Die  Anlage  ist  mit  einem  Kostenauf- 
wande  von  2,5  Milk  M.  nach  den  Plänen  der  Verwaltung 
der  städtischen  Gas-  und  Wasserwerke  ausgeführt  wor- 
den. Die  architektonische  Ausgestaltung  lag  dabei,  wie 
bei  allen  Hochbauten  des  Hafens,  der  städtischen  Hoch- 
bauverwaltung ob  (vgl.  den  Grundriss  S.  215). 

An  Betriebseinrichtungen  sind  im  Hafen  vorhan- 
den 3 elektrisch  betriebene  Portalkrahne,  3 ebensolche 
Drehkrahne  (der  stärkste  von  4^  Tragfähigkeit)  und 
ein  Dampfkrahn,  sowie  2 feststehende  Hochbahnen 
zur  Kohlenvertheilung.  Zur  Lagerung  dienen  eine 
unterkellerte  zweistöckige  Werfthalle,  sowie  einige 
kleinere  Schuppen ; ein  Getreidespeicher  mit  Silozellen 
und  Schüttböden  für  zusammen  12000  ‘ steht  z.  Zt.  im 
Bau.  Die  Werfthalle  (vergl.  die  Abbildungen  S.  213) 
bedeckt  eine  Grundfläche  von  70  zu  23  und  besitzt 
in  Keller-,  Erd-  und  Obergeschoss  eine  Lagerfläche  von 
etwa  4000 

Die  durchweg  in  Beton  ausgeführte  Gründung 
reicht  5,5“  unter  das  Hafenplanum.  Gegen  das  Grund- 
wasser und  den  Auftrieb  bei  Hochwasser  ist  die  ganze 
Grundfläche  des  Kellers  durch  eine  go  starke  Beton- 
platte mit  Einlage  einer  Asphaltfilzschicht,  sowie  eines 
Bandeisennetzes  gesichert. 

Ueber  dem  Kellergeschosse  befindet  sich  eine 
zwischen  eisernen  Trägern  gespannte  Koenen’sche 
Voutenplattendecke,  auf  Betonpfeilern  ruhend.  Im 
Uebrigen  ist  auf  Eisen  verzichtet  und  im  Erdgeschoss 
eichenes,  im  Obergeschoss  tannenes  Gebälk  verwendet. 
Zur  Verbindung  der  verschiedenen  Stockwerke  sind 
zwei  elektrisch  betriebene  Waarenaufzüge  vorgesehen. 

Für  die  Verwaltung  des  Hafens  ist  in  der  Nähe 
der  Werfthalle  ein  besonderes  Gebäude  (vergl.  den 
Plan  S.  216  und  den  Grundriss  S.  213)  mit  Wohnung 
für  den  Hafenvorstand  errichtet. 

Unternehmerin  des  Baues  und  Betriebes  der  Hafen- 
anlage ist  die  Stadtgemeinde  Karlsruhe.  Zu  den  Bau- 
kosten hat  der  Staat  einen  Beitrag  von  2 000  000  M. 
geleistet,  auch  sind  die  Zufahrtsgleise  durch  die  Eisen- 
bahn-Verwaltung aus  staatlichen  Mitteln  erstellt.  Die 
Fertigung  des  Hafen-Entwurfes,  sowie  die  Leitung  des 
Hafenbaues  mit  allen  Ingenieurbauten  erfolgte  durch 
die  staatliche  Wasserbau-Behörde,  während  sämmtliche 
Hochbauten  von  derStadtentworfen  und  hergestelltsind. 
Die  Arbeiten  waren  aufgrund  öffentlicher  Verdingung  im 
August  1898  unter  7 Bewerbern  an  die  Firma  Philipp 
Holzmann  & Cie.  in  Frankfurt  a.  M.  als  mindestfor- 
dernde  übertragen.  Mit  dem  Bau  wurde  alsbald  begonnen 
und  derselbe  so  gefördert,  dass  die  Anlage  zum  Jahres- 
schluss 1900  in  der  Hauptsache  fertig  gestellt  wmr 
und  am  i.  Mai  1901  bereits  dem  Verkehr  eröffnet  werden 
konnte.  Die  Erdmassen-Bewegung  belief  sich  dabei  auf 
2 137  000  cbm,  wovon  241 000  cbm  guter  Bodcn  zur  Her- 
stellung der  Dämme  regelmässig  eingebaut  werden 
mussten.  Das  Uebrige  diente  zur  Aufhöhung  des  früher 
tiefliegenden  Hafengeländes  um  etwa  2,70“. 

Der  Bauaufwand  für  die  gesammte  Hafenanlage 
hat  sich  folgendermaassen  gestellt:  Es  wurden  auf- 
gewendet von  Seiten  der  Stadtgemeinde  für  Gelände- 
erwerbung 928000  M.,  für  Tiefbauten  2449000  M., 
für  Hochbauten  (mit  Ausschluss  des  erst  im  Bau 
stehenden  Getreide  - Lagerhauses)  326  000  M. , für 
Betriebs  - Einrichtungen  und  maschinelle  Anlagen 
530000  M.,  zusammen  also  4233000  M.  Die  grossherz. 
Eisenbahn-Verwmltung  hat  aufgewendet  330000  M. 
(davon  144  000  M.  für  Gleisanlagen,  welche  der  Stadt- 

No.  34. 


214 


gemeinde  zur  Last  kommen).  Die  Gesammtkosten  des 
Hafens  stellen  sich  also  auf  4563000  M.  _ 

Die  Hafenanlagc  ist  in  der  kurzen  Zeit  seit  ihrer 
Betriebseröffnung  bereits  lebhaft  benutzt  worden.  Es 
stellte  sich  nämlich  der  Umschlagsverkehr  am  Jahres- 
schluss 1901  auf  120  820  ‘ Zufuhr  und  13552*  Abfuhr, 
zusammen  also  134372*,  vornehmlich  Steinkohlen,  dann 
Getreide,  Holzwaaren  und  andere  Baumaterialien.  Von 
dem  Hafengelände  sind  bis  jetzt  80  450  Q“  verpachtet 
für  einen  Jahrcszins  von  41  335  M.  — 

B.  Die  Architektur  der  Hochbauten. 

Arch.:  Bauinspektor  A.  Stürzenacker  in  Karlsruhe. 

I.  Das  städtische  Elektrizitätswerk. 

(Vergl.  die  Abbildgn.  S.  201,  205,  sowie  die  Bildbeilage.) 

Den  städtischen  Gas-  und  Wasserwerken,  an  deren 
SpitzeHr.Brth. Reich  ard  steht,  wardieAusführungder 
Betriebsanlagen  des  Baues 
übertragen,  während  dem 
städtischen  Hochbauamte 
die  Aufgabe  zufiel,  auf- 
grund der  von  maschinen- 
technischerSeite  aufgestell- 
ten Grundrissanlage  und 
Höhen  - Querschnitte  das 
Ganze  in  architektonische 
Formen  zu  kleiden.  In  gros- 
ser, beinahe  quadratischer 
Grundrissumrahmung  von 
60:60®  Front  sind  die  Bau- 
theile  aneinander  gefügt:  im 
Mittelpunkt  das  Maschinen- 
baus, die  Anlage  beherr- 
schend, einerseits  der  ßu- 
reaubau  mit  Schalterraum, 
andererseits,  terrassenför- 
mig sich  angUedernd,  Kes- 
selhaus und  Arbeitsräume 
mit  Magazinen.  Das  Bestre- 
ben, einem  Fabrikbau  die- 
ser eigenen  Art  ein  male- 
risches Gepräge  zu  geben, 
wurde  wesentlich  unter- 
stützt durch  Verwendung 
der  nahe  Karlsruhe  gebro- 
chenen rothen  Pfinzthäler 
Sandsteine.  Die  Verwen- 
dung dieses  Materiales  in 
hammerrechter  Bearbei- 
tung, die  Anwendung  ro- 
manischer Stilformen  geben 
dem  Bau  ein  wuchtiges  Ge- 
präge. Es  hat 
für  sämmtliche 
bis  heute  aus- 
geführten  Ha- 
fenbauten der 
frühe  mittel- 
alterliche Stil 
Verwendung 
gefunden.  In 
dem  verhält- 
nissmässig  jun- 
gen Karlsruhe 

ist  ja  die  Anwendung  dieses  Formenkreises  nicht 
begründet;  allein  hier,  wo  es  darauf  ankam,  unter 
Verzicht  auf  reiche  Ausbildung  der  Einzelform  ledig- 
lich durch  Gruppirung  der  Massen  Gefälliges  zu  bieten, 
griff  man  gerne  auf  ihn  zurück.  Das  romanische  Würfel- 
Kapital  einfachster  Form,  ein  Flechtwerkfries  Geln- 
hauser  Musters,  eine  von  einem  Rundbogenfries  um- 
rahmte Inschrifttafel  bilden  die  einzigen  schmückenden 
Zugaben.  Die  Maulbronner  Hausteinarbeit,  ein  dunkel- 
rotbes,  schokoladenfarbenes  Material  mit  derbem  mittel- 
alterlichem Schlag,  kommt  dem  gewählten  Formenkreis 
zustatten.  In  ungezwungener  Weise  sind  die  einzelnen 
Bautheile  aneinander  gereiht:  der  Strasse,  dem  Be- 
schauer zunächst,  der  massige  Rundthurra  mit  Eingang, 


im  Hintergründe,  die  Umrisslinie  belebend,  der  60“ 
hohe  Schornstein.  In  stilistischem  Zusammenhänge 
mit  dem  Bau  stehen  die  40  in  der  Stadt  vertheilten 
Transformatoren  (Stromumschalter). 

Die  Lieferung  der  gesammten  maschinellen  Anlage 
war  der  Gesellschaft  für  elektrische  Industrie  in 
Karlsruhe  übertragen.  — 

2.  Das  städtische  Lagerhaus.  (S.  209,  211  u.  213.) 

Das  städtische  Lagerhaus  besteht  im  Wesentlichen 
aus  einer  grossen  Halle;  diese  misst  in  den  Grund- 
abmessungen 70  zu  23“,  in  der  Höhe  etwa  10“.  Die 
mittlere  Brandmauer,  baupolizeilich  verlangt,  theilt  den 
Bau,  dem  Zwecke  des  inneren  Betriebes  entsprechend, 
in  die  östliche  Hallenhälfte,  ausschliesslich  als  Zoll- 
niederlage benutzt,  und  die  westliche,  dem  freien  Ver- 
kehr offen.  Am  östlichen  Kopfende  liegen  die  Arbeits- 
räume der  Zollverwaltung  mit  anschliessendem  Dekla- 


ÄaälFiailGCBlI^^  KSBBSGlffiE. 


rantenzimmer  und  2 Arbeitsräume,  z.  Zt.  einer  Privat- 
gesellschaft vermiethet;  am  westlichen  Ende  der  Halle 
befinden  sich  die  Arbeitsräume  der  Eisenbahn,  die 
Räumevon  zwei  Speditionsfirmen  und  ein  Arbeiterraum. 
Die  wasserseitig  gelegene  Laderampe  misst  1,9“,  die 
landseitig  gelegene  0,8®  in  der  Breite.  In  3 Stockwer- 
ken, dem  Kellerboden,  dem  Erdgeschoss  und  dem  Ober- 
geschossboden stehen  etwa  4000  q®  nutzbarer  Lager- 
fläche zur  Verfügung.  Die  Höhe  der  einzelnen  Stock- 
werke misst,  vom  Kellerboden  ab  gerechnet,  3,  4,5 
und  4®;  den  Personenverkehr  vermittelt  eine  85<=® 
breite,  im  Keller  beginnende,  im  Obergeschoss  mün- 
dende Holztreppe.  Das  Verbringen  der  Güter  in  die 
einzelnen  Stockwerke  besorgen  2 elektrisch  betriebene 


26.  April  1902 


2>5 


Aufzüge;  Waaghaus  mit  eingebauter  Waage  stehen  an  der  dem  Wasser 
zugekehrten  Front.  Die  Gründung  des  Baues  bot  bei  der  ungünstigen 
Bodenbeschaffenheit  einige  Schwierigkeiten,  lieber  sie  ist  bereits  S.  214 
berichtet  worden. 

Das  Fassadenmauerwerk  ist  rothes  Pfinzthäler  Bruchsteingemäuer 
gewöhnlicher  Ausführung.  Das  Hausteinmaterial,  Maulbronner  Ursprungs, 


ist  aus  finanziellen  Gründen  in  bescheidenen  Grenzen  gehalten.  Ausgiebiger  ist  von 
dem  grauen  Schwarzwaldpanit,  der  hierzulande  um  wohlfeilen  Preis  zu  erstehen  ist, 
Gebrauch  gemacht.  Die  Laibungen  der  grossen  Thoröffnungen  im  Erdgeschoss,  das 
ganze  Eingangsportal,  sämmtliche  Unterlagsquader  und  der  Sockelfuss  sind  in  diesem 
Material  ausgeführt.  Der  grauschwarze  gestockte  Granit  in  Verbindung  mit  dem  rothen 
Bruchsteingemäuer  der  Fronten  verleiht  dem  ganzen  Bau  einen  derben  Charakter. 

No.  34. 


EUE  KARLSRUHER  VERKEHRSANLAGEN  ^ * 
DAS  VERWALTUNGS-GEBÄUDE  UND  EIN  THEIL 
DES  ELEKTRIZ. -WERKES  DES  RHEINHAFENS  * 
ARCHIT.:  A.  STÜRZENACKER  IN  KARLSRUHE 
= DEUTSCHE  BAUZTG.  XXXVI.  JAHRG.  NO-34.  = 


Grosse  Formen,  einfache  Massengruppirung  und  8 Wohn-  und  Diensträume:  im  Erdgeschoss  2 Ar- 
völliger  Verzicht  auf  Einzelheiten  sollen  den  Bau  beitsräume,  so  gelegen,  dass  der  Betrieb  im  Hafen 
auch  auf  den  Fernerstehenden  wirken  lassen.  bequem  übersehen  werden  kann,  und  nWohnräume- 

Die  4 Flankirungsthürme,  entsprechend  den  4 Eck-  im  Obergeschoss  3 Zimmer,  Küche  und  Bad;  im 
zimmern,  bezeichnen  in  energischer  Weise  die  Ecken  Dachstock  als  Giebelzimmer  ausgcbildet  Fremden- 
des grossen  Rechtecks.  Sie  beleben  in  Verbindung  zimmcr  und  Magdkammer.  Getrennte  Eingänge  führen 
mit  den  in  hellem  Bruchstein  ausgemauerten  Nischen,  zu  den  Arbeitsräumen  wie  zu  der  Privatwohnung. 


Abbildg.  7.  Druckluft-Lokomotive  der  Westbahn  in  Paris. 


Abbildg.  3.  Druckluft-Lokomotive  vom  Bau  des  Simplon-Tunnels. 


Abbildg.  4 u.  5.  Druckluft-Lokomotive  von  Hardie. 
Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städtischen  Strassenbahnen. 


dem  grasgrün  glasirCen  Ziegeldach  und  dem  landseitig 
2,75®  ausladendenflachenHolzzenient-Dachin  wirkungs- 
voller Weise  den  sonst  einfachen  Nützlichkeitsbau.  — 

3.  Das  Verwaltungsgebäude. 

(Vergl.  die  Abbildgn.  S.  205,  313  und  die  Bildbeilage.) 

Dieses  Gebäude,  zugleich  Wohnhaus  des  Hafen- 
amts-Vorstandes , enthält  in  zwei  Stockwerken  die 

a6.  April  1903. 


Die  Art  der  Gründung  und  Isolirung  des  Baues 
gegen  Hochwasser  gleicht  in  der  Hauptsache  der  des 
Lagerhauses.  Besonders  vermerkt  sei  hier  nur  die 
Anordnung  der  Sohlenmauern,  die  in  paralleler  Rich- 
tung in  2™,  1,8®  und  1,5®  Stärke  aufgeführt  sind. 
Von  einem  in  Stichbogenform  ausgeführten  Betonge- 
wölbe sind  die  Mauern  überspannt,  im  Scheitel  50«^® 
an  Stärke  messend.  Der  Rücken  des  Gewölbes  ist 


317 


wagrecht  abgeglichen  und  trägt  die  Kellermauern, 
gleichviel  welcher  Richtung.  Das  Gründungsmaterial 
ist  Beton  i : 6 • — 1:9,  zumtheil  im  Grundwasser  zwischen 
6 cm  starken  Spundwänden  eingebracht. 

Gegen  Feuchtigkeit,  Grund-  und  Hochwasser  ge- 
schützt ist  der  Keller  durch  eine  über  dem  Rücken 
der  Kappengewölbe  aufgelegte  7““-  starke  Asphalt- 
ülzlage;  eine  starke  Bandeisen -Einlage  in  dem  Ge- 
wölbegemäuer selbst  soll  es  gegen  den  Auftrieb  des 
Wassers  widerstandsfähiger  machen. 

Das  über  dem  Sockel  aufsteigende  Fassaden- 
geraäuer  ist  mit  dem  Hammer  gerichtetes  rothes 
Bruchstein-Mauerwerk,  im  Tone  der  Steine  selbst 
ausgefugt.  Der  Maulbronner  Haustein  ist  dem  ro- 
manischen Gepräge  entsprechend  scharrirt,  gestockt 
oder  geflächt. 

Die  ornamentalen  Zuthaten  an  den  Baugliedern 
bestehen  nur  in  geringen  romanischem  Blattwerk  an 
einigen  Würfelkapitälen  und  den  Regendurchlässen. 
Den  Mittelpunkt  für  das  Auge  bildet  das  Giebelrelief, 
im  Dreieckrahmen  einen  Schiffer  mit  schwer  beladenem 
Boote  darstellend.  Der  Gnom  auf  dem  der  Stadt  zu- 
nächst gelegenen  Ecke  trägt  unter  jedem  Arm  einen 
10000  M.-Geldsäckel,  den  monatlichen  Reingewinn, 
und  bringt  damit  auch  den  mittelalterlichen  derben 
Humor  zum  Ausdruck.  Die  Farbenfreudigkeit  des 
Stils  zeigt  sich  auch,  wenn  auch  sparsam,  am  Aeusseren 
des  Baues:  die  3 Halbrundschilder  in  der  Erkerbrüstung 
zeigen  Karlsruher  Wappen  im  Zeichen  des  Handels  und 
Verkehrs;  mit  den  heraldischen  Farben  tönen  roth,  grün, 
gelb,  blau  und  gold  ist  die  Reliefwirkung  der  Embleme 
gehoben.  In  reicherer  Farbenpracht  sind  die  eisenge- 
schmiedeten Eingangsthüren  und  einige  Fensterver- 
gitterungen gehalten. 

Die  Bildhauermodelle  des  Aeusseren  sind  in  üppi- 
gem Farbenschrauck  an  bevorzugten  Stellen  des  Inneren 
wieder  zu  Ehren  gekommen.  Ein  romanisches,  in 
blauem  Grundton  gehaltenes  Flechtwerk  mit  sattem 
Roth  und  Grün  schmückt  die  Tonnengewölbe-Decke 
der  Vorhalle  vor  den  Arbeitsräumen.  Im  übrigen  ist 
bei  der  Ausstattung  weniger  auf  Schmuck,  als  auf 
edles  Material  gesehen.  Eichene  Thüren  führen  von 
den  Vorplätzen  zu  den  Zimmern.  Bad,  Küche  und 
Speisekammer  sind  weiss  lackirt,  auf  Brüstungshöhe 


mit  weissen  Platten  verkleidet;  das  Esszimmer  ist  in 
den  einfachsten  Formen  Tiroler  Gothik  gehalten. 

Organisch  dem  Bau  angefügt  ist  der  in  nächster 
Nähe  des  Büreau-Einganges  gelegene  Plakatstock,  be- 
stimmt Bekanntmachungen  verschiedener  Natur  aufzu- 
nehmen. In  dieser  soliden  Steiiiform  mit  kleinem  Bogen- 
fries, 2“  hoch,  soll  er  die  leider  so  oft  gewählten  Holz- 
tafeln ersetzen.  Zwei  weitere  Stöcke  flankiren  als  Pylonen 
das  granitene  Eingangsportal  des  Lagerhauses.  — 

Nützlichkeitsbauten,  wie  die  vorbesprochenen, 
müssen  natürlich  in  erster  Linie  den  Anforderungen 
der  Zweckmässigkeit  und  Billigkeit  entsprechen,  in 
zweiter  Reihe  erst  kommt  die  ästhetische  Seite.  Es  ist 
bei  Erstellung  der  bis  heute  ausgeführten  Bauten  mit 
äusserster  Sparsamkeit  zu  Werke  gegangen,  von  Vor- 
theilen, welche  die  Hand  des  Zufalls  bot,  ist  daher  gern 
und  ausgiebig  Gebrauch  gemacht  worden.  — Ver- 
gleichende Zahlen  mögen  hier  selbst  reden.  Es  stellt 
sich  I umbauten  Raumes  des  Lagerhauses  auf  rd. 
10,5  M.,  der  des  Verwaltungsbaues  auf  rd.  20  M.,  ge- 
messen von  Oberkante  Kellerboden  bis  Oberkante  des 
verglichenen  Dachgesimses,  mit  Rücksicht  auf  die 
schwierige  Gründung  und  die  Wahl  dauerhafter  Mate- 
rialien, für  Auf-  und  Ausbau  gewiss  ein  massiger 
Satz.  Der  Gesarnmtaufwand  beträgt  für  das  Lagerhaus 
235000  M.,  für  den  Verwaltungsbau  63500  M. 

Dass  man  in  Stil  und  Material  die  Bauten  einheit- 
lich zu  gestalten  suchte,  lag  bei  der  gleichzeitigen  Aus- 
führung und  dem  gleichen  Zwecke  in  der  Natur  der 
Sache.  Kaum  wenige  Monate  ist  der  Rheinhafen  dem 
Betrieb  übergeben  und  schon  erweisen  sich  die  Hoch- 
bauten als  nicht  mehr  ausreichend;  die  Errichtung 
eines  Getreidespeichers  mit  einem  Aufwande  von  rd. 
I Milk  M.  ist  bereits  im  Gange,  die  Erbauung  eines 
neuen  Lagerhauses  bald  nöthig,  will  man  eine  zeit- 
gemässe,  zweckentsprechende  Anlage  besitzen.  Mit 
Freude  und  Genugthuung  mag  dies  hier  festgestellt 
und  als  günstige  Vorbedeutung  für  die  Zukunft  unse- 
res Hafens  mag  es  betrachtet  werden,  wenn  in  jedem 
Jahre  ein  Mehr  an  Anforderungen  für  die  weitere 
Ausstattung  dieses  Werkes  nöthig  werden  wird.  — 
A.  Stürzenacker  in  Karlsruhe. 


Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen. 

(Fortsetzang.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  S.  217. 


I.  Lokomotiven. 

Eie  ältesten  Druckluft-Fahrzeuge  waren  Lokomotiven, 
welche  sich  wenig  von  Dampf-Lokomotiven  unter- 
schieden'^). Man  wählte  diese  Art  von  Betriebs- 
mitteln wie  seinerzeit  so  auch  heute  noch,  um  beim  Tunnel- 
bau die  dort  so  störende  Entwicklung  von  Rauch  zu  ver- 
meiden. Während  indessen  die  beim  Bau  der  Gothard- 
bahn  benutzte  meterspurige  Mekarski’sche  Druckluft-Loko- 
motive 8)  von  Schneider  & Co.  in  Le  Creuzot  einen  einzigen 
Luftbehälter  besass,  der  76  Druckluft  von  laatHöchst- 
spannung  fasste,  ist  für  die  zurzeit  beim  Simplon-Tunnel- 
bau  verwendete,  von  der  Schweizerischen  Lokomotiv- 
Fabrik  in  Winterthur  gebaute  Lokomotive  (Abbildg.  3) 
eine  Höchstspannung  von  80  at  für  die  Druckluft  ange- 
nommen, die  infolge  dessen  in  Flaschen  von  geringerem 
Durchmesser  mitgeführt  werden  muss. 

Die  Hauptdaten  der  Lokomotive, 0)  von  der  zunächst 
je  3 für  jede  Bauseite  beschafft  wurden,  sind: 


Spurweite 800  mm 

Zyhnderdurchmesser  ....  125  „ 

Kolbenhub  150  „ 

Raddurchmesser 620  „ 

Radstand 1200  „ 

Uebersetzung i : 3,25 

Behälterdruck 70^1 

Gesammtinhalt  der  Luftbehälter  2000 1 

Arbeitsdruck 15  at 

Gewicht  der  Lokomotiven  . . 6200  kg 


Vergl.  Fussnote  ®)  auf  S.  207. 

Rapports  du  conseil  federal  Suisse  aux  gouvernements  des  Etats, 
qui  ont  participe  ä la  Subvention  de  la  ligne  du  St.  Gothard,  Zürich  1877. 

®)  Isäheres  über  diese  interessante  Maschine  ist  in  dem  in  Fussnote 
S.  207  angezogenen  und  in  der  Schweizerischen  Bauzeitung  vom  5.  April 
190S  veröffentlichten  Aufsatz  zu  finden. 

ai8 


In  Abbildg.  4 und  5 ist  eine  1897  von  Hardie  in  Rome 
(im  Staate  New-York)  entworfene  und  zeitweise  auf  der 
Manhattan-Hochbahn  in  New-York  ira  Betrieb  gewesene 
Druckluft-Lokomotive  dargestellt.  Bei  einem  Dienstge- 
wicht von  21 1 besitzt  sie  einen  aus  27  Mannesmann-Röhren 
für  160  at  Vorrathsdruck  bestehenden  Behälter,  der  ira- 
ganzen  2900 1 Luft  aufnehmen  kann.  Damit  ist  die  Loko- 
motive imstande,  einen  Zug  von  130  t (5  Wagen)  mit  72  km 
Meistgeschwindigkeit  auf  30  km  Bahnlänge  zu  ziehen. 

Wohl  die  bisher  umfangreichste  Verwendung  von 
Druckluft-Lokomotiven  auf  eigenem  Bahnkörper  ist  vor- 
handen in  dem  unlängst  eröffneten  Betrieb  auf  der  West- 
bahn in  Paris.  Die  2 km  lange  Stadtbahnstrecke  dieser 
Gesellschaft  vom  Gare  des  Invalides  bis  zum  Marsfeld, 
(vergl.  den  Uebersichtsplan  Abbildg.  6,  in  welchem  auch 
die  mit  Druckluft  betriebenen  Strassenbahnlinien  einge- 
tragen sind),  verläuft  vollständig  im  Tunnel,  es  war  also 
die  Anwendung  von  Dampflokomotiven  so  gut  wie  ausge- 
schlossen. Die  Strecke  setzt  sich  in  derselben  Richtung 
in  der  neuerbauten  direkten  Linie  nach  Versailles  fort. 
In  ihr  befindet  sich  ein  5km  langer  Tunnel  TT,  der  in  einer 
Steigung  von  i : 125  liegt.  Andererseits  sollten  Ringbahn- 
züge zwischen  dem  Gare  des  Invalides  und  St.  Lazare 
über  Passy  und  die  Gürtelbahn  verkehren;  auch  diese 
Linie  verläuft  zum  grossen  Theil  im  Tunnel.  Man  wählte 
nun  für  die  von  den  übrigen  Bahnen  verhältnissmässig 
unabhängige  Linie  nach  Versailles  elektrischen  Betrieb 
mit  Lokomotiven,  während  für  die  Ringbahn,  auf  welcher 
zahlreiche  Dampfzüge  anderer  Verwaltungen  verkehren 
und  manche  Bahnhöfe  mit  vielen  Weichenverbindungen 
zu  durchfahren  sind,  Stromleitungsschienen  sehr  hinder- 
lich gewesen  wären.  Man  entschloss  sich  daher,  hier 
Druckluft-Lokomotiven  zur  Anwendung  zu  bringen,  die 
ausserdem  dazu  dienen  sollen,  die  Verschub-Bewegungen 

No.  34, 


auf  dem  theilweise  überbauten  Gare  des  Invalides  auszu-  für  die  Erzeugung  des  zur  Erwärmung  der  Heisswasger- 
führen,  sodass  auch  hier  nur  einige  Hauptgteise  mit  Strom-  Behälter  auf  den  Druckluft-Lokomotiven,  zur  Heizung  der 
leitungsschienen  ausgerüstet  zu  werden  brauchten.  Gebäude  und  des  zum  Anheizen  der  Züge  im  Winter 

Abbildg.  7 zeigt  die  auf  dem  technischen  Bureau  der  erforderlichen  Dampfes. 

Westbahn  entworfene  und  von  der  Socidtd  St.  Ldonard  Mekarski’sche  Strassenbahn-Lokomotiven  werden  in 
in  Lüttich  gebaute  Druckluft-Lokomotive,  über  welche  hier  Paris  als  auch  in  der  Umgebung  der  Hauptstadt  in  grosser 
folgende  Hauptdaten  angeführt  seien:  Zahl  benutzt.'®)  Eine  sehr  gebräuchliche  Anordnung  zeigt 

Gesammtlänge 13,46“  Abbildg.  8,  über  welche  genauere  Angaben  in  dem  in  der 

Abstand  der  Drehgestellzapfen 8,6  Fussnote  6 S.  207  angezogenen  Aufsatz  zu  finden  sind. 

Radstand  eines  Drehgestelles 2,5  Diese  Lokomotiven  sind  auf  der  Linie  Louvre-St.  Cloud- 

Raddurchmesser 1,35  ,/  Sövres-Versailles  der  Compagnie  Gendrale  des  Omnibus, 

Dienstgewicht 60  ‘ sowie  auf  dem  Netze  der  Chemins  de  fer  Nogentais  und 

Durchmesser  des  Hochdruck-Zylinders  ....  320™“  ferner  für  den  Marktverkehr  in  Paris  im  Gebrauch”)  und 

1531  Anfangsdruck,  20 Anfahrdruck,  können  4 Anhängewagen  von  zusammen  32  * Gewicht  mit 

Durchmesser  des  Niederdruck-Zylinders  . . . 530  „ einer  Geschwindigkeit  von  201^“  in  der  Stunde  befördern. — 

7,5  at  Anfangsdruck,  Toat  Anfahrdruck,  (.Fortsetzung  folgt.) 

Hub 560  ““ 

Höchstleistung  . . . 1300  P.-S. 

Zahl  der  Behälter  33  zu  je  700' 

= 23 100 ' oder  2000  Luft, 

Grösster  Behälterdruck  . ico  at 
Inhalt  der  Erwärmer  2260  • Wasser 

(215®  Anfangswärme). 

Eine  Ladung  soll  ausreichen,  um 
einen  Zug  von  120t  (ohne  Loko- 
motive) auf  einer  25 langen 
Strecke  zu  befördern. 

Die  Energie  für  die  mit  elek- 
trischem Strom  und  die  mit  Druck- 
luft betriebenen  Linien  wird  in 
einem  grossen  Kraftwerke  in  Issy- 
les  Moulineaux  (vgl.  den  Plan  6) 
gewonnen,  welches  nach  vollen- 
detem Ausbau  12000  P.-S.  leisten 
wird.  Es  wird  Drehstrom  von 
5000  Volt  Spannung  und  25  Pe- 
rioden erzeugt,  welcher  4 Unter- 
stationen zugeführt  wird.  Drei 
derselben  (auf  dem  Marsfeld,  in 

Meudon  und  in  Viroflay)  von  je  Abbildg.  8.  Strassenbahn-Lokomotive  mit  Druckluft-Betrieb  in  Paris.  System  Mekarski. 
1600  P,-b.  liefern  Gleichstrom  von 
550  Volt  für  den  Bahnbetrieb  und 
Beleuchtungsstrom;  die  vierte  auf 
dem  Invaliden-Bahnhof  dient 
zur  Speisung  der  Druckluft-Lo- 
komotiven. In  der  letzteren  be- 
finden sich  3 Drehstrommotoren 
für  5000  Volt.  Ihre  höchste  Leistung 
beträgt  je  500  P.-S.  bei  50  Ampöre 
Stromstärke.  Sie  sind  unmittelbar 
gekuppelt  mit  je  einer  zweistufigen 
Luftpumpe  (System  Mekarski). 

Diese  empfangen  Druckluft  von  6 
aus  dem  Rohrnetz  der  Compagnie 
parisienne  de  l’air  comprime  (Quai 
de  la  gare)  und  verdichten  sie 
zunächst  auf  30,  dann  auf  100  at. 

Die  Luft  wird  nach  erfolgter  Trock- 
nung in  120  Behältern  (zu  je  500 1) 
aufgespeichert,  welche  in  6 Grup- 
pen angeordnet  sind  und  etwa  das 
Dreifache  einer  Lo- 
komoti  v-F  üllung  als 
Vorrath  halten. 

Ausserdem  ent-  J 'Zz:---  _ — Slekh-.^cikn.n.S’ersa.ilUs. 

hält  diesevierteUn-  " -einUdcr^esdiahriaJLirdirSi-n^lin 

terstation  auf  dem  u-  SlrUerstaticnen,.  » SpasefiwJcU. 

Gare  des  Invalides 

eine  Kesselanlage  Abbildg.  6.  Plan  von  Paris  mit  Eintragung  der  mit  Druckluft  betriebenen  Eisen-  und  Strassenbahnen. 


Vermischtes. 

Geh.  Baurath  Peters,  Mitglied  der  kgl.  Generaldir.  d, 
sächs.  Staatseisenbahnen,  trat  am  i.  April  d.  J.  in  den 
Ruhestand.  Am  30.  März  1837  geboren,  begann  Hr.  Peters 
seine  Laufbahn  Anfang  der  sechziger  Jahre  bei  Erweite- 
rung der  Gleisanlagen  für  den  Kohlenbahnhof  Zwickau. 
Bei  Ausbruch  des  Krieges  1870  war  er  Betr.-lngenieur  in 
Zittau  und  Löbau  und  ging  als  solcher  zur  Leitung  des 
Betriebsdienstes  auf  den  besetzten  Eisenbahnen  mit  nach 
Frankreich,  wo  er  besonders  bei  Metz  thätig  war.  Nach 
seiner  Rückkehr  trat  er  aus  dem  Staatsdienste  aus  und 
bei  der  Leipzig-Dresdener  Eisenb.-Gesellschaft  als  stellver- 
tretender Ob.-lngenieur  ein.  In  dieser  Stellung  bethätigte 
er  sich  namentlich  beim  Neubau  der  Linie  Bienenmühle- 
Freiberg-Nossen-Riesa-Elsterwerda.  Mit  dem  Ankäufe  der 
Leipzig-Dresdener  Eisenbahn  trat  er  1876  in  den  Staats- 
dienst zurück,  zunächst  als  Bez.-Ingenieur  in  Leipzig,  dann 
als  Ob.-lngenieur  und  Vorstand  des  Ingenieur-Hauptbureaus 

26.  April  igo2. 


in  Dresden.  Im  Jahre  1888  wurde  er  Finanzrath  und  Mit- 
glied der  kgl.  General-Direktion  ebendaselbst. 

Als  zu  Anfang  des  Jahres  1890  die  Umgestaltung  der 
Dresdener  Bahnhöfe  beschlossen  wurde,  erhielt  er  im 
Aufträge  der  Gen.-Direktion  die  oberste  technische  Leitung 
dieser  umfangreichen  Bauten.  Mit  einem  Kostenaufwande 
von  etwa  70  Mill.  M.  entstanden  in  einem  Zeiträume  von 
IO  Jahren  unter  der  zielbewussten,  thatkräftigen  und  ener- 
gischen Bau-Oberleitung  des  Hm.  Peters  nacheinander  der 
Personen-Hauptbahnhof,  das  Generaldirektions-  und  Ver- 
waltungsgebäude sowie  der  Abstellbahnhof  in  Dresden- 
Altstadt,  der  Rangirbahnhof,  der  Werkstättenbahnhof,  das 
Elektrizitätswerk,  der  Verkehrs-  und  Winterhafen  und  die 
Haltestelle  Wettinerstrasse  in  Dresden-Friedrichstadt.  Daran 
schlossen  sich  der  Umbau  der  Verbindungsbahn,  sowie 


1®)  Vel.  L’air  comprimi  appliqu^  & la  tractioo  des  tramways  par 
L.  A.  Barbct,  Paris  1896. 

1^)  Vgl.  aucL  Z.  £.  Kleinbahnen  1901  S.  laa  u.  f. 

ai9 


die  Ausführung  der  neuen  viergleisigen  Elbbrücke  und 
schliesslich  die  neuen  Personen-  und  Güter-Bahnhofsan- 
lagen  in  Dresden-Neustadt.  Unterstützt  durch  tüchtige 
Fachgenossen,  förderte  Hr.  Peters  in  den  Dresdener  Bahn- 
hofsbauten ein  Werk,  welches  einen  der  grössten  Triumphe 
technischen  Könnens  weit  über  Sachsens  Grenzen  hinaus 
darstellt.  Die  grossen  Verdienste  des  Genannten  fanden  die 
allerhöchste  Anerkennung  in  der  Verleihung  des  Titels  und 
Ranges  als  Geh.  Baurath  und  verschiedener  hoher  Ordens- 
auszeichnungen. Wir  wünschen  im  Verein  mit  den  zahl- 
reichenFachgenossen,  welche  unter  und  mit  Hrn.  Geh.  Brth. 
Peters  thätig  gewesen  sind,  dass  ihm  noch  ein  recht  langer 
und  froher  Lebensabend  vergönnt  sei.  — M 

Glasmalereien  aus  dem  Atelier  Franz  Riess  in  Dessau 
sind  im  Architektenhause  in  Berlin  seit  längerer  Zeit  aus- 
gestellt und  zwar  zunächst  vier  alte  Scheiben  aus  der 
Stadtkirche  zu  Herzberg  N.-L.  Die  Origmalscheiben  sind 
Reste  alter  Glasmalereien  und  etwa  Anfang  bis  Mitte  des 
XV.  Jahrhunderts  gefertigt.  Es  wurde  den  einzelnen 
Handwerksgilden  in  Herzberg  die  Pflicht  auf  erlegt,  der 
Kirche  je  ein  farbig  gemaltes  Fenster  zu  stiften  und  zu 
erhalten.  Nicht  feststellen  liess  sich,  aus  welchen  Gilden- 
fenstern die  hier  aufgestellten  Scheiben  übrig  geblieben 
sind,  da  ein  Vermerk  nicht  mehr  vorgefunden  wurde;  die 
Fenstertheile  waren  zuletzt  in  den  drei  Chorfenstern  ver- 
theilt. Die  Chorfenster  haben  nun  neue  Scheiben  erhalten 
und  es  sind  die  alten  Theile  im  Charakter  der  alten  Scheiben 
ergänzt  und  wieder  hergestellt  und  sollen  in  den  Fenstern 
der  Sakristei  ihren  zukünftigen  Platz  erhalten.  Von  ganz 
besonderem  Reiz  sind  die  farbige  Teppichwirkung  und 
die  technische  Behandlung.  Mit  einfachen  Schraffurlinien 
ist  nicht  allein  die  Zeichnung  charakterisirt,  sondern  auch 
eine  wirkungsvolle  Vermittelung  der  einzelnen  Farbentöne 
erzielt.  Die  anderen  drei  Fenster  sind  Kopien  nach  alten 
Scheiben  und  zwar:  „Die  Kreuztragung“,  aus  einem  im 
genannten  Atelier  wieder  hergestellten  Chorfenster  der 
Jacobikirche  zuStendal;  „Die  Madonna“,  nach  einer  Scheibe 
im  Züricher  Museum  und  „Der  Johannes“,  aus  einem  Fenster 
im  Mailänder  Dom.  — 

Zur  Umgestaltung  der  Bahnanlagen  In  Stuttgart,  die 
der  Aufsatz  S.  170  kurz  berührte,  meldet  der  St.  Anz.  für 
Württemberg,  dass  am  15.  April  vier  auswärtige  Sachver- 
ständige des  Eisenbahnfaches,  und  zwar  die  Hrn.  Geh. 
Ob.-Brth.  Blum- Berlin,  kais.  Ob.-Reg.-Rth.  Franken- 
Strassburg,  Eisenb.-Betr.-Dir.  Gen.-Dir.-Rth.  Jäger-Augs- 
buig,  und  Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Dolezalek-Hannover, 
in  Stuttgart  zusammengetreten  sind,  um  den  von  der  kgl. 
General-Direktion  der  Staatsbahnen  sowde  den  von  Hrn, 
Ing.  Sprickerhof  entworfenen  Plan  zu  prüfen.  — 

Die  43.  Hauptversammlung  des  Vereins  deutscher  Inge- 
nieure findet  in  der  Zeit  vom  15.— 18.  Juni  d.  J.  in  Düssel- 
dorf statt.  Am  19.  Juni  schliesst  sich  dann  ein  gemein- 
schaftlicher Ausflug  in  das  Siebengebirge  an.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Fassaden-Ent- 
würfen  für  Neu-  und  Umbauten  in  Danzig  schreibt  der 
Verein  zur  Erhaltung  und  Pflege  der  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler in  Danzig  mit  Frist  zum  1.  Sept.  d.  J.  für  alle 
in  Deutschland  ansässige  Architekten  aus.  Es  handelt  sich 
um  3 Entwurfsgruppen,  für  deren  jede  4 Preise  von  je 
1200,  800,  500  u.  300  M.  ausgesetzt  sind.  Preisrichter  sind 
als  Bausachverständige  die  Hrn.  Ob.-Brih.  Prof.  Schäfer 
in  Karlsruhe,  Geh.  Bnh.  Breidsprecher,  Reg.-  u.  Brth. 
Leh  mbeck,  Stadtbrth.  Fehlhaber,  sämmtlich  in  Danzig, 
ausserdem  die  Hrn.  Ob.-Bürgermstr.  Delbrück,  stellv. 
Stadtverordneten-Vorsteher  Mün Ster b erg  u.  Reg.-Assess. 
Auwers  in  Danzig.  Programm  gegen  Zahlung  von  i M., 
die  zurückerstattet  wird,  im  Baubureau  des  Rathhauses.  — 

Die  Stadtverwaltung  von  Astrachan  beabsichtigt  die 
Anlage  einer  elektrischen  Zentrale,  sowie  die  Einrichtung 
öffentlicher  und  privater  Beleuchtung  (zunächst  150  Bogen- 
lampen, 6000  Glühlampen)  im  Wege  des  öffentlichen  Wett- 
bewerbes zu  vergeben.  Selbständige  elektrotechnische 
Firmen  mit  eigenen  Bauanstalten,  Fabriken  usw.  werden 
aufgefordert,  bis  7./20.  Juni  d.  J.  generelle  Entwürfe,  Kosten- 
überschläge, Nachweise  der  Betriebskosten  und  der  Ren- 
tabilität einzureichen.  Bei  der  Vergebung  finden  nur 
solche  Firmen  Berücksichtigung,  die  rechtzeitig  diese 
Unterlagen  eingereicht  haben.  Sie  müssen  sich  verpflich- 
ten, den  Betrieb  i — 2 Jahre  selbst  zu  übernehmen.  ■ — 

Zum  Wettbewerb  des  Vereins  deutscher  Verblendstein 
und  Terrakotten -Fabrikanten  ist  zu  der  Notiz  in  No.  33 
noch  berichtigend  zu  erwähnen,  dass  dem  Preisgerichte 
für  die  Beurtheilung  der  Fassadenentwürfe  neben  den 
genannten  Architekten  nur  zwei  Vorstandsmitglieder  des 
genannten  Vereins  angehören.  — 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Versetzt  sind;  die  Ob.-Bauinsp.  Forschner  von 
Lörrach  nach  Baden  und  Bayer  von  Waldshut  nach  Lörrach,  Bahn- 
bauinsp.  Riegger  in  Ueberlingen  nach  Karlsruhe  zur  Gen. -Dir.  der 
Staatseisenb. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Ritter  in  Karlsruhe  ist  der  Tit.  Bez.-Bau- 
insp.  verliehen  und  der  Reg.-Binstr.  Dahlin  ger  in  Freiburg  ist 
unt.  Verleih,  des  Tit.  Bez.-Bauinsp.  z.  Vorst,  der  Bez.-Bauinsp.  Walds- 
hut ernannt. 

Preussen.  Verliehen  ist:  den  Geh.  Brthn.  Rohr  mann  in 
Bromberg  und  Doulin  in  Breslau  aus  Anlass  des  Uebertritts  in 
den  Ruhestand  der  Rothe  Adlei-Orden  III.  KL  mit  der  Schleife; 
dem  Prov. -Konservator  Dr.  Reimers  in  tiannover,  dem  Landes- 
Brth.  Dr.  Wolff  in  Hannover  und  beim  Uebertritt  in  den  Ruhe- 
stand dem  Brth.  Gnuschke  in  Quedlinburg  der  Rothe  Adler- 
Orden  IV.  KL;  dem  Reg.-  u.  Brth.  Geh.  Brth.  Wald  hausen  in 
Kassel,  dem  Brth.  Zölffel  in  Marburg,  dem  Brth.  Stier,  Prof, 
an  der  Techn.  Hochschule  in  Hannover,  dem  Landes  - Bauinsp. 
S u 1 1 e r in  Schweidnitz  und  beim  Uebertritt  in  den  Ruhestand  dem 
Brth.  Mebus  in  Dressen  der  kgl.  Kroneu-Ordeii  IIL  KL 

Der  Geh.  Brth,  und  Maschinenbaudir.  A s s m a 11  n ist  z.  Mitgl. 
des  Techn.  Prüf.-Amts  in  Berlin  ernannt. 

Die  Rcg.-Bfhr.  Wilh.  Heine  kamp  aus  Siegburg  (Wasser- 
u.  Strassenbfeh.),  Eug.  G 0 e r k e aus  Köslin  (Wasserbfeh.),  — Wilh. 
Deetz  aus  Berlin,  jul.  Hagedorn  aus  Nienburg,  Wilh.  T r ü m - 
pert  aus  Rödelheim  und  Friedr.  Beblo  aus  Breslau  (Hoclibfch.), 
— Otto  Laubschat  aus  Gr.  Wersmeningken , Mart.  Rewald 
aus  Rohr,  Osk.  Domke  aus  Berlin  und  Emil  Ziem  eck  aus 
Macharren  (Eisenbfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Herrn.  M e i s s n e r in  Czarnikau,  Phil.  N i t z e 
in  Halle  a,  S.,  Wilh.  S c h ö n i a n in  Trier , Erich  Echternach 
io  Köln  a.  Rh.,  Dr.  Herzfeld  in  Berlin  und  Reinh.  K r a e f f t in 
Breslau  ist  die  nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 


Briet-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Bfhr.  G.  in  Koblenz.  Ob  Ihr  Beschäftiguugs-Verhält- 
niss  als  Bauführer  eines  Architekten  nach  Gewerberecht  zu  beur- 
theilen  ist,  und  den  Bestimmungen  der  Gew.-Ord.  § 133a  unter- 
steht, hängt  davon  ab,  ob  Ihr  Arbeitgeber  als  Gewerbeunternehmer 
gilt,  was  bei  Architekten  nicht  immer  zutrifft.  Unabhängig  davon 
können  Sie  jedoch  nach  B.  G.-B.  § 630  ein  schriftliches  Zeugniss  über 
die  Dauer  Ihrer  Thätigkeit  fordern,  welches  auf  Ihr  Verlangen  sogar 
auf  die  Leistungen  und  die  Führung  im  Dienste  au.szudehnen  ist.  Un- 
aufgefordert brauchte  Ihr  Arbeitgeber  Ihnen  jedoch  kein  Zeugniss 
auszustellen.  Nachdem  Sie  ihn  aber  wiederholt  dazu  aufgefordert 
haben,  ist  er  im  Leistungsverzuge  und  sind  Sie  befugt,  gegen  ihn 
auf  Ausstellung  des  Zeugnisses  und  Schadensersatz  wegen  bisher 
verabsäumter  Ausstellung  klagbar  zu  werden,  wolern  Sie  nämlich 
einen  Schaden  nachzuweisen  imstande  sind.  War  Ihr  Arbeitgeber 
Gewerbeunternebmer,  so  ist  vielleicht  das  Gewerbegericht  zustän- 
dig, wenn  dessen  Statut  nämlich  seine  Wirksamkeit  über  das  Be- 
reich der  gewerblichen  Arbeiter  hinaus  auch  auf  die  Gewerbe- 
thätigen  gemäss  § 133a  erstreckt.  Das  Uebergewicht  der  Wahr- 
scheinlichkeit spricht  jedoch  dafür,  dass  Sie  vor  dem  ordentlichen 
Gerichte  werden  klagen  müssen.  Das  Amtsgericht  ist  nur  zuständig, 
wenn  der  Streitwerth  nur  auf  höchstens  300  M.  zu  bemessen  ist, 
während  sonst  das  Landgericht  anzurufen  und  ein  Anwalt  mit  der 
Streitführung  zu  beauftragen  ist.  — K.  H-e. 

Hrn.  F.  K.  in  St.  Johann.  Ihre  Anfrage  können  Sie  sich 
leicht  selbst  beantworten,  wenn  Sie  die  letzten  Bände  unserer 
Zeitung  durchblättcrn.  Sie  linden  darin  Werke  aller  der  bedeuten- 
den Ateliers  in  Nord-  unch  Süddeutsch! and,  welche  für  Ihre  Zwecke 
iüfrage  kommen  könnten  und  Sie  sind  dabei  auch  in  der  Lage, 
sich  die  Namen  auswählen  zu  können,  welche  Ihrer  persönlichen 
Neigung  und  Fähigkeit,  die  wir  ja  nicht  kennen,  am  meisten  ent- 
sprechen. — 

Hrn.  H.  W.  ln.  Saarbrücken.  Entsprechende  Gesuche  wür- 
den an  die  Kolonial-Abtheilung  des  Auswärtigen  Amtes  in  Berlin 
W.  8,  Wühelmstr.  75  und  76,  an  die  „Deutsche  Kolonial-Gesell- 
schaft“,  Berlin  W.,  Schellingstr.  3,  an  die  „Deutsche  Kolonial-Ge- 
sellschaft  für  Südwestafrika“,  Berlin  S.W.,  Wilhelmstr.  45,  oder  an 
die  „Deutsch-Ostafrikanische  Gesellschaft“,  Berlin  W.  64,  Behren- 
strasse 7 a,  zu  richten  sein.  — 

Hrn.  Ing.  G.  K.  in  Chemnitz.  Zementputz,  der  im  Freien 
allen  Temperatur-  und  Feuchtigkeitswechseln  ausgesetzt  ist,  frei  von 
Haarrissen  zu  erhalten,  ist  eine  wohl  kaum  lösbare  Aufgabe.  An- 
ders bei  Zementputz  in  geschlossenen  Räumen,  welchen  Haarrisse- 
frei zu  erhalten  leicht  gelingt.  Aber  die  Schwierigkeit  der  Auf- 
gabe wächst,  je  fetter  die  Mörtelmischung  genommen  und  je  slärker 
der  Pntz  geglättet  wird. 

Hrn.  Arch.  M.  M.  in  Hamburg.  Wann  die  erste  Wohn- 
hausgruppe mit  gegen  die  Strasse  vorgezogenen  Seitenflügeln  und 
zurücktretendem  Mitteltheil  ausgeführt  wurde,  dürfte  schwer  zu  er- 
mitteln sein;  die  Hauptanwendung  dieses  Motives  geht  auf  die 
Barockzeit  zurück.  — 

Hrn.  Br.  T.  in  Wiesbaden.  Ueber  die  Anlage  von  Kre- 
matorien empfehlen  wir  Ihnen  insbesondere  das  bei  E.  Wasmuth 
in  Berlin  erschienene  schöne  Werk:  „Kunst  und  Architektur  im 
Dienste  der  Feuerbestattung“.  — 


Inhalt:  Neue  Karlsruher  Verkehrsaulagen.  (Schluss).  — Ueber  die 
Verwendung  von  Druckluft- Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städt. 
Strassenbahnen.  (Fortsetzung).  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — 
Personal-Nachrichten.  — Brief-  nnd  Fragekasten. 


Hierzu  eine  Bildbeilage:  Verwaltungs- Gebäude  und 
Elektrizitätswerk  in  Karlsruhe. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  34. 


220 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  35.  Berlin,  den  30.  April  1902. 


Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen. 

(Fortsetzung.) 


II.  Trieb wagen'2), 

mür  Strassenbahnen  hat  eine  Druckluft-Lokomotive, 
die  nach  Art  der  vorstehend  geschilderten  gebaut  ist, 
wenig  Aussicht  auf  dauernde  Verwendung,  weil  der 
Verkehr  dort  meist  häufige  Verbindungen  mit  demzufolge 
kleinen  Einheiten  verlangt  und  weil  daher  eine  Viertel- 
siundenfolge  von  Zügen,  die  aus 
einer  Lokomotive  und  4 Anhänge- 
wagen bestehen,  in  einer  Stadt  wie 
Paris  nicht  mehr  als  den  Anforde- 
rungen der  Gegenwart  entsprechend 
bezeichnet  werden  kann.  Hier  wird 
das  Schwergewicht  immer  auf  den 
einzelnen  Triebwagen  zu  legen  sein, 
und  daher  haben  sich  schon  verschie- 
dene Konstrukteure  seit  einiger  Zeit 
bemüht,  brauchbare  Betriebsmittel 
dieser  Art  herzustellen.  Die  Schwie- 
rigkeiten liegen  darin,  dass  erstens 
die  erforderlichen  Energie-  bezw. 
Energie-Erzeugungsmengen  in  ver- 
hältnissmässig  beschränkten  Räumen 
unlerzubringen  und  dass  zweitens 
störende  Geräusche  und  unange- 
nehme Gerüche  fernzuhalten  sind. 

Insbesondere  soll  der  Auspuff  un- 
hörbar sein. 

Eine  ältere  Gattung  der  Mekarski- 
schen  Triebwagen,  welche  in  Paris 
im  Betriebe  sind,  zeigt  Abbildg.  p'S). 

Im  Gegensatz  zu  den  oben  beschrie- 
benen Lokomotiven  sind  dieselben 
einseitig  ausgebildet,  sodass  sie  auf 
den  Endstationen  der  Linien  gedreht 
werden  müssen,  falls  keine  Schlei- 
fen vorgesehen  sind.  Die  Führer- 
platiform  trägt  den  Erwärmer  K und 
die  Handhebel;  die  Behälter  (bei  den 
neuen  Wagen  9 an  der  Zahl)  liegen 
quer  unter  dem  Wagenkasten  (Ab- 
bildg. 10).  Von 
ihnen  dienen  6 
dem  regelmässi- 
gen Betrieb  und 
3 als  Rückhalt,  um 
noch  amEnde  der 
Fahrt  beim  An- 
fahren auf  der 
Steigung  usw.  ge- 
nügend hohen 
Druck  zur  Verfü- 

gung  zu  haben. 

'ie  Länge  derBe- 
hälter  beträgt  1,2 
bezw.  1,9®,  ihr 
Durchmessero,6® 
und  sie  enthalten 
zusammen  3000  l 
Luft.  Die  Bauart 
der  Behälter  ent- 
spricht derjeni- 
gen der  Lokomo- 
tiven, und  ihr  Ge- 
wicht beläuft  sich 
auf  2,5 1. 

Der  Erwärmer 
besteht  bei  den 
älteren  Wagen  aus 
einem  einlachen 
senkrecht  stehen- 
den zylindrischen  Gefäss  (Abbildg.  ii),  an  dessen  oberem 
Ende  das  Druckverminderungs-Ventil  befestigt  ist.  Beiden 
neueren  Wagen  hat  man,  da  die  Wärmemenge  des  nur  200 
fassenden  Behälters  verhältnissmässig  schnell  verbraucht 
und  die  Nachfüllung  von  Dampl  aufder Linieunbequem  war, 
in  den  Erwärmer  einen  kleinen  Koksofen  eingebaut,  in 

“j  Vergl.  Ztschr.  d.  V.  Dtsch.  lüg.  1893,  S.  297  u.  Org.  f.  Eiseab, -Wesen 
1901,  S 264. 

*•)  Vergl.  Georg  Meyer  Gnmdz.  d.  Eiseab.-Masch.-B.  IV,  S.  201. 


welchem  ein  mässiges  Feuer  unterhalten  wird.  Der  Ver- 
brauch an  Brennmaterial  beträgt  für  diesen  Zweck  nur 
500  g auf  I ktn.  Die  beiden  Achsen  des  Wagens  sind  ge- 
kuppelt. Die  Trittstufen  der  hinteren  Plattform  sind  über 
Eck  angebracht,  um  den  Raum  für  den  letzten  Luftbe- 
hälter nicht  zu  verkürzen;  da  stets  nur  beim  Stillstand  aus 
dem  Wagen  aus-  oder  in  denselben  eingestiegen  wird,  so 
ist  diese  Anordnung,  auch  wenn  ein 
Anhängewagen  d^inter  läuft,  un- 
gefährlich. Der  Raddurchmesser  be- 
trägt 0,70  ®,  der  Radstand  1,9 
Zylinderdurchmesser  0,16®,  Kolben- 
hub 0,28  Der  Wagen  ist  insge- 
samrat  8“  lang  und  wiegt  voll  be- 
setzt 14.5  ^ Das  Gewicht  vertheilt 
sich  folgendermaassen: 

Untergestell  8‘,  Wagenkasten  2,5t, 
also  Leergewicht  10,5 Luft  0,2*, 
Wasser  0,2  ^ , soPersonen  3,6  • , dem- 
nach grösstes  Gewicht  14,5 1 . 

Der  Anfangsdruck  in  den  Behäl- 
tern beträgt  80  a*,  der  Enddruck  IO  *t. 
Die  Eintrittsspannung  der  Luft  in 
den  Zylindern  ist  für  gewöhnlich  auf 
to  at  Bemessen,  jedoch  bis  auf  das 
Doppelte  zu  steigern.  MiteinerFül- 
lung  kann  der  Wagen  allein  eine 
Strecke  voni2 — 15^™,  mit  einem  8 bis 
i2‘  schweren  Anhängewagen  8— 12 
zurücklegen  entsprechend  seinem 
Arbeitsvermögen  von  4800000 
Die  Aufladung  dauert  2—3  Minuten. 
So  lange  der  Wagen  auf  ebener  Bahn 
fährt,  ist  ein  Auspuff  nicht  zu  hören; 
auch  beim  Anfahren  und  auf  Rampen 
ist  das  Geräusch  als  verhältnissmässig 
gering  zu  bezeichnen. 

Während  die  Strassenbahn-Ge- 
sellschaften  in  der  Umgegend  von 
Paris,  soweit  sie  Druckluft-Betriebs- 
mittel benutzen,  diese  allmählich 
durch  elektrischen 
Antrieb  mittels 
Oberleitung  er- 
setzen, wird  der 
Druckluft-Betrieb 
seitens  der  Com- 
pagnie Gdndrale 
des  Omnibus,  da 
für  die  in  das  In- 
nere der  Stadt 
führenden  Linien 
der  Oberleitungs- 
Betrieb  ausge- 
schlossen ist,  wei- 
ter beibehalten 
und  als  Ersatz  für 
andere  mechan. 

Betriebsweisen 
neu  eingerichtet, 
ImSommeripoo 
waren  folgende,  in 
nachsteh.  Tabelle 
angegebenen  Li- 
nien im  Betriebe 
(Lageplan,  Abb.  6 
auf  S.  219.) 

Der  Betrieb  der 
Linie  i erfolgt  so, 
dass  alle  15  Min. 
ein  Zug  mit  3—4 
Wagen  vom  Louvre  bis  Point  du  Jour  geht,  dort  wird  er  ge- 
theilt.  Die  Lokomotive  fährt  mit  einem  Wagen  nach  St.  Cloud 
weiter,  eine  andere  befördert  2— 3 Wagen  nach  Sfevres  und 
fährt  von  dort  alle  Stunden  mit  i oder  2 Wagen  nach  Versailles. 
Umgekehrt  erfolgt  die  Vereinigung.  Linie  4 ist  eine  Zweiglmie 
zu  I.  Die  Wagen  laufen  theilweise  bis  zum  Louvre  durch. 
Für  den  Betrieb  dienen  148  Wagen  und  53  Lokomotiven. 

Die  Krafistation,  welche  die  Druckluft  für  alle  diese 
Linien  liefert,  befindet  sich  zu  Billancourt  (vergl.  Abb.  12), 


221 


gegenüber  dem  Westbahn-Kraftwerk  am  rechten  Seineufer. 
Ihre  Leistungsfähigkeit  beträgt  im  gegenwärtigen  Ausbau 
5000 — 7000  P.S.  Sie  liefert  stündlich  16 1 Luft  von  80 — 100  J'g 
Spannung.  Die  Kohlenzufuhr  geschieht  auf  dem  Wasser- 
wege, und  das  Speisewasser  wird  der  Seine  entnommen. 
Zur  Dampferzeugung  dienen  16  Babcock-Wilcox-Kessel 


pen  zu  je  10  geordnet  sind.  Die  einzelnen  Behälter  haben 
462  inneren  bei  504  ““  äusserem  Durchmesser  und  sind 
3,17“  hoch.  Der  Gesammtinhalt  aller  Behälter  beträgt 
140  cbm  Luft.  Vom  Behälterhause  gehen  zwei  Rohrleitungen 
nach  den  Ladestationen.  An  der  einen  liegen  diejenigen 


Abbildg.  9.  Druckluft-Triebwagen  alt.  Syst,  von  Mekarski  io  Paris. 

von  Point  du  Jour,  Auteuil,  Mozart,  Pont  d’Alma;  die 
andere  führt  nach  der  Statiori  Porte  d’Orldans. 

Am  Point  du  Tour  werden  die  Lokomotiven  der  Linie  i 


Abbiidg.  II.  Erwärmer  von  je  210  q“  Heizfläche.  Es  sind  geladen,  in  Auteuil  die  Wagen  für  4 und  6,  in  der  Rue 
der  älteren  Triebwagen  von  7 liegende  Verbund -Dampf -Ma-  Mozart  diejenigen  für  2 und  3,  an  der  Porte  d’Orleans  die 
Mekarski.  schinen  vorhanden,  deren  jede  für  Linie  5.  Die  Ladestation  am  Pont  d’Alma  dient  zur 

700—1000  P.S.  leistet.  Aushilfe,  besonders,  wenn  Triebwagen  mit  Anhängewagen 

Die  Luftpumpen  arbeiten  in  3 Stufen.  Der  erste  auf  den  Linien  i — 4 verkehren. 

Zylinder  ist  liegend,  die  beiden  anderen  sind  stehend  an-  Das  Laden  erfolgt  zumtheil  auf  der  Strasse,  zumtheil 
geordnet  und  zwar  sind  letztere  doppelt.  Der  grosse  am  Ende  der  Linie  auf  dem  Betriebs-Bahnhofe.  Den 
Luftzylinder  und  der  Niederdruck-Dampfzylinder  sind  mit-  Ladevorgang  auf  der  Strasse  veranschaulicht  Abbildg.  13. 
einander  verbunden  und  die  beiden  anderen  Dampfzylinder  Der  Umstand,  dass  der  Mekarski-Wagen  stets  nur 
unter  sich  in  Tandem -Anordnung.  Die  stehenden  Luft-  nach  einer  Richtung  laufen  kann,  erschwert  naturgemäss 
Zylinder  sind  so  angeordnet,  dass  je  ein  Mittel-  und  ein  den  Betrieb.  Beide  Endplattformen  mit  Erwärmern  und 
Hochdruckzylinder  nach  Tandemart  verbunden  sind.  Die  Regelungsvorrichtungen  auszurüsten,  verbot  sich  bei  der 
Verdichtungsstufen  liegen  auf  4, 25  und  80%  Pressung.  Die  üblichen  Wagenform,  bei  welcher  die  hintere  Plattform 
Kühlung  der  Luft  erfolgt  während  des  Zusammendrückens  zum  Ein-  und  Aussteigen  benutzt  wird.  Will  man  den 
durch  Wasserumlauf  um  jeden  Zylinder,  durch  Wasser-  Wagen  zweiseitig  benutzen,  so  lässt  sich  das  nur  so  er- 
Einspritzung  in  den  Niederdruck  - Zylinder  und  durch  reichen,  dass  Erwärmer  und  Regelungs -Vorrichtungen 
Kühlung  in  besonderen  Behältern  nach  jeder  Verdichtungs-  unter  dem  Wagenkasten  angebracht  und  von  beiden  Platt- 
stufe. Zum  Abscheiden  des  überflüssigen  Wassers  sind  formen  aus  mittelbar  bethätigt  werden.  Von  diesen  Er- 
zwei  Trockner  vorgesehen.  wägungen  ausgehend,  entwarfen  Popp  und  Conti  einen 

Zum  Aufspeichern  der  Luft  dienen  280  Behälter,  welche  für  die  Strassenbahn  in  St.  Quentin  bestimmten  Wagen, 
in  einem  besonderen  Gebäude  untergebracht  und  in  28  Grup-  welcher  in  seiner  äusseren  Erscheinung  einem  gewöhn- 


222 


liehen  Strassenbahnwagen  völlig  gleicht.  Die  8 Behälter  R 
liegen  zu  je  4 unter  den  beiden  Plattformen  (Abbildg.  14); 
sie  enthalten  zusammen  1000  * Luft  von  20— 25  at  Spannung. 
Der  Energievorraih  ist  also  verhältnissmässig  gering.  Der 
Erwärmer  G liegt  quer  unter  dem  Wagen  und  stellt  einen 
Ofen  dar,  in  welchem  ein  von  der  Luft  durchströmles 
Schlangenrohr  liegt.  Das  Druckverminderungs-Ventil  ist 
nicht  regelbar.  Zwischen  ihm  und  den  Zylindern  strömt 
die  Luft  durch  die  Veriheilungshähne  D. 

Die  nach  dem  Verbundsystem  gebaute  Maschine  wirkt 
nach  Art  eines  elektrischen  Motors  mit  einer  Uebersetzung 
von  etwa  i : 2,4  auf  eine  der  Achsen  und  ist  am  Unter- 
gestell federnd  aufgehängt.  Die  andere  Achse  ist  mit  der 
Triebachse  gekuppelt.  Auf  dem  Wege  vom  kleinen  zum 
grossen  Zylinder  durchläuft  die  Luft  nochmals  in  einem 


zweiten  Schlangenrohr  den  Erwärmer,  sodass  die  Anfangs- 
temperatur in  beiden  Zylindern  i?o®  beträgt  bei  einem 
Arbeitsdruck  von  8 bezw.  4at.  Die  Regelung  der  Zylinder- 
füllung  geschieht  durch  einen  Schieber,  der  mittels  Rad 
und  Kette  vom  Hebel  V aus  bewegt  wird.  Die  Steuerung 
wird  mittels  Luftdruckes  vom  Föhrerstand  aus  umgelegt. 
Ein  weiterer  Hebel  IF  stellt  die  Verbindung  mit  den  Ver- 
theilungshähnen D her,  welche  dazu  dienen,  die  Luft  ein- 
mal in  dem  kleinen  Zylinder  oder  in  beide  Zylinder  (beim 
Anfahren  auf  der  Steigung)  oder  in  die  Bremsen  strömen 
zu  lassen.  Durch  einfache  Drehung  des  Hebels  TF  lassen 
sich  diese  drei  Stellungen  erreichen.  Die  Abmessungen 
des  Wages  sind  folgende:  Gesammtlänge  7,4™,  Radstand 
1,5“,  Raddurchmesser  0.8™,  Gewicht  leer  7 L Gewicht 
des  vollen  Wagens  (20  Sitzplätze)  9 t.  — (Fortsetzung  folgt.) 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Architekten-  und  Ingenieur- Verein  zu  Magdeburg.  In 
der  von  Hrn.  Reg  - u.  Brth.  Mackenthun  am  12.  März  d.  j. 
geleiteten  Sitzung  widmete  zunächst  Hr.  Brth.  Fritze  dem 
jüngst  verstorbenen  Mitgliede,  Hrn.  Kreisbauinsp.  Schön- 
feld, einen  herzlichen  Nachruf;  das  Andenken  des  Dahin- 
geschiedenen  ehren  die  Anwesenden  durch  Erheben  von 
ihren  Plätzen.  Unter  den  Eingängen  ist  als  bemerkens- 
werih  ein  Artikel  in  der  Ztschrft.  „Denkmalspflege"  her- 
vorzuheben, nach  welchem  die  Stadt  Augsburg  zwecks 
Erhaltung  ihrer  Baudenkmäler  und  Schutz  des  Stadtbildes 
gegen  Verunzierung  durch  missgestaltete  Neubauten  bau- 
polizeiliche Bestimmungen  erlassen  hat. 

Hr.  Geh.  Brth.  Witte  hielt  sodann  einen  Vortrag 
über  „Thalsperren  am  Harz“,  Einleitend  besprach 
er  die  allgemeinen  Verhältnisse,  die  den  Hochwasser- 
ausschuss zu  einer  Besichtigung  der  infrage  kommen- 
den  Gelände  veranlasste.  Er  beschrieb  die  grossen  Ueber- 
schwemmungen  und  die  durch  sie  hervorgerufenen  Ver- 
heerungen , die  bereits  in  den  achtziger  und  neunziger 
Jahren  des  vorigen  Jahrh.  Abhilfe  dringlich  forderten.  Unter 
den  Vorschlägen  zu  einer  durchgreifenden  Abhilfe,  fand 
den  meisten  Anklang,  im  oberen  Theile  des  Gebirges  durch 
Anlage  von  Thalsperren  das  Wasser  zurückzuhalten.  Die 
ähnlichen  Ausführungen  im  Loiregebiete  in  Frankreich 
seien  hierfür  vorbildlich.  Am  Harz  war  der  Bau  von  Stau- 
weihern in  Aussicht  genommen  undes  wurde  das  hier  infrage 
stehende  Bodethal  einer  Besichtigung  unterzogen.  Wenn 
auch  die  zuständigen  Ministerien  es  ablehnten,  dem  Aus- 
führungsgedanken näher  zu  treten,  weil  man  eine  Be- 
einträchtigung der  Naturschönheiten  befürchtete,  so  liess 
sich  doch  die  Deutsche  Thalsperrengesellschaft  zu  Hanno- 
ver, die  sich  mit  der  Bearbeitung  des  Entwurfes  inzwischen 
weiter  befasste,  nicht  hindern,  den  Plan  weiter  zu  ver- 
folgen. Auf  höhere  Anregung  erfolgte  abermals  eine 
Prüfung  der  Angelegenheit  durch  einen  Unterausschuss 
und  eine  Besichtigung  derjenigen  Stellen  des  Bodethaies, 
für  welche  die  Sperren  geplant  waren.  Zunächst  kam  eine 
Staumaueroberhalb  des  ßodekesselsbisTreseburg  in- 
frage, die  bei  einer  Höhe  von  55“  und  einer  Länge  von 
52  “ einen  Slauweiher  von  77,35  Fläche  und  von 
11,4  Mill.  cbm  Wasserinhalt  ergeben  würde.  Eine  zweite 
Sperre  sollte  bei  Wendefurt  mit  einer  Höhe  von  26® 
in  einer  Länge  von  212  ® eine  Wassermenge  von  8,4  Mill.  cbm^ 
die  dritte  oberhalb  Rübeland  beim  Hahnenkopf  mit  30b* 
Fläche  4 Mill.  cbm  und  eine  vierte  bei  Rapbode  ebenfalls 
4 Mill.  cbm  Wasser  zurückhalten.  Man  beabsichtigt  ausser- 
dem, diese  ungeheure  Wassermenge  auch  zur  Erzeugung 
elektr.  Energie  zu  Kraft  und  Beleuchtungszwecken,  zur 
Trinkwasserversorgung,  letztere  sogar  vielleicht  bis  Mag- 
deburg, sowie  zur  Wiesenbewässerung  auszunutzen. 

Redner  verbreitet  sich  noch  über  die  aufzubringenden 
Kosten,  die  Rentabilität  und  die  in  Aussicht  genommenen 
Beiträge  seitens  der  Anlieger  und  Interessenten,  ferner 
über  den  von  der  Gesellschaft  gestellten  Antrag  bezüglich 
der  Bildung  einer  Thalsperren-Genossenschaft,  sowie  über 
das  ablehnende  Verhalten  des  Ministeriums.  Hinsichtlich 
der  Gefahr  des  Durchbruches  eines  Stauweihers  äussert 
sich  Redner  dahin,  dass  bei  dem  heutigen  vorgeschrittenen 
Stande  der  Technik  jede  Befürchtung  ausgeschlossen 
erscheine.  Weiter  führt  er  aus,  dass  die  vielfach  im  Eisass 
und  inFrankreich  ausgeführten  Beispiele  und  die  67  bei  uns 
vorhandenen  Weiheranlagen  den  Beweis  erbrächten,  dass 
durch  sie  keine  Zerstörung,  sondern  eher  eine  Hebung 
der  Naturschönheit  herbeigeführt  werde.  Ueber  die  Wich- 
tigkeit des  letzterwähnten  Gesichtspunktes  entspinnt  sich 
eine  ausgedehnte  Debatte  unter  den  Hrn.  Win  ekler,  Stolz, 
Baczinsky,Priess  u.a.,  wobei  allgemein  anerkannt  wird, 
dass  eigenartige,  der  Gegend  anzupassendeArchitekturen  im 
Verein  mit  den  entstehenden  Wasserfällen  eine  angenehme 
Belebung  und  Steigerung  der  Naturreize  ermöglichten. 
Lebhafter  Dank  wurde  dem  Vortragenden  zutheil.  — Th. 

30.  April  1902. 


Vermischtes. 

Ein  Lichtpaus-Apparat  „Simplex“  ist  der  Firma  Albert 
Martz,  Fabrik  für  Zeichenutensilien  in  Stuttgart,  unter 

D.  R.-G  -M.  147838  geschützt.  Derselbe  zeichnet  sich  durch 
Leichtigkeit  und  Einfachheit  in  Anwendung  und  Hand- 
habung vor  den  üblichen  Konstruktionen  aus  und  besitzt 

dabei  auch  den  Vorzug  der 
Billigkeit.  Wie  die  Abbildung 
zeigt,  besteht  der  Verschluss- 
deckel nicht,  wie  üblich,  aus 
in  ganzer  Länge  durchgehen- 
den Brettern,  sondern  aus 
Brettslückchen,  die  nur  lose 
mit  Drähten  bezw.  Charnieren 
verbunden  sind.  Diese  Brett- 
chen werden  nicht  durch  Eisen- 
federn, sondern  durch  keilför- 
mig zugeschärfte  Querleisten 
festgehalten,  die  unter  entspre- 
chend geformte  eiserne  Hal- 
ter geschoben  werden.  Durch 
diese  einfache  und  daher  halt- 
bare Anordnung  wird  an  allen 
Stellen  ein  dichter  Anschluss 
an  die  Filz-  bezw.  Glasplatte 
erzielt,  sodass  die  Anwendung 
leichterer  Glasplatten,  Doppel- 
glas statt  Kristallglas,  möglich 
wird.  Die  Oeffnung  und  Schliessung  des  Apparates  ist 
ausserdem  in  einfachster  Weise  rasch  zu  bewirken.  Die 
Apparate  werden  in  Grössen  bis  110/76  cm  hergestellt 
und  sind  dann  noch  handlich.  — 

Kautschukbutter.  ( Unter  dieser  Bezeichnung  stellte 
die  Chemische  Fabrik  Busse  in  Hannover-Linden  ein 
Präparat  her,  welches  sie  dem  chemischen  Laboratorium 
für  Thonindustrie  der  Hrn.  Prof.  Dr.  H.  Seeger  und 

E.  Gramer  in  Berlin  übergab,  um  zu  ermitteln,  wie  weit 
dasselbe  dazu  dienen  kann,  Zementkörper  undurchlässig 
gegen  Wasser  zu  machen.  Der  Ausfall  der  Prüfungen 
ermuntert,  die  Kautschukbutter  weiteren  Kreisen  zu  em- 
pfehlen. Das  zähe  Präparat,  welches  zu  dickflüssig  ist, 
um  unmittelbar  als  Anstrich  Verwendung  zu  finden,  wurde 
mit  Petroleum  verdünnt  und  zwar  2 Gew.-Theile  Kaut- 
schukbutter auf  I Gew.-Th.  Petroleum.  Die  nun  ziemlich 
dünnflüssige  Mischung  ist  zum  Anstreichen  gut  zu  ver- 
wenden. Die  Versuche  lehrten,  dass  i Tag  alte  Zement- 
kuchen leicht  und  gut  den  Anstrich  annahmen,  er  haftete 
fest  und  ein  Abblättern  war  in  keinem  Falle  zu  beo- 
bachten. Die  älteren  Kuchen  nahmen  den  Anstrich  etwas 
besser  an,  weil  die  Oberfläche  die  Flüssigkeit  ansaugte. 
Die  Färbung  der  Körper  erhält  einen  gelblichen  Schein, 
der  jedoch  meistens  nicht  störend  wirkt.  Um  das  Ver- 
halten des  Anstriches  bei  Zementmörtelmischung  zu  prüfen, 
wurden  Platten  aus  i Th.  Zement,  5 Th.  Normalsand  und 
I Th.  Zement,  7 Th.  Normalsand  angefertigt  und  einseitig 
bestrichen.  Auf  die  Anstrichseite  wurde  eine  weithalsige 
mit  Wasser  gefüllte  Flasche  gesetzt,  die  Oeffnung  nach 
unten,  um  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  Durchdringen 
von  Wasser  zu  ermitteln.  Das  Ergebniss  war  folgendes: 

I Th.  Zement,  5 Th.  Normalsand.  Eine  3>/2  Tage  alle 
Platte  wurde  gestrichen  und  nach  weiteren  2 Tagen  in 
der  angegebenen  Weise  eine  mit  Wasser  gefüllte  Flasche 
aufgesetzt.  Das  gleiche  geschah  mit  einer  6 Tage  alten 
Platte  ohne  Anstrich.  Letztere  zeigte  nach  5 Minuten 
eine  Tropfenbildung  an  der  Unterseite,  während  die  ge- 
strichene Platte  nach  einem  Monat  noch  kein  Durchdringen 
von  Wasser  erkennen  liess.  Nach  dem  Durchbrechen  der 
Platte  konnte  nicht  das  geringste  Eindringen  von  Wasser 
bemerkt  werden. 

I Th.  Zement,  7 Th.  Normalsand.  Eine  i Tag  alte 
und  kaum  trockene  Platte  wurde  gestrichen,  was  keinerlei 
Schwierigkeiten  verursachte,  und  nach  2 Tagen  wie  an- 


233 


gegeben  unter  Wasser  gesetzt.  Bei  derselben  war  nach 
22  Tagen  auf  der  Bruchfläche  kein  Eindringen  von  Wasser 
zu  sehen ; dagegen  war  die  ungestrichene  Platte  nach 
wenigen  Stunden  völlig  durchnässt.  — 

Schadhafte  alte  Metall-  bezw.  Wellblechdächer  werden 
von  der  Firma  Louis  Lindenberg  in  Stettin  nach  einem  ihr 
patentirten  Verfahren,  das  sehr  erheblich  billiger  sein  soll 
als  die  Einziehung  neuer  Bleche,  wieder  instand  gesetzt. 
Nach  gründlicher  Reinigung  der  Oberfläche  von  Rost, 
Dichtung  offener  Stellen  mit  Bleiplättchen  und  Asphaltkitt 
wird  die  Fläche  mit  säurefestem  Asphaltlack  überzogen, 
darauf  Jutestoff  geklebt  und  das  Ganze  nochmals  mit  Asphalt- 
lack gestrichen  und  mit  feinem  weissen  Sande  bestreut.  — 

Ehrendoktoren  der  technischen  Hochschule  zu  Dresden. 
Zu  Doktor-Ingenieuren  ehrenhalber  wurden  ernannt;  Geh. 
Reg.-Rath  Prof.  O.  Intze  in  Aachen,  Mitgl.  des  preuss. 
Herrenhauses,  wegen  seiner  hervorragenden  Verdienste 
um  die  Begründung  und  Förderung  der  Wasserwirthschaft; 
Prof.  Dr.  Karl  von  Linde  in  München  und  Geh.  Rath  Prof. 
Dr.  Gustav  Zeuner  in  Dresden  für  ihre  hervorragenden 
Verdienste  um  die  technischen  Wissenschaften,  ersterer 
insbesondere  für  seine  wichtige  Erfindung  zur  Erzeugung 
niedererTemperaturen,  letzterer  insbesondere  für  seine  Ar- 
beiten auf  dem  Gebiete  der  Thermodynamik  und  Hydraulik. 

Auszeichnung  von  Künstlern.  Zum  Mitgliede  der  kgl. 
Akademie  der  bildenden  Künste  in  Dresden  ist  Hr.  Prof. 
Bruno  Schmitz  in  Charlottenburg  ernannt  worden.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
Kirche,  Beetsaal  bezw.  Gemeindehaus  und  Pfarrerhaus  der 
evangel.  luth.  Gemeinde  ln  Striesen  b.  Dresden  wird  vom 
Kirchenvorstand  mit  Frist  zum  30.  Aug.  d.  J.  unter  den 
Architekten  Dresdens  und  seiner  Vororte  ausgeschrieben. 
Ausgesetzt  sind  3 Preise  von  2000,  1500  und  1200  M., 
während  der  Ankauf  weiterer  Entwürfe  für  je  300  M.  Vor- 
behalten ist.  Preisrichter  sind  dieHrn.  Prof.K.E.O.  F ritsch 
in  Waren  i.  MeckL,  Hofarch.  Frölich,  Brth.  Richter 
und  Geh.  Brth.  Prof.  Dr.  Wallot  in  Dresden,  sowie  Brth. 
Dr.  Rossbach  in  Leipzig.  — 

Im  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  einem  evang.  Gemeinde- 
haus in  Godesberg  a.  Rh.  (vergl.  S.  24.  d.  J.)  ist  von  den 
68  eingegangenen  Entwürfen  keinem  der  I.  Preis  verliehen 
worden.  Er  wurde  getheilt  in  2 weitere  II.  Preise.  Es 
erhielten  die  II.  Preise:  die  Arch.  Pipper  und  Stüssel 
in  Charlottenburg,  Krieger  in  Bonn  und  Lüngen  und 
Lüilwitz-Pohland  in  Deutsch-Krone,  den  III.  Preis  er- 
hielt Arch.  Dreiser  in  Bonn.  Angekauft  wurden  die 
Entwürfe  der  Arch.  Drexel  in  Strassburg  i.  Eis.  und 
Helling  in  Koblenz.  — 

Im  Wettbewerb  um  den  Entwurf  zu  einer  Festhalle  in 
Siegen  (vgl.  Jahrg.  190t  S.  460  u.  492)  erhielten  den  I.  Preis 
v.  1500  M.  die  Hrn.  Arch.  Ernst  Marx  u.  Ph.  Bachmann 
in  Dortmund,  den  II.  Pr.  v.  900  M.  Arch.  0.  Engler  in 
Dortmund,  den  III.  Pr.  v.  600  M.  die  Arch.  Meissner  u. 
Liborius  in  Magdeburg.  Zum  Ankauf  für  je  300  M. 
wurden  vom  Preisgericht  empfohlen  die  Entwürfe  mit 
den  Kennworten:  „Lotto-“  und  „Saure  Wochen,  frohe 
Feste."  — 


Bücherschau. 

Brockhaus’  Konversations -Lexikon.  Neue  revidirte  Jubi- 
läums Ausgabe  (14.  Aufl.)  Verlag  von  F.  A.  Brock- 
haus in  Leipzig.  — 

In  kaum  Jahresfrist  ist  bereits  der  6.  Band  dieser  fast 
vollständig  umgearbeiteten  Auflage  erschienen,  eine  her- 
vorragende Leistung  des  deutschen  Buchgewerbes,  Der 
Band  beginnt  mit  dem  Worte  Engler  und  schliesst  mit 
einer  umfangreichen  Darstellung  über  Frankreich.  Er 
enthält  1050  Seiten  Text  mit  245  eingedruckten  Abbildungen, 
ausserdem  54  Tafeln,  Karten  und  Pläne.  Aus  dem  reich- 
haltigen Stoffe  seien  nur  einige  Artikel  kurz  hervorge- 
hoben, so  eine  Darstellung  über  englische  Kunst,  aus  dem 
Ingenieurwesen  der  Erdbau,  aus  dem  volkswirthschaft- 
lichen  Theile  Enteignung,  Erbbaurecht,  Erwerbs-  und 
Wirthschafts-Genossenschaften,  aus  den  Wohlfahrts-Ein- 
richtungen der  reich  illustrirte  Abschnitt  Feuerwehr  und 
Feuerlöschwesen  mit  seinen  verschiedenen  Unterab- 
schnitten. aus  dem  Verkehrswesen  eine  eingehende,  sich 
auf  alle  Einzelheiten  beziehende  und  alle  Neuerungen  be- 
ruhende Darstellung  unseres  modernen  Verkehrsmittels 
des  Fahrrades.  Vortrefflich  illustdrt  sind  namentlich  die 
Aufsätze  naturwissenschaftlichen  Inhalts  (z,  B.  das  Stich- 
wort Fische).  — 


Bei  der  Redaktion  d.  BI.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 

Monuments  de  l’Art  Arabe.  Exercice  7900.  Fascicule  dix- 
septieme.  Le  Caire  1900.  Imprimerie  de  l'Institut  Fran^ais 
d’Ärcheologie  Orientale. 

Müller,  Gust.,  Techn.  Karte  zur  Berechnung  des  Grund- 
und  Boden  werthes  in  Berlin,  Charlottenburg, 
Westend,  Weissensee,  Wilhelm  sberg  nebst 
einer  Darstellung  des  Werthes  massiver  Wohngebäude  in 
den  verschiedenen  Baustadien  und  der  Wohnungsmiethen. 
8.  Jahrg.  Berlin  1902.  Deutscher  Verlag  (G.m.b.H.).  Pr.  lo  M. 

Neumeister,  A-,  Prof.  Deutsche  Konkurrenzen.  XIII.  Bd., 
Heft  9 und  10,  No.  153  und  154.  Rathhaus  und  Töchter- 
schule für  Wilmersdorf.  Leipzig  1902.  Seemann  & Cp.  Pr. 
des  Heftes  1,80  M.;  für  den  Bd.  fi2  Hefte  mit  Beiblatt)  15  M. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich,  Der  Mar.-Schiffbmstr.  K lug  e ist  anstelle 
des  Mar.-Schifibmstrs.  Lösche,  der  zur  Werft  in  Kiel,  zurücktritt, 
zum  Stabe  des  I.  Geschwaders  koramandirt. 

Der  Mar.-Ob.-Brth.  und  Schiffbau-Betr.-Dir.  Kretschmer 
wird  mit  dem  i.  Okt.  d.  J.  zur  kaiserl.  Werft  in  Kiel  versetzt. 
Der  Mar.-Schiffbmstr.  Bockhacker  in  Danzig  ist  vom  22.  Sept. 
d.  J.  ab  zur  Konstrukt. -Abth.  des  Reichs-Mar.-Amts  in  Beidin  kom- 
mandirt  und  der  Mar.-Schiffbmstr.  Presse  in  Berlin  ist  mit  dem 
25.  Sept.  d.  J.  der  kais.  Werft  in  Danzig  zugetheilt. 

Der  Wirkl.  Geh.  Ob-Brth.  Streckert,  vortr.  Rath  im 
Reichs-Eisenb.-Amt,  ist  gestorben. 

Baden.  Die  Versetzungen  der  Reg.-Bmstr,  Blum  von  Heidel- 
berg nach  Bruchsal  und  Joachim  von  Bruchsal  nach  Heidelberg 
sind  zurückgenommen. 

Bayern.  Dem  Prof.  Fr.  v.  T h i e r s c h in  München  ist  die 
Bewilligung  zur  Annahme  und  z.  Tragen  des  ihm  verlieh.  Offizier- 
kreuzes des  franz.  Ordens  der  Ehrenlegion  und  dem  Ob.-Bauinsp. 
Bleibinhaus  in  Kirchseeon  die  gleiche  Bewilligung  des  ihm 
verlieh.  Ritterkreuzes  des  päpstl.  St.  Gregorius-Ordens  ertheilt. 

Der  Eisenb.-Ass.  Zeis  in  Würzburg  ist  nach  Aschaffenburg 
berufen. 

Preussen.  Dem  Wasser-Bauinsp.  Ottmann  in  Düsseldorf 
ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  und  dem  Poslbrth.  Bettcher 
in  Strassburg  i.  E.  der  kgl.  Kronen-Orden  III.  KL  verliehen. 

Der  Reg.-Bmstr.  Obergethmann  in  Berlin  ist  z.  etatm. 
Prof,  an  der  Techn.  Hochschule  in  Aachen  ernannt. 

Der  Wasser-Bauinsp.  Trieloff  in  Landsberg  a.  W.  ist  nach 
Einlage  versetzt. 

Versetzt  sind:  die  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Oppermann 
in  Graudenz  zur  Betr.-Insp.  in  Danzig,  Gassmann  in  St.  Johann- 
Saarbrücken  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Mayen  und  Wittke 
in  Breslau  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Sorau. 

Sachsen.  Den  Strassen-  u.  Wasser-Bauinsp.  Ringel  in 
Döbeln  u.  S e I f e r t in  Freiberg  — dem  Landbauinsp.,  prädiz.  Land- 
bmstr.  Krause  in  Dresden,  dem  Reg -Bmstr.  R u m p e 1 in  Losch- 
witz  und  dem  Arch.  Pommer  in  Leipzig  ist  der  Tit.  und  Rang  als 
Brth.  in  der  IV.  KL  der  Hofrangordnung  unter  No.  14  verliehen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  D.  in  Witten  a.  R.  Die  Rechtsprechung  des 
Oberverwaltungsgerichtes  hat  nach  zuverlässigen  Ermittelungen  Ober 
die  Frage,  ob  und  wann  Architekten  gewerbesteuerpflichtig 
sind,  keine  grundsätzliche  Aenderung  erfahren.  Noch  immer  ist  die 
Auf  fassung  raaassgebend,  welche  imUrtheile  vom  17.  Jan.  1895  nieder- 
gelegt ist.  Danach  wird  die  Frage,  ob  im  Einzelfalle  der  Geschäfts- 
betrieb eines  Architekten  heranzuziehen  sei,  davon  abhängig  ge- 
macht, ob  seine  Leistungen  ausschliesslich  oder  überwiegend  künst- 
lerischer Art  sind  oder  ob  sie  zu  einem  erheblichen  Brucbtheile 
in  Verrichtungen  bestehen,  welche  mehr  handwerksmässig  zu  sein 
pflegen.  Eine  unbedingte  Freiheit  des  Geschäftsbetriebes  der  Archi- 
tekten von  der  Gewerbesteuer  hat  bisher  keine  Anerkennung  ge- 
funden und  wird  dies  nach  der  Begründung  der  neuesten  Ent- 
. Scheidungen  füglich  nicht  so  bald  erhalten. 

Ob  Sie  bei  der  Art  Ihres  Betriebes  mit  einem  Angriff  gegen 
die  geschehene  Veranlagung  Erfolg  haben  werden,  kann  von  hier- 
aus nicht  beurtheilt  werden,  weil  dafür  die  Gattung  der  Bauten  be- 
deutungsvoll ist,  für  welche  Sie  thätig  waren.  Der  Versuch,  von 
der  Steuer  loszukommen,  ist  jedoch  unverfänglich,  weil  erst  das 
Verfahren  vor  dem  Oberverwaltungsgericht  Kosten  verursacht, 
während  die  Vorentscheidungen  kostenlos  ergehen.  K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  Mackensen  in  St.  P,  Selbstverständlich  muss, 
um  eine  tadellose  und  gleichmässig  gefärbte  Putzfläche  zu  erzielen, 
der  Sand  gewaschen  werden;  auch  darf  derselbe  nicht  grob  sein. 
Das  Waschen  wird  am  einfachsten  in  einer  einige  Meter  langen 
Holzrinne  mit  plattem  Boden  ausgeführt,  die  man  in  einer  solchen 
Neigung  an  beiden  Enden  unterstützt,  dass  die  Verunreinigungen 
des  Sandes  vom  Wasser  mitgenommen  werden,  dagegen  der  Sand 
auf  dem  Boden  der  Rinne  liegen  bleibt. 

Als  eine  bekannte  grössere  Spezialfabrik  für  den  Bau  von 
Mörtelmaschinen  nennen  wir  Ihnen  die  Fabrik;  Rhein  und  Lah  n , 
Gauhe,  Gockel  & Co.  in  Oberiahnstein. 

Wir  würden  es  für  eine  grosse  Unvorsichtigkeit  halten,  das 
Dachwasser  mit  dem  Klosettwasser  durch  ein  gemeinsames  Rohr 
abzulcitcn,  da  leicht  mögliche  Hemmungen  des  Abflusses  sehr 
folgenschwer  für  das  Gebäude  werden  könnten.  — 


Inhalt:  Ueber  die  Verwendung  von  Drucklufc-Betdebsmitteln  bei 
Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen.  (Fortsetzung).  — Mittheilungen  aus 
Vereinen  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Büclierschau.  — Per- 
sonal-Nachrichten. — Brief-  und  Kragekasteu. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H-,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


No.  35. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2;  36.  % 


Jetziger  Zustand  des  Domes  zu  Meissen.  Weslfassade. 


Die  Westthürme  des  Meissener  Domes. 

(Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  309.) 


er  Meissener  Dombauverein  veranstaltete  in 
diesen  Tagen  in  Dresden  eine  Ausstellung  der 
Entwürfe  für  den  Ausbau  der  Dom-Thürme, 
die  aus  einem  wiederholten  engeren  Wettbe- 
werb hervorgingen.  An  dem  ersten  Wettbe- 
werbe betheüigten  sieb,  nachdem  mehrere  der  zu  diesem 
aufgeforderten  Herren  die  Mitwirkung  abgelehnt  hatten, 
Ob.-Brth.  K.  S ch  ä f e r in  Karlsruhe,  Prof.  A.Li  n ne  m an  n 
in  Frankfurt  a M.  und  Prof.  G,  v.  Seidl  in  München. 
Das  Sachverständigen-Kollegium,  das  aus  den  Hrn. 
Ilofbrth. Dünger,  Prof.Gurlitt,  Landbmstr.  Schmidt, 
Ob.-Brth.  Temper  und  Geh.  Brth.  Wallot  bestand, 
gab  am  3.  Juli  1900  sein  Gutachten  dahin  ab,  dass 
es  „empfehle,  aufgrund  der  Linnemann’schen  Skizzen 
in  der  weiteren  Planung  fortzufahren“.  Es  erkannte 
zugleich  die  Verdienste  des  Entwurfes  Schäfers  an 
und  empfahl,  diesen  zu  bitten,  „eine  anderweite  Lösung 
zu  suchen“  und  zwar  eine  solche,  die  den  von  dem 
Kollegium  ausgesprochenen  Grundsätzen  entspreche. 
Diese  aber  lauten:  „Es  muss  vor  allem  ein  Motiv 

gefunden  werden,  durch  das  die  ganze  Masse  des 
Schlossberges  für  die  Ansicht  von  der  Ferne,  von  der 
Elbe  und  von  der  Stadt  aus  als  geschlossenes 
Ganzes  nach  oben  ausgestaltet  wird.  Dieses  darf 
nicht  in  einer  Wiederholung  der  Grundformen  des 
sogenannten  „Höckerigen Thurmes“  bestehen,  sondern 
muss  eine  starke,  aufsti'ebende  und  dabei  doch  aus 
breiter  Grundlage  sich  entwickelnde  Dominante  schaf- 
fen.“ Der  südlich  vom  Chor  stehende  Höckerige  Thurm 
ist  von  quadratischem  Unterbau,  hat  ein  achteckiges 
Obergeschoss,  Fialen  über  den  frei  bleibenden  vier 
Ecken  und  einen  schlanken  Helm.  Aus  diesen  Ueber- 
zeugungen  heraus  erschien  den  Sachverständigen  der 
Linnemann’sche  Entwurf  „als  eine  in  den  Umrisslinien 
vorzügliche  Lösung  der  gestellten  Aufgabe,  die  auch 
eine  noch  reichere  Durchbildung  in  Stein  und  Blei,  oder 


in  Blei  allein  zulässt“.  Der  Vorstand  des  Dombau- 
Vereins  schloss  sich  diesem  Gutachten  an  und  forderte 
Schäfer  und  Linnemann  zu  neuen  Entwürfen  auf.  Von 
diesen  fanden  die  Linnemann'schen  Arbeiten  nicht 
wieder  den  gleichen  Beifall.  Sie  erschienen  nicht  als 
Verbesserungen  des  ersten  Entwurfes.  Schäfer  aber 
folgte  den  ihm  gegebenen  Direktiven  nicht,  sondern 
schuf  nur  seinen  zweithürmigen  Entwurf  in  mancher- 
lei Weise  um.  Damit  fand  er  aber  den  Beifall  einiger 
Fachleute  und  der  überwältigenden  Mehrheit  der  Laien. 
Man  legte  ihm  nahe,  doch  noch  einmal  die  dreithürmige 
Anlage  zu  versuchen;  aber,  da  er  erklärte,  hiervon  einen 
Erfolg  sich  nicht  versprechen  zu  können,  beschloss 
die  General-Versammlung  gegen  eine  kleine  Minder- 
heit, den  Schäfer'schen  Plan  anzunehmen.  Da  sich 
gegen  diesen  in  der  Presse  Widerspruch  erhob,  regte 
das  kgl.  sächs.  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht 
zur  Klärung  der  Ansichten  die  oben  genannte  Aus- 
stellung der  Pläne  an. 

Zunächst  bedarf  es  einer  kurzen  Klarlegung  der 
Geschichte  der  Westfassade  des  Meissener  Domes, 
über  die  ich  mir  Vorbehalte,  an  anderem  Orte  aus- 
führlicher zu  berichten.  Der  Dom  ist  im  13.  Jahrh.  als 
Basilika  angelegt,  im  14.  Jahrh.  aber  als  1 lallenkirche 
ausgebaut  worden.  Die  Thürme  waren  in  typischer 
Form  vorgesehen  und  zwar  waren  an  der  Westfront 
deren  zwei  geplant  und  im  13.  Jahrh.  bis  etwa  ro“  über 
dem  Boden  — vielleicht  noch  etwas  mehr  — aufgeführt 
worden.  Eine  chronikalische  Notiz  berichtet  uns,  dass 
um  1400  zwei  Thürme  errichtet  worden  seien,  die 
jedoch  vor  1413  ein  Windstoss  herabstürzte.  Dieser 
Bauzeit  gehören  unverkennbar  das  Maasswerk  über 
dem  zweiten  Thurmgeschoss,  sowie  das  Hauptthor  der 
Kirche  und  der  heute  noch  erkennbare  Rest  des  Maass- 
werkes  über  der  Fürstenkapelle  an,  die  1423  vor  jenes 
I lauptthor  gerückt  wurde.  Die  Kopfabbildung  giebt  die 


2^5 


Ansicht  der  Westfassade  wieder,  wie  sie  jetzt  ist.  — 
Eine  weitere  chronikalische  Nachricht  sagt,  dass  seit 
1479  die  Thürme,  und  zwar  nun  deren  drei,  aus- 
gebaut worden  seien.  Wir  besitzen  keinerlei  Urkunden 
über  diesen  Bau,  ausser  einer  Notiz,  dass  noch  1501 
Steine  zum  Dombau  herbeigeführt  wurden.  Nur  hören 
wir,  dass  1547  die  drei  Thürme  abbrannten.  Dass 
drei  Spitzen  auf  dem  Domthurme  gestanden  haben, 
besagen  alle  späteren  Nachrichten,  auch  die  von  Leuten, 
die  den  alten  Zustand  noch  selbst  sahen.  Erst  durch 
das  1826  erschienene  Werk  von  Schwechten  über  den 
Meissener  Dom  kam  die  Ansicht  auf,  dass  hier  ein 
Irrthum  vorliege.  Dieser  erkannnte  sehr  richtig  aus 
dem  Grundrisse,  dass  ursprünglich  zwei  Thürme  ge- 
plant waren,  und  glaubte  deshalb  die  ältere  Ansicht 
verbessern  zu  müssen. 

Es  liegt  nun  ehe  Frage  nahe,  ob  es  auch  an 
anderen  Stellen  vorgekommen  ist,  dass  man  von  einer 
zweithürmigen  zu  einer  dreithürmigen  Anlage  überging, 
und  wenn  dies  geschah,  aus  welchen  Gründen?  Diese 
Frage  eingehend  zu  untersuchen,  schien  mir  nicht 
nur  kunstgeschichtlich  interessant,  sondern  auch  von 
grossem  Werth  für  die  Planung,  selbst  für  den  Fall, 
dass  man  nicht  das  Hauptgewicht  auf  die  historische 
Richtigkeit,  sondern  mehr  auf  organische  Fortentwick- 
lung der  in  der  Westfassade  angeschlagenen  künst- 
lerischen Gedanken  legen  wollte. 

Die  Frage  musste  spezialisirt  werden.  Und  da 
stellte  sie  sich  dann  etwa  wie  folgt:  Wie  verhielten 
sich  die  spätgothischen  Meister,  wenn  an  ältere,  für  eine 
basikale  Anlage  bestimmte  Zweithürme  nachträgheh  ein 
in  seinen  Massen  ja  viel  mächtigeres  Hallenschiff  ange- 
baut wurde?  Dieses  Vorkommniss  ist  im  mittleren 
und  nördlichen  Ostdeutschland  nicht  eben  selten.  Ich 
könnte  gegen  30  Beispiele  nachweisen.  Sehr  oft  kam 
es  nicht  zur  Umgestaltung  der  Thürme:  dann  erscheint 
der  Giebel  der  Halle  in  erdrückender  Schwere.  Ein 
typisches  Beispiel  hierfür  ist  die  Stadtkirche  zu  Geit- 
hain,  deren  romanische  Thürme  geradezu  erstickt  wer- 
den vom  Hallengiebel.  Manchmal  begnügte  man  sich 
mit  Höherführung  der  Thürme,  wie  z.  B.  am  Dom  zu 
Görlitz,  ohne  aber  zu  einem  befriedigenden  Gesammt- 
bild  zu  kommen.  Die  Regel  jedoch  ist,  dass  man  zwi- 
schen den  beiden  altenThürmen  einen  mittleren  höheren 
aufführte  und  so  die  dreithürmige  Anlage  anwendete. 
Die  Beispiele  hierfür,  die  jedem  Architekten  sofort  in 
Erinnerung  kommen,  sind  der  Dom  und  die  Severi- 
kirche  zu  Erfurt.  Dort  zeigt  sich  das  alte  Bild  noch 
heute  in  seiner  eigenartigen  Schönheit.  Die  Masse  des 
Daches  findet  in  der  breit  vorgelagerten  Thurmmasse 
ein  überaus  geistreich  abgewogenes  Gegengewicht.  Die 


Das  erzieherische  Element  in  der  Architektur, 

em  Anscheine  nach  ist  der  Gemüthsantheil,  den  die 
Laienwelt  an  den  Architektur -Schöpfungen  unserer 
Zeit  nimmt,  geringer  bemessen,  als  der  den  gleich- 
zeitigen Mal-  und  Skulpturwerken  zutheil  werdende  Antheil. 
Es  dürfte  jedoch  ein  hoffentlich  nicht  aussichtsloses  Unter- 
nehmen sein,  wenn  man  versuchte,  der  Architektur  die 
Gleichberechtigung  neben  Malerei  und  Skulptur  wieder 
zu  erobern,  die  sie  zu  anderen  Zeiten  besass. 

Ein  kurzer  Rückblick  auf  die  Stellung  der  alten  Archi- 
tektur zum  damaligen  Empfinden  der  Völker,  zugleich  auf 
die  seelischen  Wirkungen,  welche  von  derselben  ausge- 
gangen sind  und  zumtheil  noch  bis  heute  fortdauern,  wird 
uns  gut  zustatten  kommen,  um  das  in  dieser  Art  für  mo- 
derne Werke  Erreichbare  zu  erkennen  und  zugleich  maass- 
voll zu  begrenzen.  Als  bezeichnendes  Beispiel  für  die 
schon  im  Alterthum  gelegentlich  hervortretende  geringe 
Nachhaltigkeit  der  von  den  Werken  der  bildenden  Kunst 
ausgehenden  Wirkungen  ira  Vergleich  zu  der  bei  weitem 
längeren  Geltungsdauer  der  Dichtungen  mag  hier  das  Ver- 
halten der  Griechen  der  historischen  Zeit  gegen  die  älteren 
Ueberlieferungen  kurz  skizzirt  werden. 

Die  Gestalten  der  homerischen  Dichtung  erfüllen  noch 
in  der  Blüthezeit  und  darüber  hinaus  das  ganze  Denken 
und  Bilden  der  Nation;  sie  bilden  noch  immer  die  Grund- 
lage der  religiösen  Anschauungen;  und  selbst  die  Ge- 
schichtsschreiber und  Geographen  wagen  keinen  Schritt 
vorwärts  zu  thun,  ohne  in  den  homerischen  Angaben  eine 
Bestätigung  für  ihre  Forschungen  zu  suchen.  Dagegen 
scheinen  die  Kunstdenkmäler  derselben  Periode,  welche 


Thürme  verzichten  auf  grosse  Höhe,  um  ein  echt  künst- 
lerisches Verhältniss  zum  Langhaus  bezw.  Chor  zu 
erlangen.  Aber  es  sind  dies  nicht  die  einzigen  Bei- 
spiele, wenngleich  bei  anderen  die  Unbilden  der  Zeit  die 
alte  "Wirkung  zerstörten.  Ich  will  hier  noch  die  Dome  zu 
Nordhausen  und  zu  Kolberg  erwähnen  und  auf  die  Gott- 
hardkirche zu  Brandenburg  hinweisen,  bei  der  man  so- 
gar die  drei  seitlichen  Mauern  der  Eckthürrae  abbrach, 
umdiesichgegenüberstehenden  inneren  alsHauptthürme 
höher  zu  führen.  Auch  hier  kam  es  nicht  zu  künst- 
lerischer Ausgestaltung,  da  ja  überhaupt  die  grossen 
Zeiten  der  Thurmbau-Leidenschaft  vorüber  waren.  Die 
Renaissance  behielt  den  Gedanken  bei  und  gerade  in 
den  sächsischen  Städten  wurde  er  an  den  Hauptkirchen 
durchgeführt.  So  an  der  zerstörten  Kreuzkirche  zu 
Dresden,  an  der  Nikolaikirche  zu  Leipzig,  an  der 
Kunigundenkirche  zu  Rochlitz,  an  den  Kirchen  zu 
Oederan,  Lommatzsch  u.  a,  Man  sieht  deutlich,  dass 
es  im  Lande  ein  Vorbild  gab,  dem  sich  die  späteren 
Architekten  anschlossen  — und  das  muss  eben  die 
Hauptkirche,  der  Dom  zu  Meissen,  gewesen  sein. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  sich  konstruktiv  aus  dem  Vor- 
handenen die  Dreithürmigkeit  nachweisen  lässt.  Es  ist 
nicht  ganz  leicht,  die  Geschichte  des  Thurmes  aus 
den  Bauformen  herauszulesen.  Klar  ist  sie  für  die 
beiden  Untergeschosse.  Diese  decken  sich  fast  genau  mit 
der  zweithürmigenFront  desMagdeburgerDomes.  Aber 
ein  Blick  auf  die  Kopfabbildung  lehrt,  dass  der  Architekt 
des  Obergeschosses,  wahrscheinlich  Arnold  vonWest- 
phalen,  der  berühmte  Erbauer  der  nebenan  sich  er- 
hebenden Albrechtsburg,  etwas  Anderes  wollte,  als  die 
einfache  Fortführung  der  beiden  Thürme.  Im  Inneren 
hat  er  nicht  minder  die  Massen  verändert.  Dabei 
kommen  gewisse  konstruktive  Eigenthümlichkeiten 
Arnold’s  inbetracht.  Er  hat  auch  auf  der  Albrechts- 
burg auf  äussere  Strebepfeiler  verzichtet;  er  konnte 
das,  weil  er  sie  nach  innen  verlegte.  Die  Gewölbe- 
ansätze des  Untergeschosses  tragen  die  verstärkten 
Innenpfeiler,  sodass  die  Massen  nach  oben  immer 
stärker  werden.  Der  Gewölbeschub  der  Obergeschosse 
wird  bei  geringerer  Höhe  der  auflagernden  Mauern 
durch  die  Last  breiterer  Massen  aufgefangen.  So 
werden  auch  im  Thürme  die  Massen  nach  oben  stärker. 
Die  Umfassungsmauern  messen  im  Untergeschoss 
oberen  gegen  3"^.  Sie  sind  dafür  unten 
geschlossen,  oben  durch  mächtige  Fenster  unterbrochen. 
So  entstehen  zwei  quadratische  Felder  an  der  Nord- 
und  Südseite  des  Thurraes,  die  mit  den  Thurmquadra- 
ten derUntergeschosse  nicht  übereinstimmen.  Zwischen 
diesen  liegt  ein  oblonges  Feld,  das  ein  ungewöhnlich 
schweres  Rippengewölbe  überdeckt.  Zunächst  be- 

der  Dichter  schildert,  ganz  der  Vergessenheit  anheimge- 
fallen zu  sein.  Pausanias,  der  Reisebeschreiber  aus  dem 
2.  Jahrhundert  n.  Chr.,  hält  bereits  die  mykenischen  und 
und  andere  Kuppelgräber  des  griechischen  Festlandes  für 
Schatzhäuser,  indem  er  wahrscheinlich  einer  schon  früher 
aufgekommenen  Meinung  folgt.  Zugleich  äussert  sich  der- 
selbe Schriftsteller  über  die  geringe  Beachtung,  welche 
den  älteren  Denkmälern  unter  den  Griechen  seinerzeit 
zutheil  wurde,  in  ganz  an  Modernes  anklingenden  Worten 
wie  folgt:  „Die  Griechen  sind  stark  darin,  das  Auswärtige 
mehr  zu  bewundern,  als  das  Einheimische,  so  dass  es 
selbst  berühmten  Geschichtsschreibern  beigekommen  ist, 
die  ägyptischen  Pyramiden  auf  das  sorgfältigste  zu  be- 
schreiben; das  Schatzhaus  des  Minyas  aber  und  die  Mauern 
vonTiryns  haben  sie  nicht  der  geringsten  Erwähnung  würdig 
gehalten,  obgleich  sie  nicht  weniger  Bewunderung  ver- 
dienen“ (Paus.  XI.  36,  i).  — Indess  hüft  Pausanias  selbst 
kaum  diesem  von  ihm  betonten  Mangel  ab,  denn  er  weiss 
wenig  genug  von  den  Denkmälern  der  mykenischen 
Periode  zu  berichten,  so  dass  sogar  die  Frage  offen 
bleibt,  ob  er  dieselben  überhaupt  durcli  eigene  Augen- 
scheinnahme kennen  gelernt  hat.  — 

Ganz  allgemein  finden  wir  durch  alle  Jahrhunderte 
hindurch,  dass  sich  die  Werthschätzung  der  Baudenkmäler 
und  folglich  auch  ihre  Gemüths-Wirkung  auf  das  Volk  in 
abwechselnden  Pulsen  äussert:  lebhafte  Begeisterung  und 
tiefe  Gleichgiltigkeit  für  dieselben  folgen  einander  ohne 
ersichtlichen  Grund  für  das  eine  oder  das  andere.  Auch 
diese  Thatsache  kann  zur  Beleuchtung  mancher  Erschei- 
nungen der  Gegenwart  auf  demselben  Gebiete  dienen. 
Zur  Bestätigung  der  vorerwähnten  Thatsachen  ist  die 

No.  36. 


226 


freiiidet,  dass  hier,  als  Grundlage  für  einen  Mittelthurm, 
das  Feld  nicht  quadratisch  ist.  Aber  das  wäre  ohne 
Beschränkung  des  letzten,  zwischen  den  alten  Thürmen 
liegenden  Joches  des  Mittelschiffes  durch  von  unten 
herauf  geführte  Mauern  nicht  möglich  gewesen.  Arnold 
wird  aber  auch  hier  seine  Massen  auf  die  Gewölbe- 
ansätze aufgebaut  haben,  wie  eigentlich  überall,  wo 
er  Stockwerke  übereinander  errichtete,  zumal,  da  nun 
die  Eckthürme  ein  völlig  zuverlässiges  Widerlager 
boten.  Die  Nord-  und  die  Südmauer  des  Mittelfeldes 
machte  er  2“  stark,  indem  er  zur  Verminderung  der 
Massen  einen  Blendbogen  anbrachte.  Zudem  ist  keines 
Wegs  gesagt,  dass  ein  quadratisches  Feld  für  die  Lösung 
des  Mittelthurmes  unbedingt  nöthig  sei.  Auch  in  Erfurt  ist 
es  oblong.  Und  bei  dem  eigenwilligen  Geist,  der  Arnold 
auszeichnete,  kann  man  annehmen,  dass  die  Schwie- 
rigkeit in  der  Lösung  ihn  erst  recht  gereizt  hat,  ein 
Werk  von  kühner  Selbständigkeit  zu  schaffen. 

Das  erkannte  auch  Linnemann,  der  in  seinem 
Gutachten  beklagte,  dass  „zur  Lösung  dieser  Frage 
eine  Verständigung  über  die  Baugeschichte  der  West- 
fassade nöthig  sei,  die  leider  in  genügendem  Umfange 
und  in  genügender  Ausführlichkeit  nicht  vorliege“. 
Mein  wiederholtes  Anerbieten,  diese  Arbeit  zu  liefern, 
wurde  leider  vom  Dombau-Verein  nicht  angenommen, 
da  diesem,  namentlich  den  sehr  zahlreichen  architek- 
tonischen Laien  in  seinem  Vorstande,  die  Frage  auch 
ohnedies  geklärt  genug  scheint.  Linnemann  kam  selbst- 
ständig zu  ähnlichen  Anschauungen,  wie  die  hier  auf- 
grund umfassender  Studien  dargelegtcn.  Schäfer  ist 
dagegen  „fest  davon  überzeugt,  dass  der  spätgothische 
Meister  die  Magdeburger  (zweithürmige)  Anlage  im 
Sinne  gehabt  habe“.  Dort  sind  freilich  die  Seiten- 
thürme  oben  nicht  durchbrochen,  wohl  aber  der  in 
Meissen  geschlossene  Mittelbau;  es  ist  also  dasVerhält- 
niss  genau  das  umgekehrte  wie  in  Meissen.  Schäfer’s 
Gründe  für  seine  Ansicht  sind:  dass  die  Eckfelder  ein 
Quadrat  bilden  und  ihre  Pfeiler  unter  sich  gleich  sind; 
dass  keine  Anstalten  getroffen  sind,  einen  quadratischen 
Mittelthurm  vorzubereiten,  dass  cs  Schwierigkeiten  be- 
reiten würde,  einen  Thurm  nach  Art  des  Erfurter  Dom- 
thurmes  aufzubauen.  Der  Irrthum  Schäfers  scheint 
mir  darin  zu  beruhen,  dass  er  sich  darauf  versteift, 
der  Mittelthurm  müsse  sich  auf  quadratischer  Basis 
aufgebaut  haben.  Ein  Blick  auf  die  Grundriss-Ge- 
staltungen der  Albrechtsburg  sollte  den  Fachmann  aber 
belehren,  dass  Arnold’s  Gothik  nicht  mit  dem  Maass- 
stabe der  typischen  Kunstformen  zu  messen  ist,  son- 
dern dass  dieser  Meister  mit  Absichtlichkeit  Eigen- 
artiges erstrebte.  Gefördert  könnte  die  Klärung  der 
strittigen  Punkte  werden,  wenn  die  jetzige  Plattform  des 

Geschichte  der  wunderbaren  Gruppe  von  Architekturge- 
bilden, welche  sich  auf  der  Burgplatte  von  Athen  im 
perikleischen  Zeitalter  erhoben  hat,  vorzüglich  geeignet. 
Alle  diese  Bauwerke  sind  die  greifbarste  Verkörperung 
für  die  heldenhaft  erkämpften  Siege  der  Griechen  über  die 
Perser,  in  weiterer  Bedeutung  für  den  Sieg  europäischer 
Gesittungund  freigeborener  Männer  über  asiatische  Barbarei 
und  über  das  Sklaventhum.  Dieselben  Bauwerke  trugen  in 
der  Folge  wesentlich  dazu  bei,  Athen  zum  Mittelpunkte  der 
damaligen  Kulturwelt  zu  erheben,  und  es  ist  ganz  unbe- 
rechenbar, welche  grossartigen  Wirkungen  Jahrhunderte 
hindurch  von  diesen  Meisterschöpfungen  ausgeströmt  sind. 

Auf  gemein -sittlichem,  d.  h.  moralisch-bürgerlichem 
Gebiete  dürfen  wir  diese  von  der  Höhe  der  Kunst  aus- 
gehenden Einflüsse  allerdings  nicht  suchen;  denn,  wie 
schon  Göthe  sagt,  liegt  das  Erzieherische  der  Kunst  allein 
in  dem  Anreize  zum  Gewahrwerden  und  geläuterten  Ge- 
niessen  einer  höheren  Sinnlichkeit  und  nicht  in  der  lehr- 
haften Ausbreitung  sittlicher  Grundsätze.  Der  Dichter 
spricht  zwar  in  diesem  Sinne  zunächst  nur  von  den  Auf- 
gaben des  Dramas,  indess  gilt  wohl  dasselbe  von  der  ge- 
sammten  Kunst,  selbstverständlich  auch  von  der  Architektur 

Es  liegt  etwas  Aufklärendes  und  Befreiendes  in  dem 
angeführten  Ausspruche  über  die  wahren  Aufgaben  der 
Kunst,  denn  es  beseitigt  gründlich  eine  Anzahl  ihr  sonst 
gemachter  Vorwürfe.  Wenn  man  zugeben  muss,  dass  die 
Blüthe  der  Kunst  gelegentlich  mit  einem  Zeitalter  der 
Ueberverfeinerung  und  sogar  der  Sittenverderbniss  zu- 
sammenfällt, so  braucht  man  deshalb  keinen  ursächlichen 
Zusammenhang  zwischen  diesen  Thatsachen  anzunehmen, 
da  gegensätzliche  geistige  Strömungen  recht  wohl  unbe- 

3.  Mai  1902 


Thurnies  abgedeckt  und  die  darunter  liegenden.  Mauer- 
theile  untersucht  würden. 

Den  künstlerischen  Bedenken  Schäfers  möchte  ich 
ebensolche  entgegen  halten.  Nach  wie  vor  sind  für 
die  künstlerische  Ausgestaltung  der  Thürme  für  mich 
die  Grundsätze  maassgebend,  die  das  Sachverständigen- 
Kollegium  in  seinem  oben  angeführten  Gutachten  von 
1900  aussprach.  Die  Planung  Schäfers  hat  sie  mir 
nur  bestätigt.  Mir  will  scheinen,  als  wären  seine 
Thürme  viel  zu  massig  für  die  ganze  Gruppe.  Das 
wird  besonders  für  den  Anblick  vom  Schlossbevg 
selbst  aus  auffallend  sein.  Die  riesigen  Wiederholungen 
der  an  sich  wenig  schönen  Lisenen  der  Thürme 
erschlagen  die  Untergeschosse  und  die  Kapelle.  Das 
Quadrat  dieser  Thürme  ist  so  mächtig,  dass  das 
Achteckgeschoss,  das  im  Aufriss  gut  abgestimmt  er- 
scheint, ganz  eingedrückt  wirken  wird.  Die  Ecklösung 
durch  die  schwache  Fiale  ist  kein  organischer  Ab- 
schluss für  die  Lisenen.  Die  Gesammtmasse  der  Thürme 
ist  für  die  Helme  viel  zu  schwer.  In  seinem  ersten 
Entwurf  war  denn  Schäfer  auch  zu  weit  reicherer  Ent- 
wicklung, damit  aber  auch  zu  einer  übermässigen  Ent- 
faltung der  Thürme  gekommen.  Die  Anordnung  einer 
offenen  mittleren  Glockenstube  nach  dem  Vorbilde 
von  Braunschweig  ist  nach  meinem  W^issen  ohne  Bei- 
spiel in  der  ostdeutschen  Gothik  des  endenden  15.  Jahr- 
hunderts. Magdeburg  zeigt,  wie  diese  Form  hier  um- 
zugestalten wäre.  Die  Ansicht  der  Sachverständigen- 
Kommission,  dass  die  Wiederholung  des  Höckerigen 
Thurmes  (Achteckgeschoss  mit  Fialen  über  den  Ecken 
des  unteren  Quadrates)  nicht  richtig  sei,  scheint  mir 
durch  Schäfers  Plan  nur  bestätigt. 

Für  die  Lösung  der  Frage  scheinen  nur  die  ein- 
fachsten Mittel  die  angemessensten,  wenn  durch  sie 
eine  packende  Form  gefunden  wird.  Diese  ist  zurzeit 
noch  nicht  vorhanden,  darüber  lässt  die  Ausstellung 
kaum  einen  Zweifel  aufkommen.  Nachdem  die  Vor- 
fragen erledigt  sind,  würde  jetzt  vielleicht  ein  öffent- 
licher Ideenwettbewerb  den  besten  Erfolg  haben.  Unter 
einfachen  Mitteln  verstehe  ich  z.  B.  ein  Satteldach 
mit  Dachreiter  je  über  den  Eckthürmen  und  einen 
reizvoll  entwickelten,  nicht  zu  massigen  Mittelaufbau, 
der  der  Firstlinie  des  Langhauses  einen  guten  Ab- 
schluss giebt. 

Abgesehen  davon,  dass  ich  für  die  „Erneuerung“ 
alter  Bauformen  an  sich  nicht  viel  übrig  habe,  will 
mir  also  scheinen,  als  werde  die  Ausführung  des 
Schäfer’schen  Entwurfes  eine  Schädigung  des 
Domes  und  mehr  noch  der  Gesammtgruppe  des 
Meissener  Schlossberges  ergeben.  — 

Cornelius  Gurlitt. 

rührt  nebeneinander  gehen  können.  Indess  wird  gerade 
der  Kunst  vorzugsweise  die  Aufgabe  zufallen,  auch  in  den 
Zeiten  der  Sittenverderbniss  die  Würde  der  Menschheit 
hochzuhalten  und  die  ideale  Seite  des  Kulturfortschrittes 
durch  die  Thaten  eines  genialen  Gestaltungstriebes  zum 
Ausdruck  zu  bringen.  Man  wird  es  auch  nicht  weiter 
befremdlich  finden,  wenn  die  von  den  Bauten  des  Perikies 
ausstrahlende  harmonische  Vollendung  in  dem  gleichzeiti- 
gen athenischen  Staatsleben  kein  entsprechendes  Gegen- 
bild findet. 

Es'hat  noch  später  Zeiten  gegeben,  in  welchen  die  Kunst- 
mittel zu  frivolen  Zwecken  missbraucht  worden  sind,  jedoch 
wird  das  innere  Wesen  der  Kunst  von  diesen  Vorgängen 
nicht  mitbetroffen:  niemals  haben  despotische  oder  sitten- 
lose Zustände  einen  neuen  Stil  hervorgebracht,  sie  ver- 
treten nur  eine  die  KuUurforderüngen  verneinende  Unter- 
strömung der  Geister  und  können  deshalb  nichts  Positives 
ins  Leben  rufen.  Es  ist  hinreichend  bekannt,  zu  welchen 
Ausschreitungen  des  Geschmackes  das  Zeitalter  Lud- 
wigs XIV.  die  Pracht  des  Barocks  und  das  der  Regentschaft 
die  Grazie  des  Rokoko  benutzt  hat,  aber  das  kann  den 
inneren  Werth  dieser  Stilformen  nicht  beeinträchtigen. 
Mindestens  verdankt  das  Rokoko  seine  Ausbildung  nicht 
der  Frivolität,  sondern  einer  sehnsüchtigen  Rückkehr  zur 
Natur,  und  sein  Hauptmeister,  Watteau,  war  eine  sehr 
ernsthaft  zu  nehmende,  sogar  eine  tiefsinnige  Künstlernatur. 

Wenden  wir  uns  noch  einmal  zu  den  schon  oben 
erwähnten  athenischen  Marmor-Prachtbauten  zurück,  so 
darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  sie,  wie  andere  griechi- 
sche Architekturwerke  derselben  Zeit,  einen  guten  Theil 

(Fortsetzung  auf  S.  230.) 


227 


Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen. 


(Fortsetzung.) 


ie  beiden  amerikanischen  Strassenbahn  - Wagen- 
Systeme,  das  von  Hoadley-Knight  und  das  von 
Har  die,  gehen  gleichfalls  von  der  Benutzung  für 
beide  Fahrrichtungen  aus. 

Den  Anlass  zur  Erbauung  und  Inbetriebnahme  von 
Druckluftfahrzeugen  gab  der  Ümstand,  dass  die  Stadtver- 


waltungen von  New-York,  Washington  und  Chicago  die 
Anwendung  von  elektrischer  Oberleitung  für  das  Stadt- 
innere  nicht  zuliessen.  Nachdem  bereits  in  fast  allen  an- 
deren amerikanischen  Städten  der  elektrische  Betrieb  der 
Strassenbahnen  durchgeführt  war,  hatten  sich  für  die  Bau- 
art der  Räder,  Achsen,  Untergestelle  und  Wagenkasten 


Abbüdg,  19.  Schoitt-  und  Ansicht  eines  Drehgestelles  mit  Motoren. 


Abbildg.  20.  Querschnitt  des  Drehgestelles  in  der  Mitte. 


Abbildg.  24.  Schematische  Darstellung  der  Druckluftführung  im  Triebwagen. 


Abbildg.  15 — 24.  Luftdruck- 
Triebwagen. 

System  Hoadley  und  Kn^ht. 

i'  engl  = 0,305  m 
I"  „ = 2,540  cm 


228 


No'.  36. 


Die  Westthürme  des  Melssener  Domes. 


von  Strassenbahnwagen  gewisse  Formen  als  marktgängig 
ausgebildet,  und  so  gingen  Hoadley  und  Knight  davon 
aus,  diese  Formen  für  die  Druckluftwagen  möglichst  un- 
geändert  zu  verwenden.  Sie  gelangten  infolgedessen  zu 
einer  Ausbildung,  welche  dem  Popp-Conti’schen  Wagen 
sehr  ähnlich  war  (Abbildg.  15—24).  Jede  Achse  wird  für 
sich  von  einem  zweizylindrigen  Motor  mit  1:2,27  Ueber- 
setzung  angetrieben,  dessen  Triebwerk  zur  Fernhaltung 
des  Staubes  vollständig  in  einem  halb  mit  Oel  gefüllten 
Gusseisengehäuse  mit  abnehmbarem  Deckel  eingeschlossen 
ist.  Die  beiden  Gehäuse  sind  durch  einen  besonderen 
Rahmen  verbunden  und  ruhen  ungefedert  auf  den  Achsen. 
Es  wurde  zunächst  der  eine  Motor  mit  zwei  Hochdruck- 
Zylindern  von  200  Durchmesser,  der  andere  mit  zwei 
Niederdruck-Zylindern  von  200““  Durchmesser  und  150“»" 
Kolbenhub  ausgerüstet.  Die  Behälter  liegen,  wie  bei  elek- 
trischen Akkumulatorwagen,  unter  den  Sitzen  und  be- 
stehen aus  6 Mannesmann-Flaschen  von  6,55  Länge, 
2170110  innerem  und  235  äusserem  Durchmesser;  ihr 
Gewicht  beträgt  leer  1,9  t,  der  Inhalt  1500  1.  Für  die 
Anordnung  des  Erwärmers  war  die  Erwägung  maassge- 
bend, dass  beim  Durchleiten  der  Luft  durch  das  heisse 
Wasser  einmal,  wenn  der  Druck  im  Erwärmer  grösser 
als  der  der  Luft  ist,  zuviel  Wasserdampf  mit  letzterer  in 
die  Zylinder  tritt,  sodass  der  Auspuffdampf  zu  sehen  ist; 
andererseits,  wenn  der  Druck  im  Erwärmer  zu  gering 
geworden  ist,  überhaupt  kein  Wasserdampf  absorbirt,  und 
dass  ferner  bei  Vergrösserung  des  Arbeitsdruckes  leicht 
Wasser  mitgerissen  wird.  Die  Konstrukteure  zogen  des- 
halb vor,  eine  trockene  Erwärmung  der  Luft  anzunehmen 
d.  h.  dieselbe  durch  ein  Schlangenrohr  zu  führen,  welches 
sich  in  dem  Wasserbehälter  befindet,  und  vor  der  Er- 
wärmung eine  bestimmte  Menge  Wasser- 
dampf in  die  Luft  einzuspritzen. 

Abbildg.  23  zeigt  den  Injektor  zum  Bei- 
mengen des  Wasserdampfes.  Bei  a tritt  die 
trockene  Luft,  bei  b der  Dampf  ein,  welcher 
aus  dem  Behälter  des  Erhitzers  kommt; 
bei  c tritt  die  dampfgesättigte  Luft  aus.  Das 
Schlabberrohr  führt  die  überflüssige  Feuch- 
tigkeit dem  Erhitzer  wieder  zu.  Die  Tempe- 
ratur des  Dampfes  im  Erhitzer  beträgt  200®, 
der  Behälterdruck  150  af,  der  Arbeits-An- 
fan^druck  im  kleinen  Zylinder  22  at. 

Der  Erhitzer  liegt  zwischen  den  beiden 
Motoren  in  der  Mitte  und  ist  auf  dem  Rah- 
men gelagert.  Der  Druck  in  ihm  beträgt 
15  sein  Inhalt  170I.  Die  Luft  wird  in  einem 
25  mm  weiten  Rohr  aus  den  Behältern  zu- 
nächst geradlinig  durch  den  Erhitzer  geführt, 
um  sie  etwas  anzuwärmen,  und  gelangt  dann 
nach  dem  Druckverminderungs- Ventil.  Der 
Weg  der  Luft  ist  in  Abbildg.  24  schematisch 
gekennzeichnet.  A ist  der  Anschlusstutzen, 

B und  G bedeuten  Ein-  und  Austritt  der 
Behälter  und  D das  Druckverminderungs- 
Ventil.  Von  D gelangt  die  Luft  auf  getheil- 
tem  Wege  nach  einem  der  Ventile  E (das 
in  der  Fahrrichtung  hinten  befindliche  bleibt 
geschlossen),  welche  zur  Regelung  des  Ar- 


beitsdruckes dienen,  und  von  hier  durch  den  Injektor  F 
in  das  Schlangenrohr  des  Erwärmers.  Die  Luft  geht  nun 
nach  den  Zylindern  und  durchläuft  auf  dem  Wege  von 
dem  Hochdruck-  nach  dem  Niederdruck-Zylinder  {G—H) 
zum  dritten  Mal  den  Erwärmer  in  einem  Schlangenrohr, 
um  wieder  auf  200°  gebracht  zu  werden. 

Die  Regelung  der  Motoren  geschieht  durch  zwei 
wagrecht  geführte  Handhebel  H,  welche  über  einander 
an  dem  Führerstande  angebracht  sind.  Der  eine  bethätigt, 
wie  in  Abbildg.  24  zu  erkennen  ist,  das  zunächst  gelegene 
Ventil  E (das  2.  Ventil  E bleibt  geschlossen),  der  andere 
durch  das  mit  R bezeichnete  (jTestänge  die  Steuerung. 
Diese  Art  der  Kraftübertragung  ist  wesentlich  einfacher 
als  bei  den  entsprechenden  französischen  Betriebsmitteln. 
Die  Steuerung  (Veränderung  der  Füllung  und  der  Fahr- 
richtung) geschieht  durch  eine  Steuerscheibe  (Excenter), 
welche  auf  einer  Geradführung  verschiebbar  angeordnet 
ist.  Der  Steuerhebel  ist  auf  25,  33  u.  60%  Füllung  ein- 
stellbar nach  Art  der  Lokomotiv-Steuerungen,  so  zwar, 
dass  der  grösste  Ausschlag  der  grössten  Füllung  entspricht, 
sodass  der  Hebel  von  der  mittleren  Ruhestellung  aus  zu- 
erst in  die  äusserste  Lage  gebracht  und  dann  allmählich 
zurückgestellt  wird.  Da  auch  für  die  Bremse  in  der 
üblichen  Weise  ein  besonderer  Hebel  vorgesehen  ist,  so 
sind  die  vom  Führer  während  der  Fahrt  zu  bedienenden 
Handgriffe  sehr  zahlreich  und  geeignet,  seine  Aufmerk- 
samkeit vom  Strassenverkehr  abzulenken.  Am  Ende  der 
Fahrt  werden  wie  beim  elektrischen  Wagen  alle  Hand- 
hebel auf  der  einen  Plattform  abgenommen  und  danach 
auf  der  anderen  aufgesetzt. 

Von  der  Anordnung  eines  Hochdruck-  und  eines 
Niederdruck. Motors  versprach  man  sich  einen  gleich- 


Abbiklg.  22.  Drehgestell  mit  Motoren.  System  Hoadley  und  Knight. 


ihrer  weitreichenden  seelischen  Wirkung  einem  anderen, 
ganz  eigentlich  sprechenden  Zweige  der  bildenden  Kunst, 
nämlich  der  Skulptur,  verdankten.  In  der  That  enthalten 
diese  Figurenfelder  der  Tempelbauten,  die  Giebeldreiecke 
Metopentafeln  und  sonstigen  Friese  Göttliches  und  Mensch- 
liches in  einer  ausserordentlich  packenden,  jedem  Griechen 
verständlichen  Art  der  Darstellung.  — Nebenbei  gesagt 
findet  dieser  Schmuck  eine  Parallele  in  den  mit  Recht 
als  monumentale  Biblia  pauperum  bezeichneten  Skulp- 
turen der  glanzvollen  Portale  an  den  mittelalterlichen 
Kathedralen.  Zur  vollen  Geltung  können  diese  Bildhauer- 
werke, im  einen  wie  in  dem  anderen  Falle,  aber  doch 
erst  durch  ihren  untrennbaren  Zusammenhang  mit  dem 
sic  umgebenden  Architekturrahmen  gelangen,  und  sind 
deshalb  mit  Recht  als  ein  Zubehör  der  Ar^iteklur  selbst 
anzusprechen. 

Wenn  wir  nun  heute  noch  geneigt  sind,  bewundernd 
in  den  Quell  griechischer  Schönheit  zu  tauchen,  obgleich 
wir  kaum  imstande  sind,  einen  schwachen  Wiederschein 
derselben  durch  die  erhaltenen  unscheinbaren  Reste  und 
die  mehr  oder  weniger  unzulänglichen  Abbildungen  vor 
unserer  Phantasie  entstehen  zu  lassen,  so  muss  es  umso 
befremdlicher  erscheinen,  dass  diese  höchsten  architek- 
tonischen Kunstleistungen  vor  langen  Jahrhunderten,  wäh- 
rend sie  noch  aufrecht  standen  und  hinreichend  erhalten 
waren,  so  ganz  in  Vergessenheit  gerathen  und  aller  Wir- 
kung nach  aussen  verlustig  gehen  konnten.  Die  Byzan- 
tiner hatten  im  5.  Jahrhundert  Parthenon  und  Erechtheion 


noch  mit  einiger,  vermuthlich  unbeabsichtigten  Schonung 
des  ursprünglichen  Bestandes,  jedenfalls  ohne  jedes  Ver- 
ständniss  für  ihre  Schönheit,  in  christliche  Kirchen  umge- 
wandelt; später,  unter  türkischer  Herrschaft,  war  die 
athenische  Akropolis  nur  noch  ein  mit  neuen  Bastionen 
umgebener  fester  Platz  mit  der  in  den  Propyläen  einge- 
richteten Wohnung  des  Kommandanten,  bis  endlich  durch 
die  um  die  Mitte  des  17.  Jahrh.  erfolgende  Belagerung  durch 
die  Venezianer  eine  weitgehende,  von  explodirenden  Ge- 
schossen herbeigeführte  Zerstörung  eintrat.  Indess  er- 
wähnt bis  zu  diesem  Zeitpunkte  keine  Reisebeschreibung 
die  Bauten  auf  der  Akropolis,  sie  waren  für  die  ganze  da- 
maUge  Kulturwelt  verschollen.  Und  doch  zeigen  sich  die 
zwischen  diesen  Ereignissen  liegenden  Jahrhunderte  als 
Perioden  einer  unaufhaltsam  fortschreitenden  Kunstent- 
wicklung, nur  dass  sich  unterdess  die  Geister  neuen 
Idealen  zugewendet  hatten.  Als  dann  endlich,  am 
Ende  des  18.  Jahrhunderts,  das  Gestirn  der  griechischen 
Kunst  wieder  in  frischem  Glanze  aufging,  kam  dies 
einer  vollständigen  Neuentdeckung  am  Himmel  der  Kunst 
gleich.  — Weshalb  hier  die  Schicksale  der  hervorragendsten 
Gruppe  griechischer  Baudenkmäler  etwas  ausführlicher 
geschildert  sind?  Weil  sie  typisch  sind  für  das  zeitweise 
Erlöschen  und  Wiederaufblitzen  der  von  den  Kunstwerken 
ausgehenden  Wirkungen,  und  weil  sie  zugleich  geeignet 
sind,  die  Unsterblichkeit  der  grossen  Kunstgedanken  zu 
beweisen.  — (Schluss  folgt) 


230 


No.  36 


massigen  Gang  des  Wagens;  wenn  beim  Anfahren  die 
Hochdruck-Achse  schleudern  würde,  so  dachte  man,  dass 
die  dadurch  dem  Niederdruck-Motor  zugeführte  grössere 
Luftmenge  einen  stärkeren  Antrieb  bewirken  müsste. 
Diese  Erwartungen  hat  der  Betrieb  nicht  erfüllt;  man 
konnte  vielmehr  bemerken,  dass  häufig  beim  Anfahren 
die  eine  Achse  eine  ganze  Reihe  von  Umdrehungen 
machte,  ehe  die  Wagen  in  Gang  kamen.  Das  bewirkte 
natürlich,  abgesehen  von  der  Abnutzung,  ein  ruckweises 


erklang  ein  durchdringendes  Geräusch  wie  von  einer  in 
Schwingung  versetzten  Stahlplatte.  Offenbar  war  die 
Wahl  zweier  Motoren  und  das  Fehlen  der  Achsen- 
kuppelung für  den  Druckluftbetrieb  ein  Fehler.  Auch 
musste  der  Umstand,  dass  auf  der  Strasse  eine  Oelspur 
das  Gleis  begleitet,  als  nicht  gerade  angenehm  bezeichnet 
werden.  Trotz  dieser  Unannehmlichkeiten  war  das  System 
auf  der  Querlinie  der  28.  und  29.  Strasse  in  New-York 
mit  20  Wagen  von  1897  bis  1900  im  Betriebe. 

Als  Hauptzahlen  der  Wagen  seien  angeführt:  Ge- 
sammtlänge  9,40  Radstand  2,44  Raddurchmesser  762 
Höhe  der  Plattform  über  Schienenoberkante  705  An- 
zahl der  Sitzplätze  20,  Gewicht  des  Wagenkastens  2,7  t, 
des  Untergestells  2 \ der  Luftbehälter  1,9  \ der  übrigen 
Ausrüstung  1,6 1,  Leergewicht  also  8,2  k 

Für  den  Betrieb  dieser  Linie,  den  man  als  einen 
Versuch  in  grossem  Maasstab  bezeichnen  muss,  hat  die 
Metropolitan-Strassenbahn-Gesellschaft  an  der  Ecke  der 
24.  Strasse  und  13.  Avenue  (Lagepian  Abb.  25)  ein  Kraft- 
werk mit  Behälterraum,  Wagenschuppen,  Ladestation  und 
Reparaturwerkstatt  angelegt.  Es  sind  vier  Kessel  von 
Babcock  & Wilcox  vorgesehen,  welche  den  Dampf  liefern 
für  eine  von  E.  P.  Allis-Milwaukee  gebaute,  stehende  Ver- 
bundmaschine von  1000  P S.  mit  darunter  liegender 
4Stufiger  Luftpumpe  (Abb.  26).  Der  Vorhebe  der  Ameri- 
kaner für  grosse  Einheiten  entsprechend  hat  man  hier 
sogar  auf  jegliche  Reserve  verzichtet. 

Die  Zjdinderdurchmesser  betragen  762  bezw.  1727 
bei  1524  m™  Kolbenhub.  Das j^Schwungrad  besitzt  einen 
Durchmesser  von  6706 

Die  vier  Zylinder  der  Luftpumpen  sind  einfach  wirkende 
und  zu  je  zwei  in  Tandem-Anordnung  mit  einem  Dampfzy- 
linder verbunden.  Ihre  Durchmesser  betragen  1168,  610, 
356  und  152  mm,  die  entsprechenden  Endspannungen  2,8; 
12,6;  56  und  196  at.  Die  Luftzylinder  haben  äussere  Wasser- 
kühlung; die  Zwischenkühler  der  beiden  ersten  Stufen  be- 
stehen aus  senkrechten  Rohren  zwischen  den  Zylindern, 
die  anderen  beiden  aus  Schlangenrohren,  welche  durch 
wassergefüllte  Behälter  geführt  sind.  Das  Kühlwasser  wird 
dem  nahen  North-River  entnommen.  ’^  Die  Maschinen- 
Anlage  wird  durch  den  gegenwärtigen  Betrieb  nur  zu  etwa 
ein  Drittel  ausgenutzt.  Die  Behälter  zum  Aufspeichern 
der  Druckluft  liegen  in  einem  besonderen  Raum  neben 


Anfahren.  Zur  Behebung 
dieses  Uebelstandes  er- 
hielt nun  versuchsweise 
jeder  Motor  einen  Hoch- 
und  einen  Niederdruck- 
Zylinder,  und  zwar  arbei- 
teten dabei  stets  dieZylin- 
der  einer  Langseite  hinter- 
einander, wodurch  die 
Zahl  der  Rohrleitungen 
und  der  etwaigen  undich- 
ten Stellen  erheblich  ver- 


Abbildg.  25.  Plan  von  New-York. 


Abbildg.  26. 


Druckluft-Zentrale  der  Metropolitan-Strassenbahn-Ges.  io  New-York. 


grössert  wurde.  Im  Betriebe  trat  in  den  Wagen  ein  starker  der  Maschinenstation  und  bestehen  aus  einer  grossen  Zahl 
Geruch  nach  verbranntem  Oel  auf,  das  Arbeiten  der  Ma-  von  Mannesmann-Flaschen,  die  auf  350  d.  h.  etwa  das 
schinen  und  der  Auspuff  waren  stark  hörbar,  und  häufig  Doppelte  des  Betriebsdruckes  geprüft  sind.  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


Vermischtes. 

Technisch  vorgebildete  Verwaltungs-Beamte,  deren  Nütz- 
lichkeit in  No.  26  einer  Besprechung  aus  Bayern  unter- 
zogen worden  ist,  sind  seit  langer  Zeit  schon  im  Ham- 
burger Staatsdienste  in  Thätigkeit.  Abgesehen  von  den 
technischen  Baupolizei  - Inspektoren,  welche  unmittelbar 
unter  dem  Polizeiherrn  der  Stadt  und  ihrer  Vororte,  einem 
juristischen  Mitgliede  des  Senats,  ihr  Amt,  ohne  an  die 

3.  Mai  1902. 


Mitwirkung  juristischer  Amtskollegen  gebunden  zu  sein, 
dem  Publikum  gegenüber  selbständig  führen  und  nur  in 
besonderen  und  in  Straffällen  an  ihren  Chef  heranzu- 
treten genöthigt  sind,  ist  auch  das  von  einem  Staatsmit- 
gliede  oder  getheilt  von  mehreren  derselben  (Landherren) 
verwaltete  Landgebiet  des  haraburger  ;Staates  der  Für- 
sorge mehrerer  juristisch  und  eines  technisch  ausgebilde- 
ten Beamten  fachweise  anvertraut, f welche  in  der  Regel 
die  Verhandlungen  mit  den  einzelnen  Gemeinden  und 


231 


deren  Angehörigen  selbständig  führen,  jedoch  die  schrift- 
lichen Ausfertigungen  der  Behörde  ihrem  Chef  zur  Ge- 
nehmigung und  Unterschrift  vorzulegen  haben.  Nur  selten 
haben  die  Landherren,  meistens  kaufmännische  Mitglieder 
des  Senats,  neben  ihrem  eigenen  Geschäfte  und  den  kolle- 
gialischen  Senatsverhandlungen  noch  Zeit  und  Neigung 
gehabt,  sich  bei  den  laufenden  Angelegenheiten  des  Land- 
gebietes in  andauernder  Arbeit  zu  bethätigen,  für  welche 
innen  der  Staat  ein  vollgebildetes  Beamtenpersonal  zur 
Verfügung  gestellt.  Als  hamburgischer  Wasserbau-Kon- 
dukteur in  Cuxhaven,  ward  ich  im  Jahre  1860  von  einem 
alterfahrenen  juristischen  Landherrn  in  das  Amt  des 
Deich-  und  Baupolizei-Inspektors  und  technischen  Beamten 
der  Landherrenschaft  erwählt,  welches  ich  bis  zum  Jahre  1873 
verwaltet  habe;  neben  der  schriftlichen  Ämtsinstruktion  gab 
er  mir  mündlich  für  die  Führung  des  Amtes  den  Wunsch 
mit  auf  den  Weg,  ich  möge  in  den  Landgemeinden  nicht 
lediglich  als  polizeilicher  Aufseher  und  als  Vollstrecker 
obrigkeitlichen  Willens  auftreten,  sondern  mich  bestreben, 
das  Vertrauen  der  seiner  Fürsorge  anvertrauten  Land- 
bewohner zu  erwerben,  sodass  sie  in  mir,  der  ihnen  bei 
der  Förderung  ihrer  Angelegenheiten  mit  seinem  Rathe 
hilfreich  zur  Seite  stehe,  einen  patriarchalisch  obrigkeit- 
lichen Freund  anerkennten.  Die  Nützlichkeit  dieses  Rath- 
schlages für  mein  Amt  wie  für  die  mir  anvertrauten 
Gemeinden  hat  mir  die  Erfahrung  meiner  Amtsführung 
vollauf  bestätigt.  Erleichternd  tritt  hier  für  Hamburg 
freilich  der  Umstand  hinzu,  dass  das  Aufwachsen  eines 
künftigen  Beamten  in  der  Bürgerschaft  einer  freien  Gress- 
stadt von  vorn  herein  eine  allgemeinere,  für  Verwaltüngs- 
angelegenheiten  empfänglichere  Vorbildung,  die  er  schon 
in  sein  späteres  technisches  Studium  mitnimmt,  zu  ge- 
währen vermag,  als  es  in  Städten  monarchischer  Staaten 
vielfach  möglich  sein  wird.  — Hubbe. 

Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  zur  Förderung  des  Blumenschmuckes 
der  Wohnhäuser  hat  der  Verschönerungs  - Verein  in 
Garmisch  erlassen,  ein  Vorgehen,  welches  wärmsten 
Beifall  verdient.  Es  handelt  sich  um  den  lebenden 
Blumenschmuck  an  Hausfronten,  Terrassen  und  Baikonen, 
sowie  um  den  Blumenschmuck  einzelner  Fenster.  — 

Zu  dem  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Brunnen- 
Denkmal  in  Kempten  waren  33  Modelle  eingelaufen.  Die 
Ausführung  wurde  dem  Entwurf  „Schwaben"  des  Hrn. 
Georg  Wrba  zugesprochen.  Die  beiden  Geldpreise  von 
1500  und  1000  M.  errangen  die  Bildhauer  Hubert  Netzer 
und  Ignatius  Taschner,  sämmtlich  in  München.  — 


Chronik. 

Die  Stadtgemeinde  Aachen  hat  die  Errichtung  einer  Lungen- 
heilstätte im  Preussenwalde  endgiltig  beschlossen.  Zu  dieser  Heil- 
stätte hat  der  Verein  zur  Förderung  der  Arbeitsamkeit  400000  M. 
gestiftet.  — ■ 

Der  Plan  einer  Hafenanlage  an  der  Oberspree  in  Berlin 
mit  Speichern  und  Silos,  sowie  mit  Gleisanscliiuss,  der  schon  seit 
längerem  die  Stadtgemeinde  beschäftigt,  ist  dem  Vernehmen  nach 
von  der  städtischen  Verkehrs-Deputation  nach  dem  Entwürfe  des 
Stadtbaurathes  Krause  im  Prinzip  genehmigt  und  zwar  mit  einem 
Kostenaufwande  von  6,5  Mill.  M.,  davon  1V3  Mill.  M.  Grunderwerb.  — 
Die  Errichtung  eines  Konzerthauses  in  Dresden  auf  dem 
Gelände  des  städt.  Ausstellungsparkes  am  Grossen  Garten  ist  mit 
einem  Aufwande  von  400000  M.  durch  die  Dresdener  Stadtver- 
ordneten beschlossen  worden.  — 

Ueber  die  Errichtung  einer  technischen  Hochschule  in 
Nürnberg  ist  dem  bayerischen  Landtag  eine  Denkschrift  zuge- 
gangen, nach  welcher  die  Neubauten  mit  einem  Kostenaufwande 
von  4 M.  in  den  Jahren  1904 — 1907  errichtet  werden  sollen  und 
die  Eröffnung  der  Anstalt  für  1907  bestimmt  ist.  — 

Mit  der  Errichtung  des  Kaiser  Friedrich-Denkmals  in 
Charlottenburg  sind  der  Bildhauer  Prof.  J.  Uphues  und  der 
Architekt  Prof.  O.  Schmalz  betraut  worden.  Wir  verzeichnen 
mit  Genugthuung,  dass  neben  dem  Bildhauer  auch  der  Architekt 
in  der  Oeffentlichkeit  genannt  wird,  dem  für  die  Gesammtanlage 
des  Denkmals  eine  nicht  minder  wichtige  Aufgabe  zufällt,  wie  dem 
Bildhauer  für  den  bildnerischen  Theil  des  Werkes.  — 

Ein  neues  Zentralfeuerhaus  in  München  hat  die  Gemeinde 
zu  errichten  beschlossen.  Der  von  Hrn.  Brth.  Reh  len  ausge- 
arbeitete Entwui'f  beansprucht  1260000  M.,  davon  rd.  963000  M. 
für  das  eigentliche  Feuerhaus,  75  000  M.  für  den  damit  verbundenen 
Marstall.  Das  Gebäude  wird  am  Oberanger  errichtet;  etwa  223000  M. 
der  Bausumme  sind  zu  einem  Umbau  vorhandener  Häuser  bestimmt.  — 
Die  Vollendung  der  Ausschmückungs  - Arbeiten  der 
Kaiser  Wilhelm  - Gedächtnisskirche  in  Berlin  (Arch.  Brth. 
Franz  Schwechten),  wird  zum  27.  Fcbr.  1906,  dem  Tage  der 
silbernen  Hochzeit  des  Kaiserpaares  erwartet.  — 

Die  Wiederherstellung  des  Erechtheions  in  Athen  soll 
durch  die  griechische  archäologische  Kommission  beschlossen  sein. — 
Das  neue  Parlamentsgebäude  in  Budapest,  das  im  gothi- 
schen  Stil  gehaltene  Werk  des  Prof.  Steindl  in  Budapest,  soll  im 
Oktober  d J.  vom  ungarischen  Reichsrath  bezogen  werden.  Das 
mit  einem  Aufwande  von  rd.  18  Mill.  Gulden  errichtete  Gebäude 
bedeckt  eine  Grundfläche  von  rd.  15  000  qm.  — 

232 


Ein  Denkmal  König  Ludwigs  I.  von  Bayern  in  Regens- 
Uurg  (Bildh.  Prof.  Ferd.  von  Miller  in  Miinclien)  wird  am  8.  Mai 
enthüllt  werden.  — 

Die  Fortsetzung  der  Wiederherstellungs-Arbeiten  an  der 
Marienburg  erstrecken  sich  in  der  nächsten  Zeit  auf  die  Er- 
neuerung der  Schlossmauer,  des  Nordportales  des  Mittclschlosscs, 
auf  die  Anlage  neuer  Zugbrücken,  sowie  auf  Arbeiten  zur  Frei- 
legung des  Schlosses.  — 

Die  Umwandlung  des  Metternich’schen  Bades  Königs- 
wart bei  Marienbad  in  Böhmen  soll  in  grösstem  Umfänge  ge- 
plant und  zu  den  Entwurfsarbeiten  Prof.  J.  M.  Olbrich  in  Darm- 
stadt berufen  sein.  Durch  eine  englisch-amerikanisch-österreichische 
Aktiengesellschaft  soll  die  Errichtung  von  Hotels,  Restaurants, 
Cafes,  eines  Theaters  und  Kasinos,  einer  Konzerthalle,  von  Tanz- 
und  Versamrnlungssälen , Ausstellungshallen,  hydropathischen  An- 
stalten mit  allen  Nebenanlagen,  wie  elektrischen  Licht-  und  Kraft- 
werken usw.  in  Aussicht  genommen  sein.  — 

Zum  Bezirks-Konservator  des  Regierungsbezirkes  Kassel 
ist  anstelle  des  verstorbenen  Bickell  der  ausserordentl.  Professor 
an  der  Universität  Marburg,  C.  A.  v.  Drach,  bestellt  worden.  -- 
Die  Feier  des  Sojährigen  Bestehens  des  Germanischen 
National-Museums  in  Nürnberg  findet  am  16.  Juni  d.  J.  statt.  Dei- 
Umbau  des  ehern,  Königsstiftungshauses  ist  vollendet  und  das  Haus 
am  26.  April  in  Benutzung  genommen  worden.  In  ihm  sind  Biblio- 
thek, Archiv  und  Kupferstichsammlung  untergebracht.  — 

Eine  Ausstellung  vonWerken  sächsischer  und  in  Sachsen 
lebender  Künstler  ist  durch  die  Dresdener  Kunstgenossenschaft  für 
das  Jahr  1903  beschlossen  worden;  zu  diesem  Zwecke  steht  das 
Ausstellungsgebäude  auf  der  BrQhl’schen  Terrasse  zur  Verfügung.  — 
Eine  elektrische  Schnellbahn  Rom-Neapel  soll  als  die  erste 
demnächst  zur  Ausführung  kommen.  Durch  Umgehung  der  pon- 
tinischen  Sümpfe  brauchten  die  schnellsten  Züge  zum  Durchlaufen 
der  rd.  250  km  langen  Strecke  bisher  gegen  5 Stunden.  Durch  An- 
lage eines  direkten  Weges  durch  die  Sümpfe  und  durch  Beschleuni- 
gung der  Fahrt  hofft  man  die  Fabrtdauer  auf  etwa  2 Stunden  cr- 
inässigen  und  die  Züge  vorwiegend  am  Tage  laufen  lassen  zu 
können.  Durch  diese  Einrichtung  würden  die  durch  die  pontinischen 
Sümpfe  vcranlassten  gesundheitlichen  Bedenken  nach  den  Befür- 
wortern des  Planes  nicht  mehr  ins  Gewicht  fallen.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Eisenb.-Dir.  Schnei  dt  io  Beilin  ist  der 
Char.  als  Geh.  Brth.  und  dem  Dir.  der  städt. Wasserwerke  Beer 
in  Berlin  der  Char.  als  Brth.  verliehen. 

Ernannt  sind:  Die  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Struck  in 
Danzig , Scheibner  in  Bromberg , Roth  in  Krefeld , K a y s e r 
in  Königsberg  i.Pr,  Mertens  in  Kattowitz,  Barzen  in  Frank- 
furt a.  M , K a u f m a n n in  Altona , V o s s in  Bromberg,  Geber 
in  Essen  a.  R.,  Büttner  in  Magdeburg,  S t e i 11  m a n n in  Münster 
i.  W-,  Kiel  in  St.  Joh.-Saarbrücken , die  Eisenb.-Bauinsp.  Daus 
in  Berlin,  Staud  in  Paderborn,  Glasenapp  in  Washington 
(z.  Zt.  in  Chicago)  und  Meyer  in  Berlin  zu  Reg.- u.  Brthn ; — die 
Eisenb.-Telegr.-Iosp.  Meyl  in  Erfurt  und  Hattemer  in  Stettin, 
die  Eisenb.-Masch.-Insp.  U h 1 m a n n in  Berlin,  M a r t i n y iu  Meinin- 
gen und  Schayer  in  Breslau  zu  Eisenb.-Dir.  mit  dem  Range  der 
Räthe  IV.  Kl.  und  der  Ing.  Dieckhoff  in  Hamburg  zum  etatm. 
Prof,  an  der  Techn.  Hochschule  in  Berlin. 

Die  Reg.-Bfhr.  Friedr.  Berghauer  aus  Berlin  u.  Hugo 
Dormann  aus  Dierdorf  (Wasser-  u.  Strassenbfeh.),  — Anton 
Ackermann  aus  Mayen  u.  Otto  Z e n n i g aus  Berlin  (Eisenbfdi.), 
— Heinr.  Kahlen  aus  Vorst,  Friedr,  K 1 e i n aus  Kassel  und  Paul 
Reutener  aus  Danzig  (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Paul  Rost  in  Mainz  ist  die  nachges.  Entlass, 
aus  deoi  Dienste  der  allgem.  Bauverwaltung  und  den  Reg.-Bmstrn. 
Herrn.  Dernburg  und  Eug.  Fabricius  in  Charlottcnburg  die 
nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Der  Wasserbauinsp.  Brth.  Brinkm  an  n in  Steinau  a.  O.  ist  gest. 

Sachsen.  Verliehen  ist:  den  Ob.-Brthn.  Homilius,  Klien 
und  v,  Schünberg  in  Dresden  das  Ritterkreuz  I.  Kl.  des  Ver- 
dienst-Ordens;— dem  Geh.  Hofrath  Prof.  Engels  an  der  Teclin. 
Hochschule  in  Dresden  das  Komthurkreuz  II.  Kl.  des  Albrecht- 
Ordens;  — dem  Geh.  Postrath  Zopff  in  Dresden  die  Krone  zum 
Ritterkreuz  I.  Kl.  des  Albrecht-Ordens;  — den  Brthn.  Cunrady 
in  Oelsnitz  i.  V.,  Harz  in  Chemnitz,  Fleise  in  Rochlitz,  Hole- 
kamp  in  Chemnitz,  Kaiser  in  Leipzig,  Mehr  in  Zwickau  und 
Schimm  er  in  Leipzig  das  Ritterkreuz  I.  Kl.  des  Albrechts-Ordens.  — 

Den  Eisenb.-Dir.  Dannen  felsser  in  Leipzig  u.  Schön- 
leber in  Dresden  ist  der  Tit.  u.  Rang  eines  Ob.-Brths.,  den 
Bauiosp.  C u n r a d i in  Reichenbach,  Decker  in  Bautzen,  H a as  e 
in  Dresden,  Häbler  in  Freiberg,  Pietsch  in  Zwickau  und 
Winter  in  Döbeln  der  Tit.  u.  Rang  eines  Brths.  in  der  IV.  KI. 
der  Hofrangordnung  unt.  No.  14  verliehen. 


Briei-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  M.  H.  in  Köpenick.  Nach  B.  G.-B.  §6i6  wird 
ein  Arbeitnehmer  des  Anspruchs  auf  Vergütung  dadurch  nicht  ver- 
lustig, dass  er  für  eine  verhältuissmässig  nicht  erhebliche  Zeit 
an  der  Dienstleistung  verhindert  wird.  Dagegen  wird  achtwöchent- 
liche Behinderung  für  „nicht  erheblich“  kaum  erklärt  werden,  selbst 
bei  zweijähriger  Dauer  des  Arbeitsverhältnisses.  Mithin  werden 
Sie  Ersatz  der  Ihrerseits  gezahlten  Vertretungskosten  nicht  zuge- 
billigt erhalten  und  verspricht  eine  Klage,  welche  bei  240  M.  bei 
dem  Amtsgerichte  auszustellen  wäre,  keinen  Erfolg.  K.  H-e. 

Inhalt:  Die  Westthürme  des  Meisseuer  Domes.  — Das  erzieherische 
Element  in  der  Architektur.  — Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Be- 
triebsmitteln bei  Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen.  (Fortsetzung).  — 
Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — 
Brief-  und  Fragekasfen. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  H o fm ann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  36. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  37.  Berlin,  den  7.  Mai  1902. 


Die  Wiederherstellung  der  Stadtkirche  in  Friedberg  in  der  Wetterau. 

Architekt : Hubert  Kratz  in  Friedberg. 

(Hierzu  die  Abbildungen  S.  236  u.  237.} 


■Wie  an  Alterthümern  reiche  Stadt  Friedberg  be- 
sitzt  in  ihrer  Stadtkirche,  der  ehemaligen 


jl  I Liebfrauenkirche,  ein  Baudenkmal  frühgoThi 

I • I scher  Kunst,  welches  nicht  allein  das  kunst- 

geschichtlich  und  architektonisch  bedeu- 
tendste Bauwerk  des  Grossherzogthums  Hessen  ist,  son- 
dern welches  unter  den  deutschen  Kirchenbauten  über- 
haupt eine  hervorragende  Stelle  einnimmt.  Die  Vor- 
läuferin dieser  Kirche  ist  die  St.  Elisabethenkirche  in 
Marburg.  Man  geht  nicht  fehl,  wenn  man  den  Beginn 
der  Erbauung  der  Friedberger  Kirche  um  die  Zeit  von 
1260—1270  festlegt.  Viele  Architekturtheile  am  Chor 
zeigen  noch  den  romanischen  Einfluss.  Da,  wo  dicKirche 
jetzt  steht,  stand  früher  eine  romanische,  zweifellos  eine 
Basilika.  Die  Fundamente  derselben  wurden  bei  den 
Wiederherstellungs-Arbeiten  gefunden.  Sie  sind  im 
Grundriss  der  Kirche  (S.  234)  eingezeichnet.  Das  in  der 
Kirche  noch  vorhandene  Ciborium  gehörte  der  früheren 
Kirche  an,  ebenfalls  zwei  alte  romanische  Kapitale  und 
ein  Taufstein,  der  sich  jetzt  im  Nordkreuz  befindet 
Die  Einweihung  des  Uauptaltars  erfolgte  im  Jahre 
1306  durch  den  Bischof  Sifried  von  Cliur  in  Gegen- 
wart der  Königin  Elisabeth,  einer  englischen  Prin- 
zessin, und  der  Herzöge  von  Sachsen  und  Oesterreich. 
Es  steht  auch  urkundlich  fest,  dass  im  Jahre  1410  noch 
an  der  Kirche  gebaut  wurde,  denn  Kaiser  Rupprecht 
hat  in  diesem  Jahre  eine  Verfügung  erlassen,  worin 
er  anordnete,  dass  der  eine  der  beiden  Hauptthürme 
nicht  höher  gebaut  werden  sollte,  als  er  jetzt  ist,  der 
andere  aber  nicht  höher  als  40  Fuss  hinaufgeführt 
werden  dürfe.  Die  Kirche  stellt  sich  dar  als  drei- 
schiffiger  Hallenbau  mit  Querhaus,  an  das  sich  ein 
fünfseitiger  Chor,  aus  dem  Achteck  konstruirt,  an- 


schliesst.  Charakteristisch  für  dieselbe  sind  ausser 
den  erwähnten  Hauptthürmen  an  der  Westseite,  die 
nicht  ausgebaut  sind,  die  südlich  und  nördlich  ange- 
(ügten  Treppenthürme,  die  der  ganzen  Anlage  eine 
erhöhte  malerische  Wirkung  und  Kraft  in  der  Struktur 
verleihen.  Diesen  Eindruck  unterstützen  die  in  ge- 
sunderDerbheit  vorspringenden  Strebepfeiler  des  Lang- 
hauses, des  Chores  und  des  Querschiffes  mit  ihren 
einfach  schönen  Fialenbekrönungen,  deren  Ornamentik 
ebenso  charakteristisch  wie,  dem  Ganzen  entsprechend, 
schlicht  ist.  Lassen  wir  hierzu  noch  die  auf  dem 
Hauptgesims  ruhende  Vierpassgallerie,  die  den  Bau 
gegen  die  Walmdächer  wirkungsvoll  abschliesst,  in 
ihr  Recht  treten,  so  haben  wir  ein  Bild,  wie  es  neben 
der  Elisabethenkirche  in  Marburg  origineller  in  der  Ge- 
schichte der  mittelalterlichen  Baukunst  nicht  mehr  be- 
steht, denn  dort,  in  Marburg,  hat  eine  frühere  Wiederher- 
stellung, in  Verkennung  der  Bedeutung  der  Walmdächer, 
dieselben  durch  eine  Dachkonstruktion  ersetzt,  welche 
mit  Rücksicht  auf  den  spezifisch  hessischen  Charakter 
des  ursprünglichen  Walmdach-Ausbaues,  dessen  Ori- 
ginalität man  anerkennen  muss,  eine  künstlerische  Be- 
rechtigung so  wenig  wie  eine  historische  besitzt.  Auf- 
fallend ist  die  Unscheinbarkeit  des  zwischen  den  Haupt- 
thürmen liegenden  Westportals.  Dieselbe  ist  ja  wohl 
bedingt  durch  die  massige  Vorlagerung  dieser  Thürme 
und  wird  ihren  technischen  Grund  in  der  beabsichtigten 
Benutzung  der  letzteren  als  Wehrthürme  haben.  Reich- 
lich ausgeglichen  wird  jedoch  dieser  Mangel  durch  die 
Halle  unter  denThOrraen,  die  in  der  Anlage  eine  Kühn- 
heit zeigt,  wie  sie  in  Deutschland  aus  dieser  Zeit  einzig  ist. 

Vom  Westportal  aus  betreten  wir  das  Innere  der 
Kirche.  Da  sehen  wir  die  zwölf  mächtigen  Pfeiler, 


233 


zwischen  denen  die  Fenster  des  Langhauses  und  dessen 
Wölbungen  in  reicher  Abwechslung  und  Harmonie 
erscheinen.  Man  blickt  über  den  Lettner  hinweg  über 
den  lichtdurchflutheten  Chor.  Die  herrlichen,  Glas- 
malereien aus  der  alten  Zeit  steigern  bei  hellem  Sonnen- 
schein die  Wirkung  in  der  Kirche  zu  einer  grossartigen. 
Nach  Osten  liegt  der  baugeschichtlich  interessante 
Lettner,  wir  durchschreiten  denselben  und  erstaunen 
über  die  Schönheit  und  den  leichten  Aufbau  des  uns 
da  entgegentretenden  Sakramentshauses,  das  der  §pät- 
gothischen  Zeit  seine  Entstehung  verdankt.  Dieses  reiz- 
volle Meisterwerk  der  dekorativen  Steinmetzkunst  ist 
als  aufsteigende  Fiale  gedacht,  welche  bis  zu  einery 
Höhe  von  14’”  sich  erhebt.  Wie  die  Kirche  über-  1 
haupt,  so  hat  auch  das  Sakramentshaus  die  Wirkung  I 
einer  Kunstleistung  ersten  Ranges,  ersonnen  und  aus- 
geführt mit  reicher  Phantasie,  wie  sie  den  Werken  ^ 
damaliger  Zeit  nicht  allgemein  eigen  ist.  Auf  derselben 
Stufe  der  höchsten  Kunstfertigkeit  steht  das  schmied- 
eiserne Gitterwerk,  welches  das  Sakramentshaus  um- 
giebt.  Der  ausserordentliche  Werth  desselben  wird 
durch  die  noch  vorhandene  ursprüngliche  farbige  Be- 
handlung aller  Theile  erhöht.  Die  in  den  Chorwänden 
eingebauten  Sitzarkaden  steigern  die  Wirkung  und 
den  Reichthum  in  diesem  Raume,  der  durch  eine 
mächtige  und  gliederreiche  Anordnung  der  Dienste, 
Fenstergewände  und  der  Abwölbung  wie  aus  einem 
Guss  erscheint.  Auch  das  Langhaus  wirkt  architek-i 
tonisch  vornehm.  Der  Schlichtheit  und  Kraft  der  äusse-  ^ 
ren  Langhausanordnung  entspricht  die  seiner  Pfeiler 
und  Gewölbe  im  Inneren.  Die  Pfeiler  wirken  mit  den 
weitgesprengten  Bogen  anspruchslos  und  erhaben. 

Die  ganze  Kirche  hat  eine  Länge  von  70“,  eine 
Breite  von  24“.  Die  Höhe  der  Schiffe  steht  auf  17,80“ 
bis  zum  Gewölbeschlusstein.  Die  Kapitälhöhe  steht 
auf  12,10“.  Das  Mittelschiff  ist  10“  breit,  während 
die  Seitenschiffe  7“  Breite  haben.  . Vom  Fussboden 
bis  zum  Hauptgesims  zählen  wir  19,50“.  Das  Haupt- 
gesims des  Thurmes  liegt  9“  höher.  Die  Kreuzblume 
des  Thurmes  aber,  die  in  Stein  ausgeführt  ist,  befindet 
sich  in  einer  Höhe  von  62“.  Die  Firstoberkänte  des 
Hauptdaclies  und  der  Walme  liegt  28“  über’  dem 
äusseren  Fussboden.  Das  Baumaterial  ist  Sandstein 
aus  dem  Bruch  in  Bellmuth. 

Die  Gewölbe  sind  in  Horizontalschichtung  aus 
Ziegelsteinen  hergestellt,  nur  diejenigen  im  Querschiff 
und  Chor  sind  bei  ihrer  Wiederherstellung  im  Jahre  1899 
in  einer  Stärke  von  13*=“  in  leichten  Steinen  ausge- 
führt  worden.  Die  mit  Rippen  versehenen  Kreuz- 
gewölbe der  drei  gleich  hohen  Schiffe  werden  von 
runden  und  achteckigen,  mit  Diensten  versehenen 
Pfeilern  getragen.  Das  Aeussere  der  Kirche  ist  der 
schlichte  Ausdruck  des  Inneren.  Das  Langhaus  wird 
durch  5 Strebepfeiler  und  durch  die  zwischen  den- 
selben liegenden  Fenster  angenehm  bis  zum  Haupt- 
gesims belebt.  Ueber  letzterem  ist  auf  dem  östlichen 
Theile  des  Langhauses  schon  bei  der  Erbauung  der 
Kirche  eine  durchbrocheneMaasswerksgallerie  mit  Vier- 
pässen angebracht  worden,  die  aber  erst  bei  ihrer 
Wiederherstellung  in  den  Jahren  1896 — 1901  um  die 
ganze  Kirche  geführt  wurde.  Das  Mittelschiff  des 
Langhauses  ist  mit  einem  langen  Dache  überdeckt, 
während  über  den  Seitenschiffen  jedes  Joch  ein  Walm- 
dach mit  einer  Kreuzblume  trägt.  Das  Querhaus  hat 
an  den  äusseren  Ecken  der  Westseite  achteckige,  vom 
Inneren  der  Kirche  aus  zugängliche,  durch  Wasser- 
schlagprofile in  mehrere  Geschosse  getheilte  und  mit 
beschieferten  Holzpyramiden  abschliessende  Treppen- 
thürme,  die  in  zwei  Abtheilungen  mit  Giebeln  und 
Fialen  geziert  sind.  Ueber  der  Vierung  erhebt  sich 
ein  dem  Dachstuhl  aufgesetzter  Dachreiter  mit  einer 
Pyramide,  die  aus  Holz  hergestellt  und  mit  Schiefer 
bekleidet  ist.  — 

Leider  trug  dieses  Baudenkmal  die  Ursache  seines 
allmählichen  Verfalles  von  Anfang  an  in  sich.  Wir  wissen 
von  grösseren  Reparaturen  aus  den  Jahren  1503  und  1604, 
aber  nicht,  welcher  Art  diese  waren.  Am  Anfang 
des  vorigen  Jahrhunderts  zeigte  sich  der  Verfall  so 
bedrohlich,  dass  man  in  den  Jahren  1821 — 1824  ein- 


gehende Ausbesserungen  vornehmen  musste,  die  sich 
in  der  Hauptsache  auf  den  Chor  bezogen.  Der  mittel- 
alterliche Stuhl  auf  dem  Chore  wurde  damals  leider 
abgebaut,  der  Dachreiter  aber  gelassen  und  eine  eiserne 
Verankerung  angebracht,  welche  die  4 Strebepfeiler 
des  Chores  an  ihrem  oberen  Haupte  fasste.  Man 
mauerte  ferner  die  beiden  seitlichen  Fenster  des  Chores 
zu.  Nachdem  abe.r  diese  Maassnahmen  einen  weiteren 
Verfall  \richt  hemmen  konnten,  schritt  man  1842—1845 
zu  einer  nochmaligen  Wiederherstellung.  Zwei  Strebe- 


pfeiler der  am  meisten  gefährdeten  Gewölbe  und 
Wände  des  Chores  wurden  in  unförmlicher  Weise 
verstärkt;  man  lagerte  ihnen  mächtige  Fundament- 
quader unter  und  vor.  Alles  aber  war  umsonst,  denn 
der  Grund  des  Verfalles  lag  anderswo.  Endlich  i.  J.  I884 
begann  man  dem  Uebel  systematisch  auf  den  Grund 
zu  gehen.  Man  beauftragte  den  grossherz.  Kr.-Bmstr. 
Schneller  in  Friedberg  mit  der  Untersuchung  der 
Kirche.  DasErgebniss  dieserUntersuchung  war  ein  sehr 
betrübendes.  Schneller  hat  nachgewiesen,  dass  die  Ver- 
ankerung, die  den  Chor  der  Kirche  vor  dem  Aus- 


234 


weichen  habe  bewahren  sollen,  nichts  genutzt  habe, 
und  kam  zu  dem  Ergebniss,  dass  sich  der  Chor  in 
seinem  gegenwärtigen  Zustande  nicht  mehr  halten 
lasse.  Das  Räthlichste  wäre,  denselben  bis  auf  die 
Fundamente  abzubrechen  oder,  wenn  dazu  die  Mittel 
fehlen  sollten,  denselben  durch  eine  ganz  neue  Ver- 
ankerung mit  der  Westseite  des  gut  erhaltenen  Lang- 
hauses in  Verbindung  zu  bringen.  Durcii  den  Vorstand 
des  Kirchenbauvereines  wurde  nun  Kirchen-Bmstr. 
Schwartze,  welcher  die  Bauarbeiten  der  von  Prof. 
V.  Schmidt  in  München  wiederhergestellten  Kirche  zu 
Oppenheim  leitete,  beauftragt,  gleichfalls  den  Bau  einer 
Untersuchung  zu  unterwerfen.  Infolge  dieser  Untersuch- 
ung kam  Prof.  Heinr.  v.  Schmidt  zur  näheren  Besich- 
tigung der  Stadtkirche  nach  Friedberg;  derselbe  hat  ge- 
meinsam mit  seinem  Vater,  dem  Dombmslr.  v.  Schmidt- 


Dombmstr.  v.  Beyer  in  Ulm,  Geh.  Brth.  Prof.  Wagner 
und  Ob.-Brth.  v.  Weltzien  in  Darmstadt  die  Kirche 
genau  untersuchen  und  ein  Gutachten  über  den  bau- 
lichen Zustand  derselben  ausarbeiten  zu  lassen.  Das- 
selbe wurde  1889  Obergeben.  Imganzen  w’ar  dasselbe 
mit  dem  Schneller’schen  Berichte  einverstanden,  es 
lautete  aber  inbetreff  der  Chorfrage  zu  unentschieden. 
Dagegen  betonte  es,  dass  eine  gründliche  Wiederher- 
stellung der  Kirche  nicht  mehr  aufgeschoben  werden 
dürfe  und  dass  namentlich  das  Dach  über  dem  Lang- 
hause baldigst  erneuert  werden  müsse,  um  letzteres 
vor  dem  Verfall  zu  bewahren.  In  einer  gemeinschaft- 
lichen ^Sitzung  der  Staatsbehörde  und  des  grossherz. 
Ober-Konsistoriums  einerseits,  sowie  des  Kirchenvor- 
standes und  Kirchenbauvereines  andererseits  wurde 
hierauf  beschlossen,  das  Dach  des  Langhauses  auszu- 


Die  geplante  Erweiterung  des  Hafens  ln  Ruhrort. 


Wien,  dem  Kirchenvorstande  ein  Gutachten  übergeben, 
in  welchem  der  Abbruch  des  Chores  und  der  Kreuz- 
arme bis  auf  die  Fundamentsohle  empfohlen  wurde. 
Zu  diesem  radikalen  und  folgenschweren  Umbau  konnte 
sich  aber  der  Kirchenvorstand  nicht  so  leicht  und 
schnell  entschlicssen.  Man  war  der  Meinung,  dass 
der  Bau  doch  erst  gründlicher  untersucht  werden 
müsse,  che  man  zu  einem  solchen  Schritte  schreiten 
dürfe,  und  veranlasste  darum  den  Hrn.  Ob.-Brth.  Prof. 
Schäfer,  welcher  damals  in  Berlin  war,  auch  seiner- 
seits den  Bau  zu  untersuchen.  Derselbe  hat  auch  die- 
sem Wunsche  entsprochen  und  nach  Einsichtnahme 
der  Verhältnisse  mit  aller  Entschiedenheit  vor  dem 
Abbruch  des  Chores  gewarnt.  So  standen  nun  zwei 
Meinungen  einander  gegenüber.  Um  zur  Klarheit  zu 
kommen,  beschloss  nun  der  Kirchenvorstand,  durch 


bessern  und  neue  Untersuchungen  über  die  Haltbai'- 
keit  des  Chores  einzuleiten  und  auszuführen,  Schwartze 
sollte  die  Ausbesserung  des  Daches  übernehmen.  Der- 
selbe unterliess  es  aber,  den  erhaltenen  Auftrag  aus- 
zuführen. Das  Dach  ging  daher  seinem  Verfall  so  sehr 
entgegen,  dass  durch  das  Gewölbe  hindurch  das 
Regenwasser  in  die  Kirchenhalle  cindrang.  Andert- 
halb Jahre  mögen  darüber  hingegangen  sein,  als  end- 
lich im  Frühjahr  1893  die  Kirchenbehörde  sich  ent- 
schloss, dem  Kirchenvorstande  vorzuschlagen,  den 
Arch.  R.  Opfermann-Mainz  als  Baumeister  für  die 
Stadtkirche  anzunehmen,  dessen  nächste  Aufgabe  die 
Herstellung  des  Daches,  die  Aufnahme  der  Kirche  und 
die  Ausarbeitung  eines  Bauplanes  sein  sollte.  Der 
Kirchenvorstand  und  der  Kirchenbauverein  gingen 
auf  diesen  Vorschlag  ein.  — (Schin«  folgt.) 


7.  Mai  1902. 


»35 


Die  geplante  Erweiterung  des  Hafens  in  Ruhrort. 

(Hierzu  der  Plan  auf  Seite  335.) 


Die  Wiederherstellung  der  Stadtkirche 
in  Friedberg  in  der  Wetterau. 
Architekt:  Hubert  Kratz  in  Friedberg. 


as  preussische  Abgeordnetenhaus  hat  vor  rüstung.  Die  Mittel  nun  zur  Erhaltung  der  Schiff- 
kurzem in  3.  Lesung  einen  Gesetzentwurf  fahrtsstrasse  sowohl  wie  zum  Ausbau  des  Hafens 
angenommen,  nach  welchem  die  Anlagen  wurden  bestritten  aus  den  Schiffahrts-  und  Hafen- 
des  fiskalischen  Hafens  in  Ruhrort  mit  abgaben,  später  aus  den  letzteren  allein,^  ohne  Inan- 
einem  Kostenaufwande  von  13296800  M.  spruchnahme  allgemeiner  Staatsmittel,  hür  grössere 
eine  zeitgemässe,  durch  die  stetig  wachsenden  Ver-  Ausführungen  wurden  mehrfach  von  der  eine  beson- 
kehrs-Bedürfnisse  dringend  erforderte  Erweiterung  er-  dere  Stellung  einnehmenden  „Ruhrschiffahrts-Verwal- 
“ tung“  Anleihen  aufge- 

nommen, Ueberschüsse 
andererseits  lediglich  für 
die  Zwecke  der  Verwal- 
tung zurückgelegt,  ohne 
dass  sie  den  allgemei- 
nenStaatseinnahmen  zu- 
gute kommen  durften. 
Diese  Selbständigkeit 
des  „Ruhrschiffahrts- 
fonds" ist  durch  Erlass 
vom  28.  Okt.  1850  aus- 
drücklich bestätigt,  wenn 
auch  dieRuhrschiffahrts- 
Verwaltung  seit  dem 
I.  Jan,  1851  aufgehört 
hat,  eine  besondere  Be- 
hörde zu  bilden,  viel- 
mehr der  Regierung  in 
Düsseldorf  angegliedert 
ist.  Seit  1850  wurden  alle 
Hafenerweiterungeil  le- 
diglich aus  den  Ueber- 
schüssen  der  Betriebs- 
einnahmen ausgeführt. 

Der  Hafen  von  Ruhr- 
ort, der  verkehrsreichste 
Binnenhafen  Europas, 
besass  iSabeineWasser- 
fläche  von6,86^'*;  i837bis 
i842wurdeerauf  11,7 
1860 — 68  auf  17  durch 
Ausbau  des  Nord-  und 
Südhafens  (vergl.  den 
Plan)  und  1872 — 1890 
durch  allmählichen  Aus- 
bau des  Kaiserhafens 
auf  51,3  erweitert. 
Ausser  derWasserfläche 
besitzt  er  71  Fläche 
zur  Lagerungund4i,7‘'*‘ 
Wege-undGleisanlagen. 

Seit  1890  hat  der  Ha- 
fen keine  Erweiterung 
mehr  erfahren,  trotzdem 
der  Verkehr  in  demsel- 
ben von  3435815  t fzu 
1000^?)  im  Jahre  1890 
auf  6 758  282.^  im  Jahre 
1901  angewachsen  ist, 
d.  h.  um  97  ”/o.  Eine 
weitere  Steigerung  des 
Verkehrs  ist  aber  mit 
grosser  Sicherheit  zu 
erwarten,  wenn  man  be- 
rücksichtigt, dass  der- 


halten  sollen.  Zu  dieser 
Summe  kommt  für  den 
Ausbau  desHafen-Bahn- 
hofes  südlich  von  Mei- 
derich  noch  eine  unter 
den  einmaligen  ausser- 
ordentlichen Ausgaben 
der  Eisenbahn-Verwal- 
tung aufgeführte  Aus- 
gabe von  etwas  über 
5 Mill.  M.  hinzu,  die  sich 
jedoch  bei  Ausführung 
aller  geplanten  Anlagen 
auf  rd.  7 Mill.  M.  stellen 
wird, 

Die  Kosten  der  Hafen- 
erweiterungselbstsollen 
durch  eine  Staatsanleihe 
im  Betrage  von7  MillM., 
bezw.  aus  dem  Kapital- 
vermögen und  den  wäh- 
rend der  4 — 5jährigen 
Bauzeit  zu  erwarten- 
den Einnahme  - Ueber- 
schüssen  des  „Ruhr- 
schiffahrtsfonds "ge- 
deckt werden,  aus  wel- 
chem auch  die  Verzin- 
sung mit  3V2  °/o  und  die 
Tilgung  mit  i % der  ge- 
nannten Anleihe  zu  be- 
wirken ist.  {Die  auf  die 
getilgten  Anleihe  - Be- 
träge entfallenden  Zin- 
sen sind  dabei  ebenfalls 
zur  rascheren  Tilgung 
zu  verwenden.) 

Der  Ruhrschiffahrts- 
fonds ist  eine  eigenar- 
tige, bis  auf  die  Schiff- 
barmachung der  Ruhr 
unter  Friedrich  dem 
Grossen  in  den  70  er 
Jahren  des  18.  Jahrh. 
zurückreichendeEinrich- 
tung.  Durch  den  Bau 
von  Schleusen  neben 
den  vorhandenen  Müh- 
lenstauen  wurde  eine 
den  damaligen  Verhält- 
nissen entsprechende 
Schiffahrts-Strasse  ge- 
schaffen, die  namentlich 
der  Entwicklung  des 
preussischen  Hafens  von 
kuhrort,  als  dem  älte- 


sten und  noch  heute  bedeutendsten  Verschiffungs-  selbe  sehr  wesentlich  durch  die  Kohlenproduktion 
platze  für  den  rheinisch-westfälischen  Kohlenbezirk,  des  rheinisch-westfälischen  Kohlenbezirkes  beeinflusst 
zugute  kam.  Ging  dann  auch  die  anfangs  überaus  wird.  An  dieser  hat  der  Hafen  im  zehnjährigen  Durch- 
lebhafte Schiffahrt  auf  der  Ruhr  selbst  theils  durch  schnitt  von  1890  —1900  mit  rd.  10%  theilgenommen. 
Erschöpfung  der  unmittelbar  an  letzterer  gelegenen  Rechnet  man  für  die  riächsten  10  Jahre  die  gleiche 
alten  Kohlengruben,  hauptsächlich  aber  durch  den  Zunahme  von  rd.  3 Mill.  * jährlich  für  die  Kohlen- 
Wettbewerb  der  Eisenbahnen  mehr  und  mehr  zurück  förderung  (1890  im  Oberbergamts-Bezirke  Dortmund 

35,5Mill.',  im  Jahre  1900  schon  59,6  Mill. wie  für  das  ver- 


und  schliesslich  vollständig  ein,  so  wuchs  andererseits 
die  Bedeutung  des  seit  1850  an  die  Eisenbahn  ange- 


gangene Jahrzehnt,  so  würde  bei  gleicher  Antheilnahme 


schlossenen  Ruhrorter  Hafens  als  Umschlagsplatz  für  desHafens  einVerkehrszuwachs  von  jährlich  300000  »zu 
das  gesammte  rheinisch -westfälische  Kohlenbecken  rechnen  sein.  Der  Hafen  ist  aber  schon  jetzt  an  der 
immer  mehr,  und  dementsprechend  steigerten  sich  auch  Grenze  seiner  Leistungsfähigkeit  angelangt,  umso  mehr, 
die  Ansprüche  an  die  Hafenanlagen  und  ihre  Aus-  als  die  alten  Hafenanlagen  mit  Rücksicht  auf  ihre 


336 


No.  37, 


Grösse  und  Zugänglichkeit  den  modernen  Ansprüchen 
der  Grosschiffahrt  nicht  mehr  voll  entsprechen.  Durch 
diesen  Umstand  namentlich  ist  Ruhrort  hinter  der 
Nachbarstadt  Duisburg,  die  mit  vortrefflichen  Hafen- 
anlagen und  mit  den  neuzeitlichen  Ansprüchen  ent- 
gegenkommenden Einrichtungen  ausgestattet  ist,  be- 
reits verhältnissmässig  zurückgeblieben;  denn  wäh- 
rend 1890  von  dem  durch  diese  beiden  Häfen  ver- 
mittelten Gesammt-Verkehr  des  rheinisch-westfälischen 
Industriegebietes  66  % 
auf  Ruhrort,  34%  auf 
Duisburg  entfielen,  so 
hat  sich  dieses  Verhält- 
niss  1900  auf  58% 
bezw.  42%  gestellt.  Da- 
bei ist  die  Ausnutzung 
der  Hafenanlagen  in 
Ruhrort  für  i nutz- 
barer Uferlänge  von 
286  000  t umgeschlage- 
ner Güter  im  Jahre  1890 
auf  563  000  * im  Jahre 
1900  gestiegen.  Trotz- 
dem haben  viele  An- 
sprüche nicht  befriedigt 
werden  können;  ver- 
schiedene bedeutende 
Firmen  haben  ihre  Be- 
triebe von  Ruhrort  ver- 
legen müssen,  die  Ent- 
stehung einer  ganzen 
Reihe  von  Umschlags- 
plätzen, theils  durch  die 
Nachbar  - Gemeinden, 
theils  durch  Private 
für  den  eigenen  Bedarf 
geschaffen,  ist  eine  Fol- 
ge dieser  Verhältnisse 
und  der  erwarteten  wei- 
teren Verkehrs-Entwick- 
lung. Eine  Erweiterung 
der  Ruhrorter  Hafenan- 
lagen erscheint  also  als 
eine  Nothwendigkeit, 
wenn  diese  ihre  vorherr- 
schende Stellung  für 
den  Kohlen-Umschlags- 
verkehr  namentlich  be- 
haupten wollen. 

Nach  dem  Entwürfe 
soll  östlich  vom  alten 
Hafen  die  Erweiterung 
angelegtwerden,  für  wel- 
che neben  dem  Kaiser- 
hafen unter  gleichzeiti- 
ger Verschiebung  der 
Ruhrmündung  nach  Sü- 
den eine  Einfahrt  durch 
einen  neuen  Hafenkanal 
zu  schaffen  wäre.  (Auf 
dem  Plane  erscheinen 
die  neuen  Flächen  des 
Hafengeländes  dunkler, 
während  die  Wasserflä- 
chen der  Becken  und 
des  Hafenkanals  heller 
stehen  geblieben  sind.) 

Der  Hafenkanal  ver- 


mittelt den  Zuzug  zu  3 Hafenbecken : Ä,  B,  C,  von  denen 
zunächst  Jl  und  B ausgeführt  werden  sollen.  Ein  Durch- 
stich in  Höhe  der  Spitze  der  mittleren  Hafenzunge  ver- 
bindet die  neuen  Becken  mit  dem  Kaiserhafen.  Die 
Hafenbecken  A und  B und  die  Spitze  der  Hafenzunge 
zwischen  denselben  werden  zur  Kohlenverladung  mit 
8 Kippern  ausgerüstet.  (Für  zwei  weitere  ist  Platz 
am  Becken  B vorhanden.)  Die  Becken  erhalten  eine 
Sohlenbreite  von  100™,  der  Hafenkanal  eine  solche  von 
70"*;  dieTiefeüberschrei- 
tet  um  30«="*  noch  das  un- 
terhalb Köln  durch  die 
Verbesserung  des  Rhei- 
nes erreichte  Maass.  Die 
nutzbare  Uferlänge  wird 
um  6,40  durch  den 
neuen  Hafenkanal  und 
den  Ausbau  der  Becken 
A und  B vergrössert. 
Nimmt  man  also  eine  et- 
was geringere  Ausnutz- 
ung an,  als  sie  im  alten 
Hafen  1900  stattgefun- 
den hat,  nämlich5ooooo‘ 
auf  I was  bei  der  we- 
sentlich günstigeren  Ge- 
staltung des  neuen  Ha- 
fens jedenfalls  zulässig 
erscheint,  so  kann  ein 
Umschlagsverkehr  von 
3,2  Mill.  * für  das  Jahr 
durch  die  neuen  Anlagen 
bewältigt  werden,  abge- 
sehen davon , dass  die 
Ausnutzung  des  Kaiser- 
hafens durch  bequeme- 
ren Gleisanschluss  an 
den  südlich  von  Meide- 
rich  anzulegenden  neuen 
Hafenbahnhof  sich  noch 
in  gewissem  Maasse  stei- 
gern lassen  wird. 

Dieser  neue  Hafen- 
bahnhof ist,  w'ie  ein  Blick 
auf  den  Plan  lehrt,  eine 
nothwendige  Folge  der 
Hafenerweiterung,  die 
von  dem  alten  Bahnhofe 
her  keinen  genügenden 
Anschluss  mehr  erhalten 
könnte.  Letzterer  soll  in 
Zukunft  nur  noch  zur 
Bedienung  der  älteren 
Hafenbecken  Verwen- 
dung finden. 

Von  den  Baukosten 
der  Hafen-Erweiterung 
In  dem  schon  genann- 
ten Ges.  - Betrage  von 
13296800  M.  (ohne  den 
Hafenbahnhof)  entfallen 
2343000  M.  auf  Grund- 
erwerb, I 700600  M. 
auf  Hafengleise  und 
784000  M.  auf  die  ma- 
schinelle Ausrüstung 
mit  Kohlenkippern  und 
Ladebühnen.  — 


Die  Wiederherstellung  der  Stadtkirche  in  Friedberg  in  der 
Wetterau.  — Architekt;  Hubert  Kratz  in  Friedberg. 


Mittheilungea  aus  Vereinen. 
Mittelrheinischer  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  ln 
Darmstadt.  In  der  Hauptvers.  am  8.  Dez.  1900  wurde  zum 
Vorsitzenden  Hr.  vonWillmann,  am  28.  Dez.  Hr.  Lands - 
berg  zum  zweiten  Vorsitzenden,  Hr.  Pützer  zum  ersten 
Schriftlührer,  Hr.  Wagner  zum  zweiten  Schriftführer  und 
Hr.  Schild  zum  Rechner  gewählt.  Dem  Vorstande  ge- 
hören weiter  an  die  Hrn.  Iraroth,  Koch  und  Wickop. 

In  der  I.  ord.  Versammlung  am  14.  Jan.  1901,  zu  der 
13  Mitgl.  erschienen,  berichtete  Hr.  Has  über  die  von 

7.  Mai  1902. 


ihm  erbaute  Turnhalle  in  Bessungen.  Der  Bau  ent- 
hält einen  grossen  Turn-  und  Festsaal,  eine  Tageswirth- 
schaft,  Vereiiisräume  und  Zimmer  für  den  Wirth  und  zeigt 
bei  verhältnissmässig  sehr  geringen  Baukosten  eine  an- 
sprechende Ausstattung  und  malerische  Gruppirung. 

Die  II.  ord.  Versammlung  fand  am  28.  Jan.  igor  statt; 
es  waren  13  Mitgl.  und  i Gast  anwesend.  Hr.  Koch  hielt 
einen  Vortrag  über  Wasserstandskarten  und  Hoch- 
wasser-Benachrichtigungen in  Ungarn.  Er  schil- 
derte aufgrund  eigener  Anschauung  bei  Gelegenheit  des 
Fester  Kongresses  im  Jahre  1899  die  Thätigkeil  der  Deich- 


237 


und  Meliorations-Genossenschaften  im  Donau-  und  Theiss- 
gebiet  und  den  eigenartigen,  weitverzweigien  Nachrichten- 
dienst über  Wasserstand,  Niederschläge,  Eisgang,  Ueber- 
schwemmungen  usw.  Ein  reiches  Kartenmaterial  veran- 
schaulichte die  vom  Ackerbau -Ministerium  vorgeschrie- 
benen graphischen  Darstellungen.  Nach  Anschauung  des 
Redners  steht  Ungarn  bezüglich  der  Wasserwirthschaft  an 
der  Spitze,  und  namentlich  in  den  beiden  letzten  Jahr- 
zehnten wurde  geradezu  Vorzügliches  geleistet.  — 

Zu  der  III,  Versammlung  am  ii.  Febr.  unter  Theii- 
nahme  von  i6  Mitgl.  und  5 Gästen  hatte  Hr.  Patentanwalt 
Dr.  Wirth  aus  Frankfurt  einen  Vortrag  über  „Erfindung 
und  Muster,  ihr  Begriff  und  Recht“  übernommen.  — 

Am  2.  März  beging  der  Verein  sein  Winterfest.  Es 
war  von  über  100  Personen  besucht  und  verlief  dank  den 
künstlerischen  und  musikalischen  Vorträgen,  sowie  einer 
Theateraufführung  auf  heiterste  Weise.  — 

In  der  IV.  Vereins-Versammlung  am  ii.  März  unter 
Anwesenheit  von  23  Mitgl.  und  24  Gästen  hielt  Hr.  Prof. 
Dr.  Schenck  einen  Vortrag  über  den  Hausschwamm 
und  seine  Abarten,  die  Art  seines  Wachsthums,  seine 
Lebensbedingungen,  sowie  über  die  Verfahren  zu  seiner 
Vernichtung.  Hr.  Hofmann  zog  alsdann  im  Anschluss 
an  das  vom  Verbände  herausgegebene  Werk  über  das 
„Deutsche  Bauernhaus",  dessen  erste  Lieferung  auslag, 
einen  interessanten  Vergleich  zwischen  dem,  was  in  den 
alten  Bauernhäusern  zu  finden  ist,  und  dem,'  was  heutzu- 
tage auf  dem  Lande  gebaut  wird.  In  zündenden  Worten 
schilderte  er  die  Eigenart,  den  nationalen  Charakter,  die 
malerischen  Elemente  der  alten  Bauweise  und  stellte  sie 
in  Gegensatz  zu  dem  traurigen  Niedergang,  der  vor  etwa 
120  Jahren  einsetzte  und  zu  einem  völligen  künstlerischen 
Bankerott  auf  diesem  Gebiete  führte.  Das  Ausland,  be- 
sonders England  und  Amerika,  sei  uns  in  der  Werth- 
schätzung und  künstlerischen  Durchbildung  der  ländlichen 
Bauweise  weit  voraus.  Es  sei  der  Unterstützung  der 
besten  Kräfte  werth,  auch  in  Deutschland  wieder  auf  eine 
schlichte,  malerische,  heimische  Bauart  hinzuarbeiten  und 
hierzu  werde  das  vom  Verbände  herausgegebene  Werk 
wesentlich  beitragen.— 

Einer  Einladung  des  Historischen  Vereins  folgend, 
fanden  sich  die  Mitglieder  in  grosser  Zahl  zu  einem  Vor- 
trage des  Hrn.  Min.-Raihes  Frhrn.  von  Biegeleben  über 
„Denkmalschutz  in  Hessen  in  Gegenwart  und 
Zukunft",  am  25.  März  ein.  Redner  schilderte  zunächst 
die  bisherigen  bis  zum  Jahre  1818  zurückreichenden  Maass- 
nahmen zum  Schutze  der  Denkmäler  und  entwickelte  als- 
dann die  Grundgedanken  des  von  ihm  ausgearbeiteten 
Gesetzentwurfes,  der  inzwischen  Gesetzeskraft  erlangt  hat. 
Mit  diesen  Maassregeln  tritt  Hessen  an  die  Spitze  der 
Bewegung,  die  die  Erhaltung  des  Denkmälerbestandes 
durch  Gesetzesschutz  anstrebt.  Es  ist  das  eigenste,  her- 
vorragende Verdienst  des  Vortragenden,  hierin  bahn- 
brechend gewirkt  zu  haben.  — 

Hr.  von  Weltzien  fesselte  die  von  17  Mitgl.  besuchte 
VI.  ord.  Versammlung  am  15.  April  durch  eine  mit  grossem 
Beifall  aufgenommene  Schüderung  der  von  ihm  im  Auf- 
träge der  Invaliden-  und  Alters-Versicherungsanstalt  für  das 
Grossherzogthum  Hessen  erbauten  Lungenheilanstalt 
bei  S'andbach  i.  O.  Die  im  prächtigen  Mümlingthal,  um- 
geben von  grossen  Nadelwäldern,  auf  ausgedehntem  Bau- 
platze errichtete  Ernst-Ludwig-Heilstätte  erweist  sich  hier- 
nach als  eine  sowohl  in  hygienischer  Beziehung  den  hoch 
sten  Anforderungen  entsprechende  als  auch  in  künstle- 
rischer Hinsicht  malerisch  und  wirkungsvoll  ausgestaltete 
Anlage,  die  als  eine  Musteranstalt  ihrem  Erbauer  alle 
Ehre  macht,  — 

Am  II.  Mai  fand  im  Anschlüsse  an  den  Vortrag  des 
Hrn.  von  Weltzien  eine  Besichtigung  der  Ernst-Ludwig- 
Heilanstalt  bei  Sandbach  i.  O.  statt.  Alle  Theilnehmer 
waren  voll  des  Lobes  über  die  schöne  Anlage.  — 

Zur  Wanderversammlung  des  mittelrhein.  Vereins  in 
der  Techn.  Hochschule  in  Darmstadt  hatten  sich  33  Mitgl. 
eingefunden.  Vor  Beginn  der  Verhandlungen  hatte  die  in 
der  Aula  ausgestellte  Sammlung  von  Studienzeichnungen 
der  Studirenden  der  Architektur-  und  Ingenieur-Abtheilung 
besonderes  Interesse  erregt. 

Es  wurde  dann  Beschluss  gefasst  über  die  zur  Ver 
handlung  stehenden  Verbandsfragen.  (Inzwischen  über- 
-holt  durch  die  Abgeordn.-Vers.  -des  Verbandes  in  Königs- 
berg in  Pr.  Vergl.  Jahrg.  1901,  S.  501.) 

Als  Ort  der  nächsten  Wanderversammlung  wird  Mainz 
in  Aussicht  genommen.  Anstelle  der  vier  ausscheidenden 
Vorstandsmitglieder  Angelroth,  Schipper,  Sutter  und  Reu- 
ling,  von  denen  letzterer  nicht  wieder  wählbar  ist,  wurden 
die  Hrn.  Angelroth  (Wiesbaden),  Schipper  (Wiesbaden) 
Schobert  (Giessen)  und  Sutter  (Mainz)  gewählt. 

Hierauf  wurde  unter  Führung  des  Hrn.  Bauinsp.  Diehl 
der  Museums-Neubau  besichtigt,  nachdem  anhand  von  zahl- 


reichen Zeichnungen  die  von  Prof.  Messel  geleitete  grosse 
Bauanlage  durch  den  Führenden  erläutert  worden  War.  — 

Nach  den  Sommerferien  fand  die  VII.  ord,  Vers,  am 
21.  Okt.  unter  Theilnahme  von  12  Mitgl.  statt.  Es  schil- 
derte Hr.  V.  Willmann  den  Verlauf  der  Abgeordneten- 
Versammlung  in  Königsberg  und  gab  eingehende  Mitthei- 
lungen über  den  neuen  Schiffahrtskanal  nach  Pillau.  Hr. 
V.  Weltzien  ergänzte  die  Ausführungen  des  Redners  noch 
durch  die  Schilderung  des  Besuches  der  Marienburg.  — 

Zur  VIII.  ord.  Vers,  am  4.  Nov.  hatten  sich  19  Mitgl. 
und  2 Gäste  eingefunden.  Der  Vorsitzende  gedachte  zu- 
nächst in  warmen  Worten  des  am  29.  Okt.  verstorbenen 
Hrn.  _ Geh.  Brth.  Prof.  Marx,  eines  Mitbegründers  des 
Vereins.  Hr.  Pützer  erläuterte  hierauf  anhand  einer 
grossen  Zahl  von  Zeichnungen  das  Burghaus  Classen 
bei  Aachen,  einen  nach  seinen  Plänen  vor  kurzem  aus- 
geführten Neubau.  — 

An  der  IX.  ord.  Vers,  am  18.  Nov.  nahmen  12  Mitgl. 
und  2 Gäste  theil.  Hr,  Reg.-Bfhr.  Schettler  machte  als 
Gast  in  anregender  Weise  ausführliche,  auf  eigene  Wahr- 
nehmungen und  Studien  gestützte  Mittheilungen  über  die 
Bauernkunst  in  der  Lüneburger  Haide.  Eine  seit 
Jahrtausenden  sich  langsam  und  stetig  ohne  wesentlichen 
Einfluss  der  Modeströmungen  vollziehendeEntwicklung  zeigt 
uns  hier  die  Geschichte  des  germanischen  Hauses  in  seinem 
Aeusseren  ebensowohl  wie  in  den  vielseitigen  Einzelheiten 
der  inneren  Ausstattung.  Die  symbolischen  Beziehungen 
zu  den  grösstentheils  dem  heidnischen  Kultus  entstammen- 
den Gebräuchen  wurden  besonders  eingehend  geschildert. 

In  der  von  19  Mitgl.  besuchten  X.  ord.  Vers,  am  2.  Dez. 
sprach  Hr.  Wegele  über  Fortschritte  im  Eisenbahn- 
wesen. Er  ging  insbesondere  auf  die  Betriebs-  und  Sicher- 
heits-Verhältnisse ein,  erörterte  die  Verstärkung  des  Ober- 
baues und  die  Verbesserung  der  Betriebsmittel,  der  Stell- 
werksanlageri  und  des  Signalwesens,  besprach  die  Tren- 
nung der  Anlagen  für  den  Personen-  und  Güterverkehr, 
sowie  für  denVerschubdienst  beider  Erweiterung  der  Bahn- 
höfe und  ging  dann  auf  die  Steigerung  der  Fahrgeschwin- 
digkeit und  die  dadurch  bedingten  Maassnahmen  ein.  — 

Die  35.  Hauptvers.  des  Vereins  fand  am  14.  Dez.  1901 
unter  dem  ersten  Vorsitzenden  Hrn.  v.  Willmann  statt. 

AnsteEe  der  satzungsmässig  aus  dem  Vorstande  aus- 
scheidenden Hrn.  Landsberg,  Koch,  Wickop  und  Schild, 
von  denen  die  Hrn.  Koch  und  Wickop  nicht  wieder 
wählbar  sind,  wählte  die  Versammlung  die  Hrn.  Knapp, 
Schild,  Stegmayer  und  v.  Weltzien.  Anstelle  des  ver- 
storb.  Hrn.  Angelroth  (Wiesbaden)  wurde  Hr.  Genzmer 
(Wiesbaden)  gewählt.  Die  Wahl  eines  ersten  Vorsitzen- 
den fiel  auf  Hrn.  v.  Willmann,  — 

Arch.-  u.  Ing.-Verem  zu  Hamburg.  Vers,  am  21.  Febr. 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  134  Personen. 

Hr.  Dr.  Classen  hält  einen  Experimental-Vortrag  über 
drahtlose  Telegraphie  nach  Marconi,  Slaby  und 
Braun.  Die  drahtlose  Telegraphie  beruht  auf  der  Steige- 
rung der  elektrischen  Induktions- Erscheinungen  durch 
Steigerung  der  Wechselzahl  der  induzirenden  Stromstösse 
und  auf  deren  Beobachtung  durch  geeignete  Apparate. 
Ausserordentlich  hohe  Wechselzahlen  erhält  man  nach 
Hertz  bei  der  Funken-Entladung  zwischen  leitenden  Kör- 
pern z.  B.  Leydener  Flaschen.  Derartige  heftige  elektrische 
Schwingungen  sind  im  Stande,  Induktionswirkungen  auf 
ausserordentliche  Entfernungen  wahrnehmbar  werden  zu 
lassen.  Für  die  Wahrnehmung  dient  der  von  Branly  und 
Lodge  erfundene  Kohärer,  bestehend  aus  einer  kleinen 
Menge  Metallpulver,  die  in  einem  Glasröhrchen  zwischen 
zwei  Elektroden  eingeschlossen  ist.  Das  Metallpulver  bildet 
für  einen  schwachen  Gleichstrom  zunächst  einen  sehr 
grossen  Widerstand.  Treffen  jedoch  elektrische  Wellen 
auf  den  Kohärer,  so  verschwindet  der  Widerstand  grössten- 
theils und  der  Gleichstrom  vermag  telegraphische  Zeichen 
zu  geben,  wenn  man  den  Marconischen  Kunstkniff  anwen- 
det, den  Hammer  eines  Kasselers  gegen  den  Kohärer  an- 
schlagen zu  lassen,  wodurch  beim  Aufhören  der  elektri- 
schen Wellen  der  Kohärer  sofort  wieder  zum  Schweigen 
gebracht  wird.  Zur  Uebertragung  der  elektrischen  Wellen 
werden  lange,  meist  senkrecht  stehende  Drähte  benutzt, 
welche  nach  Marconi  geerdet  sind.  Analog  der  akustischen 
Abstimmung  von  Stimmgabeln  ist  es  möglich,  den  Sender- 
und Empfängerapparat  auf  einander  abzustimmen,  indem 
man  sekundäre  Induktionsspulen  zur  Uebertragung  der  in 
Leydener  Flaschen  erzeugten  Schwingungen  auf  den 
Senderdraht  benutzt  und  diese  Spulen  harmonisch  ab- 
stimmt. In  der  Anordnung,  dieser  Spulen  und  ihrer  elek- 
trischen Verbindungen  unterscheiden  sich  gegenwärtig  die 
Systeme  Marconi,  Slaby  (A.  E.-G.)  und  Braun  (Siemens  & 
Halske).  Braun  macht  sich  insbesondere  von  der  Erd- 
verbindung  frei  und  gewinnt  dadurch  die  Möglichkeit  einer 
vollständigen  Regulirbarkeit  vom  Arbeitsraum  aus;  auch 


238  No.  37. 


hat  Braun  die  Wirkungen  der  sekundären  Uebertragung 
von  in  Leydener  Flaschen  erzeugten  langdauernden  Schwin- 
gungen zuerst  klar  ausgesprochen.  Slaby  benutzt  anstelle 
der  Induktion  die  einfache  Berührung  der  auf  einander 
abgestiramten  Schwingungskreise.  Redner  erläutert  die 
Möglichkeit  der  verschiedenen  Schaltungs-  und  Ueber- 
tragungsweisen  durch  eine  Reihe  von  Versuchen.  Die 
verschiedenen  Systeme  der  drahtlosen  Telegraphie  sind 
gleichwerthig  hinsichtlich  der  Uebertragung  zwischen  dem 
Sender  und  Empfänger.  Die  Unterschiede  beruhen  haupt- 
sächlich auf  den  Einzelheiten  der  Erzeugung  und  Ver- 
werthung  der  elektrischen  Schwingungen  in  dem  Sender 
und  Empfänger.  — St. 

Vereinigung  Berliner  Architekten.  Gesellige  Zusammen- 
kunft vom  3.  April  unter  Vorsitz  des  Hrn.  Wolffenstein 
und  unter  Theilnahme  von  29  Mitgliedern  und  Gästen.  Im 
Saale  waren  ausgestellt  Entwürfe  des  Hrn.  Malers  Franz 
Eissing,  eines  Schülers  des  Prof.  Schaper  in  Hannover. 
Die  Entwürfe  zeigten  figürliche  Darstellungen  für  Glas- 
malereien und  für  andere  dekorative  Malereien  und  er- 
regten den  ungetheilten  Beifall  der  Versammlung.  Zur 
Tagesordnung  berichtete  Hr.  Br.  Möhring  über  die  inter- 
nationale kunstgewerbliche  Ausstellung  in  Turin.  Von  dem 
Hrn.  Möhring  übertragenen  Raum  der  preussischen  Ab- 
theilung waren  farbige  Entwürfe  ausgestellt.  Die  Male- 
reien dieses  Raumes  sind  den  Malern  Leistikow  und 
Männchen  in  Berlin  übertragen.  Hr.  Maler  Schirm 
erläuterte  die  Technik  der  Emailmalerei,  welche  in  aus- 
gedehntem Maasse  an  verschiedenen  Stellen  des  preussi- 
schen Raumes  zur  Anwendung  gelangt.  Zu  den  frei  an- 
geregten Interessenfragen  nahm  Hr.  Krause  das  Wort 
und  berührte  u.  a.  die  Angelegenheit  der  Umgestaltung  des 
Kunstausstellungs-Gebäudes  am  Lehrter  Bahnhof  inBerlin.  ~ 

Die  VI.  ord.  Versammlung  vom  i.  Mai,  an  weicher 
unter  Vorsitz  des  Hrn.  von  der  Hude  39  Mitglieder  und 
mehrere  Gäste  theilnahmen,  ehrte  zunächst  das  Andenken 
des  verstorbenen  Ehrenmitgliedes  C.,W.  Hase  in  Hannover 
undnahmweiterhindieMittheilungendesHrn.S  eh  Wechten 
über  alte  und  neue  Mosaiken  entgegen,  welche  durch 
eine  reiche  Ausstellung  von  Aufnahmen  und  Nachbildun- 
gen alter,  sowie  von  Beispielen  und  Entwürfen  für  neue 
Arbeiten  unterstützt  wurden,  Unter  den  künstlerischen 
Aufnahmen  alter  Arbeiten  befanden  sich  sowohl  solche 
des  Vortragenden,  wie  namentlich  des  Hrn.  Hans  Seliger; 
Beispiele  ausgeführler  Arbeiten  hatte  hauptsächlich  die  An- 
stalt für  musivischen  Schmuck  von  Puhl  & Wagner  in 
Rixdorf  vorgeführt,  unter  ihnen  in  erster  Linie  die  nach 
den  Entwürfen  Schapers  gefertigten  musivischen  Arbeiten 
für  das  Münster  in  Aachen. 

Die  Kunst  des  Mosaik  ist  nach  dem  Vorgänge  anderer 
Länder  in  den  letzten  40  Jahren  auch  in  Deutschland  wieder 
zu  neuem  Leben  erwacht.  Die  Beispiele  von  Rom,  Ra- 
venna, Venedig  und  Palermo  lehren,  dass  es  für  Monu- 
mentalbauten keinen  dauerhafteren,  ernsteren  und  würdi- 
geren Schmuck  der  Wände  und  Gewölbe  giebt,  als  den 
musivischen.  Die  grossartigste  Entfaltung  der  musivischen 
Kunst  erfolgte  im  Dienste  der  Kirche;  die  grossen  Flächen 
der  altchristlichen  und  frühromanischen  Gotteshäuser  ver- 
langten eine  dekorative  Behandlung  durch  Malerei  oder 
Mosaik,  wobei  die  verhältnissmässig  kleinen  Fenster  frei 
von  farbigem  Schmuck  blieben,  um  den  Schmuck  der 
Wände  nicht  zu  beeinträchtigen.  Die  Gothik  schränkte 
die  Wandflächen  sehr  ein  und  verwies  den  farbigen  Schmuck 
auf  die  Glasfenster.  So  kommt  es,  dass  schon  im  13.  und 
14.  Jahrhundert  die  Kunst  des  Mosaik  der  Kunst  der  Glas- 
malerei weichen  muss.  Zur  Litteratur  sind  zu  erwähnen: 
Handbuch  des  Mosaik  und  der  Glasmalerei  von  Elis  (1891), 
sowie  ein  Aufsatz  „Zur  Geschichte  und  Technik  des  Mo- 
saiks" von  Wagner  im  VII.  Jahrg.  No.  10  des  „Monatsblatt 
der  Ges.  f.  Heimatkunde  der  Provinz  Brandenburg". 

Redner  giebt  eine  kurze  geschichtliche  Darstellung  der 
Kunst  des  Mosaiks  mit  einer  Charakterisirung  der  Haupt- 
werke, und  verweilt  einige  Zeit  bei  den  frühchristlichen 
Arbeiten;  hier  werden  erwähnt  die  musivischen  Arbeiten 
in  S.  Constanza  und  im  Baptisterium  im  Lateran  in  Rom; 
das  Mosaikbild  inSanPudenziana,  der  Schmuck  desTriumph- 
bogens  von  San  Paolo  fuori  le  mura,  das  Apsisbild  aus  San 
Cosmas  und  Damianus,  die  Mosaiken  von  San  Prassede, 
San  Clemente,  Sa,  Maria  in  Trastevere  usw.  Wenn  auch 
die  Kunst  des  Mosaik  durch  die  Freskomalerei  beeinflusst 
wurde,  so  ist  sie  in  Rom  doch  nie  ganz  vernachlässigt 
worden;  so  finden  sich  in  S.  Croce  in  Jerusaleme  in  der 
Unterkirche  an  den  Gewölben  treffliche  Mosaiken  nach 
Zeichnungen  von  Baltha-^ar  Peruzzi  (1481 — 1536). 

Neben  Rom  steht  Ravenna;  in  seine  weströmische 
Periode  fallen  die  musivischen  Arbeiten  am  Grabmal  der 
Galla  Placidia,  am  Dom,  an  Giovanni  Evangelista,  an 
Giovanni  Battista,  an  der  erzbischöflichen  Kapelle  und  am 


Baptisterium  der  Orthodoxen.  In  die  zweite,  die  ostgothi- 
sche  Periode,  fallen  Apollinare  nuovo,  das  Baptisterium 
der  Arianer  und  der  Palast  und  das  Grabmal  des  Theodorich. 
In  die  griechisch-oströmische  Periode  fallen  S.  Apollinare 
in  Classe  und  San  Vitale.  Aus  Ravenna  holte  Karl  der 
Grosse  die  Mosaizisten  für  das  Aachener  Münster. 

In  Palermo  hatte  sich  im  12.  Jahrh.  eine  Schule  griechi- 
scher Mosaizisten  gebildet,  von  welchen  die  Mosaiken  des 
Domes  zu  Salerno  (1080),  der  normannischen  Basiliken 
Siziliens,  namentlich  von  S.  Maria  del  ammiraglio  und  der 
Schlosskapelle  von  Palermo  (1140),  der  Kathedralen  von 
Cefalu  und  von  Monreale  (1174)  herrühren. 

In  Venedig  gab  der  Bau  von  San  Marco  Veranlassung 
zur  Ausführung  musivischer  Arbeiten  durch  byzantinische 
Künstler,  die  dann  auch  in  den  Domen  von  Murano,  Tor- 
cello und  Triest  thätig  waren. 

Bei  der  Schilderung  der  musivischen  Arbeiten  in 
Deutschland  verweilte  der  Vortragende  längere  Zeit  bei 
der  Ausschmückung  des  Aachener  Münsters,  die  nach  den 
Chronisten  eine  prächtige  gewesen  sein  muss,  die  aber 
spurlos  verschwunden  ist.  Der  1849  begründete  Carls- 
verein  hat  sich  die  Wiederherstellung  des  Aachener 
Münsters  in  der  karolingischen  Urgestalt  zum  Ziel  gesetzt. 
Die  jetzt  in  der  Kuppel  befindlichen  Mosaiken  sind  anfangs 
der  achtziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  nach  den 
Entwürfen  des  belgischen  Archäologen  undMalersJ.Bethune 
durch  Salviati  & Co.  in  Venedig  ausgeführt  worden.  Zur- 
zeit findet  die  Fortsetzung  der  Ausschmückungsarbeiten 
nach  den  Entwürfen  Schapers  durch  die  Anstalt  von  Puhl 
& Wagner  in  Rixdorf  statt.  — Nach  der  ursprünglichen 
Mosaizirung  des  Aachener  Münsters  entsteht  eine  lange 
Pause  in  der  Kunst  des  deutschen  Mosaik,  Erst  Kaiser 
Karl  IV.  griff  diese  Kunst  wieder  auf  und  liess  1371 
an  der  Südseite  des  Domes  von  St.  Veit  auf  demHradschin 
in  Prag  wahrscheinlich  durch  italienische  Künstler  ein 
Mosaikgemälde,  die  Auferstehung  der  Todten,  ausführen. 
Vielleicht  wurden  durch  Prag  die  Arbeiten  an  der  Marien- 
burg und  am  Dom  zu  Marienwerder  angeregt.  Nach  einer 
halbtausendjährigen  Pause  fand  dann  eine  Wiederbelebung 
der  musivischen  Kunst  in  Deutschland,  allerdings  zunächst 
vom  Auslande  aus,  statt.  Die  grösseren  Arbeiten  in  Berlin, 
das  Rundgemälde  an  der  Siegessäule,  die  Mosaiken  am 
Palais  Pringsheim,  amKunstgewerbe-Museum  usw.  stammen 
noch  von  Salviati  in  Venedig.  Die  Giebelfelder  des  Hof- 
theaters in  München  aus  den  neunziger  Jahren  gehören 
wohl  zu  den  letzten  grösseren  Arbeiten,  welche  in  Venedig 
für  Deutschland  hergestellt  wurden.  Erst  zu  Ende  der 
achtziger  Jahre  begannen  in  Deutschland  die  Versuche, 
sich  von  Italien  loszumachen.  Als  „Deutsche  Glasmosaik- 
Anstalt  Wiegmann,  Puhl  & Wagner“  begann  eine  Berliner 
Anstalt  eigene  Wege  erfolgreich  einzuschlagen;  die  An- 
stalt trennte  sich  später  in  zwei  selbständigeUnternehraungen. 
Dem  Aufschwung  der  musivischen  Kunst  in  Deutschland 
boten  die  Arbeiten  an  den  3 Gedächtnisskirchen  inBerlin,  der 
Kaiserin  Augusta-Gedächtnisskirche  von  Spitta,  der  Kaiser 
Friedrich-Gedächtnisskirche  von  Vollmer  und  der  Kaiser 
Wilhelm  - Gedächtnisskirche  von  Schwechten  eine  gute 
Grundlage.  Hinzu  trat  noch  die  in  grösserem  Umfange  mit 
musivischen  Darstellungen  geschmückte  Berliner  St.  Geor- 
gen-Kirche  vonOtzen.  Umfangreiche  Arbeiten  wird  auch  die 
Ausschmückung  des  Berliner  Domes  dieser  Kunst  stellen. 
In  der  Kaiser  Wilhelm-Gedächtnisskirche  sind  bis  jetzt 
etwa  1700  q“  Gewölbe-  und  Wandflächen  mit  Mosaik  be- 
deckt; nach  Vollendung  der  gesammten  Arbeiten  i.  J.  1906 
erreicht  die  Fläche  den  Umfang  von  2740  q“;  wenn  man 
von  S.  Marco  in  Venedig,  welches  etwa  4000 q"”  mosai- 
zirter  Fläche  hat,  und  vom  Dome  zu  Monreale  absieht, 
so  besitzt  kein  kirchliches  Bauwerk  des  In-  und  Auslandes 
einen  musivischen  Schmuck  von  dem  Umfange,  wie  der  der 
KaiserWilhelm-Gedächtnisskirche.  Dem  Künstler  desselben, 
Prof.  A.  Linnemann  in  Frankfurt  a.  M.,  war  die  Aufgabe 
gestellt  worden,  die  Gewölbe  und  Wandflächen  in  ein- 
facher Weise  so  zu  behandeln,  dass  der  farbenprächtige 
Altarraum  immer  als  Hauptpunkt  der  ganzen  Ausschmückung 
erhalten  bliebe.  Es  ist  deshalb  von  der  Verwendung  eines 
grösseren  figürlichen  Schmuckes  abgesehen  worden.  Nur 
auf  den  Hauptflächen  der  grossen  Vierung  kamen  vier  Erz- 
engel in  prachtvollen  Gewandungen  und  auf  vier  kleineren 
Gewölbekappen  die  Kirchenväter  Augustinus,  Ambrosius 
Athanasius  und  Chrysostomus  zur  Darstellung.  Der  Grund- 
ton für  die  Flächen  wurde  durch  ein  Gemenge  von  zahl- 
reichen Schattirungen  in  gelblichen,  grünlichen  usw.  Farben 
gebildet,  auf  welchem  die  Ornamente,  vielfach  nur  in  ein- 
fachen Linienmotiven  bestehend,  in  Gold  eingelegt  wur- 
den. Es  ist  auf  diese  Weise  eine  Art  Goldbrokatwirkung 
erzielt  worden,  welche  dem  Kirchenraume  eine  weihe- 
volle, aber  trotz  der  aufgewendeten  reichen  Mittel  ruhige 
Stimmung  verleiht.  An  verschiedenen  Stellen  ist  von 
einer  Musterung  ganz  abgesehen;  es  wurden-  hier  die 


7.  Mai  1902. 


239 


Grundtöne  ganz  willkürlich  mit  den  Goldsteinchen  ver- 
mischt. Hierdurch  entstand  eine  so  lebendige  Wirkung, 
wie  sie  durch  Anwendung  reiner  Goldsteinchen  nicht 
hätte  erreicht  werden  können. 

Zum  Schluss  seiner  mit  reichem  Beifall  aufgenomme- 
nen Mittheilungen  gab  Redner  noch  eine  längere  Aus- 
führung über  die  Technik  der  musivischen  Kunst, 
bei  welcher  er  durch  die  Erfahrungen  von  Puhl  & Wagner 
unterstützt  wurde.  — Im  Saale  waren  .neben  den  den  vor- 
stehenden Vortrag  illustrirenden  Arbeiten  eine  grössere 
Reihe  dekorative  Malereien  des  Hrn.  Eckhardt,  theiis 
Aufnahmen,  theiis  Entwürfe,  zum  grösseren  Theil  in  breiter, 
flotter  Darstellung,  ausgestellt.  — 


Vermischtes. 

Ein  neuer  Dübelstein  als  Ersatz  für  Holzdübel  wird  in 
der  Dampfziegelei  zu  Nied  er  nd  odeleben  bei  Magdeburg 
als  Erfindung  des  Kreisbauinsp.  Brth.  Ochs  hergestellt, 
der  ausser  den  sonstigen  Vorzügen  der  Dübelsteine  auch 
den  besitzt,  den  Holzdübel  auch  an  Billigkeit  zu  über- 
treffen. Er  besteht  aus  gebranntem  Thon,  ist  nagelbar 
und  es  lassen  sich  Schrauben  ohne  Mühe  einziehen.  Seine 
Form  und  Grösse  sind  die  eines  gewöhnlichen  Mauerstein- 
Dreiquartiers.  Eine  bestimmte  Beimischungssubstanz,  die 
diesem  Dübelstein  neben  hoher  Widerstandskraft  poröses 
Aussehen  und  Aufnahmefähigkeit  für  Schrauben  und  Nägel 
giebt,  ist  Patentgeheimniss  des  Erfinders.  Die  Verwen- 
dungsweise ist  dieselbe,  wie  bei  den  anderen  Dübelsteinen, 
d.  h.  er  ist  benutzbar  nicht  nur  zu  Thüren,  sondern  auch 
zur  Befestigung  von  Holzstufen  auf  Massivtreppen,  über- 
haupt zur  Anbringung  aller  Holztheile  an  Massivmauern. 
Bereits  an  verschiedenen  Bauten  in  Magdeburg  haben  sich 
die  Ochs’schen  Dübelsteine  bewährt,  darunter  nament- 
lich bei  Neubauten  der  Eisenbahn-Direktion,  wo  stark  in 
Anspruch  genommene  Thüren  der  Wartesäle  und  Stations- 
gebäude und  an  der  Wand  angebrachte  Konsolbretter  eine' 
besonders  dauerhafte  Ausführung  bedingten.  Der  Preis 
eines  solchen  Dübelsteins  beläuft  sich  auf  ungefähr  7 Pf.  — 

Th. 

Zur  Erhaltung  der  alten  Baudenkmäler.  Eines  der 
wichtigsten  Baudenkmäler,  welches  die  kunstgeschichtlich 
so  lehrreiche  Stadt  Quedlinburg  aufzuweisen  hat,  ist  die 
Krypta  der  einstigen  Wiperti-Klosterkirche.  Diese  Kirche 
ist  als  ein  Theil  des  Wiperti-Klostergutes  zurzeit  im  Be- 
sitz eines  Landwirthes  und  wird  von  ihm  als  Scheune 
benutzt.  Bei  einem  Besuch,  den  ich  in  der  Osterwoche 
d.  J.  in  dieser  Kirche  machte,  wurde  mir  seitens  einiger 
Arbeiter  des  Besitzers  eröffnet,  dass  die  Krypta  vermauert 
und  eingefüüt  sei.  In  welchem  Maasse  dies  zutraf,  konnte 
ich  nicht  feststellen,  es  blieb  mir  nur  übrig,  mit  Bedauern 
über  den  Mangel  an  künstlerischem  und  geschichtlichem 
Sinne,  der  ein  so  bedeutendes  Baudenkmal  nicht  blos  dem 
Verfall,  sondern  der  gewaltsamen  Zerstörung  überlässt, 
von  dem  Ort  zu  scheiden.  Sollte  es  unmöglich  sein, 
dieses  Baudenkmal  vor  dem  Untergänge  zu  bewahren?  — 
Stuttgart,  April  1902.  Ernst  Fritz,  Arch, 

Korkteppich.  Unter  dieser  Bezeichnung  bringt  die 
Linoleum-Industrie  ein  Erzeugniss  auf  den  Markt,  bei 
welchem  in  Aussehen  und  stofflicher  Behandlung  die 
warme  Wirkung  des  Teppichs  erstrebt  und  auch  nach 
den  uns  vorliegenden  Proben  bis  zu  einem  hohen  Grade 
erreicht  ist.  Der  Bodenbelag,  der  elastisch  weich  ist  und 
keine  bleibendenEindrücke  schwererBelastungen  annimmt, 
wird  hauptsächlich  dort  zur  Geltung  kommen,  wo  ein 
weiches  Gehen  und  Schalldämpfung  in  Frage  kommen. 
Im  Uebrigen  ist  das  Erzeugniss  durch  die  gleichen  Eigen- 
schaften ausgezeichnet,  wie  das  gewöhnliche  Linoleum.  — 


PreisbewerbungeQ. 

Von  zwei  Wettbewerben  des  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereins  zu  München  betraf  der  eine  Entwürfe  für  eine 
katholische  Kirche  in  Windsheim.  Unter  16  Arbeiten 
wurden  die  der  Hrn.  Berndl,  Schulz  und  Jäger  als  die 
besten  und  unter  sich  gleichwerthig  bezeichnet.  Der  andere 
Wettbewerb  betraf  die  Ausgestaltung  der  Pläuser- 
gruppe  am  schönen  Thurm  in  Erding.  Hier  waren 
die  Entwürfe  derHrn.Rank  undKnöpfle  die  besten. — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  DicGarn.-Bauinsp.Brthe.  Knitterscheid 
und  S c ii  w e n c k von  den  Int.  des  V.  u.  X'VIII.  Armee-Korps  sind 
zu  Int.-  u.  Brihn.  ernannt. 

Baden.  Verliehen  ist  vom  Orden  des  Zährioger  Löwen : dem 
Geh.  Rath  Lions  eil  in  Karlsruhe  das  Kommandeurkreuz  I.  Kl.; 
dem  Baudir.  W a s m e r in  Karlsruhe  das  Kommandeurkreuz  ]I.  Kl. ; 
den  Brthn.  B e h a g h e 1 in  Heidelberg  und  Kuttruf  in  Karlsruhe 
das  Ritterkreuz  I.  Kl.  mit  Eichenlaub;  — dem  Prof.  Kossmann, 
den  Brthn.  Rosshirt,  Frhr.  v.  Babo,  Cassinone  u.  Fliegauf 


in  Karlsruhe;  den  Ob.-Bauinsp.  Walliser  in  Heidelberg,  Wieser 
in  Rastatt,  Kupferschmid  in  Mannheim,  Frey  in  Donau- 
eschingen,  Friederich  in  Lahr,  Keller  in  Wertheim,  K a y s e r 
in  Bruchsal,  Steinhäuser  in  Ueberlingen,  Wundt  in  Wertheim, 
Hofmanu  in  Offenburg,  dem  Brth.  Stahl  u.  dem  Ob.-Ing. 
Roman  in  Karlsruhe,  den  Bahn-Bauiiisp.,  Ob.-Ing.  Eissenhauer 
in  Singen  u.  Tegeler  in  Kehl,  den  Masch.-Insp.,  Ob.-Ing.  Schön- 
feld in  Freiburg  11.  Hallensleben  in  Karlsruhe,  dem  Stadtbrth. 
Eisen]  ohr  in  Mannheim  das  Ritterkreuz  I.  KL;  — dem  Hoch- 
bauinsp.  Herr  in  Ueberlingen  das  Ritterkreuz  II.  Kl.  mit  Eichen- 
laub; — dem  Eisenb.-Arch.  Fromhold  in  Lauda  das  Ritter- 
kreuz II.  Kl.  — 

Ernannt  sind;  Der  Ob.-Brth.  S eyb  in  Karlsruhe  2.  Geh.  Ob.- 
Brth. ; — der  Brth.  Kräuter  in  Karlsruhe  z.  Ob.-Brth.;  — der 
Masch.-Ing.  Matten  kl  ott  in  Karlsruhe  z.  Reg.-Rth. ; — die 
Bahnbauinsp.,  Ob.-Ing.  Hofraann  in  Bruchsal , Buzengeiger 
in  Rastatt,  die  Prof.  Schlüter,  Levyu.  Lauenstein  an  der 
Baugewerkschule  in  Karlsruhe,  die  Ob.-Bauinsp.  Obermülle r 
in  Offenburg  u.  Eisenlohr  in  Karlsruhe,  Arch.  S e itz  in  Heidel- 
berg 2.  Brth.;  — die  Masch.-Insp.  Zutt  in  Mannheim,  Gugler 
in  Darmstadt,  Poppen  in  Karlsruhe  z.  Ob.-Ing.;  — die  Wasser- 
u.  Strassenbauinsp.  Wiese  in  Mosbach  u.  W a g n e r in  Bonndorf, 
Bez.-Bauinsp.  Lang  in  Bruchsal  z.  Ob.-Bauinsp.;  — der  Bez.-Ing. 
Sichert  in  Karlsruhe  2.  Kultur-Insp. ; — der  Bez.-Ing.  Meythaler 
in  Karlsruhe  z.  Wasser-Bauinsp. ; — die  Eisenb.-lng;  Brentano 
iu  Willingen,  Michaelis  in  Karlsruhe  u.  F e s s 1 e r in  Offenburg' 
z.  Bahnbauinsp.,  — der  Eisenb.-Arch.  Lu  tz  in  Basel  z.  Llochbauinsp. 


Brief-  und  Pragekasten. 

Hrn.  Arch.  R.  G.  in  Stettin.  Selbst  wenn  Sie  dem  Nachbar 
gegenüber  ein  Recht  auf  Duldung  Ihrer  Fenster  durch  Verjährung 
erworben  haben  und  ira  Stande  sein  'würden,  dessen  auf  Schliessung 
der  Fenster  gerichteten  Klage  durch  den  Verjährungseinwand  zu 
begegnen,  was  jedoch  nach  Ihrer  Sachdarstellung  keineswegs  sicher 
ist,  würden  Sie  daraufhin  noch  nicht  in  die  Läge  kommen,  die 
Kraftloserklärung  der  Polizei-Verfügung  vom  ii.  März  d.  J.  zu  er- 
wirken. Denn  die  Polizei  verlangt  kraft  öffentlichen  Rechtes  die 
Schliessung  der  Fenster,  weil  nach  dortigem  Ortspolizeirecht  die 
Mauern  an  der  Grenze  als  Hrandmaucro  .zu  behandeln,  sind  und 
Fenster  in  Brandmauern  nicht,  angelegt.- werden  dürfen..  Nur  wenn 
Sie  nachweisen  könnten,  dass  die  Polizei  die  Anlage  der  vorhan- 
denen Fenster  gekannt  und  Ihnen  genehmigt  hatte,  dass  also  in 
einem  früheren  Zeitpunkte  die  Polizei  die  Gefalirlosigkelf  dieses 
Zustandes  für  das  Gemein-wohl  ausgesprochen  hatte,  würden  Sie 
vielleicht  durch  Verwaltungsbeschwei  de  - oder  Verwaltungs-Streit- 
klage gemäss  Ges.  vom  30.  Juli  1883' § 127  ff.  gegen  die  Polizei 
mit  dem  Anträge  vorgeben  können,  die  erlassene  Verfügung  kraftlos 
zu  erklären.  Da  Sie  jedoch  die  Beweislast  trifft,  eine.  Anlage-Er- 
laubniss  nicht  verlegen  zu  können  , und  da  .Sie  selbst  anführen, 
dass  die  Polizei-Akten  eine  Zeichnung  des  heutigen  Zustandes  nicht 
besitzen,  spricht  das  Uebergewicht  der  Wahrscheinlichkeit  dafür, 
dass  sie  beweisfällig  bleiben  und  in  einem  anzustrengenden  Ver- 
fahren unterliegen  würden.  — K.  H-e. 

Hrn.  Stdtbmstr.  W.  in  Odenkirchen,  i.  Da  die  Anlieger- 
beiträge im  G.  v.  2.  Juli  1875  § 15  mit  den  erlassenen  Ortsstatuten 
ihre  Stütze  finden,  haben  sie  die  Eigenschaft  öffentlicher  Lasten, 
welche  auf  den  betheiligten  Grundstücken  ruhen.  Für  dieselben 
sind  deshalb  die  jeweiligen  Grundstücksbesitzer  dinglich  vei'haftet, 
ohne  dass  es  einer  Eintragung  der  Last  im  Grundbuchc  bedurfte. 
Schuldige  Anliegerbciträge  gehen  bei  der  Zwangsversteigerung  so- 
gar den  eingetragenen  Hypotheken  und  Grundschulden  im  Range 
vor.  Mithin  kann  die  Stadt  die  fälligen  Anlicgerbeiträge  von  dem 
derzeitigen  Grundstücksbesitzer  beitreiben,  .dem  jedoch  unbenommen 
ist,  difcserhalb  auf  den  Vorbesitzer  oder  auf  diejenigen  Beamten 
zurückzugreifen,  welche  die  rechtzeitige  Beitreibung  schuldhaft 
unterlassen  haben  sollten.  2.  Das  Verlangen  zur  Regulirung  von 
Bürgersteigen  findet  in  A.  L.-R.  II  17  § 10  mit  Gesetz  v.  ii.  März 
1850  §§  6,  II  seine  Stütze.  Es  ist  somit  polizeilicher  Natur  und 
kann  gegen  den  derzeitigen  Grundstücksbesitzer  gerichtet  werden, 
welcher  als  solcher  zur  Herstellung  der  Anstalten  verpflichtet  ist, 
welche  aus  Gründen  der  öffentlichen  Ordnung  und  Sicherheit  von 
ihm  gefoi'dert  werden.  Er  würde  vergeblich  im  Vcrwaltungsstreitver- 
fahren  gemäss  G.  v.  30.  Juli  1883  §§  T27  ff.  auf  Kraftloserklärung 
der  polizeilichen  Auflage  klagbar  werden.  Ausgeschlossen  ist  je- 
doch nicht,  dass  er  wegen  seines  Aufwandes  Rückgriffe  gegen 
seinen  Vorbesitzer  nehmen  oder  Ersatzklage  gegen  solche  Beamte 
anstellcn  kann,  welche  schuldhaft  unterlassen  haben  sollten,  die 
Verwirklichung  der  Bedingung  im  Bauerlaubnisschein  rechtzeitig 
zu  betreiben.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  L.  K.  in  Bensheim.  Ein  Urthcil  über  den  Inhalt 
des  zwischen  Ihnen  und  dem  Bauherrn  zustande  gekommenen  Rechts- 
verhältnisses gestattet  llme  Sachdarstellung  nicht,  weshalb  die  ver- 
langte Auskunft  über  den  Umfang  der  Ihnen  zustehenden  Ansprüche 
nicht  ci'theilt  werden  kann.  Zu  einer  festen  Abrede,  was  Sic  zu 
leisten  haben  wüi'den  und  auf  welchen  Unterlagen  das  Ihnen  ge- 
bührende Entgelt  zu  berechnen  sei,  ist  jedenfalls  nicht  getroffen. 
Sie  können  deshalb  nur  eine  angemessene  Vei'gütung  der  von  dem 
Bauherrn  benutzten  bezw.  bestellten  Arbeiten  fordern.  Was  je- 
doch wirklich  geleistet  ist,  was  der  Bauherr  angenommen  hat  und 
was  dafür  angemessen  ist,  sind  Fragen  thatsächlicher  Natur,  über 
die  wir  kein  Bild  gewinnen  können.  — K.  H-e. 

Hrn.  H.  O.  in  Köln.  Die  Direktion  der  Baugewerkschule, 
die  Sie  besucht  haben,  dürfte  am  ehesten  Ihre  Fragen  beantworten 
können.  — 

Inhalt: 'Die  Wiederherstellung  der  Stadtkirche  ia  Friedberg  ia  der 
Wetterau.  — Die  geplante  Erweiterung  des  Hafens  in  Ruhrort.  — Mit- 
theilungeu  aus  Vereinen  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitimg,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  37. 


240 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN 


srsrajÄsrssatststsrsfarstst 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2:  38.  * 
DEN  10.  MAI  igo2. 
istsrsrsjatstarststftscstarst 


Von  der  Industrie-  und  Kunst-Ausstellung  in  Düsseldorf  1902.  Abbildg.  5.  Pavillon  des  Bochumei  Vereins  während  der  Montage. 


Die  Wiederherstellung  der  Stadtkirche  in  Friedberg  in  der  Wetterau. 

(Schluss)  Hierzu  eine  Bildbeilage. 


ipfermann  nahm  den  Techniker  Hugo  Eisen- 
hardt als  Bauführer  an,  der  das  schadhafte 
I Dach  untersuchte  und  provisorisch  herstellte. 

' Im  Jahre  1894  stellte  Opferinatin  als  zweiten 
Gehilfen  den  Architekten  Paul  Meissner  aus 
Frankfurt  a.  M.  an,  der  in  Verbindung  mit  Eisenhardt 
die  Aufnahme  der  Kirche  in  gewissenhafter  Weise  aus- 
führte und  zugleich  im  Inneren  Gerüste  zum  Schutze  der 
Gewölbe  des  Chores,  der  Vierung  und  der  Kreuzarme 
aufstellte.  Im  Juni  1895  reichte  Opfermann  den  Kosten- 
anschlag (482500  M.)  mit  Skizzen  und  einen  Bericht 
ein,  in  welchem  er  sagte,  dass  er  lange  Zeit  die  Nieder- 
Icgung  des  Chores  und  der  Kreuzarme  für  eine  Noth- 
w'endigkeit  gehalten  habe,  und  wenn  er  heute,  1895, 
glaube,  dass  an  eine  Erhaltung  des  Chores  gedacht 
werden  könne,  so  geschehe  es  in  der  Voraussetzung 
und  in  der  Ueberzeugung,  dass  eine  Fundament-Ver- 
stärkung und  eine  gründliche  Wiederherstellung  des 
Mauerverbandes  an  den  gefährdeten  Stellen  möglich  sei. 

Dieses  Verfahren  sei  umständlicher  und  gefährlicher, 
als  das  Niederlegen  und  er  verkenne  die  Schwierig- 
keiten bei  der  Ausführung  an  den  Fundamenten  wie 
an  den  aufgehenden  Mauern  keineswegs,  aber  die 
Pietät  für  das  altehrwürdige  Bauwerk  habe  ihn  zu  dem 
Entschluss  geführt,  den  schwierigeren  und  verant- 
w'ortungsvolleren  Weg  in  Vorschlag  zu  bringen.  Es 
folgte  nun  noch  eine  Kunstraths-Sitzung  am  30.  Dez. 
1895,  neben  den  Mitgliedern  des  Kunstrathes 

{Beyer,  Schäfer,  Wagner)  Vertreter  des  Ministeriums, 
des  Ober-Konsistoriums,  des  Kreisamtes,  des  Stadt- 
und  Kirchenvorstandes  und  des  Kirchenbauvereines 
theilnahmen.  Es  wurde  beschlossen,  den  Chor  und 
die  Kreuzarme  nicht  abzubauen,  nur  die  Gewölbe  des 
Chores  und  des  Querschiffcs  sammt  den  sie  trennen- 
den Gurtbögen  herauszunehmen  und  die  seitlichen 
Fenster  im  Chor  möglichst  zu  öffnen.  Ferner  sollten 


die  breiten  Risse,  die  sich  im  Inneren  und  besonders 
an  den  Blendarkaden  zeigten,  womöglich  mit  Werk- 
stein geschlossen  werden.  Die  Fundamente  und  das 
Mauerwerk  sollten  verstärkt,  erneuert  und  unterfangen 
werden.  Nun  erst  begannen  die  eigentlichen  Wieder- 
herstellungsarbeiten, die  im  April  1896  mit  dem  Ein- 
tritt des  Arch.  Hubert  Kratz  in  die  örtliche  Bauleitung 
ihren  Anfang  nahmen.  Die  Erweiterungsbauten  und 
Schutzvorrichtungen  an  den  inneren  Gerüsten,  die  zur 
Sicherung  der  Gewölbe  eingestellt  waren,  wurden  in 
Angriff  genommen  und  beendet.  Der  Abbau  der  Ge- 
wölbe sollte  beginnen.  Da  fanden  sich  im  August 
1896  in  den  Gewölbezwickeln  und  -Scheiteln  unerw^artet 
Malereien  vor,  die  unter  allen  Umständen  erhalten 
werden  mussten,  wenn  auch  nur  in  Kopie.  Gurlitt 
und  Borrmann  setzten  sie  in  die  Mitte  des  14,  Jahrh. 
und  meinten,  sie  gäben  mit  der  Malerei  im  Hansasaale 
zu  Köln  den  einzigen  Anhaltspunkt  für  die  Beurtheilung 
der  rheinischen  Malerei  des  14.  Jahrhunderts.  Man  konnte 
nun  mit  dem  Abbau  der  Gewölbe  beginnen.  Derselbe 
vollzog  sich  in  den  Monaten  September  und  Oktober 
1896.  Diese  Arbeit  konnte,  weil  gefahrvoll,  nur  lang- 
sam gefördert  werden,  zumal  die  Gewölbe  in  einem 
sehr  zerklüfteten  Zustande  waren.  Alle  Werksteine 
der  Rippen,  Gurten  und  Schildbögen  wurden  vor  dem 
Abbau  genau  gezeichnet,  nach  diesen  Bezeichnungen 
in  Pläne  eingetragen,  worauf  die  übersichtliche  Ab- 
lagerung des  Materiales  im  Schiffe  erfolgte.  Bis  da- 
hin vollzog  sich  der  Gang  der  Arbeit  genau  nach 
dem  Programm,  welches  der  Kunstrath  vorgeschrieben 
hatte.  Aber  schon  vor  dem  Abbau  der  Gewölbe  und 
während  desselben,  namentlich  aber  nach  Hebung  des 
Dachstuhles,  zeigten  sich  Bewegungen  im  Chor  und 
im  Kreuzschiff,  die  durch  das  Springen  der  einge- 
spannten Gipsstäbchen  festgestellt  wurden.  Die  Bau- 
leitung wurde  hierdurch  gezwungen,  die  Risse,  die 


241 


sich  im  Chor  und  in  den  Kreuzarmen  zeigten,  freizu- 
legen, um  den  inneren  Verband  der  Umfassungswände 
untersuchen  zu  können.  Das  Ergebniss  dieser  Unter- 
suchungen war,  dass  das  grossherz.  .Ministerium  den 
Abbau  der  nordöstlichen  Ecke  am  4.  Dezember  1896 
genehmigte. 

Es  wurde  ferner  am  3.  Febr.  1897  durch  den  Kunst- 
rath beschlossen,  den  Chor  und  das  Kreuzschitf  ab- 
zubauen, die  beiden  seitlichen  Chorfenster  beim  Wie- 
deraufbau zu  öffnen  und  auf  dem  Chor  eine  Dach- 
gallerie  entsprechend  derjenigen  am  Langhause  zu 
errichten,  die  jedoch  mit  Fialen  zu  versehen  sei. 

Dieser  Beschluss  des  Kunstrathes  ward  nun  das 
grundlegende  neue  Bauprogramm,  das,  gestützt  auf 
die  Untersuchungen,  Entwürfe  und  Studien  der  Bau- 
leitung, zur  Ausführung  kommen  sollte.  Es  ist  be- 
zeichnend für  die  Grösse  eines  Friedrich  v.  Schmidt, 
der  offenbar  die  Seele  des  im  Jahre  1886  erstatteten 
Gutachtens  war,  dass  Zeit  und  Gang  der  Dinge  ge- 
nau das  brachten,  was  er  gleich  zu  Anfang  mit  kun- 
digem Blicke  vorausgesehen  hatte.  Der  Abbau  voll- 
zog sich  mit  der  nöthigen  Umsicht,  nicht  ohne  die 
für  den  Kunsthistoriker  erfreuliche  Wiederauffindung 
reichlicher  Spuren  romanischer  Architekturen  und  Fun- 
damente. Es  fanden  sich  das  Kranzgesims  des  frühe- 
ren romanischen  Seitenschiffes,  das  Hauptgesims  der 
südlichen  Absiden  und  manche  profilirte  Werksteine. 
Auch  diese  Stücke  sind  zeichnerisch  und  photogra- 
phisch festgelegt  worden  und  bilden  eine  Bereiche- 
rung der  hessischen  Kunstgeschichte. 

Die  Bauleitung  ist  jetzt  natürlich  auch  in  der 
Lage,  die  Ursachen  festzustellen,  welche  den  schönen 
Bau  so  schwer  gefährdet  haben.  Die  Fundament- 
aufdeckung ergab  ein  unverantwortlich  schlechtes. 
Material,  das  stellenweise  ohne  Lager  einfach  in  den 
Lehmboden  gebettet  war.  Die  Fundamentbreite  ent- 
sprach oft  knapp  der  Sockelkante,  ja  es  war  verrauth- 
hch  den  Leuten  die  Kenntniss  davon,  wo  das  Funda- 
ment lag,  überhaupt  verloren  gegangen.  Auch  das  auf- 
gehende Mauerwerk  entbehrte  des  verbandfähigen 
Materials  und  des  bindefähigen  Mörtels.  Die  tragen- 
den Architekturtheile  waren  ohne  Verband  in  sich 
und  mit  dem  Mauerwerk,  so  dass  theilweise  schlangen- 
förraige  Drehungen  der  Bündelsäulen  eintreten  mussten. 
Die  mathematisch-mechanische  Berechnung  ergab  zu- 
dem die  unabweisbare  Nothwendigkeit,  die  Vierungs- 
pfeiler bedeutend  zu  verstärken.  Diese,  die  im  alten 
Zustande  1,65“  lang  und  0,85“  breit  waren,  erhielten 
im  Neubau  nunmehr  eine  Länge  von  2,085“;  die  Breite 
blieb  dieselbe. 


Das  erzieherische  Element  in  der  Architektur. 

(Schluss.) 

er  innige  Zusammenhang  zwischen  dem  Geistesleben 
der  Völker  und  den  von  ihnen  hervorgebrachten 
Architekturwerken  wird  durch  die  Besonderheit  des 
jedesmal  unter  nationalen  Bedingungen  entwickelten  stili- 
stischen Ideals  wohl  hinreichend  klar  gestellt;  schwieriger 
zu  erfassen  ist  die  Rückwirkung,  welche  von  diesen  ab- 
geschlossenen Formenkreisen  auf  die  Charakterbildung  der 
Menschen  ihrer  Periode  ausgeübt  wird,  schon  deshalb, 
weil  wir  diese  geistigen  Ausstrahlungen  nicht  greifbar 
verkörpert  vor  uns  sehen  können.  Einiges  nach  dieser 
Richtung  Hindeutende  mag  imFolgenden  mehr  hypothetisch 
als  beweiskräftig  zur  Erwähnung  kommen. 

Die  Kirchenbauten  aller  Zeiten  zeigen  in  erster  Linie, 
wie  man  die  architektonischen  Mittel  in  vollem  Bewusst- 
sein ihrer  maassvollen  see'ischen  Wirkung  zu  benutzen 
wusste.  Die  Grundriss-Gestaltung  der  altchristlichen  Kirche 
sowie  ihre  mittelalterliche  Weiterbildung  durch  Doppel- 
chöre und  doppelte  Querschiffanlagen  war  wohl  wesent- 
lich durch  Kultuszwecke  veranlasst,  aber  die  durch  den 
Aufbau  bewirkte  Grossartigkeit  der  Raumgestaltung,  wie 
sie  beispielsweise  in  der  Basilika  S.  Paolo  vor  den  Mauern 
Roms,  in  S.  Sophia  zu  Konstantinopel,  in  den  romanischen 
und  gothischen  Domen  West-  und  Mitteleuropas  hervor- 
tritt, ging  doch  weit  über  den  Gebrauchszweck  hinaus 
und  sollte  die  Erhabenheit  der  Gottesidee  verkünden.  Eben- 
so sind  die  unübertrefflich  malerisch  emporgipfelnden 
Thurragruppen  der  romanischen  Zeit  ganz  auf  ästhetische 
Wirkung  berechnet.  Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  die 
religiöse  Begeisterung  -der  Massen  durch  derartige  Bauan- 


Unter  strenger  und  gewissenhafter  Beobachtung 
aller  einschlägigen  kunstgeschichtlichen  Forderungen 
beim  Abbau  von  Architekturtheilen  gedieh  der  Auf- 
bau des  Chores  und  des  Querschiffes  im  Herbste 
1897  so  weit,  dass  der  Grundstein  am  31.  Oktober  . 
1897  feierlich  gelegt  werden  konnte.  Von  diesem 
Tage  ab  wurde  unaufhörlich  an  dem  Aufbau  des  öst- 
lichen Theiles  der  Kirche  gearbeitet  und  es  konnte  der 
Bau  bis  April  1898  noch  bis  zum  Kaffgesims  fertig- 
gestellt werden,  obgleich  die  Steinmetzhütte,  die  in 
Regie  der  Bauleitung  betrieben  wurde,  eine  grosse 
Anzahl  Werksteine  neu  herzustellen  hatte,  und  eine 
noch  grössere  Anzahl  einer  gründlichen  Erneuerung 
zu  unterwerfen  war.  Bald  zeigte  sich,  dass  der  Kosten- 
anschlag vom  Jahre  1895  zu  niedrig  angesetzt  war, 
namentlich  waren  die  Steinmetzarbeiten  viel  zu  ge- 
ring veranschlagt  worden.  Ein  zu  Ende  1898  aufge- 
stellter neuer  Kostenanschlag  hatte  die  Schlussumme 
von  915364  M.  Jedoch  sollten  die  dort  angegebenen 
Arbeiten  nicht  alle  ausgeführt  werden;  es  wurde  im 
Laufe  des  Jahres  1900  die  Bausumme  auf  595  307  M. 
festgesetzt,  wozu  noch  ein  Beitrag  von  30000  M., 
welchen  die  Stadt  Friedberg  am  i.  Juni  1900  für  die 
Wiederherstellung  der  ihr  gehörenden  Thürme  ge- 
nehmigte, trat.  Die  genehmigte  Gesammt-Bausumme 
war  daher  625  307  M. 

Im  Jahre  1899  wurde  der  Dachstuhl  über  dem 
Chor  und  dem  Querschiff  neben  dem  Dachreiter  wieder 
aufgerichtet.  Alsdann  begann  die  Einwölbung  des 
Chorhauptes  und  des  Querschiffes,  die  Wiederher- 
stellung des  Langhauses  im  Inneren  und  im  Aeusseren, 
des  Langhausdaches  mit  seinen  Walmen  und  die 
Wiederherstellung  der  Westseite.  Zu  Beginn  des 
Wirthschaftsjahres  1899 — 1900  wurden  zugleich  mit 
den  oben  angeführten  Arbeiten  die  Fundamente  der 
Nord-  und  Südseite  einer  durchgreifenden  Erneuerung 
unterzogen.  Die  schlechten  Steine  wurden  durch  neues 
Material  in  Bellmuther  Sandstein  ersetzt.  Diese  schwere 
.'Arbeit  erstreckte  sich  auf  eine  Tiefe  von  2,50  “ von 
Sockelunterkante  ab.  Auch  das  Sockelwerk,  an  dem 
man  kaum  ein  Profil  erkennen  konnte,  wurde  zumtheil 
neu  eingezogen. 

Noch  ehe  alle  diese  und  andere  Arbeiten  durch- 
geführt waren,  legte,  nach  Fertigstellung  des  Chores 
und  des  Kreuzschiffes  im  Rohbau,  der  Architekt  Opfer- 
mann die  Bauleitung  am  31.  Dez.  1899  nieder.  Auf 
Antrag  des  grossh.  Ministeriums  wurde  die  Bauleitung 
nun  dem  Architekten  Hubert  Kratz  übertragen,  der  die 
Wiederherstellungs  - Arbeiten  zu  Ende  geführt  bat. 
Unter  seiner  Leitung  wurde  das  Dachwerk  des  Lang- 
lagen wenn  nicht  hervorgerufen  so  jedenfalls  doch  gesteigert 
werden  musste.  Auch  auf  die  Machtstellung  der  Hierarchie 
möchte  ein  Abglanz  dieser  architektonischen  Prachtent- 
faltung zurückgestrahlt  sein  und  ihr  höhere  Geltung  ver- 
schafft haben  — man  denke  nur  an  die  Bedeutung  des 
St.  Peters-Domes  für  die  römische  Suprematie. 

Wie  es  in  neuerer  Zeit  den  Anschein  hat,  will  sich 
der  protestantische  Kirchenbau  zumtheil  der  ihm  tradi- 
tionell zu  Gebote  stehenden  architektonischen  Machtmittel 
entschlagen  und  den  einfach  praktischen  Predigtsaal  als  zu 
erstrebendes  Muster  aufstellen.  Es  mag  diese  Richtung 
immerhin  einer  berechtigten  Wendung  im  protestantisch- 
kirchlichen Leben  entsprechen  — obgleich  damit  mehr  die 
reformirte  als  die  evangelische  Konfession  zur  Geltung 
kommt  — , aber  es  darf  doch  wohl  ausgesprochen  werden, 
dass  mit  dem  Verzicht  auf  eine  höhere  architektonische 
Ausbildung  des  Kirchengebäudes  ein  weiterer  Anlass  zu 
der  beklagten  Gleichgiltigkeit  der  Menge  gegen  die  neueren 
Architekturwerke  gegeben  würde.  Es  werden  ja  zwar 
immer  noch  Gotteshäuser  von  grossen  Abmessungen  und 
vollendeten  Kunstformen  errichtet,  sobald  dieselben  eine 
Geltung  als  Staats-  oder  Stadtmonumente  beanspruchen 
sollen;  aber  auch  diese  Bauten  werden  nur  dann  dem 
Zwecke,  die  zum  Idealen  erhebende  Seite  der  Architektur 
ins  Licht  zu  stellen  und  auf  grössere  Kreise  zu  wirken, 
vollständig  Genüge  leisten,  wenn  sie  die  alizunahe  An- 
lehnung an  die  bekannte  historische  Schablone  zu  ver- 
meiden und  sich,  durch  die  Aufnahme  und  die  Aus- 
gestaltung neuer  Ideen  den.  Weg  zu  den  Herzen  der 
Mitlebenden  zu  bahnen  wissen.  Es  wäre  überflüssige 
Mühe,  wenn  man  versuchen  wollte,  mit  Worten  auszu- 
drücken, wie  eine-  solche  Aitfgabe  zu  lösen  wäre;  die 

No.  38. 


242 


hauses  um  15  gehoben,  um  erstens  den  Umfas- 
sungswänden die  Last  abzunehmen  und  um  zweitens 
das  Hauptgesims  abbauen  und  wiederherstellen  zu 
können.  Zu  gleicher  Zeit  wurde  das  Mauerwerk  der 
Langhauswände  unter  dem  Galleriegesims  zumtheil, 
namentlich  an  den  Strebepfeiler-Endigungen,  abge- 
brochen. Mit  der  Erneuerung,  dieses  Mauerwerkes 
und  dem  Neuaufbau  der  Strebepfeiler  - Endigungen 
wurde  zugleich  die  Eisenkonstruktion  gelegt  und  ver- 
mauert. Die  Erneuerung  des  südöstlichen  Treppen- 
thurmes  hat  grosse  Mühe  und  Unkosten  verursacht, 
denn  eine  grosse  Anzahl  Werksteine  war  verwittert. 
Die  Maurerarbeiten  im  Inneren  der  Kirche  erstreckten 
sich  in  der  Hauptsache  auf  die  Reinigung  der  Werk- 
steine und  auf  das  Einziehen  der  neuen  Rippen  und 
Gurte.  An  vielen  Stellen  waren  diese  durch  Kanten- 
pressungen stark  beschädigt,  ja  geborsten.  Eine  gründ- 
liche Wiederherstellung  dieser  Werksteine  war  unbe- 
dingt nöthig.  Durch  das  Ausweichen  der  Umfassungs- 
wände  nach  Norden  und  Süden  ist  natürlich  eine  Ver- 
änderung in  der  Lage  der  Rippen  und  Gurte  ent- 
standen. Diese  zeigten  Fugen  bis  zu  einer  Stärke  von 
ja  die  Kämpfersteine  waren  an  13  Stellen  voll- 
ständig abgedrückt.  Zum  Schlüsse  des  Wirthschafts- 
jahres  1899 — 1900  konnten  noch  die  Arbeiten  für  den 
Schutz  der  Gewölbe  während  der  Zeit  der  Dacherneue- 
rung des  Langhauses  hergestellt  werden.  Das  Gewölbe 
wurde  in  den  Zwickeln  an  86  Stellen  durchbohrt,  und 
es  wurden  in  die  Oeffnungen  kupferne  Röhrchen  ein- 
gelegt. Hierauf  wurde  eine  starke  Zementschicht  über 
alle  Gewölbe  gelegt.  An  Steinmetzarbeiten  wurden 
zu  Beginn  des  Wirthschaftsjahres  1899—1900  vorerst 
die  Galleriemaasswerke , Gallerieabdeckplatten , die 
Kreuzblumen  für  die  Walme  des  Chores  und  die 
Rinnen  für  das  schon  versetzte  Hauptgesims  in  der 
Hütte  bearbeitet,  hierauf  die  Rippen,  Gurt-  und  Schild- 
bögen der  Gewölbe  im  neuerbauten  Theile  der  Kirche, 
Auch  die  Portalgewände  des  nördlichen  und  des  süd- 
lichenEinganges  der  Kirche  wurden  zum  grösstenXheile 
neu  eingezogen,  an- und  beigetrieben.  Alsdann  wurden 
an  den  Strebepfeilern  des  Langhauses  alle  Quader  und 
Profile,  welche  verwittert  waren,  durch  die  Hütte  her- 
ausgespitzt und  neue  Quader  eingezogen.  Die  abge- 
bauten Strebepfeilerköpfe  waren  stark  verwittert.  Ein 
grosser  Theil  musste  neu  hergestellt  werden.  Nament- 
lich hatten  die  nach  Westen  liegenden  Strebepfeiler- 
Endigungen  der  beiden  letzten  Jahre  sehr  stark  ge- 
litten. Dagegen  zeigten  sich  , die  Wasserspeier  wohl 
erhalten.  Eine  schwierige  Arbeit  war  die  Wiederher 
Stellung  einiger  Maasswerke  der  Langhaus-Fenster. 

rechte  Lösung  könnte  in  der  Wirklichkeit  nur  durch  eine 
That  des  Genies  erfolgen. 

Die  trotzigen  Burgen  der  Normannen  entsprachen  dem 
Charakter  ihrer  Bewohner  und  haben  denselben  vermutL 
lieh  noch  in  manchen  Eigenheiten  verschärft.  Man  kann 
nicht  genug  die  mannigfaltigen,  von  Klugheit  und  sogar  von 
Verschmitztheit  eingegebenen  inneren  Einrichtungen  be- 
wundern, welche  den  Burgherrn  nicht  allein  gegen  Feinde, 
sondern  ebenso  gegen  den  Verrath  durch  seine  eigenen 
Mannschaften  sichern  sollten.  Derartige  Vorkehrungen, 
gegen  welche  die  Wohnlichkeit  des  normannischen  Donjons 
ganz  in  den  Hintergrund  treten  musste,  finden  sich  nicht 
im  gleichen  Maasse  in  den  deutschen  Burgen  und  können 
deshalb  umsomehr  als  eine  besondere  Eigenheit  des 
normannischen  Riiterthnras  aufgefasst  werden.  Da  nun 
. später,  zurzeit  der  Renaissance,  als  unbefestigte  Land- 
schlösser anstelle  der  wehrhaften  Burgen  traten,  ähnliche 
Raumanlagen  in  jenen  Schlössern  wie  früher  in  den  Bur- 
gen Vorkommen,  und  zwar  wieder  meist  in  französischen 
Anlagen,  nämlich  versteckte  Schlupfpförtchen,  geheime 
Gänge  und  Treppen,  so  darf  man  daraus  wohl  schliessen,  dass 
der  durch  die  Bauart  der  Ritterzeiten  verstärkte  Geist  der 
Intrigue  fortdauerte  und  auch  das  gesellschaftliche  Leben 
der  Renaissanceperiode  soweit  beherrschte,  um  ähnliche 
Einrichtungen  ins  Leben  zu  rufen;  nur  dass  diese  nunmehr 
den  galanten  Abenteuern  dieser  Zeit  dienstbar  wurden. 

ln  verschiedenen  Perioden,  der  Vergangenheit  lässt 
sich  eine  Wechselwirkung  zwischen  der  baulichen  Ge- 
staltung der  Wohnungen  und  den  Sitten  der  Bewohner 
wohl  erkennen.  Man  braucht  nur  an  die  wesentlichen 
Unterschiede  in  der  Anlage  der  Hauptarten  des  deutschen 
Bauernhauses,  der  sächsischen  und  der  fränkischen  Art, 

IO.  Mai  1902. 


Auch  Pfosteri  dieser  Fenster  mussten  zumtheil  her- 
ausgenommen und  durch  neue  ersetzt  werden.  Die 
Gallerie  - Maasswerke  wui'den  gleichfalls  gründlich 
wiederhergestellt  und  der  fehlende  Theil  durch  neues 
Maasswerk  ersetzt.  Die  Bildhauer-Arbeiten  an  den 
Fialen  des  Chores  und  des  Langhauses,  an  den  Kreuz- 
blumen der  Walme,  sowie  diejenigen  an  den  Chor- 
arkaden und  Treppenthürmen  sind  zumtheil  nach  vor- 
handenen alten  Originalen  und  nach  Modellen  des  Bild- 
hauers Schöneseiffer-Marburg  neu  hergesteilt,  zum- 
theil nur  ausgebessert  worden.  Das  Blattwerk  am  Süd- 
portal und  der  Löwe  daselbst  sind  nach  seinen  Mo- 
dellen neu  hergestellt. 

Die  Zimmerarbeiten  erstreckten  sich  in  der  Haupt- 
sache auf  die  Rekonstruktion  und  Aufstellung  der 
Lehrbögen  für  die  Herstellung  der  Gewölbe,  auf  das 
Abbinden  des  Chordachstuhles  und  der  beiden  öst- 
lichen Treppenthurmhelme.  Eine  der  schwierigsten 
und  gefahrvollsten  äusseren  Arbeiten  war  der  Abbau 
der  alten  Dächer  und  die  Herstellung  der  neuen  Dach- 
konstruktion bei  offenem  Gewölbe.  Im  Mai  1900  wurde 
mit  dem  Abbau  der  Walme  begonnen;  Ende  Oktober 
stand  das  Dach  des  Langhauses  fertig  beschiefert  da. 
Der  Dachstuhl  des  Langhauses  hat  430 Tannen-  und 
Eichenholz.  Die  interessante  Konstruktion  des  Dach- 
stuhles ist  auf  Beschluss  des  Kunstrathes  genau  nach 
dem  altenDachstuhl,  alsonach  mittelalterlichem  System, 
ausgeführt.  Auch  die  Steinkreuzblumen,  welche  auf  den 
Walmen  sich  befanden,  sind  wieder  auf  Eichenholz  be- 
festigt worden,  damit  auch  diese  Eigenthümlichkeit 
unserer  Kirche  der  Nachwelt  erhalten  werde.  Der 
Westgiebel,  den  die  Bauleitung  in  Bellmuther  Stein  und 
reichen  Ornamenten  auszuführen  gedachte,  wurde  statt 
dessen  nur  beschiefert  und  auf  demselben  das  schmied- 
eiserne gothische  Kreuz  (1410)  befestigt,  das  nunmehr 
in  echter  Vergoldung  weithin  sichtbar  ist. 

Der  Entwurf  für  den  Ausbau  des  oberen  Theiles 
am  Plauptthurme  an  der  Westseite  ist  zwar  auch  fest- 
gestellt, doch  musste  die  Ausführung  desselben  der 
fehlenden  Geldmittel  wegen  einer  späteren  Zeit  über- 
lassen bleiben.  Die  Maasswerksgallerie  aber  wurde  um 
die  Westseite . herum  und  auch  um  den  nördlichen 
Hauptthurra  geführt,  sodass  dieselbe  jetzt  um  die  ganze 
Kirche  läuft.  Von  den  für  die  Erneuerung  der  West- 
thürmcy  die  auf  Antrag  der  Stadt  ebenfalls  in  Regie 
der  Bauleitung  ausgeführt  wurde,  genehmigten  30000M. 
entfiel  der  grössteTheil  naturgemäss  aufdieAusführung 
der  Steinmetz-  und  Bildhauerarbeiten  an  der  Westseite. 

Im  Laufe  des  Jahres  1900 — 1901  wurde  auch  der 
innere  Ausbau  der  Kirche  eingeleitet  und  zur  Vollen- 

zu  denken,  um  Ursache  und  Wirkung  in  einer  ganz  ver- 
schiedenen Lebenshaltung  der  beiden  Volkssiämme  zu 
finden.  In  anderer  nicht  minder  bedeutsamer  Weise 
äussert  sich  die  Einführung  der  Renaissance  in  den  nor- 
dischen Wohnhausbau.  Die  seitdem  bequemen  gerad- 
läufigen  Treppen,  die  vergrösserten  Stockwerkshöhen, 
die  Lage  der  Zimmer  an  durchgehenden,  geschlossenen 
Wahdeigängen  bilden  eine  scharfe  Abscheidung  gegen  den 
mittelalterlichen  Hausbau  und  verschaffen  den  Bewohnern 
die  Möglichkeit  eines  genussfroheren,  an  traüiichem  Be- 
hagen... reicheren  Zusammenlebens.  Man  thut  der ' gothi- 
schen  Periode  nicht  Unrecht,  wenn  man  ihr  eine  gewisse 
Rauhheit  der  Sitten  vorwirft  und  diese  mit  der  durchweg 
— allenfalls  mit  Ausnahme  der  Prunksäle  — herrschen- 
den Dürftigkeit  der  Wohnungen  in  Verbindung  bringt.  — 

Das  in  neuester  Zeit  hervortretende  Bestreben,  das 
Einfamilienhaus  wieder  zur  ehemaligen  Geltung  zu  brin- 
gen gegenüber  dem  Ueberwuchern  der  kasernenartigen 
Stockwerkswohnungen,  beruht  doch  wieder  aufderUeber- 
zeugung  von  der  Möglichkeit  einer  Beeinflussung  des 
Familienlebens  durch  die  Art  des  Wohnens.  Diese  Mei- 
nung dürfte  auch  nicht  ohne  Grund  sein,  da  das  Aus- 
schliessen  der  engeren  Berührung  mit  fremden  Elementen 
eine  gewisse  Bürgschaft  für  die  unverfälschte  und  eigen- 
artige Entwicklung  der  Einzelwesen  in  der  Familie  giebt. 
Besonders  kommt  hierbei  die  aufwachsende  Jugend  inbe- 
tracht. Leider  sind  auch  in  diesem  Falle  den  Besten 
materielle  Schranken  gesetzt  und  es  wird  dem  modernen 
Grosstädter  ebensowenig  gelingen,  wie  es  dem  der  An- 
tike möglich  gewesen  war,  das  Zusammenwohnen  mehrerer 
Haushaltungen  in  übereinander  geschichteten  Stockwerken 

(Fortsetzung  auf  S.  246.) 

243 


düng  geführt.  Derselbe  bezog  sich  in  der  Hauptsache  Kirche  gab,  so  unterstanden  alle  Wiederherstellungs- 
auf die  Wiederherstellung  und  den  Wiederaufbau  des  Arbeiten  der  Aufsicht  dieser  hohen  Behörde,  bezw,  dem 
stark  zerstörten  Sakramentshauses,  die  Wiederher-  Hrn.  Geh.  Ob.-Brth.  Prof.  KarlHofmanii  in  Darmstadt, 
Stellung  des  Plattenfussbodens,  die  Aufstellung  des  Derselbe  hat,  unter  Assistenz  des  Ob.-Brths.  Kl  ingel- 
Gestühls,  die  Herstellung  der  Windfänge  und  des  höffer,  namentlich  inden  letzten  Jahren  der  Bauleitung 
Chorgestühls,  auf  die  Wiederherstellung  der  Orgel,  hilfreich  zurseite  gestanden  und  sie  mit  Rath  und  That 
des  Ciboriums  und  des  Lettners,  der  nach  dem  Chore  in  allen  technischen  und  künstlerischen  Dingen  in 
eine  spätgothische  Maasswerksgallerie  erhielt.  Auch  reichem  Maasse  unterstützt.  Eine  Lotterie  hat  nahezu 


Von  der  Industrie-  und  Kunst-Ausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


diese  Gallerie  wurde  in  Bellmuther  Sandstein  ausge- 
führt. Die  Epitaphien,  welche  früher  im  Fussboden 
des  Chores  gelegen  haben,  wurden  an  den  Wänden 
des  Querschiffes  und  des  Langhauses  eingeniauert. 

Alle  Kunstverglasungen  wurden  durch  Prof.  A. 
Linnem  ann-Frankfurt  a.  M.  ausgeführt,  der  nicht 
allein  die  schwierige  Erneuerung  der  drei  werthvollen 
alten  Glasgemälde,  der  Chorfenster  übemalim,  son- 
dern auch  die  neuen  grossen  Fenster  lieferte  und  zwar 
in  einer  Schönheit  und  Pracht,  wie  sie  nicht  oft  Vor- 
kommen. Seine  Werke  haben  den  ungetheilten  Beifall 
und  die  volle  Zufriedenheit  des  grossherzoglichen  Mini- 
steriums gefunden. 

Da  die  grossh.  Regierung  einen  Staatszuschuss 
von  200000  M.  als  Beihilfe  zur  Wiederherstellung  der 


170000  M.  ergeben,  fast  176000  M.  hat  die  ev.  Kirchen- 
gemeinde, namentlich  durch  die  Thätigkeit  des  Stadt- 
kirchen-Bauvereins,  aufgebracht.  Als  gewissenhafter 
Arbeiter  stand  dem  ausführenden  Architekten  der  Tech- 
niker Wilh.  Schutt  aus  Dorheim  5 Jahre  lang  zurseite. 

Heute  steht  nun  die  Kirche  wieder  in  alter  Pracht 
und  Würde  da,  als  ein  Juwel  deutscher  Baukunst,  als 
ein  Werk,  das  Zeugniss  ablegt  von  dem  hohen  Kunst- 
sinn der  heutigen  Zeit,  der  hessischen  Regierung  und 
Kirchenbehörde  und  der  Stadt  Friedberg.  Mit  Stolz 
dürfen  wir  die  Kirche  als  die  Perle  der  Wetterau 
und  als  ein  Kleinod  unter  den  deutschen  Kirchen- 
bauten des  Mittelalters  bezeichnen.  — 

Hub.  Kratz,  Arch.  der  Stadtkirche  in  Friedberg. 


244 


No.  38. 


Abbildg.  3-  Pavillon  des  .Hörder  Bergwerks-  und  Hütten-Vereins. 


Abbildg.  4.  Kuppelbau  der  Industrieballe.  Ingenieur:  0.  Leitbolf,  Berlin. 
Allsgeführt  v.  Hein,  Lehmann  & Cie.,  Düsseldorf-Oberbilk. 

JO  Mai  1902, 


Von  der  Industrie-  u.  Kunstausstellung 
in  Düsseldorf  1902. 

III.  Konstruktion  und  Einrichtung 
einiger  Ausstellungs-Bauten. 

Bei  der  Konstruktion  der  Ausstellungs-Bau- 
ten waren  zwei  einander  eigentlich  wi- 
dersprechende Anforderungen,  nämlich 
einerseits  an  Weiträumigkeit,  andererseits  an 
Billigkeit,  mit  einander  nach  Möglichkeit  zu 
verbinden.  Bei  der  Industriehalle  und  den 
beiden  Haupt-Restaurants  überwog  der  letz- 
tere Grundsatz,  und  die  Gebäude  sind  dem- 
gemäss, wie  schon  erwähnt,  in  der  Haupt- 
sache in  Holz,  allerdings  in  stattlicher  Spann- 
weite und  mit  aussergewöhnlich  grosser  Bin- 
der-Entfernung ausgeführt.  Bei  der  Mehrzahl 
der  übrigen  Ausstellungs-Gebäude  bildet  da- 
gegen Eisen  das  hauptsächlichste  oder  aus- 
schliessliche Konstruktionsmaterial.  Den  An- 
forderungen an  Billigkeit  ist  insofern  Rechnung 
getr^en,  als  die  Spannweiten  sich  in  mittle- 
ren Grenzen  halten  und  viele  der  Bauten  so 
angeordnetsind, dass  sich  ihre  Hallen  nach  Been- 
digung der  Ausstellung  und  nach  dem  Abbruch 
ohne  wesentliche  Veränderung  als  Werkstatts- 
Ilallen  wieder  verwenden  lassen.  Bei  der  Be- 
rechnung dieser  Bauten  waren  dann  natürlich 
die  zulässigen  Bean.-pruchungen  entsprechend 
den  baupolizeilichen  Bestimmungen  am  Ver- 
wendungsplatze zu  wählen,  während  für  die 
vorübergehenden  Bauten,  allerdings  erst  nach 
einigen  Schwierigkeiten  seitens  der  Düssel- 
dorfer Baupolizei,  1250  für  Flusseisen, 

lookgyqcm  jQr  Zug  Und  Druck  für  Kiefernholz 
zugelassen  wurden.  Der  wagrechte  Wind- 
druck war  dabei  bis  zu  30“  Höhe  auf  125  •‘g/q» 
darüber  hinaus  auf  150 gegebenenfalls  sogar 
noch  höher  anzunehmen.  Bezüglich  der  Grün- 
dung waren  die  Verhältnisse  für  die  Mehrzahl 
der  Bauten  insofern  ungünstig,  als  sie  auf  der 
frischen,  stellenweise  bis  zu  9 m mächtigen  Kies- 
schüttung des  aufgehöhten  Ausstellungs-Ge- 
ländes zu  errichten  waren,  welche  nur  mit 
der  geringen  Auf  last  von  1.5  kg  qcm  beansprucht 
werden  durfte.  EineAusnahme hiervon  machen 
nur  die  wenigen  Gebäude,  die,  wie  die  Ma- 
schinenhalle, auf  dem  hochliegenden  gewachse- 
nen Ufer  an  der  hinteren  Ausstellungsgrenze 
errichtet  werden  konnten. 

^Massivkonstruktionen  der  Mauern  kommen 
nur  vereinzelt  bei  kleineren  Bauten  vor;  Aus- 
mauerung der  Eisenfachwerks- Wände  findet 
sich  bei  der  Maschinenhalle  und  dem  gemein- 
samen Pavillon  der  Guten  Hoffnungshütte  und 
der  Deuizer  Maschinen  • Fabrik;  im  übrigen 
sind  die  Wände  vorwiegend  mit  Putz  auf 
Drahtnetz  geschlossen. 

Die  Dächer  sind  meist  auf  Holzsparren 
und  Pfeilen  verschalt  und  mit  Dachpappe 
bezw.  mit  gefärbten  Leinenstoffen  gedeckt. 

. Von  den  hauptsächlichsten  Gebäuden  der 
Ausstellung  seien  nachstehend  einige  nähere 
Mitiheilungen  gegeben. 

a)  Die  Maschinenhalle. 

Die  Maschinenhalle  schiebt  sich,  wie  aus 
dem  Lageplan  S.  164  ersichtlich  ist,  zwischen 
den  alten  Kirchhof  und  die  Krefelderstrasse 
ein,  die  zumtheil  zur  Ausstellung  hinzuge- 
nommen ist.  Dem  sehr  tiefen  Bauplatze  ent- 
sprechend war  eine  Entwicklung  des  Baues 
hauptsächlich  nach  der  Länge  gegeben.  Die 
Halle  hat  daher  bei  einem  einfachen  recht- 
eckigen Grundriss  eine  Länge  von  280™  (30® 
mehr  als  ursprünglich  geplant)  bei  51,9'«  Ge- 
sammtbreite  erhalten.  Getrennt  von  der  Halle 
sind  die  Kesselhäu.ser  eriichtet.  Das  ganz  in 
Eisen  ausgeführte,  in  den  Aussenwänden 
Stein  stark  ausgemauerte  und  bei  der  Lage 
auf  gewachsenem  Boden  (-|-  um  D.  P.)  nur 
auf  einfachen  Betonfumlamenten  gegründete 
Gebäude  wird  von  der  Maschinen  - Fabrik 
Hein,  Lehmann  & Cie.,  Düsseldorf-Ober- 
bilk, für  die  feste  Summe  von  600000  M. 
vorgehalten.  Um  die  Eisenkonstrukiion  wie- 
der verwenden  zu  können,  ist  daher  die  Halle 
in  drei  Längsschiffe  getheilt,  wie  der  Quer- 


245 


schnitt  Äbbildg.  i zeigt,  von  denen  das  mittlere  24»» 
Spannweite,  jedes  der  beiden  seitlichen  13,95°^  Spann- 
weite besitzt.  Die  Halle  bedeckt  eine  bebaute  Fläche 
von  14  532  q“,  wovon  nach  Abzug  von  rd.  für  Gänge, 
sowie  für  die  Vorhalle  mit  Bureau-,  Restaurations-  und 
Nebenräumen  noch  10371  qm  znr  Aufstellung  der  Maschinen 
verbleiben.  Die  Mittelhalle  besitzt  vom  Fussboden  bis  zum 
Dachfirst  (ohne  die  Laterne)  eine  Höhe  von  19  m,  während 
die  Seitenhallen  sich  bis  zu  12®  erheben. 

Die  Beleuchtung  erfolgt  bei  den  Seitenhallen  durch 
grosse  Bogenfenster  und  durch  Oberlicht  im  Laterneri- 
aufsatz  in  ganzer  Länge  des  Gebäudes;  die  Haupthalle 
erhält  ebenfalls  Seitenlicht  und  Oberlicht,  sodass  imganzen 
65%  der  bebauten  Fläche  ah  Lichtfläche  vorhanden  sind. 
Die  Beleuchtung  ist  dementsprechend  eine  sehr  gute.  Die 
Ventilation  wird  durch  Jalousien  und  Dachfenster  bewirkt. 
Die  Eindeckung  besteht  in  Dachpappe  auf  Schalung. 

Die  Konstruktion  der  Halle  geht  aus  dem  Querschnitt 
und  aus  der  Aufnahme  während  des  Baues  hervor.  Die 
Dachbinder  liegen  in  5®  Abstand,  die  mit  den  Fundamenten 
fest  verankerten  schweren  Fachwerks-Stützen  jedoch,  um 
an  Uebersichtlichkeit  und  Bewegungsfreiheit  zu  gewinnen, 
in  je  lom  Entfernung;  die  Zwischenbinder  der  sehr  leicht 
wirkenden  Dachkonstruktion  finden  auf  Fachwerks-Längs- 
trägern  ihr  Auflager.  Weitere  Fachwerksträger  bilden 
die  Schienenträger  der  Laufkrahne,  deren  Laufbahnen  in 
II  bezw.  6,7  m Höhe  angeordnet  sind.  Im  Mittelschiff  sind 
3 Laufkrahne  von  je  30  ^ in  den  Seitenschiffen  je  4 Krahne 
von  . 10— 15  t Tragfähigkeit,  alle  mit  elektrischem  Antrieb, 
aufgestellt. 

Die  Montage  der  Halle  erfolgte  in  einfachster  Weise 
mittels  Böcken  und  Flaschenzug.  Zunächst  wurden  die 
Stützen  mit  Hilfe  derselben  gehoben,  auf  den  Betonfunda- 
memen aufgestellt,  mit  diesen  verankert  und  unter  sich 
verbunden,  dann  die  in  2 Theilen  angelieferten,  auf  der 
Erde  zusammengesetzten  Dachbinder  mit  je  2 Böcken  ge- 
hoben und  aufgestellt. 

Es  sei  an  dieser  Stelle  gleich  auf  die  Ausstattung  der 
Maschinenhalle  mit  Betriebsmaschinen  (natürlich  selbst 
Ausstellungsgegenstände)  für  den  Licht-  und  Kraftbedarf  der 
Ausstellung  eingegangen.  Wie  schon  erwähnt,  sind  für  beide 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin.  In  der  Vers,  am 
8.  April  gedachte  der  Vorsitzende,  Hr.  Min.- Dir.  Schröder, 
des  Ablebens  des  Reg.-  und  Brths.  Nowack.  Dann  berichtete 
Hr.  Geh.  Brth.  Lo ebner  über  die  von  der  „Studien- 
gesellschaft für  elektrische  Schnellbahnen“  im 
vergangenen  Herbst  auf  der  Strecke  Marienfelde-Zosseri 
der  Militär-Eisenbahn  veranstalteten  Versuchsfahrten  *). 
Die  Fahrversuche  sind  mit  den  von  van  derZypen&Charlier 
in  Deutz  erbauten  und  von  der  Allg.  Elekir.-Gesellschaft 
und  der  Siemens  & Halske  A.-G.  mit  den  elektrischen 
Einrichtungen  versehenen  beiden  Schnellbahnwagen  im 
September  1901  aufgenommen  worden. 

Bei  diesen  Fahrten,  bei  denen  der  von  den  Berliner 
Elektr, -Werken  aus  dem  Kraftwerk  Oberspree  gelieferte 

Vergl.  hierzu  auch  den  illustrirten  Artikel  io  No.  i6,  i8  und  20  d.  J. 


Zwecke  je  rd.  6000  P.S.  vorgesehen.  Diese  Kraft  wird  von 
26  Dampfmaschinen  geliefert  (darunter  eine  von  3000  P.S.), 
die  meist  mit  den  zugehörigen  Dynamomaschinen  unmittel- 
bar gekuppelt  sind.  Ausserdem  werden  noch  2 Gas- 
motoren von  250  bezw.  50  P.S.  der  Deutzer  Gasmotoren- 
fabrik, die  neben  der  Generatoranlage  derselben  in  ihrem 
eigenen  Pavillon  untergebracht  sind,  zu  den  genannten 
Zwecken  mit  herangezogen,  Diese  Maschinen  liefern 
Gleichstrom  von  220,  2 x 115  und  2 x 220  Volt,  Dreh- 
strom von  2000  und  5000  Volt,  sowie  Wechselstrom  von 
IO  000  Volt  Spannung. 

Zur  Dampferzeugung  sind  neben  der  Maschinenhalle 
2 Kesselhäuser  angeordnet,  von  denen  das  grössere  mit 
16  Dampfkesseln  von  zusammen  3500  q®  Heizfläche,  12  Atm. 
Spannung,  ausgestattet  ist;  es  reicht  allein  aus,  um  die 
gesammten  Maschinen  der  Kraft-  und  Lichtzentrale  mit 
Dampf  zu  versorgen.  Die  Ke.ssel  sind  für  Steinkohlen- 
feuerung berechnet.  Es  besitzt  2 Schornsteine  von  58  ® 
Höhe,  2,5  ® oberem,  lichtem  Durchmesser.  Das  kleinere 
Kesselhaus,  am  hinteren  Ende  des  Maschinenhauses  lie- 
gend, ist  mit  3 Kesseln  von  zusammen  300  q®  Heizfläche, 
8 Atm.  Spannung,  ausgestattet.  Es  dient  zum  Antrieb  einiger 
besonderer  Maschinen  im  hinteren  Theile  der  Halle  und 
ist  für  Braunkohlen-Feuerung  berechnet.  Es  besitzt  einen 
Schornstein  von  43  ® Höhe  und  1,5  ® oberem  lichtem  Durch- 
messer. Die  Maschinen  der  Kraft-  und  Lichtzentrale  ar- 
beiten säramtlich  mit  Kondensation,  für  welche  zwei  Ober- 
flächen-Kondensationsanlagen,  Kühlthürme  usw.  vorge- 
sehen sind. 

Erwähnt  sei,  dass  eine  dritte  Kesselanlage,  ausschliess- 
lich für  den  eigenen  Bedarf  bestimmt,  sich  im  Ausstellungs- 
gebäude des  bergbaulichen  Vereins  für  den  Ob.-Berg- 
amtsbezirk  Dortmund  findet.  Es  sind  dort  6 Kessel  mit 
1000  q®  Heizfläche,  12  Atm.  Dampfspannung,  für  Stein- 
kohlenfeuerung berechnet,  aufgestellt.  Der  Schornstein 
besitzt  eine  Höhe  von  50  ® und  2 ® oberem  lichtem  Durch- 
messer. Es  soll  dort  eine  Förderanlage  in  vollem  Be- 
triebe mit,  einer  Fördermaschine  von  800  P;  S-,  einer 
Wasserhaltungs-Maschine  für  nicht  weniger  als  25  cb® 
Wasserfördefung  in  der  Minute  bei  500®  Förderhöhe, 
mit  Luftkompressoren  usw.  vorgeführt  werden.  — 

(Fortsetzung  folgt.) 

Drehstrom  von  13000  V.  Spannung  als  Betriebskraft  diente, 
wurde,  wie  bekannt,  die  Höchstgeschwindigkeit  von  idoi^® 
in  der  St.  oder  44  ® in  1 Sek.  erreicht.  Die  Versuche  haben 
gezeigt,  dass  es  möglich  ist,  einem  mit  der  nahezu  doppelten 
Geschwindigkeit  der  Schnellzüge  fahrenden  Motorwagen 
von  einer  feststehenden  Luftleitung  aus  elektr.  Energie- 
mengen von  700—800  Kw.  selbst  bei  ungünstigster  Witte- 
rung sicher  zuzuführen  und  dass  der  Verwendung  von 
Drehstrommotoren  für  hohe  Fahrgeschwindigkeiten  keine 
Bedenken  entgegenstehen.  Die  Versuchsfahrten  haben 
ferner  erwiesen,  dass  es  möglich  ist,  die  angegebene  Ge- 
schwindigkeit auf  einer  zweischienigen  Bahn  normaler 
Bauart  zu  erreichen.  Die  besonders  schwierigen  und 
wichtigen  Aufgaben  des  Unternehmens  sind  damit  der 
Lösung  bereits  nahe  gekommen.  Der  Verlauf  der  Fahrten 
war  ein  sehr  günstiger  und  infolge  der  getroffenen  Sicher- 
heitsmaassregeln ist  während  der  ganzen  Versuchszeit  kein 


desselben  Gebäudes  zu  vermeiden.  Der  seit  langer  Zeit 
eingebürgerte  Abschluss  jeder  Einzelwohnung  gegen  das 
der  Oeffentlichkeit  angehörende  Haupttreppenhaus  durch 
eine  einzige  Thür,  eine  Einrichtung,  deren  Fehlen  in 
seinem  elterlichen  Hause  noch  Göihe  lebhaft  beklagt,  be- 
seitigt zumeist  dieNachtheile  der  Stockwerks- Wohnungen,  in- 
dem sie  dieselben  einigermaassen  gegeneinander  absondert, 
indess  bleibt  immer  der  gefährliche  Verkehr  auf  den  Hinter- 
treppen für  Kinder  und  Dienstboten  offen.  — Die  Mehr- 
familienhäuser für  Arbeiter  bleiben  ebenfalls  eine  unum- 
gängliche Nothwendigkeit;  ob  aber  ihr  Zusammenbau  zu 
ausschliesslichen  Arbeiterkolonien  vortheilhaft  sei,  ist  be- 
kanntlich noch  ein  bestrittener  Punkt. 

In  den  Bauten  für  öffentliche  Profanzwecke  hat  Deutsch- 
land in  den  letzten  Jahrzehnten  wahre  Triumphe  gefeiert, 
und  wir  besitzen  jetzt  eine  Anzahl  Bauwerke  dieser  Art, 
die  sich  mit  jedem  des  Auslandes  messen  können.  Indess 
mag  doch  daran  erinnert  werden,  wie  lange  es  angestan- 
den hat,  bis  bei  uns  eine  ähnliche  Höhe  der  Ausbildung 
erreicht  war.  Die  büraukratische  Schablone,  welche  früher 
vielfach  die  Armseligkeit  der  öffentlichen  Bauten  zur 
Staatsraison  erhob,  wollte  nur  schwer  einer  frischeren 
Auffassung  Platz  machen.  Das  endliche  Durchdringen 
einer  solchen  kann  nur  mit  Genugthuung  begrüsst  werden, 
da  es  doch  besonders  die  öffentlichen  Bauwerke  sind, 
welche  die  Stellung  der  Architektur  in  der  öffentlichen 
Meinung  bestimmen.  Aus  diesem  Grunde  sollte  es  niemals 
zulässig  sein,  die  öffentlichen  Bauwerke  auf  den  Stand- 

346 


punkt  gewöhnlicher  Bedürfnissbauien  ohne  künstlerische 
Erscheinung  herabzudrücken.  Nur  beiläufig  bemerkt,  weil 
im  losen  Zusammenhänge  mit  dem  engeren  Gebiete  der 
Architektur  stehend,  fehlt  uns  immer  noch  ein  Museum  für 
mittelalterliche  Skulpturen,  wie  es  das  grosse  Gebäude  auf 
dem  Trocadero  in  Paris  in  so  vorzüglicher  Weise  bietet 
und  wie  es  zum  Studium  der  Kunst  dieses  Zeitraumes  gar 
nicht  mehr  entbehrt  werden  kann. 

Nach  allem  Vorigen  ist  es  kaum  noch  nöthig,  darauf 
hinzuweisen,  dass  ein  Stadtbild  in  seiner  Gesaramtheit 
selbstverständlich  ähnliche  seelische  Eindrücke  hervorruft, 
wie  es  die  einzelnen  Gebäude  vermögen.  Nach  einem; 
Ausspruche  Göthes  müssten  die  Bürger  einer  kunstmässig^ 
gebauten  Stadt  des  höchsten  sinnlichen  und  religiösen  Ge- 
nusses theilhaftig  werden:  „Der  Geist  kann  nicht  sinken, 
die  Thätigkeit  nicht  einschlafen,  die  Bürger  fühlen  sich 
am  gemeinsten  Tage  in  einem  ideellen  Zustande.“  — 

Um  nun  nach  den  oben  gegebenen  Einzelheiten  noch, 
einmal  den  allgemeinen  Standpunkt  betreffs  der  Möglich- 
keit einerklärenden,  befreienden  und  erhebenden  Wirkung 
der  Architektur  auf  das  Gemüth  der  Miilebenden  zu  be- 
tonen, so  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  diese  allein, 
von  dem  geistigen  Werihe  des  Gebotenen  abhängt.  Nur. 
eine  idealisirende,  die  harmonische  Erscheinung  des  Aeusse- 
ren  mit  der  stirnmungsyoUen  Raumbildung  des  Inneren  in; 
„neuer“  Weise  verbindende  Architektur  kann  den  Anspruch 
erheben,  als  ein  wichtiger  Kulturfaktor  gleichwerthisj  mit 
den  Leistungen  der  anderen  Zweige  der  bildenden  Kunst 

No.  38. 


Unfall  und  keine  Beschädigung,  weder  der  Theilnehmer 
an  den  Fahrten,  noch  der  im  Schuppen  und  auf  der 
Strecke  beschäftigten  Arbeiter  vorgekommen.  Psychi- 
sche Einwirkungen  der  hohen  Fahrgeschwindigkeiten 
auf  das  Führerpersonal  oder  die  übrigen  Miifahren- 
den  sind  nicht  zutage  getreten.  Selbst  bei  den  Fahrten 
mit  mehr  als  150  km  Geschwindigkeit  in  der  Stunde  rief 
der  Ausblick  aus  dem  Wagen  keinerlei  unangenehme 
Empfindungen  hervor,  das  Äuge  gewohnte  sich  bald  an 
das  schnelle  Auffassen  der  Gegenstände  in  der  Umgebung 
der  Bahn.  Genaue  Berechnungen  über  die  Kosten  des 
elektr.  Betriebes  lassen  sich  noch  nicht  aufstellen,  weil 
dazu  die  Anzahl  der  ausgeführten  Messungen  noch  nicht 
ausreicht  und  weil  die  Höchstgeschwindigkeit,  für  welche 
die  elektr.  Einrichtungen  gebaut  sind,  auf  dem  verhältniss- 
mässig  schwachen  Oberbau  der  Militär- Eisenbahn  nicht 
mit  Sicherheit  erreicht  werden  konnte.  Dazu  ist  ein 
stärkeres  Gleis,  wie  solches  in  neuerer  Zeit  auf  den  Staats- 
Eisenbahnen  eingelegt  wird,  erforderlich. 

MitRücksicht  auf  die  grosse  Wichtigkeit,  welche  der  Be- 
antwortung der  Frage  über  die  Sicherheit  und  Wirthschaft- 
lichkeit  der  elektr.  Zugförderung  mit  grosser  Geschwindig- 
keit auf  Hauptbahnen  beigelegt  wird,  hat  die  Eisenbahn- 
Brigade,  mit  Genehmigung  des  Hrn.  Kriegsministers,  die 
Vornahme  der  Versuchsfahrten  auf  der  Militär-Eisenbahn 
gestattet.  Dies  war  für  das  ganze  Unternehmen  von  ausser- 
ordentlichem Werihe,  denn  anderenfalls  würde  die  Erlan- 
gung einer  geeigneten  Versuchsstrecke  kaum  überwindbare 
Schwierigkeiten  verursacht  haben.  Nachdem  nunmehr  der 
preuss.  Hr  Minister  der  öffentl,  Arbeiten  sich  in  dankens- 
werther  Weise  bereit  erklärt  hat,  der  Studiengesellschaft 
den  weiter  erforderlichen  stärkeren  Oberbau  zu  über- 
weisen, sollen  die  Versuche  im  nächsten  Herbst  fortge- 
setzt werden,  um  die  in  Aussicht  genommenen  höheren 
Geschwindigkeiten  zu  erreichen  und  ein  sicheres  Urtheil 
über  die  Durchführbarkeit  des  elektr.  Schnellbetriebes  auf 
Vollbahnen  in  technischer  und  wirthschaftlicher  Beziehung 
zu  gewinnen.  — 

Hr.  Reg.-Rth.  Höppener  wurde  als  einheimisches 
ordentl.  Mitglied  in  den  Verein  aufgenommen.  — 

Arch.- u.  Ing -Verein  zu  Magdeburg.  Unter  Vorsitz  des 
Hrn.  Müller  hielt  in  der  Sitzung  am  9.  April  d.  J.  Hr.  Brth. 
Harms  einen  Vortrag  über  die  Heizung  des  Magde- 
burger Domes.  Nachdem  1883  ein  Entwurf  für  eine  Fuss- 
heiznng  verworfen  war,  machten  sich  seit  dem  Jahre  1890 
wieder  Bestrebungen  zur  Einführung  einer  Heizung  des 
Gotteshauses  geltend.  Es  wurde  ein  Wettbewerb  zur  Er- 
langung geeigneter  Entwürfe  ausgeschrieben,  aus  welchem 
die  Fhma  Liebau  in  Mageburg- Sudenburg  als  Siegerin 
hervorging.  Ihr  Entwurf  wurde  mit  einigen  baulichen  Ab- 
änderungen zur  Ausführung  gebracht.  Auf  dem  Grund- 
stück der  Regierung  wurde  das  Kesselhaus  in  einer  Tiefe 
von  7 “ unter  dem  Dorafussboden  erbaut  — eine  Tiefe, 
welche  die  Rückleitung  des  Kondens-Wassers  mit  natür- 
lichem Gefälle  nach  den  Kesseln  ermöglicht.  Es  sind  3 
Cornwall-Kessel  mit  je  72  1“^  Heizfläche,  mit  Treppenrost 
und  selbstihätigem  Zugregler  aufgestellt.  Der  26^  hohe 
Schornstein  ist  möglichst  versteckt  angeordnet.  Der  Dampf- 
druck wird  auf  0,5  Atm.  gehalten.  Vom  Kesselhause  führt 


unter  dem  Remtergang  hindurch  ein  begehbarer  Kanal, 
in  welchem  die  Rohre  untergebracht  sind,  nach  dem  Dome, 
wo  sich  die  Rohre  nach  den  Heizkörpern  verzweigen. 
Letztere  sind  da  aufgestellt,  wo  die  abgekühlte  Luft  sich 
sammelt  und  zwar  so,  dass  die  Architektur  nicht  beein- 
trächtigt wird.  Neben  den  Längswänden  der  Seitenschiffe 
ziehen  sie  sich  im  Fussboden  entlang,  im  Hauptschiff 
liegen  sie  hinter  den  untersten  Scheiben  der  Hochschiff- 
Fenster.  Auch  auf  den  Emporen,  dem  Bischofsgang  und 
dem  Orgelchor  sind  verdeckte  Heizkörper  untergebracht. 
Besondere  Schwierigkeiten  entstanden  bei  der  Unter- 
bringung der  Heizkammern  unterhalb  der  vorerwähnten 
Fenster  des  Hochschiffes  durch  den  knapp  bemessenen 
Raum  zwischen  diesen  und  den  Dächern  der  Seitenschiffe. 
Hier  mussten  die  Heizöffnungen  entsprechend  der  oberen 
Bleiverglasung  vergittert  werden,  um  sie  dem  Auge  zu 
entziehen.  Um  die  Entstehung  von  Zugluft  beim  Betreten 
des  Domes  zu  verhüten,  wird  angeheizte  Luft  zugeführt 
durch  in  die  Vierungsthürme  und  in  die  Windfänge  ein- 
gebaute Heizkammern,  so  dass  nur  vorgewärmte  Luft  in 
das  Dominnere  gelangen  kann.  So  lange  die  Kirche  ge- 
schlossen ist,  werden  diese  Heizkammern  zur  Erwärmung 
der  Innenluft  nach  entsprechender  Umstellung  der  Ab- 
schlussklappen benutzt.  Während  des  ganzen  Winters 
wird  dauernd  eine  Wärme  von  8— lo^^C.  erzeugt,  um  eine 
zu  starke  Abkühlung  zu  verhindern.  Die  Kosten  der  Ge- 
sammtanlage  beliefen  sich  auf  120  500  M.,  wovon  42400  M. 
auf  die  eigentliche  Heizung,  21500  M.  auf  die  Dachver- 
änderung und  56600  M.  auf  Nebenanlagen  entfallen.  Die 
Betriebskosten  sind  auf  5—6000  M.  jährlich  veranschlagt. 

Den  lehrreichen  Ausführungen,  die  mit  Dank  aufge- 
nommen wurden,  folgten  noch  weitere  Erläuterungen  von- 
seiten  des  Hrn.  Brth,  Fritze  über  die  Umstände,  die  zum 
Bau  dieser  umfangreichen  Anlage  führten.  Eine  zahlreich 
besuchte  Besichtigung  der  Neuanlagen  fand  drei  Tage 
später  statt.  — 


Vermischtes. 

Der  Wabenziegel.  Der  durch  Gebrauchsmusterschutz 
gesicherte  Wabenziegel  des  Arch.  Albin  Kühn  in  Heidel- 
berg, über  welchen  wir  in  No.  ii  d.  J.  kurz  berichteten, 
kommt  in  zwei  Grössen  und  Stärken  zur  Ausführung.  Die 
grössere  Platte,  Abbildg.  r,  22/42^01  gross,  20““  dick,  mit 
6^5  mm  Wabengrund  und  7 mm  starken  sich  nach  vorn  auf 
4 mm  verjüngenden  Stegen  und  mit  Seitenfalzen  ausge- 
rüstet, soll  mit  15  cm  Ueberdeckung  verwendet  werden 
und  so  ein  leichtes,  dichtes  D^ach  ergeben.  Die  kleinere 
Platte,  Abbildg.  2,  18/36«“  gross,  16““  dick,  mit  5,5“™ 
Wabengrund  und  6 mm  starken  auf  3,5““  sich  verjüngen- 
den Stegen,  soll  als  Bieberschwanz  für  Doppeldach  in 
Anwendung  kommen  und  so  ein  leichtes  und  dichtes  Dach 
ergeben,  welches  zugleich  die  Einwirkung  von  Wärme 
und  Kälte  möglichst  abwehrt.  Aehnhch  wie  die  gewöhn- 
lichen Falzziegel  sollen  diese  Wabenziegel  mit  starkem 
Druck  aus  feinstem  und  dichtestem  Thon  gepresst  werden, 
aus  weichem  sich  Platten  von  grosser  Festigkeit,  ebener 
Form  und  langer  Dauer  brennen  lassen-  Durch  die  unter- 
brochenen Berührungsflächen  wird  bei  einem  solchen 
Dache  das  Festhalten  von  Regen-  und  Schneewasser  be- 


gewürdigt  zu  werden.  Selbstverständlich  kann  es  sich 
immer  nur  um  den  Einfluss  der  zeitgenössischen  Leistun- 
gen handeln,  denn  von  der  vererbten  Verehrung  der  Denk- 
mäler irgend  einer  früheren  Periode,  welche  durch  die 
Patina  der  an  sie  geknüpften  historischen  Erinnerungen 
theilweise  dem  engeren  Bereiche  der  Kunst  entrückt  sind, 
muss  in  diesem  Falle  ganz  abgesehen  werden.  Sie  ist 
höchstens  geeignet,  den  Werth  des  Neuen  herabzusetzen, 
indem  sie  nöthigt,  einen  höheren  Maasstab  der  Schätzung  an- 
zulegen. Soll  also  diemoderneArchitektur  die  ihr  ersichtlich 
entgegenstehende  Gleichgiltigkeit  der  Menge  besiegen,  was 
gewiss  kein  leichtes  Unternehmen  ist,  da  der  Durchschnitts- 
mensch in  seiner  vielseitigen  Beanspruchung  gewöhnlich 
gegen  alle  Kunsteindrücke  und  namentlich  gegen  die  un- 
persönlichen der  Architektur  ziemlich  fest  gepanzert  zu 
sein  pflegt,  so  muss  sie  in  individuell  künstlerischer  und 
deshalb  zum  Herzen  gehender  Gestalt  auftreten  und  darf 
sich  nicht  mit  früher  beliebten  theoretisirenden  Erwägun- 
gen über  bevorzugte  historische  Stilformen,  Mehr-  oder 
Minder-Echtheit  irgend  eines  Baumateriales  und  was  der- 
gleichen mehr  ist,  belasten. 

Die  greifbare  Wirklichkeit  der  uns  räumlich  um 
schliessenden  oder  sich  unserer  Anschauung  mit  ihrem 
Aeusseren  darbieteiiden  Bauwerke,  welche  einer  zweiten 
Kunstnatur  gleichzuachten  sind,  kann  durch  Architektur- 
zeichnungen nicht  entfernt  ersetzt  werden.  Und  dies  ist 
auch  wohl  der  wahre  Grund,  weshalb  die  Architektur  in 
den  öffentlichen  Ausstellungen  weniger  die  Antheilnahme 

io.  Mai  1902. 


des  Publikums  erregt,  als  Malerei  und  Skulptur.  Die  letzt- 
genannten Kunstzweige  führen  die  Sache  selbst,  das  vollen- 
dete Kunstwerk,  das  nur  einen  Bezug  auf  sich  selbst  hat, 
vor  Augen,  während  die  Architektur  in  den  Zeichnungen, 
selbst  wenn  diese  in  perspektivischer  Darstellung  gegeben 
werden,  nur  ein  schwaches  Abbild  des  Wirklichen  bieten 
kann  und  namentlich  ganz  ausserstande  ist,  das  Dämo- 
nische der  Raumwirkung  auch  nur  andeutungsweise  zu 
versinnlichen. 

um  schliesslich  das  Ergebniss  unserer  Erörterungen 
kurz  zusammenzufassen,  so  mag  hier  noch  einmal  gesagt 
sein:  Die  Architektur  soll  gleich  jeder  anderen  Kunst 
zum  Gebrauch  der  feineren  Seelenkräfte  erziehen,  die  in 
einem  Rousseau’schen  Naturzustände  unverbraucht  schlum- 
mern würden.  Der  Architekt  hat  die  Aufgabe,  gleich 
einem  neuen  Orpheus  den  todten  Stoff  in  seelenvoll  ge- 
ordnete Gebilde  zu  zwingen  und  ladet  die  ganze  Mensch- 
heit zum  Genüsse  seines  Triumphes  ein.  Könnte  noch 
ein  Zweifel  aufkommen  gegen  die  erzieherische  Kraft 
der  Architektur,  wenn  wir  sehen,  wie  die  letztere  allein 
imstande  ist,  für  alle  kirchlichen  und  weltlichen  Vorgänge 
unseres  Lebens  den  unentbehrlichen,  feierlichen,  monu- 
mentalen, im  höchsten  Sinne  ausdrucksvollsten  Rahmen 
zu  schaffen,  und  wie  sie  zugleich  für  unser  gewöhnlicues 
Leben  die  häusliche  Hülle  bereitet,  ohne  welche  ein  den 
höchsten  Zielen  der  Menschheit  zustrebendes  Dasein  sich 
niemals  hätte  verwirklichen  lassen?  — ^ ttKp. 


247 


trächtlich  verringert  und  damit  nicht  nur  das  Dach  ent- 
lastet, sondern  zugleich  auch  dem  schnellen  Zerfrieren 
und  Faulen  der  Platten  vorgebeugt.  Da  ferner  durch  die 
Wabenform  die  Masse  des  Ziegels  auf  das  geringst  mög- 
liche Maass  herabgemindert  ist,  so  kann  die  Wasserauf- 


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mm 


nähme  desselben  eine  nur  ganz  geringe  sein  und  es  wird 
das  Wasser  durch  die  Wabenform  zum  schnellen  Ver- 


dunsten gebracht.  — 

Eine  automatische  Schiebethür  ist  von  der  Masch.-Fabr. 
Merkelbach  in  Wiesbaden  zum  Patent  angemeldet.  Wie 
aus  untenstehender  Abbildung  hervorgeht,  wird  die  Thür 
bei  Betreten  der  Schwelle  durch  das  Zusammendrücken 


der  unter  derselben  liegenden  scbeerenartigen  Konstruk- 
tion S sowie  durch  Drehung  der  beiden  Zahnkränze  Zj 
und  Z2  und  des  mit  letzterem  fest  verbundenen  Bügels 
]3,  auf  welche  sich  der  Zuggurt  aufwickelt,  geöffnet.  Bei 
Verlassen  der  Schwelle  führt  das  kleine  Gegengewicht  G 
durch  entsprechende  Rückwärtsbewegung  des  ganzen  Ge- 
triebes die  Thür  wieder  in  die  geschlossene  Lage  zurück, 


Der  etwas  umfangreich  ausfallende  Betriebsmechanismus 
lässt  sich  in  dem  für  die  Schiebethür  ohnehin  nöthigen 
Schlitz  bei  besseren  Ausführungen  verbergen.  Die  Thüren 
sollen  sich  geräuschlos  bewegen.  Falls  die  Einzelheiten 
so  ausgebildet  sind,  um  einen  ruhigen  und  leichten  Gang 
auf  die  Dauer  zu  sichern  und  namentlich  auch  unter  dem 
verschiedenen  Gewichte  der  Personen  nicht  zu  uugleich- 
mässig  zu  arbeiten,  so  wird  sich  eine  derartige  Thüranord- 
nung mit  Vortheil  in  öffentlichen  Gebäuden  mit  starkem 
Verkehr  verwenden  lassen.  — 

Die  erste  Ausstellung  moderner  dekorativer  Kunst  in 
Turin  1902  wird  am  heutigen  Tage,  dem  10.  Mai,  durch 
den  König  von  Italien  feierlich  eröffnet,  obwohl  bei  dem 
fühlbaren  Mangel  an  Arbeitskräften  die  Ausstellung  noch 
keineswegs  vollendet  ist.  — 

Eine  bayerische  Landes -Industrie-  und  Gewerbe- Aus- 
stellung ln  Nürnberg  1906  ist  nunmehr  gesichert.  Das 
Bayerische  Gewerbe-Museum  in  Nürnberg  hat  die  Durch- 
führung des  Planes  übernommen.  — 


Preisbewerbungen. 


Personal-NachrichteD. 

Deutsches  Reich.  Ernannt  sind:  Die  Mar.  - Schiffbmstr. 

Eichhorn  u.  Bockhacker  zu  Mar.-Ob -Brthn.  und  Schiffb.- 
Betr.-Dir.;  die  Mar.-Masch.-Bmstr.  P h e h n u.  Collin  zu  Mar.-Ob.- 
Brthn.  und  Maschinenb.-Betr -Dir. ; der  Mar.-Brtli.  Radant  zum 
Hafenb.-Betr.-Dir.  — Dem  Mar.-Schiffbauinsp.  Go  ecke  ist  der 
Char.  als  Mar.-Brth.  mit  dem  Range  der  Korvetten-Kapitäne  verliehen. 

Baden.  Die  Baupraktik.  Linde  und  Gros  sind  zu  Reg- 
Bmstrn.  ernannt  und  sind  dieselben  den  Bez.-Bauinsp.  Baden,  bezw. 
Emmendingen  zugetheilt. 

Bayern.  Dem  Dir.-Ass.  Schlesinger  in  Ntirnberg  ist  die 
erbetene  Entlassung  aus  dem  Staatseisenb. -Dienste  bewilligt. 

Preussen.  Dem  Brlh.  Wäc  h t er  in  Berlin  ist  die  Eriaubniss 
zur  Anlegung  des  ihm  verlieh,  fürstl.  reuss.,  j.  L.,  Ehrenkreuzes 
II.  KL  und  dem  Hafeninsp.  W i 1 1 e r t in  Kiel  dieselbe  für  das  Ritter- 
kreuz II.  Kl.  des  gros^h.  bad.  Ordens  vom  Zähringer  Löwen  ertheilt. 

Dem  Reg.-  u.  Brth  W e g n e r in  Berlin  ist  die  etatm.  Stelle 
eines  solchen  als  Stand.  Hilfsarb.  im  Minist,  der  Landwirthschaft, 
Domänen  und  Forsten  übertragen. 

Der  Oberlehrer,  Prof.  Dr.  Seipp  in  Höxter  ist  z.  kgl.  Bau- 
gewerkscliuldir.  in  Buxtehude  und  der  Arch.  Schmiedt  in  Kassel 
z.  kgl.  BaugewerkschuUehrer  ernannt. 

Dem  Eisenb.-Dir.  Thiele  in  Leinhausen  ist  beim  Uebertritt 
in  den  Ruhestand  der  Char.  als  Geh.  Brth.  verliehen. 

Der  Landbauinsp.  v.  Saltzwedel  in  Frankfurt  a.  O.  ist 
nach  Potsdam  versetzt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Karl  Schroeder  aus  Köslin  und  Osk. 
Riedel  aus  Dresden  (Eisenbfch.)  sind  zu  Reg-Bmstrn.  ernannt. 

Dem  Reg.-Bnistr.  Wilh.  Deetz  in  Chemnitz  ist  die  nachges. 
Entlassung  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Sachsen.  Der  Reg-Bmstr  Legart  beim  Landbauamte  in 
Zwickau  ist  auf  Ansuchen  aus  dem  Siaatsdienst  entlassen. 

Württemberg.  Der  Bauinsp.  Baur  beim  techn.  Bür.  der 
MInist.-Abth.  für  den  Strassen-  u.  Wasserbau  ist  s.  Ans.  gemäss 
mit  dem  i.  Juli  in  den  Ruhestand  versetzt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  G.  Sch.  in  München.  Dem  Uebel  einer  über 
einem  Saale  gelegenen  Asphaltkegelbahn  mit  eichener  Kugelauflage 
ist  auf  einfache  Weise  und  ohne  grössere  Umbauten  überhaupt 
nicht  abzuhelfen,  da  das  störende  Geräusch  immer  wieder  Fortpflan- 
zung finden  wird.  Man  hat  die  Erfahrung  gemacht,  dass  selbst  die 
unter  Beobachtung  der  weitgehendsten  Vorsichtsmaassregeln  in 
Kellern  z.  B.  angelegten  Kegelbahnen  das  von  ihnen  ausgehende 
Geräusch  mehrere  Stockwerke  weit  fortpflanzen.  Hier  giebt  es 
wohl  kein  anderes  Mittel,  als  Entfernung  der  Kegelbahn.  — 

Hrn.  O.  Thr.  in  Steuden.  In  Ihrem  Falle  ist  das  erfolg- 
reichs'e  Mittel,  den  bereits  so  weit  fortgeschrittenen  Hausschwamm 
zu  bekämpfen,  die  sorgfältigste  Entfernung  aller  von  demselben  er-, 
griffenen  Holztheile  und  die  peinlichste  Veihinderung  der  Möglich- 
keit der  Uebertragung  der  Sporen  des  Schwammes.  Die  Vornahme 
solcher  konstruktiver  Vorkehrungen,  welche  die  Entwicklung  des 
Schwammes  unmöglich  machen  — also  Beseitigung  der  Feuchtigkeit, 
Zutritt  Irischer  Luft  usw.  — ist  dabei  selbstverständlich.  Wenn 
die  Schwamminfektion  noch  nicht  zu  weit  fortgeschritten  ist,  so 
wäre  möglich,  dass  das  Verfahren  des  Hm.  Reg.-Bmstr  M.  See- 
mann, Berlin  N.W. , Klopstock-Str.  34,  gewisse  Dienste  leistet.  — 
Hrn.  C.  in  Bochum.  Die  einzige  ausgeführte  Bahn  in  Deutsch- 
Ostafrika  ist  die  von  Tanga  nach  Muhesa.  In  den  „Vcrhändl.  des 
Ver.  z.  Beförd.  d.  Gew.-Fleisses"  1896  u.  ff.  ist  eine  sehr  eingehende 
Darstellung  dieser  Bahiianlage  aus  der  Feder  ihres  Erbauers,  Reg. 
u.  Brth.  Bernhard,  erschienen  und  auch  als  Sonderabdruck:  „Der 
Eisenbahnbau  in  Deutsch-Ostafrika“,  Berlin  1888,  herausgegeben. 
Ueber  Bahnentwürfe  finden  sich  mancherlei  Veröffentl.  in  den  letzten 
jahrg.  der  Ztg.  d.  Ver.  deutsch.  Eisenb.-Verw.  — Bl.  — 

Hrn.  Reg.-Bmstr.  W.  in  Köln.  Die  Stuhlschienen  wandern 
weniger,  als  die  Breitfuss-Schienen.  Man  erklärt  das  aus  der  That- 
sache,  dass  erstere  annähernd  in  der  Nulllinie  des  Querschnittes 
unterstützt  sind.  Näheres  s.  in  „Eisenb.-Technik  der  Gegenwart“ 
Bd.  II  S.  217  und  „Hdb.  d.  Ing.-Wissensch.“  5.  Bd.,  4.  Kap.,  § 36, 
S.  203,  sowie  in  den  dort  angegebenen  Quellen.  — Bl. — 

Hrn.  Arch.  H.  in  Säckingen.  Die  Verpflichtung  zur  Ein- 
tragung ins  Handelsregister  haben  Sie  nur,  wenn  Ihr  Geschäfts- 
umfang für  so  bedeutend  gilt,  dass  die  gesetzlichen  Voraussetzun- 
gen erfüllt  erscheinen.  Die  Beurtheilung  hierüber  hat  in  erster 
Linie  der  Register-Richter.  Glauben  Sie  nach  Art  und  Umfang 
Ihres  Geschäfts  - Betriebes  die  Aufforderung  für  unzutreffend 
halten  zu  müssen,  so  genügt  eine  Vorstellung  an  den  Register- 
Richter  unter  Darlegung  der  thatsächlichen  Verhältnisse.  Die  meisten 
Register-Richter  sind  zu  persönlichen  Darlegungen  bereit.  Grund- 
sätzlich sind  Architekteu  von  der  Eintragungspflicht  nicht  befreit, 
im  Gegentlieil  sind  hier  und  ausserhalb  solche  einregistrirt.  K.  H-e. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Giebt  es  Werke  oder  Abhandlungen  darüber,  ob  und  in  welchem 
Maasse  die  durch  Sprengungen,  schwere  Fallhäromer,  Explosionen 
usw.  erzeugten  Erschütterungen  an  den  in  der  Nähe  liegenden  Ge- 
bäuden Schäden  anrichten  können  und  in  welcher  Weise  sich  die 
letzteren  zeigen?  W.  V.  in  Essen. 


In  dem  Wettbewerb  betr.  den  Umbau  des  Breslauer 
Konzerthauses  errang  den  I.  Preis  der  Entwurf  „Viel 
Mühe  war’s'*  des  Hrn.  Friedr.  Möller  in  Berlin;  den 
IL  Preis  der  Entwurf  „Wratislaw“  des  Hrii.  Alwin 
Genschel  in  Hannover  und  den  III.  Preis  der  Entwurf 
„Saal"  des  Hrn.  Herrn.  Fleck  in  Breslau.  Sämmtliche 
Entwürfe  sind  bis  12.  Mai  im  Provinzial-Museum  in  Breslau 
öffentlich  ausgestellt.  Der  Termin  des  12.  Mai  erscheint 
uns  etwas  kurz  gegriffen.  — 


Inhalt ; Die  Wiederherstellung  der  Stadtkirche  in  Friedberg  in  der 
Wetterau  (Schluss).  — Das  erzieherische  Element  in  der  Architektur  (Schluss). 
— Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902,  III.  — 
Miltheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Per- 
sonal-Nachrichten. — Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  Wiederherstellung  der  Stadt- 
kirche in  Friedberg  in  der  Wetterau. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veraatwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


248 


No.  38. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  39,  Berlin,  den  14.  Mai  1902. 


Abbildg.  35.  Untergestell  eines  araerikanisi^hen  Vollbahnwagens  ffir  Luftdruck-Betrieb. 


Ueber  die  Verwendung  von  Druckluft-Betriebsmitteln  bei  Kleinbahnen  und  städt.  Strassenbahnen. 

(Fortsetzung  und  Schluss.) 


nfolge  der  geschilderten  wenig  angenehmen  Eigen- 
schaften der  Hoadley-Wagen  und  ihres  verhältniss- 
mässig  grossen  Energie-Verbrauches  sind  dieselben 
neuerdings  durch  Wagen  nach  dem  System  Hardie»)  er- 
•setzt  worden,  das  sich  bereits  im  Betriebe  bewährt  hatte 
Der  ältere  Hardie-Wagen  (Abbildgn.  27  bis  31),  der  in 
Chicago  und  auf  den  Strassenbahnen  in  Rome  (N.-Y.)  im 
Betriebe  ist,  entspricht  im  Prinzip  im  allgemeinen  der 
früher  geschilderten  Hochbahn-Lokomotive.  Die  Achsen 
sind  gekuppelt  und  werden  durch  ausserhalb  des  Rahmens 
hegende  Motoren  angetrieben.  Dadurch  wird  der  Raum 
zwischen  den  Rädern  für  die  Anbringung  der  Behälter 
frei.  Es  sind  imganzen  16  Behälter  vorhanden  mit  ver- 
schiedenen Längen;  ihr  innerer  Durchmesser  beträgt 
200  mm.  Zwei  Behälter  F von  der  Länge  des  Wagen- 
kastens liegen  unter  den  Sitzen,  die  übrigen  unter  dem 
Wagenboden,  und  zwar  E in  der  Wagenmitte,  B,  C und 
D je  doppelt  an  den  Wagenenden  unter  den  Plattformen 
Der  Gesammtinhalt  der  Behälter  beläuft  sich  auf  1500  l und 
ihr  Leergewicht  auf  2 t.  Der  Erwärmer  A (Abbildgn.  27 
u.  29)  liegt  der  Länge  nach  unter  dem  Wagenkasten.  Er  ist 
2J34““*  lang  und  besitzt  einen  inneren  Durchmesser  von 
457  mm;  sein  Inhalt  ist  also  350  k Er  ist  zur  Hälfte  mit 
heissem  Wasser  gefüllt.  Die  kalte  Luft  tritt  von  unten 
dürchströmt  das  Wasser  und  sammelt  sich  im  oberen 
Theile  des  Gefässes.  Von  dort  wird  sie  aus  einem  Rohr 
mit  durchbrochenen  Wandungen  entnommen.  Zwei  senk- 
rechte FJachbleche  (Paltschbleche)  schützen  gegen  das 
Emporspritzen  des  Wassers  beim  Schwanken  des  Wagens ; 
hierdurch  soll  das  Mitreissen  von  Wasser  vermieden  wer- 
den. Die  Wasserwärme  beträgt  anfänglich  180— i=;o  gegen 
Ende  der  Fahrt  noch  90 — 70®. 

Das  Druckverminderungs-Ventil,  welches  die  Spannung 
der  Luft  von  170  auf  10,5^1  ermässigt,  ist  in  Abbildg.  30 
dargestellt.  Die  Luft  strömt  von  links  bei  B ein;  in  der 
Kammer  ü und  der  damit  in  Verbindung  stehenden  Kam- 
mer D herrscht  der  Zylinder-Einströmungsdruck.  Der- 
selbe wirkt  auf  die  Membran  E,  und  diesem  Druck  hält 
die  Feder  F das  Gleichgewicht.  Je  nachdem  der  Druck 
m D oder  der  Federdruck  überwiegt,  wird  das  Ventil 
geschlossen  oder  geöffnet. 

Der  Durchmesser  der  Zylinder  beträgt  i78“m,  der 
Kolbenhub,  welcher  nicht  wie  bei  Hoadley  durch  die 
Bauart  des  Wagens  beschränkt  ist,  356»ni. i’S)  Die  Ein- 
strömungsdauer (Füllung)  ist  nur  zwischen  den  Grenzen 
10%  und  lyO/j,  veränderlich;  der  letztere  Werth  ist  nämlich 
ungefähr  die  Grenze,  bei  welcher  sich  bei  dem  gewählten 
Arbeitsdruck  von  10,5^^  noch  eine  volle  Expansion  (bis 
zur  Atmosphäre)  erreichen  lässt,  die  zur  Vermeidung  eines 
hörbaren  Auspuffs  durchaus  erwünscht  ist.  Nun  ist  es 
ohne  weiteres  nicht  möglich,  unter  diesen  Umständen  bei 

Org;aQ  fQr  Eisenbahnwesen  1901,  S.  115  u.  118. 

) Es  ist  erwünscht,  den  Kolbenhub  möglichst  gross  zu  machen,  um 
Verhaltniss  zu  verringern  und  die  Dehnung 
möglichst  weit,  d.  h.  bis  zum  Atmosphgrendruck  bringen  zu  können.  Beide 
Kücksichten  tragen  zu  einem  sparsamen  Energieverbranch  erheblich  bei. 


allen  Kolbenstellungen  anzufahren.  Um  das  zu  ermög- 
lichen, sind  besondere  Rohre  nach  den  beiden  Zylinder- 
enden geführt,  durch  welche  man  Luft  unabhängig  von 
der  Schieberstellung  hinter  den  Kolben  treten  lassen  kann. 
Ausser  diesem  „Anfahrventil"  tritt  beim  Anfahren  noch 
ein  weiteres  Ventil  in  Thätigkeit,  welches  die  Arbeits- 
Anfangsspannung,  (die  sonst  durch  das  Druckverminde- 
rungs-Ventil konstant  gehalten  wird)  um  40%  zu  erhöhen 
gestattet.  Es  folgt  daraus,  dass  beim  Anfahren  ein  hörbarer 
Auspuff  unvermeidlich  ist.  Dieses  Beschleunigungsventil 
befindet  sich  am  oberen  Ende  des  Druckverminderungs- 
Ventils,  (bei  A,  Abbildg.  30)  und  wird  vom  Führerstande 
aus  mittelbar  bethätigt.  Wird  nämlich  der  Druck  in  dem 
nach  A vom  Führerstande  laufenden  Rohre  vermindert, 
so  wird  auch  der  Druck  auf  die  Fläche  des  Ventils  A 
ermässigt,  wodurch  die  Spindel  des  Druckverminderungs- 
Ventils  durch  die  Kraft  der  Feder  F in  die  Höhe  geht 
und  dieses  weiter  öffnet. 

Die  Steuerung  ist  eine  Doppelschieber-Steuerung  mit 
3 Excentern,  welche  so  angeordnet  ist,  dass  der  weitesten 
Umlegung  des  Steuerungshebels  die  kleinste  Füllung  ent- 
spricht, sodass  der  Hebel  wie  der  eines  elektrischen  Fahr- 
schalters beim  Anfahren  allmählich  weiter  umgelegt  wird. 
Anfahr-,  Beschleunigungs-  und  Absperrventil  sind  mit  dem 
Bremshebel  verbunden,  sodass  ausser  der  Steuerung  nur 
dieser  eine  Hebel  zu  bewegen  ist.  Ferner  ist  auf  dem 
Führerstande  noch  ein  Haupt-Absperrventil  vorhanden, 
welches  die  Luft  von  allen  Apparaten  abschliesst  und 
während  der  Betriebspause  des  Wagens  geschlossen  bleibt. 
Der  Zylinder  der  Luttdruckbremse  ist  in  Abbildg.  31  dar- 
gestellt. Zum  Bremsen  wird  Luft  in  den  ringförmigen 
Raum  R eingelassen,  worauf  der  Kolben  die  gezeichnete 
Stellung  einnimmt.  Um  die  Bremse  zu  lösen,  lässt  man 
die  Luft  von  T aus  durch  V auf  die  andere  Seite  des 
Kolbens  strömen.  Durch  die  Bohrung  S strömt  die  Luft 
in  die  hohle  Kolbenstange  und  von  dort  durch  die  Oeff- 
nungen  W nahezu  ohne  Geräusch  ins  Freie. 

Es  ist  ein  besonderer  Vorzug  der  Druckluftwagen, 
dass  man  eine  gut  und  zuverlässig  wirkende  mechanische 
Bremse  anwenden  kann  und  dabei  das  wenig  angenehme 
Geräusch  vermeidet,  welches  die  Pumpe  einer  Luftdruck- 
bremse bei  elektrischen  Wagen  verursacht ‘®).  Ueberhaupt 
dürften  die  vollkommensten  Luftdruckbremsen  den  besten 
elektrischen  Bremsen  wohl  noch  überlegen  sein. 

Die  neueren  Hardie-Wagen  haben  eine  in  Abbil- 
dung 32  dargestellte  Steuerung  erhalten.  Es  ist  eine  Doppel- 
schieber-Steuerung. Der  Grundschieber  wird  durch  eine 
Stephenson’sche  Kulisse  mit  gekreuzten  Excenterstangen 
bewegt.  An  der  Aussenseite  derselben  befindet  sich  ein 
zweiarmiger  Hebel  n,  mit  welchem  unten  der  Hebel  f, 
oben  der  Gnmdschieber  gelenkig  verbunden  sind.  Das 

Es  ist  das  wohl  eiaer  der  vornehmsten  GrQodc,  weshalb  man 
vielfach  bei  elektrischen  Wagen  unter  Verzichtleistung  auf  die  Pumpe 
einen  besonderen  (oder  mehrere!  Vor  rathslu  ft  behai  t er  für  dieBremsen 
vorgesehen  hat,  der  aaf  End-  oder  Haupt-Zwischenstationen  in  gewissen 
Zeitabschnitten  gefüllt  wird,  z.  B.  bei  der  Schwebebahn  in  Elberfeld. 


obere  Auge  des  Hebels  / erhält  eine  der  Ki'euzkopf-Be- 
wegung  entgegengesetzte  Bewegung  durch  die  Stange  l 
bezw.  durch  den  doppelarmigen  Hebel  g,  welcher  in  dem 
am  Rahmen  befestigten  Lager  p schwingt.  Der  Punkt  m des 
Hebels  f ist  durch  die  Stange  h mit  dem  Expansions- 
schieber verbunden.  Eine  Anzahl  im  Betriebe  an  den  Wagen- 
maschinen aufgenommener  Diagramme  zeigt  Abbildg.  33. 

Wenn  diese  Versuche  mit  Druckluftwagen  ein  zu- 
friedenstellendes Ergebniss  zeitigen,  so  gedenkt  die  Metro- 
politan-Strassenbahn-Gesellschaft,  in  deren  Hand  jetzt  alle 
Strassenbahnen  im  eigentlichen  New-York  (Manhattan- 
Insel)  vereinigt  sind,  die  grösste  Zahl  der  zurzeit  meist 
hoch  mit  Pferden  betriebenen  Querlinien,  welche  vom 
North-River  nach  dem  East  River  laufen  (vgl.  Abbildg.  25 
auf  S.  231)  und  beiderseits  je  an  eine  der  zahlreichen 
Fähren  anschliessen,  mittels  Druckluft  zu  betreiben.  Für 
die  von  Süden  nach  Norden  in  der  Längsrichtung  der 
Insel  laufenden  Linien  wird  die  unterirdische  Strorazu- 
führung  durchgeführt,  wobei  zumtheil  die  Kanäle  der 
früheren  Kabelbahnen  benutzt  werden.  Für  die  Quer- 
linien erschien  dieses  System  deshalb  nicht  durchführbar, 
weil  die  grosse  Zahl  der  Kanalisations-,  Wasser-,  Gas-  und 
elektrischen  Leitungen  die  Stadt  der  Länge  nach  durch- 
ziehen und  bei  dem  meist  felsigen  Untergrund  so  hoch 
liegen,  dass  sie  beim  Bau  der  Stromleitungs-Kanäle  viel- 
fach verlegt  werden  müssten.  Ferner  liegen  die  Hafen- 
strassen, welche  von  den  Querlinien  berührt  werden,  zum- 
theil. so  tief,  dass  bei  Sturmfluthen  die  Strassen  über- 
schwemmt werden,  wobei  das  Salzwasser  in  die  Strom- 
leitungskanäle eindringen  und  Kurzschluss  verursachen 
würde.  Neben  der  Druckluft  kommt  daher  nur  noch  Be- 
trieb mit  elektrischen  Akkumulatoren  infrage.  Für  beide 
Systeme  liegen  die  Verhältnisse  insofern  günstig,  als  die 
Linien  kurz  sind  und  die  Wagen  an  den  Endpunkten  ohne 
Schwierigkeit  neu  geladen  werden  können. 

Wesentlich  anders  als  in  New-York  ist  die  Anwendung 
der  Druckluft-Strassenbahnwagen  (System  Hardie)  in  Chi- 
cago. Hier  ist  für  die  in  die  innere  Stadt  hineinführenden 
Linien  noch  die  Kabelbahn  in  Gebrauch, und  diese  ist  für  den 
Nachtbetrieb  mit  einzelnen  wenigenWagen  wirthschaft- 
lich  sehr  ungünstig.  Man  lässt  daher  Nachts  den  Kabel- 
betrieb ruhen  und  betreibt  eine  der  Linien  (in  der  Nord- 
Clark-Strasse)  von  i — 5 Uhr  mit  Druckluftwagen.  Zwei 
solcher  „Eulenwagen“  (zu  deutsch  „Lumpensammler“)  sind 
im  Betriebe  und  unterhalten  auf  der  ii  langen  Strecke 
einen  30  Minuten-Verkehr,  ein  dritter  steht  in  Reserve. 
Die  ersten  Nachtfahrten  werden  häufig  mit  einem  oder 
auch  zwei  Anhängewagen  gemacht. 

Die  Lufipumpen-Anlage  (Abb,  34)  liegt  in  der  Mitte 
der  Linie  in  dem  Kabelkrafthause  an  der  Elm-Strasse. 
Dort  sind  ausser  zwei  kleinen  Maschinen  von  je  60P.-S., 
von  denen  immer  nur  eine  in  Thätigkeit  ist,  Luftbehälter 
mit  einem  Gesammtinhalte  von  5500 1 aufgestellt.  Die  in 
den  mit  Oel  gefeuerten  Kesseln  nach  Schluss  des  Kabel- 
betriebes vorhandene  Dampfmenge  genügt  für  den  Betrieb 
der  Luftpumpen,  sodass  die  Erzeugung  dieser  Energieform 
sich  sehr  billig  stellt.  Da  der  Wagenschuppen  am  äusser- 
sten  Ende  der  Linie  liegt,  so  müssen  die  Wagen  die  erste 
Fahrt  mit  der  Luftfüllung  vom  vorherigen  Tage  beginnen, 
nur  der  Erwärmer  wird  vorher  gefüllt.  Das  Laden  ge- 
schieht vor  dem  Kraftwerke  auf  der  Strasse  und  dauert 
etwa  2 Minuten.  Der  Druck  in  den  Luftbehältern  und 
Zylindern  ist  derselbe  wie  bei  den  New-Yorker  Wagen. 

Die  maassgebenden  Zahlen  des  Hardie-Wagens  sind 
folgende:  Gesammtlänge  8500 Radstand  2350 Rad- 
durchmesser 660“”,  Höhe  des  Fussbodens  über  S.-O. 
864 nim,  Zahl  der  Sitzplätze  20,  Gesammt-Leergewicht  8165 

• Infolge  ihrer  Eigenschaft,  eine  Steigerung  der  Motoren- 
leistung durch  Erhöhung  des  Zylinderdruckes  im  Bedarfs- 
fälle leicht  zu  ermöghchen,  haben  sich  diese  Druckluft- 
wagen den  an  sie  gestellten  erhöhten  Ansprüchen  bei 
wiederholten  schweren  Schneefällen  sowohl  in  New-York 
als  auch  in  Chicago  aufs  glänzendste  gewachsen  gezeigt. 
Diese  Schneefälle  traten  in  Amerika  mit  einer  Heftigkeit 
auf,  von  der  man  sich  bei  uns  kaum  einen  Begriff  machen 
kann.  . In  den  meisten  Fällen  mussten  die  Pferdebahnen 
wie  auch  die  elektrisch  betriebenen  Hochbahnen  f^)  den 
Verkehr  völlig  einstellen,  während  die  elektrischenStrassen- 
bahnen  den  Verkehr  nur  mit  grosser  Mühe  und  sehr  un- 
vollkommen aufrecht  erhalten  konnten, ts)  wenn  über- 
haupt die  Kraftwerke  den  erhöhten  Arbeitsaufwand  der 
Wagen,  zu  welchem  noch  der  der  Schneepflüge  kam,  zu 
leisten  vermochten.  Die  Pressluftwagen  haben  dagegen 
ungehindert  verkehrt  und  wurden  häufig  dazu  benutzt, 
bewegungsunfähige,  im  übrigen  elektrisch  oder  durch 
Pferde  betriebene  Wagen  mit  fortzubewegen.  Wenn  trotz- 
ig) Hauptsächlich  wegen  Vereisens  der  Stromleitungsschieoen. 

isj  In  New-York  war  der  Beirieb  der  Strassenbahnen  bis  zu  17  Stunden 
während  des  Schneesturmes  vom  Februar  i8g8  unterbrochen. 


dem  der  Druckluft-Betrieb  in  Amerika  bisher  noch  keine 
grossen  Fortschritte  gemacht  hat,  so  mögen  da  wohl  theil- 
weise  Einflüsse  im  Spiele  sein,  welche  sich  der  Kenntniss 
von  Fernerstehenden  entziehen. 

Einen  sonderbaren,  immerhin  aber  erwähnenswerthen 
Vorschlag  zu  einem  „elektrischen  Druckluft-Strassenbahn- 
wagen“ machte  Merrick’^).  Er  verspricht  sich  von  dem 
Antrieb  des  Wagens  mittels  Druckluft  so  bedeutende  Vor- 
theile, namentlich  bezüglich  einer  schnellwirkenden  kraft- 
sammelnden Bremsung,  dass  er  ein  Fahrzeug  mit  einem 
elektrischen  Motor  ausrüsten  will,  welcher  von  einer  Ober- 
leitung (ständig)  Strom  erhält  und  eine  Luftpumpe  an- 
treibt; diese  füllt  einen  Luftbehälter  mit  Druckluft  von 
7 at  Spannung,  welche  ihrerseits  zum  Antrieb  der  auf  die 
Wagenachsen  wirkenden  Luftmotoren  dient.  Vielleicht 
könnte  man  den  Grundgedanken  des  Systems  für  einen 
gemischten  Oberleitungs-  und  Druckluft-Betrieb  anwenden. 

Man  hat  auch  in  Amerika  den  Anlauf  dazu  genommen, 
Druckluftwagen  für  Vollbahnen  zu  konstruiren.  Abbildg.  35 
zeigt  das  dreiachsige  Drehgestell  eines  von  den  Rome- 
Lokomotiv-Werken  erbauten  Wagens.  Die  Maschine  ist 
2/3  gekuppelt;  die  Steuerung  ist  die  oben  beschriebene 
von  Hardie  erdachte.  Die  Luftbehälter  und  Erwärmer 
sind  am  Drehgestell  befestigt,  da  der  Wagenkasten  mit 
seinen  Quersitzen  dafür  keinen  Raum  bietet.  Der  Wagen- 
kasten ist  der  eines  normalen  amerikanischen  Personen- 
wagens von  18™  Länge.  Die  Triebräder  haben  965  >"“1 
Durchmesser,  der  Radstand  beträgt  2830““,  der  Zylinder- 
Durchmesser  305  mt»,  der  Kolbenweg  457  Ein  grosser 
Luflvorrath  ist  bei  dieser  Anordnung  nicht  vorhanden,  so- 
dass ein  Befahren  einigermaassen  bedeutender  Strecken 
ohne  Nachladen  ausgeschlossen  erscheint. 


Anlage-  und  Betriebs-Kosten. 

Die  Anlagekosten  der  Druckluft -Kraftwerke  unter- 
scheiden sich  nicht  wesentlich  von  denen  der  elektrischen 
Krafthäuser.  Für  die  Rohrleitungen,  welche  zur  Verthei- 
lung  der  Druckluft  dienen,  wird  man  einen  höheren  Be- 
trag einzusetzen  haben,  als  für  elektrische  Speiseleitungen, 
dagegen  entfallen  die  Kosten  für  die  Arbeitsleitungen-  Die 
Beschaffungskosten  für  eine  Mekarski-Strassenbahn-Loko- 
motive  werden  zu  28000  M.,  für  einen  Triebwagen  mit 
Verdeck  zu  18000  bis  20000  M.  angegeben.  Ueber  die 
amerikanischen  Wagen  liegen  Preisangaben  nicht  vor. 

Die  Krafterzeugungskosten  in  den  Kraftwerken  sind 
etwas  geringer  als  bei  elektrischen  Bahn-Zentralen,  da 
die  Belastung  eine  gleichmässige  ist  und  die  Maschinen 
stets  mit  dem  höchsten  Wirkungsgrade  laufen  können. 
Um  I kg  Luft  auf  150  zu  verdichten,  sind  erfahrungs- 

femäss  0,25  bezw.  0,2t  P.  S. -Stunden  erforderlich.  Der 
Wirkungsgrad  der  Kraftübertragung  von  der  Luftpumpe 
bis  zum  Motor  möge  ira  Mittel  zu  50  angenommen  wer- 
den; diese  Zahl  enthält  die  Verluste  in  den  Rohrleitungen 
beim  Füllen,  sowie  bei  der  Ausdehnung  vom  Behälter- 
druck zur  Anfangs-Arbeitsspannung. 

Der  Verbrauch  der  Betriebsmittel  an  Luft  wird  wie 
folgt  angegeben:  Decksitz-Triebwagen  von  Mekarski  im 
Mittel  12  kg  für  den  Wagen-Kilometer  (ebene  Strecke,  ohne 
Anhängewagen);  Triebwagen  von  Hoadley  im  Mittel  10kg, 
Triebwagen  von  Hardie  (ältere  Form)  im  Mittel  9 kg. 
Nimmt  man  die  Kosten  für  die  Erzeugung  einer  indi- 
zirten  P.  S.-Stunde  zu  1,5  Pf.  an,  so  betragen  die  Kosten 
für  IO  kg  Luft  rd.  7,5  Pf.  Rechnet  man  hierzu  0,5  Pf.  für 
die  Erwärmung  der  Luft,  so  betragen  die  Kosten  für  die 
Zugkraft  für  einen  2-achsigen  Triebwagen  von  40  Plätzen 
etwa  8 Pf.  f.  d.  Wagen-Kilometer.  Nach  amerikanischen 
Angaben  soll  es  möglich  sein,  diese  Kosten  bei  grossen 
Anlagen  auf  etwa  4 Pf.  zu  vermindern. 

Einen  Vergleich  der  Anlage-  und  Betriebskosten  zwi- 
schen Druckluft-Betrieb  und  elektrischem  Betrieb  mit  unter- 
irdischer Stromzuführung  nach  dem  Stande  der  Technik 
im  Jahre  1897  zeigen  folgende  Zahleii^^);  es  handelt  sich 
um  Bau  und  Ausrüstung  einer  Strecke  von  41  km  Gleis- 
länge in  Washington  mit  80  Triebwagen^t): 


Zinsei 


Bau  Jährliche 

, Betriebs- 
kosten kosten 

AnschlagderAmerican  m.  m.  m. 

Air  Power  Co.  (Sy- 
stem Hardie)  ....  2 786000  1915  000  195000 
Anschlag  der  Com- 
pressed  Air  Co.  (Sy- 
stem Ploadley)  . . . 2505000  1915  000  175000 
Anschlag  der  General 
Electric  Co.  (Unterird. 

Stromzuführung)  . . 7612000  1257000  429000 


Zu- 
sammen 
■ M. 

2 IIOOOO 


2 090  000 


I 686  000 


,1®)  Street  RaiUvay  Review,  0kl.  1899. 

20)  Engineering  News  7.  Okt.  1897 

21)  Da  die  Linie  bisher  mittels  Kabel  betrieben  waren,  fielen  die 
Kosten  für  die  Herstellung  des  Stromleitungskanales  grösstentheils  fort. 


No.  39. 


250 


Abbildg.  27 — 31. 
Druckluft-Triebwagen, 
System  Hardie. 
(Alte  Anordaung) 

1'  engl.  = 0,30s  m, 

I*  „ =3,540  cm. 


Abbildg.  27. 


Abbildg.  32.  Steuerung  des  neueren  Hardie-Triebwagens. 


Abbildg.  33.  Diagramme  des  Hardie-Triebwagens. 


Abbildg.  28. 


Abbildg.  31.  Zylinder  der  Luftdruckbremse. 


251 


14  Mai  1902. 


Abbildg.  34.  Luftpumpen-Anlage  f.  d.  Druckluft-Betrieb  in  Chicago. 


Der  Betrieb  in  der  28.  und  29.  Strasse  in  New-York 
hat  folgende  Ergebnisse:  Es  sind  28  mit  je  20  Sitzplätzen 
ausgerüstete  Wagen  vorhanden,  die  in  Abständen  bis  herab 
zu  2,5  Minuten  verkehren  und  im  Durchschnitt  30  000  Per- 
sonen täglich  befördern.  Die  Ausgaben  für  den  Wagehi^“ 
betrugen  46,16  Pf.  Bei  elektrischem  Betriebe  mit  unter- 
irdischer Stromzuführung  und  Wagen  von  28  Sitzplätzen 
betrugen  die  Ausgaben  für  den  Wagen^m  34,87  Pf.  Beim 
Vergleich  dieser  Zahlen  ist  zu  bemerken,  dass  i.  das  Luft- 
druck-Krafthaus  auf  den  Betrieb  mit  100  Wagen  berech- 
net ist;  bei  voller  Ausnutzung  würden  daher  die  auf  den 
Wagenkm  entfallenden  Kosten  des  Kraftwerkes  sich  er- 
heblich verringern;  2.  die  Verzinsung  des  Anlagekapitals 
in  den  Betriebszahlen  nicht  enthalten  ist.  Das  Anlage- 
kapital ist  bei  elektrischen  Bahnen  mit  unterirdischer 
Stromzuführung,  wie  wir  gesehen  haben,  etwa  das  drei- 
fache wie  bei  Druckluftbetrieb.  Die  Kosten  für  die  unter- 
irdische Stromzuführung  allein  haben  in  New-York  etwa 
500  000  M.  für  den^^“  doppelgleisiger  Bahnstrecke  betragen. 

Das  Feld  für  die  Anwendung  von  Druckluft-Betriebs- 
mitteln wird  bei  der  grossen  Ausdehnung  des  elektrischen 
Betriebes  auf  Strassenbahnen  bei  uns  stets  ein  beschränk- 
tes bleiben.  Mit  elektrischem  Oberleitungs-Betriebe  v/ird 
die  Druckluft  nicht  in  Wettbewerb  treten ; vielleicht  auch 
nicht  überall  mit  dem  der  unterirdischen  Stromzuführung. 
Wo  aber  beide  Stromleitungsarten  aus  besonderen  Grün- 
den ausgeschlossen  oder  die  letztere  besonders  kostspielig 
in  der  Herstellung  ist,  kann  Druckluft  infrage  kommen. 
Daneben  wird  man  sie  vielleicht  nach  dem  Chicagoer 
Muster  als  Betriebsmittel  für  den  Nachtdienst  ins  Auge 
fassen  können,  sobald  bei  der  wachsenden  Ausdehnung 
der  Stadt  und  der  Bedeutung  der  Strassenbahnen  für  einen 
nächtlichen  Güterverkehr  auch  bei  uns  ein  Betrieb 


Vermischtes. 

Die  Wipertl-Krypta  zu  Quedlinburg.  In  No.  37  findet 
sich  unter  „Vermischtes"  die  Mittheilung,  dass  kürzlich 
einern  Besucher  der  Wiperti-Klosterkirche  hierselbst  von 
den  dort  beschäftigten  Arbeitern  die  Auskunft  geworden 
sei,  die  alt- ehrwürdige  und  kunstgeschichtlich  so  hochbe- 
deutsame Krypta  dieser  Kirche  sei  neuerdings  vermauert 
und  yerfüllt.  Zur  Beruhigung  des  Einsenders  dieser  Notiz 
undweiterer  Kreise  Ihrer  Leser  beeile  ich  mich  mitzutheilen, 
dass  die  bez.  Angabe  der  Arbeiter  den  Thatsachen  nicht 
entspricht.  Das  im  Privatbesitz  befindliche  Bauwerk  wird 
von  seinem  gegenwärtigen  Besitzer  in  durchaus  pietät- 
voller Weise  gepflegt  und  in  seinem  ursprünglichen  Zu- 
stande erhalten,  wovon  ich  mich  erst  heute  wieder  zu 
überzeugen  Gelegenheit  hatte.  Immerhin  steht  zu  hoffen, 
dass  sich  in  nicht  allzu  ferner  Zeit  Mittel  und  Wege  finden 
lassen,  das  bekanntlich  dem  10.  Jahrhundert  entstammende, 
noch  der  altchristlichen  Bauweise  angehörende  Baudenk- 
mal der  staatlichen  Fürsorge  zu  unterstellen.  — 

Quedlinburg,  8.  Mai  1902.  Ochs,  kgl.  Baurath. 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  eine  Erweiterung  des  Rathhauses  in  Nienburg  a.  d.  W. 
wird  vom.- dortigen  Magistrat  für  deutsche  Architekten 
mit  Frist  zum  2.  Aug.  d.  J.  ausgeschrieben.  Es  gelangen 
3 Preise  von  600,  400  und  300  M.  zur  Vertheilung;  ein 
Ankauf  nicht  preisgekrönter  Entwürfe  für  je  200  M.  ist 
Vorbehalten.  Dem  Preisgerichte  gehören  u.  a.  an  die  Hrn. 
Brth.,  Prof.Hub.  Stier  in  Hannover,  Brth.  Otto,  Dir.  Schau 
und  Stdtbmstr.  Klug  in  Nienburg.  Unterlagen  gegen  5 M. 
durch  den  Magistrat.  — 


Personal-NaGhrichten,. 

Anhalt.  Dem  Ob. -Brth.  JanusköWsky  in  Dessati  ist  der 
Tit.  Geh.  Brth.  und  dem  Reg.-Biiistr.  Gothe  in  Köthen  der  Tit. 
Bauinsp.  verliehen. 

' Preussen.  DenStrombaudir.:  Geh.  Brthn.  Mül  1 e r in  Köbldriz 
und  Messerschmidt  in  Magdeburg,  Reg.-  u.  Brthn.  Hamei 
in  Breslau,  Mutttay  in  Hanno^'er  und  Gersdorff  in  Danzig, 
sowie  dein  teehn;  Leiter  des  Dortmund-Ems-Kärials,  Reg.-  ü.  Brth. 
Htermann  in  Münster  1.  W.  ist  der  Char.  als  Öb.-Brth.  mit  dem 
Range  der  Ob.-Reg.-Rathe  verliehen. 

Der  Kr. -Bauinsp;  Brth.  Dihiel  m Wiesbaden  der  Wasser- 
Baüihsp;  Brth.  Frey  in  Berlin  und  der  Landbauinsp.  Kerstein 
m Marienwerder  sind  zu  Reg;-  u.  Brthn.  ernannt  und  sind  dieselben 
ubferwiesen:  Dimel  dem  kgl.  Pdl.-Pras.  in  Berlin,  Frey  der 
Bauabth.  des  Minist,  der  offenth  Arb.  und  Kerstein  der  kgl.  Reg. 
m Marienwerder 

' Veiöetzt  sind:  Die  Kt.-Baumsp  Brth.  Kos  dowski  von 
Schleswig  nach  Mülheitn  a.  R;j  Brth;  Bergmann  von  Rastenburg 
als  Ländbauinsp.  hacB  Gulnbihhfen,  Opfergelfc  von  Geestemünde 
nach  Lüneburg,  v.  Peotz  von  Freienwalde  als  Landbaumsp.  nach 
Schleswi^j  Ui  r i e B v&n  Earlstüh  naeh  Freienwalde  ar  O.;  S tu  d e- 
mann  von  Hadersleben  nach  Geestemünde;  — die  Landbauinsp. 
Brthe.  JaBlonowski  vbn  Schleswig  als  Kr.-Bauinsp.  nach  Haders- 


zur  Nachtzeit  nothwendig  wird.  Sobald  man  den  neueren 
Bestrebungen  entsprechend  sehr  grosse  Einheiten  zur 
Krafterzeugung  anwendet,  und  zumal,  wenn  ein  Dreh- 
strom-Kraftwerk mit  Unterstationen  benutzt  wird,  ist  ein 
Nachtbetrieb  mit  einzelnen  wenigen  Wagen  unwirthschaft- 
lich.  Auch  will  man  meist  gerne  die  Oberleitungen  für 
Reparaturen  usw.  auf  einige  Stunden  ausser  Betrieb  setzen. 
Die  Druckluft-Behälter  einer  Station  kann  man  zu  beliebiger 
Zeit  laden  und  kann  dazu  auch,  wie  erwähnt,  den  Rest 
der  Kesselenergie  am  Abend  benutzen.  Dass  für  Bahnen, 
welche  häufig  von  starken  Schneefällen  heiragesucht  wer- 
den, einige  Druckluftwagen  von  Nutzen  sein  können,  lehren 
die  amerikanischen  Verhältnisse. 

Bei  der  wachsenden  Bedeutung  der  Selbstfahrer 
kommt  die  Druckluft  als  ein  Antriebsmittel  infrage,  welches 
von  den  beiden  wesentlichsten  Mängeln  der  bisher  ge- 
bräuchlichen Mittel  — dem  grossen  Gewicht  und  üblen 
Geruch  — frei  ist.  Ein  Nachtheil  liegt  scheinbar  in  der 
Nothwendigkeit  des  häufigen  Aufladens.  Allein  bei  dem 
geringen  Kraftbedarf  derartiger  leichter  Wagen  (ein  ameri- 
kanischer Selbstfahrer  für  2 Personen  verbraucht  i cbm 
atmosphärischer  Luft  für  den  km)  werden  die  mit  einer 
Ladung  zurückgelegten  Strecken  immerhin  ziemlich  be- 
trächtliche sein  können. 

Zum  Schluss  sei  es  uns  an  dieser  Stelle  ‘gestattet, 
dem  ehemaligen 22)  Präsidenten  der  Pintsch- Gas- Gesell- 
schaft, Hrn.  Arthur  W.  Soper-New-York,  dem  Obering, 
der  "Westbahn,  Hrn.  Sauvage-Paris,  sowie  den  Hrn.  Ober- 
ingenieur Hardie-Rome  und  Ingenieur  Patau d-Paris,  als  end- 
lich der  Schweizerischen  Lokomotiv-Fabrik  in  Winterthur 
für  die  freundliche  Unterstützung  bei  unseren  Studien  un- 
seren verbindlichsten  Dank  auszusprechen.  — 

Buhle.  Schimpff. 


leben,  Taute  von  Gumbinnen  als  Kr.-Bauinsp.  nach  Wiesbaden; 

— Wasser-Bauinsp.  Sandmann  von  Berlin  nach  Wittenberge. 

Dem  Wasser-Bauinsp.  Brth.  Löwe  in  der  Bauabth.  des  Minist, 
und  dem  Landbauinsp.  Brth.  Körber  beim  Neubau  der  Geschäftsgeb. 
beider  Häuser  des  Landtags  in  Berlin  sind  Stellen  bei  der  kgl. 
Minist. -Baukomm,  in  Berlin  verliehen.  . 

Ernannt  sind:  die  Reg.-Bmstr.  Paetz  in  Nakel,  Lohr  in 
Kiel,  Fr.  S c h o 1 z in  Neustadt  O.-S.,  L u c a s in  Strasburg  W.-Pr., 
Labes  in  Ragnit,  Schlöbeke  in  Celle,  K u h 1 m e y in  Schubin, 
Ernst  Fischer  in  Mohrungen,  Tappe  in  PilUialleu,  Otte  in 
Rastenburg,  Inner  in  Kirchhain  und  Herrinan  n in  Manenburg 
W.-Pr.  zu  Kr.-Bauinsp.,  — May  in  Flannover,  Antonio  Schmidt 
in  Altona,  Süssapfel  in  Kleve,  Alb.  Fischer,  Wilh.  Schmidt 
hl  Berlin,  Goldbach  in  Briesen,  Klingholz  in  Berlin,  Maschke 
in  St.  Joh.-Saarbrücken  und  Ludwig  in  Berlin  zu  Landbauinsp.; 

— Wachsmann  in  Berlin  und  Ernst  Müller  in  Koblenz  zu 
Bauinsp.;  — Schelcher  in  Hefrnstadt,  Wiiiter  in  Potsdam, 
Haesler  in  Berlin,  Gläser  in  Freienwalde  a.  O.,  W e s t p h a 1 
in  Gluckstadt,  Heusmann  in  Swinemünclc,  Schubert  in 
Geestemünde,  Schnapp  in  Berlin,  Preis  s in  Münster  i.  W., 
Born  in  Tsingtau,  Fabian  in  Kurzebrack,  Lefenau  in  Har- 
burg, Schildener  in  Dirschau,  Roessier  in  Graudenz, 
Degener  io  Berlin,  Stock  in  Fürstenwalde,  Loefl'elholz 
in  Gumbinnen,  Trieloff  in  Landsberg  a.  W.  und  Roeschen 
in  Kulm  zu  Wasser-Bauinsp. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  L.  O.  in  Berlin.  Die  Bauordnung  vom  5.  Dez. 
1892  ist,  was  schon  ihr  Name  besagt,  rein  polizeilicher  Natur.  Sie 
stellt  die  Voraussetzungen  auf,  unter  denen  die  Polizei  Bauvorhaben 
zu  genehmigen  oder  abzulehnen  befugt  ist,  wodurch  den  Bauherren 
die  Normen  gezeigt  werden,  innerhalb  deren  die  Polizei  bei  Walten 
ihres  Amtes  sich  zu  halten  hat  Dagegen  werden  Rechte  der  Nach- 
barn gegeneinander  (Nachbarrechte)  durch  die  B.-P.-O.  nicht  be- 
gründet. Dies  vorausgeschickt,  darf  die  Beseitigung  des  polizeilich 
zugelassenen  Thurmes  Weder  von  der  Polizei,  noch  von  dem  Nach- 
barn, der  durch  ihn  belästigt  zu  werden  glaubt,  verlangt  werden. 
Denn  durfte  die  Polizei  zwar  die  Erlaubniss  zur  Thurmanlage  ver- 
sagen, so  überschritt  sie  gleichwohl  durch  seine  Zulassung  die  ihr 
zugestandenen  Befugnisse  nicht,  während  ihr  umgekehrt  nirgends 
zugestanden  wird,  willkürlich  eine  ertheilte  Erlaubniss  zurückzu- 
nehmen. Sie  wird  also  dem  auf  Beseitigung  des  Thurmes  ge- 
richteten Ansinnen  des.  Nachbarn  kaum  Folge  geben  dürfen.  Ihre 
diesbezügliche  Maassregel  hätte  auf  Schutz  im  verordneten  Ver- 
waltungs-Streitverfahren keine  Aussicht. 

Was  fnlü  den  Plan  des  Nachbars  anlangt,  so  ist  dessen  Ab- 
sicht viel  2ü  durchsichtig,  als  der  Polizei  entgehen  zu  können. 
Nicht  berufen  bei  chikanösen  Handlungen  mitzuwirken,  wird  die 
Polizei  vielmehr  dem  Bau  der  Voliere  die  Erlaubniss  versagen 
dürfen^  soweit  er  den  Vorschriften  der  B.-P.-Ö.  § 5 Nö.  8 wider- 
streitet. Ihre  Ausführung  über  die  dort  gesetzten  Höhenmäasse 
hinaus  erscheint  unzulässig,  denn  dass  Volieren  zu  Nebeuanlageii  im 
Sinne  Zit.  8 zu  rechnen  sind,  kann  ernstlich  nicht  bezweifelt  werden. 
K.  Pl-e. 

22)  Leider  kürzlicli  verstorben. 

Jcihalt;  Heber  die  Verwendung  vo.a  Druckluft -Betriebsmitteln  bei 
Kleinbähnen  und  städt.  Strassenbahnen  (Fortsetzung  und  Schluss.)  — Ver- 
mischtes. — -Preisbewerbimgen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und 

Fragekastea; 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  39. 


252 


««stüüÄStsrststststi 

KUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
HsBERLIN  * 


AUZEITUNG. 

GANG.  * ^ NQ.-  40.  ^ 
DEN  17.  MAI  1902.  * 
Äs:«rsra:«s:«rs>:s:s!ststs: 


Die  Architektur  auf  der  Grossen  Berliner  Kunstausstellung  1902. 


lie  Baukunst  hat  erfreulicherweise  auch  in 
diesem  Jahre  auf  der  Grossen  Berliner  Kunst- 
ausstellung eine  Vertretung  gefunden,  welche 
I ihrer  schnell  vorwärtsschreitenden  Entwick- 
' lungundihrerheutigenBedeutungentspricht. 
Die  vorbereitenden  Arbeiten  für  die  Architektur-Ab- 
theilung waren  von  der  Ausstellungs-Kommission  einem 
Unter-Ausschuss  übertragen,  welchem  unter  dem  Vor- 
sitz des  Hrn.  Prof.  Herrn.  Solf  die  Hrn.  Alb.  Gessner, 


bauten,  bei  welchen  namentlich  das  malerische  Element 
und  im  Hinblick  auf  dieses  die  Berücksichtigung  der 
Baustelle  eine  entscheidende  Rolle  spielen.  Die  ent- 
weder ganz  in  Werkstein  oder  in  Werfetein  mit  Ziegel- 
steinflächen gedachten  Bauwerke  zeichnen  sich  durch 
eine  graziöse  Behandlung  der  Architekturformen,  in 
welche  vielfach  das  mittelalterliche  Element  frei  hinein- 
spielt, aus.  Von  zwei  Kirchenentwurfen  von  Jochen 
Kröger  in  Berlin  zeigt  der  eine,  die  Erlöserkirche 


AlbertHofmann,  Josef  Reutersund  GeorgRoensch  für  Breslau,  in  Portal-  und  Thurmlösungen  eine  glücke 
angehörten.  Mit  derkünstlerischenRaumausschmückung  liehe  Verbindung  von  Formen 'der  Früh-Renaissance 
war  Hr.  Jos.  Reu- 


ters betraut,  wel- 
cher eine  Raum- 
dreitheilung  von 
vornehmem  Ge- 
präge und  glück- 
licher Farbenge- 
bung schuf.  Seine 
künstlerischen 
Mitarbeiter  für  die 
Ausführung  wa- 
ren die  Hrn.  Bild- 
hauer Giesecke 
und  Prof.  Riegel- 
mann, sowie  Hr. 
Dekorationsmaler 
Kellner. 

Was  zunächst 
den  Kirchenbau 
als  den  vornehm- 
stenZweigderBau- 
kunst  anbelangt, 
so  hat  der  Wett- 
bewerb für  die 
Ausgestaltung  des 
Domes  in  Brünn 
mehrere  treffliche 
Arbeiten  zur  Aus- 
stellung geliefert 
und  zwar  einen 
Entwurf  v.  Engel- 
bert Seibertz  in 
Berlin  in  reiche- 
rem gothischem 
Stil  mit  schöner 
Portallösung,  und 
eine  Arbeit  von 
Ludwig  Dihni  in 
Friedenau  mit  ei- 
ner interessanten 
und  eigenartigen 
Fassadenlösung. 
Vom  gleichen  Ur- 
heber stammt  der 
Entwurf  zu  einer 
Backsteinkirche 
märkischen  Stils 
für  Schöneberg. 
Sehr  feineEntwür- 
fe  in  einem  reiz- 
vollen französisch- 
deutschen  Renais- 
sance-Mischstil mit 
mittelalterlichem 
Einschlag  sind  die 
der  Arch.  Dink- 
lage & Paulus 
in  Berlin,  Kirchen- 


Hauptportal  des  Ernst-Ludwig-Hauses.  Architekt:  Prof.  J.  M.  Olbrich  in  Darmstadt 
Aus  Alexander  Koch:  .Die  Ausstellung  der  KQnstler-Kolonie  in  Darmstadt“. 


253 


mit  dem  durch  Putzflächen  belebten  Backsteinbau. 
Dabei  wird  das  malensche  Gepräge  des  Werkes,  auf 
welches  schon  in  der  architektonischen  Anlage  weit- 
gehende Rücksicht  genommen  ist,  durch  die  Farben- 
gebung aus  dem  Roth  des  Backsteins,  dem  Weiss  der 
Putzflächen,  dem  gelblichen  Grau  des  Sandsteins  und 
dem  Grün  der  Kupferoxydätion  der  Thürme  lebhaft 
unterstützt.  Schlichter  in  der  Anlage,  für  die  beschei- 
dene Bausumme  von  250  M.  für  den  Platz  berechnet,  ist 
die  Schöneberger  Kirche.  Ein  gutes  Werk  von  geschlos- 
sener Monumentalität  ist  der  Konkurrenz-Entwurf  zu 
einer  Synagoge  für  Düsseldorf  von  Otto  Kuhlmann 
inBerlin,  ein  straffer  romanischer  Werksteinbau  in  flotter 
Darstellung.  Als  malerischer  Zentralbau  ist  ein  Entwurf 
von  Bangert  für  eine  Kirche  in  Grunewald  gedacht. 

Nach  dem  Kirchenbau  ist  es  das  Gebiet  des  The- 
aterbaues, welches  durch  einige  bedeutende  Beispiele 
von  ausgesprochener  Eigenart  vertreten  ist.  Zunächst 
und  vor  allem  durch  die  beiden  Entwürfe  von  Prof. 
Martin  Dülfer  in  München  zu  den  Stadttheatern  in 
Dortmund  und  Freiburg,  Entwürfe,  welche  das  The- 
ater in  einer  neuen,  mehr  der  heiteren  Auffassung  des 
Festspielhauses  sich  nähernden  Weise  zeigen  und 
Arbeiten  von  höchstem  Interesse  darstellen.  Ihnen  reiht 
sich  ein  Entwurf  für  das  Stadttheater  in  Dortmund  von 
C.  Moritz  in  Köln  an,  ein  Bau  von  bewegter  Grup- 
pirimg,  der  gleich  den  Dülfer’schen  Entwürfen,  wenn 
auch  vielleicht  nicht  mit  der  gleichen  Freiheit,  das  be- 
merkenswerthe  Bestreben  verräth,  neue  Wege  einzu- 
schlagen. Von  ähnlichen  Grundsätzen,  wie  sie  den  The- 
aterentwurf beherrschen,  geht  der  Entwurf  des  gleichen 
Verfassers  für  eine  Kaiser  Friedrich-Halle  fürMünchcn- 
Gladbach  aus,  dei'  einen  Barockbau  mit  gut  gruppirtem 
Aufbau  darstellt.  Weiterhin  ist  der  monumentale  Pro- 
fänbau' vertreten  durch  zwei  Entwürfe  von  Helbig  & 
Häiger  in  Berlin  zu  einem  Stadtthore  und  zu  einer 
Campo-Santo-Anlage,  beide  in  neogräker  Auffassung 
und  von  wuchtig  er  Monumentalität.  Vor  allem  aber  sind 
in  dieser  Gi'uppe  zu  nennen  die  grossgedachten,  mit 
modernem  Empfinden  und  hoher  künstlerischer  Meister- 
schaft vorgetragenen  Entwürfe  zu  einer  Landes-Kolonie 
für  Schulung  des  Körperwohlstandes  von  Hermann 
Werle  in  Berlin  (siehe  No.  18  u.  19  d.  J.).  In  diesen 
schönen  Entwürfen  steckt  ein  seltenes  Maass  monu- 


mentaler Gestaltungskraft,  sie  gehören  mit  zu  den 
hervorragendsten  Arbeiten  unserer  zeitgenössischen 
Architektur.  Ihnen  schliesst  sich  von  dem  gleichen 
Künstler  ein  Entwurf  zu  einem  Stadtthor  an,  der  an 
römische  Vorbilder  anklingt,  aber  gleichwohl  doch 
wieder  eine  von  diesen  völlig  unabhängige  Kraft  der 
Phantasie  verräth. 

Auch  die  Denkmalkunst  ist  durch  einige  hervor- 
ragende Arbeiten  vertreten.  Wilhelm  Kreis  in  Dresden 
sandte  seinen  von  uns  bereits  besprochenen  schönen 
Entwurf  zu  einem  Bismarckdenkmal  für  Hamburg 
(s.  No.  7 d.  J.),  sowie  die  wuchtige  Bismarcksäule  für 
Eisenach,  ein  strenger  dorischer  Rundbau  mit  um- 
schliessendem  Steingehege  in  geschlossener,  monu- 
mentaler Wirkung.  Auch  des  Jos.  Reuters’schen 
Entwurfes  für  ein  Bismarckdenkmal  für  Hamburg 
haben  wir  bereits  gedacht  (s.  No.  8).  Von  dem  gleichen 
Künstler  beherbergt  die  Ausstellung  ein  Mausoleum, 
welches  nicht  minder  wie  das  Bismarckdenkmal  die 
dem  Künstler  eigene  interessante  Formensprache  ver- 
räth. Diesen  Denkmalentwürfen  schliessen  sich  an 
das  Kaiser  Wilhelm-Denkmal  in  Friedenau  von  Ludw. 
Dihm,  ein  als Bruniiendenkmal  aufgefasster  gothischer 
dreiseitiger  Obelisk,  ein  sehr  interessantes,  geistreiches 
Modell  für  einen  Universitätsbrunnen  für  Breslau  mit 
dem  Motiv  der  Geburt  der  Athene  von  Prof.  Chr. 
Behrens  in  Breslau,  ein  Werk,  welches  mit  grossem 
Glück  architektonische  und  bildnerische  Motive  mit 
einander  verbindet,  und  ein  Kaiser  Wilhelm-Thurm 
für  Greifenhagen  in  Pommern  von  Arnold  Hartmann 
in  Grunewald,  ein  cyclopisch  gefügter  Thurrab au,  Der 
Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
Museum  in  Münster  hat  den  Architekten  Schulz  und 
Schlichting  in  Berlin  Veranlassung  gegeben,  die  Aus- 
stellung mit  einem  schön  dargestellten  Blatte  zu  be- 
schenken, Der  hervorragende  Münchener  städtische  Mo- 
numentalbau ist  durch  das  prächtige  städtische  Waisen- 
haus von  Hans  Grässel,  einen  in  feinstem  heimischen 
Barock  durchgeführten  geuiüth  vollen  Bau,  und  durch  das 
Müller’sche  Volksbad  von  Carl  Ho  che  der  vertreten,  ein 
Werk,  welches  sich  in  der  Anwendung  der  architek- 
tonischen Ausdrucksinittel  die  grösste  Zurückhaltung 
aufcrlegt  und  mit  dieser  Zurückhaltung  eine  ausser- 
ordentliche Wirkung  verbindet.  — (Schluss  folgt.) 


Winke  für  die  zweckmässige- Durchführung’ von- Studienreisen. 


Dan  kann  annehmen,  dass  Jeder,  der  vor  einer  Studien- 
reise steht,  wegen  ihres  idealen  Zweckes  in  gehobener 
Stimmung  sich  befindet.  Obgleich  alle  Reisebücher 
mit  Ralhschlägen  für  die  Reise  beginnen,  bin  ich  auf  meinen 
Reisen  doch  oft  sehr  unpraktischen  Leuten  begegnet,  bei 
denen  die.  gehobene  Stimmung  in  die  Brüche  gegangen. 


Das  künstlerische  Ergebniss  des  Darmstädter 
„Dokumentes“ 

(Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  253,  256  u.  257.) 
ie  Herausgabe  eines  mit  allem  Luxus  der  modernen 
Buchtechnik  ausgestatteten  Werkes  über  die  Aus- 
'stellung  der  Darmstädter  Künstler-Kolonie  des  ver- 
gangenen Jahres  D lenkt  die  Aufmerksamkeit  wieder  auf 
kurze  Zeit  auf  jene  merkwürdige  Erscheinung  am  deutschen 
Kunsthimmel,  die  wie  ein  astronomisches  Phänomen  auf- 
tauchte, kurze  Zeit  leuchtete  und  sich  dann  wieder  verflüch- 
tigte, jedoch  nicht  ohne  den  lebhaftesten  Streit  der  Meinun- 
gen entfesselt  zu  haben,  einen  Streit,  dessen  Nachwirkungen 
sich  heute  noch  hier  und  da  bemerkbar  machen,  aller- 
dings mehr  und  mehr  der  Leidenschaftlichkeit  des  Augen- 
blickes entkleidet  und  mit  dem  Charakter  ruhigerer  Würdi- 
gung ausgestattet,  jedoch  keineswegs  der  Lebhaftigkeit 
beraubt.  Es  war  beim  Aufgehen  dieser  Erscheinung  für 
den  unbefangenen  Beschauer  schwer,  wenn  nicht  unmög- 
lich, sich  bei  der  überlauten  und  überschwänglichen  An- 
preisung ein  ruhiges  Urtheil  über  ihren  künstlerischen 
Werth  zu  bilden.  Je  mehr  von  Darmstadt  aus  damals 
versichert  und  mit  beharrlicher  Eindringlichkeit  wieder- 
holt wurde:  uns  ist  der  verheissene  Messias  der  Kunst  er- 


*)  Grossherzog  Ernst  Ludwig  Und  die  Ausstellung  der  Küusfier-Kolouie 
in  Darmstadt  von  Mai  bis  Oktober  1901.  Herausgegeben  von  Alexander" 
Koch.  Mit  Textbeiträgeu  von  Georg  Fuchs,  Professor  Dr.  Kurt  Breysig, 
Felix  Commichau  und  Dr.  Benno  Rüttenauer.  Verlag  Alexander  Koch, 
Darmstadt.  Preis  30  M.  — • - • 


ja  fast  in-das  Gegentheil  nmgeschlagen  war,  sodass  ich  mich 
gedrängt  fühle,  einige  bewährte,  für  Künstler  berechnete 
Grundsätze  niederzuschreiben. 

Inbezug  auf  Ausstattung  empfiehlt  es  sich,  die  ge- 
summten Reisegegenstände  auf  zwei  Handgepäckstücke 
zu  vertheilen,  die  man  beide  mit  in  den  Eisenbahnwagen 


standen,  wir  schaffen  Ewigkeitswerke,  von  uns  und  unserer 
Schule  strahlt  alles  Licht  und  Heil  aus,  die  Gleise,  die 
wir  eingeschlagen  haben,  sind  „die"  neuen  Gleise,  unsere 
Kunst  allein'  ist  die -Kunst,  welcher  die  Menschheit  seit 
langem  mit  verzehrender  Sehnsucht  entgegenhoffte  — je 
mehr  diese  keineswegs  übertriebenen  Anforderungen  an 
die  Kunstauffassung  und  die  künstlerische  Urtheilskraft 
des  ohne  Voreingenommenheit,  lediglich  mit  der  Absicht 
festlichen  künstlerischen Geniessens  nachDarmstadtwallen- 
den  Kunstfreundes  gestellt  wurden,  desto  grösser  wurde 
seine  Zurückhaltung,  desto  mehr  fühlte  er  seine  Unbe- 
fangenheit schwinden,  sich  zu  innerem  Widerspruch  ge- 
reizt und  zu  einem  Urtheile  veranlasst,  welches  eigentlich 
nicht  so -sehr  der  dargebotenen  Kunstleistung  selbst,  als 
vielmehr  der  Art  ihrer  Darbietung  galt. 

Das  Urtheil  lief  somit  Gefahr,  kein'  rein  sachliches  mehr, 
sondern  von  Umständen  beeinflusst  ^zu  sein,  die  mit  der 
Sache  an  sich  in  keinem  inneren  Zusammenhang  standen. 
Angesichts  dieser  Befürchtung  zögerten  wir  damals,  ein 
Urtheil  über  eine  künstlerische  Erscheinung  zu  fällen,  die, 
mochte  man  ihre  mise-en-scene  noch  so  sehr  verurtheilen, 
gleichwohl  sich  zu  einer  schönen  Blüthe  im  modernen 
Kunstleben' entwickelte,  die,  von  allen  wilden  Wuche- 
rungen des  ekstatischen  Subjektivismus  befreit,  Anzeichen 
eines  guten  und  dauernden  Fruchtansatzes  verrieth.  Heute, 
hach  Jahresfrist,' nachdem  auf  der  Mathildenhöhe  in  Darm- 
"städrwieder  beschäulicheTtühe  eingezogen  und  die  patho- 
Jogischen  Zustände  mehr  und  mehr  der  natürlichen  Gesun- 
dung zu  weichen  beginnen,  können  wir  an  der  Hand  der  ge- 

No.  40. 


254 


nehmen,  auch  nöthigenfalls  eine  kurze  Strecke  tragen  kann. 
Das  eine  sei  ein  fester  Koffer,  das  andere  ein  Segeltuch- 
sack mit  Abtheilungen  und  theiiweise  verschliessbaren 
Taschen.  Mit  letzterem  lassen  sich  Stockschirm,  Regen- 
und  Staubmantel,  Zeichenblock  und  Feldstaffelei  durch 
kräftige  Riemen  fassen.  Zu  Umpackungen,  Vertheilung 
der  einzelnen  Stücke,  hält  man  stets  auf  einige  Reserve- 
riemen und  Bindfaden  in  verschiedenenStärken.  FürSchuh- 
werk,  getragene  Wäsche,  Kleinigkeiten  habe  man  Lein- 
wandsäckchen verschiedener  Grösse  zur  passenden  Ver- 
theilung in  die  Gepäckabtheiie.  Durch  Gebrauch  bequem 
gewordenes  Schuhwerk  lasse  man  mit  neuen  Sohlen  ver- 
sehen und  tränke  diese  mehrmals  mit  Leinölfirniss,  damit 
sie  wasserdicht  und  für  längere  Zeit  haltbar  werden.  Alles 
das  bereite  man  wochenlang  vor  und  wäge  wohl  ab,  was 
und  wieviel  mitzunehmen  sei  — je  weniger,  desto  besser. 

Ferner  stelle  man  vorher,  am  besten  in  mündlicher 
Aussprache  mit  einem  „Pratico“,  wie  der  Italiener  sagt, 
eine  zum  Reisezweck  besonders  passende  Zeiteintheilung 
fest.  Dieser  Reiseplan  gilt  allerdings  nur  bedingungs- 
weise, muss  er  doch  dann  den  Umständen  angepasst  werden. 

Wer  viel  und  mit  Nutzen  sehen  will,  darf  sich  ab  und 
zu  nicht  vor  grösseren  Anstrengungen  scheuen.  Auch  an 
die  in  südlichen  Ländern  höhere  Temperatur  gewöhnt 
sich  der  Körper  bei  entsprechender  Diät  leicht.  Für  Italien, 
Sizilien  und  Griechenland  begünstigt  die  regenlose  Zeit 
sowohl  das  Reisen  wie  das  Arbeiten  im  Freien.  Unschöne 
oder  schon  bekannte  Eisenbahnstrecken  lege  man  in 
der  Nacht  .zurück.  Abgesehen  davon,  dass  man  für  eine 
solche  Nacht  dem -Hötelleben  entgeht,  hat  man  auch  an- 
schliessend den  ganzen  Tag  vor  sich.  Kein  Architekt  wird 
Strecken  in  Russland,  wie  von  St.  Petersburg  nach  Rybinsk, 
am  Tage  zurücklegen,  dagegen,  wenn  es  sich  um  eindrucks- 
volle Städtebilder  handelt,  und  dann  auch  zur  See  nie  des 
Nachts  ab-  oder  anfahren.  Mondhelle  Nächte  freilich  wird 
man  ausnutzen:  z.  B.  bei  Christiania,  Stockholm,  Cattaro, 
Corfu,  Neapel,  Palermo  hat  man  unverwischbare  Eindrücke, 
die  oft  der  Grund  des  wiederholten  Besuches  sind  und 
das  fachliche  Interesse  vielfach  überbieten. 

Vortheilhaft  ist  es,  an  einem  Orte,  dessen  Umgebung 
dem  Studium  besondere  Ausbeute  liefert,  mehrere  Nacht- 
lager zu  nehmen  und  von  da  aus  die  entsprechenden  Ab- 
zweigungen zu  machen.  Wenn  man  infolge  Empfehlung 
erwarten  kann,  besonders  gut  und  zufriedenstellend  unter- 
gebracht zu  sein,  so  richte  man  den  Reiseplan  so  ein,  dass 
von  solchen  Orten  aus  Reiseziele  auch  als  grössere  Abstecher 
zu  nehmen  sind.  Die  Härten  des  Reisens  sind  dann  weniger 
fühlbar,  indem  man  möglichst  ohne  alles  Gepäck,  nur  mit 
dem  Nothwendigsten  versehen,  einige  Tage  wandern  kann, 
dazu  mit  dem  angenehmen  Bewusstsein,  bei  der  Rückkehr 
wieder  in  bekanntem  Hause  wohnen  zu  können. 

Für  die  Ausführung  der  Reise  möchte  ich  zunächst 
im  allgemeinen  folgendes  rathen:  Alle  Vergünstigungen 
im  Welt-  und  Ortsverkehr  sind  zu  erwägen.  Unterwegs 
versäume  man  nie,  auf  einige  Tage  hinaus  die  einschlägigen 
Fahrpläne  und  Anschlüsse  zu  studiren.  Man  wohne, 
wenn  immer  thunlich,  in  der  Nähe  der  Bahnhöfe.  Da  man 
auf  ihnen  in  ganz  Europa  Reisegepäck  einige  Zeit  ver- 
wahren lassen  kann,  so  hat  man  es beimPIatzwechsel wieder 

nannten  schönen  Veröffentlichung  das  damals  gewonnene 
Urtheil  einer  kühlen  Prüfung  unterziehen  und  zu  ermitteln 
versuchen,  welches  bleibende  künstlerische  Ergebniss  diese 
eigenartige  Veranstaltung  hinterlassen  hat.  Göthe  sagt 
einmal,  es  müsse  eine  schlechte  Kunst  sein,  die  sich  auf 
einmal  erfassen  Messe,  da  Werke,  über  die  ein  Künstler 
lange  nachgedacht,  auch  lange  Zeit  betrachtet  werden 
müssten.  Mit  welchen  Gefühlen  auch  ein  Besucher  der 
Darmstädter  Ausstellung  zur  Mathildenhöhe  gewandert 
sein  mag,  jedenfalls  musste  er  den  Eindruck  gewinnen, 
das  Urtheil  über  diese  Veranstaltung  nicht  in  der  gleichen 
Stunde,  nicht  am  gleichen  Tage,  nicht  nach  einmaligem 
Betrachten  fällen  zu  können.  Doppelt  aber  wurde  eine 
solche  Zurückhaltung  des  Urtheils  zur  Pflicht,  wenn  leidige 
Nebenumstände  ungebührlich  laut’  mitzusprechen  ver- 
suchten. Schiller  konnte  sich  erst  nach  einer  viermonat- 
lichen Beschäftigung  mit  Wilhelm  Meister  entschliessen, 
ein  Urtheil  über  das  Werk  in  seiner  berühmt  gewordenen 
fragmentarischen  Kritik  zu  fällen;  über  die  Darmstädter 
Ausstellung  ein  unbeeinflusstes  Urtheil  zu  fällen,  hat  eigent- 
lich erst  die  Herausgabe  des  genannten  Werkes  ermög- 
licht, denn  erst  dieses  gewährt  den  Genuss,  in  stiller  Ab- 
sonderung in  Gesellchaft  des  Abbildes  die  Erinnerung  an  das 
Vorbild  aufzufrischen  und  einUrtheilausbeiden  zu  gewinnen. 

Die  Entstehungs-Geschichte  der  Darmstädter  Künstler- 
Kolonie  ist  ein  interessantes  Kapitel  deutscher  kleinstaat- 
licher Kunstpflege.  Am  13.  März  1892  war  Grossherzog 
Ludwig  IV.  gestorben  und  ihm  in  der  Regierung  seih 
einziger  Sohn  Ernst  Ludwig  gefolgt.  Bis  dahin  führte  die 

17.  Mai  1902. 


leicht  zur  Hand.  Hierbei  ist  zweckmässig,  immer  nur  das 
Nothwendigste  für  die  Nacht  mit  ins  Hotel  zu  nehmen. 
So  bleibt  man  im  Gasthause  unabhängig  und  kann  bei  Ab- 
stechern das  Zimmer  inzwischen  wiederaufgeben.  Wo  es 
angeht,  binde  man  sich  wenig  an  die  Hausordnung  be- 
züglich des  Esszwanges.  Man  breche  immer  frühzeitig 
auf  und  raste  Mittags,  nehme  aber  die  Hauptmahlzeit  erst 
Abends  ein.  — Wo  man  unbekannt  ist,  sei  man  stets  vor- 
sichtig und  scheue  sich  nie,  vorher  nach  dem  Preise  des 
Zimmers  zu  fragen , auch  nach  dem  der  Speisen  in 
Häusern,  wo  keine  Speisekarten  aufliegen  oder  aushängen. 
Grösste  Hötels  mit  internationalem  Betriebe  meide  man. 
Wo  viel  Höflichkeit  und  Nöthigung,  da  ist  zumeist  auch 
Prellerei  Man  speise  während  des  Rundganges  in  einer 
Stadt  immer  gerade  ‘da,  wo  man  eben  ist,  wo  man  es 
für  gut  und  angezeigt  hält,  und  suche  vornehmlich 
Wirthschaften  auf,  die  von  Einheimischen  besucht  wer- 
den. Besonders  an  Markttagen  empfehlen  sich  die 
Speisehäuser,  wo  die  bessere  Landbevölkerung  verkehrt, 
von  selbst  durch  ihren  grösseren  Verkehr  und  Betrieb. 
Gerade  hier  isst  man  für  wenig  Geld  sehr  gut.  — Nur 
dann  wohne  man  in  kleinen  Gasthäusern,  wenn  sie  be- 
sonders emjjfohlen  sind,  da  man  in  grösseren  ungebunde- 
ner und  billiger  leben  kann,  wenn  man  es  versteht,  bei  der 
Ankunft  gewandt  aufzutreten  und  zu  unterhandeln,  denPreis 
zu  dingen  und  mit  kleinem  Zimmer  in  einem  der  oberen 
Stockwerke  vorlieb  zu  nehmen.  Hierzu  gehört  aber  ein  ganz 
besonderes  Geschick,  das  meist  erst  gelernt  sein  will. 

Wo  man  übervortheilt  zu  sein  glaubt,  gebe  man  kein 
Trinkgeld,  im  anderen  Falle  aber  nicht  zü  knapp:  Beides 
verschafft  Genugthuung!  Frechen  notorischen  Bettlern, 
wie  sie  im  Süden  verkommen,  gebe  man  grundsätzlich 
nichts,  gewerblichen  und  elenden  aber  wohl,  wenn  sie 
bescheiden  ansprechen. 

In  allen  Ländern  halte  man  sich  aft  die  landesüblichen 
Erfrischungen  und  Mahlzeiten,  z.  B.  in  England  an  den 
Lunch,  in  Schweden  an  den  „Sexa“  und  auf  den  Bahn- 
höfen Russlands  an  die  stets  frischen  Fleischklösschen.  In 
Italien  nehme  man  den  Kaffee  nicht  im  Albergo. 

Die  Reisekasse  trage  man  am  besten  vertheilt  bei 
sich;  grössere  Summen  in  einer  Brusttasche  unter  der 
Weste.  Immer  sei  man  mit  Kleingeld  versehen,  wozu 
man  stets  eine  Tasche  frei  zu  halten  hat.  Die  Ausgaben 
schreibe  manfolgendermaassen  täglich  Abends  als  letztes  auf: 


Monat  Mai. 


Festtage  ] 

g 

Q ■ 

Haupt- 

kasse 

, l 

Ent-  1 
nähme  I 

Tägl. 

Kassen- 

bestand 

I-ire 

Tägl. 

Ver- 

brauch 

Ort 

Grössere 

Ausgaben 

Lire 

i.  G.  50  Fres. 
i,  P.  800  Mk. 
i.  P.  250  Lire 

Lire 

3 

4 

5 

6 
1 

50 

38.50 

96’20 
88, to 

XL50 

10,50 

17,80 

14,— 

8,10 

Verona 

Vicenza 

Photogr.  6,50 
Vettura  3,80 
Hotel  12,50 
Photogr.  8,50 

Residenz  Darmstadt  ein  beschauliches,  idyllisches  Stillleben, 
Welches  selten  nUr  durch  Ereignisse  unterbrochen  wurde, 
die  über  den  engen  Kreis  der  Hauptstadt  hinausdrangen. 
Wenn  man  anderwärts  die  Erfahrung  gemacht  hatte,  dass 
selbst  aus  kleinen  Ländern  mit  enggezogenem  Gedanken- 
kreise und  mit  scharf  abgegrenztem  Empfindungsleben 
sich  zuweilen  Geister  erhoben,  welche  in  ihrem  Gedanken- 
fluge die  nahen  Grenzen  des  Heimathlandes  bald  hinter 
sich  Messen,  so  waren  Ereignisse  dieser  Art  dem  Hessen- 
lande seltener  beschieden,  als  anderen  deutschen  Klein- 
staaten. Es  mag  mit  dazu  beigetragen  haben,  dass  der 
geistige  Mittelpunkt  des  Landes,  dass  Darmstadt  schwer 
unter  seiner  natürhehen  Lage  einmal  als  Nachbarstadt  des 
grösseren,  lebhafteren,  reicheren  Frankfurt  a.  M.,  zum 
zweiten  als  eine  stille  Residenzstadt  mit  ihrem  unter 
formalem  Zwange  ruhenden  gesellschaftlichen  Kleinleben 
an  einer  der  grössten  Weltverkehrsstrassen  zu  leiden 
hatte.  Es  lag  wohl  am  Wege,  es  lag  gleichwohl  aber 
auch,  wieder  abseits  vom  Wege,  sodass  es  den  modernen 
Zeitströmungen,  den  stürmenden  Gedanken  der  Gegenwart 
keine  Gelegenheit  bieten  konnte,  zu  verweilen.  Die  Be- 
völkerung lebte  in  einer  Art  Mikrokosmos,  es  war  mehr 
ein  Insichhineinschauen,  zu  welchem  die  Bevölkerung 
Neigung  empfand,  als  das  Um-  und  Hinausschauen,  das 
Hinaussenden  des  Blickes  ins  Grosse,  ins  Weite.  Es 
konnte  nicht  ausbleiben,  dass  sich  aus  dieser  Enthaltsam- 
keit unter  Umständen  enge  Anschauungen  ' entwickelten, 
dass  weite  Kreise  ihr  Lebensglück  in  einer  bescheidenen  Zu- 

(Fortsetzung  auf  S.  258.) 


255 


Die  tägliche  Verbrauchssumme  stellt  man  fest,  indem 
man  vom  Kassenbestande  des  Tages  zuvor  den  neuen  ab- 
zieht. Festtage  bezeichne  man  besonders.  Wer  dann 
noch  das  Fahrgeld  und  grössere  aussergewöhnliche  Aus- 
gaben angiebt,  thut  schon  ein  Uebriges , weiteres  Auf- 
schreiben erscheint  zwecklos.  Damit  entsteht  zugleich  ein 
übersichtlicher  Reisekalender,  der  Reiseplan  in  der  Aus- 
führung; vor  allem  vermeidet  eine  solche  Buchung  jeden  Irr- 
ihum,  alles  Nachgrübeta.  Für  Adressen  halte  man  einige 
Seiten  im  Merkbüchlein  frei  und  schreibe  ausser  Namen 
auch  das  Datum  abgesandter  Briefe  und  Karten  usw.  auf. 

Was  nun  die  Hauptsache,  die  Studien  selbst  betrifft, 
so  lässt  sich  als  für  Alle  gütig  nur  die  Mahnung,  aber 


Des  Abends  studire  man  Lokal-  und  Volksleben,  na- 
tional interessantes  Treiben  auf  Strassen  und  Plätzen,  in 
Theatern-,  Wein-  und  Kaffeehäusern,  bezw.  Schänken,  um 
Land  und  Leute  kennen  zu  lernen.  Gerade  diese  Ein- 
drücke hinterlassen  dem  Gedächtniss  Stimmungsbilder,  die 
dann  in  der  Erinnerung  doppelt  werthvoll  sind,  da 
sie  zum  Verständnisse  eines  Volkes  und  seiner  künst- 
lerischen Empfindungen  dienen,  die  sonst  noch  gemachten 
Studien  w'esentlich  ergänzen  und  mit  Maass  gepflegt  die 
Arbeitsfreudigkeit  erhöhen.  In  mondhellen  Nächten  ver- 
säume man  nicht,  durch  die  Strassen  zu  schlendern,  archi- 
tektonisch hervorragende  Bauten  auf  ihre  Massenwirkung 
hin  zu  betrachten,  in  Seestädten  den  Strand  aufzusuchen. 


„Haus  in  Rosen“,  Kamin  ln  der  Halle.  Architekten:  Prof.  J.  M.  Olbrich  und  H.  Christiansen. 
Aus  Alexander  Koch  „Die  Ausstellung  der  Künstler-Kolonie  in  Darmstadt“. 


dringend,  aufstellen:  Nütze  die  Zeit!  Anstatt  in  der  Nacht 
ausführbare  Bahnfahrten  bei  Tage  zu  unternehmen,  auf 
Bahnhöfen  lange  zu  warten  und  in  Hötels  und  Cafös  stun- 
denlang zu  sitzen,  kaufe  man  jede  Minute,  besonders  im 
Süden  während  der  Morgen-  und  Abendstunden,  bei  ent- 
sprechendem Wetter  mit  Eifer  aus.  Immer  denken!  Fährt 
man  beispielsweise  mit  dem  Nachtzuge  von  Rom  nach 
Neapel,  so  kann  praktisch  auf  der  Hinreise  die  Fahrt  in 
Caserta,  auf  der  Rückreise  in  Monte  Cassino  unterbrochen 
werden,  beide  Male  in  den  frühesten  Morgenstunden,  ein- 
mal für  die  Promenade  im  Schlosspark,  das  andere  Mal 
für  den  Aufstieg  nach  dem  Kloster. 

256 


Solche  Eindrücke  haften  ebenso,  wie  die  von  erhöhten 
Punkten  genossenen  Stadt-  und  Landschaftsbilder. 

Bei  den  auf  das  Besondere  eingehenden  Winken 
muss  im  folgenden  zwischen  jüngeren  und  älteren  Reisen- 
den noch  unterschieden  werden.  Beim  Kunstjünger  ist 
oft  noch  das  Zeichnen  Selbstzweck,  während  der  Er- 
fahrene zumeist  nur  Auffrischung  und  grössere  Vertiefung 
sucht,  zugleich  aber  Erholung  damit  verbinden  will.  Jener 
wird  unter  Umständen  gründlicher,  und,  da  ihm  die  An- 
fertigung von  Skizzen  und  Studien  mehr  Zeit  raubt,  weit 
langsamer  reisen ; letzterem  genügen  zur  Unterstützung  des 
Gedächtnisses  blosse  Augenblicks-Skizzen,  Ideen -Nieder- 

No.  40. 


Haus  Olbrich. 

Architekt:  Prof.  J.  M.  Olbrich 
in  DarmstadL 

Aus  Alexander  Koch:  «Die 
Ausstellung  der  Künstler-Kolonie 
in  Darmstadt“. 


Erklärung  des  La'geplanea: 
I.  Haupteingang. 

а.  Bluraenfaatle. 

3 Haas  Fet  Behrens. 

4.  Hans  Glflckert  I. 

5.  Haus  Glückert  II. 

б.  Haus  Christiansen. 

7.  Emst-Ludwig-Haus. 

8.  Haus  Olbrich. 

9.  Haus  Habich. 

10.  Haus  für  Flächenknnst. 

11.  Haus  Keller. 

13.  Hans  Deiters. 

13.  Spielhaus. 

14.  Postkartenhaus. 

15.  Restaurant. 


17.  Mai  1902. 


257 


Schriften,  die  ohne  allen  Zeitverlust  lediglich  das  Motiv  fest-  aussöhnt.  Darum  immer  erst  alles  gründlich  ansehen, 
zuhalten  bestimmt  sind.  dann  erst  das  Werthvollste  mit  den  geringsten  Mitteln 

Junge  Leute  verfallen  zumeist  in  den  Fehler,  dass  sie  aufnehmen.  Für  Studien  in  weniger  bekannten  Ländern 
sich  an  erster  bester  Stelle  gleich  hinsetzen  und  nun  auf  empfiehlt  es  sich,  zuvor  eine  auf  das  grosse  Ganze  gehende 
Leben  und  Tod  loszeichnen,  unbekümmert  darum,  ob  Uebersichtsreise  zu  machen,  um  mit  den  Landesverhält- 
auch  der  betreffende  Gegenstand  das  Zeitopfer  werth  ist,  nissen  und  Forschungsgegenständen  vertrauter  zu  werden, 
nicht  bedenkend,  dass  sie  in  der  Zeit,  in  der  sie  das  eine  Dieses  thue,  wer  es  nur  einigermaassen  mit  seinen  Mitteln 
oder  andere  Skizzchen  sich  zulegen,  nichts  anderes  sehen,  vereinbaren  kann.  Künstler,  welche  noch  Bedtirfniss 
als  eben  gerade  das:  sie  zeichnen  vielfach,  um  zu  zeichnen,  fühlen,  nach  Einzelheiten  zu  haschen,  werden  sich  am 
und  steigern  dieses  in  blindem  Eifer  ohne  allen  Nutzen,  besten  der  Zeichenblocks  bedienen  und  mit  weichem  Stifte 
Denn  wenn  man  schliesslich  das  Ergebniss  ihres  Schaffens  das  Charakteristische  der  Form  festhalten  und  mit  Fixatif 
näher  prüft,  so  gewinnt  man  das  Ürtheil,  dass  die  Ernte  die  Skizze  überziehen.  Für  grössere  Studienblätter  ist  es 
den  Mühen  nicht  entspricht,  wenn  nicht  gerade  der  male-  sehr  vortheilhaft,  wenn  man  mit  einer  Staffelei,  d.  h.  mit 
rische  oder  zeichnerisch-technische  Werth  derselben  etwas  einem  Feldbock,  der  ein  bewegliches  kleines,  in  einem 


friedenheit  suchten-  und-  fanden,  und  befriedigt-  waren,  Strome,  der  Welt  eine  Künstlergrupp.e  mit  ähnlichen  An- 
wenn der  Tag  brachte,  was  der  Tag  forderte.  Es  war  schauungen  seit  Jahrzehnten  eine  friedliche  Insel  gerettet 
eine  Art  Glück  im  Winkel,  es  wurden  keine  Leidenschaften  hatte,  eine  Künstlergruppe,  für  welche  die  Kunst  keines- 
ausgekämpft  und  wenn  man  in  Konflikte  kam,  so  waren  wegs  nur  ein  Stück  Erwerbsleben,  sondern  im  guten,  alten 
es  höchstens  Konflikte  mit  dem  Nachbarn,  der  sich  an  der  Sinne  ein  Stück  künstlerischer  Gewissensforschung  war. 
Fensterscheibe  die  Nase  platt  drückte,  um  zu  erfahren,  was  Es  genügt,  den  Namen  Hans  Thoma  zu  . nennen  j der  bis 
bei  seinem  Nebenmenschen  yorging.  Die  grossen  Konflikte  in  das  Greisenalter  hinein  in  Frankfurt  thätig  war.  Eine 
der  Kunst  und  der  Seele,  von  welchen  die  modernen  solche  Kunst  wäre  eine  Kunst  des  heimischen  Bodens 
Menschen  theils  vom  Hörensagen,  theils  aus  eigenem  Er-  gewesen,  ausgestattet  mit  allen  den  seelischen  Vorzügen,' 
lebniss  zu  berichten  wussten,  sie  fanden  in  die  stillen,  gras-  welche  künstlerische  Uneigennützigkeit  zu  verleihen  ver- 
bewachsenen  Strassen  der  hessischen  Residenz  an  der  Berg-  mag.  Und  gewiss  wäre  auch  die  Baukunst  ähnlichen 
Strasse  keinen  oder  nur  seltenen  Eingang.  Die  Menschen  Regungen  gefolgt,  gewiss  hätte  auch  sie  die  Gruhdzüge 
wurden  zu  Fatalisten,  die  das  ihnen  auferlegte  Geschick  einer  gemüthvollen  Heimathkunst  schon  damals  ange- 
nahmenwie  es  kam,  als  eineSendung  höherer  Mächte,  denen  nommen.  Es  wäre  alles  dieses  vielleicht  möglich  gewesen, 
gegenüber  der  eigene  Wille  sich  in  Demuth  beugen  musste,  wenn  nicht  — Karlsruhe  gewesen  wäre.  Die  badische 
Wenn  überhaupt,  so  war  der  moderne  Subjektivismus  in  Residenz  wurde  nach  Lage  und  gesellschaftlicher  Be- 
solcher  Umgebung  eines  jener  seltenen  Probleme,  an  die  deutung  die  natürlichste  Nebenbuhlerin  der  hessischen, 
man  sich  nur  scheu  wagte.  Schon  frühe  hatte  sie  es  sich  angelegen  sein  lassen,  durch 

Es  hätte  nun  vielleicht  nahe  gelegen  zu  erwarten,  dass  eine  weithin  beachtete  Kunstschule  von  hervorragender 
in  Darmstadt  mit  seinem  in  sich  geschlossenen  Geistes-  Bedeutung  eine  an  Erfolgen  reiche  Künstler-Kolonie  in 
leben,  mit  seiner  herrlichen  Naturumgebung  sich  eine  sich  aufzunehmen  und  was  die  Akademie  für  Malerei  und 
Kunstübung  etwa  im  Ludwig  Richter’schen  Sinne  ent-  Bildhauerei  bot,  das  ergänzte  die  technische  Hochschule 
wickelt  hätte,  eine  Kunstübung  der  heimischen  Scholle,  für  die  Baukunst.  Daneben  erfreute  sich  das  Kunstgewerbe 
eine  Kunst  mit  dem  wundersamen  Erdgeruche  ursprting-  einer  lebhaften,  auf  den  Forderungen  einer  echten  Heimath- 
licher  und  einfacher  Natürlichkeit,  vielleicht  auch  etwas  kunst  entwickelten  Blüthe,  kurz,  die  Kunstverhältnisse 
eingekleidet  in  ein  historisches  Gewand,  jedenfalls  ausge-  des  benachbarten  Karlsruhe  waren  Gegenstand  der  eifer- 
stattet mit  dem  feinen  Seelenleben  einer  in  patriarchali-  süchtigsten  Aufmerksamkeit  der  hessischen  Kreise,  insbe- 
scher Selbstgenügsamkeit  zufriedenen  Menschenbrust.  Es  sondere  nach  dem  Regierungsantritt  des  jungen  Gross- 
hätte eine  solche  Annahme  vielleicht  um  so  näher  gelegen,  herzogs  Ernst  Ludwig.  In  ihm  erhielt  das  Hessenland 
als  sich  in  dem  benachbarten  Frankfurt  im  lebhaftesten  einen  Regenten,  welcher  mit  einem  lebhaften  Temperament 

258  . No..  40. 


Kugelgelenk  drehbares  Reissbrett  trägt,  versehen  ist.  Das 
Stativ  (s.- Abbildg.)  wird  auch  dem  mit  photographischem 
Apparat  ausgerüsteten  Künstler  gute  Dienste  leisten.  Das 
Sitzen  bei  der  Arbeit  beeinflusst  zumeist  den  Ueberblick, 
aber  das  Stehen  davor,  welche  ein  Zurücktreten  mühelos 
ermöglicht,  lässt  eine  grössere  Auffassung  zu,  und  die  auf 
solcher  Tafel  entstehenden  Arbeiten  machen  einen  un- 
gleich vortheilhäfteren  Eindruck  als  solche,  die  in  kauernd 
sitzender  Stellung  gemacht  sind.  Jene  fallen  flotter,  frischer 
aus,  ganz  gleich,  ob  Aquarell,  ob  Federzeichnung.  Was 
nun  Bauaufnahmen  anbelangt,  so  thut  man  gut,  die  grösseren 
Abmessungen  gleich  auf  der  Arbeitsstelle  nach  Maasstab 
und  nur  die  kleineren  skizzenhaft  aufzutragen,  um  Irr- 
thümer  zu  vermeiden  und  das  spätere  reine  Aufzeichnen 
zu  erleichtern. 

Aeltere  Künstler,  die  weder  um  der  Sache  willen  noch 
zum  Selbstzweck  zeichnen,  wollen  besser  ihre  grösseren 
Skizzenbücher  und  Blocks  zu  Hause  lassen  gegen  Ein- 
tausch von  kunstgeschichtlichen  Büchern  zur  weiteren 
Vertiefung  und  Einlebung  an  Ort  und  Stelle.  Sie  werden 
sich  auf  einfache  Schreibskizzen  beschränken,  welche 
lediglich  nur  das  augenblicklich  Interessirende,  die  Idee, 
festzuhälten  bestimmt  sind.  Solche  Skizzen  lassen  sich 


im  Handumdrehen,  im  Stehen  und  Gehen,  ohne  jedweden 
Zeitverlust  und  irgend  welche  Unbequemlichkeit,  den 
Reiseführer  unterm' Arm  und  den  Schirmstock  angehängt, 
ausführen. 

Photographieen  sind  ja  zur  Unterstützung  des  Ge- 
dächtnisses unentbehrlich,  doch  wird  man  finden,  dass 
solche  selten  das  wahre  Bild,  den  wirklichen  Eindruck 
wiedergeben.  Entweder  ist  der  Gegenstand  bedeutungs- 
voller als  das  Bild  oder  umgekehrt,  ganz  abgesehen  von 
der  Farbenwirkung.  — In  den  Ausnahmefällen,  dass  man 
einer  nur  mit  grossem  Apparate  auszuführenden  bedeu- 
tenden Anzahl  von  Aufnahmen  bedarf,  bediene  man  sich 
der  Unterstützung  eines  für  den  besonderen  Zweck  er- 
probten Berufsphotographen  jener  Gegend.  — 

Nur  eine  wohlerwogene  Planung  der  Reise  und 
eine  das  grosse  ganze  Ziel  nie  verlassende,  geschickte 
Durchführung  wird  das  Gefühl  wahrer  Genugthuung 
erzeugen.  Die  helle  Freude  an  der  befriedigenden 
Ausbeute  auf  künstlerischem  Gebiete  wie  an  genuss- 
reichen Erinnerungen  wird  nur  dem  voll  zutheil,  der 
sich  müht,  mit  offenem  Blick  zu  sehen,  zu  schätzen  und 
zu  werthen,  — 

Theobald  Hof  mann. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Architekten-Vereln  zu  Berlin.  Vortragsabend  mit  Damen 
am  14.  April  igor.  Vor  gefülltem  Saale  sprach  an  diesem 
Abend  Hr.  Adler  über  „Lebenserinnerungen  aus 
dem  Architekten-Verein".  Auf  eine  mehr  als  50-jäh- 
rige Angehörigkeit  und  rege  Thätigkeit  im  Verein  zurück- 
blickend, wusste  Redner  bald  in  ernsthafter  Weise,  die 
Wirksamkeit  des  aus  kleinen  Anfängen  entstandenen  Ver- 
eins und  seiner  Mitglieder  würdigend,  bald  in  scherzhafter, 
Episoden  aus  dem  Vereinsleben  humorvoll  einflechtend, 
die  Hörer  zu  fesseln. 

j Adler  trat  am  5.  Mai  1849  in  den  Verein,  der  zu  jener  Zeit 
in:  dem  Knoblauch’sehen  Hause,  Oranienstrasse  loi,  tagte. 
An  seiner  Spitze  standen  damals  Männer,  deren  Namen 
einen  guten  Klang  haben:  Strack,  Stüler,  Knoblauch, 
Mellin,  Drewitz.  Bescheiden  waren  die  Räume,  welche 
dem  Verein  zur  Verfügung  standen,  bescheiden  die  Biblio- 
thek, um  deren  Vermehrung  sich  später  Wilhelm  Ernst 
ganz  besondere  Verdienste  erworben  hat;  aber  Gemüth- 
lichkeit  und  ernstes  Streben  waren  der  hervorstechende 
Zug  jener  Zeit. 

Das  Jahr  1850  war  von  besonderer  Bedeutung  für  das 
Vereinsleben,  namentlich  durch  das  überraschende  Ereig- 
niss, dass  ein  junger,  unbekannter  Bauführer,  Schwedier, 
bei  dem  internationalen  Wettbewerb  um  die  Rheinbrticke 
in  Köln  unter  zahlreichen  Bewerbern  des  In-  und  Aus- 
landes den  I.  Preis  davontrug.  Es  konnte  nicht  fehlen, 
dass  es  daran  Manches  zu  tadeln  gab,  aber  Schwedier 
wusste  seine  Sache  im  Verein  so  zu  führen,  dass  man 
ihm  Recht  geben  musste.  Er  erhielt  den  Auftrag  zur  Aus- 
führung und  trat  damit  in  eine  Laufbahn,  die  ihn  bald  in 
eine  führende  Stellung  brachte. 


Die  Einrichtung  der  Schinkel-Wettbewerbe,  die  nach- 
mals zu  so  grosser  Bedeutung  gelangte,  verdankt  Adler 
die  erste  Anregung.  Im  Jahre  1851  wurde  die  erste 
Schinkelaufgabe  gestellt.  Gegenstand  war  der  „Entwurf 
zu  einer  Villa  für  den  König  am  Jungfern-See“. 
Adler  gewann  den  I.  Preis,  der  damals  in  der  bescheidenen 
Summe  von  6 Friedrichsd’or  bestand.  Am  Schinkelfest 
1852  fand  die  erste  feierliche  Preisvertheilung  statt.  In 
jenem  Jahre  wurde  auch  der  Grundstock  zum  Vereins- 
vermögen aus  dem  Ueberschusse  von  668  Thlrn.  des 
Jahres  1851  geschaffen. 

Redner  schilderte  dann  weiter  das  Leben  des  Vereins, 
die  Theilnahme  an  Knoblauchs  silberner  Hochzeit  1856, 
die  Feier  des  40jährigen  Stiftungsfestes  1864,  die  Thätig- 
keit des  Vereins  bei  der  Ausschmückung  des  Lustgartens 
bei  dem  Einzug  der  siegreichen  Truppen  1866,  die  Grün- 
dung der  „Deutschen  Bauzeitung“  1867,  die  nachmals 
„zu  einem  unentbehrlichen  Organ  des  gesammten  Bau- 
und  Ingenieurwesens  erwachsen  ist“,  und  den  Umzug  nach 
Wilhelmstrasse  118  im  Jahre  1869. 

Einschneidend  in  das  Veremsieben,  wie  für  ganz 
Deutschland,  waren  die  Jahre  1870  und  71  und  der  nach- 
folgende Aufschwung  auf  den  Gebieten  der  Kunst  und 
des  wirthschaftlichen  Lebens.  Grosse  und  neue  Ansprüche 
wurden  an  die  Thätigkeit  und  Leistungsfähigkeit  der  Ar- 
.chitekten  und  Ingenieure  gestellt,  aber  auch  schöne  Auf- 
gaben, grosse  Aufträge  wurden  ihnen  andererseits  zutheil. 
An  diesem  Aufschwung  hat  der  Architekten-Verein  und 
ein  grösser  Theil  seiner  Mitglieder  lebhaften  Antheil  ge- 
nommen. 

Mit  dem  Jahre  1874,  dem  glänzend  gefeierten  5ojähr. 
Stiftungsfeste,  schloss  Redner  seine  Erinnerungen.  Reicher 
Beifall  wurde  ihm  zutheil.  An  den  Vortrag  schlossen  sich 


eine  hochentwickelte  Neigung  für  die  bildende  Kunst  ver- 
band und  dieser  Neigung  bei  grossen  persönlichen  Opfern 
in  der  zwanglosesten  Weise  Ausdruck  gab.  Grössere 
Reisen  hatten  ihn  mit  den  künstlerischen  Bestrebungen 
der  anderen  Länder  bekannt  gemacht;  durch  die  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  mit  dem  englischen  Hofe  wurde 
ihm  die  englische  Kunst  vertraut  und  unter  dem  Zu- 
sammenfluss aller  dieser  Eindrücke  und  im  Hinblick  auf 
die  künstlerische  Stellung  Karlsruhes  reifte  in  ihm  der 
Entschluss  zu  einer  künstlerischen  That.  Bei  dem  edlen, 
jugendlichen  Feuer,  welches  das  hessische  Fürstenhaus 
für  die  Kunst  beseelte,  war  vom  Entschluss  zur  That  kein 
weiter  Weg' mehr,  insbesondere,  nachdem  eine  Denkschrift 
von  dem  Verlagsbuchhändler  Alexander  Koch  in  Darm- 
stadt der  Frage  den  Charakter  der  Nothwendigkeit  aufge- 
prägt hatte.  Und  diese  That  dachte  man  sich  als  eine  solche, 
dass  sie  nicht  nur  Aufsehen  in  der  gesammten  Kunstwelt 
hervorrufen,  sondern  bleibende  Werthe  für  die  Kunst- 
übung des  Landes  schaffen  sollte.  Dazu  wurde  durch 
den  Grossherzog  zunächst  in  Aussicht  genommen,  einen 
Stamm  unabhängiger. Künstler  für  Darmstadt  zu  gewinnen, 
von  welchem  die  künstlerische  Befruchtung  des  Landes 
ausstrahlen  sollte.  „Und  da  ihm“  — wie  das  inrede 
stehende  Werk  sagt  — „das  eigene  Land  in  seinen  Söhnen 
nicht  genug  Männer  bot,  , die  gerade  in  dieser  Art  der 
Kunst,  die  eine  engste  Vereinigung  mit  den  breiten  Lebens- 
schichten  durch  Handwerk  und  Industrie  ermöglicht, . unter 
den  Vordersten  standen,  so  liess  er  seinen  Ruf  ergehen 
über  alle  Gebiete  deutscher  Zunge,  und  zu  den  beiden 
Hessen  traten  ernste,  kühne  Männer  , aus  dem  seefahren- 

17.  Mai  1902. 


den  Norden  und  Kinder  des  Südens,  der  leichten  Anmuth 
und  der  kecken,  zierlichen  Geberde“.  Es  wurden  zum 
I.  Juli  T.899  berufen  der  Maler  Hans  Christiansen,  ge- 
boren 1866  in  Flensburg;  der  Bildhauer  Ludwig  Habich, 
geboren  1873  in  Darmstadt;  der  Ciseleur  Rudolf  Bosselt, 
geboren  1871  in  Perleberg  . in  der  Mark;  der  Zeichner 
Patriz  Huber,  geboren  1878  in  Stuttgart  und  der  Maler 
Paul  Bürck,  geboren  1878  in  Strassburg.  Zu  diesen  fünf 
Künstlern  traten  dann  weiterhin  der  Architekt  Prof.  Jos. 
M.  Olbrich,  geboren  1867  in  Troppau,  und  der  Maler 
Peter  Behrens,  geboren  1868  in  Hamburg.  Wie  man 
sieht,  ist  es  eine  Künstlergesellschaft  von  grösster  Viel- 
seitigkeit der  künstlerischen  Anschauungen,  die  man  nach 
Darmstadt  berief.  Nicht  ohne  Freude  wird  man  ferner 
bemerken,  dass  die  englische  Bewegung,  die  noch  in  der 
zweiten  Hälfte  der  neunziger  Jahre  einen  fast  erdrücken- 
den Einfluss  in  Deutschland  ausübte  und  das  politische 
Wort  des  Fürsten  Bismarck  wahr  zu  machen  suchte: 
,,L’ Anglais  est  mauvais  coucheur,  il  tire  toute  la  Couverture 
ä lui“,  auf  die  Wahl  der  Künstler  keinen  Einfluss  hatte. 
Es  lag  auf  der  Hand,  dass  diese  Künstlergruppe  nun  zu- 
nächst den  Wunsch  hatte,  sich  durch  eine  aus  geschlossener 
Zusammenwirkung  hervorgegangene  That  in  Hessen  und 
Deutschland  und  nicht  nur  in  diesen  Grenzen  einzuführen. 
Diese  That  — als  solche  muss  man  sie  bei  unbefangener 
Würdigung  trotz  allem,  was  sie  durch  die  eigene  Schuld 
ihrer  Urheber  entstellte  bezeichnen  — war,  wie  es  etwas 
anspruchsvoll  von  der  Künstlergruppe  selbst  genannt  wurde, 
das  „Dokument  deutscher.  Kunst“  des  Jahres  1901.  — 

(_Fortsetzung  fo^t.) 


259 


noch  ergänzende  Bemerkungen  des  Hrn.  Wiebe  aus  seiner 
Erinnerung,  die  ebenso  weit  zurückreicht,  wie  die  des 
Vortragenden,  und  eine  Besichtigung  zahlreicher  Zeich- 
nungen, Gedenkblätter,  Gipsreliefs,  vielfach  von  der  Hand 
Adler’s  selbst,  die  auf  das  Vereinsleben  Bezug  hatten  und 
den  Vortrag  in  werthvoller  Weise  ergänzten.  — Fr.  E.  — 
Münchener  (oberbayerischer)  Arch.-  und  Ing.-Verein. 
Nachdem  die  satzungsgemäss  aus  der  Vorstandschaft  aus- 
geschiedenen Herren  durch  die  in  der  General-Versamm- 
lung vom  24.  April  vorgenommene  Wahl  ersetzt  worden 
waren,  setzt  sich  die  Vorstandschaft  für  das  Geschäftsjahr 
April  1902  bis  April  1903  wie  folgt  zusammen:  I.  Vor- 
sitzender: Ludwig  Stempel,  Ob.-Brth.;  II.  Vorsitzender: 
Carl  Straub,  Reg.-Rth. ; I.  Schriftführer : Günther  Blumen- 
tritt, Architekt;  II.  Schriftführer:  Joseph  Rank,  Architekt; 
Kassirer:  Hugo  Marggraff,  Ob.-Bauinspektor.  Mitglieder 
der  Vorstandschaft;  Dr.  Julius  Groeschel,  Ob.-Bauinsp.; 
Carl  Hocheder,  Prof,  der  Techn.  Hochschule;  Hermann 
Recknagel,  Zivilingenieur;  Carl  Schaaff,  Reg.-  und 
Kreisbauassessor;  Martin  Voigt,  Architekt.  — 


Vermischtes. 

Die  Schaffung  eines  bayerischen  Verkehrs-Ministeriums, 
das  schon  seit  längerem  als  ein  Bedürfniss  empfunden 
wird,  scheint  in  absehbarer  Zeit  zur  Thatsache  werden 
zu’  sollen.  Die  Frage  ist  schon  vor  einigen  Jahren  er- 
örtert und  damals  vom  Minister-Präs.  Graf  Crailsheim  die 
Erklärung  abgegeben  worden,  dass  sich  die  Einrichtung 
eines  solchen  Ministeriums  mit  der  Uebernahme  der 
pfälzischen  Eisenbahnen  jedenfalls  als  nothwendig  er- 
weisen werde.  Bei  den  jetzigen  Verhandlungen  über  die 
Erwerbung  der  pfälzischen  Bahnen  hat  der  Minister  seine 
frühere  Ansicht  erneut  bestätigt,  sodass  die  Verwirklichung 
nur  noch  eine  Frage  der  Zeit  sein  dürfte,  lieber  die 
etwaige  Gliederung  der  neu  zu  schaffenden  Behörde  und 
den  Ümfang  ihres  Wirkungskreises  verlautet  allerdings 
noch  nichts  Näheres.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Fassaden  Danzig.  Es  handelt  sich  um 
Fassaden-Entwürfe  für  17  Wohn-  und  Geschäftshäuser,  die 
sich  in  ihrem  Aeusseren  den  in  Danzig  vom  Ende  des 
XIV.  bis  Ende  des  XVIII.  Jahrh.  vorkomraenden  Stilarten 
anschliessen  müssen.  Es  betrifft  der. Wettbewerb  jedoch 
nicht  allgemeine,  sondern  örtlich  bestimmt  bezeichnete 
Beispiele  von  Waaren-,  Kontor-  und  Wohnhäusern.  Die 
Aufrisse  und  Durchschnitte  sind  i : 50,  die  Grundrisse  min- 
destens 1 : 500  und  zwar  in  schwarzer  Tusche  in  Strich- 
manier verlangt,  eine  Vorschrift,  welche  die  möglichst 
treue  Wiedergabe  in  einer  in  Aussicht  genommenen  Ver- 
öffentlichung wesentlich  erleichtern  dürfte.  Ein  Ankauf 
nicht  preisgekrönter  Entwürfe  für  150  bezw.  50  M.  ist  in 
Aussicht  genommen.  Den  Unterlagen  sind  'die  einschlä- 
gigen Paragraphen  der  Bau-Polizeiverordnung  für  die  innere 
Stadt  Danzig  angefügt.  Wir  empfehlen  trotz  der  etwas 
reichlichen  zeichnerischen  Anforderungen  und  der  nicht 
eben  hohen  Preise  die  Theilnahme  an  diesem  Wettbewerbe 
mit  derselben  Wärme,  mit  welcher  wir  die  gleichen  Bestre- 
bungen der  vorangegangenen  alten  Städte  begleitet  haben.  — 

Wettbewerb  Erweiterung  Rathhaus  Nienburg  a.  W.  In 
diesem  Wettbewerb,  dessen  Ausschreibung  vielleicht  keine 
zwingende,  in  der  Bedeutung  der  Aufgabe  liegende  Noth- 
wendigkeit  war,  handelt  es  sich  um  den  Entwurf  zu 
einem  Anbau  an  das  bestehende,  mit  einer'  reizvollen 
Fassade  der  deutschen  Frührenaissance  ausgezeichnete 
Rathhaus,  welches  in  Erd-,  Ober-  und  Dachgeschoss  Kassen- 
räume mit  Stahlkammer,  Räume  für  das  Katasteramt,  für 
die  Polizei,  für  die  Sparkasse  und  eine  Wohnung  enthalten 
soll.  Der  neue  Theil  soll  mit  dem  alten  eine  künstlerisch 
wirkungsvolle  Gebäudegruppe  bilden.  Die  Aufgabe  wird 
dadurch  eine  anziehende  und'dankbare.  Die  Zeichnungen 
sind  zwar  i : 100  verlangt,  jedoch  ist  in  änerkennenswerther 
Weise  beabsichtigt,  wenn  möglich,  den  Gewinner  des 
I.  Preises  mit  der  künstlerischen  Leitung  des 
Baues  zu  beauftragen.  So  kann  denn  der  grosse 
Maasstab  der  Zeichnungen  dazu  dienen,  den  künstlerisch 
befähigsten  Bewerber  zu  ermitteln.  Es  ist  in  den  gut  vor- 
bereiteten Unterlagen  nicht  gesagt,  dass  der  Betrag  zum 
Bezüge  derselben  von  5 M.  bei  Einsendung  eines  Ent- 
wurfes zurückerstattet  wird;  wir  glauben  aber,  dass  es 
nur  dieser  Anregung  bedarf,  um  die  ausschreibende  Stelle 
hierzu  zu  veranlassen.  — __  . . • - 

Wettbewerb  Rathhaus  Kassel.  Zum  i.  Mai  sind  in 
diesem  Wettbewerb-  118  Entwürfe  eingelaufen,  feine  Zahl, 
welche  es  voraussichtlich  unmöglich  machen  wird,  die  Ent- 
scheidung des  Preisgerichtes  innerhalb  der  angegebenen 
Zeit  herbeizuführen.  — 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Dem  Ob.-Brth.  Höfl  in  München  ist  der  Verdienst- 
orden vom  hl.  Michael  IV.  Kl.  verliehen: 

Der  Ing.  Heilmaier  mit  dem  ‘Wohnsitze  in  Glanmünchen- 
weiler ist  bei  den  pfälz.  Eisenb.  aufgenommen. 

Der  Reg.-  u.  Kr.-Brth.  Pacher  in  Bayreuth  ist  nach  München 
versetzt.  Der  Bauamtm.  Spies  in  Kissingen  ist  z.  Reg.-  u.  Kr.- 
Brth.  in  Bayreuth  und  der  Bauamtsass.  Wi  e d e m an  n in  Kempten 
z.  Bauamtm.  in  Kissingen  befördert.  Der  Bauassist.  Blumentritt 
in  München  ist  z.  Bauamtsassi  in  Kempten  ernannt.  Der  Ob.-Brth. 
Hohmann  in  München  ist  in  den  erbet.  Ruhestand  versetzt. 

Hessen.  Ernannt  sind:  Der  Reg.-Bmstr.  S c h m i c k in  Frank- 
furt a.  M.  z.  vortr.  Rath  beim  Min.  der  Einanzen  mit  dem  Tit.  Ob.r 
Brth.;  der  Bauinsp.  Diehl  von  Bensheim  z.  Bauinsp.  ohne  Amts- 
bezirk mit  dem  Wohnsitz  in  Darmstadt;  der  Bauass.  Block  in 
Bensheim  z.  Bauinsp.  des  Hochbauamts  das.;  die  Reg.-Bfhr.  Heinr. 
Schmidt,  Alfr.  S a e g e r aus  Darmstadt , Karl  Koch  aus  Als- 
feld und  Karl  Hechler  aus  Darmstadt  zu  Reg.-Bmstrn. 

Der  Kr. -Bauinsp.  Endres  in  Schotten  ist  s.  Ansuchen  ge- 
mäss aus  dem  Dienst  entlassen. 

Der  Bauinsp.  Brth.  Renting  in  Mainz  ist  gestorben. 

Preussen.  Verliehen  ist:  den  Reg.-  u.  Brthn.  Wittfeld  die 
Stelle  eines  ständ.  techn.  Hilfsarb.  in  den  Eisenb.-Abth.  des  Min. 
d.  öffentl.  Arb. ; Lübbecke  in  Elberfeld,  Strasburg  in  Essen 
a.  R.,  Kays  er  in  Königsberg  i.  Pr.,  Krause  in  Essen  a.  R.  die 
Stelle  eines  Mitgl.  der  kgl.  Eisenb.-Dir.  das.  Dem  Eisenb.-Dir. 
W e i s s in  Mainz  die  Stelle  eines  Mitgl.  der  kgl.  preuss.  und  grossh. 
hess.  Eisenb.-Dir.  das.;  den  Eisenb.-Dir.  Fink  in  Hannover,  Zwes 
in  Berlin,  Meyl  in  Erfurt,  Hattemer  in  Stettin  die  Stelle  eines 
Mitgl.  der  kgl.  Eisenb.-Dir.  das.;  dem  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp. 
Barschdorff  in  Stargard  i.  Pomm.  die  Stelle  des  Vorst,  der 
Betr.-Insp.  i das.;  den  Eiseub.-Bauinsp.  Epstein  in  Breslau  die 
Stelle  des  Vorst,  einer  Werkst-Insp.  bei  der  Hauptwerkst,  x das., 
Fritz  in  Braunschweig  die  Stelle  des  Vorst,  der  Werkst. -Insp.' 
das.,  ' dem  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Kilian  in  Mainz  die  Stelle 
des  Vorst,  der  Betr.-Insp.  das.  und  dem  Dr.  Dehnst  in  Berlin 
eine  der  für  Bauinsp.  vorgeseh.  Stellen  bei  der  kgl.  Eisenb.-Dir. 
in  Berlin. 

Versetzt  sind:  Der  Geh.  Brth.  Bindemann  in  Breslau  als 
Mitgl.  an  die  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Hannover;  als  Mitgl.  an  den  kgl. 
Eisehb.-Dir.  die  Reg.-  u.  Brthe.  Siegel  in  Kattowitz  nach  Erfurt, 
Falke  in  Erfurt  nach  Berlin,  Hellraann  in  Köln  nach  Breslau, 
Jahnke  in  Stettin  nach  Kattowitz,  Bergmann  in  Eberswalde 
(äuftrw.)  nach  Magdeburg,  Werren  in  Danzig  nach  Halle  a.  S.j 
Baeseler  in  Magdeburg  nach  Erfurt,  Backs  in  Görlitz  nach 
Breslau,  Kiesgen  in  Göttingen  nach  Kassel,  Stimm  in  Frank- 
furt a.  O.  nach  Danzig,  Struck  in  Berlin  nach  Danzig,  Scheib- 
ner  in  Küstrin  nach  Bromberg,  Roth  in  Krefeld  (auftrw.)  nach 
Magdeburg,  Mertens  in  Breslau  nach  Kattowitz,  Barzen  in 
Wiesbaden  nach  Frankfurt  a.  M. , Kaufmann  in  Hamburg  nach 
Altona,  V oss  in  Gleiwitz  nach  Bromberg,  Geber  in  Duisburg 
nach  Essen  a.  R.,  Büttner  in  Halberstadt  nach  Magdeburg, 
Steinmann  in  Paderborn  nach  Münster  i.  W.,  Kiel  in  Köln 
(auftrw.)  nach  St.  Joh.-Saarbrücken;  — als  Vorst,  von  Betr.-Insp. 
die  Reg.-  u.'  Brthe.  Weise  in  Osnabrück  nach  Schneidemühl  3, 
S c h m a 1 z in  Beuthen  nach  Görlitz  3,  Goleniewiczin  Wesel 
nach  Osnabrück  3,  Freudenfel  dt  in  Schneidemühl  nach  Küstrin , 
Holtmann  in  Aachen  nach  Köln  s;  — Meinhardt  in  Harburg 
als  Vorst,  der  Masch.-Insp.  nach  EberswaJde,  Gut  zeit  in  Stettin 
als  Vorst,  der  Werkst-Insp.  nach  Eberswalde;  — der  Eisenb.-Dir. 
Schubert  in  Sbrau  als  Vorst,  der  Betr.-Insp.  8 nach  Berlin;  — 
als  Vorst  von  Betr-Insp.  die  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  v.  Milewski 
in  Eschwege  nach  Wesel,  Lund  in  Harburg  nach  Göttingen  3, 
Schilling  in  Oppeln  nach  Neustettin,  Estkowski  in  Neu- 
stettin nach  Sorau,  Schräder  in  Allenstein  nach  Harburg  s, 
G u t b i e r in  Essen  nach  Duisburg  3,  K r e s s i n in  Ratibor  nach 
Gleiwitz  i,  Biedermann  in  Glogau  nach  Breslau  i,  M e y e r in 
Sulingen  nach  Allenstein  3,  Falkenstein  in  Elze  nach  Glogau  3, 
Herr  in  Berlin  nach  Halberstadt  r,  Hansen  in  Hagen  hach 
Aachen  2,  Heller  in  Kattowitz  nach  Beuthen  O.-S.  i,  Kraus  s 
in  Bromberg  nach  Oppeln  x,  Laspe  io  Harburg  nach  Krefeld  2, 
Schneider  in  Münster  nach  Eschwege,  Rhode  in  Hannover 
nach  Essen  a.  R.  4,  Prött  io  Xanten  nach  Paderborn  2,  Stro- 
me y e r in  Berlin  nach  Wiesbaden  2,  Leipziger  in  Breslau  nach 
Ratibor  i,  Genz  in  Danzig  (auftrw.)  nach  Frankfurt  a.  O.  2, 
Hammer  in  Breslau  (auftrw.)  nach  Königsberg  i.  Pr.  t,  Marx 
in  Königsberg  (auftrw.)  nach  Angerburg;  — die  Eisenb.-Bau-  u. 
Betr.-Insp.  Loeffel  in  Harburg  zur  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Hannover, 
Krzyzankiewicz  in  Harsefeld  zum  Bau  der  Bahnstr.  Celle- 
Schwarmstedt  nach  Winsen  a.  Aller,  Schwemann  in  Soltau 
zur  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Hannover;  — die  Eisenb.-Bauinsp.  Köhler 
in  Kattowitz  als  Vorst,  der  Betr.-Insp.  nach  Elberfeld  und  Staudt 
in  Altona  als  Vorst,  der  Betr.-Insp.  2 nach  Hamburg  (beide  unt. 
Beilegung  der  Amtsbezeichnung  als  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.);  — 
als  Vorst,  von  Masch.-Insp.  die  Eisenb.-Bauinsp.  Liesegang  in 
Weissenfels  nach  Köln,  Hartwig  in  Magdeburg  nach  Stettin  i, 
1 1 1 n e r in  Breslau  nach  Weissenfels,  K e 1 1 e,  in  Saarbrücken  nach 
Wittenberge,  Schmidt  in  Frankfurt  a.  M.  na.ch  Giessen;  — als  Vorst, 
von  Werkst. -Insp.  die  Eis. -Bauinsp.  G ad  ow  in  Danzig  nach  Meiningen, 
Römer  in  Essen  nach  Paderborn,  Berthold  in  Giessen  nach 
Halle  a.  S.,  v.  L e m m e r s - D a n f o r t h io  Essen  nach  Speldorf, 
Lehn  er  s in  Königsberg  nach  Harburg;  — der  Eisenb.-Bauinsp. 
T o o r e n in  Köln  in  den  Dir.-Bez.  Essen  a.  R.  für  Abnahmezwecke 
nach  Aachen. 


Inhalt:.  Die  .Architektur,  auf;  der  Grossen  Berliner  Kunstausstellung 
1902.  — Winke  für  die  zweckmässige  Durchführung  von  Studienreisen.  — 
Dask'änstlerische  Ergeb'niss  des  Darmsfädter  „Dokumentes“. — Mittheiluneen 
aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitimg,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


260  No.  40. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  41.  Berlin,  den  2T.  Mai  1902. 


Conrad  Wilhelm  Hase. 


!^^Sonrad  Wilhelm  Hase,  dessen  Hinscheiden  wir  in 
No.  27  gemeldet  haben,  wurde  als  das  zehnte  Kind 
seiner  Eltern  am  2.  Okt.  1818  zu  Einbeck  in  Han- 
nover geboren.  Sein  Vater  war  Steuerbeamter  von  ge- 
ringem Einkommen,  sodass  die  Jugend  des  Sohnes  unter 
den  bescheidensten  Verhältnissen  dahinging.  Sie  scheint 
aber  im  übrigen  eine  glückliche  gewesen  zu  sein  und  die 
unbesiegbare  Frohnatur  seines  Herzens,  die  Liebe,  mit  wel- 
cher er  an  seiner  Heimath  hing,  haben  offenbar  in  dieser 
ersten  Lebenszeit  ihre  Wurzeln  entwickelt.  Ausserdem 
zwangen  ihn  diese  Verhältnisse  auch  frühzeitig  zu  selb- 
ständiger Thätigkeit  und  zum  sparsamen  Haushalten  mit 
eigenen  Mitteln.  Nachdem  er  zu  Einbeck  eine  höhere 
Schule  besucht,  bezog  er  1833  die  damalige  Gewerbe- 
schule zu  Hannover,  die  heute  daselbst  zur  technischen 
Hochschule  erwachsen  ist, 
zu  jener  Zeit  aber  nur  eine 
kleineZahl  techni.scher  und 
wissenschaftlicher  Lehr- 
gegenstände, die  noch  da- 
zu in  engem  Umfange  be- 
handelt wurden,  umfasste 
und  in  dieser  Hinsicht 
kaum  viel  mehr  als  unsere 
lieutigenBaugewerkschulen 
darbot.  Dennoch  gab  sie 
Hase  Gelegenheit  zur  Fort- 
entwicklung der  künstleri- 
schen Neigungen,  welche 
sich  früh  bei  ihm  zeigten, 
wie  er  denn  bald  fein  und 
sauber,  wie  es  damals  üb- 
lich, doch  mit  richtiger  For- 
menauffassung zu  zeichnen 
und  namentlich  nach  der 
Natur  zu  skizziren  verstand. 

Da  nach  Abschluss  des 
Studiums  im  Jahre  1838  der 
Staatsdienst,  an  den  er  zu- 
nächst wohl  gedacht  hatte, 
bei  dem  allgemeinenDarnie- 
derliegen  staatlicher  Bau- 
thätigkeit  in  jenen  Jahren 
ihmin  absehbarer  Zeit  keine 
Gelegenheit  zur  Anstellung 
bot,  so  entschloss  er  sich, 
zum  Handwerk  überzu- 
gehen und  als  Maurer- 
meister und  Unternehmer 
sein  Glück  zu  versuchen. 

Der  Weg  dazu  ging  damals 
nur  durch  die  praktische 
Lernzeit  als  Lehrling  und 
Geselle,  die  er  in  den 
Jahren  1838  und  1839,  in 
welchem  Jahre  er  sein  Ge- 
sellenstück als  Maurer  ab- 
legte, durchmachte.  Daran 
schloss  sich  dann  nach 
guter  Handwerkssitte  eine 
Wanderzeit,  für  deren  An- 
tritt die  kleinen  Ersparnisse 
als  Geselle,  verstärkt  durch 
den  Erlös  für  einige  verkaufte  Aquarelle,  eben  ausreichten. 
Zu  Fuss  — er  war  immer  ein  rüstiger  Fussgänger  gewesen, 
der  den  Weg  von  seiner  Vaterstadt  nach  Hannover  bei 
Eintritt  der  Ferien  in  einem  Tage  zurückzulegen  pflegte  — 
ging  erfröhlichen  Sinnes  über  Kassel,Marburg, Frankfurt  a.M  , 
Wiesbaden  und  Mainz  nach  München,  unterwegs,  so  in  Wies- 
baden und  Mainz,  wieder  als  Maurergeselle  zur  Auffrischung 
seiner  bescheidenen  Baarmittel  thätig.  In  München  eröffneten 
sich  ihm  ganz  neue  und  erweiterte  künstlerische  Gesichts- 
punkte. Nicht  nur  dass  dort  aufKönigLudwigl.  Veranlassung 
eine  Bauthätigkeit  herrschte,  wie  sie  damals  in  keiner  ande- 
ren deutschen  Stadt,  Berlin  nicht  ausgenommen,  zu  finden 
war,  so  boten  daselbst  auch  die  auf  den  übrigen  Kunst- 
gebieten mit  reichem  Erfolge  thätigen  zahlreichen  Kräfte 
die  mannichfaltigsten  Anregungen,  denen  sich  der  junge 
wissensdurstige  Hannoveraner  mit  regstem  Interesse 
hingab.  Es  war  Gärtner,  der  Meister  des  romanisch- 
romantischen  Stils,  wie  man  ihn  damals  verstand,  dem 


sich  der  Verstorbene  besonders  anschloss  und  dessen 
Unterricht  er  besuchte.  Der  nachhaltige  Einfluss  dieses 
Meisters  ist  lange  bei  Hase  zu  verspüren  gewesen;  zu  der 
Richtung  auf  die  mittelalterliche  Kunst  gab  er,  wie  bei 
mehreren  Anderen,  jedenfalls  auch  bei  ihm  eine  erste 
Veranlassung,  Umstände,  welche  die  Bedeutung  des  heute 
fast  vergessenen  Mannes  als  Lehrer  jedenfalls  hoch  ein- 
schätzen lassen.  Ausserdem  widmete  sich  Hase  auch  ande- 
ren dort  zugänglichen  technischen  und  künstlerischen  Stu- 
dien, namentlicn  auf  dem  Gebiete  der  Ingenieur-Wissen- 
schaften, und  fand  in  den  Kreisen  jüngerer  bildender 
Künstler,  unter  denen  sich  seine  Landsleute  Kreling,  Ed- 
mund Koken,  Seidel  und  andere  befanden,  mannichfaitige 
Anregung.  Dazwischen  war  er  dann  auch  wieder  des 
Lebensunterhaltes  wegen  als  Maurer  thätig,  so  beim  Bau 
der  neuen  Residenz.  Er 
hat  selbst  in  späteren  Jahren 
über  dieseW ander- undStu- 
dienzeitfrisch  geschriebene 
Aufzeichnungen  gemacht, 
die  auch  über  die  persön- 
lichen Beziehungen  hinaus 
von  allgemeinem  Werthe 
sind  und  aus  denen  wohl 
gelegentlich  Stücke  ver- 
öffentlicht werden  sollten. 

1843  kehrte  Hase  wieder 
in  seine  Heimath  zurück, 
wo  dem  Baufach  inzwischen 
durch  die  Anlage  der  ersten 
Eisenbahnen  ein  ganz  neues 
Feld  eröffnet  worden  war. 
Hierbei  trat  er  zunächst  als 
Architekt  und  Unternehmer 
auf  und  die  noch  bestehen- 
den Empfangsgebäude  von 
Lehrte,  Celle,  Wunstorf  u.  a. 
bildeten  seine  ersten  Leis- 
tungen auf  diesem  Felde. 
Der  damals  offizielle,  in 
Putz  hergestellte  Rundbo- 
genstil dieser  Anlagen  lässt 
allerdings  noch  nichts  eigen- 
artig Künstlerisches  erken- 
nen. Dagegen  tritt  in  den 
entsprechenden  Bauten  für 
die  Südbahn  schon  die  Ver- 
wendung des  sichtbaren 
Ziegels  als  Baustoff  der 
Aussenseiten  und  eine  For- 
menbildung aus  den  Bedin- 
gungen desselben  heraus 
entwickelt,  deutlich  hervor. 
Man  war  jedenfalls  dadurch 
auf  Hase’s  künstlerische  Be- 
fähigung aufmerksam  ge- 
worden und  als  es  sich  im 
Jahre  1848  darum  handelte, 
die  herrliche  Klosteranlage 
von  Loccum,  namentlich 
die  Kirche,  vor  dem  Ver- 
fall zu  schützen,  ward  Hase 
diese  Aufgabe  übertragen 
und  er  wurde  durch  dieselbe  auf  jenes  Gebiet  geführt, 
auf  welchem  er  späterhin  eine  besonders  glückliche  Thä- 
tigkeit entfalten  sollte.  Der  Loccumer  Herstellung  haftet 
allerdings,  namentlich  in  den  nothwendigen  neuen  Hinzu- 
fügungen, wie  Altar  und  anderem,  noch  eine  leicht  ver- 
ständliche Stilunsicherheit  an. 

Noch  bedeutungsvoller  für  ihn  ward  dann  seine  im 
Jahre  1849  erfolgte  Berufung  als  Lehrer  der  Architektur 
an  die  inzwischen  aus  der  Gewerbeschule  zum  Pohtech- 
nikum  uragestaltete  Anstalt  zu  Hannover.  Mehr  noch  als 
in  seiner  Stellung  als  ausübender  Künstler,  hat  er  in  die- 
ser durch  eine  ganz  besondere  Befähigung  unterstützten 
Lehrstellung,  welche  er  fast  durch  ein  halbes  Jahrhundert 
inne  hatte,  den  grössten  Einfluss  ausgeübt.  Sie  bildet  wohl 
den  Mittelpunkt  seiner  ganzen  künstlerischen  Persönlich- 
keit, durch  sie  hat  er  sich  einen  dauernden  Platz  in  der 
Entwicklung  der  neuen  Kunst  gesichert.  Durch  sie  wurde 
er  Begründer  einer  Architekturschule,  welche  in  den  60  er 


261 


Jahren  des  19.  Jahrhunderts  die  Höhe  ihrer  Entwicklung 
erreichte  und  in  deren  zahlreichen  Schülern,  welche  sich 
nicht  nur  auf  das  engere  Gebiet  Hannovers  beschränkten, 
sondern  auch  einen  grossen  Theü  Norddeutschlands  und 
darüber  hinaus  namentlich  Norwegen  umfassten,  sich  der 
anregende,  ja  zwingende  Einfluss  des  begeisterten  Lehrers 
deutlich  kundgab.  Die  zu  Hase’s  achtzigstem  Geburtstage 
veranstaltete  Ausstellung  von  Werken  seiner  Schüler,  die 
auch  in  diesem  Blatte  (Jhrg.  1898)  eingehend  gewürdigt  wor- 
den ist,  gab  Gelegenheit,  die  grosse  Zahl  hervorragender 
Namen,  die  sich  zu  denselben  rechneten,  zu  nennen,  daher 
hier  auf  jeneAusführungen  hingewiesenwerden  mag.  Diese 
Befähigung  Hase’s  als  Lehrer  hat  sich  auch  dann  noch 
bethätigt,  als  andere  Strömungen  in  der  Kunstentwick- 
lung den  Einfluss  der  Schule  als  ausschliesslich  auf  die 
Pflege  der  Gothik  und  auch  innerhalb  dieser  auf  das  Ge- 
biet des  Ziegelbaues  insbesondere  gerichtet  einschränkten, 
und  es  giebt  keinen  seiner  zahlreichen  Zuhörer,  der  sich 
nicht  des  Meisters  mit  Liebe  und  Verehrung  erinnerte  und 
nach  irgend  einer  Beziehung  hin  seiner  Anregung  heule 
noch  dankbar  gedächte. 

Seine  Lehrthätigkeit  umfasste  ausser  Uebungen  im 
Entwerfen  in  gothischem  Stile  und  der  zugehörigen  mittel- 
alterlichen Formenlehre  insbesondere  auch  die  Geschichte 
der  Baukunst,  ein  Gebiet,  welches  in  jener  Zeit  noch 
wenig  entwickelt  war  und  auf  welchem  ihn  zunächst  nur 
das  angestrengteste  Selbststudium  zu  einer  Beherrschung 
des  Stoffes  fuhren  konnte,  wenn  auch  der  Schwerpunkt 
für  ihn  auch  hier  wieder  in  der  mittelalterlichen  Kunst 
lag.  Mit  dieser  Lehrthätigkeit  verband  sich  übrigens  auch 
noch  eine  ausgedehnte  praktische  Beschäftigung,  sodass 
sich  für  ihn  die  glückliche  und  für  einen  technischen 
Hochschullehrer  fast  unentbehrliche  Verbindung  zwischen 
Zeichenbrett  und  Katheder,  zwisdien  Bauplatz  und  Hör- 
saal aufs  günstigste  gestaltete. 

1853  wurde  ihm  aufgrund  eines  Wettbewerbes  der 
Bau  eines  Museums  in  Hannover  übertragen,  welches 
späterhin  in  den  Besitz  der  Provinz  überging  und  neuer- 
dings, städtisches  Eigenthum  geworden,  eine  andere  Be- 
nutzung als  Vereinshaus  erhalten  soll.  Der  Bau  stellt  sich 
noch  in  allen  Theilen  als  unter  Gärtner’schem  Einfluss 
entstanden  dar.  Die  romanischen  Bauformen,  die  Haupt- 
front  mit  einer  in  ganz  engen  Fugen  ausgeführten  Ziegel- 
verblendung, schliessen  sich  durchaus  an  die  entsprechen- 
den Münchener  Bauten  an,  nur  im  Inneren,  in  den.  Räumen 
mit  den  sichtbaren  Balkendecken  und  mit  vielen  stürecht 
durchgeführten  Einzelheiten  tritt  die  Eigenart  des  Künst- 
lers hervor.  Mit  seinem  nächsten  grösseren  Bau  aus  den 
Jahren  1857—1863,  mit  der  Christuskirche  in  Hannover, 
wendet  sich  Hase  dann  völlig  zur  Gothik.  Dem  Umfange 
nach  und  durch  die  Stelle,  an  welcher  dieselbe  errichtet 
ist,  gilt  die  Kirche  wohl  als  die  grösste  und  die  bekannteste, 
seiner  Ausführungen.  Es  ist  eine  Hallenkirche,  in  einer 
Verbindung  von  Ziegel  und  Haustein  ausgeführt.  Hase 


hat  selber  späterhin  den  Bau  nur  mit  Einschränkung  gut 
geheissen.  Dem  glücklichen  Wurf  im  Aufbau  des  Ganzen, 
in  der  Entwicklung  des  Thurmes  und  seinem  Verhältniss 
zur  Kirche  stehen  Schwächen  wie  die  der  gothischen 
Kathedrale  nachgebildete  Chorlösung,  und  Unsicherheiten 
in  der  Einzelausbildung  gegenüber.  In  diese  Zeit  fällt 
auch  seine  Thätigkeit  für  das  neue  königliche  Schloss,  die 
Marienburg  bei  Nordstemmen.  Der  Bau  wurde  später 
bekanntlich  Oppler  übertragen,  ein  Vorgang,  den  Hase 
natürlich  schwer  empfand.  Erläuternd  mag  übrigens  be-; 
merkt  werden,  dass  Hase  seiner  Zeit  nur  die  Entwürfe 
aufgestellt  hat,  die  Ausführung^  zunächst  aber  in  Händen 
Hannoverscher  Ingenieur-Offiziere  lag,  deren  technische 
und  künstlerische  Unzulänglichkeiten  dann  der  Nachfolger 
geschickt  für  sich  auszunutzen  verstand. 

Von  dem  Bau  der  Christuskirche  ab,  wohl  infolge  der 
hier  gemachten  Erfahrungen,  wandte  sich  Hase  nun  völlig 
der  Ausbildung  des  heimischen  mittelalterlichen  Ziegel- 
baues zu,  wie  die  Städte  Niedersachsens  und  der  Alt- 
mark ihn  noch  in  zahlreichen  Beispielen  darbieten.  An 
Profanbauten  ist  wohl  das  Andreas-Gymnasium  in  Hildes- 
heini, dem  dann  noch  ein  Postgebäude  ebendaselbst  folgte, 
seine  bedeutendste  Leistung  nach  dieser  Richtung  hin. 
Hauptsächlich  sind  aber  nun  die  Kirchenbauten  zu  nennen, 
welche  er  in  grosser  Zahl  nach  dieser  Bauweise  errichtet 
hat.  Seine  1860  erfolgte  Ernennung  zum  Konsistorial-Bau- 
meis  ter  von  Hannover,  zu  einer  Sonderstellung,  nach  welcher 
ihm  die  Errichtung  und  Beaufsichtigung  der  dem  Konsisto- 
rium unterstehenden  Gebäude,  also  insbesondere  der  Kir- 
chen und  Schulen  oblag,  gab  ihm  hierzu  reiche  Gelegenheit. 
Sie  führte  ihn  auch  zu  einem  anderen  Gebiete,  zur  Wieder- 
herstellung einer  grossen  Zahl  hervorragender  alter  Bauten 
des  Landes.  Seine  Herstellungen  der  Michaeliskirche  und 
der  Godehardikirche  zu  Hildesheim,  der  Nikolaikirche  zu 
Lüneburg,  in  die  Jahre  1864 — 1870  fallend,  des  Rathhauses 
zu  Hannover  1875  — von  zahlreichen  anderen  Arbeiten 
dieser  Art  zu  schweigen  — sind  bekannt. 

An  diesen  Aufgaben  fand  seine  Liebe  zur  alten  Kunst 
seiner  Heimath,  sein  durch  die  eingehendste  Beschäfti- 
gung mit  derselben  gefördertes  Verständniss  für  ihre  Kon- 
struktionen und  Formen  die  reichste  Bethätigung.  Auch 
war  es  ihm  gelungen,  insbesondere  gestützt  auf  die  eigenen 
praktischen  handwerklichen  Erfahrungen,  sich  für  diese 
Arbeiten  geeignete  Hilfskräfte  in  Steinhauern,  Tischlern, 
Schmieden,  Malern,  Töpfern  und  anderen  Bauhandwerkern 
heranzuziehen  und  so  auch  der  mittelalterlichen  Klein- 
kunst und  ihrem  Gewerbe,  die  vorher  fast  ganz  darnieder- 
lagen, wieder  zu  neuem  Leben  zu  verhelfen. 

So  stellt  sich  der  Lebensgang  Hase’s  als  eine  seltene 
Wechselwirkung  zwischen  Lehrer  und  Praktiker,  zwischen 
Künstler  und  Handwerker  dar;  wenn  er  uns  heute  eine 
der  eigenartigsten  Erscheinungen  unseres  engeren  Kunst- 
gebietbs  ist,  so  ist  er  diese  aus  seiner  Zeit  und  aus  seinem 
Lande  heraus  geworden.  — 


Von  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  deko- 
rative Kunst  in  Turin. 

I.  {Hierzu  die  Lageplanskizze  S.  263.) 

jm  IO.  Mai  hat  der  König  von  Italien  die  I.  internationale 
I Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  in  Turin 
I feierlich  eröffnet.  Nur  um  wenige  Tage  war  der 
Eröffnung  ein  anderes  Fest  vorausgegangen,  mit  dem  das 
Reiterstandbild  des  Prinzen  Amadeo  enthüllt  wurde.  Dieses 
Denkmal,  ein  Werk  des  Turiner  Bildhauers  Calandra, 
erhebt  sich  in  der  Axe  des  Hauptportals  der  Ausstellung. 
Das  Ausstellungsgebiet  selbst  umfasst  den  wesentlichsten 
Theil  des  herrlich  gelegenen  Valentino-Parkes.  In  diesem 
Stadtgarten  Turins,  welcher  sich  in  angenehmem  Gefälle 
bis  zu  den  Ufern  des  ihn  südwestlich  begrenzenden  Po 
hinabzieht,  erhebt  sich,  zwischen  Bäumen  verdeckt,  das 
mittelalterliche  Kastell,  ein  vorzüglicher  Bau  der  vorigen 
Turiner  Ausstellung,  in  welchem  sich  in  guter  Ausführung 
wichtige  Baudenkmale  mittelalterlicher  Zeit  aus  der  be- 
nachbarten Landschaft  wieder  vorgeführt  finden. 

Betritt  man  den  Ausstellungsplatz  durch  das  Haupt- 
portal, so  wird  das  Bild  durch  den  seitlich  liegenden  mächti- 
gen Hauptbau  Daronco’  s mit  seiner  kuppelförmigen  Zen- 
tralmasse und  den  langhingedehnten  Flügeln  beherrscht. 
In  weiträumiger  Verth eilung  sind  kleinere  Ausstellungs- 
Pavillons  bescheiden  zwischen  die  Baumgruppen  einge- 
schoben und  mit  grossem  Geschick  hat  man  es  verstan- 
den, den  Eindruck  des  Vordringlichen  und  Zusammen- 
gedrängten zu  vermeiden.  Im  Gegensatz  zu  der  ver- 
schwenderischen Ausstattung  von  grosser  Figurenplastik, 
womit  Daronco  das  Aeussere  seiner  Kuppel  bereichern 
liess,  zeigt  der  Innenraum  derselben  eine  Behandlung,  bei 
welcher  die  Farbe  den  Mangel  an  jeglichem  Relief  zu 

262 


ersetzen  bemüht  ist.  Das  Schicksal  aller  Ausstellungen, 
welche  bei  ihrer  Eröffnung  halbfertig  sind,  theilt  auch  die 
Turiner.  Und  dennoch  war  schon  so  viel  vollendet,  dass 
ein  Ueberblick  über  das  Ganze  gewonnen  werden  konnte. 

Das  grösste  allgemeine  Interesse  wird  voraussichtlich 
durch  die  Abtbeilung  für  Plastik  und  Malerei  in  Anspruch 
genommen  werden.  In  friedlicher  Eintracht  sind  hier 
die  Werke  grosser  und  kleiner  Meister  vereinigt  und  es 
hat  den  Anschein,  als  ob  bei  der  Aufnahme  die  „deko- 
rative“ Wirkung  im  Vordergründe  gestanden  hätte.  Man 
sucht  zumeist  vergeblich  nach  der  tieferen  Empfindung, 
deren  Fehlen  wir  ja  so  häufig  in  den  sonst  meisterhaften 
Werken  italienischer  Kunst  beklagen. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Anregung  zur  Turiner  Aus- 
stellung von  Männern  ausging,  welche  das  eifrige  Bestreben 
haben,  die  Scharte  von  Paris  auszuwetzen.  Aber  auch 
diesmal  gelang  es  dem  italienischen  Comite  nicht  ganz, 
die  heimische  kunstgewerbliche  Abtheilung  von  dem  An- 
flug des  Jahrmarktwesens  zu  befreien.  Der  Vereinigung 
der  verschiedenartigsten  kunstgewerblichen  Gegenstände 
in  grossen  Hallen  — das  hat  sich  diesmal  aufs  Neue  klar 
gezeigt  — muss  auf  das  Entschiedenste  jegliche  Berech- 
tigung auch  dann  abgesprochen  werden,  wenn  mit  Hilfe 
grosser  und  kleiner  Abtheilungen  möglichste  Abwechselung 
geschaffen  wird. 

Offenbar  ist  die  Bedeutung  der  Turiner  Ausstellung 
von  unseren  Nachbarländern  unterschätzt  worden.  Denn 
die  meisten  von  ihnen  haben  die  angebotenen  Hallen  ohne 
weiteres  verwendet.  So  hat  es  sich  auch  England  recht 
bequem  gemacht,  indem  es  mit  einer  Auswahl  seiner 
besten  Gegenstände  — es  sind  vorwiegend  Entwürfe,  Flach- 
reliefs usw.  — die  ihm  zur  Verfügung  stehenden  Wände 
behängt  hat.  Ein  Saal  ist  ganz  mit  Arbeiten  von  Walter 
Crane  ausgestattet,  welche  uns  Deutschen  grösstentheils 

No.  41. 


Vermischtes. 

Besuch  der  Turiner  Ausstellung.  Die  kürzlich  eröffnete 
und  bis  November  währende  internationale  Ausstellung 
der  modernen  dekorativen  Künste  in  Turin  dürfte  sich 
eines  zahlreichen  Besuches  aus  Deutschland  zu  erfreuen 
haben,  da  die  Ausstellung  von  den  bisherigen  Beurtheilem 
allgemein  als  eine  Fortsetzung  der  im  vergangenen  Jahre  in 
Darmstadt  angebahnten  Bestrebungen  dargestellt  wird.  Um 
den  Besuch  zu  erleichtern,  werden  in  Chiasso  und  Luino 
ermässigte  Rückfahrkarten  ausgegeben,  die  20  Tage  gütig 
sind  und  zugleich  6 Abschnitte  zum  Besuch  der  Ausstellung 
enthalten.  Die  deutschen  Eisenbahn-Verwaltungen  haben 
zumtheil  schon  bekannt  gemacht,  dass  sie  im  Anschluss 
an  die  genannten  italienischen  Rückfahrkarten  die  Giltig- 
keitsdauer der  Rückfahrkarten  nach  Chiasso  und  Luino  auf 
60  Tage  erhöhen.  Der  Preis  der  Rückfahrkarten  Chiasso- 
Turin  über  Mailand  beträgt  für  die  3 Klassen  38,60;  28,85 
und  20,80  Frcs.;  für  Luino-Turin  über  Novara  ermässigen 
sich  diese  Zahlen  auf  33,60;  25,40  und  18,55  Frcs.  — 

Königlich  preusslsche  Landesanstalt  für  Gewässerkunde. 
DieLeitung  der  neu  errichteten  Landesanstalt  für  Gewässer- 
kunde ist  dem  Vortragenden  Rath  im  preuss.  Ministerium 
der  öffentlichen  Arbeiten,  Geh.  Brth.  Keller  übertragen 
worden.  Ferner  sind  der  Anstalt  die  Reg.-  und  Brthe. 
Bindemann  und  Ruprecht  als  Abtheilungs-Vorsteher 
und  die  ständigen  wissenschaftlichen  Hilfsarbeiter  Dr. 
phil.  Vogel  und  Dr.  phil.  Fischer  als  Mitarbeiter  über- 
wiesen worden.  Man  wird  sich  erinnern,  dass  die  An- 
fänge dieser  Anstalt  zurück- 
gehen auf  Anregungen,  wel- 
che von  der  Reichs-Kom- 
mission zur  Untersuchung 
der  Rheinstrom-Verhältnisse 
ausgingen,  die  aus  Anlass 
der  letzten  grossen  Ueber- 
schwemmungen  im  Rhein- 
gebiet eingesetzt  wurde.  — 

Zur  Stellung  der  Baukunst 
im  Konzert  der  Künste.  In 
diesen  Tagen  ist  die  Jury 
für  die  Münchener  Jahres- 
ausstellung 1902  im  kgl.  Glas- 
palast bekannt  gegeben  wor- 
den. Unter  den  zahlreichen 
Namen  findet  sich  nicht  ein 
Architekt;  esbestehenSek- 
tionen  für  Malerei,  Bild- 
hauerei und  vervielfältigende 
Künste,  die  Baukunst  aber 
ist  völlig  unbeachtet.  — 

Zur  Karlsruher  Bahnhofs- 
frage. Die  Budgetkommission 


der  II.  Kammer  hat  die  Verlegung  des  Karlsruher  Bahn- 
hofes (s.  No.  32)  bei  2 Stimmenthaltungen  einstimmig  be- 
schlossen. Die  Kosten  hierfür  sind  mit  rd.  16,5  Milk  M. 
berechnet,  während  die  Hochlegung  an  Ort  und  Stelle 
etwa  23  Mill.  M.  beansprucht  haben  würde.  Da  zu  er- 
warten ist,  dass  das  Plenum  des  Landtages  diesem  Be- 
schluss beitreten  wird,  so  ist  damit  diese  viel  erörterte 
Frage  endgiltig  entschieden  und  zwar,  wie  wir  glauben, 
in  grossem,  weitblickendem  Sinne.  — 

Ein  Besuch  des  Oesterreichischen  Ingenieur-  und  Archi- 
tekten-Vereins  aus  Wien  in  Berlin  findet  Anfang  Juni  statt. 
Aus  diesem  Anlass  ist  für  den  2.  Juni  im  Hauptrestaurant 
des  Zoologischen  Gartens  zum  Zwecke  gegenseitigen  per- 
sönlichen Verkehres  eine  zwanglose  Zusammenkunft  in 
Aussicht  genommen,  bei  welcher  die  Wiener  Fachgenossen 
Gäste  des  Architekten-Vereins  zu  Berlin,  der  Vereinigung 
Berliner  Architekten  und  des  Berliner  Bezirks  Vereins  deut- 
scher Ingenieure  sind.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Künstler.  Die  medizinische 
Fakultät  der  Universität  Breslau  hat  den  Architekten  Geh. 
Ob.-Brth.  Georg  Thür  im  Ministerium  der  öffentl.  Arb. 
zu  Berlin  wegen  seiner  Verdienste  um  den  Neubau  der 
Universitätskliniken  in  Breslau  zum  Ehrendoktor  ernannt. 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  tür  ein 
Krematorium  auf  dem  Rhlensberger  Friedhof  bei  Bremen 

wird  in  Kürze  durch  den  Verein  für  Feuerbestattung  in 


liebgewordene  alte  Bekannte  sind.  Schottland  bringt  eben- 
falls gute  Werke.  Die  Arbeiten  von  Mackintosh  und  seiner 
Frau  fallen  besonders  auf,  da  sie  mit  einer  überraschend 
kräftigen  Fantasie  in  einzelnen  Fällen  wahrhaftes  Können 
verbinden.  Holland  tritt  durch  seine  Keramik  lebhaft 
hervor.  .Die  Kopenhagener  Porzellan- Manufaktur  setzt 
ihren  Triumphzug  fort.  Es  ist  betrübend,  dass  der  fran- 
zösische Saal  nacli  keiner  Hinsicht  dem  entspricht,  was 
man  von  Frankreich  erwarten  musste.  Die  Erkenn  miss  hier- 
von scheint  der  französischen  Regierung  auch  aufgegangen 
zu  sein,  denn  sie  hat  nun  einen  ihrer  Ersten,  den  MMer 
Besnard,  gesandt,  welcher  den  Saal  umwandeln  soll. 
Oesterreich  hat  jedenfalls  klug  gehandelt,  sich  ein  frei- 
stehendes besonderes  Haus  zu  bauen,  doch  lässt  sich  ein 
Urtheil  noch  nicht  fällen,  weil  die  inneren  Arbeiten  im 
Rückstände  sind. 

Der  Umstand,  dass  für  die  deutsche  Abtheilung  die  Be- 
theiligung ziemlich  spät  betrieben  wurde,  hatte  den  Vortheil, 
dass  der  fürDeutschland  besonders  zu  errichtende  Gebäude- 
theil  nach  den  Plänen  des  deutschen  Arbeits-Ausschusses 
gegliedert  und  errichtet  werden  konnte  (s.PlanS.126).  Dem 
Ausschüsse  war  es  von  vornherein  klar,  dass  es  das 
deutsche  bürgerliche  Wohnhaus  sein  müsse,  welches 
den  Ausgangspunkt  der  wichtigsten  Raumgestaltungen  ab- 
zugeben habe.  Nur  wenige  Oberlichträume  bilden  daher 
den  Mittelkörper  dieses  Theiles.  Spielend  bewegen  sich 
zu  beiden  Seiten  die  kleineren  Gelasse  mit  dem  Seiten- 
licht, in  behaglicher  Weise  ausgestattet.  Durch  ihre  un- 
gleichen Vorsprünge  und  Erkerbiidungen  ei'geben  sich 
reizvoll  malerische  Fassaden  nach  den  beiden  benach- 
barten Höfen.  Nur  ein  geringer  Theil  dieser  Räume  war 
mit  seiner  Ausstattung  am  Eröffnungstage  wirklich,  fertig, 
doch  war  das  Ganze  schon  zu  überblicken ; und  es  konnte 
kein  Zweifel  darüber  bestehen,  dass  der  Gesammteindruck 


nach  der  in  kurzer  Zeit  zu  erwartenden  Vollendung  ein 
gelungener  sein  wird.  Uns  Deutschen  war  es  darum  zu 
thun,  einen  Schritt  in  der  Bestrebung  vorwärts  zu  kommen, 
welche  darauf  ausgeht,  das  ganze  menschliche  Leben 
in  Behausung,  Bekleidung  und  Geräthschaften 
künstlerisch  zu  veredeln.  Die  Grundlage  des  deutschen 
Wohnhauses  dient  als  Band,  womit  dieser  Strauss  ver- 
schiedenartiger Blumen  zusammengehalten  wird.  Dies 
tritt  deutlich  hervor,  auch  bei  den  Leistungen  jener  Mit- 
arbeiter, denen  man  so  gerne  die  nationale  Eigenart  ab- 
sprechen möchte. 

Betritt  man  die  deutsche  Abtheilung  von  der  Rotunde 
aus,  so  folgt  dem  Hamburger  Vestibül  der  ruhige  Mittel- 
raum,  an  ihn  reiht  sich  das  Atrium  des  bayerischen  Hauses. 
Sachsen  stellte  den  reichen  Majolika-Saal  mit  dem  darauf 
folgenden  Ausstellungsraum  mit  mächtigen 'Mauernischen 
und  kräftiger  Kassettendecke.  Von  überraschendem  Reiz 
ist  das  erste  bisher  vollendete  hessische  Zimmer.  Auch 
die  Reichslande  werden  gut  vertreten  sein,  und  das  baye- 
rische Haus  bringt  uns  ausser  den  gemüthlichen  Räumen 
des  Erdgeschosses  noch  zwei  verheissungsvolle  Dach- 
stuben. Die  preussischen  Räume  überraschen  uns  durch 
ihre  reiche  Abwechslung  in  Zweckbestimmung,  Form  und 
Farbe,  Ein  gleiches  dürfte  von  den  Räumen  Württem- 
bergs und  der  Vereinigten  Werkstätten  in  München,  so- 
wie von  der  Badischen  Abtheilung  zu  sagen  sein. 

Der  Besucher,  welcher  Ende  Mai  die  Ausstellung  be- 
tritt, wird  ein  nahezu  fertiges  Bild  vorfinden.  Schon  heute 
steht  fest,  dass  Turin  als  ein  wesentlicher  Fortschritt  jm 
kunstgewerblichen  Ausstellungswesen  zu  bezeichnen  ist, 
und  wie  es  manche  nützliche  Lehre  aus  der  ver- 
dienstvollen Darmstädter  Ausstellung  gezogen  hat, 
so  werden  auch  andere  Ausstellungen,  z.  B.  München  1904, 
auf  diese  Vorstufen  zurückblicken  müssen.  — 


21.  Mai  1902. 


263 


Bremen  ausgeschrieben  werden.  Als  Bausumme  stehen 
abzüglich  der  Aufwendungen  für  die  Versenkungsvorrich- 
tung und  den  Verbrennungs-Apparat  85  000  M.  zur  Ver- 
fügung; die  Halle  des  Krematoriums  soll  300  Personen 
fassen  können.  Für  die  besten  der  zum  15.  Sept.  einzu- 
reichenden Entwürfe  stehen  3 Preise  von  1000,  500  und 
300  M.  zur  Verfügung.  Dem  Preisgericht  gehören  u.  a. 
an  die  Hrn.  Arch.  Gildemeister-Bremen,  Prof.  Dr. 
Haupt-Hannover,  Arch.  Klingenberg-Oldenburg,  Bith. 
O.  March-Charlottenburg  und  Brth.  Weber-Bremen.  — 
Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
ein  Krankenhaus  in  Saarbrücken  erlässt  der  Hospitalvor- 
stand für  deutsche  Architekten  zum  15.  August  d.  J.  Es 
gelangen  3 Preise,  von  3000,  2000  und  1000  M.  zur  Ver- 
theilung.  Dem  aus  7 Herren  bestehenden  Preisgericht 
gehören  als  Sachverständige  des  Baufaches  an  die  Hrn. 
kgl.  Brth.  Schmieden-Berlin,  kgl.  Reg.-  und  Brth. 
v.  Pelser-Berensberg  in  Trier  und  kgl.  Brth.  Giseke 
in  Saarbrücken.  Unterlagen  kostenlos  durch  den  Vorstand 
des  Bürgerhospitals  in  Saarbrücken.  — 

Ein  Preisausschreiben  betr.  Entwürfe  zur  architekto- 
nischen Ausbildung  von  Bogenlicht-Kaudelabern  erlassen 
die  „Berliner  Elektricitäts-Werke''  für  Mitglieder  der  „Ver- 
einigung Berliner  Architekten“  zum  i.  Juli  d.  J.  Die 
Kandelaber,  von  etwa  22“  Lichtpunkthöhe,  sind  für  die 
Beleuchtung  grosser  Plätze  in  Städten  bestimmt.  Verlangt 
sind  Gesammtzeichnungen  i : 25,  sowie  Einzelzeichnungen 
der  Krone  und  des  Sockels  i : 10.  Es  gelangen  3 Preise 
von  1500,  800  und  500  M.  zur  Vertheilung;  ausserdem  ist 
das  Recht  Vorbehalten,  nicht  preisgekrönte  Entwürfe  zum 
Preise  von  500  M.  anzukaufen.  Das  Preisgericht  setzt  sich 
zusammen  aus  drei  von  der  „Vereinigung  Berliner  Archi- 
tekten“ gewählten  Mitgliedern,  aus  einem  Vertreter  des 
Magistrates  von  Berlin  und  aus  einem  Vertreter  der  Ber- 
liner Elektricitäts-Werke.  Wenn  diese  auch  erklären,  eine 
Verpflichtung  zur  Ausführung  eines  der  preisgekrönten 
Entwürfe  nicht  übernehmen  zu  wollen,  so  empfehlen  wir 
doch  den  Wettbewerb  angelegentlich  zu  reger  Theil- 
nahme,  denn  was  bis  heute  an  Kandelabern  für  elek- 
trische Beleuchtung  unsere  öffentlichen  Strassen  und 
Plätze  „schmückt“,  verräth  mit  nur  ganz  bescheidenen 
Ausnahmen  leider  nichts  weniger  als  Kunst.  — 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  eine  Doppel-Volksschule  mit  Turnhalle  für  Knaben  und 
Mädchen  in  Teschen  erlässt  der  dortige  Gemeinde-Vor- 
stand für  deutsch-österreichische  Architekten  zum  15.  Juli. 
Es  gelangen  3 Preise  von  1000,  600  und  400  Kr.  zur  Ver- 
theilung. — 

Wettbewerb  Festhalle  Siegen.  Als  Verfasser  des  von 
der  Stadtgemeinde  Siegen  angekauften  Entwurfes  „Saure 
Wochen,  frohe  Feste“,  nennt  sich  uns  Hr.  Arch.  Hugo 
Krefting  in  Barmen.  — 

Chronik. 

Die  Vertiefung  der  Unter-Elbe  zwischen  Neumühlen  und 
Luchersand  und  der  Ankauf  der  Hahnöfer  Insel  sind  mit  einem 
Auiwande  von  6,5  Mill.  M.  durch  die  Bürgerschaft  Hamburgs  be- 
schlossen worden.  — 

Die  Errichtung  einer  Ausstellungshalle  und  Arena  des 
Zoologischen  Gartens  ln  Berlin,  eines  nach  den  Entwürfen  der 
Arch.  Zaar  & Vahl  in  Berlin  für  rd.  10000  Personen  geplanten 
Bauwerkes,  ist  durch  die  General-Versammlung  der  Aktionäre  des 
Gartens  beschlossen  worden.  — 

Den  Bau  eines  städtischen  Theaters  in  Kiel  nach  dem 
Entwurf  des  Architekten  Heinrich  S eeling  in  Berlin  und  mit  einem 
Aufwande  von  1305  000  M.  hat  die  Bürgerschaft  fast  einmüthig  be- 
schlossen. Man  hofft,  das  Theater,  welches  in  seiner  Anlage  nament- 
lich auch  die  Bedürfnisse  der  arbeitenden  Klassen  berücksichtigen 
wird,  spätestens  1905  eröffnen  zu  können.  — 

Ein  neues  Foyer  des  Höftheaters  in  Wiesbaden,  welches 
durch  die  Stadt  Wiesbaden  nach  dem  Entwurf  des  Hrn.  Brth. 
Genzmer  und  mit  einem  Aufwande  von  rd.  600000  M.  errichtet 
wurde,  ist  zum  Beginn  der  dortigen  Festspiele  seiner  Bestimmung 
übergeben  worden.  An  der  künstlerischen  Ausschmückung  waren 
betheiligt  Hr.  Bildhauer  Albert  Kretzschmar  für  den  plastischen 
und  Hr.  Maler  Kögler  für  den  malerischen  Schmuck  — 

Die  Erbauung  eines  neuen  Hoftheaters  in  Kassel  am 
Auethor  ist  geplant.  Die  Mittel  hofft  man  durch  den  Verkauf  des 
Geländes  des  alten  Theaters  an  der  oberen  Königsstrasse  zu 
erhalten.  — 

Die  Einweihung  des  Rathhauses  in  Duisburg,  welches 
nach  siegreichem  Konkurrenzverfahren  nach  den  Entwürfen  des 
Hrn.  Prof.  Friedr.  Ratzel  in  Karlsruhe  errichtet  wurde,  hat  An- 
fang Mai  stattgefunden.  — 

Die  Einweihung  des  Kaiser  Wilhelm  - Denkmals  auf 
Hohensyfaurg,  Arch.  Brth.  Prof.  Hub.  Stier  in  Hannover,  ist  auf 
den  30.  Juni  anberaumt.  — 

Der  neue  Leipziger  Zentralbahnhof  ist  nunmehr  gesichert, 
nachdem  die  II.  sächsische  Kammer  die  erste  Rate  in  Höhe  von 
13800000  M.  und  die  Stadt  Leipzig  den  von  ihr  geforderten  Zu- 
schuss von  17  Mili.  M.  bewilligten.  — 

264 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Brth.  Schöner  ist  von  Wil- 
helmshaven nach  Kiel,  der  Mar.-Schiffbrnsti*.  Brotzki  von  Berlin 
nach  Wilhelmshaven  und  der  Mar.-Schiffbmstr.  Wahl  in  Wilhelms- 
haven ist  zum  Reichs-Mar.-Amt  in  Berlin  versetzt.  — Der  Reg.- 
Bmstr.  Krüger  ist  z.  Mar.-Hafenbmstr.  ernannt. 

Der  Eisenb  -Bau-  u.  Betr.-Insp.  Schwantes,  der  Reg.-Bmstr. 
Jobst,  die  Ing.  List,  Hausknecht,  Boy  u.  Schüler  sind 
zu  kais.  Reg.-Räthen  und  Mitgl.  d.  Pat.-Amts  ernannt. 

Der  Garn.-Bauinsp.  Brth.  v.  Zychlinski  in  Koblenz  tritt 
zum  r.  Aug.  d.  J,  in  den  Ruhestand. 

Preussen.  Der  Melior.-Bauinsp.,  Brth.  Krüger  io  Lüneburg 
ist  z.  Reg.-  u Brth.  ernannt. 

Es  ist  übertragen;  den  Reg.-  u.  Brthn.  Ermann  in  Allen- 
stein die  Leitung  der  Betr.-Insp.  i das.,  Krüger  in  Stettin  die 
Leitung  der  Mascb.-Insp.  2 das.,  den  Eisenb.-Bauinsp.  Haubitz 
in  Harburg  die  Leitung  der  Maseh.-lnsp.  das..  Kühne  in  Breslau 
die  Leit,  der  Wcrkst.-Insp.  2 das.,  Wolfen  in  Wittenberge  die 
Wahrnehmung  der  Geschäfte  des  Vorst,  einer  Werkst. -lusp.  bei  der 
Hauptwerkst  .das.,  Halfmann  dieselben  in  Saarbrücken. 

Ernannt  sind:  die  Reg.-Bmstr.  Schwantes  b.  kais.  Patent- 
amt, Willige  rod  in  Elbei'feld,  Lütke  in  Schreiberhau,  Fulda 
in  Lage,  R a t k o w s k i in  Neuwied,  Stell  in  Hagen,  Weiler 
in  Köln,  Hartwig  in  Lauenburg  i.  Pomm.,  Fischer  in  Münster 
i.  W.,  Jung  in  Berlin  und  Röhmer  in  Kreuznach  zu  Eisenb.- 
Bau-  u.  Betr.-Insp.;  — Grund  in  Berlin,  Kleimenhagen  in 
Breslau  und  Staehler  in  Posen  zu  Eisenb.-Bauinsp. ; — der  hess. 
Reg.-Bmsti-.  Horn  in  Mainz  z.  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.;  der 
Reg.-Bfhr.  Arn.B  ernst  ein  aus  Packoschz.  Reg.-Bmstr.  f.  d.  Hochbfeh. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Eug.  P o r ath  io  Berlin  ist  die  nachges.  Entlass, 
aus  dem  Dienst  der  allgem.  Bauverwaltg.  und  dem  Reg.-Bmstr.  Rud. 
Koch  in  Cbarlottenburg  dieselbe  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Echternach  in  Halberstadt  und  der 
Kr.-Bauinsp.  Brth.  Wiehert  in  Insterburg  sind  gestorben. 

Württemberg.  Die  Kandidaten  des  Bauing.  - Fachs  Emü 
B ö h m ! e r , Karl  B 0 5 s e r t , Eug.  Brumm,  Otto  F a u s e r 
von  Stuttgart,  Jos.  Fell  von  Mockmühl,  Otto  Fuchs  von  Stutt- 
gart, Alb.  Heyd  von  Neuenhaus,  Karl  Marquardt  von  Stutt- 
gart, Ad.  Mössinger  von  Reutlingen,  Alfr.  Nägele  von  Berlin, 
Manfred  N ü b li  n g von  Hopfgarten  und  Alex.  N ü s s 1 e von  Thun, 
und  dei  j.  des  Masch.-Ingfehs,  Rieh.  M e x g e r von  Stuttgart  sind  zu 
Reg.-Brastrn.  ernannt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  L.  Schn,  ln  Oppeln.  Architekten,  deren  Ver- 
richtungen ausschliesslich  auf  baukünstlerischem  Gebiete  liegen, 
sind  keine  Gewerbeunternehmer,  weshalb  die  Rechtsverhältnisse 
zwischen  ihnen  und  den  Gehilfen  der  Zuständigkeit  der  Gewerbe- 
gerichte nicht  zu  unterstehen  pflegen.  So  oft  jedoch  eia  Geschäfts- 
betrieb über  diesen  Rahmen  hinaustritt  und  Leistungen  handwerks- 
mässiger  Art  umfasst,  ist  die  Begründung  von  gewerblichen  Ar- 
beitsverhältnissen nicht  ausgeschlossen  und  werden  die  Gewerbe- 
gerichte zuständig,  sich  mit  deren  Entscheidung  zu  befassen.  Mit- 
hin lässt  sich  nur  bei  genauer  Kenntniss  der  Art  des  Geschäfts- 
betriebes und  der  Leistungen,  welche  Gegenstand  des  Arbeitsver- 
hältnisses waren,  ein  sicheres  Urtheil  gewinnen,  ob  ein  Architekt 
der  gegen  ihn  vor  dem  Gewerbegerichte  erhobenen  Klage  mit  dem 
Einwande  der  Unzuständigkeit  wirksam  würde  begegnen  können. 
Hierzu  reicht  Ihre  Sachdarstellung  nicht  aus.  K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  W.  in  Duisburg.  Nach  Ihrer  Darstellung  ist 
rechtswirksam  eine  dreimonatliche  Kündigungsfrist  vereinbart,  in- 
dem deren  Einhaltung  durch  die  Ausschreibung  als  Bedingung  für 
Uebertragung  der  Stelle  gestellt  war.  Indem  Sie  nun  auf  die  Aus- 
schreibung eingingen  und  die  ausgeschriebene  Steilung  annabmeu, 
erklärten  Sie  Ihr  Einverständniss  dazu.  Sie  sind  also  an  Inne- 
haltung der  dreimonatlichen  Kündigungsfrist  gebunden  und  würden 
durch  Verstoss  in  Form  einer  eigenmächtigen  Einstellung  der 
Thätigkeit  einen  Bruch  des  Arbeitsvertrages  begehen,  wegen  dessen 
ein  Schadenanspruch  bestehen  würde.  Für  den  Schadenbetrag 
könnte  sogar  der  neue  Arbeitgeber  mitverhaftet  sein,  der  über- 
dies wegen  Verschweigen  des  Vertragsbruches  ihm  gegenüber  be- 
fugt sein  würde,  Sie  ohne  Kündigung  zu  entlassen.  Auf  die  Ge- 
stellung eines  Ersatzmannes  braucht  der  bisherige  Arbeitgeber 
nicht  einzugehen.  — K.  H-e. 

Hrn.  Stadtbauinsp.  Fr.  ln  B.  Marmorzement  besteht  im 
Wesentlichen  aus  Gips,  dem  nach  dem  Brennen  Alaun  zugesetzt 
und  der  dann  abermals  gebrannt  wird;  zuweilen  erhält  derselbe 
zur  Verbesserung  des  Abbindens  einen  Zusatz  von  Wasserglas  — 
vielleicht  auch  von  anderen  indifferenten  färbenden  Stoffen,  wie 
Kreide  usw.  Mit  Nässe  in  Berührung  kommend  tritt  unfehlbar 
Treiben  ein.  Marmorzement  ist  daher  zu  Kanaibauten  ganz  unge- 
eignet und  nur  zu  Gegenständen  brauchbar,  die,  wie  Tischplatten, 
Wandbekleidungen  usw.,  dauernd  trocken  bleiben  bezw.  eine  so 
dichte  Oberfläche  haben,  dass  Wasser  nur  schwer  ehidringen  kann. 

Vielleicht  wird  die  vorstehende  Antwort  Anlass  zur  Mittheilung 
von  praktischen  Erfahrungen.  Wir  würden  für  solche  dankbar 
sein,  da  es  scheint,  dass  ungeeignete  Anwendungen  von  Marmor- 
zeinent  keineswegs  vereinzelt  Vorkommen.  — 

Hrn.  O.  H.  in  Braubach.  Nach  unserem  Dafürhalten  ist 
kein  Unterschied  in  der  Wetterbeständigkeit  der  beiden  Steinarten 
festzustellen.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Woher  können  Lichtpausapparate  mit  Verwendung  von  Celluloid 
statt  der  Glasplatte  bezogen  werden?  A.  & W.  in  Eberswalde. 


Inhalt  • Conrad  Wilhelm  Hase.  — Von  der  I.  internationalen  Aus- 
stellnng  für  dekorative  Kunst  in  Turin.  I.  — Vermischtes.  — Preisbewer- 
bungen. — Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  41. 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
^kBERLIN  * 


AUZEITUNG. 

GANG,  * * N9;  42.  * 
DEN  24.  MAI  1902.  * 


Architekt:  Prof.  A.  Grenander  in  Berlin. 


Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 

(Hierzu  eine  Bildbeilage  nnd  die  Abbildungen  S.  368  und  369.) 


VII.  Die  künstlerische  Ausbildung. 

in  einer  Veröffentlichung,  welche  zur  Betriebs- 
eröffnung der  elektrischen  Hoch-  und  Unter- 
grundbahn in  Berlin  erschienen  ist,*)  finden 
sich  in  dem  Abschnitt,  welcher  die  architek- 
tonische Durchbildung  der  Hochbahn  be- 
handelt, die  folgenden  Sätze:  „Glücklicherweise  hat 

die  heutige  Architektenwelt  sich  allmählich  mehr  und 
mehr  mit  dem  Gedanken  befreundet,  dass  auch  die 
Formen  des  Eisens  ihre  Daseinsberechtigung  haben 
und  dass  die  grossen  Werke  des  Eisenbaues  ein  sehr 
dankbares  Gebiet  für  die  künstlerische  Bethätigung 
bieten.  Der  Ingenieur  hat  andererseits  sich  über- 
zeugen können,  dass  die  mathematischen  Gesetze 
häufig  eine  schlechte  Lehrmeisterin  sind , wo  es  sich 
um  die  Geschmacksfrage  handelt,  dass  sich  vielmehr 
die  Rechnung  den  Gesetzen  der  Aesthetik  in  sehr 
vielen  Fällen  unterzuordnen  hat.“  Diese  Sätze,  so 
zutreffend  sie  sind,  haben  doch,  im  Jahre  1902  ge- 
schrieben, etwas  von  der  Bedeutung  eines  Anachro- 
nismus angenommen.  Weder  hat  sich  erst  die  „heutige 
Architektenwelt  allmählich  mehr  und  mehr  mit  dem 
Gedanken  befreundet“,  dass  auch  die  Formen  des 
Eisens  ihre  Daseinsberechtigung  haben  und  ein  dank- 
bares Gebiet  für  eine  künstlerische  Bethätigung  bilden, 

*)  Zur  Eröffnuag  der  elektrischen  Hoch-  und  Untergrundbahn 
in  Berlin.  Von  Reg.-Rath  a.  D.  Gustav  KeTnmann.  Berlin  1902. 
Verlag  von  Julius  Springer. 


noch  ist  dem  Ingenieur  so  spät  erst  die  Ueberzeugung 
gekommen,  dass  die  Mathematik  eine  schlechte  künst- 
lerische Lehrraeisterin  ist.  Als  um  die  Wende  der 
achtziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts,  also  vor 
mehr  als  zwanzig  Jahren , der  damals  schon  viel  er- 
örterte Plan  einer  Wiener  Stadtbahn  als  Hochbahn 
bei  zahlreichen  Beurtheilern  arge  ästhetische  Beklem- 
mungen verursachte,  da  suchte  man  nach  wirkungs- 
vollen Waffen  zur  Bekämpfung  des  Planes  und  man 
wandte  sich  an  die  zwei  bedeutendsten  Architekten 
des  damaligen  Wien,  an  Heinrich  von  Ferstel  und 
an  Theophil  von  Hansen,  um  eine  Aeusserung.  Man 
that  es  gewiss  nicht  von  ungefähr  und  weil  es  zufällig 
die  berühmtesten  Architekten  der  schönen  Kaiserstadt 
waren,  sondern  man  suchte  die  beiden  Fürsten  der 
Baukunst  sicherlich  auch  deshalb  auf,  weil  man  bei 
ihrer  streng  historischen  Kunstweise  eine  bestimmte 
Aeusserung  gegen  die  beabsichtigten  Pläne,  die  viel- 
fach selbst  von  sonst  einsichtsvollen  Beurtheilern  hart 
geschmäht  wurden,  erwartete.  Und  was  antworte- 
ten die  beiden  Künstler?  Ferstel  schrieb  in  einem 
die  Angelegenheit  betreffenden  Berichte  vom  Jahre 
1881:  „Ich  möchte  den  Satz  aufstellen,  dass  da,  wo 
irgend  ein  Bedürfniss  wirklich  besteht,  und  wo  es 
klar  und  bestimmt  in  seinen  Forderungen  herantritt, 
die  Kunst  uns  auch  die  Mittel  an  die  Hand  geben 
wird  zu  einer  entsprechenden  Lösung“.  Und  als 
Hansen  gefragt  wurde,  ob  die  Ausführung  einer  Hoch- 
bahn wirklich  so  hässlich  sei,  wie  allgemein  behauptet 


werde,  erwiederte  er:  „Ach,  lieber  Freund,  lass  sie 
reden,  sie  wissen  nicht,  was  sie  sagen.  In  Athen  ver- 
steht man  auch  etwas  von  Aesthetik  und  Schönheit. 
In  Athen  giebt  es  grosse  freie  Plätze,  deren  Ueber- 
schreiten  nicht  nur  unangenehm,  sondern  im  Sommer 
sogar  gefährlich  ist,  denn  die  Hitze  ist  dort  so  gross, 
dass  man  sich  leicht  einen  Sonnenstich  holen  kann. 
Was  haben  nun  die  Athener  dagegen  gethan?  Sie 
haben  Pflöcke  eingeschlagen,  haben  über  dieselben 
Längsgebälke  und  Quergebälke  gelegt  und  haben 
daran  überall  Schlingpflanzen  angelegt,  sodass  aus 
diesem  Gebälke  die  griechischen  Laubengänge  ent- 
standen sind.  Kein  Mensch  hat  aber  gesagt,  dass 
dies  unschön  ist.  Sage  Du  den  Engländern  (die  da- 
mals die  Wiener  Stadtbahn  bauen  wollten),  sie  sollen 
an  jeder  solchen  Säule  des  beabsichtigten  Eisenbahn- 
Viaduktes  Schlingpflanzen  anlegen,  dann  hat  man  in 
ganz  Wien  einen  Laubengang,  und  das  kann  doch 
nicht  so  hässlich  sein!"  Wenn  Hansen  hätte  die 
heutige  ßülow-Promenade  in  Berlin  erleben  können! 
Freilich,  hier  ist  es  nicht  allein  das  vegetabilische  Ele- 
ment, welches  in- der  Erscheinung  mitwirkt,  sondern 
in  wesentlichem  Maasse  auch  das  künstlerische.  So 
weit  wären  die  Engländer  und  Amerikaner  nie  ge- 
gangen, denn  ihnen  sind  die  städtischen  Hochbahn- 
Anlagen  reine  Nützlichkeitsbauten,  bei  denen,  wie 
Kemmann  treffend  sagt,  „auch  im  Aeusseren  der  Bau- 
werke der  materielle  Zweck  des  Unternehmens  aus- 
geprägt ist“,  wie  die  Hochbahnen  in  Liverpool,  New- 
York  und  Chicago  beweisen.  Obwohl  die  Ingenieur- 
Wissenschaft  in  dem  heute  betriebenen  rein  mathe- 
matischen Sinne  erst  seit  loo  Jahren  etwa  ein  Glied 
der  modernen  Kultur  ist,  beansprucht  der  Engländer  für 
sie  doch  die  Herrschaft  selbst  für  den  hier  inbetracht 
komnienden  Theil  der  künstlerischen  Kultur.  Zu 
Beginn  der  neunziger  "Jahre  wurde  von  dem  neuge- 
Vählten  Präsidenten  der  Londoner  Institution  of  Civil 
Engineers,  Sir  Benjamin  Baker,  eine  bemerkens- 
werthe  Rede  über  die  Aesthetik  in  der  Technik  ge- 
halten. Es  ist  freilich  der  Erbauer  der  Forth-Brücke 
bei  Edinburgh,  der  hier  sprach,  einer  Brücke,  deren 
Formengebung  einen  sb  lebhaften  Meinungsaustausch 
über  die  ästhetische  Wirkung  solcher  Bauten  her- 
vorrief. Man  wird  die  Aeusserung  daher  als  eine 
solche'  des  äus-sersten  Gegenflügels' aufzufassen  haben. 
Er  klagte  über  die  Vorwürfe,  die  den  Ingenieur  häufig 
träfen,  dass  er  das  Leben  weniger  erfreulich  mache 
durch  das,  was  die  „uneingeweihte“  Kritik  die  Häss- 
lichkeit von  Fabriken  und  anderen  Anlagen  nenne, 
die  allmählich  die  Landschaften  bedecken.  Einen 
grossen  Theil  der  Schmähungen,  die  der  Kunst- 
kritiker früher  gern  auf  Ingenieurbauten  häufte,  könne 
man  seiner  völligen  Unbekanntschaft  mit  den  Zwecken 
und  der  Bestimmung  der  Bauten,  seiner  Unfähigkeit 
bei  völligem  Mangel  an  Erfahrung  zuschreiben,  zu 
empfinden,  wie  geeignet  die  Formen  für  ihren  je- 
weiligen Zweck  seien  und  wie  klar  sie  ihn  zum  Aus- 
druck brächten.  Gelegentlich  sei  der  Techniker  nach- 
giebig genug,  eine  Versöhnung  mit  solchen  Kritikern 
zu  versuchen,  anstatt  sie  allmählich  zu  erziehen,  in- 
dem er  seine  Konstruktionen  so  forme,  wie  sie  wissen- 
schaftlich und  wirthschäftlich  am  besten  ihrem  Zwecke 
entsprechen.  Wenn  der  Ingenieur  nur  ehrlich  dabei 
bleibe,  einfach  und  wissenschaftlich  richtig  zu  ent- 
werfen, so  müssten  die  Aesthetiker  schrittweise  den 
erforderlichen  Beurtheilungsmaasstab  gewinnen,  um 
die  Schönheit  und  Zweckmässigkeit  in  solchen  Kon- 
struktionen zu  entdecken.  Baker  kennt,  im  Gegensatz 
zu  seinem  rein  mathematischen  und  ausschliesslichen 
Nützlichkeitsstandpunkte,  welcher  auch  der  der  ge- 
nannten Stadtbahnen  ist,  allerdings  nur  die  an  älteren 
Gitterbrücken  angeklebten  od(ir  aufgesetzten  Orna- 
mente in  Form  von  Rosetten,  Cartouchen,  Fialen, 
ältere  Schiffsmaschinen  mit  gothisch  stilisirten  Rah- 
men, schwere  Pumpwerke  und  Betriebsmaschinen  mit 
Säulen  von  einem  griechischen  Tempel  oder  einem 
ägyptischen  Königsgrabe;  den  Messingadler  auf  dem 
Dampfdome  einer  altenLokomotive,  „förmlich  schreiend 
vor  Schmerz,  dass  er  an  eine  heisse  Stelle  gebannt 


ist“.  Diese  Art  Kunst  ist  keine  Kunst,  so  weit  ist  der 
„Fortschritt  der  Dinge“  bereits  gediehen;  sie  ablehnen 
ist  aber  noch  keineswegs  gleichbedeutend  mit  der 
unbedingten  Vertretung  des  reinen  Nützlichkeitsstand- 
punktes.  Schon  1866  hat  es  ein  hervorragender 
deutscher  Ingenieur,  R.  Baumeister  in  Karlsruhe,  in 
seiner  „Architektonischen  Formenlehre  für  Ingenieure“, 
ein  Buch  mit  goldenen  Lehren  für  den  Ingenieur, 
ausgesprochen,  zur  vollkommenen  Schönheit  eines 
Ingenieurwerkes  gehöre  nothwendig  ein  gewisser 
ästhetischer  Ueberfluss.  Ein  gewisser  Reichthum 
an  den  von  der  Gesammtheit  benutzten  Werken  sei 
nicht  blos  künstlerisch,  sondern  auch  national- 
ökonomisch gerechtfertigt.  „Es  ist  roher  Materialis- 
mus, wenn  man  die  Blüthe  der  Völker  ausschliess- 
lich nach  ihrem  Vermögen  und  ihrem  Produktions- 
quantum misst,  wenn  man  glaubt,  durch  blosse 
Steigerung  des  materiellen  Wohlbefindens  der  Nation 
dieselbe  nach  aussen  mächtig,  nach  innen  kraft- 
voll und  gesund  zu  machen.  Auch  die  Schätzung 
der  geistigen  Potenzen  gehört  dazu,  und  unter  ihnen 
ist  die  Kunst  keineswegs  eine  Luxuspflanze,  von  deren 
Gedeihen  nichts  abhängt.“  An  einer  anderen  Stelle 
führt  Baumeister  aus,  für  die  Ansicht  der  Utilitarier 
lasse  sich  leicht  anführen,  dass  allerdings  vom  Stand- 
punkte des  gemeinen  Nutzens  aus  alles  als  unnütze 
Verschwendung  erscheinen  müsse,  was  über  den 
nächstliegenden  Zweck  hinausgehe. , Das  sei  der 
Standpunkt,  welchen  auch  das  Thier  einnehme,  nur 
nicht  so  vollkommen  entwickelt.  „Giebt  man  aber  zu, 
dass  der  Mensch  höhere  Bedürfnisse  .als  materielle 
hat,  so  folgt,  dass  das  scheinbar  Ueberflüssige  das 
wahrhaft  menschlich  Nothwendige  ist.“  Es  ist  viel 
Missbrauch  getrieben  worden  mit  dem  schlichten 
Worte:  „Zweckmässig  ist  schön“.  Es  spielt  heute 
noch  in  manchen  ästhetischen  Ausführungen  eine 
Rolle  und  man  weist  mit  Behagen  auf  die  Natur  hin, 
welche  in  allen  Dingen  die  höchste  Zweckmässigkeit 
und  deshalb  die  grösste  Schönheit  entfalte.  Und  doch 
ist  gerade  sie  es,  welche  in  dem  Reichthum  der  For- 
men so  oft  über  die  einfache  Nothwendigkeit  hinaus- 
geht. Nicht  allein  Baumeister,  auch  andere  Kreise 
haben  sich  in  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  dem 
nackten  Utilitarismus  der  englischen  Ingenieure  ge- 
stellt. Der  holländische  Ingenieur  de  Koning  von  der. 
polytechnischen  '.Schule  in  Delft  warf  einmal  die  be- 
sorgte Frage  auf,  ob  die  Ingenieure  wirklich  die 
Pioniere  der  Bildung  seien,  als  die  man  sie  bezeich- 
net habe.  „Ist  es  nicht  vielmehr  eine  niedere,  denn 
eine  höhere  Bildung,  der  wir  als  Pioniere  dienen? 
Vernachlässigen  wir  nicht  oft  die  höhere  ethische 
Seite  unseres  Faches  zugunsten  der  materiellen? 
Und  ist  nicht  die  Materie,  zu  der  wir  , nach  der 
Schrift  und  nach  aller  menschlichen  Erfahrung  wieder , 
zurückkehren,  dasjenige,  was  uns  mehr  beschäftigt, 
als  der  „Geist“?  Was  hat  die  Kunst,  was  hat  das^ 
Schöne  uns  zu  danken?“  Diese  Worte  sind  1893; 
gesprochen;  fünfzehn  Jahre  vorher  noch  konnten 
französische  Architektenkreise  mit  Besorgniss  darüber 
klagen,  dass  seit  dem  Auftreten  der  neuen  Materialien 
Stahl  und  Eisen  Architekten  und  Ingenieure  tagtäglich 
in  zwangvollen  Beziehungen  zu  einander,  ja  in  einem 
unaufhörlichen  Karapfzustande  lebten.  „Der  natür- 
liche Verlauf  der  Dinge“,  schrieb  Davioud,  „der  stets 
den  „Eindringling“  begünstigt,  hat  die  berechtigte 
Furcht  entstehen  lassen,  dass  eine  vollständige  Ver- 
schiebung der  Rollen  sich  vollziehen,  dass  der  Archi- 
tekt in  die  Abhängigkeit  des  Ingenieurs  gerathen 
werde.“  Diese  Befürchtung  hat  sich  bewahrheitet 
und  auch  nicht,  je  nachdem  man  in  der  heute  un- 
zweifelhaft vollzogenen  weitgehenden  Annäherung 
der  beiden  Fächer  einen  Gewinn  sehen  will  oder  nicht. 

Für  alle  Einsichtigen  aber,  die  nicht  auf  der 
äussersten  Utilitaritätsseite  wie  Baker,  oder  auf  der 
äussersten  entgegengesetzten  Seite  stehen,  wie  Davioud, 
hat  sich  aus  der  vollzogenen  Annäherung  ein  grosser 
Gewinn  für  beide  Theile  ergeben.  Es  war,  wie 
Kemmann  sagt,  der  „feinsinniger  veranlagte  Deutsche“, 
welcher  die  Annäherung  herbeiführte.'  Der  deutsche 

No.  42, 


266 


Ingenieur  war  ideal  genug,  dem  deutschen  Architekten 
ein  gewisses  Maass  „ästhetischen  Ueberflusses"  zuzu- 
gestehen, und  der  deutsche  Architekt  war  unbefangen 
genug,  aus  den  Einflüssen  der  Ingenieurkunst  eine 
ungeahnte  Bereicherung  seiner  Formenwelt  als  Gewinn 
aufzunehmen.  Eines  der  hervorragendsten  Ergebnisse 
dieser  gegenseitigen  Annäherung,  ein  Werk,  welches 
die  Bedeutung  eines  Wendepunktes  beanspruchen  darf, 
ist  die  künstlerische  Ausgestaltung  der  Berliner  elek- 
trischen Hoch-  und  Untergrundbahn.  Freilich,  so 
leicht  ist  das  Werk  nicht  zustande  gekommen.  Der 
sogenannte  ästhetische  Ueberfluss  kostet  allemal  Geld, 
mitunter  sogar  sehr  viel  Geld,  ein  Umstand,  der  bei 
einer  Erwerbsgesellschaft  doppelt  ins  Gewicht  fällt. 


Die  eigene  Neigung,  über  das  Nothwendige  hinaus- 
zugehen, scheint  daher  erst  gereift  zu  sein,  nachdem 
die  Einwohnerschaft  durch  Presse  und  Vereine,  nach- 
dem die  Stadtverwaltungen  und  die  Staatsbehörden 
unzweideutige  Wünsche  in  dieser  Beziehung  zum  Aus- 
druck gebracht  hatten.  Als  aber  einmal  der  Ent- 
schluss gefasst  war,  mehr  als  das  Nothwendige  zu 
geben,  da  wurde  dieses  Mehr  •— das  muss  unter  allen 
Umständen  besonders  anerkannt  werden  — reichlich 
und  mit  vollen  Händen  gegeben.  Und  wir  glauben 
nicht  falsch  unterrichtet  zu  sein,  wenn  wir  dem  be- 
rathenden  Architekten,  Hrn.  Direktor  Reg.-Bmstr. 
Paul  Wittig,  hierbei  eine  erfolgreiche  Mitwirkung 

zuschreiben.  — (Fortsetzung  folgt.) 


Ueber  Deichschutz. 


Bei  Deichen,  die  stehendes  Wasser  oder  solches  mit 
geringer  Strömung  abzuhalten  haben,  spielt  die  Be- 
anspruchung derselben  durch  den  bei  Wind  ent- 
stehenden Wellenschlag  eine  bedeutende  Rolle.  Deiche 
mit  genügend  flacher  Aussenböschung,  mit  guter  und 
fester  Grasnarbe  werden  — wenn  überhaupt  — zwar 
vom  Wellenschläge  selten  so  stark  beschädigt,  dass 
eine  Gefahr  für  sie  entsteht,  jedoch  bedingt  die  Wieder- 
herstellung im  Frühjahre  Kosten;  bei  Deichen  mit  steiler 
Aussenböschung  kann  aber  durch  den  Wellenangriff  eine 
unmittelbare  Deichgefahr  herbeigeführt  werden,  weil  der 


dem  Wasser  sich  heben,  bei  fallendem  sich  senken,  bilden 
für  die  Deichböschung  wirksame  Wellenbrecher,  denn 
zwischen  den  Balken  und  der  Deichböschung  ist  das 
Wasser,  selbst  wenn  der  Wellenschlag  vor  den  Balken 
erheblich  ist,  vollkommen  ruhig.  Die  beigegebene  sche- 
matische Skizze  zeigt  die  Anordnung  der  Schwimmbalken. 
Es  können  dazu  beliebig  lange  entsprechend  starke  Hölzer 
verwendet  werden,  die  im  Herbst  auf  dem  Vorlande  unter 
sich  und  mit  den  Spreizen  in  Verbindung  gebracht,  dann 
zum  wirksamen  Schutze  bereit  liegen;  sobald  sie  anfangen 
zu  schwimmen,  also  das  Wasser  den  Deichfuss  erreicht, 


Q Ktarschniii 

Deich  j 


Wellenschlag  die  Schutzarbeiten  erschwert,  auch  wohl 
gänzlich  verhindert. 

Um  den  Wellenschlag  sicher  abzuhalten,  werden  die 
demselben  aüsgesetzten  und  dadurch  gefährdeten  Deich- 
böschungen meistens  vor  Eintritt  des  Winters  durch 
Spreutlagen,  Flechtwerke,  Strohbestickung  oder  der- 
gleichen geschützt.  Neuerdings  ist  auch  versucht  wor- 
den, mit  Juteleinen,  das  durch  entsprechend  gestaltete 
Drahtkrampen  auf  den  Böschungen  festgehalten  oder  mit 
Sandsäcken  an  den  Kanten  und  Ecken  belastet  wurde,  zu 
schützen;  die  Versuche  mit  Juteleinen  sollen  sich  gut  be- 
währt haben.  Aber  alle  derartigen  Schutzmittel  haben 
den  grossen  Nachtheil,  dass  durch  ihre  Anwendung  eine 
Zerstörung  der  Grasnarbe  in  grösserem  oder  kleinerem 
Umfange  bedingt  wird.  Da  sie  schon  im  Herbste  aufge- 
legt und  spät  im  Frühjahre  wieder  abgenommen  werden, 
so  erleidet  die  Grasnarbe  durch  die  lange  Bedeckung 
Schaden  und  kann  sich  während  der  übrigen  Zeit  im  Jahre 
nicht  genügend  erholen  und  erneuern;  die  Folge  ist,  dass 
sie  empfindlich  bleibt  und  im  nächsten  Herbste  aufs  neue 
geschützt  werden  muss,  was  dann  in  der  Regel  eine  weitere 
und  gründlichere  Zerstörung  der  Grasnarbe  zurfolge  hat. 
Eine  einmal  durch  besondere  Bedeckung  gegen  Wellen- 
schlag geschützte  Deichböschung  wird  man  daher  in  jedem 
Jahre  wieder  besonders  schützen  müssen.  Nur  durch  er- 
hebliche Verflachung  der  Deichböschung  würde  man  es 
möglich  machen  können,  von  dem  Schutze  gegen  winter- 
lichen Wellenschlag  wieder  frei  zu  kommen. 

Ich  habe  nun  versucht,  unter  Vermeidung  einer  Be- 
deckung der  Deichböschung  einen  wirksamen  Schutz 
gegen  Wellenschlag  durch  schwimmende  Balken,  die  durch 
drehbare  Spreizen  von  der  Böschung  abgehalten  werden, 
zu  erzielen.  Die  schwimmenden  Balken,  die  mit  steigen- 


treten sie  ohne  weiteres  Zuthun  in  Wirksamkeit.  Wenn 
bei  höherem  Wasser  Strömungen  Vorkommen,  so  muss 
der  oberste  Schwimmbalken  stromauf  verankert  werden, 
ausserdem  werden  erforderlichenfalls  an  geeigneten  Stellen, 
Diagonal-Zugverbindungen  zwischen  den  in  der  Böschung 
stehenden  Böcken  für  die  drehbare  Lagerung  der  Spreizen 
und  den  Verbindungen  je  zweier  Schwimmbalken  ange- 
ordnet. Die  Stärke  der  Schwimmbalken  ist  den  Wellen 
entsprechend  zu  nehmen;  bei  den  Flüssen  der  Tiefebene 
genügen  Balken  von  30—40  ‘='*1  mittlerem  Durchmesser. 

Im  Jahre  1885  ist  von  mir  versuchsweise  bei  einer 
Strecke  der  Wümmedeiche  bei  Bremen  ein  solcher  Deicii- 
schutz  ausgeführt  worden,  leider  aber  traten  während 
meiner  Thätigkeit  beim  hiesigen  Deichwesen  keine  so 
hohen  Wasserstände  ein,  dass  über  das  Verhalten  der 
Schwimmbalken  bei  höherem  Wellenschläge  Beobachtun- 
gen angestellt  werden  konnten.  Später  sind  dann  die 
Schwimmbalken  zum  Schutze  einer  Binnenböschung  in 
einer  Brake  ausgenutzt,  bei  der  jedoch  nur  mit  einem 
annähernd  gleich  hohen  Wasserstande  zu  rechnen  war. 
Die  bei  dieser  Verwendung  angestellten  Beobachtungen 
Hessen  jedoch  die  Brauchbarkeit  dieses  Deichschutzes  er- 
kennen. 

In  der  Skizze  ist  eine  Verbindung  der  Schwimmbalken 
unter  einander  und  mit  den  Spreizen  dargestellt  für  den 
Fall,  dass  dieselben  Balken  dauernd  benutzt  werden.  Sie 
würden  dann  während  der  Nichtbenutzung  im  Wasser 
untergebracht  und  im  Herbste  jedesmal  wieder  vor  der 
Deichböschung  ausgelegt  werden.  Es  wird  sich  aber 
häufig  ermöglichen  lassen , die  nöthigen  Schwimmbalken 
für  den  jedesmaligen  Winterdeichschutz  zu  miethen;  die 
Befestigung  derselben  unter  sich  und  mit  den  Spreizen 
würde  dann  zur  Schonung  der  Balken  in  einfacher  Weise 


24.  Mai  1902. 


durch  Ketten,  Draht  oder  Drahtseile  geschehen  können. 
Auch  die  Verwendung  von  Stangen  ist  möglich,  denn  durch 
Umwickeln  von  Busch  und  entsprechender  Befestigung 
desselben  an  den.  Stangen  lassen  sich  Hamit  Schwimm- 
körper von  erforderlichem  Durchmesser  herstellen. 

Die  Kosten  eines  solchen  Deichschutzes  richten  sich 
in  der  Hauptsache  nach  den  zur  Verfügung  stehenden 
Schwimmbalken  und  deren  Dauer.  Da  auch  minder- 
werthiges  Holz,  Pappel,  Weide,  Erle  usw.  Verwendung 
finden  kann,  auch  Hölzer  von  geringem  Durchmesser  bei 
entsprechender  Umwicklung  mit  Busch  genügen,  so  wer- 


den dieselben  unter  günstigen  Verhältnissen  sich  nicht 
höher  stellen,  als  ein  einmaliger  Schutz  mit.  anderen  bis- 
her gebräuchlichen  Mitteln.  Vor  allen.  Dingen  aber  wird 
bei_  Anordnung  von  Schwimmbalken  die  Grasnarbe  eines 
Deiches  nicht  in  ihrer  Entwicklung  gestört,  es  können  da- 
her für  diesen  Schutz  auch  höhere  Aufwendungen  gemacht 
werden,  wdl  durch  denselben  die  Aussicht  gegeben  ist 
dass  nach  einer  Reihe  von  Jahren. die  Grasnarbe  eine  solche 
Widerstandsfähigkeit  erlangt  hat,  um  dann  auch  ohne  be- 
sonderen Schutz  dem  Wellenschläge  Stand  zu  halten.  — 
Bremen,  im  Marz  1902.  H.  Bücking. 


Lageplan  des  Bahnhofs  ..NollendorfplatT:’'. 


Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske.  Bahnhof  „Schlesisches  Thor“. 


Die  Gestaltung  der  eisernen  Gleise  auf  Landstrassen. 


Von  Landesbaurath  Nt 

m Jahrg.  1897  S.  143,  151  und  160  d.  D.  Bztg.  wurde 
die  Frage  erörtert,  ob  und  in  welcher  Weise  es 
möglich  sei,  die  Vortheile  der  eisernen  Gleise  auch 
den  Strassenfuhrwerken  zuzuwenden.  Bei  der  grossen, 
wirthschaftlichen  Bedeutung  und  bei  der  lebhaften  Be- 
achtung, die  diese  Frage  in  den.  weitesten  Kreisen,  und, 
zwar  ni(±t  nur  in  Deutschland,  sondern  auch  im  Auslande, 
— z.  B.  in  Amerika  — gefunden  hat,  wird  es  von  Interesse 
sein  zu  erfahren,  was  seitdem'  in  dem  Zeiträume  von  fast. 
5 Jahren  auf  diesem  Gebiete  geschehen  ist.  Hier  soll  des- 

268 


ssenius  in  Hannover.  : 

halb  kurz  mitgetheilt  werden,,  wie  in  der'Provinz  Hanno- 
ver die  Angelegenheit,  sich  gestaltet  hat.  Die'- Besprechung - 
der  allgemeinen  Fragen  über  die  Zweckmässigkeit  oder 
Ünzweckmässigkeit  der  Gleise,  sowie  die  Erörterung  der 
Vorzüge  und  Nachtheile  der  I Form  oder  der  Zoresform 
der  Schienen  so.ll  jedoch  thunlichst  vermieden  werden. 

Zugleich  möge  an  die  Fachgenossen,  welche  sich  mit 
dem  Gegenstände . beschäftigt  .haben,  die  Bitte  gerichtet  - 
werdeh,  ihre  Erfahrungen  und  Ansichten  über  die  zahlrei- 
chen, inzwischen  in  verschiedenen  Gegenden  ausgeführten 

No.  42 


Bahnhof  „Nollendorfplatz“.  Architekten:  Cremer  Ä Wolffenstein  io  Berlin. 


Bahnhof  „Schlesisches  Thor".  Architekten:  Grisebach  & Dinklage  in  Berlin. 

Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 


24.  Mai  1902. 


Strassengleise  dem  Verfasser  bekannt  zu  geben.  Der  an  der 
oben  genannten  Stelle  mitgetheilte  Entwurf  Gravenhorst’s 
zur  Herstellung  einer  dem  Zores-Eisen  ähnlichen  Schiene 
konnte  vor  der  Ausführung  noch  erheblich  vereinfacht 
werden,  da  es  sich  als  überflüssig  erwies,  den  zuerst  in 
Aussicht  genommenen  Blechboden  beizubehalten.  Sowohl 
die  zur  Ausfüllung  des  Hohlraumes  lose  eingelegten,  -mit 
dünnflüssigem  Zementmörtel  vergossenen,  an  der  Ober- 
fläche mit  steifem  Mörtel  berappten  Klinker,  als  auch  der 
später  bevorzugte  eingestampfte  Zementbeton  haften  ganz 
fest  am  Eisen,  sodass  nach  36  bis  48  Stunden  die  Schiene 
umgekippt  werden  kann,  ohne  irgend  eine  Lockerung  des 
Füllmaterials  zu  zeigen. 

Abbildg.  I stellt  die  Gravenhorst’sche,  von  ihm 
„Barrenschiene"  genannte  Schiene  dar,  welche  von  der 
A.-G.  für  Bergbau  und  Hüttenbetrieb  „Phönix“  zu  Laar 
bei  Ruhrort  gewalzt  ist.  Sie  wiegt  ohne  Kleineisenzeug 


Abbildg.  I.  Abbildg.  s. 

16,9  für  I“  und  hat  ebenso  wie  die  Rautenberg  sehe. 
Stegschiene,  Abbildg.  2,  eine  12^»  breite  Rollfläche. 

Nachdem  im  Frühjahr  1898  mit  der  Verwendung  der 
Schienen  begonnen  war,  kam  es  darauf  an,  praktische  Er- 
fahrungen zu  sammeln,  um  die  weiteren,  etwa  wünschens- 
werthen  Umgestaltungen  der  Schienenform  zu  erkennen.  ' 

Bei  allen  Gleisanlagen  in  der  Provinz  Hannover  und 
ebenso  auch  ausserhalb  der  Provinz  wurde  beobachtet, 
dass  an  der  Aussenseite  der  Schienen  eingedrückte  Streifen 
von  7 c“  bis  10  Breite  — also  etwa  von  mittlerer  Rad- 
felgenbreite — entstanden.  Das  erklärt  sich  daraus,  dass 
die  gesetzlichen  Bestimmungen  über  die  Spurweite  der 
Landfuhrwerke  nicht  die  Entfernung  der  Räder  von  Rad- 
felgen-lnnenkante  zu  Innenkante,  sondern  von  Radfelgen- 
Mitte  zu  Mitte  festsetzen,  so  dass  bei  Radfelgen  von  ver- 
schiedenen Breiten  der  hier  entscheidende  Zwischenraum 
zwischen  den  Rädern  in  weiten  Grenzen  schwankt.  Ausser- 
dem weicht,  wie  sich  leicht  durch  Beobachtung  nachweisen 
lässt,  bei  sehr  vielen,  besonders  bei  zur  Personenbeförde- 
rung bestimmten  Fuhrwerken  die  Spurweite  erheblich  von 
dem  gesetzlich  vorgescliriebenen  Maasse  ab. 

Da  es  kaum  durchführbar  sein  würde,  durch  poli- 
zeiliche Vorschriften  hier  Abhilfe  zu  schaffen  (vergl. 
Centralbl.  d.  Bauverw.  von  1898,  1899  und  1900),  so  em- 
pfiehlt es  sich,  auf  einem  anderen  Wege  vorzugehen,  der 
auch  bereits  beschritten  ist,  nämlich  durch  Verbreiterung 
der  Rollfläche  der  Schienen,  wenn  auch  hierdurch  das 
Gewicht  grösser  und  der  Preis  höher  wird.  Anlässlich 
der  Herstellung  eines  Gleises  auf  der  durch  schweren 
Verkehr  in  Anspruch  ge-  . 

nommenen  Staatsstrasse 
zwischen  Mainz  und  Wies- 

baden  wurde  von  der  Fir-  f I 4 

ma  L.  Mann  Stadt  & Cie.,  — J I 

Fassoneisen-Walzwerk  zu 
Kalk  b.  Köln  a.  Rh.  nach 

Gravenhorst’s  Form  eine  Abbild^  3. 

Barrenschiene,  Abbildg.  3, 

gewalzt,  welche  bei  143,5  Rollfläche  und  255  mm  Sohlen 
breite  26,75  Gewicht  hat. 

Auch  die  Rautenberg’sche. Schiene  von  1896,  deren 
Gewicht  sich  für  i m ohne  Kleineiserizeug  auf  25,07 
stellt,  ist  später  von  dem  Bochumer  Verein  f.  Bergbau 
usw.  in  grösserer  Breite,  und  zwar  mit  138  mm  Rollfläche- 
hergestellt,  wodurch  das  Gewicht  sich  auf  27,8  erhöht. 
Diese  neueren  Stegschienen  sind  z.  B.  bei  Rathenow  und 
bei  Osnabrück  zur  Verwendung  gekommen. 

Aber  auch  bei  den  breiteren  Schienen  zeigte  sich 
noch  derselbe  Uebelstand,  so  dass  es  angezeigt  ist;  bei 
einem  neu  herzustellenden  Profile  die  Rdllfläche  -noch 
ganz  erheblich,  zu  verbreitern.  - 

Die  Gestaltung  der  Führungsrippe  ist  jedenfalls  die 
schwierigste  und  wichtigste  der  bei  der  Feststellung  des 
Schienenprofils  inbetracht  kommenden  Fragen.  Graven- 
horst hat  darüber  in  der  Ztschr.  f.  TransportWes.  u.  Strassen- 
bau  von  1897,  No.  3—5,  beachtenswerthe,  zur  Klärung  der 
Ansichten  beitragende,  theoretische  Betrachtungen  ange-, 
stellt;  die  endgiitige  Entscheidung  wird  aber  doch’der 
praktischen  Erfahrung  überlassen  bleiben  müssen.  Die 
Rippe  soll  einerseits  unbeabsichtigte  Entgleisungen  ver- 
hindern, andererseits  aber  darf  sie  den  wegen  des  Aus- 
weichens  beabsichtigten  Entgleisungen  keinen  zu  star- 
ken Widerstand  entgegensetzen.  Diese  entgegengesetzten 


Forderungen  sind  natürlich  niemals  ganz  zu  erfüllen;  es 
muss  deshalb  ein  Mittelweg  gesucht  werden,  bei  welchem 
beiden  in  ausreichender  Weise  Rechnung  getragen  wird. 

Nun  sind  von  den  verschiedensten  Seiten  Klagen 
darüber  laut  geworden,  dass  bei  den  ohne  Anlauf  herge- 
stellten 15  mm  hohen  Führungsrippen  der  älteren  Schienen 
das  Verlassen  des  Gleises  bei  Begegnungen  zu  schwierig 
sei.  Wieweit  diese  Klagen  berechtigt  sind,  ist  schwer  zu 
sagen,  jedenfalls  ist  zuzugeben,  dass  beim  Ausbie:,en  der 
Fuhrwerke  aus  dem  Gleise  die  Radreifen  mit  'grosser 
Kraft  gegen  die  Führungsrippe  gedrückt  und  auf  der 
Rollfläche  verschoben  werden  müssen,  und  dass  dabei 
die  Räder  eine  Beanspruchung  erleiden,  für  welche  sie 
nicht  eingerichtet  sind.  Bei  der  neueren,  oben  erwähnten 
Barrenschiene  (Abbildg.  3)  wurde  deshalb  die  Höhe  der 
Rippe  auf  13  mm  herabgesetzt  und  ausserdem  ein  Anlauf 
von  2 : 1 hergestellt.  Aber  trotzdem  wird  auch  bei  diesem 
Profile  noch  über  die  Unbequemlichkeit  des  Ausweichens 
geklagt,  und  da  unfreiwillige  Entgleisungen  wohl  kaum  beob- 
achtet sind,  so  kann  man  vermuthlich  mit  einer  noch 
weniger  kräftigen  Führung  auskommen. 

Die  Verlaschung  erfolgt  bei  den  Ste^schienen  (Abb,  2) 
ohne  Schwierigkeit  ebenso  wie  bei  den  Eisenbahnschienen ; 
unbequemer  gestaltete  sie  sich  zuerst  bei  den  Barren- 
schienen, so  lange  Gravenhorst  die  in  Abbildg.  i im  Quer- 
schnitt dargestelTten  gusseisernen  Laschenstühle,  von  12  cm 
Länge  verwandte,  auf  denen  die  Schienen  mit  durchge- 
ste'cicten  Splintbolzen  befestigt  wurden.  Gut  bewährten 
sich  die  in  Abbildg.  3 angedeuteten,  nach  Gravenhorst’s 
Angaben  geformten  ii  cm  langen  Fusslaschen.  Sie  haben 
nur  wenig  zu  halten,  da  die  Schienen  in  ihrer  ganzen 
Länge  durch  den  Unterbau  fest  unterstützt  und  durch  die 
Einpflasterung  ^egen  seitliche  Verschiebung  gesichert  sind. 
Dünne  Eisenkeile  ' befestigen  die  Schienen ,'  welche  .von 
den  Seiten  hineingeschoben  werden,  in  der  richtigen  Lage 
und  gewähren  die  Möglichkeit,  sie,  soweit  sie  etwa  ver- 
bogen sein  sollten,' gerade  zu  richten  und  genau  mit  den 
Enden  gegen  einander  zu  stellen. 

Während  im  Kleinpflaster  der  Anschluss  der  Fahrbahn- 
Besteinung  sowohl  an  die  Stegschiene  (Abbildg.  2)  wie  an 
die  Barrenschiene  sich  von  selbst  ergiebt  (Abbildg.  4),  ist 
für  letztere  im  Kopfstein-  oder  im  Klinkerpflaster  eine 


besondere  Ausfüllung  des  Zwischenraumes  zwischen  der 
Lauffläche  und  den  anschliessenden  Steinen  erforderlich. 
Nach  Gravenhorst’s  Verfahren  werden  hierzu  Kleinpflaster- 
steine aus  festem  Material  verwandt  (Abbild.  5),  womit 
zufriedenstellende  Erfolge  erzielt  sind.  Trotzdem  aber 
macht  sich  das  Bestreben  nach  Vereinfachung  des  An- 
schlusses durch  Fortlassen  des  Schienenfusses  geltend 
und  dieses  führte  zu  einer  in  Abbildg.  6 dargestellten, 
der  Demerbe-Schiene  ähnlichen 
-c-  , Form,  welche  nach  Angabe  des 

Kreisbmstrs.  Pusch  in  Grottkau 
j II  |l  von  der  Bismarckhütte  i.  Schl. 

^ H U ^ gewalzt  wird.  Das  Gewicht  ohne 

,1  H H J,  Verlaschung  beträgt  18  kg  für  i 

Die  Schienen  werden  von  beiden 
Abbildg  6 Seiten  in  die  kastenartige  aussen- 

liegende  Lasche  hineingesteckt, 
durch  dünne  Blechstücke  festgekeilt  und,  soweit  erforder- 
lich, durch  Lappen  festgehalten,  welche  in,  zu  dem  Zweck 
in  den.  Schienen  hergestellte  Löcher  hineingebogen  werden. 

Die  Höhenlage  der  Gleise  ist  im  Kleinpflaster,  welches 
selbst  einen  kräftigen  Steinschlag-  oder  foesunterbau  er- 
fordert, ohne  weiteres  genügend  gesichert,  wenn  nur  die' 
zürn  Abgleichen  der  Oberfläche  dienenae.  Sandschicht' 
möglichst  dünn  genommen  und  besonders  die  Steinbahn-; 
Oberfläche  sorgfältig,  nöthigenfalls  durch  Rammen,  äbge-, 
glichen  wird.  GraverihÖrst  setzt  dem  Sande  noch  etwas 
Zement  zu. 

Aber  bei  der  Verlegung  im  Grosspflaster  oder  im 
Klinkerpflaster  muss  die  Unterbettung  den  Umständen 
nach  verschieden  gestaltet  werden.  Wo  der  Untergrund;  - 
besonders  tragfähig  ist,  oder  wo  an  der  Baustelle  guter 
Kies  sich  findet,  auf  welchem  das  Gleis  gebettet  wird, 
oder  wo  grober,  sehr  reiner  Sand  beschafft  werden  kann 
— zumal  wenn  derselbe  noch  einen  Zementzusatz  erhält  — 
mag  diese  Unterlage  genügen;  sicherer  ist  die  Verlegung 
der  Schienen  auf  einer  Klinkerflachschicht,  wie  sie  von 
Gravenhorst  (Abbildg.  5)  ausgeführt  wird.  Die  Verlegung 


270 


der  Gleise  in  Steinschlagbahneii  ist  nicht  rathsam;  der 
letzte  in  Stade  gemachte  Versuch  der  Befestigung  der 
Strassenoberfläche  mit  Steinschlag  zwischen  und  dicht 
neben  den  Schienen  hat  sich  ebensowenig  wie  alle  anderen 
derartigen  hier  bekannt  gewordenen  Versuche  bewährt. 
Versuche  mit  der  Verlegung  der  Gleise  in  Erdwegen  sind 
in  der  Provinz  Hannover  überhaupt  nicht  angestellt. 

Zur  Zeit  sind  in  dieser  Provinz  (abgesehen  von  einer 
älteren  20“  langen  Versuchsstrecke)  8889  m Gleise  vor- 
handen und  zwar  von  den  schmalen  Barrenschienen 
6062  m,  von  den  breiteren  1052m,  von  Rautenbergs  schmä- 
leren Schienen  171  m,  von  den  breiteren  Stegschienen 
1328  m und  endlich  von  dem  Pusch’schen  Gleise  276  m. 

Im  Grosspflaster  verlegt  sind  3324  m,  im  Klinkerpflaster 
1790m;  davon  liegen  3214m  auf  einer  Klinkerflachschicht, 
1900  m im  unbefestigten  Pflastersande.  Zwischen  den 
Schienen  einer  1052  m langen,  im  Grosspflaster  verlegten 
Strecke  ist  die  BefestigungraitKlinkerpflaster  vorgenommen. 

Bei  3239  m Gleisen  aus  Barrenschienen  ist  der  Zwischen- 
raum über  dem  Schienenfusse  zwischen  der  Schiene  und 
der  Pflasterung  (Abbild.  5)  mit  einer  Reihe  von  Klein- 
pflastersteinen ausgefüllt.  Bei  1875m  ist  der  Anschluss 
mit  Mansfelder  Kupferschlackensteinen  hergestellt,  welche 
in  richtiger  Höhe  bearbeitet  mit  einer  Seite  auf  dem 
Schienenfusse  liegen. 

Im  Kleinpflaster  sind  3705  m Gleise  hergestellt,  ver- 
suchsweise 70  m in  einer  Steinschlagbahn. 

Abgesehen  von  den  älteren  Versuchen  sind,  soweit 
hier  bekannt,  in  Deutschland  bislang  nur  die  genannten 
fünf  Schienenformen  zur  Verwendung  gekommen. 

Nach  den  Angaben  der  Betheiligten,  welche  dem 
Unterzeichneten  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  wur- 
den, sind  zur  Zeit  im  Ganzen  85,206  km  Gleise  vorhanden, 
und  es  erscheint  zuerst  auffallend,  dass  sie  nicht  schnellere 


an  verschiedenen  Stellen  geschehen,  z.  B.  bei  Osnabrück, 
bei  Neuhaus  a.  O.  und  bei  Rathenow. 

Noch  günstiger  liegen  die  Verhältnisse  bei  alten 
Pflasterbahnen  aus  mangelhaftem,  zu  stark  abgenutztem 
oder  zu  wenig  widerstandsfähigem  Pflastermaterial,  wo 
eine  Neupflasterung  mit  kostspieligen  besseren  Steinen 
erfolgen  müsste,  wenn  nicht  die  Einlegung  eines  oder 
zweier  Gleise  die  Beibehaltung  des  alten  Materials  er- 
möglichte. Zwei  derartige  Beispiele,  bei  Oebisfelde  und 
bei  Buxtehude,  wurden  bereits  in  dem  Aufsatze  von  1897 
erwähnt.  Letztere  Anlage,  welche  sich  trotz  des  bedeu- 
tenden Verkehrs  bis  jetzt  tadellos  gehalten  hat  und  sich  all- 
gemeiner Beliebtheit  erfreut,  kostete  8000  bis  9000  Mark 
weniger,  als  die  Neupflasterung  mit  guten  Kopfsteinen 
gekostet  haben  würde. 

Eine  ähnliche  Aufgabe  tritt  gegenwärtig  in  Ostfries- 
land an  die  Strassenbau-Verwaltung  heran.  Dort  sind  be- 
kanntlich die  meisten  Strassen  mit  Klinkerpflaster  be- 
festigt, welches  ausserordentlich  angenehm  zu  befahren 
ist,  und  bei  nicht  zu  grossem,  leichtem  Verkehr  durchaus 
genügt,  bei  schwerem  Lastenverkehr  aber  vollständig 
versagt.  Infolge  der  Einrichtung  eines  landwirthschaft- 
lichen  Betriebes  auf  dem  Gute  Friederikenfeld  befahren 
seit  dem  letzten  Frühlinge  die  rund  6 t schweren  Be- 
hälterwagen der  Brennerei-  und  Brauerei -Aktiengesell- 
schaft „Doornkaat"  zu  Norden  die  zusammen  7,27  km  langen, 
3.5  m breiten  Künkerstrecken  der  Landstrasse  zwischen 
Norden  und  Friederikenfeld  und  nutzen  dieselben  der- 
artig ab,  dass  der  Umbau  ganz  unvermeidlich  ist. 

Dieses  gab  der  hannoverschen  Strassenbauverwaltung 
den  letzten  Anlass,  von  der  Form  des  u-Eisens  ausgehend 
ein  neues  Gleisprofil  zu  konstruiren,  bei  welchem  soweit 
als  möglich  die  bisherigen  Erfahrungen  nutzbar  gemacht 
werden  sollten.  Dasselbe  erhält  nach  Gravenhorst’s  An- 


Verbreitung  gefunden  haben.  Der  Grund  hierfür  liegt 
aber,  wie  schon  in  dem  Aufsatze  von  1897  erörtert  wurde, 
wohl  hauptsächlich  darin,  dass  die  zur  Unterhaltung  der 
Strassen  verpflichteten  Verwaltungen  nicht  wie  die  Eisen- 
bahn-Verwaltungen zugleich  Betriebsunternehmer  sind. 
Sie  sind  deshalb  nicht  geneigt,  im  öffentlichen  Interesse 
kostspielige,  über  ihre  Verpflichtungen  hinausgehende  Ein- 
richtungen zu  schaffen,  die  wegen  der  Ersparung  an  Zug- 
kraft vom  volkswirthschaftlichen  Standpunkte  betrachtet 
— kurze  Strecken  können  hier  natürlich  nicht  inbetracht 
kommen  — gewiss  rentabel  sein  würden,  ihnen  selbst  aber 
keinen  Vortheil  bringen.  Die  Strassenbau-Verwaltungen 
werden  dagegen  Werth  auf  die  Einführung  der  Strassen- 
gleise legen,  sobald  sie  dadurch  die  Baukosten  oder  die 
Ünterhaltungskosten  der  Strassen  herabsetzen  können. 

Was  zunächst  die  Unterhaltungskosten  betrifft,  so  wird 
neben  dem  Gleise,  welches  erfahrungsmässig  von  fast 
allen  Fuhrwerken,  jedenfalls  aber  von  den  schwerbela- 
denen Lastwagen  benutzt  wird,  die  Abnutzung  der  Stein- 
bahn ausserordentlich  gering,  da  diese  in  der  Regel  nur 
noch  zum  Ausweichen  dient.  Ebenso  wird  der  Sommer- 
weg entlastet,  so  dass  die  eigentlichen  Wartungsarbeiten 
der  Strasse  ganz  erheblich  abnehmen.  Demgegenüber 
stehen  die  Kosten  der  Unterhaltung  der  Gleise,  sowie  die 
Verzinsung  und  Tilgung  des  Anlagekapitals  derselben. 
Leider  fehlt  es  bislang  an  den  erst  durch  lange  Erfahrung 
zu  beschaffenden  Unterlagen,  um  rechnerisch  diese  Werthe 
feststellen  zu  können. 

Klarer  liegen  die  Verhältnisse,  soweit  die  Baukosten, 
und  zwar  sowohl  des  Neubaues,  als  auch  des  Umbaues 
der  Strassen  in  Frage  kommen.  Schon  früher  wurde 
die  Möglichkeit  erwähnt,  die  mit  einem  Gleise  versehenen 
Strassen  schmaler  anzulegen,  als  es  sonst  zulässig  sein 
würde,  weil  der  Hauptverkehr  im  Gleise  stattfindet  und 
die  befestigten  Streifen  ausserhalb  eigentlich  nur  dazu 
dienen,  beim  Ausweichen  ein  bequemes  Einfahren  und 
Ausfahren  zu  ermöglichen.  Dass  dabei  das  ausweichende 
Fuhrwerk  in  den  Sommerweg  fahren  muss,  ist  als  eine 
besondere  Belästigung  nicht  anzusehen,  da  solches  auch 
bei  den  in  den  üblichen 
Breiten  — in  Hannover 

meidlich ist. Lange, nur 
2,5  m breite  Neubau-  ‘ ''  ‘ 

strecken  mit  Gleisen  .wu-u 

sind  im  Kreise  Garde- 

legen  hergestellt  und  sollen  weniger  gekostet  haben  als 
3,5«!  breite  Strassen  ohne  Gleis. 

Ferner  kommt  das  ebenfalls  schon  früher  erwähnte 
Verfahren  inbetracht,  auf  alten  Steinschlagstrassen,  die 
dem  Verkehr  nicht  mehr  genügen,  oder  deren  Unter- 
haltung wegen  Mangels  an  Steinmaterial  zu  theuer  wird, 
ein  Gleis  in  einem  nur  etwa  2,0  bis  2,5  m breiten  Klein- 
pflasterstreifen zu  verlegen  (Abb.  7).  Dieses  ist  bereits 


gaben  die  aus  Abbildg.  8 ersichtliche  Gestalt.  Hätte  man  ein- 
fach die  Füsse  der  Barren- 
^ ^ 7 7 schiene  forlgelassen  und 

^-r-k!  - ; ! das  dabei  ersparte  Eisen  zur 

1 I Verbreiterung  der  Rollfiä- 

5 I I I 1 che  verwandt,  so  würde  die 

I 'I  neue  Schiene  zu  wenig  steif 

i‘111  vl  ig  geworden  sein.  Da  ferner 

^ die  Fusslasche  — oder  „Ha- 
Abbiidg  8 kenlasche“  wie  Gravenhorst 

sie  bezeichnet  — beibehal- 
ten werden  sollte,  erhielt  der  Schienenfuss  die  angegebene 
Form,  so  dass  er  bei  genügender  Steifheit  deren  Anbringung 
gestattet.  Die  Gesammtbreite  der  Schiene  ist  zu  223  mm 
angenommen  und  entspricht  der  zwischen  22  cm  und  23  cm 
schwankenden  Länge  der  als  Unterlage  dienenden  Klinker. 
Es  ist  also  möglich,  die  anschliessenden  Klinker  der  Pflaster- 
bahn entweder  ganz  oder  doch  beinahe  an  die  Aussen- 
kante  des  Schienenfusses  heranzurücken.  In  der  Stein- 
bahnoberfläche' entstehen  dann  neben  der  Schiene,  zumal 
wenn  man  einzelne,  besonders  grosse  Klinker  von  der 
Verwendung  in  der  Flachschicht  ausschliesst,  Fugen  von 
höchstens  2cm  Breite,  welche  gewiss  unbedenklich  zuge- 
lassen werden  können  (Abbildg.  g).  Noch  günstiger  wird 
der  Anschluss  bei  na- 
" ^ türlichen  Pflasterstei- 

■ k nen,  die  ja  nach  dem 

,, ,,  -ßM  Fusse  zu  in  der  Regel 

‘ ■ v”' ' ; ; y '-i'r  , etwas  abgeschrägt 
Abbildg.  9.  sind.  Wird  mit  Rück- , 

sicht  auf  die  Walzung 
der  Anlauf  der  Schienenfusse  zu  8%  angenommen,  so 
ergiebt  sich  die  Breite  der  Rollfläclie  zu  176  mm  gegen 
120  mm  der  alten  Barrenschiene.  Die  Führungsrippe  ist 
niedriger  als  bei  den  älteren  Schienen,  nämlich  nur  10  mm 
hoch  mit  einem  Anlauf  von  6,5:10  angenommen. 

Der  zuerst  ausgeführten  Ausmauerung  der  Barren- 
schienen mit  Klinkern  ist  die  billigere  Ausfüllung  mit' 
Zementbeton  wohl  meistens  vorzuziehen.  Es  ist  deshalb 
kein  Nachtheil  der  neuen  Schiene,  dass  man  bei  dem 
breiteren  Hohlraume,  will  man  nicht  besondere  Form- 
klinker anfertigen  lassen,  stets  Beton  verwenden  muss. 

Das  Gewicht  der  neuen  Schiene  (ohne  Laschen)  stellt 
sich  auf  fast  21  kg  für  i ist  also  noch  erheblich  geringer 
als  das  der  beiden  Stegschienen  und  der  breiten  Barren- 
schiene von  25,07;  27,8  und  26,75  dagegen  rd.  4 kg  grösser 
als  das  der  schmalen  Barrenschiene.  Dafür  beträgt  aber 
auch  — hauptsächlich  infolge  der  Vergrösserung  der  Höhe 
— das  Widerstandsmoment,  bezogen  auf  die  wagrechte 
Axe,  fast  34  <^“3  gegen  30,47  <=“3  für  die  schmale  Barren- 
schiene. Für  die  Beschaffung  der  Walzen,  deren  Kosten 
auf  rd.  4500  M.  berechnet  sind,  sorgt  zunächst  die  Chaussee- 
verwaltung der  Provinz  Hannover. 

Das  Hüttenwerk  Phönix,  welches  die  Herstellung 
übernommen  hat,  liefert  die  Schienen  zum  Preise  von 


24.  Mai  1902. 


27  t 


152  M.  für  1000 jede  Lasche  für  0,7  M.  (frei  Eisen- 
bahnwagen). Es  kostet  also  i m Gleis  einschl.  eines  Zu- 
schlages von  0,15  M.  für  die  Walzen  auf  der  Hütte  rd, 
6,60  M.  Hierzu  kommen  die  Kosten  der  Eisenbahnfracht,  der 
Anfuhr  zur  Baustelle,  der  Ausfüllung  der  Schienen  mit 
Zementbeton  (rd.  0,7  M.  für  im),  der  Klinkerunterlage, 
der  Verlegung  des  Gleises  (rd.  0,3  M.  für  i m)  und  der 
Nebenarbeiten,  sodass  für  Norden  der  Preis  für  das  fertige 
Gleis  sich  auf  rd.  8,5  M.  stellt.  Rechnet  man  für  die  Her- 
stellung der  Künkerbahn  neben  dem  Gleis  unter  Wieder- 
verwendung des  alten  Materials  durchschnittlich  7,7  M.,  so 
stellt  sich  der  Preis  für  i fertige  Strasse  auf  rd.  16200  M. 

Der  Umbau  in  3,5  m breites  Kopfsteinpflaster  würde 
aber  rd.  32000  M.  für  i kosten,  wobei  allerdings  noch 
der  Werth  der  alten  Aufbruchklinker  mit  höchstens 


4500  M.  in  Abzug  zu  bringen  ist.  • — Wenn,  wie  zu  er- 
warten ist,  die  mit  dem  Gleise  versehene  Klinkerstrasse  — 
die  voraussichtlich  allen  berechtigten  Anforderungen  des 
Verkehrs  genügt  — gleiche  Dauer  hat,  wie,  das  Kopf- 
steinpflaster und  in  der  Unterhaltung  sich  nicht  theurer 
stellt,  so  wird  durch  die  Gleisanlage  für  den  Kreis  Norden 
eine  Ersparniss  von  mindestens  85000  M.  erzielt.  Danach 
ist  mit  Bestimmtheit  anzunehmen,  dass  der  Kreis  Norden 
— die  endgiltige  Beschlussfassung  des  Kreis-Ausschusses 
steht  noch  bevor  — sich  für  die  Ausführung  des  Gleises 
entscheiden  wird. 

Hoffentlich  tragen  diese  Mittheilungen  etwas  zur  Klä- 
rung der  Ansichten  über  die  Landstrassengleise  bei  und 
geben  Anregung  zur  Verbreitung  derselben  und  insbe- 
sondere auch  zur  Verwendung  der  neuen  nSchienen.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Archltekten-Verein  zu  Berlin.  Hauptvers.  v.  12.  Mai. 
Vors.  Hr.  Beer,  anwes.  25  Mitgl.  Da  die  Versammlung 
nicht  beschlussfähig  ist,  können  die  Berathungen  über  den 
Haushalts -Voranschlag  für  1903/03,  sowie  die  Genehmi- 
gung des  Kassen-Abschlusses  für  das  vergangene  Jahr 
nicht  erfolgen.  Es  wird  eine  Hauptversammlung  zur  end- 
giltigen  Erledigung  auf  Montag,  den  26.  Mai,  angesetzt. 

Zu  Beginn  der  Sitzung  gedenkt  der  Hr.  Vorsitzende 
der  3 Mitglieder,  die  dem  Verein  seit  der  letzten  Zu- 
sammenkunft durch  den  Tod  entrissen  wurden.  Es  sind 
dies  die  Hrn.  Brth.  Alb.  Brinkmann  in  Steinau  a.  0., 
Geh.  Reg.-Rath  Wilh.  Grapow  und  Wirkl.  Geh.  Ob.-Brth. 
Wilh.  Streckert  in  Berlin,  denen  der  Vorsitzende  warm 
empfundene  Worte  der  Erinnerung  widmet  und  dabei 
namentlich  der  Thätigkeit  Streckerts  im  Verein  gedenkt, 
dessen  Vorstand  er  lange  Jahre  angehörte,  in  dessen  Ver- 
trauens-Ausschuss er  bis  zu  seinem  Tode  gesessen  hat. 

Nach  geschäftlichen  Mittheilungen  und  Vorlage  der 
neuen  Eingänge  für  die  Bibliothek,  darunter  das  Werk 
der  Stadt  Berlin  über  ihre  Brückenbauten,  berichtet  zu- 
nächst Hr.  H.  Guth  über  den  Ausfall  eines  Monats-Wett- 
bewerbes um  den  Entwurf  zu  einer  Speisezimmerwand, 
und  Hr.  Rönnebeck  über  denjenigen  zu  einem  Zieh- 
brunnen-Häuschen in  Stein  für  den  Hof  eines  alten 
Schlosses.  Der  erstere,  zu  welchem  3 Arbeiten  eingingen, 
verlief  insofern  ergebnisslos , als  keiner  Arbeit  ein  Preis 
züerkannt  werden  konnte,  während  in  dem  zweiten  beide 
Arbeiten  ein  Vereins-Andenken  erhielten.  Es  blieb  dabei 
unentschieden,  welcher  Arbeit  der  Vorzug  zu  geben  sei. 
Verfasser  sind  für  den  Entwurf  mit  dem  Kennworte 
„S’Brünnele"  Reg.-Bfhr.  Emil  Göhrtz,  für  den  Ent- 
wurf „Nickelmann'*  Reg.-Bfhr.  Bernhard  Lehmann. 
Ueber  die  Aufgaben  auf  dem  Gebiete  des  Bauingenieur- 
wesens konnte  noch  nicht  berichtet  werden,  weil  der  Aus- 
schuss über  die  Beurtheilung  noch  nicht  schlüssig  ge- 
worden ist. 

Hr.  A.  Becker  machte  sodann  Mittheilungen  über  ein 
neues  Doppelfenster  (System  Walchner),  das  zugleich 
Schiebe-  und  Flügel-Fenster  ist.  Redner  gab  zunächst 
einige  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Anwendbarkeit 
der  Schiebefenster  in  unserem  Klima,  ihre  Vorzüge  und 
Nachtheile  (unter  letzteren  namentlich  die  Schwierigkeit 
der  Dichtung  und  der  Reinigung)  und  erläuterte  dann  das 
von  der  Firma  Gebr.  Schaar,  Berlin,  ausgestellte  Fenster. 
Das  in  üblicher  Weise  getheilte  4 -Flügelfenster  kann  in 
einem  2.  Rahmen  nach  unten  geschoben  werden.  Das 
erfordert  eine  bewegliche  Fenstersohlbank,  die  durch  einen 
besonderen  Mechanismus  gedreht  werden  kann.  Die 
Dichtung  wird  durch  Filzstreifen  hergestellt,  gegen  welche 
das  geschlossene  Fenster  noch  besonders  angepresst  wer- 
den kann.  Die  Flügel  sind  doppelt,  aber  dicht  aufeinander- 
gelegt.  Sie  sind  derart  mit  einander  verbunden,  dass  sich 
die  beiden  Fenster  eines  Flügels  leicht  auseinander  klappen 
lassen  zu  Reinigungszwecken.  Das  innere  Fenster  schwingt 
dabei  in  gewöhnlicher  Weise  um  die  am  Rahmen  be- 
festigten Bänder,  das  äussere  um  kleinere  Bänder,  die 
am  inneren  Flügel  befestigt  sind. 

Die  Kosten  stellen  sich  auf  etwa  150  M.,  also  auf  etwa 
das  iVsfS'Che  eines  gewöhnlichen  Doppelfensters.  Die 
Fenster  sind  zunächst  für  öffentliche  Gebäude,  insbesondere 
Krankenhäuser,  bestimmt.  Der  Redner  glaubt  aber,  dass 
die  Konstruktion  und  namentlich  die  Anordnung  der 
Dichtung  sie  auch  geeignet  macht  für  den  Gebrauch  in 
Wohnhäusern.  — 


Vermischtes. 

Bahnbauten  im  Grossherzogthum  Baden.  Die  eigen- 
thümliche  Lage  und  Gestalt  des  Grossherzogthums  Baden, 
die  Bedeutung  seiner  Bahnlinien  im  Weltverkehr,  zwingen 
die  zuständigen  Behörden,  der  Entwicklung  der  Bahn- 


anlagen und  ihrer  Konkurrenzfähigkeit  die  sorgfältigste 
Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Abgesehen  von  der  schon 
in  No.  32  berührten  grossen  Umgestaltung  der  Bahnver- 
häitnisse  in  Karlsruhe  bestehen  noch  weitgreifende  Pläne 
für  eine  Neuanlage  des  Mannheimer  Rangirbahnhofes,  für 
Bahnhofumbauten  in  Heidelberg,  Mosbach,  Durlach  und 
Basel,  vor  allem  aber  für  die  Anlage  eines  grossen  Rangir- 
bahnhofes in  Offenburg  mit  einem  Aufwande  von  etwa 
16  Mill.  M.  Bei  allen  Bahnhof-Umbauten  sollen  grund- 
sätzlich die  Niveau-Uebergänge  vermieden  und  durch 
Ueberftihrungen  aller  Strassen  und  Wege  ersetzt  werden. 
Ebenso  ist  eine  strenge  Trennung  des  Güter-  und  Per- 
sonen-Verkehres  vorgesehen.  Der  Gesammtaufwand  für 
die  Umbauten  in  Mannheim,  Heidelberg,  Karlsruhe,  Dur- 
lach, Offenburg,  Basel  und  Mosbach  usw.  wird  sich  auf 
rd.  208  Mill.  M.  belaufen,  wozu  noch  etwa  65  Mill.  M.  für 
Bahnbauten,  Verstärkung  des  Oberbaues  usw.  kommen, 
so  dass  die  Eisenbahnschuld  imganzen  eine  Vermehrung 
um  273  Mill.  M.  erfahren  würde.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Versetzt  werden  z.  i.  Juli  d.  Js.  die 
Garn.-Bauinsp.  K u h s e in  Strassburg  nach  Colmar  i.  Eis.  und 
Graebner  in  Münster  nach  Bitsch. 

Der  Reg.-Bmstr.  Rudelius  in  Glogau  als  techn.  Hilfsarb. 
bei  der  Intend.  des  VIII.  Armeekorps  und  der  Garn.-Bmstr.  Lud- 
wig in  Jüterbog  sind  zu  Garn.-Bauinsp.  ernannt. 

Bayern.  Der  Ob.-Bauinsp.  Dr.  Groeschel  in  München  ist 
als  Dir.-Rath  bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.,  die  Dir.-Ass.  bei 
der  Gen.-Dir.  Kasslauer  zur  Eisenb.-Betr.-Dir.  München,  Vogt 
zur  Eisenb -Betr.-Dir.  Rosenheim,  der  Ob.-Masch.-Insp.  Mülling 
in  Nürnberg  ist  als  Dir.-Rath  zur  Eisenb.-Dir.  Augsburg  berufen. 

Der  Dir.-Ass.  Bartschmid  in  München  ist  z.  Ob.-Masch.- 
Insp.  bei  der  Zentralwerkstätte  München  befördert.  Der  Ob.-Masch.- 
Ihsp.  Schremmerin  Regensburg  ist  zur  Zentralwerkst.  München, 
der  Dir.-Ass.  M a d e r in  München  zur  Zentralwerkst.  Nürnberg  und 
der  Eisenb. -Ass.  Hensolt  in  München  ist  zur  Gen.-Dir.  der  Staats- 
eisenb. berufen. 

Mecklenburg-Schwerin.  Der  Eisenb.-Betr.-Dir.  Al  brecht 
in  Schwerin  ist  gestorben. 

Preussen.  Dem  Geh.  Reg.-Rath  Prof.  Müller-Breslau  in 
Berlin  ist  der  kgl.  Kronen-Orden  II.  Kl.  verliehen. 

Die  Reg.-  und  Brthe.  Richard  in  Königsberg  i.  Pr.  und 
Gerhardt  sind  zu  Geh.  Brthn.  u.  vortr.  Räthen  im  Minist,  der 
öifentl.  Arb.,  die  Wasser-Bauinsp.  Brth.  Bindemann  u.  Ruprecht 
sind  zu  Reg.-  u.  Brthn.  und  Abth.-Vorst.  an  der  neu  errichteten 
Landesanstalt  für  Gewässerkunde  ernannt.  — Der  Wasser-Bauinsp. 
Fr.  Müller  ist  von  Husum  nach  Schleswig  versetzt. 

Die  Reg.-Bmstr.  Wehl  in  Düsseldorf  und  Meyer  in  Inster- 
burg sind  zu  kgl.  MelioivBauinsp. ; die  Reg.-Bfhr.  Ernst  Fr.  Ha  c h e 
aus  Grimmen  u.  Wilh.  Ryssel  aus  Hannover  (Masch.-Bfch.)  sind 
zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Württemberg.  Dem  Prof.  Nestle  an  der  Baugewerkschule 
in  Kalsruhe  i.  B.  ist  die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zur  Anlegung 
der  ihm  verlieh,  grossherz.  bad.  Jubiläumsmedaüle  ertheilt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  6g.  Sch.  in  Bochum.  Ihre  Anfrage  entbehrt, 
des  allgemeinen  Interesses.  Streitigkeiten  über  Honorarfragen  sind 
wir  nicht  in  der  Lage  im  Briefkasten  zu  behandeln.  — 
Anfragen  an  den  Leserkreis. 

In  einem  Krankenhause  sind  eiserne  Füll  - ReguÜröfen  mit 
schmiedeisernen  Mänteln  aufgestellt,  welche  des  besseren  Aus- 
sehens und  grösserer  Sauberkeit  halber  mit  einem  hellen  Anstrich 
versehen  werden  sollen.  Ein  Anstrich  mit  sog.  Ofen-Emaillefarbe 
englischen  Fabrikates  hat  sich  nicht  bewährt,  sondern  ist  bald  nach 
dem  Anheizen  fleckig  und  dunkel  geworden.  Welche  Anstriche 
sind  für  diesen  Fall  als  bewährt  zu  empfehlen?  Fr.  in  Hamburg. 


Inhalt:  Die  elektrisclie  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von 
Siemens  & Halske.  VJI.  — Ueber  Deichschutz.  — Die  Gestaltung  der  eiser- 
nen Gleise  auf  Landstrassen.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.' 
— Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  elektrische  Hoch-  und  Unter- 
grundbahn in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl,  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh,  Greve,  Berlin. 

No.  42. 


272 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 


XXXVI.  Jahrgang  No.  43.  Berlin,  den  28.  Mai  1902. 


Geläoder  in  der  Bülow- Strasse  Ober  der  Steinmetz -Strasse.  Architekt:  Bruno  Möhring  in  Berlin. 

Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 

Die  Architektur  auf  der  Grossen  Berliner  Kunstausstellung  1902.  (Schluss.) 


er  monumentale  Profanbau  ist  weiterhin 
vertreten  durch  Kröger’s  in  romanisirendcn 
Formen  gehaltenen  Entwurf  zum  Hamburger 
Zentralbahnhof,  durch  Prof.  Fr.  Ratzels 
prächtiges  Rathhaus  in  Duisburg,  welches 
in  zwei  grossen  schönen  Federzeichnungen  zur  Dar- 
stellung gebracht  ist,  welche  die  eigenartigen  Bildungen 
des  interessanten  Gebäudes  erkennen  lassen;  durch 
die  flott  dargestellten  Rathhaus-Entwürfe  von  Rieh. 
Walter  und  Hugo  Heger,  beides  Wettbewerbs-Ar- 
beiten, durch  einen  Entwurf  der  gleichen  Verfasser 
für  eine  Realvollanstalt  in  Bremen,  ebenfalls  Wettbe- 
werbs-Entwurf, durch  die  schöne  Schule  Thyriots  in 
Friedberg,  die  wir  in  No.  70  f.  Jahrg.  1901  Wiedergaben, 
durch  das  Gymnasium  in  Friedenau  von  L.  Dihm, 
durch  die  Konkurrenz-Entwürfe  von  G.  Roensch  für  die 
Ruhmeshallc  in  Bannen  und  das  Provinzial-Museum 
in  Münster,  sowie  durch  die  sehr  bewegt  und  male- 
risch giTjppirten  Entw'ürfe  von  F.  Gottlob  zu  Thor-, 
Wohn-  und  Stallgebäuden  des  Zoologischen  Gartens 
in  Berlin.  Die  in  märkischem  Backsteinstil  gehaltenen 
Entwürfe  stellen  weitgehende  Pläne  der  Verwaltung 
des  Gartens  für  eine  in  erster  Linie  auch  Lehrzwecken 
dienende  Anlage  dar.  Diesen  Entwürfen  ist  anzu- 
schliessen  ein  in  ähnlichem  Charakter  gehaltenes  Schalt- 
haus des  gleichen  Verfassers  auf  der  Dorfaue  in  Gross- 
Lichterfelde,  in  der  Form  eines  ansprechenden  Thurm- 
baues gehalten.  In  die  Gruppe  der  wirkungsvollen 
Backsteinbauten  reiht  sich  auch  Carl  Teichens  male- 
risches Ausschanklokal  für  die  Schultheiss-Brauerei 
am  Kreuzberg  an.  Das  anziehende  Gebäude  enthält 
einen  schönen,  in  romanischen  Formen  mit  Holzbalken- 
decke gehaltenen  Kneipraum. 

Weder  das  Geschäftshaus  noch  das  Wohnhaus 
sind  in  einer  Weise  vertreten,  welche  der  modernen 
Entwicklung  beider  Gebäudegattungen  entspricht.  Unter 
den  Geschäftshäusern  ist  das  Hauptwerk  Martin 
Dülfers  Haus  der  „Allgemeinen  Zeitung“  in  München, 
in  einer  sehr  interessanten  grossen  farbigen  Darstellung 
auf  der  Grundlage  einer  photographischen  Vergrösse- 
rung  wiedergegeben.  Eine  künstlerisch  gleich  ausge- 
zeichnete Arbeit  ist  der  Entwurf  zu  dem  Geschäfts- 
hause Trunck  & Co.  von  Hart  & Lesser,  zugleich 
interessant  durch  die  anspruchslose  und  schöne  Art 
der  Darstellung.  Mit  überreichen  architektonischen 
Mitteln  bei  im  übrigen  flotter  farbiger  Darstellung  ist 


das  Geschäftshaus  in  Budapest  von  Gust.  Gebhardt 
ausgestattet. 

Im  Gebiete  des  Wohnhauses  stehen  Cremer& 
Wolffensteins  feine  Diele  für  Haus  Müller  in  der 
Bellevuestrasse  in  Berlin,  sowie  H.  A.  Krause’s  schöner 
Entwurf  zu  einem  Herrenhause  für  Franz.  Buchholz 
(s.  No.  I u.  2 d.  J.)  an  erster  Stelle.  Ihnen  schliessen 
sich  als  treffliche  künstlerische  Leistungen  Hart  & 
Lessers  Umbau  des  Hauses  Bendlerstr.  4 in  Berlin, 
Bislichs  reizvolle  Villa  Will  im  Grunewald,  K.  E.  Ban- 
gerts Dielen  und  Biberfelds  Musikzimmer  im  Hause 
eines  Kunstfreundes  an.  Sehr  anziehend  in  Aufbau  und 
Darstellung  ist  Fritz  Schwagers  Entwurf  zu  einem 
Gartenhause,  wohnlich  anheimelnd  Walther  Ende's 
Landhaus  „Glück  im  Winkel“,  trefflich  dargestellt 
Stöckhardt’s  Villa  Fischer  am  Chiemsee. 

Einige  sehr  tüchtige  Arbeiten  hat  der  Wettbe- 
werb für  eine  Rheinbrücke  in  Basel  geliefert.  Bruno 
Möhring  entwarf  das  Bauwerk  als  massige  Stein- 
brücke und  gab,  wie  die  wirkungsvollen  Darstellungen 
zeigen,  den  Einzelheiten  eine  interessante  neue  Form; 
in  einer  schön  gemalten  Darstellung  von  Herwarth 
erscheint  die  gleiche  Brücke,  weniger  glücklich  der 
Oertlichkeit  angepasst,  als  Eisenbrücke  mit  drei  Haupt- 
und  zwei  Seitendurchlässen.  Dass  bei  einer  in  Eisen 
konstruirten  und  mit  monumentalen  Steinportalen  be- 
reicherten Brücke  immer  ein  ungelöster  Zwiespalt  bleibt, 
zeigen  die  beiden  wieder  durch  Herwarth  ausgezeich- 
net dargestellten  Entwürfe  für  Elbrückcn  bei  Magdeburg. 
In  einem  Entwürfe  für  eine  Nordbrücke  gab  die  Firma 
Harkort  in  Duisburg  eine  weitgespannte  Bogenbrücke, 
bei  welcher  G.  Frentzen  in  Aachen  für  die  reichen 
Portalbauten,  R.  Schneider  in  Berlin  für  die  Pfeiler- 
gründungen mitwirkten,  eine  Bogenbrücke,  die  sich 
leidlich  in  das  Stadtbild  einfügen  dürfte,  w'ährend 
im  zweiten  Falle,  bei  der  Sternbrücke  von  Harkort, 
die  sehr  schönen  Portalbauten,  wieder  von  Frentzen, 
nicht  vermögen,  den  Eindruck  der  gekünstelten  Bogen- 
linie zu  zerstreuen. 

Die  Wiederherstellungsarbeiten  an  der  Hohkönigs- 
burg  haben  Bodo  Ebhardt  Gelegenheit  gegeben  zur 
Ausstellung  eines  Modelles  des  Maschinen-  und  Quellen- 
hauses für  die  Wasserversorgung  der  Burg,  al§  roma- 
nischer Werksteinbau  gedacht;  sowie  zu  einer  Anzahl 
Reisestudien  von  einer  im  Aufträge  des  Kaisers  unter- 
nommenen Studienreise  des  Herbstes  1901  zum  Studium 


273 


deutscher  Burgen  in  Deutschland  und  Oesterreich.  Die- 
sen Studien  reihen  sich  Reisestudien  vonTheuerkauf 
und  von  E.  Högg  an,  die  beide  sich  durch  die  schöne 
Art  ihrer  Darstellung  auszeichnen.  Eine  prächtige 
Gruppe  farbiger  Darstellungen  bilden  Günther-Naum- 
burg’s  Aufnahmen  vom  Naumburger  Dom.  In  schöner 
Federzeichnung  wiedergegeben  sind  Aufnahmen  von 
MartinRichter  von  alten  Mannheimer  Bauwerken,  dem 
Kaufhause  und  der  Jesuitenkirche,  sowie  des  Ritters 
in  Heidelberg.  Sehr  anziehend  in  Darstellung  und 
Umrahmung  sind  die  beiden  Blätter  von  E.  Siedle, 
ein  Schwarzwaldhaus  und  eine  Ansicht  des  Klosters 
Chorin;  in  diesen  Blättern  erweist  sich  ihr  Urheber 
als  ein  feinsinniger  Künstler  des  Ornamentes.  Die 
Krone  aller  Reiseaufnahmen  aber  bilden  diesmal  die 
köstlichen  Aufnahmen  aus  Pompeji  von  LuigiBazzani. 
Die  Art,  wie  hier  der  Marmor,  das  Mosaik,  die  Reste 
von  Malerei  usw.  wiedergegeben  sind,  ist  unübertrefflich 
schön  und  von  einer  so  seltenen  Zartheit,  dass  diese 
Blätter  Meisterwerke  der  Kunst  der  Wassermalerei 
sind.  C.  Weichardt  sandte  seine  phantasievollen 
Wiederherstellungs-Entwürfe  für  Pompeji,  sowie  für 
die  Kaiserpaläste  auf  der  Insel  Capri,  welchen  wir 
bereits  in  No.  89  f.  Jahrg.  1900  eine  ausführliche  Dar- 
stellung widmeten. 

Wie  im  vergangenen  Jahre,  so  sind  auch  in  die- 


sem Jahre  der  Architektur- Abtheilung  eine  Anzahl 
Innenräume  angeschlossen,  von  welchen  das  Wohn- 
zimmer von  Wilh.  Kimbel  (ausgeführt  von  Kimbel  & 
Friderichsen),  sowie  das  Speisezimmer  von  Georg 
Kuhnert  (von  demselben  auch  ausgeführt)  an  der 
Spitze  stehen.  Bei  dem  Kimbel’schen  Wohnraume 
sind  es  insbesondere  die  Ruhe  in  der  Gesammthaltung, 
die  raaassvolle  Verwendung  des  Ornamentes  und  die  sehr 
glücklicheFarbengebung,welche  den  schönen  Raum  aus- 
zeichnen.  Bei  dem  Kuhnert’schen  Speisezimmer  wird  ein 
gewollter  Ornamentreichthum  in  nicht  minder  glück- 
licher Weise  gebändigt  durch  eine  an  pompejanische 
Vorbilder  anklingende  sehr  feine  Farbengebung.  Nicht  ' 
ganz  mit  dem  gleichen  Glück  ist  das  Empfangszimmer,  : 
welches  Georg  Honold  entwarf  (und  C.  Luckat  aus- 
führte), zusammengestimmt.  Obwohl  die  einzelnen  : 
Stücke  sich  als  ausgezeichnete  Arbeiten  darstellen, 
mangelt  doch  dem  Ganzen  der  Eindruck  ruhiger  Ge- 
schlossenheit. Etwas  besser  wieder  ist  in’dieser  Be-  ' 
Ziehung  das  Frühstückszimmer  von  Herrn.  Friling 
(ausgeführt  von  Wilh.  Kümmel),  in  welchem  der  Ver- 
such unternommen  ist,  in  die  Formengebung  des  , 
Möbels  neue  Gedanken  einzuführen.  An  dem  Wohn-  ^ 
zimmer  von  Biberfeld  interessirten  uns  nur  die 
Farbengebung,  sowie  die  Haltung  des  demselben  vor- . 
gelagerten  Vorraumes.  — _ h.-  — ^ 


Mittheilungen,  aus  Vereinen. 

Sächsischer  Ingenieur-  und  Architekten-Verein.  Der 
letzte  Bericht  über  die  Thätigkeit  dieses  Vereines  (in 
No.  70  des  vor.  Jahrg.)  reichte  bis  zum  5.  Mai  1901.  Die 
regelmässigen  Vortragsabende,  an  deren  Stelle  während 
des  Sommers  gesellige  Zusammenkünfte  zu  treten  pflegen, 
fingen  am  14.  Okt.  wieder  an.  Der  Präsident  des  Vereins, 
Hr.  Geh.  Brth.  Poppe,  berichtete  namens  der  Vertreter, 
die  zu  der  Abgeordneten-Versammlung  nach  Königsberg 
gesandt  worden  waren,  über  den  Verlauf  der  dortigen 
Verhandlungen  und  Festlichkeiten;  im  Anschlüsse  daran 
besprach.  Hr.  Reg.-Rth.  Michael  den  dortigen  Seekanal 
und  Zoologischen  Garten,  Hr.  Ob.-Brth.  Dr.  Ulbricht  die 
Eisverhältnisse  am  Haff. 

Ara  21.  Okt.  machte  Hr.  Brth.  Schmidt  eingehende 
Mittheiiungen  über  den  Stand  der  Einfamilienhaus- 
Frage  in  Dresden  überhaupt  und  über  zwei  bezügl. 
Bebauungspläne  (beim  Waldschlösschen  und  an  der  Acker- 
mannstrasse) im  besonderen.  Grund-  und  Bodenpreis  so- 
wie Anliegerleistungen  sind  aber  hier  so  hoch,  dass  diese 
Pläne  kaum  zur  Ausführung  kommen  werden.  — Derselbe 
Redner  forderte  dann  noch,  von  einem  der  Versammlung 
vorgelegten  altbäuerlichen  Holzschlosse  ausgehend,  zu 
fleissiger  Subskription  auf  das  Bauernhaus- Werk  auf.  Am 
Nachmittag  desselben  Tages  hatte  eine  Besichtigung  des 
Essenthurmes  an  dem  nun  in  Betrieb  genommenen  Fern- 
heizwerke, ferner  des  Futtermagazins  und  des  Theater- 
requisiten-Gebäudes  an  der  Devrient-Strasse  stattgefunden. 

Am  28.  Okt.  sprach  Hr.  Ob.-Baukommissar  Grüner 
über  „Die  Entwicklungs-Geschichte  und  die  Bau- 
art dej  amerikanischen  Geschäftshäuser“,  woran 
sich  eine  lebhafte  Aussprache  über  deren  Werth  als 
Massenquartiere  für  die  unbemittelten  Klassen  anschloss. 
— Ueber  Kalk-,  Trass-  und  Zementmörtel  von  verschie- 
denem Alter  gab  Hr.  Fin.-  u.  Brth.  Rother  am  4.  Nov. 
sehr  interessante  Mittheilungen;  auch  des  Gipsmörtels 
wurde  dabei  sowie  in  der  sich  anschliessenden  Aussprache 
mehrfach  anerkennend  gedacht.  Das  nachträgliche  Aus- 
fugen des  Mauerwerkes  wurde  als  verwerflich  bezeichnet. 

Vor  einer  zahlreichen  Versammlung,  auch  aus  Damen 
und  Gästen,  hielt  Hr.  Ob.-Brth.  Andrae  am  ii.  Nov.  einen 
Vortrag  über  „Die  deutschen  Ausgrabungen  in  Ba- 
bylon“, unterstützt  durch  die  von  der  deutschen  Orient- 
Gesellschaft  veröffentlichten  Berichte  und  Pläne. 

Der  18.  Nov.  brachte  verschiedene  kürzere  Mittheilun- 
gen, von  denen  die  des  Hrn.  Ob, -Brth.  Klien  über 
„Neuere  Walzwerkprodukte“  und  eine  Schilderung 
des  von  ihm  besuchten  Press-  und  Walzwerkes  Reisshof  bei 
Düsseldorf  das  Interesse  am  stärksten  inanspruch  nahmen; 

Am  25.  Nov.  theilte  Hr.  Ob.-Brth.  Dr.  Ulbricht- sehr 
überraschende  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  des  Schwach- 
stromes (Aufbewahrung  von  Gesprächen  mittels  Photo- 
graphie, Schnelltelegraph  von  Pollak  & Viräg  u.  a.)  mit, 
Erfindungen,  die  zwar  der  Praxis-  noch  nicht  dienstbar, 
aber  sicher  Ausgangspunkte  für  die  exakte  Forschung  und 
weitere  Entdeckungen  seien. 

Am  2.  Dez.  schilderte  Hr.  Ing.  Frhr.  von  Wagner  an 


der  Hand  mehrerer  Uebersichts-  und  Einzelzeichnungen 
„Die  Bauart  und  die  daran  eingetretenen  Be- 
schädigungen der  Brooklyner  Brücke".  Auch  den 
Lindenthal’schen  Bericht,  der  den  jetzt  noch  vorhandenen 
Sicherheitsgrad  feststellt  und  dessen  Vorschläge,  um  ihn 
wieder  auf  die  ursprüngliche  Höhe  zu  bringen,  gab  der 
Vortragende  bekannt. 

Am  30.  Dez.  fand  eine  in  bescheidenen  Grenzen  gehal- 
tene fröhliche  Weihnachtsfeier  statt  und  beschloss  das  Jahr. 

Im  neuen  Jahre  (1902)  kam  der  Verein  zum  ersten 
Male  wieder  am  13.  Jan.  zusammen,  um  angesichts  der 
Wiederhersteilungs  - Entwürfe  für  die  Westfassade  des 
Domes  zu  Meissen  einen  Vortrag  von  Hrn.  Fin.-  u.  Brth. 
Schmidt  über  diesen  Gegenstand,  der  die  Gemüther 
gerade  damals  lebhaft  beschäftigte,  zu  hören.  Das  vor- 
läufige Ergebniss  war  die  Wahl  einer  fünfgliederigen 
Kommission,  die  den  Auftrag  erhielt,  den  Gegenstand 
weiter  zu  berathen  und  gutachtlich  darüber  zu  berichten. 
Vorgreifend  sei  hier  bemerkt,  dass  dieser  Ausschuss  in 
mehreren  Zusammenkünften  (auch  in  Meissen  selbst)  da- 
zu gelangt  ist,  der  Kommission  zur  Erhaltung  der  Kunst- 
denkmäler zu  empfehlen,  von  einer  zweithürmigen  Anlage 
abzusehen;  der  Verein  trat  in  seiner  Zusammenkunft  am 
17.  Febr.  diesem  Gutachten  einstimmig  bei. 

Am  20.  Jan.  gab  Hr.  Brth.  Trautmann  eine  genaue 
Beschreibung  der  Heizanlage  des  kgl.  Opernhauses 
in  Dresden-Altstadt  wie  sie  früher  war  (grösstentheils 
Feuerluftheizung)  und  wie  sie  jetzt,  nach  dem  Anschluss 
an  das  Fernheizwerk  ist  (Dampf  mit  5 Atm.  Druck,  der 
aber  im  wesentlichen  auf  i Atm.  Betriebsspannung  redu- 
zirt  wird.)  Die  Erhöhung  der  Feuersicherheit  findet  in 
der  Ermässigung  der  jährlichen  Versicherungs-Prämie  um 
5000  M.  ihren  zahlenmässigen  Ausdruck.  Die  Ventilations- 
Anlage  des  Opernhauses  ist  dieselbe  vorzügliche  geblieben ; 
sie  liefert  für  den  Zuschauer  stündlich  50  cbm  Luft. 

Am  23.  Jan,  wurde  auf  dem  kgl.  Belvedere  der 
Familienabend  in  gewohnter  Weise  mit  musikalischen  und 
dramatischen  Darbietungen,  Ball  und  gemeinschaftlicher 
Tafel  unter  zahlreicher  ßetheüigung  gefeiert. 

Im  Anschluss  an  seinen  Vortrag  vom  20.  Jan.  gab  Hr. 
Brth.  Trautmann  am  3.  Febr.  noch  einige  Erläuterungen 
über  die  Entzündungsgefahr  durch  Dampfheiz-Leitungen., 
Sodann  sprach  Hr.  Ing.  Le  wicki  über  Dampf -Turbinen,, 
unter  Vorzeigung  eines  von  Hand  betriebenen  Modells. 
Er  hob  als  besondere  Vorzüge  hervor;  die  Möglichkeit 
des  schnellen  Anlassens  ohne ' Anwärmung,  die  Vermei- 
dung der  bei  Kolbenmaschinen  so  schädlichen  Konden- 
sations-Verluste. Zurzeit  findet  das  System  auf  Eisenbahn- 
Fahrzeugen  in  Preussen  und  Dampfschiffen  in  Sachsen 
Verwendung  zum  Antrieb  der  Beleuchtungs-Dynamos. 

Am  IO.  Febr.  hielt  Hr.  Prof.  Hugo  Hartung  einen 
Vortrag  über  den  erziehlichen  Werth  des  Studiums 
der  mittelalterlichen  Baukunst  für  die  moderne 
Architektur,  wobei  er  ungefähr  zu  dem  Ergebniss  ge- 
langte, dass  das  Architekturstudium  besser  auf  der  mittel- 
alterlichen, als  der  hellenischen,  römischen  und  Hoch- 
renaissance-Baukunst fusse  und  dass  die  Konstruktion  die 
Seele  der  Architektur  sei  und  bleiben  müsse. 


274 


No.  43. 


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28.  Mai  1902 


275 


■ Am  . 17-  Febr.  beschäftigte  sich  die  Versammlung  zu- 
erst mit  dem  schon  erwähnten  Meissener  Gutachten,  so- 
dann mit  einem  solchen  wegen  der  Gebühren  technischer 
Sachverständiger  bei  Gerichten  und  hörte  dann  einen  Be- 
richt, den  Ob.-Baukommissar  Grüner  erstattete  über  die 
diesjährigen  Aufnahmen  volksthümlicher  Kunst  und  Bau- 
weise, die  von  den  Schülern  der  sächsischen  Bau-  und 
Kunstgewerbeschulen  zum  Wettbewerb  eingesandt  worden 
waren.  Das  Ergebniss  dieses  dankenswerthen  Unter- 
nehmens des  Vereins  für  Volkskunde,  vom  kgl.  Ministerium 
des  Inneren  unterstützt,  war,  wie  die  ausgestellten  Blätter 
bewiesen,  auch  diesmal  wieder  sehr  befriedigend. 

Arh  24.  Febr.  zeigte  und  beschrieb  tir  Bmstr.  Mirus 
der  Versammlung  das  Modell  zu  einem  dekorativen  Er- 
innerungszeichen, das  für  die  Landspitze  beim  Königs- 
Albert-Hafen  in  Dresden  entworfen  worden,  aber  nicht 
zur  Ausführung  gekommen  ist;  sodann  hielt  Hr.  Eisen- 
bahndir.  a.  D.  Parider  einen  Vortrag  über  Riga,  die 
Düna  und  die  Stromregulirungen,  daselbst.  Als, 
Ergebniss  dieser  Arbeiten,  die  namentlich  in  der  Anlage 
von  P.arallelwerken  bestehen  und  bis  jetzt  6V2  Milk  Rubel 
gekostet  haben,  ist  eine  22—23  Fuss  tiefe  Fahrrinne  zu 
nennen,  die  im  Winter  durch  drei  Eisbrecher  freigehalten 
wird.  Der  Schiffsverkehr  gestaltet  sich  namentlich  durch, 
die  Flossschiffe  (Strusen)  ganz  eigenartig. 

Hr.,  Hof-Ob.-Brth.  Dünger  machte  am  3.  März  inter- 
essante .Mittheilungen  über  den  in  der  I-Iauptsache  nun 
beendeten  Umbau  des  königlichen  Schlosses  in 
Dresden,  der  während  12  Jahren  durchgeführt  worden  ist. 

• Am  IO.  März  sprach  Hr.  Ein.-  u.  Brth.  Rother  über 
Entzündungs- Gefahren,  wobei  er  namentlich  der 
Selbst-Entzündung  eingehend  und  mit  Beispielen  aus  der 
Praxis  gedachte.  Bei  der  Herstellung  von  Luftkanälen  in 
Kohlenstapeln  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  diese . 
nur  abkühlend  wirken  und  durchaus  nicht  Luft  zu- 
führen sollen.  Sodann  besprach  Hr.  Arch.  E.  Kühn 
ausführlich  die  Mittel  zur  billigeren  Herstellung  landwirth- 
schaftücher  Bauten,  unter  denen  er  die  grösstmögliche  Zu- 
sammenziehung des  Raumbedürfnisses  in  ein  oder  mehrere 
zusammenhängende  Gebäude,  die  geschickte  Ausnutzung 
der  Geländegestaltung,  eine  dem  einzelnen  Falle  und  Be- 
dürfnisse . angepasste  Bauweise,  kluge  Beschränkung  in 
der  Raumhöhe  und  dem  äusserlichen  Bauaufwand,  Hebung 
des  ländlichen  Bauhandwerks  besonders  hervor.  Der  Vor-- 
sitzende  knüpfte,  die  Bemerkung  daran,  _dass  die  durch 
unzweckmässige  Bauweise  landwirthschafüicher  Gebäude 
vergeudete  Summe  aufgrund  einer  Schätzung  sich  auf  etwa 
lo'Vo  Brandkassen- Betrages  belaufe.  Zum  Schluss 
machte  Hr.  Ob.-Baukommissar  Grüner  die  Versammlung 
mit  dem  Dohne’schen  Apparat  zur  Ermittelung  der  Träger- 
und Säulenstärken  bekannt. 

Den  17.  März  machte  Hr.  Geh.  Brth.  Dr.  Wallot  unter 
dem  Titel  „Nordamerikanische  Rerseskizzen“  über- 
aus anziehende  und  lehrreiche  Mittheilungen  über  seine 
Eindrücke  und  Erfahrungen  anlässlich  seiner  Reise  nach 
St.-  Francisco  als  Preisrichter  für  die  Berkley-Universität. 
Besonders  werthvoll  waren  die  Wahrnehmungen  und 
Bemerkungen  über  die  neuere  Architektur  der  amerika- 
nischen Städte^  die  durch  eine  Fülle  von  Abbildungen 
wirksam  illustrirt  wurden. 

Hr.  Arch.  Ballenstedt  sprach  in  der  Wochen-Ver- 
sammlung  am  24.  März  über  „Freitragende  Wände 
nach  dem  System  Prüss“,  wobei  er  namentlich  dessen 
Anwendung  als  Doppelwand  (z.  B.  bei  der  Herstellung 
kleiner,  freistehender  Wohnhäuser)  empfiehlt.  Im  Anschluss 
daran  gab  Hr.  Ein.-  u.  Brth.  Rother  Erläuterungen  über 
„Die  Wirkung  von  Luftschichten  in  den  Wänden“ 
und  ‘empfahl  deren  Ausfüllung  mit  Zementbeton.  — Hr. 
Ob. -Brth.  Andrae  zeigte  und  erläuterte  Photographien 
niederländischer  Bauwerke  auf  der  Insel  Walchercn  und 
Hr.  Ein.-  u.  Brth.  Schmidt  berichtete  an  der  Hand  einer 
panoramaartigen  Abbildung  über  die  malerische,  architek-^ 
tonisch-  sehenswerthe  französische  Stadt  Le  Puy. 

Aiü  7.  April  gab  Hr.  Arch.  Tscharmann  interessante 
und  eingehende  Mittheilungen  über  „Deutsche  Lungen- 
heilstätten“, von  den  erschreckenden  statistischen  Er- 
hebungen über  die  Ausbreitung  der  Krankheit  ausgehend 
und  die  Thatsache,  dass  Deutschland  allein  mehr  solcher 
Heilstätten  besitzt,  als  alle  anderen  Länder  zusammen,  als 
erfreuliches  Gegenbild  hervorhebend.  Sodann  berichtete 
Hr.  Ok-Brth.  Andrae  noch  über,  den  neuesten  Stand  der 
Ausgrabungen  in  Babylon. 

• . Ueber  den  Vortrag  des  Hrn.  Reg.-Bfhr.  Lange  negger: 
„Se.mper’s  Entwürfe  zu  den  neuen  Museums-Ge- 
bäuden  in  Dresden“,  am  21.  April  im  Verein  gehalten, 
soll- wegen  der  werthvollen  Aeusserungen  Semperis  über 
öffentliche  Gebäude;  ausführlicher  . berichtet  werden, 

- • Ini  der -Versammlung  äm.,.-2&i;ijiXÜ. sprach;  zuerst  Hr. 

Fin.-  u.  Brth.  Rother  über  „Die  Mitwirkung  der  Ingenieur- 

276 


und  Architekten-Vereine  bei  der  Beschaffung  preiswerther 
Wohnungen“,  woran  sich  eine  ausgiebige  Besprechung 
knüpfte.  Sodann  berichtete  Hr.  Ob.-Bai&omm.  Grüner 
über  neuere  Deckenkonstruktionen,  namentlich  über  die 
von  ihm  kontrollirte  Probebelastung  einer  Bimsbetondecke, 
und  Hr.  Reg.-Bmstr.  Hörnecke  machte  Mittheilungen  über 
neue,  zur  Verhütung  der  Rauchentwicklung  bestimmte 
Feuerungsanlagen,  besonders  für  keramische  Zwecke. 

An  diesem  Abend  fanden  die  winterlichen  Zusammen- 
künfte ihr  Ende.  — 0.  Gr. 


Vermischtes. 

Ein  neuer  Dübelstein  als  Ersatz  für  Holzdübel,  Der 
in  No.  37  vom  7.  Mai  1902  erwähnte  „neue  Dübelstein 
als  Ersatz  für  Holzdübel“  erweist  sich  bei  genauer 
Untersuchung  als  ein  gewöhnlicher  poröser  Ziegelstein, 
dem  die  .zugeschriebenen  guten  Eigenschaften  doch  nur 
in  bescheidenem  Maasse  zukommen.  Auch  kann  von 
einem  Patentgeheimniss  des  Erfinders  eigentlich 
keine  Rede  sein;  die  „bestimmte  Beimischungssubstanz“ 
bewirkt  lediglich  die  Porosität  und  ist  auf  das  Festsitzen 
der  Nägel  und  Schrauben  höchstens  von  nachtheiligem 
Einfluss.  Solche  Beimischungs-Substanzen  waren  schon 
den  Römern  bekannt  (s.  Handbuch  d.  Arch.  2.  Theil, 
2.  Bd.  1885,  S.  116)  und  werden  noch  heute  von  den 
Ziegelrien  da  verwendet,  wo  es  sich  um  Herstellung 
leichter  und  poröser  Steine,  in  die  sich  natürlich  Nägel 
und  Schrauben  leicht  eintreiben  lassen,  handelt  (s.  Hand- 
buch d.  Arch.  I.  Th.,  i.  Bd.  1883,  S.  73  und  89).  Aus  den 
angeführten  Quellen  ist  weiter  noch  zu  entnehmen,  dass, 
was  jedem,  der  den  neuen  Dübelstein  sieht,  sofort  Idar 
wird,  die  Festigkeit  dieses  Steines  nur  eine  sehr  geringe 
sein  kann.  Nägel,  Schrauben  usw.,  die  in  den  Stein  ein- 
getrieben werden,  führen  infolge  der  zwischen  Nagel  und 
Stein  auftretenden  mahlenden  Wirkung  einen  Substanz- 
verlusl  des  Steines  herbei,  sodass  von  einem  soliden 
Festsilzen  der  Nägel  usw.,  wie  dies  beim  Holze  unbe- 
dingt der  Fall  ist,  nicht  mehr  gesprochen  werden  kann. 
Die  grosse  Billigkeit,  die  dem  neuen  Dübelstein  nachge- 
rühmt wird,  vermag  die  grossen  Nachtheile  der  Neuerung 
also  keineswegs  aufzuwiegen.  — 

■ Ed.  Walter,  Arch.  z.  Z.  in  Homburg  v.  d.  H. 


Preisbewerbuagen. 

Wettbewerb  Rathhaus  Nienburg.  Der  Magistrat  macht 
bekannt,  dass  die  Kosten  für  die  Unterlagen  im  Betrage 
von  5 M.  den  Bewerbern  zurückgezahlt  werden,  welche 
einen  Entwurf  bedingungsgemäss  einreichten., — 

Wettbewerb  Oberrealschule  Teplitz  - Schönau.  Unter 
55  Entwürfen  erhielt  den  I.  Preis  der  des  Hrn.  Bürger 
in  Chemnitz;  den  II.  Preis  der  der  Hrn.  Streit  und  Sowa, 
und  den  III.  Preis  der  des  Hrn.  Unger,  letztere  in  Wien.  — 
Wettbewerb  Festhalle  Siegen.  Verfasser  des  für  300  M. 
angekauften  Entwurfes  „Lotto“  ist  Hr.  Arch.  Max  Adolph 
in  Düsseldorf.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Stadtbmstr.  Lü  decke  in  Duisburg  ist  der 
kgl.  Kronen-Ordeii  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  der  ihnen  verlieh, 
fremdländ.  Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  dem  Ob,-  und  Geh.  Brth. 
Neumann  in  Breslau  des  Offizierkreuzes  des  kgl.  sächs.  Albrecht- 
Ordeus;  dem  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Zschirnt  in  Frankfurt 
a.  M.  des  Ritterkreuzes  I.  Kl.  des  grossherz.  hess.  Verdienst-Ordens 
Philipp  des  Grossmüthigen;  dem  Ob.-Brth.  Jungbecker  in  Köln 
a.  Rh.  des  kais.  russ.  St.  Stanislaus-Ordens  II.  Kl. 

Der  Geh.  Brth.  u.  vortr.  Rath  Wolff  im.  Min.  der  öffentl. 
Arb.  ist  zum  Geh.  Ob.-Brth.,  der  Reg.-Bmstr.  Classe  in  Neu- 
steltin  zum  Ge-w.’-Insp.  ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Gust.  Riess  aus  Berlin,  Aug.  Verlohr  aus 
Winkhausen,  Ad,  Schmidt  aus  Fiddicho-w,  Heinr.  Schmieden 
aus  Berlin,  Ernst  Seehausen  aus  Korbach,  Friedr.  Mohr  aus 
Köln  a.  Rh.,  Leop.  Salingre  und  Wolfgang  Siemeriug  aus 
Berlin  (Hochbfch.),  — Karl  Sunkel  aus  Hünfeld  u.  Fritz  Schmidt 
aus  Niederbronn  (Wasser-  u.  Strassenbfch.),  — Ad.  Scheid  aus 
Driedorf  und  Paul  Böttge  aus  Magdeburg  (Masch.-Bfch.)  sind  zu 
Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Gg.  N 0 a c k in  Gütersloh  und  Karl  K u t n e r 
in  Berlin  ist  die  nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Der  Geh.  Brth.  Sättig  in  Erfurt,  der  Eisenb.-Dir.  Melcher 
in  Breslau,  der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp  Marx  in  Angerburg 
und  der  Ziviling.  Adalb.  Unna  in  Köln  a.  Rh.  sind  gestorben. 

Sachsen.  Dem  Brth.  Hunte  in  Dresden  ist  der  Tit.  und 
Rang  als  Fin.-  u.  Brth.  in  der  i.  Gruppe  der  IV.  Kl.  der  Hofrang- 
ordnung  verliehen.  

labalt : Die  Architektur  auf  der  Grossen  Berliner  Kunstausstellung 
1902  (Schluss).  — Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin 
von  Siemens  & Halske.  — Mittheilungen  ans  Vereinen.  — Vermischtes.  — 

Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.,.m..b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

- No.  43. 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
JkBERLIN  ^ 
ajatatsratafsrajatasa? 


ata?atasata?atafatatatafrasat 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2;  44.  Hi 
DEN  31.  MAI  1902.  Hi 
««atatafatatatatasatafatae 


Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 


Pfeiler  an  der  Proben  - Strasse. 
Archit:  Prof.  A.  Grenander. 


(Hierzu  die  Abbildungen  S.  a8o  n.  aSi.) 

VII.  Die  künstlerische  Ausbildung.  (Fortsetzung.) 


it  zwei  verschiedenen  Mo- 
menten ist  bei  der  künst- 
lerischen Ausbildung  der 
elektrischen  Hoch-  und 
Untergrundbahn  zu  rech- 
nen: einmal  mit  dem  künst- 
lerischen Einfluss  des  Ar- 
chitekten auf  die  formale 
Ausbildung  derreinenKon- 
struktion,  und  zum  anderen 
mit  dem  durch  den  Archi- 
tekten gegebenen  schmück- 
endenBeiwerk  der  Viadukt- 
Strecken  wie  der  Bahnhöfe. 
Welchen  Einfluss  beide  Mo- 
mente auf  die  Erscheinung 
des  Bauwerkes  ausüben, 
zeigt  deutlich  ein  Vergleich 
der  östlichen  mit  der  west- 
lichen Strecke.  Die  formale 
Ausbildung  der  ersteren 
Strecke  lässt  erkennen,  dass 
sie  in  der  Hauptsache  unter 
dem  Einflüsse  des  rech- 
nerischen Material  - Mini- 
mums entstanden  ist  und 
dass  erst,  als  diese  Strecke 
sich  in  der  Erscheinung 
etwas  zu  sehr  den  engli- 
schen und  amerikanischen 
Hochbahnen  näherte,  der 
Architekt  zur  künstleri- 
schen Mitarbeit  angerufen 
wurde.  Herrschte  bis  da- 
hin in  der  östlichen  Strecke 
das  starre  Konstruktions- 
prinzip, welches  Konstruk- 
tionsungethüme  wie  z.  B. 
die  beiden  Viaduktportale 
am  Sedan-Ufer  und  ande- 
res hervorgebracht  hat,  was 
sich  auf  der  westlichen 
Strecke  mit  Ausnahme  eini- 
ger Bildungen  am  Bahnhof 
NoIIendorfplatz  nicht  mehr 
oder  doch  nur  da  wieder- 
holt, wo  die  Eigenschaften 
der  Oertlichkeit  keine  be- 
sondere Rücksichtnahme 
auf  die  Formengebung  ver- 
langten, so  wurde  auf  die- 
ser Strecke  der  Ingenieur, 
wie  es  einer  der  hervor- 
ragenden Mitarbeiter  des 
grossen  Werkes,  Reg.- 
ßmstr.  B o u s s e t ausdrückt, 
„wo  er  zu  grausam  vor- 
ging, vom  Architekten  zu 
sanfteren  Umgangsformen 
gezwungen".  Andererseits  ist  festzustellen,  „dass  die 
Architekten  mit  bewusster  Absicht  den  Konstruktions- 
Ideen  der  Ingenieure  folgten  und  diese  Ideen  eher 
noch  schärfer  zu  betonen  suchten,  als  sie  zu  ver- 
decken. Und  zuweilen  standen  die  Architekten  im 
ersten  Augenblick  ablehnend  vor  ungewöhnlichen  lu- 
genieurformen,  mit  denen  sie  sich  später  gern  ab- 


fanden". Aus  dieser  interessanten  Darstellung  des 
gegenseitigen  Arbeits-  und  Einflussverhältnisses  der 
beiden  in  ihren  Grundprinzipien  verwandten,  im  Laufe 
der  Zeit  aber  mehr  als  erwünscht  auseinander  ge- 
kommenen Gebiete  lassen  sich  leicht  die  Gründe  für 
die  frische  und  neue  Erscheinung  der  Bauten  der 
Hochbahn  erkennen.  Mustergiltig  ist  die  elegante  Er- 
scheinung der  Hochbahn  - Viaduktstrecke  zwischen 
Potsdamerstrasse  und  NoIIendorfplatz.  Sowohl  die 
konstruktiven  Anordnungen  wie  der  künstlerische 
Schmuck  zeigen  eine  so  neue  und  eigenartige  Schön- 
heit, ^ dass  dieser  Theil  des  Werkes  eine  dauernde 
Bereicherung  des  Formenschatzes  unserer  Nützlich- 
keitsbauten bildet.  Die  örtlichenVerhältnisse  der  breiten 
Mittelpromenade  erlaubten  es,  die  Fusspunkte  der 
Stützen  hinauszurücken  und  die  Stützen  schräg  zu 
stellen.  Dadurch  wurde  der  Eindruck  der  Stand- 
sicherheit verstärkt  und  zugleich  der  Konstruktion  die 
Starrheit  der  rechtwinkligen  Bildungen  genommen.  In 
der  Längsrichtung  führt  eine  schön  geschwungene 
Bogenlinie  den  Horizontalträger  in  die  Stütze  über; 
Bogenlinien  von  schönem  Schwung  sind  auch  an  den 
übrigen  Theilen  der  Konstruktion  die  vermittelnden 
Elemente.  Durch  die  Anwendung  der  geschwungenen 
Linie  erhält  die  Konstruktion  eine  so  neue  und  über- 
zeugende Schönheit,  dass  sie  ohne  Zweifel  zum  Vorbild 
für  spätere  Bauwerke  werden  dürfte.  Und  wenn  es  ge- 
lingt auch  die,  dieKonstruktion  herstellendenWerke  dazu 
zu  bringen,  auf  die  kleinen  Einzelheiten  zu  achten,  so- 
dass  nicht  ein  Querflansch  da,  wo  er  rechnerisch  nicht 
mehr  nöthig  ist,  plötzlich  und  unvermittelt  aufhört, 
sondern  als  begleitende  Linie  bis  zu  einem  natürlichen 
Endigungspunkt  weiter  geführt  wird,  dann  dürfte  eine 
Vollkommenheit  der  Erscheinung  erreicht  werden 
können,  welche  nicht  nur  weitgehende  künstlerische 
Wünsche  zum  Schweigen  bringt,  sondern  welche  auch 
zu  der  Anerkennung  zwingt,  dass  das  Hochbauwesen 
durch  die  Ingenieure  eine  werthvolle  Bereicherung 
seiner  Erscheinungsformen  erfahren  hat. 

Zu  diesen  in  der  reinen  Konstruktion  liegenden 
künstlerischen  Momenten  treten  nun  noch  die  rein 
^hmückenden  Zuthaten,  deren  Bestimmung  es  ist, 
Härten  zu  verdecken,  Uebergänge  geschmeidiger  zu 
machen,  und  es  ist  erstaunlich,  wahrzunehmen,  mit  wie 
wenigen  und  einfachen  Mitteln  es  möglich  ist,  harten 
Bildung^  ein  völlig  verändertes  Aussehen  zu  verleihen. 
Was  Alfred  Grenander,  Bruno  Möhring  und  Paul 
Wittig  in  der  Ersinnung  charakteristischer  und 
anspruchsloser  Zuthaten  geleistet  haben,  ist  aus  unse- 
ren Abbildungen  zu  erkennen  und  über  alles  Lob  erha- 
ben. Eine  runde  oder  eckige  Volute,  eine  geschwungene 
Verzierung,  ein  Band,  ein  an  den  Ecken  charakteristisch 
aufgebogener  Eisenstab,  das  sind  die  einfachen  Schmuck- 
mittel,  die  mit  grösster  künstlerischer  Sicherheit  zur 
Verwendung  gelangten.  In  diesen  bescheideneren 
Arbeiten  scheint  uns  das  Hauptverdienst  der 
architektonischen  Ausschmückung  der  Hoch- 
bahn zu  liegen,  denn  sie  nur  machen  es  unter 
der  nothwendigen  Berücksichtigung  der  wirth- 
schaftlichen  Lage  möglich,  ein  Ingenieurwerk 
von  grosser  Ausdehnung  aus  dem  Charakter 
des  reinen  Nutzbaues  überzuleiten  in  den  mit 
idealen  Forderungen  ausgestatteten  Charak- 
ter des  Kunstbaues. 

GrössereAufwendungen  wurden  auf  derwestlichen 
und  auf  einem  Theile  der  östlichen  Strecke  an  den 


277 


Stellen  gemacht,  an  welchen  Strasseiizüge  den 'Zug 
der  Hochbahn  kreuzen.  - Hier  schliesst  nicht  nur  ein 
reicheres  Gitterwerk  die  seitlichen  Gehwege  des  Bahn- 
körpers ab  und  verdeckt  die  hier  nicht  zu  umgehen- 
den, nicht  eben  schönen  konstruktiven  Bildungen  der 
grösseren  Spannweiten,  sondern  es  treten  zu  dem  Eisen- 
werk als  markante  Begrenzungspunkte  der  Zwischen- 
Viaduktstrecken  schwere  Steinpfeiler  mit  obelisken- 
artigen Endigungen  von  frischer  und  neuer  Erfindung. 
Wir  geben  in  unseren  Abbildungen  einige  dieser  höchst 
anziehenden  Bildungen  nach  Entwürfen  von  Bruno 
Möhring,  Alfr.  GrenanderundCremer  &Wolff en- 
stein wieder.  In  diesen  interessanten  Werken  feiert 
der  „ästhetische  Ueberfluss“  einen  völligen  Sieg  über 
den  rein  wirthschaftlichen  Standpunkt. 

In  gleichem  Maasse  ist  das  der  Fall  bei  einzelnen 
Bahnhöfen  oder  Haltestellen,  wie  sie  von  der  Verwaltung 
genannt  werden.  Die  Hoch-  und  Untergrundbahn  hat 
imganzen  lo  Zwischenstationen,  von  welchen  die 
Haltestellen  „Kottbuser  Thor“,  „Oranien  - Strasse“, 
„Prinzen-Strasse“,  „Möckern-Brücke“  und  „Hallesches 
Thor“  nach  einer  Normalie  ausgeführt  sind.  Von  ihnen 
allerdings  wurde  mit  Ausnahme  der  Haltestelle  „Halle- 
sches Thor“  der  veredelnde  Einfluss  der  Kunst  fernge- 
halten. Sie  sind  schlauchartige  Bildungen  mit  senk- 
rechten Glaswänden  und  gewölbtemWellblechdach,  ohne 
allen  Anspruch,  sich  der  architektonischenUmgebung  an- 
zupassen, ein  Umstand,  der  besonders  bei  der  Haltestelle 
„Möckern-Brücke“  (Jahrg.  1901  S.  596)  empfunden  wird 
und  den  Wunsch  auslöst,  es  hätten  die  künstlerischen 
Mittel,  die  zum  Schmucke  der  benachbarten  Hoch- 
bahnbrücke über  den  Landwehrkanal  verwendet  wur- 
den und  die,  fortdauernd  dem  Rauch  der  Lokomotiven 


der  Anhälter  Bahrt  aüsgesetzf,  bald  ihre  Wirkung 
versagen  dürften,  zur  Ausschmückung  dieses  Bahn- 
hofes verwendet  werden  sollen.  Indessen  ist  hier  die 
Verwaltung  nicht  ganz  unabhängig  gewesen.  — Eine 
infolge  der  geringen  Mittel  nur  bescheidene  architekto- 
nische Ausbildung  ist  durch  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Necker 
für  den  Bahnhof  „Stralauer-Thor“  versucht  (s.  Jahrg. 
1901  3.596).  Da  indessen  der  Bahnhof  eine  unmittel- 
bare Fortsetzung  der  in  reichem  märkisch-gothischem 
Ba'cksleinstil  gehaltenen  Oberbaumbrücke  ist,  so  ist, 
namentlich  auch  im  Hinblick  auf  die  baldige  Fort- 
setzung der  Bahn  über -diesen  vorläufigen 'Endpunkt 
hinaus  anzunehmen,  dass  der  hier  errichtete  Bahnhof 
nicht  das  letzte  Wort  der  Verwaltung  ist. 

Mit  erheblichem  Aufwande  hat  der  Bahnhof 
„Schlesisches  Thor“  durch  Grisebach  & Dinklage 
eine  ansprechende,  durch  die  Eigenartigkeit  der  ört- 
lichen Verhältnisse  lebhaft  gruppirte  künstlerische  Ge- 
stalt erhalten  (s.  S.  269).  Die  Bahn  überschreitet  unter 
•spitzem  Winkel  einen  langgestreckten  Platz,  dessen 
bescheidene  Grössen  Verhältnisse  im  Grundriss  zu 
-äusserster  Ausnutzung  der  Fläche  veranlassten  und 
so  die  merkwürdigen  Verschneidungen  und  Ausbauten 
•hervorriefen.  Der  Bau  ist  ein  Werksteinbau  mit  Back- 
steinfläche und  ist  in  der  gothisirenden  Frührenaissance 
gehalten,  welche  den  zahlreichen  Bauten  der  Firma 
ihr  charakteristisches  Gepräge  verleiht.  Soweit  die 
Räume  im  Erdgeschoss  nicht  durch  den  Bahnbetrieb 
in  Anspruch  genommen  werden,  sind  sie  Läden  und 
Restaurationslokale.  Nur  einzelne  Theile  der  Anlage 
sind  zur  Gewinnung  eines  schönen  malerischen  Bildes 
über  das  Erdgeschoss  hinausgeführt.  — 

(Schluss  folgt) 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  ii 

III.  Konstruktion  und  Einrichtung  einiger  Aus- 
stellungsbauten. (Fortsetzungaus  No.  38.) 
b.  Die  Haupt-Industriehalle,  die  Festhalle  (Haupt- 
Bierrestaurant)  und  das  Haupt-Weinrestaurant. 

usser  der  bereits  beschriebenen  Maschinenhalle,  der 
Licht-  und  Kraftzentrale  für  das  ganze  Ausstellungs- 
gebiet und  gleichzeitig  Ausstellungshalle  für  die 
Gruppen  IV  und  V,  Maschinenwesen  und  Elektrotechnik, 
sind  von  der  Ausstellungs-Verwaltung  selbst  die  Haupt- 
Industriehalle  nebst  ihren  3 Erweiterungsbauten,,  sowie  das 
gleichzeitig  als  Festhalle  dienende  Haupt-Bierrestaurant, 
wie  auch  das  Haupt- Weinrestaurant  ausgeführt  worden. 

Die  Industriehalle,  welche  von  den  23  Aussteilungs- 
gruppen (vergl.  den  Lageplan  mit  der  Gruppenangabe  auf 
S.  164),  mit  Ausnahme  des  Gartenbaues  und  des  Maschinen- 
wesens, im  Verein  mit  den  nothwendig  gewordenen  Er- 
weiterungsbauten Gegenstände  sämmtlicher  Ausstellungs- 
gruppen in  sich  aufnimmt,  ist  naturgemäss  das  bedeutendste 
aller  Ausstellungsgebäude  und  nimmt  dementsprechend 
einen  hervorragenden  Platz  in  der  Mitte  des  Ausstellungs- 
gebietes ein.  Leider  hat  die  Kostenfrage  bei  der  Ausge- 
staltung dieses  Gebäudes,  das,  den  stetig  wachsenden  An- 
sprüchen an  Ausstellungsfläche  entsprechend,  weit  über 
das  ursprünglich  geplante  Maass  hat  ausgedehnt  werden 
müssen,  eine  sehr  Ausschlag  gebende  Rolle  gespielt,  so- 
dass  der  ursprüngliche  Thieien’sche  Entwurf  hat  arg  be- 
schnitten werden  müssen  und  zur  Belebung  der  über 
400“  langen,  dem  Rheine  zugekehrten  Front  schliesslich 
im  wesentlichen  nur  ein  reicher,  von  einer  Kuppel  be- 
krönter und  von  Thürmchen  flankirter  Mittelbau  hat  aus- 
geführt werden  können. 

Wie  der  Grundriss,  Abbildg.  6 (S.  283)  zeigt,  besteht  die 
Industriehalle,  welche  eine  Grundfläche  von  28000  qm  be- 
deckt, aus  einem  Mittelbau,  dessen  Kuppel  sich  bis  zu 
67  m Höhe  erhebt  und  der  mit  seinen  Anbauten  haupt- 
sächlich als  Repräsentationsraum  dient.  Daran  schliessen 
sich,  mit  ihren  Axen  einen  stumpfen  Winkel  bildend,  je 
170  m lange  Seitenhallen  von  rd.  21  “ Höhe  und  15,9  “ 
Weite  an,  denen  noch  ein  niedrigerer,  mit  Pultdach  über- 
deckter Raum  von  7 “ Breite  vorgelagert  ist.  Hinter  die- 
ser hohen  Halle  liegen  niedrige  Querhallen  mit  Sattel- 
dächern von  15,5  m bezw.  13,8  “ Stützweite  und  einer 
solchen  Tiefe,  dass  für  den  grösseren  Theil  des  Gebäudes 
eine  Gesammtbreite  von  rd.  72  m entsteht.  Die  gesammte 
überdeckte  Grundfläche  stellt  sich  danach  auf  über 
27  000  qm,  wovon  etwa  1400  qm  auf  den  Mittelbau  entfallen, 
während  der  Re.st  für  Ausstellungszwecke  verbleibt.  Ein- 
schliesslich der  beiden  getrennt  ausgeführten  Erweiterungs- 

278 


i Düsseldorf  1902.  (Hierzu  die  Abbildungen  S.  283.) 

bauten  (reine  .Nutzbauten)  von  je  3400  qm  Grundfläche 
werden  etwa  35  000  qm  Fläche  von  der  Ausstellungs-Ver- 
waltung geboten  (gegenüber  24  000  qm  der  ursprünglichen 
Annahme). 

Abgesehen  von  dem  in  Eisen  hergestellten  Mittelbau, 
von  dem  wir  in  Abbildg.  4 S.  245  ein  Bild  während  der 
Montage  wiedergegeben  haben,  ist  vorwiegend  Holz  als  Bau- 
material sowohl  für  die  niedrigen  Quer-  wie  für  die  hohen 
LängshaJlen  zur  Anwendung  gekommen.  In  Abbildg.  7, 
8 und  9 (S.  283)  sind  diese  Konstruktionen  dargestellt.  Die 
Binder  der  Haupthallen  haben  die  für  Holzkonstruktion  un- 
gewöhnlich grosse  Entfernung  von  7,4“.  Die  hohen,  stark 
belasteten  Stützen  konnten  daher  nicht  mehr  in  Holz  her- 
gestellt  werden.  Sie  sind  als  Fachwerksträger  ausgebildet, 
deren  Gurte  und  Horizontalen  aus  3C-Eisen  hergestellt 
sind,  während  die  Diagonalen  aus  Holz  mit  beiderseits 
aufgelegten  Flacheisen  bestehen.  Das  Holz  hat  dabei  die 
nöthige  Knickfestigkeit  abzugeben.  Die  Gründung  ist,  wie 
schon  einleitend  erwähnt  wurde,  derart  erfolgt,  dass  Beton- 
klötze, in  welche  die  Stützenfüsse  eingebettetsind,  dieEigen- 
last,  dagegen  bis  zum  gewachsenen  Boden  herabgeführte  und 
mit  den  Stützenfüssen  fest  verbundene  Pfähle  die  Windlast 
aufzunehmen  haben.  In  den  Dachbindern,  die  als  eine 
Verbindung  von  Hänge-  und  Sprengwerk  ausgebildet  sind, 
ist  nur  die  Zugstange  aus  Eisen  hergestellt,  ebenso  wie 
die  Zugstangen  der  die  Stützen  verbindenden  Längsträger, 
welche  unter  den  die  Halle  beleuchtenden  grossen  Fenstern 
der  Längswände  liegen.  Die  Dachpfetten  sind  sowohl  in 
lothrechter  wie  in  wagrechter  Ebene  mit  Kopfbändern  aus- 
gestattet, ausserdem  sind  an  den  Hallenenden  noch  einige 
besondere  Windstreben  eingelegt. 

Die  Konstruktion  der  mit  Oberlicht  erleuchteten  hin- 
teren, niedrigen  Hallen  geht  aus  Abbildg.  9 hervor.  Auch 
hier  sind  die  Dachbinder  als  kombinirte  Hänge-  und  Spreng- 
werke  ausgebildet.  Die  Zwischenstützen  sind  hier  aus 
Holzpfosten,  die  Endständer  der  einzelnen  Hallenbauten 
dagegen  in  vorbeschriebener  Weise  hergestellt. 

Die  Mittelhalle  besitzt  einen  Sseitigen  Grundriss  (aber 
von  verschiedener  Seitenlänge)  von  29  m Weite  in  der 
Richtung  der  beiden  Hauptaxen.  Daran  schliessen  sich 
noch  4,  ira  Grundriss  rechteckige  Vorhallen  von  je  7,50m 
Tiefe  und  an  der  vorderen  Eintrittshalle  beiderseits  noch 
Thürmchen  an , die  sich  bis  zu  einer  Höhe  von  38  “ er- 
heben und  durch  einen  Gang  mit  dem  Obergeschoss  der 
Vorhalle  verbunden  sind.  Wie  die  schon  erwähnte  Abbil- 
dung auf  S.  245  erkennen  lässt,  besteht  der  Kuppelbau 
aus  einem  dem  8 eckigen  Grundriss  entsprechenden  Unter- 
bau von  25  m Höhe,  über  welchem  sich  die  Kuppel  in 
16  m Höhe  bis  zum  Fussring  der  Laterne  wölbt.  Letztere 

No.  44. 


hat  einschl.  des  oberen  Aufsatzes  wiederum  lö“  Höhe.  . Die  Festhalle  ist  in  den  Abbildgn.  10—13  im  Grundriss, 
Die  Kuppel  ist  durch  einen  mittleren  Ring  in  2 Zonen  Längsschnitt  und  2 Querschnitten  dargestellt.  Sie  besteht 
getheilt.  Die  Kuppelform  und  auch  die  äussere  Umgrenzung  aus  einem  als  Konzertsaal  dienenden  Hauptraum  von  20,46“» 
derLaterne  sowie  des  Daches  derThürmchen  werden  durch  Lichtweite  bei  49)56®  Länge  mit  13,5®  Scheitelhöhe  der 
Holzsparren  und  Pfetten  hergestellt,  auf  denen  Schalung  gewölbten,  die  Dachkonstruktion  verhüllenden  Drahtputz- 
aüfgebracht  ist.  Die  Kuppel  besitzt  ein  inneres  Rabitz-  Decke.  Am  Kopfende  schliesst  sich  die  Orchesternische  von 
gewölbe,  das  in  rd.  26“  Höhe  über  dem  Fussboden  mit  9,60“  Tiefe  an,  der  noch  ein  breites  Podium  im  Saale 
einem  farbigen  Oberlicht  von  rd.  13  ® Durchmesser  ab-  vorgelegt  ist.  Pfeilerstellungen  trennen  am  anderen  Saal- 
schliessf  und  an  dem  oberen  Kuppelring  aufgehängt,  bezw.  ende  einen  Theil  von  15  “ Tiefe  ab,  an  weichen  sich  seit- 
auf  den  unteren  abgestützt  ist.  lieh  7,5  ® tiefe  niedrigere  Säle  anschliessen,  die  sich  vom 

Der  Entwurf  und  die  Berechnung  der  Konstruktion,  des  Häuptsaale  durch  4 m hohe  Abschlusswände  trennen  lassen. 
Hauptgebäudes  rühren  von  Hrn.  Ing.  O.  Leitholf-Berlin,  Der  Hauptsaal  mit  Orchester  bietet  etwa  1250  q®  Grund- 


Abbiidg.  10  — 13. 


Festhalle  und  Haupt^Bierrestaurant. 

Entwurf  und  Berechnung  der  Konstruktion  von  Ingenieur  O.  Leitholf  in 
Berlin,  ^ — Ausführung  von  Boswau  & Knauer  in  Berlin-Köln  a.  Rh, 


her.  Die  Eisenkonstruktion  des  Kuppelbaues  ist  von  der 
Firma  Hein,  Lehmann  & Cie.  in  Düsseldorf-Oberbilk  aus- 
geführt, während  die  Firma  Boswau  & Knauer-Berlin, 
Filiale  in  Köln,  die  Aufstellung,  Vorhaltung  und  Wieder- 
beseitigung des  ganzen  Gebäudes  in  Generalunternehmung 
übernommen  hat.  Die  Kosten,  einschl,  der  beiden  Er- 
weiterungsbauten, waren  auf  1,2  Mill.  -M.  veranschlagt. 


fläche.  Bei  Konzerten  finden  etwa 
2000  Personen  in  den  Räumen  Sitz- 
plätze. 

Av  Am  Kopfende  ist  dem  Gebäude 

1 \ Vestibül  mit  Treppenthürnlchen, 

\ \ welche  die  zu  einer  Empore  führen- 

X \ den  Treppen  enthalten,  nebst  Gafde- 
\ \ ■ \ fobenräuraen  und  Toiletten  vorgela- 

, . • ~l-|-  --.I  An  .der  einen  Langseite  schlieS; 

•n.  sen  sich  Wirthschaftsräume  von  20 

■''j  ' J I r zu  16  m Grundfläche  an , während 

! / ’/  breite,  an  den  Seiten  offene  Hallen 

/ U den  Rest  des  Gebäudes  umziehen. 
I / Für  den  Wirthschaftsbetrieb  sind 

/ grössere  Küchen  und  die  nothwen- 

\ digen  Keller  vorgesehen.  Im  übrigen 

ist  das  Hauptgebäude  nicht  nnter- 
kellert.  Die  Gesammtfläche  des  Ge- 
■■  bäudesbedeckt28oo<i“».  DieKonstruk- 

tion  geht  aus  den  beiden  Schnitten 
hervor.  Das  Hauptdach  (vergl.  Schnitt  J.—B)  erhebt  sich 
mit  dem  First  bis  zu  21  “»  Höhe  bei  21  “ Stützweite.  Die 
in  5®  Entfernung  liegenden  Binder  sind  bis  auf  die 
Anordnung  eiserner  Zugstangen  ganz  in  Holz  konstrulrt. 
Die  Stützen  zeigen  dagegen  dieselbe  Konstruktion  wie  bei 
der  Industriehalle.  Abweichend  hiervon  sind,  wie  Schnitt 
C— ZJ  zeigt,,  im  vorderen  Theile  des  Hauptsaales,  über 


31.  Mal  1902. 


279 


welchem  sich  an  das  Hauptlängsdach  noch  2 hohe  Quer- 
dächer anschliessen,  zwei  portalartige,  in  Eisen  konstruirte 
Binder  eingelegt.  Auch  in  der  Giebelwand  zwischen 
Vestibül  und  Hauptsaal  und  an  anderen  Stellen,  wo 
grössere  Wandöffnungen  zu  überdecken  sind,  ist  das 
Eisen  als  Verstärkung  der  Holzkonstruktionen  zu  Hilfe 
genommen.  Entwurf  und  Berechnung  der  Konstruktion 
rühren  ebenfalls  von  Ing.  0.  Leitholf  her,  die  Ausführung 
von  Boswau  8c  Knauer.  Die  Kosten  stellten  sich  auf 
iioooo  M. 

Das  Haupt  Weinrestaurant,  1900^“  Grundfläche,  wird 
in  den  Abbildgn.  14—16  in  Grundriss  (mit  eingezeichneter 
Dachzerfallung),  Längsschnitt  und  Querschnitt  vorgeführt. 
Den  Kern  der  Anlage  bildet  ein  grosser  Speisesaal  von  26,5  m 
Länge  bei  15,7m  Breite,  also  von  rd.  420 q®  Grundfläche 


nutzen  lässt.  Hinter  dem  Restaurationsgebäude,  nach  dem 
Hauptwege  der  Ausstellung  zu,  sind  die  ausgedehnten 
Wirthschaftsräume,  sowie  der  Eingang  zum  Ilauptsaal  mit 
geräumigem  Vestibül,  Garderobe,  Toiletten  in  niedrigeren 
Anbauten  untergebracht.  Nach  der  Rheinseite  zu  schliesst 
sich  ein  breiter  offener  Altan  an,  während  das  Halbrund 
des  einen  Kopfendes  von  seitlich  offenen  Hallen  umzogen 
wird.  Die  Haupträume  sind  nicht  unterkellert,  dagegen 
die  Wirthschaftsräume  und  der  Altan  an  der  Rheinseite, 
sodass  bedeutende  Kellereien  für  den  Wirthschaftsbetrieb, 
bezw.  für  die  Sektkellerei  nebst  Probirstube  von  Deinhardt 
& Co.  gewonnen  wurden. 

Die  in  3,85®  Entfernung  liegenden,  15,7“  weit  ge 
spannten  Dachbinder  sind  ganz  in  Holz  konstruirt,  auch 
die  als  Fachwerk  ausgebildeten  Stützen.  Eiserne  Walz- 


Bahnhof  „Bülowstrasse*.  Architekt:  Bruno  Möhring  in  Berlin. 

Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 


und  9®  Höhe.  An  denselben  schliesst  sich  ein  zweiter  Saal  träger  sind  dagegen  für  die  Unterzüge  der  Kellerdecken 
für  den  übrigen  Restaurationsbetrieb  von  gleicher  Breite  verwendet.  Die  Gründung  entspricht  der  schon  geschil- 
aber  nur  8®  Höhe  an,  der  halbkreisförmig  abgeschlossen  derten  Ausführung  bei  der  Industriehalle.  Der  Entwurf 
ist  und  rd.  250  q®  Fläche  bietet.  Nach  der  Rheinseite  der  Konstruktion  erfolgte  im  Baubureau  der  Ausstellung, 
zu  lagert  sich  noch  ein  niedrigerer,  zweigeschossiger  Vor-  Die  Kosten  haben  rd.  85000  M.  betragen.  — 
bau  vor,  der  sich  von  den  übrigen  Räumen  getrennt  be-  (Schluss  ioigi.) 


MittheiluQgen  aus  Vereinen. 

Mecklenburgischer  Arch.»  u.  Ing.-Vereln.  In  der  Ver- 
sammlung zu  Schwerin  am  12.  April  d.  J.  hielt  der  als 
Gast  anwesende  Hr.  Bergrath  Nettekoven  einen  mehr 
als  zweistündigen,  durch  Vorlegung  vieler  Zeichnungen 
und  Modelle  erläuterten  Vortrag  über  das  im  Jahre  1M8 


von  einer  Aktien-Gesellschaft  unter  seiner  Leitung  in  An- 
griff genommene  Kali-Bergwerk  Jessenitz  und  die 
damit  verbundenen  Fabrikanlagen,  welches  unweit 
des  Fleckens  Lübtheen  im  südwestlichen  Mecklenburg  auf 
einem  von  Südost  nach  Nordwest  streichenden,  verhält- 
nissmässig  nahe  unter  der  Erdoberfläche  liegenden  Stein- 
salzrücken an  der  Mecklenburgischen  Siaatsbahn  liegt. 

No.  44. 


280 


Der  Vortragende  schilderte  in  eingehendster  Weise  die 
technischen  Vornahmen,  mittels  deren  es  schliesslich  ge- 
lungen sei,  die  entgegen  getretenen  Bauschwierigkeiten 
der  Abteufung  des  Schachtes  zu  überwinden,  und  die 
vor  kurzem  nunmehr  in  Betrieb  gekommene  Förderung 
des  Rohmateriales  aus  etwas  über  600  m Tiefe  in  völlig 
gesichertem  und  ununterbrochenem  Arbeitsgange  zu  be- 
werkstelligen. Der  geförderte  Carnellit  enthalte  14—17  % 
Chlorkali,  zu  dessen  Gewinnung  in  reinem  Zustande  die 
Fabrikanlage  auf  die  Verarbeitung  von  täglich  5000  Ztr. 
Rohsalz  eingerichtet  worden  sei.  Dem  Redner,  welcher 
einen  Sonderabdruck  aus  dem  demnächst  erscheinenden 
Werke  „Deutschlands  Kali-Industrie“  mit  den  auf  die  An- 
lage und  deren  Bau  bezüglichen  Einzelheiten  zur  Ver- 
theilung  brachte,  zollte  die  Versammlung  wohlverdienten 
Dank,  um  so  mehr,  als  mit  der  bevorstehenden  Sommer- 
Versammlung  noch  die  Besichtigung  des  Bergwerkes  an 
Ort  und  Stelle  verknüpft  werden  wird. 

Die, Versammlung  zu  Schwerin  am,  io.„,Mai  erledigte. 
Geschäftsangelegenheiten,  insbesondere  die  Zuschriften 
des  Verbands-Vorstandes  wegen  Verbreitung  der  Denk- 
schrift über  die  Stellung  der  höheren  städtischen  Baube- 
amten unter  den  Mitgliedern  der  inbetracht  kommenden 
städtischen  Körperschaften  und  wegen  der  Herausgabe 
des  Werkes  über  das  deutsche  Bauernhaus,  nachdem  sie 
zuvor  des  am  30.  April  im  rüstigsten  Mannesalter  ver- 
storbenen Mitgliedes,  grossh.  Eisenb.-Betr.-Dir.  Albrecht, 
welcher  - dem  Verein  seit  seiner  Gründung  angehörte, 
ehrend  gedacht  hatte.  Sodann  genehmigte  die  Versamm- 
lung mit  geringen  Aenderungen  den  von  den  Hrn.  Henne- 
mann, Hübbe  und  Wohlbrück  ausgearbeiteten  Vor- 
schlag zur  Aeusserung  des  Vereines  über  die  Stellung  der 
Techniker  zu  der  Frage  über  die  Beschaffung  billiger 
Wohnungen.  Schliesslich  wurde  als  Richtschnur  für  den 
zur  Feststellung  des  Sonderprogrammes  der  Sommer- 
Versammlung  aus  den  Hrn.  Hamann  und  Brüssow 
(Schwerin)  und  Klett  und  Voth  (Ludwigslust)  gebildeten 
Ausschuss  beschlossen,  am  15.  Juni  in  Pritzier  zusammen- 
zutreffen, von  dort  aus  in  Wagen  nach  dem  Bergwerk 
Jessenitz  und  nach  der  Besichtigung  desselben  ebenso 
wieder  zurückzufahren  und  die  geschäftliche  Versammlung 
dann  Abends  in  Ludwigslust  zu  halten.  — H. 

Pfälzische  Kreisgesellschaft  des  bayer.  Architekten-  und 
Ingenieur-Vereins.  Am  ii.  Mai  1902  fand  in  Speyer  die 
59.  Versammlung  des  Vereins  statt.  Um  ii  Uhr  trat  man 
einen  Gang  durch  die  Stadt' zur  Besichtigung  ihrer  hoch- 
interessanten Bauten  an.  Zunächst  wurde  unter  Führung 
des  Hrn.  Bahnhofverw.  Heuser  das  Judenbad  — der 
Rest  einer  Synagoge  in  romanischem  Stile  — besichtigt. 
Alsdann  übernahm  Hr.  k.  Bauamtmann  Baer  die  Führung 
zu  den  im  Rohbau  vollendeten  staatlichen  Neubauten  des 


Gymnasiums  und  Kreis-Arehivs,  welche  durch  ihre  schönen 
Fornien  allgemeinen  Beifall  fanden.  Der  hieran  sich  an- 
schliessende Besuch  des  Domes  bot  der  Versammlung 
Gelegenheit,  die  zi  Z.  im  Gange  befindlichen  Ausgrabun- 
gen der  Kaisergräber  im  Königs-Chore,  bezw.  die  ge- 
plante Ausführung  einer  Kaisergruft  in  Augenschein  zu 
nehmen.  Von  dieser  altehrwürdigen  Grabstätte  der  Kaiser 
begab  man  sich  wieder  zu  den  Bauten  der  Neuzeit,  und 
zwar  zunächst  zu  dem  Ende  1901  fertig  gestellten,  von 
Hrn.  Arch.  Schöberl  in  Speyer  entworfenen  Gebäude 
des  Oberpostamtes.  Die  im  Barockstile,  massiv  in 
Sandstein  mit  formvollendeten  Stein-  und  Bildhauer-Ar- 
beiten grossartig  angelegten  Fassaden  gaben  ein  stattliches 
Bild  des  äusseren  Baues,  während  andererseits  die  Schalter- 
halle, sowie  das  höchst  bequem  angelegte  Stiegenhaus  den 
neuesten  Anforderungen  entsprechen.  Den  Schluss  des  Um- 
ganges bildete  die  Besichtigung  der  vonFlügge  und  N o r d t - 
mann  entworfenen  Protestationskirche,  in  welcher 
„die.  Ve.rsammlung  .von  dem  um. diesen  Bau.  so  hochver- 
dienten Hrn.  Prof.  Gümbel  empfangen  und  belehrt  wurde. 
Der  sechseckige,  loöm  hoch  geplante  Thurm,  welcher  in 
seinem  Untergeschosse  eine  Gedächtnisshalle  bildet,  ist 
bis  zu  einer  Höhe  von  37  m fertig  gestellt,  während  die 
eigentliche  Kirche  — ein  kurzes  Langhaus  mit  Quer- 
schiffen und  Chor  — ganz  unter  Dach  gebracht  ist.  Die 
in  gothischem  Stile  erbaute  Kirche  zeigt  die  formvollen- 
detsten Ausführungen,  wie  auch  die  Glasgemälde  der' 
Fenster  die  grösste  Bewunderung  erregten.  Es  wäre  nur. 
zu  wünschen,  dass  die  Mittel  zur  Vollendung  dieses  herr-' 
liehen  Baues  reicher  flössen,  damit  die  Fertigstellung  des- 
selben nicht  so  weit  hinausgerückt  würde. 

Um  1V3  Uhr  versammelte  man  sich  im  Saale  der 
Harmonie-Gesellschaft  zur  Behandlung  des  geschäftlichen. 
Theils.  Wegen  Erkrankung  des  ersten  Vorsitzenden,  Ob.- 
Ing.  Jolas,  wurde  die  Sitzung  durch  den  zweiten  Vorsitzen- 
den, Hrn.  k.  Bauamtmann  Frauenholz,  geleitet.  Nach 
dem  Berichte  desselben  über  das  Vereinsjahr  1901  erfolgte 
durch  den  Rechner  die  Rechnungsablage  für  1901,  sowie 
die  Vorlage  des  Voranschlages  für  1902.  Demnächst  schritt 
man  zur  Ergänzungswahl  für  zwei  satzungsgemäss  aus- 
scheidende Vorstandsmitglieder,  als  welche  Hr.  Direktions- 
Rath  Müller-Ludwigshafen  und  Hr.  k.  Bauamtmann  Baer- 
Speyer  gewählt  wurden. 

Inbetreff  des  vom  Verein  herausgegebenen  Und  ira 
Selbstverläge  desselben  erschienenen  Sammelwerkes  „Die 
Baudenkmale  in  der  Pfalz“  wurde  berichtet,  dass  fast  die 
Hälfte  sämmtlicherLieferungen  in  neuer  Auflage  erschienen 
ist  und  auch  in  diesem  Jahre  wieder  mehrere  Lieferungen 
neu  gedruckt  werden  müssen  — ein  Beweis,  dass  dieses 
hochinteressante  Werk  stark  begehrt  ist.  Dasselbe  ist  in 
5 Bänden  mit  27  Lieferungen  erschienen  und  kostet  40  M.; 
einzelne  Lieferungen  werden  zu  2 M.  abgegeben. 


Zur  Stuttgarter  Theaterfrage. 

er  Brand  und  die  Zerstörung  des  Hoftheaters  in 
Stuttgart  haben  in  der  schwäbischen  Residenz 
Theaterfragen  hervorgerufen,  welche  über  die  Gren- 
zen der  Stadt  hinaus  Bedeutung  erlangt  haben  und  um 
so  eingehender  erörtert  werden  können,  als  ein  nach  dem 
Entwürfe  der  Architekten  Eisenlohr  &Weigle  in  Stutt- 
gart zur  Errichtung  gelangendes  Interimstheater  den  drin- 
gendsten Theaterbedürfnissen  . so  lange  genügt,  bis  die 
Bevölkerung  sich  wieder  geordneter,  den  modernen  An- 
sprüchen an  die  Bühnenkunst  vollauf  Rechnung  tragender 
■Verhältnisse  erfreut.  Bald  nach  der  Katastrophe,  die  das 
alte,  seinen  vielseitigen  Zwecken  in  recht  ungenügender 
Weise  entsprechende  Haus  heimsüchte,  begannen  die  Be- 
rathungen über  die  Neugestaltung  der  Theaterverhältnisse 
und  über  die  Stelle,  an  welcher  in  Zukunft  die  Bühnen- 
kunst ihren  Sitz  aufschlagen  könnte.  Dabei  ergaben  sich 
zwei  grundsätzlich  widersprechende  Strömungen.  Die 
einen  wollten  ein  neues  Haus  für  Oper  und' Drama  -an- 
der Stelle  des  alten  Hoftheaters  errichtet  wissen,  eine 
Strömung,  welche  ihre  Stütze  hauptsächlich  in  der  günsti- 
gen, dem  Schloss  unmittelbar  benachbarten  Lage  der  Bau- 
stelle erblickte,  während  eine  andere  Strömung,  gestärkt 
durch  gute  Gründe  des  Theaterbetriebes,  die  Errichtung 
zweier  Häuser,  eines  kleineren  für  das  Drama,  eines 
grösseren  für  die  Oper  anstrebt.  Hierfür  wäre,  wie  man 
meint,  der  Platz  des  alten  Theaters  zu  klein  und  man  müsste 
eine  andere  Baustelle  ins  Auge  fassen.  In  dem  Widerstreit 
der  Meinungen  griff  man  zu  dem  Auskunftsmittel  der  Be- 
fragung von  Sachverständigen.  Der  Architekt  Heinrich 
Seeling  in  Berlin  und  der  Architekt  Prof.  Max  Litt^ 
mann  in  München  sprachen  sich  mit  aller  Entschieden- 
heit für  eine  Trennung  des  Dramas  von  der  Oper  aus 
und  befür-worteten  unabhängig  yoaeinander  die -Er^^ 
zweier  Theater,  eines  Theaters  für  das  Drama  mit  800  bis 

283. .. 


1000  Sitzplätzen,  und  eines  Hauses  für  die  Oper  für  1600 
bis.  1800  Sitzplätze,  jedoch  nicht  in  der  Gesammtanlage 
getrennt,  sondern  zur  Ersparniss  im  technischen  Betriebe 
als  Doppeltheater  räumlich  unter  einem  Dache  vereinigt. 

Was  bei  diesen  Vorschlägen  in  erster  Linie  interessirt, 
das  ist  die  mit  Nachdruck  behauptete  Nothwendigkeit 
einer  Trennung  der  Fächer,  welcher  sich  neben  den 
Architekten  auch  die  Bühnenpraktiker,  und  zwar  sowohl 
Bühnenleiter  wie  Darsteller  anschliessen  und  die  gleich- 
massig  in  der  Entwicklung  des  Dramas  unserer  Tage  wie 
auch  der  der  Opernmusik  begründet  ist.  Das  Drama  ist  mehr 
und  mehr  Stimmungsdrama  geworden;  die  zunehmende 
Verinnerlichung  der  Darstellung,  die  Blosslegung  der  Seelen- 
vorgänge, das  entschiedenere  Zurückgreifen  auf  die  Natur 
haben  ein  Drama  geschaffen,  welches  den  Beschauer  in 
anderer  Weise  als  sonst  in  seinen  Bann  schlägt.  Waren 
es  früher,  bei  zahlreichen  Stücken  unserer  Klassiker,  das 
edle  Pathos,  der  schöne  Fluss  der  Rede,  an  welchen  sich 
der  Zuschauer  als  an  einer  schönen  Form  erfreute, 
so  -geht' das'  moderne  Drama-  mehr  auf-  unmittelbare 
Seelenwirkung  und  Gemütsbewegung,  und  mit  dem 
zunehmenden  gewählten  oder  krassen  Naturalismus  wurde 
die  Art  zu  sprechen  eine  andere.  Konnten  leidenschaft- 
liches Pathos  und  tönende  Rede  sehr  wohl  auch  ein  Haus 
ausfüllen,  in  welchem  in  regelmässiger  Abwechselung  die 
italienische  Oper  mit  allen  ihren  Nachahmungen  zur  Auf- 
führung gelangte,  Aufführungen,  die  weder  an  den  Zu- 
schauerraura  noch  an  das  Bühnenhaus  besondere  An- 
forderungen stellten,  so  weitete  sich  die  gleichwohl  schon 
bestehende  Kluft  zwischen  Oper  und  Drama  um  so  mehr, 
je  mehr  in  ersterer  die  Herrschaft  des  Wagner’schen 
Musikdramas  an  Boden  gewann,  an  die  Bühnengestaltung 
die  weitgehendsten  Anforderungen  stellte  und  auf  die 
Zuschauer  eine  solche  Anziehungskraft  ausübte,  dass  die 
i^.bCsteheti.den  Räume  zvk  ^leitt,'Wu,rden,..-uD.d  je  mehr,  letzte- 
res vom  Heldendrama  zum  Seelendrama  sich  entwickelte. 

..'No'..  44.: 


Kies  - Aufschütlunß 


'^^üherss  ^ ^ Geländ^^ 


Abbildg.  6 — 9. 

Die  industriehalle. 
Architekt:  G.  Thielen  f 
und  Andere. 

Entwurf  und  Berechnung  der 
Konstruktion  von  Ingenieur 
Leitholf  in  Berlin. 
Ausgeführt 

von  Boswau  & Knauer, 
Berlin-Köln. 


Von  der  Industrie-  und 
Kunstausstellung 
in  Düsseldorf  1902. 


fBniü 


ir^TlL.  ul: 


Abbildg.  14  — 16.  Haupt-Wein  res  taurani 
Entworfen  im  Baubüreau  der  Ausstellung. 


IrUJl 

raiALli 

I M li  ii-  L/ 


■■ 


31.  Mai  J902. 


Nachdem  zum  Schluss  Hr.  Bezirksbmstr.  Völcker- 
Landau  einen  von  feinem  Humor  durchwürzten  Vortrag 
über  die  im  vorigen  Jahre  zu  Königsberg  stattgehabte 
Abgeordneten-Versammlung  gehalten  hatte,  nahm  man  im 
„Wittelsbacher  Hof"  das  gemeinschaftliche  Mittagessen  ein. 


Vermischtes. 

Die  feierliche  Einweihung  des  Karlsruher  Hafens  als 
letzter  Theil  der  Festlichkeiten  zum  Regierungsjubiläum 
des  Grossherzogs  Friedrich  von  Baden  hat  am  27.  Mai 
stattgefunden.  Die  in  ihrem  tiefbautechnischen  Theile 
durch  den  grossherz.  Brth.  J.  Rosshirt,  in  ihren  Hoch- 
bauten durch  Hrn.  städt.  Hochbauinsp.  A.  Stürzenacker 
entworfene  schöne  und  einheitliche  Anlage  erfreute  sich 
der  lebhaftesten  Anerkennung  des  hohen  Jubilars  und  der 
übrigen  Festgäste.  — 


Todtenschau. 

Wilhelm  von  Pressel  'f-.  Am  19.  d.  M.  verstarb  hoch- 
betagt und  in  dürftigen  Verhältnissen  in  Konstantinopel 
der  seiner  Zeit  sehr  bekannte,  verdienstvolle  Eisenbahn- 
Ingenieur  Wilhelm  von  Pressel.  Im  Jahre  1821  in  Stutt- 
gart geboren,  trat  er  nach  absolvirtem  Studium  in  den 
württembergischen  Eisenbahn-Staatsdienst,  war  eine  Zeit 
lang  Professor  am  Polytechnikum  in  Stuttgart,  dann  be- 
traut mit  der  Leitung  des  Baues  schweizerischer  und 
österreichischer  Eisenbahnen,  wobei  besonders  seine 
Thätigkeit  für  die  Brennerbahn  hervorzuheben  ist. 

Der  Auftrag  des  Barons  von  Hirsch,  dessen  erste 
Eisenbahnlinien  in  der  europäischen  Türkei  zu  traciren, 
brachte  ihn  in  Beziehung  zum  Sultan,  in  dessen  Auftrag 
er  dann  3872  die  Vorarbeiten  für  die  ersten  Bahnlinien 
in  der  asiatischen  Türkei  ausführte.  Für  diese  Pläne 
ist  Pressel  wiederholt  eingetreten,  z.  Th.  in  scharfem 
Gegensatz  zu  den  Plänen,  wie  sie  jetzt  durch  die  Bagdad- 
bahn-Gesellschaft vielleicht  der  Verwirklichung  entgegen- 
geführt werden.  Trotz  verschiedener  Misserfolge,  die 
namentlich  dem  mangelnden  geschäfthchen  Sinne  des  im 
übrigen  hervorragenden  Technikers  zuzuschreiben  sind 
und  ihn  sowohl  bei  den  orientalischen  Bahnen  des  Baron 
Hirsch,  wie  bei  den  anatolischen  Bahnen  um  die  Früchte 
seiner  Arbeit  brachten,  ist  Pressel  seitdem  dem  Felde  seiner 
Thätigkeit  treu  geblieben.  Er  ist  auch  verschiedentlich 
schriftstellerisch  hervorgetreten.  Eine  seiner  letzten  Ar- 
beiten „Les  chemins  de  fer  en  Turquie  d’Asie",  die  in 
ihrem  Ürtheil  zumtheil  wohl  durch  die  Verbitterung  diktirt 
sind,  bezog  sich  insbesondere  wiederum  auf  die  Bagdad- 
bahn, die  er  in  anderer  Linienführung,  und  zwar  als  tür- 
kisches Staatsunternehmen,  gebaut  wissen  wollte.  Jeden- 
falls ist  in  ihm  ein  Mann  dahin  gegangen,  der  unter  gün- 
stigeren Verhältnissen  Bedeutendes  hätte  leisten  können.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
ein  Kreishaus  in  Kolberg  wird  zum  20.  Juli  für  deutsche 
Architekten  ausgeschrieben.  Es  gelangen  2 Preise  von 
2000  und  1000  M.  zur  Vertheilung;  ein  Ankauf  nicht  preis- 
gekrönter Entwürfe  für  je  400  M.  ist  Vorbehalten.  Dem 
Preisgerichte  gehören  u.  a.  an  die  Hrn.  Landesbrth.  Drews 
in  Stettin,  sowie  Kreisbauinsp.Barth  und Stdtbrth. Sprotte 
in  Kolberg.  Unterlagen  gegen  2 M.  durch  Kreisbmstr. 
Buch  in  Kolberg.  — 

In  einem  engeren  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine 
Synagoge  in  Bielefeld,  welche  800  Sitzplätze  enthalten  und 
300000  M.  kosten  soll,  waren  4 Architekten,  ein  ein- 
heimischer und  drei  auswärtige  eingeladen.  Im  Preisge- 
richte befanden  sich  als  Architekten  die  Firn.  Geh.  Reg.- 
Rath  Prof.  Ende-Berlin,  kgl.  Brth.  Büchling  und  Stadt- 
brth.  Ritscher  in  Bielefeld.  Das  Preisgericht  bezeich- 
nete  einstimmig  den  Entwurf  des  Hrn,  kgl.  Bauinsp.  E. 
Fürstenau  in  Steglitz  als  „in  jeder  Hinsicht  zur  Aus- 
führung geeignet".  Die  Raumgestaltung  zeigt  eine  Zen- 
tralanlage mit  „ausserordentlich  malerischem  reizvollem 
Aufbau.  Auch  die  Wahl  der  der  Frührenaissance  ent- 
lehnten zierlichen  Bauformen  muss" , nach  dem  Gut- 
achten der  Preisrichter,  „in  Anbetracht  der  Oertlich- 
keit  und  der  Umgebung  als  ein  weiterer  Vorzug  er- 
achtet werden".  — 

Auch  ein  Wettbewerb.  Der  Veteranen-  und  Militär- 
Verein  in  Friedberg  in  Hessen  möchte  ein  Krieger-Denkmal 
errichten,  welches  ,^in  interessanten  nicht  alltäglichen 
Formen  gehalten“  sein  soll  und  nicht  mehr  als  12  000  M. 
kosten  darf.  Für  Preise  sind  Mittel  nicht  vorhanden,  je- 
doch wird  dem  Verfasser  des  ausgewählten  (durch  wen?) 
Entwurfes  die  Ausführung  zugesichert.  So  verlockend  es 
auch  sein  mag,  um  diese  zu  ringen,  so  hätte  sich  doch 
in  diesem  Fäle  der  Weg  der  unmittelbaren  Uebertra- 
gung  an  eine  bewährte  Kraft,  an  denen  kein  Mangel  ist, 
empfohlen.  — 

Wettbewerb  der  „Vereinigung  Berliner  Architekten 
betr.  Entwürfe  zu  Bogenlicht-Kandelabern.  Als  Preisrichter 
sind  durch  die  „Vereinigung"  gewählt  die  Hrn.  ßrlh. 
von  Groszheim,  Reg.-Bmstr.  K.  Reimer  und  Arch. 
R.  Wolffenstein.  — 


Inhalt:  Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von 
Siemens  & Halske.  VII.  (Fortsetzung!.  — Von  der  Industrie-  und  Kunst- 
ausstellung in  Düsseldorf  igos.  III.  (Fortsetzung).  — Miltheilungen  aus  Ver- 
einen. — Vermischtes.  — Todtenschau.  — Preisbewerbungeu. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


Es  kann  demnach  nicht  überraschen,  dass  bei  dieser  Sach- 
lage sowohl  Bühnenleiter  wie  Schauspieler  sich  ohne  Ein- 
schränkung für  eine  Trennung  der  Bühnen  aussprachen, 
wie  sie  in  den  grossen  Hauptstädten  allenthalben  bereits 
durchgeführt  ist  und  auch  in  den  kleineren  Hauptstädten 
der  Provinz,  sofern  es  die  wirthschaftliche  Lage  der 
Theater  irgendwie  gestattet,  zum  Durchbruch  kommen 
wird.  Man  erinnert  sich  an  den  Sturm,  welcher  entstand, 
als  das  neue  Burgtheater  in  Wien  seine  Pforten  öffnete. 
Die  Gewöhnung  an  das  alte,  kleine,  enge  Haus  in  der 
Burg  war  eine  so  grosse,  das  Zusammenerleben  des  In- 
haltes eines  Dramas  von  Zuschauer  und  Darsteller  in  dem 
kleinen  Raum  ein  so  inniges,  die  persönlichen  Beziehungen 
zwischen  beiden  so  tiefe,  dass  es  grösserer  Umgestaltungen 
und  langer  Jahre  der  Gewöhnung  bedurfte,  bis  das  neue 
grössere  Haus  bei  Zuschauer  und  Darsteller  die  Sympathie 
fand,  aufgrund  deren  allmählich  eine  Beruhigung  stattfand, 
wenn  man  das  alte  Haus  auch  heule  noch  nicht  vergessen 
hat  und  in  der  alten  Generation  nicht  vergessen  kann. 
Mögen  auch  vielleicht  etwas  zu  weitgehender  konservativer 
Sinn,  Bequemlichkeit  und  gereizter  Widerspruch  bei  der 
Bewegung  mitgesprochen  haben,  zum  grössten  Theil  hat 
sie  in  dem  Umstande  ihre  Nahrung  gefunden,  dass,  wo 
es  sich  um  das  moderne  Konversalions-  und  Seelen-Drama 
handelt,  in  einem  kleineren  Hause  der  bekannte  Funke 
unmittelbarer  vom  Darsteller  zum  Zuschauer  überspringt, 
als  in  einem  grossen  Hause.  Der  modernen  Spezialisirung 
ist  demnach  auch  die  Bühnenbaukunst  verfallen.  Sie  erfor- 
dert kleine  Häuser  bis  zu  höchstens  900  Sitzplätzen  für 
das  Konversalions-  und  Seelendrama,  grössere  Häuser 
von  1500—2500  Sitzplätzen  für  die  Oper  und  sie  erstrebt 
schliesslich  ganz  grosse  Häuser  für  5000— 10000  Personen 
für  das  Volks-Schauspiel,  dessen  Dichtung  sich  den  Be- 
dürfnissen einer  grossen  Zuschauermasse  und  des  sie  auf- 
nehmenden Raumes  anpassen  muss. 

Neben  den  ^ Architekten  hat  man  in  Stuttgart  natur- 
gemäss  auch  Bühnenleiter  und  Schauspieler  befragt.  Alle 

284 


erklären  sich  mit  voller  Entschiedenheit  gegen  ein  „Kom- 
promiss"-Theater,  wie  es  genannt  wird,  von  etwa  1800 
bis  2000  Sitzplätzen.  Der  Intendant  von  Possart  be- 
fürwortete lebhaft  den  Gedanken  einer  Doppelbühne  und 
zwar  aus  Gründen  dauernder  Ersparniss,  grösserer  Be- 
weglichkeit und  Reichhaltigkeit  in  der  Darstellung,  sowie 
zur  Erzielung  neuer  Wirkungen  durch  die  mögliche  Er- 
weiterung und  perspektivische  Vertiefung  des  Bühnenbildes. 
Er  tritt  für  die  Doppelbühne  unter  der  Voraussetzung 
ein,  dass  die  Bühnenbreite  für  beide  Häuser  die  gleiche 
wäre  und  die  Scene  des  grossen  Hauses  7,  die  des  kleinen 
Hauses  4 Coulissen  betrüge.  Der  Uebertragung  der  Feuers- 
gefahr von  einem  zum  anderen  Hause  könnte  durch  ent- 
sprechende Isolirräume  vorgebeugt  werden.  Jedenfalls  ist 
der  Gedanke  des  Doppel-Theaters,  nachdem  er  be- 
reits in  dem  verflossenen  Berliner  Viktoria-Theater  einen 
Vorläufer  hatte  und  von  Semper  für  ein  Theater  für 
Baden  in  der  Schweiz  bearbeitet  war,  werth,  nach  mo 
dernen  Gesichtspunkten  einer  neuen  Lösung  zu- 
geführt zu  werden.  Die  deutsche  Theaterbaukunst  er- 
freute sich  im  Verlaufe  des  letzten  Jahrzehntes  einer  un- 
geahnten Entwicklung,  sie  hat  die  verschiedensten  Vor- 
würfe mit  Glück  aufgegriffen  und  gelöst , sie  wird  auch 
die  Stuttgarter  Theaterfrage  einer  Lösung  zuführen,  welche 
nach  den  gerade  hier  vorliegenden  eigenartigen  Verhält- 
nissen berufen  sein  könnte,  in  der  Entwicklungs-Geschichte 
des  deutschen  Theaters  eine  Bedeutung  zu  erlangen,  die 
vielleicht  nicht  ganz  von  der  Tragweite  des  Richard- 
Wagner-Theaters  ist,  aber  immerhin  die  Bedeutung  eines 
wichtigen  und  folgereichen  Schrittes  im  modernen  Theater- 
bau haben  könnte. 

Einstweilen  wogt  in  Stuttgart  noch  der  Kampf  der 
Meinungen  und  es  hat  auch  der  schwäbische  Landtag  ein 
gewichtiges  Wort  mitzusprechen.  Möchte  er  mit  dazu 
beitragen,  dass  ein  Werk  gefördert  wird,  welches  ein 
gutes  und  der  darstellenden  Kunst  zum  Segen  gereichen- 
des ist.  — •—  H.  — 


No.  44. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  45.  Berlin,  den  4.  Juni  1902. 


Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens  & Halske. 

VII.  Die  künstlerische  Ausbildung.  (Schluss.)  Hierzu  die  Abbildungeu  S.  u88  u.  289. 


erden  die  Bauten  des 
Bahnhofes  „Schlesisches 
Thor"  wesentlich  durch 
die  Verschneidungen  der 
Platzverhäitnisse  beein- 
flusst. so  ist  das  in  ähn- 
lichem Maasse  der  Fall 
bei  dem  Bahnhofe  „Prin- 
zenstrasse“. Dieser  zer- 
fällt in  drei  Theile:  in  die 
eigentlicheBahnhofshalle, 
die  sich  in  nichts  von  der 
Normalie  der  kunstlosen 
Zwischenbahnhöfe  unter- 
scheidet, in  das  nördliche 
Zugangshaus  mit  Schal- 
terhalle, welches  als  ein 
für  diesen  Zweck  erwor- 
benes Wohnhaus  sich 
gleichfalls  in  nichts  von 
den  Wohnhausbautender 
dortigen  Gegend  unter- 
scheidet, und  in  das  süd- 
liche Zugangshaus,  wel- 
ches auf  einer  dreieckigen 
Baustelle  errichtet  wurde, 
die  sich  aus  dem  Zusam- 
mentreffen der  Gitschiner 
, ^ ^ und  der  Prinzenstrasse 

bildet  und  nach  den  Entwürfen  von  Paul  Wittig  eine 
höchst  geschickte  Grundriss -Ausnutzung  bei  anspre- 
chender Gestaltung  des  Aeusseren  und  des  Inneren 
erfahren  hat  (s.  S.  288.) 

Ein  Bahnhof,  dessen  künstlerische  Gestaltung  be- 
sondere Schwierigkeiten  bot,  die  durch  die  Architekten 
Solf  & Wichards  in  glücklicherweise  überwunden 
wurden,  ist  der  auf  der  Scheide  zwischen  der  Ost-  und 
der  Weststrecke  stehende  Bahnhof  „Hallesches  Thor“. 
Der  monumentale  bauliche  Charakter  der  Oertlichkeit: 
die  figurengeschmückte  Kanalbrücke,  die  klassischen 
Thorbauten  und  die  Bedeutung  des  Belle-Alliance- 
platzes  als  eines  Denkmalplatzes  forderten  gebieterisch 
für  diesenBahnhof  einen  höheren  architektonischen  Auf- 
wand, bei  dessen  Gestaltung  es  der  reichen  Erfindungs- 
gabe der  Architekten  bedurfte,  aus  den  schwierigen 
örtlichen  Verhältnissen  des  Bahnhofes  selbst  etwas 
zu  schaffen,  was  den  innereren  Zwiespalt  des  Werkes 
nicht  allzu  stark  in  die  Erscheinung  treten  lässt  Der 
Bau  ist  trotz  aller  Kunst  der  Architekten  ein  Kom- 
promissbau  geblieben  und  konnte  nichts  anderes  wer- 
den, denn  es  galt  hier  nicht  sowohl,  die  Bahnhofshalle 
architektonisch  auszubiiden , als  ihr  eine  Architektur- 
gruppe vorzulagern,  welche  das  reine  NützUchkeits- 
gepräge  der  Bahnhofshalle  verdeckte.  Der  Bahnhof 
wurde  nur  dadurch  möglich,  dass  der  Stromfiskus 
und  die  Strompolizei  gestatteten,  bis  nahe  an  die 
Flucht  derWiderlager  der  Belle-Alliance-Brücke  in  den 
Landwehrkanal  hineinzubauen.  Infolge  der  mangeln- 
den Bodenfläche  war  daher  die  Lösung  des  Treppen- 
hauses, für  welches  Stützen  nicht  aufgestellt  werden 
konnten,  eine  jener  schwierigen  Konstruktionsfragen, 
welche  die  Gestaltung  des  Bahnhofes  wesentlich  be- 
einflusst  haben.  Die  von  den  Künstlern  vorgeschlagene 
Lösung,  das  erste  Treppenpodest  erkerartig  aus  dem 
Sandsteinvorbau  herauszukragen  und  die  Treppenläufe 
von  diesem  Erker  aus  frei  schwebend  zu  den  Bahn- 
steigen zu  führen,  ist,  freilich  nicht  ohne  einige  kon- 
struktive Kunststücke,  der  Schwierigkeiten  Herr  ge- 
worden (s.  nebenstehende  Abbildung). 

Die  Bahn  verlässt  den  Bahnhof  „Hallesches  Thor“ 
berührt  den  kunstlosen  Bahnhof  „Möckern-Brücke“ 


und  geht  dann  auf  eigenes  Gelände  der  Verwaltung 
über,  welches  u.  a.  den  Zugang  zum  Gleisdreieck  bildet. 
Der  Ankauf  dieses  an  der  Trebbiner  und  der  Lucken- 
walder  Strasse  gelegenen  Geländes  ist  nöthig  gewor- 
den zur  Freilegung  des  Weges  für  die  Bahn  und  zur 
Errichtung  des  Kraftwerkes,  Letzteres  erhebt  sich 
nach  den  Abbildungen  auf  S.  289  als  eine  nach  den 
Entwürfen  von  Paul  Wittig  errichtete  geschlossene 
Anlage  von  grossem  Zug  in  der  Trebbiner  Strasse; 
es  ist  an  dem  Gebäude  der  erfolgreiche  Versuch  unter- 
nommen worden,  einem  reinen  Nutzbau  ein  charakte- 
ristisches künstlerisches  Gepräge  zu  verleihen,  welches 
namentlich  durch  die  in  der  Fassade  sich  spiegelnde 
innere  Gliederung  des  Hauses  zum  Ausdruck  kommt. 
Das  Material  ist  sparsamer  Sandstein  für  die  Archi- 
tekturtheile,  rothes  Ziegelmauerwerk  für  die  Flächen. 
Aus  dem  gleichen  Material,  jedoch  in  reicheren  For- 
men, ist  das  dem  Kraftwerk  vorgela.gerte  Wohn- 
und  Verwaltungs-Gebäude  erriclitet,  welches  die  Bahn 
im  Kopfe  durchschneidet.  Die  räumlich  beschränk- 
ten Verhältnisse  der  Baustelle  waren  die  Veranlassung 


Bahnhof  „Hallesches  Thoi*.  Architekten:  Solf  & Wichards. 


zu  reichlicher  Erkerbildung,  durch  welche  auch  dieses 
Gebäude  ein  eigenartiges  Gepräge  erhalten  hat. 

Einen  besonderen  Typus,  von  der  knappen.  Nor- 
malie  in  vortheilhafter  "V^eise  abweichend,  bilden  die 
Bahnhöfe  „Bülowstrasse“  und  „Noliendorfplatz“.  Die 
stattliche  Breite  der  Bülowpromenade  erlaubte  nicht 
nur,  die  Hauptträger  der  Bahn  durch  massive  Stein- 
pfeiler zu  unterstützen,  sondern  es  war  auch  möglich, 
statt  der  bei  den  anderen  Bahnhöfen  frei  vorkragen- 
den Bahnsteige  besondere  Bahnsteigträger  von  der 
Spannweite  der  Hauptträger  anzuordnen  und  auch 
diese  durch  Steinpfeiler  zu  unterstützen.  Durch  diese 
konstruktiven  Maassnahmen  gewannen  die  beiden 
Bahnhöfe  eine  vollkommenere  Gestalt  und  es  war 
daher  leichter,  ihnen  ein  befriedigendes  architek- 
tonisches Gepräge  zu  verleihen,  als  bei  den  anderen 
Bahnhöfen.  „Die  massiven  Unterbauten  gaben  dem 
Architekten  die  von  ihm  so  sehr  gewünschten  Massen, 
welche  beim  Eisenbau  zu  vermissen  ihm  schwer 
fällt“  (Bousset).  Für  die  Gestaltung  des  Bahnhofes 
„Bülowstrasse“  wurde  ein  Wettbewerb  ausgeschrieben, 
aus  welchem  Bruno  Möhring  in  Berlin  als  Sieger 
hervorging.  Was  er  dann  aufgrund  des  Wettbewerbs- 
Entwurfes  nach  umfangreichen  Vorstudien  für  die 
Ausführung  geschaffen  hat,  ist  in  Entwurf  und  for- 
maler Durchbildung  so  neu,  so  frisch,  so  kraftvoll 
und  so  schön,  dass  der  Bahnhof  „Bülowstrasse“  vor- 
bildliche Bedeutung  für  die  Entwicklung  der  neueren 
Architektur  in  Berlin  gewonnen  hat. 

Auf  dem  Wege  des  unmittelbaren  Auftrages  ist  der 
stolze  Aufbau  des  Bahnhofes  „Nollendorfplatz“  durch 
Cremer  & Wolffenstein  entstanden.  Die  Bedeu- 
tung dieses  Bahnhofes  als  des  westlichen  Endpunktes 
der  Hochbahn,  hinter  welchem  diese  auf  der  schiefen 
Ebene  in  die  Unterpflasterbahn  übergeht,  ferner  die 
hervorragende  Lage  des  Bahnhofes  auf  einem  grossen 
Schmuckplatze  sowie  in  der  Axe  bedeutender  Strassen- 
züge  haben  die  Künstler  in  glücklicher  Weise  ver- 
anlasst, den  westlichen  Endpunkt  des  Bauwerkes  mit 
einer  Walmkuppel  mit  Laterne  zu  krönen,  die  w’eit- 
hin  nach  allen  Richtungen  sichtbar  ist.  Die  Kuppel 
besteht  aus  4 Stirnbindern  und  4 Gratbindern,  welche 
in  der  Auflagehöhe  der  Bahnsteigträger  von  den 
Steinpfeilern  aufgenommen  werden.  Diese  massigen 
Sandsteinpfeiler  endigen  in  hochragende  Pylonen  mit 
reichem  bildnerischem  Schmuck,  welche  die  Kuppel  an 
den  Ecken  wirkungsvoll  bereichern.  Eine  eigenartige 
und  neue  Form  hat  die  Laterne  der  Kuppel  erhalten. 


Hinter  dem  Bahnhof  fällt  die  Hochbahn  über  die 
Schmuckanlage  des  Platzes  hinweg  zunächst  auf  eiser- 
nem Viadukt,  dann  auf  steinerner  Rampe  zur  Unter- 
grundbahn. Die  dem  Platz  zugekehrte  Stirnseite  der 
Rampe  soll  eine  Brunnengruppe  erhalten.  Der  Tunnel- 
Eingang  sowie  der  bis  zur  Eisenacher  Strasse  offene 
Einschnitt  sind  durch  eine  reiche  und  schöne  Geländer- 
Entwicklung  zwischen  obeliskenartigen  Sandstein- 
pfeilern, beides  wieder  nach  dem  Entwurf  von  Cr  e m er  & 
Wolffenstein,  gegen  die  Fahrstrasse  abgeschlossen. 

Ueber  die  architektonische  Ausbildung  der  Unter- 
grundbahn-Strecke ist  nicht  viel,  aber  um  so  Bemerkens- 
wertheres  zu  berichten.  Die,  unterirdischen  Stations- 
räume von  vorgeschriebenen  engen  Abmessungen 
bieten  der  künstlerischen  Th-ätigkeit  nicht  viel  Spiel- 
raum. Gleichwohl  hat  man  auch  hier  versucht,  über 
das  einfache  Bedürfniss  etwas  hinauszugehen  und 
einzelnen  Stützen  mit  bescheidenen  Mitteln  eine  in- 
teressante künstlerische  Form  zu  geben.  Die  Ver- 
suche Wittig’s  in  dieser  Beziehung  sind  in  den  Ab- 
bildungen S.  281  dargestellt.  Mehr  Gelegenheit  zu  künst- 
lerischer Thätigkeit  gaben  die  Treppenzugänge  zu  den 
Bahnhöfen.  Während  die  Pariser  „Metropolitain“  nach 
der  beistehenden  Skizze  die  Zugänge  z.  Th.  überdeckte, 
sind  sie inBerlindurchwegoffen geblieben  unddieStufen 
nach  rückwärts  geneigt,  um  durch  Schlitze  das  Regen- 
wasser abfliessen  zu  lassen,  eine  Anordnung,  gegen 
die  unseres  Wissens  sich  bisher  technische  Anstände 
nicht  ergeben  haben,  die  aber  den  Vorzug  besitzt, 


Zugang  zur  „Metropolitain"  in  Paris  a.  d.  Avenue  de  la  Grande  Armee. 


Ein  Beitrag  zum  Kapitel  der  staatlichen  Kunst- 
förderung. 

Degeben  sich  in  der  Kunstübung  unserer  Tage  Er- 
eignisse, welche  aus  dem  normalen  Verlaufe  der- 
selben heraustreten  und  eine  Erörterung  in  weiteren 
Kreisen  hervorrufen,  so  finden  diese  Ereignisse  häufig 
auch  einen  Reflex  in  den  parlamentarischen  Vertretungs- 
körpern. In  nur  ganz  seltenen  Fällen  aber  werden  diese 
Ereignisse  oder  werden  künstlerische  Neuerungen,  künst- 
lerische Thaten,  welche  die  Ueberlieferung  durchbrechen 
und  damit  eine  ungewöhnliche  Aufmerksamkeit  erregen, 
von  Vertretern  der  Parlamente  behandelt,  von  deren 
Bildungsgang  angenommen  werden  müsste,  dass  sie  in 
Beziehungen  zur  Kunst  stehen,  welche  über  die  losen  Be- 
ziehungen eines  „Kunstfreundes“  hinausgehen.  Wenn  es 
in  einerti  kleinen  Ländchen  an  der  Elbe  Brauch  war,  dass 
jeder  nur  von  seinesgleichen  gerichtet  werden  könne,  so 
haben  die  Parlamente  hierin  eine  Wandlung  herbeigeführt, 
welche  sich  wohl  auf  das  , verfassungsmässig  gewährleistete 
Recht  der  freien  Meinungsäusserung  stützt,  in  sachlicher  Be- 
ziehung aber  bisweilen  zu  Aeusserungen  geführt  hat,  die  von 
der  Künstlerschaft  nicht  gebilligt  wurden.  Man  erinnere  sich 
an  die  Angelegenheit  Lieber-Stuck  des  deutschen  Reichs- 
tages, man  erinnere  sich  ferner  an  die  alljährlich  im  preussi- 
schenHauseder  Abgeordneten  wiederkehrenden  beruhigen- 
den Versicherungen  eines  berufsmässig  der  Kunst  fernstehen- 
den Abgeordneten  über  den  neuen  Berliner  Dorii  und 
über  die  korrekte  Haltung,  welche'die  künstlerische  Leitung 
der  kgl.  preuss.  Porzellan-Manufaktur  gegenüber  den  sog. 
Auswüchsen  der  modernen  Kunst  einnehme. 

Es  gehört  zu  den  • eigenthümüchsten  Merkmalen  jeder 
entschieden  fortschreitenden  Kunstübung,  also  auch  der  mit 

286 


demNamen  dersezessionistischen  Kunstübung  unserer  Tage 
belegten,  dass  ihreWerke  entwederverzückter Begeisterung 
oder  maassloser  Gegnerschaft  begegnen.  Die  Leidenschaft- 
lichkeit beherrscht  nach  beiden  Richtungen  die  Gemüther  so 
völlig,  dass  die  ruhige,  unbefangene  Würdigung  ganz  aus- 
geschieden ist,  dass  die  Mittelstufe  zwischen  Schwärmerei 
und  Hass  gänzlich  fehlt  und  sich  entweder  nur  ent- 
zückte Bewunderer  oder  ablehnende  Gegner  gegenüber- 
stehen. Und  merkwürdiger  Weise  sehen  wir  diesen  Gegen- 
satz der  Meinungen  bis  in  die  Kreise  hinaufdringen,  welchen 
berufsmässig  die  staatliche  Kunstpflege  obliegt  und  die 
demgemäss  eigentlich  über  dem  Streite  der  Meinungen 
stehen  sollten.  Es  sei  an  die  Kunstreden  erinnert,  die  in 
jüngster  Zeit  preussische  Minister  gehalten  haben  und  es 
sei  demgegenüber  z.  B.  auf  die  neutrale  Haltung  hinge- 
wiesen, welche  die  bayerischen  Staatsbehörden  gegenüber 
dem  heissen  Kampfe  in  der  Münchener  Künstlerschaft 
und  der  daraus  hervorgegangenen  künstlerischen  Hervor- 
bringungen eingenommen  haben. 

Den  gleichen  Standpunkt  nahm  jüngst  auch  der  öster- 
reichische Unterrichtsminister  von  Hartei  ein.  Der  An- 
lass war  eine  parlamentarische  Erörterung.  In  der  Budget- 
kommission des  Herrenhauses  gab  der  Graf  Montecuccoli 
in  schärfen  Worten  seiner  Anschauung  über  die  Sezession 
Ausdruck.  Diese  Kunstrichtung  sei  ungesund  und  ver- 
derbt, es  sei  eine  krankhafte  Geschmacks-Entwicklung,  wie 
sie  zu  keiner  Zeit  zu  beobachten  gewesen  sei.  Anlass  zu 
dieser  Verurtheilung  gaben  dem  Redner  die  diesjährige 
Ausstellung  der  Wiener  Sezession  und  der  Beethoven 
Klingers.  Daneben  waren  es  namentlich  auch  die  Arbeiten 
Klimts,  welche  die  Gegnerschaft  des  Grafen  scharf  her- 
ausforderten. Der  Umstand,  dass  Klimt  für  die  Aula  der 
Wiener  Universität  zwei  vieibewunderte  und  vielge- 
schmähte Gemälde,  die  „Philosophie“  und  die  „Medizin“, 

No.  45 


die  Uebersichtlichkeit  der  Strasse  zu  erhalten.  Zwischen 
dem  Zu-  und  dem  Ausgang  der  Untergrundstationen 
liegt,  leicht  sichtbar,  das  Fahrkartenhäuschen.  Die 
künstlerische  Ausbildung  dieser  Häuschen  und  der 
Umfriedigung  der  Eingänge  durch  Eisengitter  hat 
Prof.  Alfr.  Gren ander  übernommen  und,  wie  die 
Abbildung  S.  265  sowie  die  Beilage  zu  No.  42  er- 
kennen lassen,  in  einer  ungemein  reizvollen  Weise 
gelöst.  Was  die  Abbildung  leider  nicht  erkennen 
lassen  kann,  das  ist  die  interessante  Farbengebung 
des  mit  dunkelblau-violetten  Fliesen  ausgelegten  blau- 
schwarzen Holzfach  Werkes  im  Verein  mit  dem  feinen 
Roth  der  Kupferdeckung.  - - 

Mit  der  Erw'ähnung  dieses  kleinen  Gebäudes 
scheiden  wir  von  der  elektrischen  Hoch-  und  Unter- 
grundbahn. Wenn  bei  ihr  nach  dem  Worte  eines 


mehrfach  erwähnten  Mitarbeiters  „einiges  unbestritten 
geglückt,  manches  mindestens  diskutabel  und  manches 
ein  Versuch  geblieben  ist“,  so  ist  das  grosseWerk  gerade 
in  dieser  merkwürdigen  Stufenfolge  der  Ausbildung  eines 
der  anziehendsten  Beispiele  künstlerischer  Zusammen- 
arbeit zwischen  Ingenieur  und  Architekt.  Es  mag 
sein,  dass  diese  Zusammenarbeit  zunächst  mehr  von 
der  Noth  als  aus  eigenem  Triebe  veranlasst  war, 
denn  an  zahlreichen  Stellen  ist  der  Kampfzustancl 
zwischen  Konstrukteur  und  Künstler  noch  zu  erkennen. 
Jedenfalls  aber  hat  die  Zusammenarbeit,  als  deren 
geistiger  Förderer  Hr.  Dir.  H.  Schwieger  besonders 
genannt  werden  muss,  in  weitergehendem  Maasse  als 
bei  irgend  einem  anderen  grossen  Ingenieurwerke  statt- 
gefunden und  deshalb  kommt  der  Anlage  eine  epochale 
Bedeutung  zu.  — • Albert  Hof  mann. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  7.  März 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  86  Personen. 

Vor  Eintritt  in  die  Tagesordnung  erhält  das  Wort  Hr. 
Meerwein  zu  einem  Nachruf  für  George  Westendarp. 
Redner  schildert  den  Studiengang  des  einer  alten  Ham- 
burgischen  Familie  entstammenden  Verstorbenen,  seinen 
Eintritt  in  die  Praxis  als  Bauingenieur  und  seine  spätere 
vielfach  von  Erfolg  begleitete  Thätigkeit  in  derselben. 
Unter  den  unter  seiner  Leitung  entstandenen  Bauwerken 
werden  genannt:  die  Strassenanlagen  auf  dem  ausge- 
dehnten Gelände  des  Klosterland-Konsortiums  hierselbst, 
die  Anlage  des  Eimsbütteler  Parkes,  die  Aufschliessung 
eines  grossen  Geländes  in  Berlin-Lichterfelde,  die  Ham- 
burg-Altonaer  Zentralbahn,  die  Holsten-Germania-  und 
Billbrauerei  hierselbst,  ferner  die  Malzfabrik,  die  Jute- 
spinnerei in  Schiffbeck,  sowie  die  Stearinfabrik  in  Winter- 
hude. Auch  der  durch  Westendarp  im  Verein  mit  seinem 
langjährigen  Freunde  und  Studiengenossen  Carl  Pieper 
hierselbst  gegründeten  Taxameterfabrik  wird  gedacht  und 
zum  Schluss  noch  eine  Schilderung  der  vielfachen  Vor- 
züge, welche  der  Verstorbene  im  Verkehr  mit  Freunden 
und  Kollegen  besessen  hat,  gegeben. 

Nach  Erledigung  einiger  geschäftlicher  Mittheilungen 
erhält  darauf  das  Wort  Hr.  Groothoff,  welcher  unter 
Hinweis  auf  die  im  Saale  ausgestellten  Wettbewerbs-Ent- 
würfe für  ein  Musterbuch  der  sich  mit  Herstellung  von 
Dachdeckungen  beschäftigenden  Firma  D.  H.  W.  Schultz 
& Sohn  über  das  diesem  Wettbewerb  zugrunde  liegende 
Programm  und  den  Ausfall  Mittheilung  macht.  Da  die 
Firma  jedes  der  gelieferten  Blätter  bezahlt  und  ausserdem 
sowohl  für  die  Musterblätter  als  auch  für  den  Deckel  und 
das  Titelblatt  je  3 Preise  von  200,  100  und  50  M.  ausge- 


setzt hat,  ist  begreiflicherweise  bei  diesem  Wettbewerb 
die  Betheiligung  eine  rege  gewesen.  Es  erhielten  für  die 
Musterblätter : den  I.  Preis  die  Hrn. R a a b e und  W ö h I e c k e , 
je  einen  III.  Preis  die  Hrn.  Fr.  Christens,  Joh.  Helberg 
und  Fr.  Höft;  für  die  Deckel:  den  I.  Preis  Hr.  Grevs- 
mühl,  den  II.  Preis  Hr.  Fr.  Christens;  für  die  Titel- 
blätter wurde  nur  ein  II.  Preis  dem  Hrn.  Grevsmühl 
zuerkannt.  Der  Vorsitzende  dankt  dem  Redner  für  sei- 
nen eingehenden  Bericht  und  Hrn.  Schultz  für  die  Aus- 
schreibung dieses  Wettbewerbes,  durch  welche  er  den 
Künstlern  eine  so  dankbare  Aufgabe  gestellt  habe. 

Zum  3.  Gegenstand  erhält  Hr.  Mahlmann  das  Wort, 
welcher  an  der  Hand  der  ausgestellten  Zeichnungen  den  in 
Eisenbetonbau  hergestellten  Neubau  des  Geschäftshauses 
der  Firma  Röper  und  Staacke  am  Rathhausmarkt  be- 
spricht. Der  Grundriss  der  Baustelle  zeigt  ein  spitzes 
Dreieck  von  etwa  200  q“  Grundfläche,  dessen  Fronten 
stumpfwinklig  gebrochen  sind  mit  je  etwa  9,30™  Schenkel- 
länge, und  dessen  Seiten  etwa  21,4  ™ lang  sind.  Vom 
Bauherrn  war  gewünscht,  dass  der  Verkaufsraum  des 
Neubaues  keine  Säulen  enthalten  solle.  Dadurch  ergab 
sich  die  Nothwendigkeit,  einen  verhältnissmässig  grossen 
Raum  frei  zu  überspannen,  da  der  nach  der  Strasse  zu 
liegende  Verkaufsraum  eine  Flächengrösse  von  etwa  160 
bis  170  qm  erhält.  Die  Höhe  der  einzelnen  Geschosse  be- 
trägt im  Keller  2,60  ®,  im  Erdgeschoss  6 in  den  übrigen 
Geschossen  durchschnittlich  3,90  Die  Gesaramthöhe 
des  Hauses  ergab  sich  danach  bei  8 Geschossen  bis  zur 
Trauflinie  zu  25,5“.  Um  der  Forderung  nach  Vermei- 
dung aller  stützenden  Säulen  in  den  Verkaufsräumen  ge- 
recht zu  werden,  wurde  nach  eingehendem  Studium  über 
die  Konstruktion  des  Gebäudes  das  Eisenbeton-System 
„Hennebique“  gewählt  und  von  dem  Uebernehmer,  Hrn. 
Ing.Deimling,  berechnet  und  ausgeführt,  DasGebäude  steht, 


nach  unserer  Meinung  Meisterwerke  allerersten  Ranges, 
geschaffen  hat,  gab  dem  Grafen  Montecuccoli  Veranlassung 
zu  der  Aeusserung,  dass  durch  solche  Aufträge  die  Se- 
zession gewissermaassen  zur  offiziellen  österreichischen 
Kunst  gestempelt  werde. 

Diese  Aeusserung  veranlasste  den  Unterrichtsminister 
von  Hartei  zu  einer  interessanten  Entgegnung.  Er  stellte 
zunächst  die  thatsächlichen  Verhältnisse  fest,  unter  welchen 
die  genannten  Gemälde  entstanden  sind,  berichtigte  einige 
falsche  Angaben  hinsichtlich  staatlicher  Ankäufe  von  Wer- 
ken Klingers  und  ging  dann  zu  einer  höchst  beachtens- 
werthen  Ausführung  über  seine  Stellungnahme  zur  Kunst 
über.  Wenn  vom  Unterrichtsminister  gefordert  werde,  er 
solle  auf  die  Entwicklung  einer  Kunstrichtung  unmittel- 
baren Einfluss  nehmen,  so  müsse  er  dies  ablehnen, 
weil  das  weder  in  seiner  Macht  liege,  noch  er  es 
für  richtig  halte,  die  freie  Entwicklung  der  Kunst 
zu  hemmen,  wenn  dieses  in  seiner  Macht  läge.  Wenn 
die  moderne  Strömung  wirklich  so  schädlich  und  ver- 
werflich sei,  wie  sie  von  dem  Grafen  geschildert  wurde, 
so  sei  ja  die  gesicherte  Aussicht  vorhanden,  dass  sie  sich 
in  kurzer  Zeit  ausgelebt  haben  werde.  Eine  Kunst,  die 
nur  den  Launen  Weniger  oder  nur  einem  engen  Kreise 
von  Künstlern  entspreche,  habe  wenig  Aussicht,  sich  durch- 
zuringen und  zu  behaupten.  Was  man  unter  Sezession 
gewöhnlich  begreife,  sei  seinem  Wesen  nach  sehr  ver- 
schieden; die  Urtheile  selbst  über  die  radikalsten  Se- 
zessionisten  seien  sehr  getheilt  und  es  wäre  leicht,  dem 
so  abfälligen  Urtheile  des  Grafen  eine  Reihe  entgegenge- 
setzter Urtheile  der  hervorragendsten  Kunstkenner  nicht 
blos  des  Inlandes,  sondern  auch  des  Auslandes  gegenüber 
zu  stellen.  Dem  Minister  komme  es  nicht  zu,  in 
der.  Verwaltung  der  Kunstabtheilung  seinen 
eigenen  Geschmack  durchzusetzen,  sondern  es 


sei  seine  Pflicht,  sich  den  verschiedenen  Kunst- 
richtungen gegenüber  objektiv  zu  verhalten  und 
Alles  zu  unterlassen,  was  die  Kunstentwicklung 
hemmen  könnte.  — 

Die  Künstlerkreise  werden  dem  unbefangenen  er- 
lösenden Worte  des  österreichischen  Unterrichtsministers 
den  heissen  Dank  der  nach  Unabhängigkeit  lechzenden 
Künstlerseele  darbringen.  Das  Neue  in  der  Kunst, 
das  Hinreissende,  das  mit  der  stürmischen  Gewalt  der 
Offenbarung  die  Seelen  Ueberwältigende  ist  nichts  für 
Menschen,  welche  gewohnt  sind,  die  Kunst  nach  bewährten 
Mustern  aufzunehmen  und  sien  nur  selten  zu  einer  dio- 
nysischen Stimmung  aufschwingen  können.  Ja,  wenn  es 
nur  das  wäre!  Die  anregungslose  Gewöhnung  hat  in  ihnen 
eine  merkwürdige  Art  von  Stimmung  erzeugt,  durch  welche 
sie  sich  über  den  gottbegnadeten  Künstler  erheben  und 
allem  Gegnerschaft  entgegenbringen,  was  sich  über  das 
Hergebrachte  hinaus  fortbilden  und  was  eine  Steigerung 
zu  neuer  Form  und  zu  neuem  Inhalte  suchen  will. 

Soll  nun  der  Staat  zu  diesem  Streite  der  Meinungen 
Stellung  nehmen?  Die  Kunst  soll  frei  sein;  ihr  einziger 
Richter  ist  die  Zeit.  Was  sich  im  Kampfe  nicht  siegreich 
behauptet,  verfällt  von  selbst.  Daher  lieber  ungestüme 
Uebertreibung,  als  kraftlose  Enthaltsamkeit;  lieber  Zer- 
störung und  Wiederaufbau,  als thatenloses Beharren.  „Was 
-fallen  will,  soll  man  aucn  noch  stossen“,  sagt  Nietzsche 
einmal.  Der  Staat  aber  bleibe  neutral,  er  ebene  der  Kunst 
die  Wege,  er  schlage  sie  aber  nicht  in  Banden.  Eine 
-freie,  eine  unabhängige  bildende  Kunst  — unter  diesem 
Zeichen  hat  sich  die  österreichische  Sezession  entwickelt, 
eine  so  schöne  Blüthe  getrieben  und  die  moderne  Kunst- 
übung allenthalben  mit  sich  fortgerissen.  — 

— H. 


4.  Juni  1902. 


287 


abgesehen  von  dem  in  dernach  hinten  liegenden  Ecke  unter- 
gebrachlen  Treppenhause,  auf  8 Stützen,  die  sich  auf  die 
F^sade  und  die  Giebelwände  vertheilen,  so  dass  in  der 
Mitte  ein  völlig  freier  Raum  bleibt,  welcher  durch  einen 
Hennebique-Unterzug  von  50/75 cm  und  etwa  um  Spann- 
weite überspannt  wird,  auf  den 
sich  die  Deckenbalken  von  35  bis 
40  cm  Höhe  und  20  cm  Breite 
stützen.  Die  Deckenstärke  beträgt 
überall  10  cm.  Die  Säulen  für 
den  Hauptunterzug  haben  Quer- 
schnitte von  60/60  cm^  die  übrigen 
Säulen  50/45  cm.  Die  Fassade  be- 
steht aus  Cottaer  Sandstein.  Die 
Dachbalkenlage  ist  in  Holz  herge- 
stellt; sie  ruht  auf  Eisenbeton- 
Unterzügen  und  Stützen.  Die 
Baukosten  haben  130000  M.  be- 
tragen, d.  h.  für  I qm  bebaute 
Fläche  550  M.  Die  Kosten  des 
Eisenbeton-Baues  haben  sich  für 
I qm  Bodenfläche  auf  28  M.  gestellt. 

Im  Anschluss  hieran  macht 
Hr.  Ing.  Deimling  noch  Mittheil- 
ungen über  die  Berechnung  und 
die  Konstruktions-Grundsätze  des 
Eisenbeton -Baues  und  hob  die 
Vorzüge  dieser  Bauweise  hervor, 
die  er  hauptsächlich  in  grosser 
Feuersicherheit,  grosser  Trag- 
fähigkeit und  höchstem  Wider- 
stande gegen  Erschütterungen, 
ferner  in  grosser  Zähigkeit  bei 
intensivem  Zusammenhänge  des 
ganzen  Baues,  Raumersparniss, 
geringer  Eigenlast  im  Verhältnics 
zur  Tragfähigkeit,  sowie  in  dem 
Vorzüge  zu  finden  glaubt,  dass 
die  Konstruktion  durch  Bauhand- 
werker mit  geringen  Hilfsmitteln 
hergestellt  werden  kann.  Die  Be- 
tonmischung wird  1:4,  oder  bes- 
ser I Th.  Zement  zu  2 Th.  Sand 
und  4 Th.  Kies  angewendet.  Das 
zur  Verwendung  kommende  Eisen 
ist  Flusseisen  gewöhnlicher  Han- 
delsqualität, wobei  auf  hohe  Fes- 
tigkeit, weniger  auf  Dehnung  ge- 
achtet wird.  Die  Ausführung,  bei 
welcher  namentlich  Werth  auf 
eine  sichere  Abstülzung  der 
Schalungen  zu  legen  ist,  wurde 
am  14.  Dez,  1901  begonnen  und 
schon  Ende  Februar  konnte  der 
ganze  Bau  ausgeschalt  werden. 

Redner  geht  nun  unter  Hinweis 
auf  die  im  Saale  ausgehängten 
Zeichnungen  zu  einer  näheren 
Beschreibung  des  ganzen  Baues 
über.  Es  ergiebt  sich  hieraus, 
dass  nicht  nur  zur  Aufnahme  der 
Zug-,  sondern  auch  zur  Aufnahme 
der  Druckspannungen  die  erfor- 
derlichen Eisen  eingelegt  sind, 
und  dass  diese  Eisen  zur  Auf- 
nahme der  im  Steg  der  Kon- 
struktion auftretenden  Schub- 
spannungen durch  Rund-  und 
Flacheisenbügel  gegen  einander 
verspannt  sind.  Die  Anzahl  und 
der  Querschnitt  der  eingelegten 
Rundeisen  schwankt  natürlich  je  nach  der  Grösse  des  von 
dem  betr.  Trägertheile  aufzunehmenden  Biegungsmomen- 
tes. Die  Eiseneinlage  besteht  z.  B.  bei  dem  grossen  vorer- 
wähnten Unterzuge  in  13  Eisen,  von  denen  8 mit  46”'™ 
Durchm.  auf  Zug,  5 mit  42  mm  Durchm.  auf  Druck,  d.  h. 
im  Obergurt  eingelegt  sind.  Es  muss  davon  abgesehen 
werden,  hier  noch  weiter  auf  die  vom  Redner  beschrie- 
benen Einzelanordnungen  mannichfacher  Art  einzugehen, 
es  sei  nur  noch  erwähnt,  dass  der  Bau  bei  seiner  bau- 
polizeilichen Rohbauabnahme  sich  als  durchaus  solide  und 
tragfähig  erwiesen  hat. 

Bezügl.  der  weiteren  Ausführung  iheilt  Redner  noch 
mit,  dass  die  Fussböden  aus  Asphalt  mit  aufgelegtem 
Linoleum  gebildet  werden.  Die  Heizung  erfolgt  durch 
Zentralheizung,  für  deren  Rohrleitungen  gleich  von 
Anfang  an  die  nöthigen  Aussparungen  in  den  Decken 
belassen  worden  sind.  Für  die  Lichtanlage  sind  jeweils 
Dübel  zur  Befestigung  der  elektrischen  Lampen  vorgesehen 

288 


worden.  Die  Form  der  Decken,  ob  Balken,  massiv  oder 
hohl,  lässt  sich  den  Wünschen  der  Architekten  und 
Bauherren  anpassen.  Im  vorliegenden  Falle  hat  man  der 
eigenthümlichen  Grundrissform  wegen  einfache  Balken- 
decken gewählt.  Natürlich  muss  bei  der  Ausführung 


Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  ln  Berlin 
von  Siemens  & Halske. 


No.  45, 


solcher  Arbeiten  auf  grösste  Sorgfalt  geachtet  werden  und 
es  darf  leichtsinnigen  Händen  die  Ausführung  derartiger 
Bauten  nicht  anvertraut  werden.  Verfährt  man  jedoch 
mit  der  nöthigen  Vorsicht,  so  wird  dasErgebniss  in  jeder  Be- 
ziehung befriedigend  und  es  steht  diese  Bauweise  in  ihren 
günstigen  Eigenschaften  wohl  unerreicht  da.  Die  Mög- 
lichkeit eines  Umbaues  ist  auch  bei  dem  Eisenbetonbau 
gegeben;  wie  bei  jeder  Konstruktion  muss  ein  herausge- 


Die  Anwendungsgebiete  des  Eisenbetons  erstrecken 
sich  auf  alle  Zweige  des  Bauingenieurwesens;  es  sind 
Wohn-,  Lager-  und  Geschäftshäuser,  sowie  Mühlen,  Fa- 
briken, Silos,  Reservoire,  Brücken,  Stütz-  und  Kaimauern, 
Kanäle  usw.  mit  bestem  Erfolge  in  Eisenbetonbau  ausge- 
führt worden.  Redner  schliesst  mit  dem  Wunsche,  dass 
sich  auch  im  Norden  Deutschlands  allmählich  die  That- 
sache  von  der  Trefflichkeit  und  Billigkeit  sowie  leichten 


Die  elektrische  Hoch- 
und  Untergrundbahn 
in  Berlin 

von  Siemens  & Halske. 


Das  Kraftwerk 
nebst  Wohn-  und 
Verwaltungs-Gebäude 
am  Tempelhofer  Ufer. 
Architekt: 

Dir.  Paul  Wittig. 


nommenes  Element  durch  ein  anderes  ersetzt  werden; 
durch  den  innigen  Zusammenhang  der  Konstruktion  ist 
allerdings  die  Ausführung  hier  etwas  schwieriger,  bietet 
jedoch  keine  grössere  technische  Schwierigkeit  als  bei 
anderer  Bauart. 

4.  Juni  1902. 


Ausführbarkeit  des  Bausystems  Bahn  brechen  möge. 

Auf  eine  Anfrage  aus  der  Versammlung  nach  der 
Feuersicherheit  der  Konstruktion  erwidert  Hr.  Deimling, 
dass  sich  dieselbe  bei  einem  grösseren  Brande  durchaus 
bewährt  habe.  — Hm, 


289 


Im  Dresdener  Architekten-Vereln  sprach  am  15.  April 
Hr.  Prof.  B.  Seitler  über:  „Warum  baut  der  Land- 
wirth  nicht  nach  dem  Muster  des  alten  Bauern- 
hauses und  wie  können  die  praktischen  und  die 
künstlerischen  Forderungen  an  neue  landwirth- 
schaftliche  Bauten  befriedigend  vereinigt  wer- 
den?“ Die  äussere  Form  der  landwirthschaftlichen  Ge- 
bäude neuerer  Zeit  lässt  in  künstlerischer  Beziehung  in 
den  meisten  Fällen  viel  zu  wünschen  übrig.  Die  Ver- 
suche der  Baukünstler  und  der  Behörden,  auf  die  Ge-, 
staltung  neuer  Bauten  verbessernd  einzuwirken  durch 
Veröffentlichung  mustergiltiger  Bauentwürfe  in  Anlehnung 
an  das  alte  Bauernhaus,  haben  keinen  Erfolg  in  grösserem 
Unnfange  gehabt.  Der  Landwirth  kann  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  nicht  nach  dem  Muster  des  alten  Bauern- 
hauses bauen,  weil  die  Verhältnisse,  welche  dessen  Ent- 
wicklung veranlassten  und  förderten,  heute  nicht  mehr 
gegeben  sind.  Die  im  Verlaufe  der  Zeit  erfolgten  Ver- 
änderungen in  den  Lebensgewohnheiten  und  Vermögens- 
verhältnissen der  ländlichen  Bevölkerung,  insbesondere 
aber  der  Mangel  an  Arbeitskräften  bedingen  für  die  Pla- 
nung landwirthschaftlicher  Gebäude  wesentlich  andere 
Gesichtspunkte,  als  diejenigen  waren,  unter  denen  das 
alte  Bauernhaus  entstand.  Neben  äusserster  Ausnutzung 
des  umbauten  Raumes  und  geringstmöglichem  Kostenauf- 
wande  ist  besonders  zu  berücksichtigen,  dass  die  zum 
Betriebe  des  Anwesens  erforderlichen  Arbeitsleistungen 
auf  das  geringste  Maass  beschränkt  werden,  vor  allem 
aber  unnöthiges  Hochtransportiren  in  den  Scheunen, 
Futterböden  usw.  vermieden  wird.  Diese  Forderungen 
lassen  sich  nur  durch  Anwendung  flacher  Dächer  (Holz- 
zement- oder  Pappdach)  erfüllen.  Mit  dem  Wegfall  der 
hohen  Satteldächer  fällt  auch  das  Vorbild  des  alten  Bauern- 
hauses. Es  entsteht  für  die  Architekten  die  Aufgabe,  den 
Eindruck  trostloser  Oede,  den  die  mit  flachen  Dächern 
versehenen  landwirthschaftlichen  Gebäude  heutigentags 
machen,  zu  beseitigen  und  durch  geschickte  Anwendung 
einfacher  Mittel  (Gruppirung,  Uebersetzen  der  Oberge- 
schosswände, Verschiedenartigkeit  im  Material  und  in  der 
Flächenbehandlung  usw.)  einen  neuen,  den  praktischen 
Forderungen  entsprechenden,  aber  auch  künstlerisch  be- 
friedigenden Typus  des  Bauernhauses  zu  schaffen.  Um 
der  Lösung  dieser  Aufgabe  näher  zu  kommen,  empfiehlt 
Redner,  einen  Wettbewerb  unter  den  Mitgliedern  des 
Vereins.  In  der  anschliessenden  Besprechung,  an  der 
sich  auch  von  den  besonders  eingeladenen  Herren  Ver- 
tretern der  Landwirthschaft  Exc.  Graf  Könneritz,  Dr. 
Hübel-Sachsendorf,fernerBrandversicherungsinsp.Nagel 
und  Arch.  Mirus  betheiligten,  wurde  den  Darlegungen  des 
Vortragenden  im  wesentlichen  beigestimmt  und  hierauf  die 
Ausschreibung  des  angeregten  Wettbewerbes  beschlossen. 

Hr.  Ing.  R.  Brauns  sprach  hiernach  über  „Wind- 
turbinen zur  Erzeugung  von  elektrischem  Licht“; 
er  erläuterte  die  Schwierigkeiten,  welche  der  Ver- 
wendung der  Windkraft  zu  dem  angegebenen  Zwecke 
entgegenstehen  und  berichtete,  dass  die  für  kleinere  Be- 
triebe verwendeten  Konstruktionen  sich  Vorzüglich  be- 
währten, während  für  sehr  ausgedehnte  Anlagen  die 
Frage  noch  nicht  spruchreif  sei.  — 

Am  29.  April  sprach  Hr.  Prof.  Eugen  Bracht  (kgl. 
Kunstakademie)  über  „Die  Felsengräber  von  Petra“. 
Er  erläuterte  zunächst  an  der  Hand  einer  Karte  die  weitere 
Umgebung  und  deren  Bodenbeschaffenheit,  wobei  er  als 
besondere  Merkwürdigkeit  hervorhob,  dass  der  Spiegel 
des  Todten  Meeres  etwa  .390111  unter  dem  des  Mittel- 
ländischen Meeres'liegt.  Er  schilderte  des  Weiteren  die' 
Gefahren  und  Beschwerden  des  Reisens  in  diesen  Gegen- 
den, von  denen  die  ersteren  seit  seinem  Besuche  (1881) 
derart  zugenommen  haben,  dass  zurzeit  ein  Aufsuchen 
Petras  kaum  möglich  ist. 

In  einer  Felsschlucht  des  Gebirgs-Plateaus  östlich  der 
Jordan -Spalte,  die  sich  vom  Libanon  nach  dem  Todten 
Meere  und  bis  zum  Meerbusen  von  Akaba  hinzieht,  liegt 
Petra  in  einem  rings  von  fast  senkrechten,  bis  30  m hohen 
Felsen  umschlossenen  Thalkessel.  Die  einzigen  Zugänge 
sind  die  beim  Ein-  und  Austritt  eines  das  Thal  durch- , 
fliessenden  Baches  belegenen  schmalen  Schluchten,  in 
denen  die  hohen  aus  rothem  Sandstein  bestehenden  Fels- 
wände streckenweise  so  nahe  zusammentreten,  dass  die 
im  Grunde  herrschende  Dämmerung  auch  die  strahlende 
Orientsonne  nicht  aufzulichten  vermag.  Von  Petra  selbst, 
dessen  Name  (aramäisch  Rekem,  schon  Josua- Kap.  t8' 
V,  27  erwähnt)  seiner  Umgebung  entlehnt  ist,  sind  ausser 
dem  Königspalaste  nur  dürftige  Reste  erhalten.  Zahlreich 
aber  und  auch  grossentheils  wohlerhalten  sind  die  in  die 
umliegenden  Felsen  eingearbeiteten  Grabstätten.  Solche 
sind  nicht  nur  in  der  Thalhöhe,  sondern  bis  zu  den  höch- 
sten Punkten  der  Felsen  angelegt.  Die  höher  gelegenen 
Grabkammern  waren  theilweise  durch  innerhalb  der  Fel- 


sen befindliche,  aus  diesen  herausgearbeitete  Treppen  zu- 
gänglich, viele  waren  aber  nur  , vom  oberen  Felsrande 
aus  durch  Herablassen  an  Seilen  zu  erreichen.  Die 
äussere  Form  der  Grabstätten  ist  bei  den  ältesten  der- 
selben ganz  vernachlässigt;  die  späteren  zeigen  eine  ein- 
fache Massenarchitektur,  zu  deren  primitiver  Dekoration 
eine  auf-  und  absteigende  Treppenlinie  verwendet  ist.  Im 
. Verlaufe  der  Zeit  wurden,  die  Eingänge  der  Grabkammern 
zu  Portal-Anlagen  und  ganzen  Felsfassaden  ausgestaltet. 
Diese  lassen,  je  nach  den  Epochen,  denen  sie  angehören, 
den  Einfluss  ägyptischer,  griechischer  und  römischer  Bau- 
kunst erkennen  und  sind  in  allen  ihren  Architekturtheilen 
aus  dem  Felsen  herausgearbeitet,  wie  auch  die  Sitzreihen 
des  wohlerhaltenen  römischen  Amphitheaters.  Die  be- 
deutendsten Grabfassaden  sind  das  dreigeschossige  Haus 
und  das  Chaznet-Firaun,  das  sog.  Schatzhaus  des  Pharao. 

Der  mit  lebhaftem  Beifall  aufgenommene  Vortrag 
wurde  unterstützt  durch  Vorlage  einer  grossen  Anzahl 
farbiger  Skizzen  der  Felsparthien  und  Architekturen,  die 
der  Vortragende  nach  kleinen  Reiseskizzen  in  grossem 
Maasstabe  in  bekannter  Meisterschaft  ausgeführt  hatte. 
Eine  besondere  Würze  erhielten  die  Darbietungen  durch 
Einflechten  verschiedener  Reise-Episoden  und  Mittheilun- 
gen über  die  Vorstellungen  der  Eingeborenen,  von  denen 
nur  die  Art,  wie  sich  dieselben  das  Interesse  der  Reisen- 
den für  ihre  Gegend  erklären,  hier  erwähnt  sein  möge. 
Der  Beduine  erzählt:  „Einst  bewohnten  Christen  das 

Wady-Musa  (d.  h.  Mosesthal,  jetziger  Name  von  Petra), 
waren  mächtig  und  höhlten  die  Felsen  aus.  Da  liess 
Allah,  um  sie  zum  wahren  Glauben  zu  bekehren,  drei 
Tage  lang  Gold  regnen.  Die  Christen  aber  blieben  ver- 
stockt und  Wurden  aus  dem  Lande  vertrieben,  nachdem 
sie  das,  was  sie  von  dem  Golde  nicht  mitnehmen  konnten, 
in  den  Gräbern  versteckt  hatten.  Die  Franken,  die  jetzt 
zum  Wady-Musa  kommen,  sind' die  Nachkommen  jener 
vertriebenen  Bewohner  und  sie  haben  Aufzeichnungen 
betreffend  die  einst  hier  zurückgelassenen  Schätze.  Da- 
her spähen  sie  in  den  Grabkammern,  herum,  durchstöbern 
- alle  Winkel  und  wühlen  im  Schutt  hach  dem  Golde.  Aber 
dasselbe  bleibt  nicht  immer  auf  der  gleichen  Stelle  liegen, 
sondern  wandert  zuweilen  von  dem  einen  Versteck  in 
das  andere;  viele  alte  Männer  und  Frauen  haben  es  deut- 
lich gesehen.  Die  Goldstücke  rollen  eines  hinter  dem 
anderen  in  langer  Reihe  und  wenn  es  gelingt,  sie  zu  Fall 
zu  bringen,  indem  mau  sein  Kopftuch  darüberwirft,  so 
bleiben  sie  liegen.“  Daher  kommt  es,  dass  die  Beduinen 
der  Umgegend,  die  sich  bei  der  Nachricht  der  An- 
kunft von  Reisenden  in  Petra  beutegierig  sammeln, 
dieselben  keinen  Augenblick  aus  den  Augen  lassen,  son- 
dern auf  Schritt  und  Tritt  verfolgen,  um  dabei  zu  sein, 
wenn  die  Nasari  (Nazarener)  wirklich  von  dem  erhofften 
Golde  finden  sollten.  — 


Vermischtes. 

Mit  der  Errichtung  einer  preussischen  Landes.anstalt 
für  Gewässerkunde,  für  welche  im  diesjärigen  Etat  der 
Bauverwaltung  ein  Betrag  von  83  600  M.  gefordert  wurde 
und  deren  Leiter,  Abtheilungsvorsteher  und  wissenschaft- 
liche Hilfsarbeiter  kürzlich  ernannt  worden  sind  (vgl. 
No.  41),  wird  in  Preussen  nunmehr  eine  Zentralstelle  für 
eine  zuverlässige  und  erschöpfende  Gewässerkunde  ge- 
schaffen, die  als  die  Grundlage  einer  rationellen  Wasser- 
wirthschaft  anzusehen  ist.  Es  wird  damit  ein  Weg  be- 
schritteUj  auf  dem  .andere  Bundesstaaten,  in  erster  .Linie 
Baden,  dann  Württemberg  und  Bayern,  ausserdem  auch 
die  Nachbarstaaten  Oesterreich-Ungarn  and  Italien,  z.  Th. 
schon  vor  längerer  Zeit  mit  bestem  Erfolge  vorgegangen 
sind.  Diese  Zentralstelle  wird  die  einheitliche  Leitung, 
Sammlung  und  Bearbeitung  der  zur  Förderung  der  Ge- 
wässerkunde einerseits  von  den  Beamten  der  allgemeinen 
Bauverwaltung  hinsichtlich  der  schiffbaren,  andererseits  von 
den  Meliorations-Baubeamten  hinsichtlich  der  nicht  schiff- 
baren Gewässer  ausgeführten  Arbeiten  übernehmen,  da- 
mit also  auch  diejenigen  Aufgaben,  welche  bisher  von  dem 
X892  eingesetzten  Wasserausschuss  zur  Untersuchung  der 
Wasserverhältnisse  in  der  Ueberschwemmung  ausgesetzten 
Flussgebieten  wahrgenommen  worden  sind.  Dieser  Aus- 
schuss hat  seine  Aufgabe  erfüllt,  sodass  seine  Auflösung 
erfolgen  konnte;  damit  wurde  aber  die  Einrichtung  der 
neuen  Zentralstelle  ein  unabweisbares  Bedürfniss. 

Die  Landesanstalt  hat  neben  der  schon  erwähnten 
Aufgabe,  die  Sammlung,  einheitliche  Bearbeitung  und  Er- 
gänzung der  Beobachtungen  über  den  Abflussvorgang  bei 
schiffbaren  und  nicht  schiffbaren  Gewässern,  sowie  die 
Ermittelung  der  hierfür  maassgebenden  Verhältnisse  durch- 
zuführen, andererseits  auch  die  Untersuchungs-Ergebnisse 
durch  Veröffentlichungen  zu  verwerthen  und  bei  der 
Lösung  wasserwirthschaftlicher  Fragen  aller  Art  mitzu- 

No..  45. 


290 


wirken.  Sie  soll  in  erster  Linie' den- Ressorts  der  Minister 
der  öffentlichen  Arbeiten  und  der  Landwirthschaft  zur  Ver- 
fügung stehen,  aber  auch  Gutachten  bei  wasserwirthschaft- 
lichen  Fragen  anderer  Ressorts  abgeben,  besonders  bei 
den  Fragen  der  Ausnutzung  von  Wasserkräften  durch 
Thalsperren  und  Sammelbecken,  der  Zulässigkeit  des  Ein- 
lassens von  Schmutzwasser  in  fliessende  Wasserläufe  usw. 

Die  Landesanstalt  bildet  ein  Bureau  im  Ministerium 
der  öffentlichen  Arbeiten,  seine  Verwaltung  ressortirt  aber 
auch  mit  vom  landwirthschaftlichen  Ministerium. 

Da  die  infrage  stehenden  Flussgebiete  z.  Theil  über 
die  preussischen  bezw.  über  die  deutschen  Grenzen  hin- 
ausreichen, so  ist  einerseits  mit  den  betheiligten  Bundes- 
staaten hinsichtlich  der  Elbe  und  Weser  feinschl.  Werra) 
ein  Abkommen  getroffen  bezügl.  einheitlicher  Behandlung 
dieser  Fragen  und  Bearbeitung  derselben  durch  die  Landes- 
anstalt, während  andererseits  hinsichtlich  des  Memel-,  Weich- 
sel-, Oder-  und  Elbegebietes  von  den  Nachbar-Staaten  die 
Uebermittelung  der  dort  gemachten  Beobachtungen  er- 
wartet wird.  Bezüglich  der  Hochwasser-Beobachtungen 
im  Rheingebiet  bleibt  einstweilen  das  bisherige  Verhält- 
niss  bestehen,  wonach  das  badische  Zentralbüreau  für 
Hydrographie,  das  bisher  mit  diesen  Arbeiten  betraut  war, 
dieselben  weiterführt.  — 

Ein  bayerisches  Verkehrs  - Ministerium.  Zu  dieser 
S.  260  berührten  Angelegenheit  erhalten  wir  aus  Bayern 
noch  die  folgenden  Ausführungen: 

Wer  die  bayerischen  Verhältnisse  kennt, __der  weiss, 
dass  eine  solche  Dienststelle  schon  seit  vielen  "Jahren  Be- 
dürfniss  ist  und  dass  es  nicht  gerade  nothwendig  gewesen 
wäre,  mit  der  Schaffung  derselben  bis  zu  dem  angegebenen 
Zeitpunkte  zu  warten.  Dies  versteht  sich  von  selbst,  wenn 
man  bedenkt,  dass  Bayern  der  zweitgrösste  Bundesstaat 
des  Deutschen  Reiches  ist,  und  dass  das  ganze  Verkehrs- 
wesen in  den  Händen  des  Staates  ruht,  von  den  wenigen 
hier  vorhandenenPrivatbahn-Kilometern  abgesehen.  Ledig- 
lich die  ausserordentliche  Arbeitskraft  des  Minister-Präsi- 
denten Grafen  von  Crailsheim,  welchem  das  Verkehrs- 
wesen als  Minister  des  Aeusseren  und  des  königlichen 
Hauses  im  Nebenamte  zugetheilt  ist  und  der  seit  seinem 
39.  Lebensjahre  und  seit  dem  Jahre  1880  diese  Stellung 
schon  bekleidet,  ist  es  zu  verdanken,  dass  die  Frage  der 
Schaffung  eines  solchen  Ministeriums  nicht  schon  vor 
längerer  Zeit  brennend  geworden  ist,  während  man  an- 
dererseits, ohne  Widerspruch  befürchten  zu  müssen,  wohl 
sagen  darf,  dass  es  seinem  Nachfolger  niemals  möglich 
sein  würde,  den  gesammten  Dienst,  wie  ihn  zurzeit  noch 
der  zwar  altersgraue,  allein  sonst  noch  jugendfrische 
Minister  versieht,  in  gleichem  Umfange  und  mit  gleicher 
Sachkenntniss  versehen  und  den  Anforderungen  desselben 
in  gleichem  Maasse  gerecht  werden  zu  können.  Der 
jetzige  Minister  ist  mit  dem  Verkehrswesen  sozusagen 
aufgewachsen  und  wenn  trotzdem  in  der  einen  und  an- 
deren Beziehung  zu  wünschen  übrig  bleibt,  so  ist  dies  der 
allzu  grossen  Arbeitslast  und  der  konservativen  Denkungs- 
weise  des  Ministers  zuzuschreiben,  unter  deren  Druck 
das  Beste  zu  leisten  nicht  immer  möglich  war.  Es  sind 
auch  die  dienstlichen  Aufgaben  zu  grundverschieden,  um 
eine  volle  Harmonie  erhoffen  zu  lassen. 

Neben  dem  Post-  und  Eisenbahnwesen  sollen  dem 
künftigen  Verkehrsministerium  auch  das  gesammte  Bau- 
wesen, die  Landwirthschaft,  Handel  und  das  Schiffahrts- 
wesen  unterstellt  werden,  was  sehr  zu  begrüssen  ist  im 
Interesse  der  Sache  selbst  und  der  möglichsten  Ver- 
minderung des  unvermeidlichen  Schreibwerkes  auf  das 
geringste  Maass.  Man  hat,  wie  es  scheint,  bereits  ein- 
gesehen, dass  das  bisherige  System  für  unsere  heutige 
Zeit  zu  langsam  und  schwerfällig  arbeitet  und  den  wirth- 
schaftlichen  Interessen  des-  Landes  nicht  in  dem  ge- 
wünschten Maasse  nachkömmen  kann.  Hoffentlich  wird 
das  künftige  Ministerium  auf  eine  mehr  dem  Zeitgeist  ent- 
sprechende Grundlage  gestellt  und  die  Verwaltung  moder- 
ner und  den  Zeit-  und  wirthschaftlichen  Bedürfnissen  ent- 
sprechender gestaltet.  = . . 

Wie  man  hört,  soll  ein  Fachmann  mit  hervorragen- 
der Befähigung  den  künftigen  Verkehrsminister-Posten 
erhalten,  was  im  Interesse  der  Sache  sehr  zu  wünschen 
wäre.  Es  würde,  wenn  dies  zutrifft,  ‘der  bayerische  Staat 
als  zweitgrösster  deutscher  Bundesstaat  auch  in  der 
Reihenfolge  der  zweite  deutsche  Staat  sein,  welcher  einen 
technisch-wirthschaftlich  vorgebildeten  Beamten  als  Minister 
erhalten  würde.  Das  Verdienst,  den  ersteh  ingenieur- 
technisch vorgebildeten  Minister  in  Deutschland  zü  haberiV 
gebührt  bekanntlich  dem  Grossherzogthum  Hessen,  dessen 
gegenwärtiger  Finanzminister  technische  Schulung  ge- 
nossen hat,  Es  ist  gleichfalls  bekannt,  dass  in  den  anderen 
grossen  Kulturstaaten  Ingenieure  seit  Menschenalter  schon 
einen  grossen  Prozentsatz  der  Ministerstelien  mit-  bestem 

4:  Juni  1902 


Erfolg  bekleiden  und  keineswegs  so  stiefmütterlich  be- 
handelt werden,  wie  man  sie  bisher  in  Deutschland  mit 
seinem  alten  bureaukratischen  System  und  im  Gegen- 
satz zu  ihren  Leistungen  und  Verdiensten  um  die  grosse 
Wohlfahrt  des  Landes  behandelt  hat.  Die  Deutschen, 
sagte  der  grosse  Philosoph  Buckle  einmal,  be- 
wegen sich  nur  deshalb  so  schwerfällig  auf  der 
Bahn  des  Fortschrittes,  weil  ihnen  das  ganze 
Leben  lang  die  alte  Schulbank  anhängt.  Dieser 
Ausspruch,  obwohl  alt,  ist  heute  noch  auf  unser  Ver- 
waltungssysten  in  weitgehendem  Grade  zutreffend.  — 

X. 

Die  Berliner  Kehrmaschinen  sind  in  der  Tagespresse 
und  in  wissenschaftlichen  Vereinen  in  neuerer  Zeit  wieder- 
holt Gegenstand  des  Angriffs  geworden,  ja  man  hat  sich 
soweit  verstiegen,  sie  in  ein  Museum  „historischer  Monstra“ 
zu  verweisen.  Das  ist  doch  eine  arge  und  nicht  berech- 
tigte Uebertreibung:  die  Berliner  Kehrmaschine  ist  im 
Wesentlichen  ebenso  gebaut  wie  diejenige  aller  anderen 
Grosstädte,  mit  dem  alleinigen  Unterschiede,  dass  anstelle 
der  sonst  üblichen  zweiräderigen  Konstruktion  mit  Rück- 
sicht auf  das  leichtere  Pferdematerial  ein  kleiner  4 räderiger 
Vorderwagen  getreten  ist.  Das  Aussehen  hat  dadurch 
nicht  gerade  gewonnen,  aber  die  Pferde  können  ihre  Zug- 
kraft besser  ausnutzen. 

Ein  mit  der  Verwendung  der  Kehrmaschine  bei  un- 
geschickter Handhabung  verbundener  Nachtheil  ist  die 
starke  Aufwirbelung  von  Staub,  der  man  jedoch  nach 
Möglichkeit  dadurch  entgegenzuwirken  sucht,  dass  die  zu 
fegende  Strasse  vorher  mit  dem  Sprengwagen  überfahren 
wird.  In  der  Fachpresse  wird  nun  mehrfach  auf  die  be- 
sonderen Vorzüge  eines  in  Charlottenburg  angewendeten 
Reinigungsapparates  hingewiesen,  welcher  zugleich  Spreng- 
wagen und  Kehrmaschine  ist.  Dieser  recht  schwerfällig 
aussehende  Wagen  hat  aber  mancherlei  Nachtheile,  welche 
nicht  übersehen  werden  dürfen.  Vor  allem  ist  die  Breite 
der  auf  einmal  gereinigten  Bahn  erheblich  geringer  als 
bei  der  Berliner  Kehrmaschine,  sodass  der  Apparat  un- 
wirthschaftlich  arbeitet,  was  auch  durch  bezügl.  Versuche 
der  Berliner  Behörden  festgestellt  worden  ist. 

Ferner  erfolgt  die  Reinigung  der  Strassen  zu  schnell 
nach  der  Besprengung,  sodass  der  Strassenstaub  oder  der 
steife  Strassenschmutz  nicht  ausreichend  Zeit  finden,  sich 
mit  dem  Sprengwasser  zu  verbinden.  Letzterem  Uebel- 
stande  sucht  man  bei  den  Charlottenburger  Apparaten 
neuerdings  dadurch  abzuhelfen,  dass  die  Wassersprengung 
auch  nach  derjenigen  Seite  hinaus  erfolgt,  wohin  der  Wagen 
erst  bei  der  nächsten  Fahrt  gelangt.  Die  Gummiflossen, 
Welche  bei  der  Charlottenburger  Maschine  zum  Reinigen 
der  Strassenfläche  verwendet  werden,  haben  allerdings  den 
Vorzug,  die  nicht  vom  Sprengwasser  getroffenen  staubigen 
Massen  weniger  aufzuwirbeln,  als  dies  durch  die  scharfen 
Piassavabürsten  der  Berliner  Maschinen  geschieht,  dafür 
ist  aber  andererseits  die  Reinigungsarbeit  der  letzteren,  zu- 
mal auf  Steinpflaster,  eine  gründlichere. 

Berlin  dürfte  mit  Fug  und  Recht  bei  der  bisherigen 
Kehrmaschine  stehen  bleiben,  zumal  die  Kehrarbeit  wegen 
der  Grösse  des  Verkehrs  in  späten  Nachtstunden  erfolgt, 
ln  Städten  geringeren  Verkehrs  kann  man  eher  auf  eine 
Reinigung  bei  Tage  eingehen. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  man  im  Winter 
bei  Frostwetter  natürlich  auf  die  vorhergehende  Wasser- 
sprengung in  dem  einen  wie  in  dem  anderen  Falle  ver- 
zichten muss,  also  dann  auf  keine  Weise  um  die  Auf- 
wirbelung von  Staub,  herumkommt. 

Man  kann  mit  der  Reinigung  der  Berliner  Strassen 
und  insbesondere  auch  der  Asphaltstrassen  recht  zufrie- 
den sein.  Will  man  daran  etwas  aussetzen,  dann  ist  es 
höchstens  der  Umstand,  dass  sich  in  feuchter  Winterzeit 
auf  den  Asphaltflächen  zuweilen  eine  für  Fussgänger  recht 
gefährliche  Schmierschicht  bildet,  und  dass  man  diese 
Schmierschicht,  insbesondere  bei  den  Strassenübergängen, 
nicht  schnell  genug  durch  Schabeeisen  beseitigt  oder  durch 
Sandstreuen  unschädlich  macht.  — £_  Dietrich. 

Forstästhetik.  Die  modernen  Bestrebungen  zur  Er- 
haltung der  landschaftlichen  Schönheiten  unserer  Berge 
und  Thäler,  Flüsse  und  Ebenen  haben  sich  auch  auf  den 
Wald  in  solchem  Maasse  ausgedehnt,  dass  hier  neben  der 
Erhaltung  schöner  Berg-  und  Baumgruppen,  der  Forst- 
wirthschaft  bei  ihrem  Betrieb  künstlerische  Mittel  zurseite 
gestellt  werden.  Ein  Buch,  etwa  wie  das  von  Heinrich 
v.  Salisch  über  „Forstästhetik“  (Jul.  Springer),  lässt  diese 
Ziele,  die  man  mit  Synapathie  begleiten  wird,  erkennen. 
Es  werden  da  zunächst  die  Schönheit  der  Natur,  die 
Farbenlehre  der  Landschaft,  der  künstlerische  Werth  der 
Bäume  und  Sträucher,  sowie  Duft  und  Stimmung  des 
Waldes  behandelt.  Diesen  allgemeinen  Erörterungen  fol- 
gen Hinweise,  wie  neben  dem  Streben  nach  materiellem 

291 


Ertrag  auch  die  Schönheit  des  Waldes  zu  pflegen  sei; 
Betrachtungen  über  den  Entwurf  des  Wegenetzes,  der 
Waldeintheilung,  über  Wiesen  und  Gewässer,  Hecken 
und  Zäune,  über  die  Verwendung  besonderer  Holzarten, 
die  Erhaltung  alter  Bäume  und  Baumgruppen,  über  die 
Pflege  des  Strauchwerkes  und  der  Bodenflora,  die  Eröff- 
nung von  Fernsichten  und  endlich  über  die  Erhaltung 
von  Denkmälern  und  Ruinen.  Auch  die  Herstellung  freier 
Anlagen,  welche  einen  Uebergang  vom  Wald  zum  offenen 
Gelände  schaffen  sollen,  wird  besprochen.  Die  künstle- 
rische Pflege  der  Landschaft  läuft  neben  der  Pflege  des 
Bauernhauses  unzertrennbar  her;  die  eine  ist  die  Er- 
gänzung für  die  andere.  — 


Preisbewerbungen. 

Zwei  engere  Wettbewerbe  betr.  Brunnendenkmale  für 
Zweibrücken  und  Bad  Reichenhall  wurden  dahin  entschieden, 
dass,  beide  Male  unter  Vorbehalt  einiger  Abänderungen, 
im  ersten  F alle  der  Entwurf  des  Bildhauers  August  D r u m m 
in  München,  im  zweiten  Falle  der  des  Bildhauers  Karl 
Killer  zur  Ausführung  gewählt  wurde.  Als  Architekten 
wirkten  bei  der  Entscheidung  im  einen  Falle  Prof.  Heinr. 
Frhr.  von  Schmidt,  im  anderen  Falle  Prof.  Georg  Ritter 
von  Hauberrisser  mit.  — 


Bücherschau. 

Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 

V.  Rohrscheidt,  Kurt,  Reg.-Rth.  G e w e r b e - Ar  c hiv  für  das 
Deutsche  Reich.  Sammlung  der  zur  Reichsgewerbe- 
Ordnung  ergehenden  Abänderungsgesetze  und  Ausführungs- 
Bestimmungen,  der  gerichtlichen  und  verwaltungsgerichtlichen 
Entscheidungen  der  Gerichtshöfe  des  Reichs  und  der  Bundes- 
staaten, sowie  der  wichtigsten,  namentlich  interpretatorischen 
Erlasse  und  Verfügungen  der  Zentralbehörden,  i.  Bd.  2.  Heft. 
Berlin  1902.  Franz  Vahlen.  Pr.  des  Bds.  (4  Hefte)  12  M. 

Schwidtal,  Prof.  Technische  Mechanik  nebst  einem  Ab- 
riss der  Festigkeitslehre  für  Bergschulen  und  andere  tech- 
nische Lehranstalten.  Leipzig  1902.  Jul.  Baedeker.  Pr.  1,50  M. 

Thonindustrie-Kaleoder  1 902.  2 Thle.  Berlin  1902.  Thon- 
industrie-Zeitung. Pr.  I M. 

Weiske,  Paul,  Ing.  Kerntheorie  und  Dachpfetten- 
Berechnung  nebst  einigen  weiteren  Kapiteln  aus  der 
Festigkeitslehre  und  einem  Anhang:  Anwendung  der  Träg- 
heitskreise. Stuttgart  1902.  Arnold  Bergsträsser  (A.  Kröner). 
Pr.  geh.  3 M-,  geh.  3,60  M. 

Wollny,  Dr.,  F.  Gedanken,  welche  der  projektirte  Bau 
der  Unterpflasterbahn  in  Be  riin  erwecken  kann. 
Berlin  1902.  Hermann  Walther. 

Ortsübliche  Gebräuche  im  Berliner  Baugewerbe. 
Berlin  1902.  Innung:  Bund  der  Bau-,  Maurer- u.  Zimmermstr. 
zu  Berlin.  Pr.  50  Pf 

Ehlerding,  W.  Der  Kunstschmied.  Vorlagen  für  Schlosser- 
und Schmiedearbei'en.  Heft  5,  6 u.  7.  Ravensburg  1902. 
Otto  Maier.  Pr.  60  Pf.  (In  10  Heften  vollständig.) 

Feldmann,  Hugo,  Arch.  525  Schornsteinköpfe.  Hannover 
1902.  Helwing’sche  Verlagsbchhdlg.  Pr.  4 M. 

Gros,  Jacq.,  Arch.  Skizzen  für  Wohn  - u.  Landhäuser, 
Villen  usw.  Hauptsächlich  Holzarchitekturen.  II.  Serie, 
Lief.  I,  2,  3 u.  4.  Ravensburg  1902.  Otto  Maier.  Pr.  jed. 
Lief.  2 M.  (Vollständig  in  IO  Liefrg.) 

Grossmann,  E.,  Arch.  Billige  Wohnhäuser  in  moder- 
ner Bauart.  Mustergiltig  ausgeführte  Ein-  und  Zwei- 
Familienhäuser  zu  Baupreisen  von  8 — 15000  M.  Lief.  7,8,9 
u.  IO  (Schluss).  Ravensburg  1902.  Otto  Maier.  Pr.  jed. 
Lief.  1,50  M. 

Herse,  Ernst.  Der  gewerblicheRechtsschutz.  (Patent-, 
Muster-  und  Warenzeichen-Schutz)'  in  Frage  und  Antwort. 
I.  Th.  Deutsches  Reich.  Berlin  1902.  H.  W.  Müller. 

Heyd,  Dr.  Wilh.  Handschriften  und  Handzeichnun- 
g e n des  herzoglich  wflrttembergiscben  Baumeisters  Heinrich 
Schickhardt.  Heft  2.  Stuttgart  1902.  W.  Kohlhammer.  Pr.  4 M. 

Issel,  Hans,  Arch.  IMustrirtes  Handlexikon  der  ge- 
bräuchlichen Baustoffe.  Lief.  i.  Leipzig  1902. 
Theodor  Thomas.  Pr.  jed.  Lief.  i M.  (Vollständ.  in  10  Lief.) 

JelUnek,  Arthur  h.  Internationale  Bibliographieder 
Kunstwissenschaft,  i.  Jahrg.,  i.  Heft.  Berlin  1002. 
B.  Behr.  Pr.  (jährl.  6 Hefte)  10  M. 

Kolb,  Dr.  G.  Sammel-Atlas  für  den  Bau, von  Irren- 
anstalten. Ein  Handbuch  für  Behörden,  Psychiater  und 
Baubeamte.  Lief,  i u.  2.  Halle  a.,S.  1902.  Carl  Marhold. 
Pr.  jed.  Lief.  3 M.  (Vollständig  in  10 — 13  Lief.) 

Kotze,  Ottoj  Bürgermstr.  a.  D.  Die  baupolizeilichen  Vor- 
schriften in  den  Regierungs-Bezirken  Br  es  lau , Oppel  n, 
Liegnitz  und  der.  königlichen  Haupt-  und  Residenzstadt 
. Breslau.  Berlin  1902.  A.  W.  Hayn’s  Erben.  Pr.  jed.  Buches 
3,50  M. 

Lorenz,  H.,  Rendant.  Rathgeber  für  Reichs-,  Staats- 
und Koinmunal-Beamte.  Eine  Zusammenstellung  der 
Beaniten-Gesetzgebung  mit  Erläuterungen  und  2 Abschnitten: 
Die  Reichs-  und  Staatsverfassung  und  Verwaltung,  sowie 
ReebtST  und  Verwaltungsgesetze  von  allgemeinem  Interesse. 
14.  Aufl.  Pr.  2 M.  — 2.  Die  Beamten-.Besoldungstitel  des 
deutschen  Reichs-  und  preussischen  Staatshaushalts-Etats  für 
das  Rechnungsjahr  1902,  ii.  Jahrg.  Tegel-Berlin  1902.  Selbst- 
verlag. Pr.  2 M. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich,.  Der  Postbauinsp.,  Erth.  Buddeburg 
in  Dortmund  ist  z.  Postbrth.  ernannt. 

Baden.  Dem  fürstl.  forstenberg.  Bauinsp.  B I e y e r in  Donau- 
eschingen  ist  der  Tit.  Brth.  verliehen.  — 

Der  Reg.-Bmstr.  Ad.  Ziegler  ist  der  Gen.-Dir.  der  Staats- 
eisenb.  zugetheOt. 

Braunschweig.  Dem  Kr.-Bauinsp.^  Bohnsack  in  Braun- 
schweig ist  das  Ritterkreuz  II.  Kl.  des  herzogl.  Ordens  Heinrichs 
des  Löwen  verliehen. 

Preussen.  Den  Landbauinsp.  Rieh.  Schultze  u.  Fasqüei 
in_  Berlin  und  Hesse  in  Magdeburg  ist  der  Charakter  als  Brth. 
mit  dem  persönl.  Range  der  Räthe  IV.  Kl.  verliehen. 

Der  Doz.  Pagel  an  der  Techn.  Hochschule  in  Berlin  ist  z. 
etatm.  Prof,  ernannt  und  ist  dems.  die  neu  erricht.  Professur  für 
praktischen  Schiffbau  verliehen. 

Versetzt  sind:  Die  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Jaspers  in 
Köln  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Nideggen,  Schürmann  in  Köln 
alsVorst.  der  Bauabth.  nach  M.-'Gladbach,  Meyer  in  Königsberg  i. 
Pr.  als  Vorst,  (auftrw.)  der  Betr.-Insp.  nach  Angerburg. 

Ernannt  sind:  die  Reg.-Bmstr.  Schräder  in  Danzig  z.  Eisenb.- 
Bau- u.  Betr.-Insp.  und  Boelling  in  Köln  z.  Eisenb.-Bauinsp. ; — 
die  Reg.-Bfhr.  Erich  Ast  aus  Fraustadt  u.  Wilh.  Loebell  aus 
Luckau  (Hochbfeh.),  Heinr.  Z a a r aus  Berlin,  Otto  Blum  aus 
Neunkirchen  (Eisenbfeh.), Paul  Sydow  aus  Stettin  u.  Fritz 
Grunewaid  aus  Düsseldorf  (Masch.-Bfch.)  zu  Reg.-Bmstrn. 

Dem  Reg.-  und  Brth.  Gier,  den  Reg.-Bmstrn.  Hans  Krielke 
in  Berlin,  Christ.  Ranck  in  Neuraünster  und  Karl  Schirmeyer 
in  Magdeburg  ist  die  nachges.'  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Der  Kr.-Bmstr.  Rom  eis  s in  Gr.  Wanzleben  ist  gestorben. 

VVürttemberg.  Die  Kandidaten  des  Hochbaufachs  Frz.  Bärtle 
aus  Kisslegg,  Emil  Behr  aus  Reutlingen,  Otto  Eber  hach  aus 
Stuttgart,  Kurt  Gabriel  aus  Leipzig,  Wilh.  H 0 1 c h aus  Hall, 
Otto  Jeremias  aus  Stuttgart,  Paul  Mundt  aus  Weissenfels, 
Ad.  Stahl  aus  Esslingen,.  Gg.  Wieland  aus  Göppingen  und 
Karl  Winter  aus  Stuttgart  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Der  Masch.-Ing.  Schweickhardt  in  Stuttgart  früher  in 
Ulm  ist  gestorben. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  St.  & M.  in  Giessen.  Ihre  Darstellung  reicht  nicht 
aus,  ein  untrügliches  Urtheü  über  die  Rechtsverhältnisse  zu  ge- 
winnen. Dazu  müsste  vielmehr  der  Wortlaut  der  Verträge  und  die 
Zeit  der  einzelnen  Rechtshandlungen  vorliegen.  Soweit  Ihre  An- 
gaben eine  Beurtheilung  zulassen,  würde  der  Verkäufer  des  R'est- 
grundstückes  dem  jetzigen  Besitzer  ersatzpflichtig  sein,  wenn  er 
wirklich  zum  Nachtheil  dieses  Grundstückes,  eine  Belastung  zu- 
gunsten des  vorher  verkauften  Trennstückes  bewirkt  und  diese 
Thatsache  gelegentlich  des  Verkaufes  verschwiegen  hatte.  Denn 
dass  er  dies  arglistig  that,  würde,  sofern  Ihre  Angaben  zutreffen, 
thatsächlich  festzustellen  sein.  Andererseits  hegt  ein  Vermögens- 
nachtheil vor,  wenn  man  statt  eines  voll  bebauungsfähigen  Grund- 
stückes ein  solches  mit  beschränkter  Baufähigkeit  bekommt,  weil 
solches  minderwerthig  ist.  Mithin  würden  die  Merkmale  eines 
zivilrechtlichen  Betruges  scheinbar  zu  erbringen  sein  und  der  Er- 
werber den  Ersatz  seines  Schadens  beanspruchen  können,  welcher 
sich  auf  den  Unterschied  erstreckt,  den  der  Werth  des  voll  be- 
bauungsfähigen  gegenüber  dem  baubeschränkten  Grundstück  er- 
giebt.  Uebrigens  ist  keineswegs  sicher,  dass  der  Nachbar  mit 
seiner  Klage  durchdringt,  vvenn  thatsächlich  die  beregte  Belastung 
dem  jetzigen  Bauherrn  zurzeit  des  Erwerbes  verschwiegen  war 
und  er  sich  bezüglich  derselben  in  einem  entschuldbaren  Irrthum 
befinden  konnte.  — K.  H-e. 

Hrn.  Bautechn.  P.  in  Allenstein.  Bis  zum  i.  Jan.  1900  galt 
das  Gesetz  vom  22.  Juni  1889  und  die  Ausführungsanweisung  zu 
demselben , welche  eine  Bestimmung  des  Ihrerseits  erwähnten  In- 
haltes hatten.  Jetzt  gilt  jedoch  das  Gesetz  v.  13.  Juli  1899,  zu  dem 
eine  Anleitung  v.  ,19  Dez.  1899  erlassen  ist,  welche  den  Kreis  der 
Versicherungspflichtigen  regelt.  Da  nun  § i Ziff.  2 ausdrücklich 
die  Techniker,  deren  Diensteinkomraen  weniger  als  2000  M.  jähr- 
lich beträgt,  für  versicherungspflichtig  erklärt,  und  es  nach  der 
Ihrerseits  geschilderten  Art  der  Ihnen  obliegenden  Verrichtungen 
nicht  bedenklich  ist,  dass  Sie  die  Stellung  eines  Technikers  im 
Sinne  der  Gew.-Ord.  § 133a  bekleiden,  sind  Sie  jedenfalls  ver- 
sicherungspfiiehtig  und  zum  Zahlen  der  Hälfte  der  zu  verbrauchen- 
den Marken  verpflichtet.  Auf  Befreiung  von  der  Versicherungspflicht 
haben  Sie  darnach  keinen  gesetzlichen  Anspruch,  da  Sie  zu  den  Per- 
sonen nicht  gehören,  denen  § 5 ff.  eine  Befreiung  zugesteht.  K.  H-e. 

Hrn.  Stadtbmstr.  Z.  in  S.  Wir  würden  den  zylindrischen 
Sinkkasten  init  darin  stehendem  Eimer  nach  eigenen  Erfalirungen 
den  Vorzug  vor  viereckig  geformten  geben,  weil  ersterc,  wenn 
die  Abdichtung  des  Eimers'  gegen  die  Zylinderwand  gut 
und  dauerhaft  ist,  reinlicher  sind.  Aber  die  zylindrischen  Sink- 
kasten lassen  sich  auch  mit  Handschöpfern  ebenso  gut  reinigen 
und  haben  denVorzug,  äusseren  Druckkräften  besser  zu  widerstehen, 
als  die  viereckigen.  Bei  mangelhaften  Manschetten,  der  Eimer  kann 
es  schwierig  sein,  letztere  ohne  Gebrauch  eines  Flaschenzugs  her- 
auszuheben, bei  guter  Manschettendichtung  ist  die  Benutzung  eines 
Flaschenzugs  entbehrlich.  Ein  Eimer,  der  allen  Ansprüchen  ge- 
recht wird,  ist  von  Mairich  konstruirt;  er  wird  von  der  Geiger’schen 
Fabrik  in  Karlsruhe  geliefert.  Genaueres  über  die  Konstruktion 
dieser  Eimer  und  überhaupt  derjenigen  von  Sinkschachten  finden 
Sie  in  Büsing:  Die  Städtereinigung,  Stuttgart.  — 

Inhalt:  Die  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von 
Siemens  & Halske  VII.  (Schluss).  — Ein  Beitrag  zum  Kapitel  der  staatlichen. 
Kunstförderung.  — MittheilungM  aus  Vereinen  — Vermischtes.  — Preisbe- 
werbungen. — Bücherschau.  .^Personal-Nachrichten. — Brief- u.  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortL  Albert  Hofmann,  Berlin,  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  43. 


292 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
>HBERLIN  ^ 
sjstsrarsrsfsrssstÄS: 


««►ssÄftstststsrsrstatsrs» 

AUZEITUNG. 

GANG.  * Hs  N2:  46.  Hs 
DEN  7.  JUNI  igo2.  Hs 

«ÄÄStarstarsjstÄStstsitat 


Nördlicher  Friedhof.  Ansicht  der  Anlage  gegen  das  Gräberfeld. 

Die  neuen  Münchener  Friedhöfe. 

Architekt:  Stadt,  Baurath  Hans  Grassel  in  München.  (Hism  die  Abbildsn.  5.39511.39,) 
I.  Allgemeines. 

Leichen  im  Erdgrabe  zum  Zwecke  der  möglichst  schnellen 
Auflösung  der  organischen  Bestandtheile  der  menschlichen  Ueberreste  ohne 
Gefahr  für  die  Lebenden  war  die  in  Deutschland  seit  Alters  übliche.  Die  Be- 
gattung erfolgte  früher  auf  dem  Kirchhof,  Gottesacker,  Friedhol,  einem  um  das 
Gotteshaus  gelegenen  abgegrenzten  Gelände,  welches  im  südlichen  Deutsch- 
land ursprünglich  einen  Freithof  (althochdeutsch  Frtthof),  einen  Zufluchtsort 
für  Verfolgte  bedeutete  und  allmählich  die  Bedeutung  einer  Stätte  des  Friedens 
ann^ra,  in  welcher  Bedeutung  der  Ausdruck  für  die  Begräbnisstätte  im  Laufe 
der  Zeit  dann  allgemein  eingeführt  wurde.  Der  Gebrauch  der  Bestattung  auf 
dem  Gottesacker,  dem  Kirchhof  bestand  auch  in  München  seit  dem  Mittelalter 
die  Friedhöfe  waren  hier  die  Kirchhöfe  der  einzelnen  Pfarreien  und  wurden 
mit  deren  Namen  belegt.  Sie  lagen  demgemäss  wie  die  Kirchen  selbst  in- 
mitten  der  Stadt.  Durch  eine  kurfürstliche  Verordnung  vom  17  Febr  1780 
jedoch  wurden  die  Kirchhöfe  in  der  Stadt  aufgehoben  und  die  Ueberführung 
der  Leichen  auf  den  schon  seit  dem  Jahre  1557  als  Armen-  und  Epidemien 
t riedhof  bestehenden  ßegräbnissplatz  vor  dem  Sendlinger  Thor,  dem  heutigen 
^dhehen  Friedhof  an  der  Thalkirchener-Strasse,  dessen  Fläche  auf  7 bayerische 
l agwerk  (r  Tagw.  rd.  34  a*-)  vergrössert  wurde,  zur  Vorschrift  gemacht.  Als 
dieser  Fiiedhof  am  14.  April  1789  die  feierliche  Weihe  erhalten  hatte,  da  war 
eine  Umwandlung  im  Bestattungswesen  Münchens  vollzogen : aus  den  Parochial- 
!•  riedhöfen  der  einzelnen  Pfarreien  war  ein  Kommunal-  oder  Gemeinde-Friedhof 
geworden. 

Die  im  Laufe  der  Zeit  folgenden  Verbesserungen  und  Erweiterungen 
dieser  Anlage  führten  zunächst— 1791  — zur  Umwandlung  des  alten  Beinhauses 
m eine  Leichenkapelle,  wo  die  Leichen  zweimal  48  Stunden  aufgebahrt  werden 
mussten,  um  sich  ihres  sicheren  Todes  zu  vergewissern  und  der  damals  noch 
allgemein  befürchteten  Möglichkeit  der  Bestattung,  so  lange  noch  Leben  im 
Körper  ist,  entpgen  zu  wirken.  Im  Jahre  1814  wurde  dieser  erste  Gemeinde- 
Gottesacker  auf  eine  Grösse  von  20  Tagwerk  (6,8  ha)  gebracht,  und  von  1818 
bis  1819  erhielt  derselbe  nach  den  Plänen  des  Brths.  Vorherr  ein  ver- 
giössertes  Leichenhaus  mit  den  im  Halbkreise  daran  rechts  und  links  sich 
anschliessenden  Gruftarkaden  mit  Ehrenhalle.  Der  Friedhof  enthielt  Jetzt  bei 
einem  jährlichen  Begräbnisstande  von  2300  Leichen  etwa  14000  Gräber,  sowie 
95  A^adengrüfte.  1847  wurde  derselbe  um  eine  Fläche  von  3 ha  mit  etwa 
6000  Gr^ern  (Grunderwerb:  40000  Gulden)  vergrössert  und  nach  den  Plänen 
des  Üb.-Brth.  Gärtner  mit  einem  Kostenaufwande  von  260000  Gulden  von 
einer  Gruftarkaden-Anlage  von  175  Grüften  umzogen.  Der  so  gestaltete  und 
noch  heute  bestehende  südliche  Friedhof  Münchens,  welcher  berühmt  ist 


293 


durch  die  Menge  seiner  hervorragenden  Grab-Denk- 
mäler, wie  sie  kein  zweiter  Friedhof  in  Deutschland  auf- 
zuweisen hat,  bildete  sodann  bis  zum  Jahre  j868  die 
einzige  Kommunal -Begräbnisstätte  der  bayerischen 
Hauptstadt.  Neben  diesem  südlichen  Friedhofe  be- 
standen in  den  Vororten  für  die  christlichen  Pfarr 
gemeinden  die  12  kleinen  Kirchhöfe  in  Bogenhausen, 
Ramersdorf,  Haidhausen,  Au,  Giesing,  Thalkirchen, 
Sendling,  Laim,  Neuhausen,  Nj'^mphenburg  sowie  in 
Schwabing  (2),  welche  mit  Ausnahme  des  1876  auf- 
gehobenen (jiesinger  Friedhofes  zurzeit  ebenfalls  Ge- 
meinde-Friedhöfe Münchens  bilden,  in  welchen  jedoch 
nur  noch  in  den  daselbst  gekauften  Familiengräbern 
und  höchstens  bis  zum  Jahre  1925  Beerdigungen  vor- 
genommen werden  dürfen. 

Im  Jahre  1867  war  die  Stadtgemeinde  München 
veranlasst,  in  ihrem  neuen  nördlichen  Stadttheil  an 
der  Arcisstrasse  einen  weiteren,  den  nördlichen 
Friedhof  anzulegen,  welcher  in  der  Grösse  von 
4,5  ujjt;  etwa  8000  Gräbern  und  30  Arkadengrüften 
nach  den  Plänen  des  städtischen  Baurathes  Zenetti 
zur  Ausführung  kam  und  am  8.  September  1868  er- 
öffnet wurde. 

Durch  die  vielen  kleinen  Friedhof -Anlagen  war 
das  Begräbnisswesen  Münchens  mit  der  Zeit  ein  sehr 


zersplittertes  geworden  und  es  musste  daher  die  Stadt 
bei  dem  in  den  70er  und  80er  Jahren  schnell  zu- 
nehmenden Wachsthum  an  eine  Zusammenfassung 
denken.  Es  geschah  das  zunächst  durch  Angliederung 
einer  25,2*'^  grossen  Begräbnissfläche  an  den  1,7!’^ 
grossen  alten  Gottesacker  der  Vorstadt  Au  auf  der 
östlichen  Hochfläche  der  Stadt  und  es  war  dieser 
neue  östliche  Friedhof  ursprünglich  als  ein  Zen- 
tral-Friedhof  gedacht. 

Nach  Einverleibung  von  Schwabing,  Neuhausen 
und  Bogenhausen  in  den  Jahren  1890  und  1891  sah 
man  aber  bald,  dass  die  Entfernungen  zu  dem  ver- 
meinten Zentral-Friedhof  zu  grosse  wurden,  dass  die 
Fläche  desselben  für  eine  Zentral-Begräbnisstätte  Mün- 
chens nicht  ausreichend  sei,  dass  eine  Vergrösserung 
wegen  der  inzwischen  bedeutend  gestiegenen  Grund- 
werthe  sich  nicht  ermöglichen  lasse  und  dass  die 
Schaffung  eines  einzigen  grossen  Todtenfeldes  auch 
aus  anderen  Gründen,  besonders  aber  in  grösserer 
Nähe  der  bebauten  Stadttheile,  nicht  erwünscht  sei, 
und  man  schritt  zu  einer  Dezentralisirung  der  Fried- 
hof-Anlagen nach  den  4 Himmelsrichtungen,  indem 
man  zu  dem  genannten  östlichen  Friedhöfe  die  An- 
lage von  noch  3 weiteren  Begräbnissplätzen  im  Nor- 
den, Westen  und  Süden  der  Stadt  beschloss.  — 

(FortsetzuDg  folgt.) 


Zur  Karlsruher  Bahnhofsfrage. 

Von  Ob.-Brth.  Prof.  Baumeister. 


en  ausführlichen  Darlegungen  in  No.  32  und  33  d.  Bl. 
über  die  Karlsruher  Bahnhofsfrage  erlaube  ich  mir 
ein  paar  Ergänzungen  anzufügen,  welche  nach  mei- 
ner Ansicht  zumtheil  auch  eine  grundsätzliche  Bedeutung 
besitzen  und  deshalb  die  Leser  wohl  interessiren  dürften. 
Es  geschieht  aufgrund  eines  Gutachtens,  welches  ich  im 
Aufträge  des  Stadtraths  von  Karlsruhe  unter  dem  5.  April 
d.  J,  erstattet  hatte. 

Die  beiden  Entwürfe  der  Eisenbahn-Verwaltung,  näm- 
lich A.  Verlegung  der  Bahn  an  den  südUchen  Rand  der 
Stadt  (s.  Lageplan  S.  204)  und  B.  Hochlegung  der  Anlage 
auf  dem  jetzigen  Platz,  stimmen  in  der  zunächst  beabsich- 
tigten Anlage  „auf  absehbare  Zeit“  genau  überein;  es  sind 
12  Zugplätze  zum  Anhalten  von  Personenzügen  vorgesehen. 
Aber  auch  bei  einer  etwaigen  künftigen  Vergrösserung  auf 
18  Zugplätze,  können  die  beiden  Entwürfe  als  gleich 
leistungsfähig  gelten,  indem  bei  A.  der  erforderliche  Raum 
nach  der  Breite  vorgesehen  ist,  beiB.  unter  Verlegung  des 
jetzigen  Lokalgüter-Bahnhofs  mittels  abgesetzter  Zungen- 
Bahnsteige  nach  der  Länge  gewonnen  werden  kann.  In 
betriebstechnischer  Hinsicht  verdient  zweifellos  A.  dieVor- 
züge  der  Geradlinigkeit  und  Uebersichtlichkeit,  sowie  der 
schlanken  Krümmungsverhältnisse  bei  den  Anschlusslinien; 
allein  diese  Vorzüge  besitzen  doch  im  Hinblick  auf  andere 
Bahnhöfe,  von  welchen  die  meisten  unter  dem  Zwang  ört- 
licher Verhältnisse  stehen  und  sich  nicht  wie  A.  gleichsam 
akademisch  frei  entwickeln  Hessen , nur  ein  relatives  Gewicht. 

Während  der  Ausführung  von  B.  wäre  nach  Ansicht 
der  badischen  Betriebsverwaltung  ein  Nothbahnhof  an 
dritter  Stelle  unumgänglich.  Sie  begründet  dies  mit  dem 
seit  1898  gewachsenen  Verkehr,  während  sie  bis  dahin 
bei  ihren  Entwürfen  die  Hochlegung  in  zwei  Zeitabschnitten 
angenommen  halte.  Wenn  man  erwägt,  dass  die  mit  Bahn 
steigen  und  Zugplätzen  besetzte  Breite  des  jetzigen  Bahn- 
hofes 50“  misst  und  dahinter  nach  Abreissen  von  Remisen 
und  dergl.  noch  ein  freier  Raum  von  78  “ zur  Verfügung 
steht,  so  ist  die  Dringlichkeit  eines  Nothbahnhofes  wohl  zu 
bezweifeln.  In  anderen  Städten  sind  bei  Bahnhofs-Um- 
bauten  schwierigere  örtliche  Verhältnisse  mittels  hälftiger 
Hochlegung  überwunden  worden,  z.  B.  in  Köln,  Essen, 
Münster,  Dresden,  bevorstehend  in  Nürnberg.  Indessen, 
es  muss  nun  mit  der  Ansicht  derjenigen,  welche  die  Ver- 
antwortung zu  tragen  haben,  gerechnet  werden. 

In  den  reinen  Baukosten  weichen  die  beiden  Lösun- 
gen bei  dem  zunächst  beabsichtigten  Umfang  der  Aus- 
führung nicht  erheblich  von  einander  ab.  Zu  einem  finan- 
ziellen Vergleich  in  ihrem  Endzustände,  welcher  nach 
etwaiger  Erweiterung  in  Aussicht  genommen  ist,  mangelt 
es  an  Material;  beträchtliche  Unterschiede  sind  mir  aber 
auch  dann  nicht  wahrscheinlich,  und  es  braucht  die  Lösung 
der  Bahnhofsfrage  sicherlich  nicht  von  derartigen  künftigen 
Maassregeln  abhängig  gemacht  zu  werden,  sofern  diese 
nur  technisch  vorbedacht  sind.  Wenn  dennoch  in  der 
Vorlage  an  den  Landtag  ein  Unterschied  von  rd.  7 Mill.  M. 
zu  Gunsten  von  A.  erscheint,  so  liegt  die  Ursache  davon 
theils  in  den  Kosten  des  Nothbahnhofes,  theils  in  dem  er- 

294 


hofften  Erlös  für  das  frei  werdende  Gelände  des  gegen- 
wärtigen Bahnhofes  und  seiner  Zufahrtslinien  (ungefähr 
96  ha),  welcher  gleich  mit  in  Rechnung  gestellt  worden 
ist.  Dass  der  genannte  Unterschied  in  der  Budget-Kom- 
mission der  2.  Kammer  vor  kurzem  bereits  einen  Entscheid 
für  A.  herbeigeführt  hat,  kann  nicht  Wunder  nehmen. 
Wie  verhalten  sich  aber  dazu  die  Interessen  der  Stadt 
und  ihrer  Bewohner? 

Abgesehen  von  etlichen  ästhetischen  Momenten, 
welche  zumeist  gegen  B.  sprechen,  aber  durch  die  Ge- 
wohnheit gemildert  zu  werden  pflegen,  würden  infolge 
von  A.  zwei  schwere  wirthschaftliche  Nachtheile  ent- 
stehen, nämlich  zuerst  die  Werthverminderung  bei  vielen 
Geschäften  und  Häusern  in  der  Umgebung  des  jetzigen 
Bahnhofes  (nicht  blos  bei  den  Gasthöfen  laut  S.  20g).  Ein 
Ministerial-Erlass  greift  hierwegen  den  bekannten  Satz  auf, 
dass  Privatinteressen  hinter  den  öffentlichen  Interessen 
zurückstehen  müssen  — ein  schlechter  Trost  für  die  Be- 
troffenen. Allerdings  ist  es  schwer  und  namentlich  nicht 
im  Voraus  zu  bestimmen,  in  welchem  Umfange  Werth- 
verschiebungen  erfolgen , deshalb  erscheint  es  als  eine 
Aufgabe  der  Gemeinde,  solche  womöglich  zu  verhüten. 

Klarer  liegt  die  andere  Folge  einer  Verlegung  des 
Bahnhofes.  Die  Wege  zu  und  von  demselben  würden  für 
den  grössten  Theil  der  Bevölkerung  verlängert  und  nur 
für  einen  kleinen  Theil  verkürzt.  Um  diesen  Gegenstand 
nicht  blos  nach  dem  Gefühl  und  mit  einzelnen  Angaben 
darzulegen,  habe  ich  ein  sorgfältiges  geometrisches  Ver- 
fahren eingescl. lagen,  dessen  Ergebniss  in  einer  mittleren 
Verlängerung  der  Wege  für  alle  Einwohner  der  Stadt 
um  837  “1  besteht,  gleich  einer  Zeit  von  9,3  Minuten,  wenn 
als  Geschwindigkeit  eines  rüstigen  Fussgängers  1,5“  für 
die  Sekunde  angenommen  werden.  Aus  dem  jüngsten 
Jahresberichte  der  badischen  Eisenbahnen  ergiebt  sich 
die  Anzahl  der  abgehenden  und  ankommenden  Reisenden, 
z.  Th.  allerdings  nur  aus  Schätzung,  zu  2575000,  somit 
die  Zeit,  welche  infolge  Verlegung  des  Bahnhofes  jährlich 
verloren  gehen  würde,  zu  400  000  Stunden.  Dass  bei 
dieser  Berechnung  der  den  Fremden  zugefügte  Zeitverlust 
mit  auf  das  Konto  der  Stadt  gesetzt  worden  ist,  begründet 
sich  dadurch,  dass  es  auch  im  Interesse  der  Einwohner 
liegt,  wenn  Fremde  zu  Besuchen,  Geschäften  und  Ver- 
gnügungen möglichst  bequem  in  die  Stadt  gelangen  können. 

Was  den  Geldwerth  der  verlorenen  400000  Stunden 
betrifft,  so  wird  derselbe  zwar  von  Rentnern,  Damen  und 
Kindern  nicht  sonderlich  beachtet  werden , andererseits 
aber  hoch  geschätzt  von  solchen  Personen,  welche  ihre 
Zeit  in  Arbeit  umsetzen.  Würde  man  als  Durchschnitts- 
werth nur  den  geringsten  Verdienst  eines  Tagelöhners 
mit  25  Pfg.  für  die  Stunde  legen,  so  berechnet  sich  ein 
jährlicher  Verlust  von  100000  M.,  entsprechend  einem 
Kapital  von  2500000  M.  Allein  sicherlich  ist  bei  einer 
fleissigen  städtischen  Bevölkerung  der  Werth  der  Zeit, 
auch  im  Durchschnitt  betrachtet,  höher  als  bei  lauter 
Tagelöhnern.  Man  müsste  daher  die  letztgenannten  Sum- 
men vielleicht  verdoppeln  oder  noch  stärker  vervielfachen. 

No.  46. 


Bei  der  Benutzung  von  Fuhrwerk  stellt  sich  der  Zeit- 
verlust geringer  als  beim  Gehen,  aber  der  Geldaufwand 
noch  erheblich  höher.  Vortheilhafter  könnte  die  Benutzung 
der  (entsprechend  vervollständigten)  elektrischen  Strassen- 
bahnen  ausfallen.  Auch  hierüber  werden  in  dem  Gut- 
achten Untersuchungen  angestellt,  welche  dahin  führen, 


Einzelnen  überlassen  bleiben,  ob  sie  lieber  Zeit  oder  Geld 
opfern  wollen;  das  letztere  wird  leicht  selbst  von  solchen 
Personen,  welchen  die  Zeit  wenig  werth  ist,  wegen  der 
Ermüdung  vorgezogen  werden,  während  andererseits  viele 
Personen  gegen  ihren  Willen  zum  Gehen  statt  zum  Fähren 
genöthigt  sein  werden,  weil  für  grosse  ankommende 


dass  13  o/q  des  Gesammtverkehres  sich  schon  jetzt  der 
Strassenbahn  bedienen,  7%  derselben  wegen  geringer 
Entfernungen  überhaupt  nicht  bedürfen,  also  80  o/q  künftig 
neu  darauf  angewiesen  sein  und  ihr  Fahrgeld  von  10  Pfg. 
bezahlen  werden.  Imganzen  beträgt  somit  der  künftige 
Mehraufwand  0,80.2575000.0,10  = 206000  M.  jährlich, 
entsprechend  einem  Kapital  von  5 150000  M.  Es  mag  den 

7.  Juni  1902. 


Menschenmengen  nicht  immer  eine  genügende  Zahl  von 
Wagen  nebst  Dienstpersonal  am  Bahnhofe  bereit  stehen 
wird.  Man  kann  somit  aufgrund  von  zweierlei  Rechnüngs- 
wegen  die  runde  Summe  von  5 Mill.  M.  als  den  Verlust 
ansehen,  welchen  die  Bevölkerung  durch  Ausführung  des 
Projektes  A erleiden  würde. 

Dass  der  obige  Jahresbetrag  von  rd.  200000  M.  sicli  im 

295 


Laufe  der  Zeit  wesentlich  ändern  werde,  ist  nicht  wahr-  Länge  von  837“  sich  allmählich  vermindert,  so  wird  da- 
scheinhch.  Denn  wenn  auch  bei  zunehmender  Bevölkerung  für  die  Anzahl  der  Wege  zwischen  Bahnhof  und  Stadt 


die  Stadt  sich  vorwiegend  nach  dem  neuen  Bahnhofe  hin  zunehmen,  und  beides,  weil  von  derselben  Ursache  ab- 
ausbaut  und  erweitert,  und  damit  die  durchschnittliche  hängig,  sich  gegenseitig  mehr  oder  weniger  ausgleichen- 

Ö92  Ko.  46. 


Architekt:  Raimondo  D'Aronco  ii 


297 


7-  Juni  1902. 


Stadtrath  und  Bürgerausschuss  haben  sich  schon  vor 
2 Jahren  dahin  ausgesprochen,  dass  die  Hochlegung  an 
der  gegenwärtigen  Stelle  für  die  Stadtgemeinde  am  vor- 
theilhaftesten  erscheine.  Sollte  nun  aber,  wie  es  wahr- 
scheinlich ist,  bei  der  Regierung  be2w.  im  Landtage  die 
Verlegung  vorgezogen  werden,  so  wäre  bei  den  darauf 
folgenden  Verhandlungen  vonseiten  der  Stadt  u.  a.  der 
Verlust  wegen  Wegverlängerungen  in  dem  oben  ange- 
führten Betrage  geltend  zu  machen.  Hier  stossen  wir  aber 
meines  Erachtens  auf  eine  Lücke  in  unseren  Rechtszustän- 
den, Der  Staat  verschiebt  plötzlich  einen  Bahnhof,  an  dessen 
60jährigen  Bestand  sich  nicht  nur  die  Eigenthumswerthe 
der  ganzen  Umgebung,  sondern  auch  die  Verkehrsver- 
hältni.'^se  der  ganzen  Bevölkerung  geknüpft  haben.  Eine 
Entschädigung  von  Rechts  wegen  giebt  es  nicht,  um  so 
entschiedener  aber  wäre  sie  gewiss  Sache  der  Billigkeit. 
Zudem  brauchte  die  genannte  Summe  nicht  etwa  in  baar 
verabfolgt  zu  werden,  denn  es  giebt  ein  Aequivalent  da- 
für, welches  beiden  Theilen  noch  angenehmer  sein  möchte. 
Dies  ist  das  nach  vollzogener  Verlegung  freiwerdende 
Bahneigenthum,  welches  entweder  unentgeltlich  oder  um 
einen  wahrhaft  niedrigen  Preis,  etwa  um  die  Selbstkosten 
von  1842,  zu  übergeben  wäre. 


Zur  Begründung  des  Vorstehenden  ist  ausserdem  dar- 
an zu  erinnern,  dass  das  Gelände  in  fraglicher  Gegend 
jetzt  für  Bauzwecke  gut  den  hundertfachen  Werth  von 
dem  Preis  besitzt,  welcher  bei  der  ersten  Anlage  der 
Eisenbahn  bezahlt  werden  musste.  Wer  hat  diese  Werth- 
steigerung zustande  gebracht?  Gewiss  nicht  die  Eisen- 
bahnverwaltung, sondern  die  Gemeinde  vermöge  der 
Tüchtigkeit  ihrer  Bürger  und  ihrer  Verwaltung,  sowie  der 
dadurch  bewirkten  Zunahme  des  Wohlstandes  und  des 
Baugebietes.  Dass  die  Gemeinde  theilnehme  an  dem 
Werthzuwachs,  welcher  den  Grundbesitzern  zumeist  mühe- 
los in  den  Schooss  fällt,  ist  ein  bekanntes  Streben  der 
Vertreter  einer  gesunden  Bodenpolitik.  Hier  bietet  sich 
schon  vor  einer  in  dieser  Beziehung  zu  erhoffenden  Ge- 
setzgebung dem  Staate  Gelegenheit,  dass  er  als  grösster 
Grundbesitzer  aus  freien  Stücken  der  Vernunft  und  Billig- 
keit Raum  giebt,  statt  den  fiskalischen  Standpunkt,  d.  h. 
den  der  Bodenspekulanten  festzuhalten. 

Auch  an  dieser  Stelle  möchte  ich  daher  mit  dem 
Wunsche  für  die  Stadt  Karlsruhe  schliessen:  In  erster 
Linie  Hochlegen  des  jetzigen  Bahnhofes,  in  zweiter  Ab- 
treten des  von  ihm  besetzten  Geländes  an  die  Stadt.  — 

Karlsruhe,  im  Mai  1902. 


Vermischtes. 

Der  Besuch  der  österreichischen  Fachgenossen  In  Berlin, 
auf  den  wir  in  No.  41  bereits  hinwiesen,  nahm,  wie  wir 
glauben  annehmen  zu  dürfen,  bisher  einen  für  beide 
Theile,  sowohl  für  die  Gäste,  wie  für  die  beim  Empfang 
und  der  Führung  betheiligten  3 Berliner  Vereine,  nach 
jeder  Richtung  befriedigenden  Verlauf  und  lieferte  den 
Beweis  von  dem  herzlichen  Einvernehmen,  das,  wie 
zwischen  den  beiden  Ländern,  auch  zwischen  den  tech- 
nischen Vereinen  derselben  besteht  und  das  jedenfalls 
durch  diesen  Besuch,  dem  sich  hoffentlich  in  nicht  allzu 
ferner  Zeit  ein  Gegenbesuch  der  Berliner  anschliesst,  eine 
neue  Kräftigung  erfahren  wird. 

üeber  100  österreichische  Facbgenossen  mit  einigen 
wenigen  Damen  trafen  unter  Führung  des  Vorsitzenden 
des  österreichischen  Ingenieur-  und  Architekten-Vereins, 
dem  General-Insp.  der  Österreich.  Bahnen,  Hrn.  Gerstel, 
und  des  Vereins-Sekretärs  und  gleichzeitig  Schriftleiters 
der  in  technischen  Kreisen  allgemein  anerkannten  Vereins- 
Zeitschrift,  Hrn.  Ing.  Frhr.  von  Popp,  am  2.  Juni  Vor- 
mittags in  Berlin  ein.  Um  2 Uhr  des  Nachmittags  wurden 
sie  aus  ihrem  Absteigequartier,  dem  Continental-Hötel, 


von  den  Mitgliedern  der  Vorstände  des  Berliner  Archi- 
tekten-Vereins, des  Vereins  deutscher  Ingenieure  und  der 
Vereinigung  Berliner  Architekten  abgeholt,  um  in  von  der 
Stadt  gestellten  Wagen  eine  Rundfahrt  durch  Berlin,  na- 
mentlich zur  Besichtigung  einiger  städtischer  Hochbauten, 
zu  machen.  Unter  Führung  des  Architekten  Stadtbrths. 
Ludw.  Hoffmann  wurden  zunächst  die  Feuerwache  und 
das  Standesamt  an  der  Fischerstrasse  bezw.  Fischerbrücke 
besucht,  wo  seitens  der  Feuerwehr  im  geräumigen  Hofe 
eine  Uebung  mit  Dampfspritze  und  mechanischer  Leiter 
vorgeführt  wurde,  die  grosses  Interesse  und  durch 
exacte  Ausführung  den  Beifall  der  Oesterreicher  erregte. 
Eigenartig  wirkte  bei  dieser  Vorführung  der  Gegensatz 
zwischen  der  Architektur  des  Hofes,  die  den  Beschauer 
in  das  einfache,  mittelalterliche  Berlin  zurückversetzte  und 
den  hochausgebildeten  Hilfsmitteln  der  modernen  Technik. 
Dann  folgte  die  Besichtigung  des  reizvoll  und  anheimelnd 
ausgestatteten  Kinderasyles  in  der  Kürassierstrasse,  der 
Doppel-Gemeindeschule  in  der  Wilmsstrasse  und  des  be- 
nachbarten Volksbades  mit  seiner  wuchtigen,  der  italie- 
nischen Renaissance  entlehnten  Formgebung  und  schliess- 
lich des  noch  im  Bau  begriffenen  Märkischen  Museums, 
das  wiederum,  entsprechend  den  Gegenständen,  die  es 


Von  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  moderne 
dekorative  Kunst  in  Turin. 

II.  (Hierzu  die  Abbildungen  S.  296  u,  399  und  eine  Bildbeilage.) 
an  sollte  sich  bewusst  werden,  dass  aUe  die  unan- 
genehmen Anhängsel,  die  dem  Worte  „modern“  in 
den  bildenden  Künsten  und  ganz  besonders  in  der 
Baukunst  nachschleppen,  nur  das  Unkünstlerische  in  der 
Moderne  bezeichnen.  Das  ganze  Schnörkelwesen  in  seiner 
bizarren  Ausführlichkeit  ist  in  Wirklichkeit  eine  ganz  zu- 
fällige Nebenerscheinung  in  der  fortschreitenden  Bewegung, 
eine  Erscheinung,  die,  von  unbedeutenden  Geistern  gepflegt, 
allmählich  in  dem  Laien  das  falsche  Bild  vom  Sezessionsstil 
erstehen  liess.  Unter  diesem  ersten  Eindruck  hat  die  Mo- 
derne bis  zum  heutigen  Tage  zu  leiden,  und  Hr.  van  de 
Velde,  der  theoretisch  so  Wohlgewandte  und  Rechtge- 
sinnte, hat  jene  Gefolgschaft  ins  Leben  gerufen.  Seine 
entzückten  Bewunderer  glaubten,  dass,  da  sie  die  Form 
nur  als  Problem  ansahen,  sie  mit  der  formellen  Lösung 
zugleich  auch  das  Künstlerische  der  Aufgabe  erschöpft 
hätten.  Alle  jene  wunderbaren  Theorien,  die  v.  d.  Velde 
von  Konstruktionswahrheit,  Materialgerechtigkeit  oder  Ma- 
terialstilistik entwickelte,  und  die  die  alten  Meister 
wirklich  ausführten,  blieben  nur  auf  dem  Papier,  und 
in  Wirklichkeit  maltraitirten  jene  Herren  das  Material,  be- 
sonders Holz,  auf  barbarische  Weise,  wenn  man  ihre  Aus- 
führungen mit  ihren  Theorien  zusammenhält. 

Wenn  wir  jetzt  von  moderner  Kunst  sprechen,  so 
möchten  wir  zunächst  feststellen,  dass  von  jenem  Linien- 
unfug  in  der  Turiner  Ausstellung  nicht  mehr  viel  zu  spüren 
ist.  Charakteristischerweise  nur  bei  jenem  Volksstamm, 
bei  dem  die  Moderne  spät  eingezogen  ist,  bei  den  Italienern. 
Belgier,  Franzosen,  Oesterreicher  und  Üngarn  halten  sich 
in  bescheidenen  Grenzen,  Engländer,  Schotten,  Deutsche 
sind  vollkommen  davon  befreit.  Wir  sehen,  dass  zumeist 
ein  Ueberdruss  gegen  die  stilistische  Uebersättigung  in 
mittelalterlichen  und  Renaissanceformen,  also  gegen  die 
überkommenen  Formen,  das  Neue  in  der  Form  der  Linie 
gesucht  hat.  Die  Ausschreitungen,  die  dadurch  gezeitigt 

298 


wurden,  haben  das  Erspriessliche  des  Versuches  selbst- 
ständiger Erfindung  in  den  Formen  hinterlassen,  die  in 
kurzer  Zeit  zu  einer  verständnissvollen  Weiterausbildung 
gesunder,  künstlerischer  Grundsätze  führte. 

Diese  Weiterausbildung  gesunder  künstlerischer  Grund- 
sätze zeigt  sich  darin,  dass  bei  allen  Aufgaben  der  Raum- 
kunst zunächst  in  den  Sinn  der  Aufgabe  eingedrungen 
wurde  oder  versucht  worden  ist  einzudringen  und  dass, 
nachdem  man  verstandesgemäss  diesen  erfasst  hatte,  auf 
dieser  Einsicht  die  künstlerische  Raumstimmung  aufgebaut 
wurde.  Ein  Beispiel  mag  deutlicher  sprechen.  Wir  haben 
die  Aufgabe,  einen  Empfangsraum  zu  schaffen,  in  einem 
Schlosse  vielleicht,  dann  würde  diese  Aufgabe  von  der 
älteren  Generation  so  gelöst  worden  sein,  dass  sie  einen 
der  vielen  herrlichen  Barocksäle  studirt  und  mit  aus  jenen 
entnommenen  „echten  Motiven“  ihren  Raum  koraponirt 
hätte.  Dieser  Raum  trüge  dann  den  Barockcharakter,  d.  h. 
eine  Stimmung,  die  vor  allen  Dingen  den  Geist  jener 
Epoche  trägt. 

Der  Moderne,  und  das  unterscheidet  ihn  wesentlich, 
von  jenen,  will  nicht  mit  echten  Motiven  arbeiten,  son- 
dern aus  seiner  eigenen  Stimmung  heraus  einen  Raum 
schaffen,  der  das  Gepräge  seines  Schöpfers  und  nicht  das 
des  XVII.  oder  XVIII.  Jahrhunderts  trägt.  Er  hält  es 
seiner  Ahnen  unwürdig,  durch  eine  rein  äusserliche  Ver- 
wendung alter  Motive  oder  Formen,  die  ihren  ganz  be- 
stimmten Werth  an  ganz  bestimmter  Stelle  haben,  Wirkun- 
gen zu  erhaschen.  Hierbei,  nämlich  bei  der  Bildung  des 
Empfangsraumes,  Hesse  sich  übrigens  noch  ein  Entschuldi- 
gungsgrund finden.  Wie  aber,  wenn  es  sich  um  vollkommen 
moderne  Aufgaben,  wie  Bahnhöfe,  Ausstellungsräume, 
Waarenhäuser,  Hotels  usw.  handelt?  Nur  an  solchen 
Aufgaben  begreift  man  den  tiefen  Sinn  der  Moderne , da 
handelt  es  sich  nicht  mehr  um  einen  blossen  Linientanz, 
da  handelt  es  sich  um  ganz  neue  Raumstiramungen,  und 
die  guten  Bahnhöfe  der  Neuzeit  zeigen  da  schon  einen 
ganz  erheblichen  Zug  nach  vorwärts. 

Auch  hier  in  Turin  ist  der  Fortschritt  unverkennbar. 
Es  sind  nicht  mehr  allein  Werke  der  Kleinkunst,  die  den 
ausgesprochen  modernen  Charakter  tragen,  nicht  nur 

No.  46. 


einschliessen  soll,  die  Formen  der  mittelalterlichen  heimi-  Damen  erschienenen  Mitelieder  der  drei  Berliner  Vereine 
sehen  Kunst  zeigt.  Dort  wurden  die  Fachgenossen  vom  dicht  gefüllt  war. 

Herrn  Oberbürgermeister  der  Stadt  Berlin  empfangen  und  Zunichst  ergriff  Herr  Direktor  Max  Krause  der  Firma 
in  einem  zu  dem  Zwecke  hergerichteten  Raume  durch  Borsig,  als  Vorsitzender  des  Bezirksvereins  ’ deutscher 

Imbiss  aus  der  Küche  tmd  dem  Keller  Ingenieure  in  Berlin  das  Wort  zu  einer  herzlichen  Be- 

des  Rathskellers  erfnscht,  während  die  Knaben-Kapelle  grüssung  der  Gäste,  um  mit  einem  Hoch  auf  die  Herrscher 
des  Waisenhauses  die  österreichische  Volkshymne  und  der  beiden  verbündeten  und  befreundeten  Staaten  71, 

andere  Weisen  ertönen  hess.  schliessen.  ‘ue'cn  oiaaien  zu 


Mit  herzlichen  Worten  begrüsste  dort  Hr.  Ob.-Bürger- 
mstr.  Kirschner  die  Gäste,  indem  er  den  Sympathien 
Ausdruck  gab,  die  beide  Völker  verbinden  und  die  erst 
vor  etwa  2 Jahren  bei  dem  Besuche,  den  der  österreichi- 
sche Kaiser  in  Berlin  abstattete,  diesem  von  der  ganzen 
Bevölkerung  entgegengebracht  wurden,  " 

die  Gäste  von  Berlin 


und  auch  von  dem 
was  sie  von  den  Bau- 
ausführungen der 
Stadtbauverwaltung 
soeben  gesehen  hät- 
ten, einen  günstigen 
Eindruck  mitnehmen 
würden.  In  einem 
Hoch  auf  die  Gäste 
klang  die  Rede  aus. 
Hr.  Generalinspektor 
Gerstel  dankte  Na- 
mens derselben  für 
den  herzlichen  Em- 
pfang, zollte  den  Lei- 
stungen der  Stadt- 
geraeinde  die  wärm- 
ste Anerkennung  und 
hob  hervor, dass  diese 
sich  glücklich  schätz- 
en könne,  in  Stadt- 
brth.Hoffmann  einen 
so  trefflichen  Künst- 
ler zu  besitzen,  wäh- 
rend letzterer  in  der 
Stadtgemeinde  einen 
Bauherrn  gefunden 
habe,  wie  er  ihn 
sich  nicht  besser 
wünschen  könne.  Die 
Stadt  verdiene  Be- 
wunderung für  das, 
was  sie  in  den  letz- 
ten 3 Jahrzehnten  ge- 
leistet habe,  in  denen 
sie  sich  zur  zweit- 
grössten Stadt  des 
Kontinentes  aufge- 
schwungen habe. 
Der  Redner  schloss 
rmt  einem  Hoch  auf 
die  Stadtgemeinde 
und  ihren  Ob.-Brgr.- 
mstr.  Kirschner,  in 
das  alle  Anwesenden 
lebhaft  einstimmten. 
Wiederum  zu  Wa- 
gen ging  es  nun  hin- 
aus nach  dem  Zoolo- 
gischen Garten  durch 
die  Leipzigerstrasse, 
Bellevue- Allee,  die 
Thiergarten  - Strasse, 
wobei  die  Gäste  wie- 
derholt ihrem  Er- 
staunen über  den 
überaus  lebhaften 
Verkehr,  die  breiten, 
gut  gepflegten  Stras- 
sen und  die  reiche 
und  bedeutende  Ar- 
chitektur vieler  Bau- 
ten Ausdruck  gaben. 

Im  Zoologischen 
Garten  wurde  noch 
rasch  ein  Gang  durch 
die  schönen  Anlagi 
den  neuen 


Ihm  erwiderte  wiederum  der  Vorsitzende  des  öster- 
reichischen Vereins,  der  hervorhob,  dass  die  heutige 
Umfahrt  seinen  Landsleuten  einen  kleinen  Begriff  ee- 
geben  hätte  von  dem,  was  Berlin  in  den  letzten  Jahren 
geleistet  habe.  Es  verdanke  das  neben  eigenem  Streben 
Er  hoffe,  dass  und  zielbewusster  Energie  zum  nicht  geringen  Theile 

seinem  thaikräftigen 
Herrscher,  der  durch 
sein  Verhalten  gegen- 
über derTechnik  und 
ihren  Vertretern  ge- 
zeigt habe,  wie  sehr 
er  von  modernem 
Geiste  erfüllt  sei.  Er 
sei  der  erste  gewe- 
sen, der  die  Schran- 
ken niedergerissen 
habe,  welche  die 
Technik  bisher  von 
den  anderen  Wissen- 
schaften trennte  und 
der  mit  dem  Dr. 
Ing.  der  Technik 
ein  werthvolles  Ge- 
schenk gemacht  habe. 
Er  fordere  die  Ver- 
sammlung zu  einem 
Hoch  auf  den  deut- 
schen Kaiser,  den 
treuen  Bundesgenos- 
sen Oesterreichs,  auf. 
Namens  des  Berliner 
Architekten  - Vereins 
sprach  dann  Hr.Brth, 
Beer,  der  nament- 
lich der  freundschaft- 
lichen Beziehungen 
derV ereine  und  Fach- 
genossen der  beiden 
Länder  gedachte;  ihm 
erwiderte  noch  ein- 
mal Hr.  Gerstel,  der 
auf  das  gemeinsame 
Streben  nach  hohen 
Zielen,  das  gemein- 
same Zusammenwir- 
ken im  Kampfe  um 
die  Gleichberechti- 
gung mit  den  ande- 
ren Berufsarten  sein 
Glas  leerte  mit 
einem  Hoch  auf  die 
deutschen  Fachge- 
nossen. Mit  einem 
Toast  auf  die  Damen, 
der  von  Herrn  Fabr.- 
Dir.  Pierus,  ebenfalls 
ein  österreichischer 
Gast,  ausgebracht 
wurde,  schloss  der 
offizielle  Theil  des 
Abends,  aber  noch 
längereZeit  bliebman 
im  Garten  versam- 
melt, um  den  schö- 
nen Sommerabend 
nach  den  Anstren- 
gungen des  heissen 
Tages  zu  gemessen. 

Schon  frühzeitig 
am  nächsten  Tage 
fand  dann  eine  Be- 
sichtigung der  Ver- 


Von  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  mod.  dekorative  Kunst  in  Turin. 
Inneres  der  Kuppelhalle.  Architekt  D’Aronco. 


V ^ . sichtiguDg  der  Ver 

en  gemacht  und  wenigstens  Einiges  suchsstrecke  der  Schnellbahn-Gesellschaft  und  ihrerWa- 
r Augenschein  genommen,  gen  in  Marienfelde  statt,  dem  eine  kurze  Besichtigung 
künäerische  ‘'Ji,  ^ Jahren  eme  der  hervorragenden  Bauten  der  Villenkolonie  Grunewald 

wohl  wen^re  ^onln^  ® Frühstück  im  Restaurant  Hundekehle 

® ^ Welt  aufweisen,  und  endigte.  Am  Abend  folgten  ein  grösserer  Theil  der  öster- 

unH  i““™  Abendbrot  reichischen  Fachgenossen  und  Vertreter  der  3 Berliner 

dmch  dil  “ .grossen  Konzertsaal,  der  Vereine  einer  Einladung  des  Direktors  Schwieger  der 

durch  die  Oesterreicher  und  die  zahlreich  auch  mit  ihren  A.-G.  Siemens  & Halske  zu  einem  Festessen  im  Savoy- 

7.  Juni  1902. 


299 


Hotel,  bei  welchem  die  Antwort-Depeschen  der  Kaiser 
Fran2  Joseph  und  Wilhelm  II.  auf  die  vom  Verbände  ab- 
gesandten  Huldigungs-Telegramme  lauten  Beifall  erregten. 

Für  Mittwoch  war  eine  Besichtisung  des  Domes,  der 
Museen,  des  Abgeordnetenhauses  und  sodann  der  Floch- 
und  Untergrundbahn  in  Aussicht  genommen.  ~ 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Krankenhaus  Saarbrücken.  Das  mit  einem 
Kostenaufwande  von  i6  M.  für  i cb®  der  Hauptgebäude 
und  8 M.  für  i cbm  Jer  Liegehallen  und  Veranden  zu  er- 
richtende Gebäude,  für  welches  ein  Stil  nicht  vorgeschrie- 
ben wird,  ist  auf  einem  geneigten  Gelände  derart  ausgeführt 
gedacht,  dass  alle  nicht  unmittelbar  neben  den  Kranken- 
räumen erforderlichen  wirihschaftlichen  und  Verwaltungs- 
räurae  in  das  nach  Norden  liegende  Keller-,  hohe  Erd- 
und  Dachgeschoss,  die  Krankenräume  aber  möglichst  nach 
Süden  zu  liegen  kommen.  An  Raumgruppen  bezw.  be- 
sonderen Gebäuden  sollen  u,  a.  geplant  werden  eine  chirur- 
gische Abtheilung  mit  6o  Betten,  eine  innere  Abtheilung 
mit  104  Betten,  eine  Isolirbaracke  mit  30 — 35  Betten,  eine 
Baracke  für  15—20  Kinder,  für  alle  Abtheilungen  die 
nöthigen  Betriebsräume,  die  Gruppe  der  Verwaltungs- 
räume, sowie  ein  Leichenhaus.  Die  Hauptzeichnungen 
sind  T : 200  verlangt.  Üeber  die  Ausführung  behält  sich 
die  Hospital-Verwaltung  freie  Hand  vor.  — 

Wettbewerb  Krelshäus  Kolberg-Köslln.  Das  auf  einem 
Eckgrundstück  der  Kümmert-  und  der  Dom-Strasse  mit 
einem  Gesammt-Kostenaufwande  von  200000  M.,  von  wel- 
. chen  die  Kosten  für  das  Grundstück,  die  Strassenanlage 
und  die  Fundamente  im  Betrage  von  40000  M.  abgehen, 
in  beliebigem,  jedoch  malerischem  Stile  zu  errichtende 
Gebäude  soll  Räume  für  den  Kreisausschuss,  das  Land- 
rathsamt, die  Kreis-Steuerverwaltung  und  für  eine  Reihe 
anderer  Verwaltungszweige,  sowie  Wohnungen  für  den 
Landrath  und  andere  Beamte  enthalten.  Ihm  soll  sich 
ein  Stallgebäude  anschliessen.  Dem  Preisgerichte  steht 
das  Recht  zu,  die  Preissumme  in  anderen  als  den  S.  284 
genannten  Abstufungen  zur  Vertheilung  zu  bringen.  „Die 
künstlerische  Leitung  des  Baues  soll  einem  der 
Bewerber  übertragen  werden“;  durch  diese  Pro- 
gramm-Bestimmung regt  das  Ausschreiben  gewiss  von 
selbst  zu  zahlreicher  Betheiligung  an.  — 


Einen  Wettbewerb  betr.  die  Konstruktion  einer  Schutz- 
vorrichtung für  den  elektrischen  Strassenbahnbetrieb  erlässt 
der  Rath  der  Stadt  Dresden  im  Verein  mit  den  Dresdner 
Strassenbahngesellschaften  zum  i.  Okt.  d.  J.  Es  gelangen 
3 Preise  von  5000,  3000  und  2000  M.  zur  Vertheilung.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

A.-G.  M.  B.  in  Oeynhausen.  Nach  Ihrer  eigenen  Dar- 
stellung lautete  die  Vergebungs-Bedingung  dahin,  dass  für  die  Be- 
schläge das  im  Bau  angebrachte  Probefenster  maassgebend  sei. 
Es  kommt  also  ausschliesslich  auf  dessen  Beschaffenheit  an.  Hatte 
dasselbe  Spengler’sche  Druckschwengel,  so  müssen  die  zu  liefern- 
den. Fenster  solche  gleichfalls  bekommen.  Waren  Sie  durch  die 
Beschreibung,  welche  Ihnen  eingesandt  wurde,  nach  dieser  Richtung 
falsch  belehrt,  so  steht  Ihnen  vielleicht  gegen  den,  welcher  die 
falsche  Beschreibung  verschuldet  hat,  ein- Ersatzanspruch -zu ; da- 
gegen giebt  die  Abweichung  zwischen  Probefenster  und  Beschrei- 
bung Ihnen  kein  Recht,  von  der  Lieferung  abzugehen  oder  eine 
Mehrforderung  zu  stellen,  wofern  Sie  nicht  etwa  nachzuweisen  ver- 
mögen, dass  die  falsche  Beschreibung  absichtlich  geliefert  war,  urn 
bei  Ihnen  einen  Irrthum  und  in  dessen  Verfolg  billigere  Preise  zu 
erzielen,  was  Ihnen  schwerlich  gelingen  wird.  Uebrigens  ist  nicht 
ausgeschlossen,  dass  bei  Kenntniss  des  vollen  Inhaltes  der  Aus- 
schreibung und  des  Schriftenwechsels  ein  anderes  Ergebniss  ge- 
wonnen werden  könnte,  da  unsere  Antwort  nur  Ihre  ausrugs- 
weisen  Angaben  zur  Grundlage  hat.  K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  M.  in  R.  Die  Uebernahme  von  Privatarbeiten, 
namentlich  wenn  es  sich  um  solche  handelt,  die  im  öffentlichen 
Interesse  liegen,  kann  den  Staatsbaubeamten  durch  die  Vorgesetzte 
Behörde  natürlich  stets  gestattet  werden.  Die  Erlaubniss  liegt  hier 
doch  wohl  zweifellos  vor,  sodass  eine  Beschwerde,  deren  Be- 
rechtigung wir  dahin  gestellt  lassen  wollen,  wohl  ohne  Erfolg 
bleiben  dürfte,  falls  nicht  noch  anderweite  Gründe  vorliegen.  — 
Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Haben  sich  die  sogenannten  „gedämpften  Dachziegel“,  welche 
äusserlich  Schieferfarbe  zeigen  und  einen  schwärzlichen  Bruch  auf- 
weisen,  bewährt,  behalten  dieselben  auf  die  Dauer  die  Farbe  und 
sind  sie  für  bessere  Bauten  zu  empfehlen?  H.  & E.  in  H. 


Inhalt:  Die  neuen  Münchener  Friedhöfe.  — Zur  Karlsruher  Bahn- 
hofsfrage.  — Von  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  moderne  dekorative 
Kunst  in  Turin.  II.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief-  und 
Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Von  der  I.  internationalen  Aus- 
stellung für  moderne  dekorative  Kunst. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilb.  Greve,  Berlin. 


„moderne“  Bronzen,  Gläser,  Tapeten,  Stickereien,  kurz  die 
Erzeugnisse  des  Kunstgewerbes,  hier  sind  schon  Werke 
der  Raumkunst,  die  in  ihrer  Formengeburg  bei  weitem 
gemässigter  sind  und  in  ihrer  Anlage  derartigen  Charakter 
zeigen,  dass  man  die  besten  Hoffnungen  für  eine  gesunde 
Weiterausbildung  auf  dieser  Basis  haben  kann. 

Die  ganze  Ausstellung  besitzt  einen  künstlerischen 
Mittelpunkt  in  einem  Kuppelbau,  an  den  sich  radial  Galierien 
anschliessen,  und  gerade  der  hinreissende  Schwung  im 
Aufbau  der  Kuppel  und  die  originelle  Ausbildung  im  Ein- 
zelnen zeigen,  welchen  Fortschritt  die  Moderne  seit  Paris 
und  Darmstadt  gemacht  hat.  Einflüsse  byzantinischer 
Kunst  sind  erkennbar:  der  Architekt  Raimondo  D’ Aronco 
weilt  am  Hofe  des  Sultans  seit  einigen  Jahren  als  Hof- 
architekt. Man  benutzt  eben  das  Gute  der  Alten  auch  in 
der  Modernen,  aber  nicht  geistlos,  als  blosse  Nachempfindung 
und  ängstliches  Nachbilden,  indem  man  versucht,  immer 
. das  der  neuen  Zeit  entsprechende,  das  man  in  sich  findet, 
auch  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Also  hier  die  Kuppel 
nach  innen  als  allumfassendes  Ausstellungsvestibül,  als 
Sammelpunkt  der  Menschenmassen,  die  aus  den  einzelnen 
Galierien  hier  zusammenströmen,  und  nach  aussen  als 
ein  Mittelpunkt  weithin  sichtbar  den  Gedanken  einer  mo- 
dernen Dekoration  in’s  Land  tragend. 

Deutschland  hat  eine  Gruppe  von  44  Räumen  besetzt. 
Diese  sind  im  Gegensatz  zu  den  in  die  langen  Hallen  ein- 
gebauten Kojen  der  anderen  Nationen  mit  Ausnahme 
Oesterreichs,  das  ein  eigenes  Haus  besitzt,  zu  einem  male- 
rischen Grundriss  gruppirt,  in  welchem  die  einzelnen 
Räume,  je  nach  ihrer  Bestimmung,  in  Höhen  und  Breiten- 
verhältnissen von  einander  abweichen.  Durch  diesen 
Wechsel  ist  ein  Wechsel  in  der  Stimmung'  erreicht  und 
zugleich  das  Schaffen  in  sichgeschlossenerRaumorganismen 
erleichtert;  denn  es  galt  nicht  nur,  Zimmer  oder  Repräsen- 
tationsräume zu  schaffen,  sondern  auch  die  einzelnen 
Materialgruppen  möglichst  vortheilhaft  auszustellen.  Durch 
jene  GrundrisseintheiLung  erhält  Deutschland  vor  allen 
anderen  Nationen  ein  ganz  bestimmtes  Gepräge  und  durch 
das  Auftauchen  immer  neuer  Raumbilder  vor  dem  Auge 
der  Besucher  einen  nicht  zu  unterschätzenden  äusse- 
ren Reiz  (s.  d.  Grundriss  S.  126). 

Deutschland  ist  auch  durch  seine  architektonische 
Gruppirung  in  der  Lage,  eine  Reihe  von  Innen- Architek- 


turen vorzuführen,  die  man  vergeblich,  auch  nur  der  Ab- 
sicht nach,  bei  den  übrigen  Nationen  suchen  würde. 

Es  ist  höchst  bemerkenswerth,  dass  sich  in  unseren 
Abtheilungen  das  Bedürfniss  nach  Raumwirkung  überall 
durchbricht.  Während  andere  Nationen  sich  bemüht  haben, 
mehr  oder  weniger  geschmackvoll  auszustellen,  Ausstellun- 
gen, denen  der  rein  kaufmännische  Zweck  mit  cynischer 
Deutlichkeit  aufgeprägt  ist,  so  herrscht  hier  vor  allem  der 
rein  künstlerische  Gedanke  vor,  auch  wenn  sich  hierdurch 
ein  materieller  Schaden  für  den  Künstler  ergeben  würde. 

Die  Moderne  hat  ihren  Idealismus  genau  so,  wie  ihn 
unsere  alten  Meister  besassen,  und  wenn  sie  auch  weiter 
nichts  besässe,  so  sollte  das  genügen,  um  an  ihre  glück- 
verheissende  Zukunft  zu  glauben.  Es  ist  grundehrliche 
Arbeit  und  wenn  auch  bis  heute  jene  Propheten,  ihre 
düsteren  Weissagungen  nicht  einstellen,  die  von  Anfang 
an  die  Bewegung  stetig  mit  einem  Rabengekrächze  be- 
gleitet haben,  der  Niedergang  ist  immer  noch  nicht  sicht- 
bar, die  Moderne  noch  immer  nicht  todt.  Und  besonders 
Olbrich  steigt  wie  ein  Phönix  aus  dem  Scheiterhaufen, 
der  schon  mehrere  Male  für  ihn  angezündet  wurde.  Die 
ganze  Ausstellung  bedeutet  in  ihrer  Aussenarchitektur  einen 
vollständigen  Sieg  Olbrich’scher  Ideen;  abgesehen  von 
dem  Kuppelbau,  der  für  sich  betrachtet  werden  muss. 

Die  ganze  architektonische  Oberleitung  lag  in  den 
Händen  Raimondo  D’Aroncos^  Er  hat  nicht  nur  den 
Gallerienbau  entworfen,  in  den  das  schonbestehende  Kunst- 
Ausstellungsgebäude  eingezogen  werden  musste,  sondern 
auch  fast  alle  die  kleineren  malerisch  zerstreut  liegenden 
Gebäude,  wie  die  Photographie-,  die  Automobil-Ausstellung, 
die  trefflichen  Eingangsthore,  die  Ausstellung  für  Wein  und 
Oel  usw.  Wenn  wir  die  Arbeiten  der  übrigen  italienischen 
Architekten  betrachten,  so  ragt  D’ Aronco  wie  ein  Riese 
über  sie  hinaus. 

Wir  wollen  bei  allen  Betrachtungen  immer  im  Auge 
behalten,  dass  es  sich  bei  aller  Aussen-Architektur  um 
Architektur  im  Ausstellungs-Charakter  handelt,  und  wir 
erst  von  diesem  absehen  müssen,  um  zu  einem  für  den 
zukünftigen  Einfluss  dieser  Bauten  annähernd  richtigen 
Unheil  zu  gelangen.  Die  Innen-Architektur  gestattet  un- 
mittelbare Vergleiche  und  Folgerungen.  — 

Turin,  im  Mai  1902.  Leo  Nacht. 


300 


No.  46. 


IE  KUPPELHALLE  DER  I.  INTERNATIONALEN  AUS- 
STELLUNG FÜR  MODERNE  DEKORATIVE  KUNST 
IN  TURIN 

ARCHITEKT:  RAIMONDO  D’ARONCO  * * * * 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG.  XXXVI.  JAHRG.  N^.-46  = 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  47.  Berlin,  den  ii.  Juni  1902. 


Der  nördliche  Friedhof  in  München.  Ausgangsballe  gegen  das  Gräberfeld.  — Architekt:  Städt  Brth.  Hans  Grässel  in  Mönchen. 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine, 

Berichtigungen  zu  der  Denkschrift  des  Verbandes:  „Ueber  die  Stellung  der  höheren 

städtischen  Baubeamten“. 

Zu  der  obigen  vom  Verbände  ausgearbeiteten  Denkschrift,  die  zuerst  im  Verbands-Organ  Jahrg.  1901 
No.  91,  92,  93  und  104  veröffentlicht  und  den  infrage  kommenden  Ministerien  der  sämmtlichen  Bundesstaaten 
sowie  etwa  100  deutschen  Stadtverwaltungen,  ausserdem  auch  den  sämmtlichen  Verbands-Vereinen  Ende  v.  J. 
als  Sonderdruck  zugestellt  worden  ist,  sind  uns  zwei  amtliche  Berichtigungen  zugegangen,  mit  deren  Veröffent- 
lichung wir  bisher  gezögert  haben,  in  der  Annahme,  dass  vielleicht  noch  von  anderer  Seite  Einwendungen 
erhoben  werden  könnten.  Da  das  jedoch  nicht  geschehen  ist,  so  bringen  wdr  nachstehend  die  beiden  Mit- 
theilungen zur  Kenntniss  der  Einzel  vereine.  Erfreulich  ist,  dass  nach  beiden  die  betreffenden  Verhältnisse 
thatsächlich  nicht  so  ungünstig  liegen,  wie  sie  in  der  Denkschrift  dargestellt  wurden,  und  dass  namentlich 
einer  Besserung  der  Stellung  der  höheren  städtischen  Baubeamten  in  den  Stadtverwaltungen  in  Bayern 
gesetzliche  Schwierigkeiten  anscheinend  nicht  im  Wege  stehen. 

Dresden-Berlin,  den  i.  Juni  1902. 

Der  Vorstand  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine. 

Der  Vorsitzende:  Waldow.  Der  Geschäftsführer:  F.  Eiselen. 


Wortlaut  der  Berichtigungen. 

I.  General-Sekretariat  des  königl.  bayerischen  Staats- 
Ministeriums  des  Inneren. 

München,  den  31.  Dezember  1901. 

Zur  Vorlage  vom  i.  1.  M.  wnrd  im  Aufträge  des  k. 
Staatsministeriums  des  Inneren  Nachstehendes  ergebenst 
mitgetheilt: 

Das  k.  Staatsministerium  des  Inneren  hat  von  dem 
Inhalte  der  Denkschrift  über  die  Stellung  der  höheren 
städtischen  Baubeamten  mit  Interesse  Kenntniss  genom- 
men, hierbei  aber  ersehen,  dass  bei  der  Darstellung  der 
bayerischen  Verhältnisse,  insbesondere  der  Verhältnisse 
in  der  Pfalz,  erhebliche  Irrthüraer  unterlaufen  sind. 

Für  die  Stellung  der  gemeindlichen  Baubeamten  kommen 
hauptsächlich  im  diesrheinischen  Bayern  die  Art.  71,72, 


73i  7^1  77  t^t^d  85  der  diesrheinischen  Gemeindeordnung  vom 
29.  April  1869,  in  der  Pfalz  die  Art.  56,  56a,  59a,  62  und 
Art.  64  der  pfälzischen  Gemeindeordnung  in  der  Fassung 
des  Gesetzes  vom  17.  Juni  1896,  Abänderungen  der  Ge- 
meindeordnung für  die  Pfalz  vom  29.  April  1869  betreffend, 
inbetracht,  wobei  bemerkt  wird,  dass  diese  Gemeinde- 
ordnungen keineswegs  zu  den  sogenannten  Verfassungs- 
Gesetzen  zählen,  wie  dies  in  der  Denkschrift  von  der 
diesrheinischen  Gemeindeordnung  angenommen  wird. 

Im  diesrheinischen  Bayern  sind  aufgrund  der  Art.  76 
und  77  a.  a.  O.,  deren  Bedeutung  in  der  Denkschrift  kaum 
zureichend  gewürdigt  erscheint,  die  Verhältnisse  der  tech- 
nischen Beamten  im  Gemeindedienste  durch  besondere 
Dienstverträge  oder  Gemeindebeschlüsse  auf  eine  Weise 
geordnet,  dass  von  einer  Unzufriedenheit  in  diesen  Kreisen 
darüber  bis  jetzt  nichts  bekannt  geworden  ist. 


301 


In  der  Pfalz  können  nach  Art.  62  Abs.  II  der  pfälzischen 
Gemeindeordnung  grössere  Gemeinden  zur  Besorgung  des 
Bauwesens  eigene  Techniker  aufstellen,  welchen  in  den 
betr.  Fragen  eine  berathende  Stimme  im  Gemeinderathe 
zukommt. 

Diese  Bestimmungen  haben  indess  durch  das  Gesetz 
vom  17.  Juni  1896  bezw.  durch  die  Art.  56a,  59a,  der 
pfälzischen  Gemeindeordnung  in  der  Fassung  dieses  Ge- 
setzes eine  wesentliche  Modifikation  erfahren,  wie  denn 
auch  die  frühere  Vorschrift  des  Art.  64  Abs.  I der  pfälzischen 
Gemeindeordnung,  wonach  das  Dienstpersonal  nur  in 
widerruflicher  Weise  von  dem  Gemeinderathe  ange- 
stellt werden  konnte,  durch  die  neue  Fassung  des  Art.  64 
Abs.  I beseitigt  ist. 

Nach  Art.  56a  a.  a.  O.  können  in  Gemeinden  über 
10000  Seelen  berufsmässige  besoldete  Bürgermeister, 
Adjunkten,  sowie  Gemeinderäthe  durch  Gemeinde -Be- 
schluss aufgestellt  werden. 

Da  für  diese  Kategorie  der  Gemeinderaths-Mitglieder 
die  Rechtskundigkeit  nicht  vorgeschrieben  ist,  können  als 
solche  auch  Techniker  gewählt  werden. 

Die  berufsmässigen  besoldeten  Gemeinderaths-Mit- 
glieder werden  zunächst  auf  3 Jahre  gewählt;  im  Falle 
ihrer  Wiederwahl  nach  3 Jahren  werden  ihre  Verhältnisse 
durch  besondere  Dienstverträge  geregelt,  wobei  das  Ge- 
setz zwischen  rechtskundigen  und  technischen  Mitgliedern 
keinen  Unterschied  macht. 

Die  Regelung  der  Bezüge  des  technischen  Dienst- 
personals ist  dem  Ermessen  der  Gemeinden  anheimge- 
geben, und  steht  es  den  Gemeinderäthen  frei,  diesen  Be- 
amten und  Bediensteten  unwiderrufliche  Anstellung  und 
Pensioiisrechte  zu  verleihen. 

gez.  V.  Kopplstätter,  Generalsekretär. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Vereinl^ng  Berliner  Architekten.  VomPolizei-Präsiden- 
ten  zu  Berlin  hat  die.  „Vereinigung"  die  nachstehende  Er- 
öffnung erhalten:  Auf  die  Eingabe  vom  31.  Jan.  1902:  betr. 
die  Bestimmungen  für  Gebäude,  welche  ganz  oder  theil- 
weise  zur  Aufbewahrung,  einer  grösseren  Menge 'von 
brennbaren  Stoffen  bestimmt  sind,  erwidere  iöh  dem 
Vorstande  ergebenst,  dass  die  Hrn.  Minister  der  öffentl. 
Arb.  und  des  Inneren  dahin  entschieden  haben,  dass  keine 
ausreichende  Veranlassung  vorliege,  die  Bestimmungen 
schon  jetzt  einer  erneuten  Prüfung  zu  unterziehen. 

I.  V.:  Friedheim. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  f.  Niederrhein  und  Westfalen. 
In  der  Versammlung  vom  16.  Dez.  1901  unter  Vorsitz  des 
Hrn.  Stübben  sprach  vor  38  Mitgliedern  und  3 Gästen 
Hr.  Prof.  Boost  aus  Aachen  über;  „Die  Statik  der 
Hochbau-Konstruktionen  uiid  die  Baupolizei."  — 

In  der  Versammlung  vom  30.  Dez.  1901  unter  Vorsitz 
des  Hrn.  Jungbecker  sprach  Hr.  Ing.' Bischoff  vor 
20  Mitgliedern  über:  „Die  Wasserversorgung  und 
Kanalisation  der  Stadt  Paris",  und  setzte  diesen 
Vortrag  in  der  Versammlung  vom  20.  Jan.  1902  unter  dem 
Vorsitz  des  Hrn.  Heimann  vor  33  Mitgl,  und  1 Gast  fort, 
indem  er  die  Ausführungen  auf  die  Strass  enreinigung 
von  Paris  ausdehnte.  In  der  gleichen  Versammlung 
wurden  die  Vereinsämter  neu  wie  folgt  vertheilt:  Vors.; 
Hr.  Brth.  Heimann,  erster  Stellv.:  Hi*.  Geh.  Brth. 
Schilling,  zweiter  Stellv.;  Hr.  Arch.  Alfr.  Müller, 
Schriftf.:  Hr.  Arch.  Wille,  Säckelmstr.:  Hr.  Arch.  Schrei- 
ber, Stellv.:  Hr.  Brth.  Jansen,  Büchereiverw.:  Hr.  Arch. 
Päffg'en,  für  Beschaffung  der  Vorträge:  Hr.  Landbauinsp. 
Mette  gang.  Im  Büchereiausschuss  sind  die  Hrn.  Mewes, 
Schott  und  Unna,  im  Ausschuss  für  Ausflüge  und  Fest- 
lichkeiten die  Hrn.  Bädecker,  Siegert  und  Müller. 

Die  Mitgliederzahl  ist  247,  142  Einheimische  und 
105  Auswärtige.  Der  Verein  hat  mit  der  Unfallver- 
sicherungs-Gesellschaft Nordstern  einen  entsprechenden 
Vertrag  abgeschlossen.  — 

In  der  Versammlung  am  17.  Februar  1902  unter  Vor- 
sitz des  Hrn.  Heimann  und  unter  Anwesenheit  von 
28  Mitgliedern  und  i Gast  wurde  zunächst  das  Andenken 
des  Hrn.  Stadtbrth.  O.  Schulze  in  Wesel  geehrt.  Die 
Hrn.  Stdtbauinsp.  Weingarten  und  Arch.  Emschermann 
wurden  neu  aufgenommen.  Hr.  Heimann  hielt  einen 
Vortrag  über  „Altes  und  Neues  aus  süddeutschen 
Städten".  Es  folgte  eine  Besprechung  über  das  Eisen- 
bahnunglück bei  Buir,  an  welcher  sich  die  Hrn.  Unna 
und  Schilling  betheiligten. 

In  der  Versammlung  am  3.  Marz  unter  dem  Vorsitz 
des  Hrn.  Schilling  sprach  derselbe  vor  23  Mitgliedern 
über  „Die  Verwaltung  der  öffentlichen  Arbeiten 
in  Preussen  in  den  Jahren  1890 — 1900",  nach  dem 
Bericht  des  Hrn.  Ministers  der  öffentlichen  Arbeiten. 


2.  Stadtrath  der  Stadt  Mannheim. 

Mannheim,  den  27.  Dezember  1901. 

Den  verehrlichen  Vorstand  des  Verbandes  deutscher 
Architekten-  und  Ingenieur- Vereine  beehren  wir  uns 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  die  uns  mit  Ihrem 
gefälligen  Rundschreiben  vom  1.  Dezember  zugekommene 
Denkschrift  über  die  Stellung  der  höheren  städtischen 
Baubeamten  auf  S.  19,  soweit  die  Stadt  Mannheim  inbe- 
tracht kommt,  unzutreffende  Angaben  enthält.  Die  höheren 
Beamten  der  Stadt  Mannheim  unterstehen  nicht  lediglich 
der  Dienst-  und  Gehaltsordnung,  sondern  es  werden  mit 
ihnen  regelmässig  besondere  Dienstverträge  abgeschlossen, 
welche  Vergünstigungen  enthalten,  die  weit  über  die  Be- 
willigungen der  Dienst-  und  Gehaltsordnung  und  des  Ge- 
haltstarifes  hinausgehen. 

So  berechnet  sich  z.  B.  der  Höchst-Pensiohsbetrag 
des  Vorstandes  des  Tiefbauamtes,  sowie  des  Vorstandes 
der  Strassenbau-Abtheilung  desselben  Amtes  weit  über 
den  Satz  von  3500  M.  (nämlich  bei  ersterem  auf- 5250  M,, 
bei  letzterem  auf  4500  M.)  und  auch  die  Pensionsverhält- 
nisse bei  der  bevorstehenden  Neubesetzung  der  Vorstands- 
stelle im  Hochbauamt  werden  voraussichtlich  in  gleicher 
Weise  geordnet  werden.  Aber  selbst  bei  den  lediglich 
der  Dienst-  und  Gehaltsordnung  unterstehenden  mittleren 
und  unterem  Beamten  (Maximalgehalt  5500  M.)  berechnet 
sich  das  Ruhegehalt  keineswegs  nur  auf  30%,  vielmehr 
ist  dies  nur  de'r  Anfangssatz  nach  lojähriger  Dienstzeit, 
der  von  da  ab  mit  jedem  weiter  zurückgelegten  Dienst- 
jahre um  iVg^  bis  zu  75%  des  Aktivgehaltes  bezw.  bis 
zu  3500  M.  ansteigt.  Bei  der  Berechnung  des  Ruhegehaltes 
werden  ausserhalb  Mannheims  zugebrachte  pensionsbe- 
rechtigte Diensljahre'  in  der  Regel  voll  angerechnet. 

gez.  Martin. 


Vers.  v.  17.  März  1902.  Vors.:  Hr.  Heimann,  anwes. 
36  Mitgl,,  2 Gäste. 

_ Hr.  Morgenstern  hält  einen  Vortrag  über  die  Horch- 
heimer  Brücke.  Wir  entnehmen  dem  Vortrage  die  nach- 
stehenden kurzen  Mittheilungen:  Die  Brücke  über  den 
Rhein  bei  Horchheim  liegt  im  Zuge  der  . Berlin-Metzer 
Eisenbahn,  welche  im  Anfänge  der  siebenziger  Jahre  ge- 
plant und  in  der  zweiten  Hälfte  derselben  vollendet  worden 
ist.  V om  reinen  Verkehrsstandpunkte  hatte  die  Brücke  damals 
keine  erhebliche  Bedeutung.  Seitdem  ist  der  Verkehr  der 
Bahnlinie  um  mehr  als  das  sechsfache  gestiegen.  Hierzu 
kommt  noch,  dass  die  Geschwindigkeit  der  Personenztige 
erheblich  zugenommen  hat,  das  Gewicht  der  Lokomotiven 
vergrössert  und  der  zulässige  Achsdruck  von  14  000  auf 
16  000  kg  gesteigert  worden  ist. 

Berechnungen  ergaben,  dass  an  den  gefährlichsten 
Querschnitten  das  Material  der  Hauptträger  bis  nahe  an 
die  Elastizitätsgrenze  angestrengt  wurde.  Auch  die  Bean- 
spruchung der  Fahrbahntheile  ging  über  das  zulässige 
Maass  hinaus.  Es  konnte  somit  eine  Verstärkung  der 
alten  Brücke  nicht  mehr  umgangen  werden.  Mit  der  Aus- 
arbeitung des  Entwurfes  für  die  Verstärkung  und  die  Aus- 
führungs-Arbeiten war  die  Gutehoffnungshütte  betraut, 
weiche  bereits  die  alte  Brücke  hergestellt  hatte. 

Als  zweckmässig  ergab  sich  die  Anordnung  von  zwei 
weiteren  Hauptträgern,  die  wegen  der  geringen  Breite 
des  altenTragewerkes  nur  ausserhalb  der  ersteren  angeord- 
net_ werden  konnten,  was  ohne  erheblichen  Umbau  der 
Pfeiler  möglich  war.  Zur  Erzielung  einer  möglichst  gleich- 
massigen  Belastung  wurden  je  2 Fahrbahnstützen  eines 
alten  und  eines  neuen  Trägers  durch  einen  mit  Gelenken 
aufgelagerten  Unterquerträger  zu  einem  System  verbunden. 
Auf  diesen  beiden  Unterquerträgern  ruht  ebenfalls  in  Ge- 
lenken der  eigentliche  ßrückenquerträger.  Es  wurde 
ferner  zwischen  den  vorhandenen  Querträgern  je  ein 
neuer  eingelegt,  wodurch  eine  so  niedrige  Ausbildung  der 
Längsträger  erzielt  wurde,  dass  die  Schienen,  anstatt  sie 
wie  bei  der  alten  Brücke  unmittelbar  auf  diesen  zu  lagern, 
auf  hölzerne  Querschwellen  verlegt  werden  konnten. 

Bedingung  für  die  Bauausführung  war  namentlich  die 
Aufrechterhaltung  des  Eisenbahnbetriebes  für  wenigstens 
I Gleis  während  der  ganzen  Bauzeit,  desgl.  die  vollständige 
Offenhaltung  einer  Oeffnung  für  den  Schiff ahrts verkehr. 

Redner  schilderte  dann  die  Ausführung  der  Absteifung 
der  Brücke,  die  Umbauten  an  den  Pfeilern  (die  von  der 
Firma  Ph.  Holzraann  & Cie.  ausgeführt  wurden),  und  den 
Einbau  der  neuen  Eisenkonstruktion  von  festen  Rüstungen 
aus.  Die  Aufstellung  der  Tragebögen  und  der  Fahrbahn- 
stützen wurde  durch  einen  elektrisch  betriebenen  Lauf- 
krahn  bewirkt,  welcher  auf  einer  die  ganze  Breite  der 
Gerüste  und  der  Fahrbahn  überspannenden  Brücke  von 
40 1 Schwere  lief.  In  Richtung  der  Brückenaxe  wurde  die 
Krahnanlage  auf  2 beiderseits  angebrachten  Laufschienen 
vorwärts  bewegt.  Der  Antrieb  der  Laufkatzen  erfolgte 

No.  47. 


302 


durch  4Niederspannungs-Gleichstrommotore  von  jesVg  P.  S. 
bei  850  Umdrehungen  i.  d.  Minute  und  je  220  Volt  Spannung. 
Die  elektrische  Kraft  wurde  von  dem  Elektrizitätswerke  der 
Koblenzer  Strassenbahn  zugeführt.  DieMontage  des  Krahnes, 
von  dessen  pünktlicher  Inbetriebsetzung  die  rechtzeitige 
Fertigstellung  des  Brückenbaues  abhängig  war,  machte  er- 
hebliche Schwierigkeiten,  die  aber  in  geschickter  Weise 
überwunden  wurden. 

Die  Gestaltung  der  Rheinsohle  erforderte  für  die  Auf- 
stellung des  Lehrgerüstes  in  der  rechten  Brückenhälfte 
die  Verwendung  von  Senkkästen.  Dieselben  wurden  mit 
Rücksicht  auf  die  scharfe,  fast  zackige- Form  des  Sohlen- 
querschnittes so  ausgebildet,  dass  sie  auch  auf  der  schiefen 
Ebene  senkrecht  aufsitzen  mussten.  Dies  wurde  dadurch 
erreicht,  dass  die  4 den  Senkkasten  bildenden  Haupt- 
pfosten unten  mittels  Gelenken  in  dem  Grundrahmen 
befestigt  waren, . welche  jede  Bewegung  quer  zur  Strom- 
richtung gestatteten.  Die  Beschwerung  der  Kästen  erfolgte 
durch  Bündel  alter  Eisenbahnschienen.  Die  Senkkästen 
wurden  mit  den  in  ihren  Rahmen  geführten  Pfählen  am 
Ufer  fertig  montirt,  und  dann  zwischen  • 2 Prahmen  auf 
die  Baustelle  mittels  Dampfschlepper  befördert.  Nach- 
dem ihre  Lage  zur  Brücke  durch  Drahtseile  festgelegt 
war,  erfolgte  das  Absenken  von  den  Prahmen  aus. 

, Die  Lagerung  des  Lehrgerüstes  auf  den  Senkkästen 
hat  sich  ganz  vorzüglich  bewährt.  Die  Konstruktion  gab 
dem  ganzen  Gerüst  eine  Festigkeit,  wie  sie  niemals  auf 
einer  Pfahlgründung  erreicht  werden  kann.  Während 
das  linkseitige  Gerüst  dauernd  durch  den  Andrang  des 
Stromes  Schwankungen  ausgesetzt  war,  welche  auf  den 
Betrieb  des  Krahnes  .'hindernd  wirkten,  waren  bei  dem 
rechtseitigen  Gerüst  kaum  Bewegungen  bemerkbar,  da 
die  wagrechten  Kräfte  der  Strömung  von  den  Streben 
des  Kastengerüstes  aufgenommen  wurden.  Infolge: dieses 
Vortheils  vollzog  sich  auch  die  Montage  der  rechtsseitigen 
Bögen  wesentlich  schneller  als  auf  der  linken  Seite. 

Mit  den  ersten  Ausführungsarbeiten  wurde  im  Sommer 
1900  begonnen,  die  Pfeilerarbeiten  wurden  noch  im  Spät- 
herbst desselben  Jahres  ausgeführt,  die  Aufstellung  der 
Montagerüstung  für  die  Brücken-Hälften  wurde  im  Früh- 
jahr 1901  begonnen.  Am  i.  Februar  1902  waren  beide 
Gleise  dem  Betrieb  wieder  freigegeben. 

Die  Gesammtkosten  haben  etwa  1 300  000  Mk.  be- 
tragen, von  denen  rd.  850000  Mk.  auf  die  ELsenkonstruktion 
allein  kommen,  während  für  die  ursprünglichen  Ueber- 
bauten  nur  477  ooo  Mk,  aufgewendet  worden'  sind. 

An  den  Vortrag^'  dem  die  Versammlung  mit  lebhaftem 
Interesse  folgte,,  schhesst  sich  eine  kurze  Besprechung, 
die  sich  .vor  allem  ^auf  den  Anstrich  bezieht.  Es  bethei- 
ligen  sich  daran  die  Hrn.  Schilling,  Morgenstern, 
Unna  und  Sc.hott.-'Hr.  Morgenstern  erläutert,  dass  die 
Absicht  besteht,  die  Brücke,  zunächst  mit  Sandstrahl-Ge- 
bläse abzureiben  und  dann  die  Fäfbe'ebenso -aufzublasen. 
Anstrich  hat  keinen  Zweck,  die  Erfahrung  lehrt,  dass 
unter  dem  Anstrich  der  Rost  ruhig. weiter  frisst. ..  Es  ist 
aber  nothwendig,  dass  man  für  die  Gebläse  nicht  die  ge- 
bräuchlichen unbehilflichen  -schweren  Maschinen  benutzt, 
sondern  Apparate,  bei.  welchen  jeder  Arbeiter  rpit  seinem 
Schlauch  an  . jede  beliebige  Stelle  kommen  kann.  In  Paris 
(Westbahn),  waren  interessante,  derartige  Versuche  zu 
sehen.-:  . Hr.  Schilling  weist  auf  England  hin,  wo  man  über- 
haupt auf  Anstrich  verzichtet,  dafür  die  Eisenstärken,  aber 
I— 2tnm  dicker  macht.  Der  Mehrverbrauch  an  Eisen' ist 
nach  dortiger  AnsiChtlangenichtso  erheblich, wie  dieKosten 
der  fortdauernden  Anstriche.  Selbstverständlich  befinden 
sich  die  Konstruktionen  dann  in  sehr  verrostetem  Zu- 
stande. Das  Nichtanstreichen  ist  aber  doch  als  leichtfertig 
anzusehen ; der  seinerzeit  erfolgte  Einsturz  der  Brücke  in 
Mährisch-Ostrau  war  nur  verschuldet  durch  verrostete 
Trägertheile ; der  dicke  Rost  liess  den  inneren  Zustand 
nicht  erkennen.  — 

Hr.  S ch  Ott  berichtet  hierauf j er  habe  sich  vor  einiger 
Zeit  die  Verhältnisse  angesehen,  wie  sie  sich  imKohiengebiet 
nach  den  neuesten  Erwerbungen  von  Kohlenfeldern  durch 
den  Staat  stellen.  Die  Gesamratgrösse  dieser  Erwerbun- 
gen beträgt  210  die  Gesammtfläche  des  Brühler  Be- 
zirks beträgt  nur  i2oqi^m,  Die  neuen  Felder  liegen  zwi- 
schen Lippe  und  Emscher;  — an  der  Lippe  liegen  78 
— so  dass  für  den  anderen  Theil  132  bleiben.  In  dem 
Gebiete  mögen  7 Mill.  t Kohle  enthalten  sein  bis  zu  1500  ® 
Tiefe.  Tiefer  kann  man  nicht  abbauen.  Ausgebaut  da- 
von ist  nur  Zeche  Gladbeck;  — Waltrop  soll  in  Angriff 
genommen  werden. 

Die  Gesammt-Erwerbungskosten  betragen  52  Mill.  Mk. 
In  12  Jahren  soll  die  Förderung  4 Mill.t  betragen;  das 
ist  die  Menge,  die  der  Staat  in  Westfalen  braucht,  jetzt 
fördert  er  2,75  Mill.  K Es  könnte  natürlich  auch  bedeutend 
mehr  gefördert  werden ; der  Staat  könnte  1915  10  Mill.  t 
fördern  und  es  bliebe  noch  Reservegelände  übrig.  An 

ir.  Juni  1902. 


der  Saar  fördert  der  Staat  10  Mill.  t;  in  Oberschlesien 
4 Mill.t;  er  hat  aber  auch  dort  sehr  bedeutende  Felde]- 
erworben,  sodass  .dort  1915  ebenfalls  10  Mül. t gefördert 
werden  können.  Es  könnte  also  der  Staat  in  nicht  allzu 
langer  Zeit  eine  Förderung  von  30  Mill.f  stellen.  Das  ist 
das  iVafache' derjenigen  von  ganz  Belgien  und  gleich  der 
von  Frankreich.  Die  beiden  neu  erworbenen  Gelände 
nähern  sich  bis  auf  4^-111  ^ die  äussersten  Theile  liegen  4o^^fn 
auseinander.  Der  Staat  legt  sich  jetzt  um  das  Zentrum 
der  Privatindustrie  mit  grossen  Geländen  herum;  das  ist 
für  das  Syndikat  von  grossem  Werth.  Der  Staat  hat  es 
in  der  Hand,  Wildschläge  nicht  zu  dulden.  Die 'Verhält- 
nisse werden  sich  also  konsolidirter  gestalten.  Die  Emscher 
durchfliesst  auf  15*^®  das  Gebiet;  der  Kanal  geht  hindurch. 
Es  steht  zu;  vermuthen,  dass  der  Staat  mehr  Interesse 
für  den  Wasserweg  der  Lippe  im  Gegensatz  zu  dem  von 
mir  lange  bekämpften  Kanal  nach  dem  Rhein  haben  wird. 
Die  staatlichen  Erwerbungen  sind  als  ein  ganz  bedeuten- 
der Fortschritt  sehr  zu  begrüssen  und  als  eine  vorzügliche 
Leistung  des  letzten  Ministers  für  Handel  und  Gewerbe 
zu  bezeichnen.  — 

. Hr.  Bauer  theilt  mit,  dass  eine  erste  Ausführung  des 
Systems  Hennebique  in  Gestalt  einer  Decke  im  neuen 
Spirituslager  am  Oberländer  Ufer  in  Arbeit  sei.  Der 
'Verein  wird  diese  Gelegenheit  zu  einer  Besichtigung 
benutzen.  — 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  14.  März 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  80  Mitgl.  Aufgen. 
wird  Hr.  Geh.  Mar.-Brth.  a.  D.  M.  Lehmann. 

Hr.  Geh.  Hofrth.  Prof.  Engels  aus  Dresden  hält  einen 
Vortrag  über  „Wasserbautechnische  Versuche, 
angestellt  an  der  Techn.  Hochschule  zu  Dresden. 
Redner  führt  aus,  dass  das  Interesse  an  systematischen 
Versuchen'  im  Ingenieurwesen,  insbesondere  ' auch-  im 
Wasserbau,  neuerdings  sehr  gewachsen  sei  und  bezieht 
.sich  auf  seine  früheren  Versuche  betr.  Schiffswiderstand 
und  Schutz  von  Brückenpfeilern  gegen  Unterwaschungen, 
weiche  inzwischen  veröffentlicht  und  dem  Verein  z.  Th. 
schon  bekannt  sind.  Redner  hat  sich  neuerdings  mit  der 
Untersuchung  von  Flussläufen  und  fiussbautechnischen 
Maassnahmen  mittels  Beobachtung  im  künstlichen  Gerinne 
beschäftigt.  Das.  Gerinne  besteht  aus  Eisenblech  und  ist 
2m  breit,  0,4“  hoch  und  10®  lang.  Das  Wasser  ^wird 
mittels  eines  oberen  und  eines  unteren  Behälters  und 
einer  Kreiselpumpe,  deren  Höchstleistung  30  J/Sek.  beträgt 
,im.  Kreislauf  erhalten;  ferner  sind  Einrichtungen  zur  . Be- 
ruhigung des  Wassers  beim  Einlauf,  zum  Abfangen  und 
Messen,  der  Sinkstoffe  beim  Auslauf,  zur  Herstellung  und 
'Messung  bestimmter  Gefälle  des  Wasserspiegels  vorhanden. 
Die  zu  ..beobachtenden  Flusstreck'en  werden  nach  der  Natur 
,in  sehr  verkleinertem  ,'Maässtabe  in  ein  geeignetes  Sand- 
bett, welches  den  Boden  des  Gerinhes',  äusfüllt,  .unter  Be- 
nutzung von  Leinwandsäckchen  mit  Bleischrotfüllung  ein- 
gebaut.,. Diese  Säckchen  erwiesen  sich  als' das  geeignetste 
'Mittel  zur  Nachahmung  von  Flussbäuwerken,  insbesondere 
yoh.  Steinschüttungen,  Deckungen,  Buhnen  u.  dergl.  Die 
Aufnahme  'der  Versuchs-Ergebnisse' erfolgt  zeichnerisch 
durch  einen  Profdschreiber.  Zur  Untersuchung ' .gelangten 
zwei  Strecken  der  Elbe  nah'e  der  Havelmünduiig  und  bei 
Hitzacker,  ferner  eine  Weichselstrecke  bei  Dirschau.  Die 
Versuche  Hessen,  im  allgemeinen'  dieselben  Wirkungen 
des  fliessenden .Wassers  und  der  Geschiebe  auf  die  Form 
des  StrÖmschlauches  erkennen,  wie  sie  in  der  Natur  Vor- 
kommen; insbesondere  wurde  die  unsichere  Wirkung,  der 
Buhnen  auch,  bei  den  Versuchen  beobachtet.  Die  Unter- 
suchungen, die  noch  keineswegs  abgeschlossen  sind,  haben 
das  Interesse  verschiedener  Regierungen,  insbesondere 
der'  preussischen,  erweckt  und  sollen  auch  an. anderen 
Orten,  z.  B.  in  Karlsruhe,  mit  grösseren  Mitteln  fortge- 
setzt werden.  — St. 


Vermischtes. 

Vom  Besuch  der  österreichischen  Fachgenossen  in 
Berlin  haben  wir  noch  Einiges  über  den  weiteren  Verlauf 
nachzutragen.  Vorweg  sei  erwähnt,  dass  am  Dienstag,  im 
Anschluss  an  die  Besichtigung  der  Villen-Kolonie  Grune- 
wald  auch  ein  Besuch  der  Kaiser  Wilhelm-Gedächtniss- 
Kirche  unter  Führung  ihres  Erbauers,  Brth.  Schwechten, 
stattfand.  Hr.  Prof.  Reimann  Hess  es  sich  nicht  nehmen, 
bei  dieser  Gelegenheit  den  Gästen  auch  die  vortreffliche 
Orgel  der  Kirche  vorzuführen.  Am  Mittwoch  war  ein 
reichhaltiges  Programm  zu  erledigen.  Am  Morgen  Be- 
sichtigung der  Neubaustrecke  der  elektrischen  Untergrund- 
bahn in  der  Hardenberg-Strasse,  .dann  Besuch  der  Tech- 
nischen Hochschule,  Empfang  durch  den  Rektor  Hrn. 
Geh.  Brth.  Prof.  Bubendey,  weiterhin  elektrische  Hoch- 
bahn, Kraftwerk  in  der  Trebbiner  Strasse,  Vorführung  der 
Funken-Telegraphie  System  Braun-Siemens,  Fahrt  zur 


303 


Haltestelle  Schlesisches  Thor,  dort  Frühstück  und  Be- 
grüssung  durch  Hrn.  v.  Siemens.  Am  Nachmittag  Be- 
sichtigung des  Kabelwerkes  der  A.  E.-G.  in  Oberschöne- 
weide, Vorführung  der  Funken-Telegraphie  Slaby-Arco, 
Bewirthung  im  Kasino  des  Werkes;  im  Anschluss  daran 
Besuch  der  Niles-Werke  und  der  elektr.  „Zentrale  Ober- 
spree" der  Berliner  Elektr.-Werke.  Am  Abend  fand  sich 
eihTheil  der  Oesterreicher  und  der  Berliner  Fachgenosseh 
noch  einmal  im  Ausstellungspark  zwanglos  zusammen.  Der 
Donnerstag  brachte  dann  äie  schon  erwähnte  Besichtigung 
des  Domes  unter  Führung  des  Erbauers,  Geh.  Reg.-Rath 
Prof.  Raschdorff,  der  Museen  und  einer  grösseren  An- 
zahl industrieller  Werke  in  verschiedenen  Gruppen.  Auch 
Potsdam  wurde  von  einem  Theile  der  Gäste-  besucht  und 
damit  schloss  ' der  Aufenthalt  in  Berlin.  Ein  Theil  der 
Oesterreicher  kehrte  unmittelbar  in  die  Heimath  zurück, 
während  ein  anderer  die  Reise  nach  Düsseldorf  zum  Be- 
suche der  Indusrie-  und  Gewerbe-Ausstellung- fortsetzte. 

Es  waren  für  die  österreichischen  Gäste  anstrengende, 
aber,  wie  man  hoffen  darf,  auch  genussreiche  Tage,  so- 
wohl durch  das,  was  an  technischen  und  künstlerischen 
Leistungen  in  der  Reichshauptstadt  vorgeführt  werden 
konnte,  als  durch  den  herzlichen, -freundschaftlichen  Ver- 
kehr mit-  den  Berliner  Fachgenossen  und  die  sympathische 
Aufnahme,  welche  die  Gäste  überall  fanden. 

Mögen  die  flüchtigen  Eindrücke,  die  bei  den  rasch 
wechselnden  Bildern  einer  solchen  S.chnejlfahrt  nur  ge- 
wonnen werden  können,  sich  vielleicht  auch  raschwieder 
verwischen,  so  wird  doch  die  Anknüpfung  festerer  Be- 
ziehungen zu  den  deutschen  Fachgenossen,  die  nach,  dem 
gleichen  Ziele  der  Vervollkommnung  der  künstlerischen, 
wissenschaftlichen  und.  praktischen  Leistungen  der  Tech- 
nik und  der  Hebung  der,  Stellung  und  des  Ansehens  ihrer 
Vertreter  streben,-  von  dauerndem  Werthe  bleiben.  — 
Zum  letzten  Male  ein  neuer  Dübelstein  als  Ersatz  für 
Holzdübel.  Inbezüg  auf  die  Mittheilung  des  Hrn.  Th.  in  N0.37 
und  des  Hrn.  Ed.  Walter  in  No.  43  theile  ich  mit,  dass  die 
Herstellung,  poröser  Steine  als  Ersatz  für  Dübel  keines- 
wegs neu  ist.'  Hier  am  Rhein  werden  solche  Steine,  wie 
auch  schon  früher  erwähnt  wurde,  aus  porösem  Bimssand 
mit  einem  bestimmten  Zusatz  schon  längere  Zeit  herge- 
stellt. Das  Geheimniss  des  Erfinders  ist  hierorts  so 
allgemein  bekannt,  dass  dasselbe  wohl  nicht  patentirt 
werden  kann.  Die  Behauptung  des  Hrn.  Walter,  dass 
poröse  Steine  ein  solides  Festsitzen  der  Nägel  usw.  nicht 
gestatten,  ist  nach  den  praktischen  Erfahrungen,  welche 
hierorts  mit  Bimssand-Dübelsteinen  gemacht  sind, 
nicht  richtig.  Der  theoretischen  Behauptung  des  Hrn. 
Walter  von  der  mahlenden  Wirkung  des  eingetriebe- 
nen  Nagels  usw.  steht  in  der  Praxis  das  Einrosten  des 
Nagelsgegenüber,  sodass  der  Verwendung  von  Bimssand- 
Dübelsteinen  keinerlei  Bedenken  entgegenstehen  können. 
Die  Steine  sind  hier  von  Privaten  und  Behörden  vielfach 
mit  bestem  Erfolge  verwendet  worden^  und  können  durch 
die  Firma  Niederrheinische  Kalksandziegel- Werke . G.  m. 
b.  FL,  Bockum-Krefeld,  bezogen  werden.  Dieselben  kosten 
nicht  7 Pfg.  das  Stück,  sondern  nur  4 Pfg-  frei  Bahnhof 
oder  Baustelle  Krefeld.  — A.  Hotes,  Arch.,  Krefeld. 


Preisbewerbungen. 

Ausschreibung  eines  Wettbewerbes  um  den  Preis  Galileo 
Ferraris.  Die  Kommission  für  den  im  Jahre  1898  gestifteten 
Galileo  Ferraris-Preis  hat  beschlossen,  für  die  Zuertheilung 
desselben  einen  neuen  internationalen  Wettbewerb  aus- 
zuschreiben. Der  Preis  besteht  aus  15  000  Lire  zuzüglich 
der  auflaufenden  Zinsen  von  1899  bis  zu  dem  Tage,  an 
welchem  der  Preis  zuertheilt  werden  wird  und  soll  der- 
jenigen Erfindung  zuerkannt  werden,  welche  auf  dem 
elektro-technischen  Gebiete  einen  bedeutenden  Fortschritt 
aufzuweisen  hat.  Es  wird  den  Bewerbern  anheimgestellt, 
Denkschriften,  Entwürfe,  Zeichnungen  oder  auch  Maschinen 
und  Apparate,  welche  sich  auf  ihre  Erfindungen  beziehen, 
einzuliefern.  Die  Einsendungen  erfolgen  zum  15.  Sept. 
1902  beim  Sekretariat  der  Kommission,  via  Ospedale  28 
in  Turin.  — 

Konkurrenzwesen  im  Kunstgewerbe.  Der  Verband 
deutscher  Kunstgewerbe-Vereine  hat  auf  seinem  letz- 
ten Delegirtentage  „Grundsätze  für  das  Verfahren  bei 
öffentlichen  kunstgewerblichen  Ausschreibungen“  fest- 
gesetzt. Man  darf  hoffen,  dass  sich  diese  Grund- 
sätze immer  mehr  einbürgern  und  dem  Kunstgewerbe 
in  ähnlicher  Weise  zum  Segen  gereichen,  wie  das  bei  den 
vom  Verbände  der  deutschen  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine  herausgegebenen  Grundsätzen  im  Wettbewerbe 
auf  dem  baulichen  Gebiete  der  Fall  ist.  Fast  täglich  hört 
man  Klagen  darüber,  dass  Ausschreibende,  Preisrichter 
und  Konkurrirende  bittere  Enttäuschungen  erfahren.  Um 


diesem  Misstande  thuhlichst  abzuhelfen  und  das  Konkurrenz- 
wesen vor  unberechtigter  Ausbeutung  der  künstlerischen 
Intelligenz  und  vor  öffentlicher  Beunruhigung  der  betheilig- 
ten Kreise  zu  bewahren,  hielt  es  der  Verband  für  seine 
Pflicht,  Normen  aufzustellen,  welche  sich  ohne  Zweifel 
allmählich  allgemeiner  Beachtung  erfreuen  werden.  In 
gleichem  Sinne  hat'  der  Verband --„Grundsätze  für  die 
Preisgerichte  von  Ausstellungen,,  bei  denen  das  Kunst- 
gewerbe betheiligt  ist",  festgesetzt.  ~ - 

. Gtironik, 

Ein  Stadterweiterungsplan  für  Kufstein  wurde  nach- dem 
Entwurf  des  Architekten  Otto  Lasne  in  München  aufgestellt.  — 
Die  Einweihung  des  Bürschenschafts- Denkmales  bei 
Eisenach,  nach  dem  Entwurf  des  Architekten  Wilhelm  Kreis 
in  Dresden  als  ein  36  m hoher  Rundbau  auf  der  Göpelskuppe,  er- 
richtet, hat  am  22.  Mai- stattgefunden;  --- 

Der  Durchschlag  des  Albula-Tunnels.  ist  am  28.  Mai  d.  J. 
erfolgt..  Der  Tunnel  liegt  bekanntlich  im  Zuge  der  nach  dem 
Engadin  führenden  Schmalspurbahn,  die  1903  eröffnet  werden  soll. 
Länge  des  Tunnels  5,67  km.  — 

Ein  neues  Geschäftshaus  des  Kunstverlages  Artaria  in 
Wien,  nach  den  Entwürfen  des  Architekten  Eabiani  im  modernen 
Stil  am  Kohlmarkt  errichtet,  -wurde  kürzlich  bezogen.  — 

Die  Einweihung  der  städtischen  Elektrizitätswerke  in 
Wien,  neuer  grpssartiger  wirthschaftlicher  Anlagen,  die  sich  den 
vor  2V2  Jahren  in  Betrieb  genomnienen  Gaswerken  aiischliessen 
und  mit  diesen  das  wirthschaftliche  Denkmal  des  Regimes  Lueger 
darstellen,  hat  am  27.  Mai  stattgefundeo.  — 

• Ein  Denkmal  für  Franz  Liszt  im  Schlossparke  zu  Weimar 
wurde  am  31.  Mai-  enthüllt.  •.  Das  Denkmal  ist  ein  Werk  des 
Münchener  Bildhauers  H.  Hahn.  — • " . . . 

Das  Denkmal  für  König  Alfons  XII.  van  Spanien  in 
Madrid,  zu  welchem  aus  Anlass  der  Grbssjährigkeits-Erklärung 
des  Königs  Alfons  XIII.  der  Grundstein  . gelegt  -wurde,  gehl  auf 
deutsche  Vorbilder  • zuriKk.  Es' ist  eine  umfangreiche  Deüemaf- 
anlage:  Auf  einer  Terrasse  erhebt  sich  eine  reich  gegliederte- halb- 
kreisförmige Säulenhalle,  in  deren  Mittelpunkt  das  hochragende,  am 
Fusse  mit  Figurengruppen  geschmückte  Postament  steht,  welches 
die  Reiterstatue  des  Königs  trägt.  — ■ 

Zu  einer  Erweiterung  der  Bremer  Hafenanlagen  beab- 
sichtigt der  bremische  Staat  die  Erwerbung  eines  Gebietes  von 
400ha  preussischen  Geländes.  — 

- Die  Erneuerung  des  malerischen  Schmuckes  des  Maxi- 
milianeums  in-  München,  der  Ersatz-  der  Fresken  durch  Glas^ 
mosaik,  ist  auf  Antrag  des  bayer.  Kultus-Ministeriums  durch  den 
Prinregenten  genehmigt  worden.  Es  handelt  sich  um  3 Gemälde 
von  Piloty,  sowie  um  je  eines  von  Echter  und  Feod.  Dietz.  Die 
Mosaikarbeiten  wurden  der  Anstalt  von  Rauecker  in  München 
übertragen.  — 

lieber  die  Wiederherstellung  der  Minoritenkirche  in 
Wien  nach  dem  Entwurf  des  Hrn.  Prof.  V.  Luntz  in  Wien  ist  in 
der  letzten  Sitzung  der  österreichischen  Zentral-Kommission  für 
Kunst-  und  historische  Denkmale  Beschluss  gefasst  worden.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  dipl.  Arch.  R.  in  Darmstadt.  Nach  § 15  Abs.  2 des 
preuss.  Fluchtlinien-Gesetzes  vom  2.  Juli  1875  sind  die  Kosten  der 
gesammten  Strasseuanlage  — und  bezw.  deren  Unterhaltung  — zu- 
sammenzurechnen und  den  Eigenthümern  nach  Verhältniss  der 
Länge  ihrer  die  Strasse  berührenden  Grenze  zur  Last  zu 
legen.  Diese  positive  Vorschrift  gestattet  es  preussischen  Gemein- 
den nicht,  bei  Eckgrundstücken  die  Beitragsleistung  zu  den  Strasseu- 
kosten  auf  die  eine  längere  Gebäudeseite  zu  beschränken  und  es 
ist  bei  den  baupolizeilichen  Begünstigungen,  die  Eckgrundstücke 
wohl  überall  gemessen,  in  der  Heranziehung  nach  der  Gesammt- 
Grenzlänge  auch  keineBenachtheiligungderEigenthümer  zu  erblicken. 

Anders  liegt  der  Fall,  wenn  es  sich  um  Anlagen  handelt,  die 
nicht  als  Strassenkosten  aufzufassen  sind,  z.  B.  bei  Einrichtung 
unterirdischer  Entwässerung  für  den  Zweck  der  Ableitung  von 
Wasser  aus  den  Häusern  und  von  den  Grundstücken  über- 
haupt. Bei  der  Berechnung  der  Kosten  dieser  Anlage  ziehen  viele 
Gemeinden  Eckgrundstücke  nur  mit  der  einen  längeren  Seite  her- 
an, selbstverständlich  unter  der  Voraussetzung,  dass  Anschluss  nur 
an  die  Leitung  in  einer  Strasse  stattfindet  und  es  geschieht  dies 
auch  in  Städten  — wie  z.  B.  Charloltenburg  in  welchen  die 
Kanalisation  nicht  nur  der  Häusentwässerung  dient,  sondern  auch 
das  Strassenwasser  aufnimmt. 

Vorstehendes  bezieht  sich  nur  auf  preussische  Gemeinden. 
Wie  es  in  anderen  deutschen  Staaten  gehalten  wird,  ist  uns  nicht 
bekannt,  vielleicht  giebt  diese  Notiz  Anlass  zu  betr.  Mittbeilungen 
an  uns.  — 

Hrn.  Arch.  O.  in  Sandefjord,  Norwegen.  Ein  geneigter 
Schornstein  lässt  sich  je  nach  den  besonderen  Umständen  auf 
dreierlei  Weise  wieder  gerade  richten  und  zwar  durch  allmähliche 
Beseitigung  des  Bodens  unter  dem  Eundement  (durch  wagrechtes 
Bohren  von  Innen  zu  bewirken,  durch  Heraussägen  von  Stein-  und 
Mörtelschichten,  namentlich  bei  weicheren  Materialien)  und  durch 
Herausbrechen  des  Mauerwerkes  und  Einschieben  schwächerer 
Schichten  (vgl.  Deutsches  Bauhandbuch  Bd.  I.  Th.  i).  Jedenfalls 
ist  die  Arbeit  nur  durch  eine  Spezialfirma  für  Schornsteinbau  zu 
bewirken,  deren  es  eine  grössere  Anzahl  giebt.  Vielleicht  nennt 
sich  aus  dem  Leserltreis  eine  solche  Firma  in  der  Nähe.  — 


Inhalt ! Nördlicher  Friedhof  in  München.  — Verband  deutscher  Arch.- 
und  Ing.-Vereine.  Mittlieüunzen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preis- 

bewerbungen. — Chronik.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  47. 


30+ 


EUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN 


ftsrsfsrststsrftststsr««!» 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  48.  * 
DEN  14.  JUNI  igo2.  * 
i«ft««ÄSS3t3tst!RS[S9:s!ar 


Abbildg. 


Gemeinsames  Ausstellungs-Gebäude  der  Gute-HoHnungshütte  und  der  Deutzcr  Gasmotoren-  und  Maschinen-Fabrik 
Ingenieur:  G.-H.-Hütte  (Dir.  Prof.  Krohn,  Sterkrade).  Architekt:  Bruno  Möhring,  Berlin. 

Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


Die  Stadterweiterung  zu  Diedenhofen. 


Architekt:  Geh.  Baurath  J.  Stübben 
,^^™giür  den  im  Aufträge  der  Stadt  vom  Unter- 
Ijj  zeichneten  entworfenen  Plan  der  Dieden- 

IfJ  i^C)fencr  Stadterweiterung  waren  in  erster 

Linie  die  Forderungen  der  Militärbehörde 
'■  " ^ maassgebeiid.  Diese  Forderungen  gehörten 

zu  den  Bedingungen,  unter  welchen  das  Gelände  der 
bisherigen  Stadtumwallung  an  die  Gemeinde  abgetreten 
wird.  Sie  bestanden  im  Wesentlichen  darin,  dass  die 
in  unserer  Abbildung  schwarz  dargestellten  militäri- 
schen Baulichkeiten  zu  erhalten,  dass  in  nordöstlicher 
Richtung  nach  Gentringen  zwei  gerade,  30™  breite 
Strassen  frei  zu  halten  sind  und  dass  endlich  die  Mosel- 
Ufer  flussaufwärts  und  flussabwärts  nicht  bebaut  wer- 
den dürfen. 

Von  den  bürgerlichen  Behörden  wurde  ferner  ver- 
langt die  Ausweisung  geeigneter  Bauplätze  für  eine 
Kreisdirektion,  ein  Hauptzollamt,  ein  evangelisches  Ge- 
meindehaus, ein  Theater,  ein  ßergamt  mit  Bergschule, 
ein  Gymnasium,  eine  höhere  Töchterschule,  ein  Kran- 
kenhaus, zwei  Pfarrkirchen,  eine  Synagoge  und  drei 
Volksschulen,  ferner  ein  sehr  geräumiger  Markt-  und 
Konzertplatz  und  etwa  30  000  ‘i®  Baugelände  an  ver- 
schiedenen Nebenstrassen  zur  Errichtung  von  Häusern 
für  Arbeiter  und  Unterbeamte  der  Eisenbahn-  und  der 
Postverwaltung.  Besonderer  Werth  wurde  schliesslich 
darauf  gelegt,  dass  die  äusseren  Radial  wege  nach  den 
Vororten  Monhofen,  St.  Franz  (Luxemburg),  Ober- 
gentringen, Niedergentringen,  St.  Peter  und  Beauregard 
(HayingenundUcckingen)aufs  innigste  raitdenStrassen 
der  alten  Stadt  verbunden  werden,  um  die  wirthschaft- 
lichc  Benachtheiligung  der  letzteren  durch  die  neu- 
städtischen Anlagen  zu  verhüten. 

So  entstand  nach  mannichfachen  Verhandlungen 
und  aufgrund  von  Vorarbeiten  des  Hrn.  Stadtbmstr. 


in  Köln  a.  Rh.  (Hierzu  der  Plaa  auf  S.  308.) 

Frorath  der  in  der  Abbildung  veranschaulichte  Plan, 
der  die  Genehmigung  der  Gemeinde-  und  der  Militär- 
Behörden  erlangt  hat.  Die  wesentlichen  ßestandtheile 
desselben  seien  nachstehend  kurz  erläutert: 

Die  beiden  30“  breiten,  geraden  Kriegsstrassen 
durchschneiden  in  höchst  unerwünschter  Weise  das 
ganze  Bebauungsfeld;  es  wurde  dahin  gestrebt,  den 
Eindruck  der  Endlosigkeit  zu  mildern  durch  eine 
wechselnde  Gestaltung  des  Strassen-Querschnitts  mit 
Mittelalleen,  Seitenalleen,  Reitwegen  und  Vorgärten; 
bei  Anordnung  letzterer  konnte  die  Verkehrsbreite 
auf  18  ">  eingeschränkt  werden.  Ein  27“  breiter  Quer- 
riegel verbindet  die  Kriegsstrassen  im  Westen  der  Alt- 
stadt und  bildet  so  eine  erste  Umschliessung  der  Alt- 
stadt. Die  äussere  Ringstrasse  oder  alte  Ringstrasse 
ist  auf  der  längsten  Strecke  von  St.  Franz  bis  Beaure- 
gard schon  vorhanden:  sie  liegt  auf  der  verlassenen 
ehemaligen  Bahnstrecke  Metz-Luxemburg,  soll  in  33“ 
Breite  ausgebaut  werden  und  auf  der  genannten  Strecke 
eine  bereits  geplante  Dampfbahn  aufnehmen. 

Die  frei  zu  haltende  Fläche  flussaufwärts  ist  als 
geschlossener  Stadtgarten  mit  Konzerthaus  und  Restau- 
ration in  Aussicht  genommen,  die  Uferfläche  flussab- 
wärts als  offenes  Volkswäldchen.  Zwischen  den  ehe- 
maligen Bastionen  i und  3 soll  unter  theilweiser  Er- 
haltung der  alten  Wälle  eine  nicht  zum  Befahren  be- 
stimmte neue  Uferpromenade  angelegt  werden. 

Von  dem  neuen  Hauptplatz,  auf  dessen  unge- 
wöhnlicher Grösse  von  140  zu  170  “ die  Gemeinde- 
verwaltung wegen  der  Jahrmarktzwecke  bestand,  sind 
zwei  Fünftel  als  bepflanzter  Konzertplatz  abgetrennt 
worden.  Zwei  kleinere  Plätze  sind  im  südlichen,  zwei 
andere  im  nördlichen  Theile  der  Stadterweiterung  vor- 
gesehen. Aus  der  Altstadt  finden  die  Pariserstrasse, 


305 


die  Magazinstrasse,  die  Collegiumstrasse,  die  Parade- 
strasse, die  Hospitalstrasse,  die  Jemapperstrasse  (mittels 
Durchbruchs)  und  die  Luxemburgerstrasse  unmittelbare 
Fortsetzungen  in  die  Neustadt.  Erhaltungswerthe  Thor- 
bauten sind  nicht  vorhanden.  Von  den  Strassen  der 
Neustadt  sollen  die  reinen  Wohnstrassen  8 bis  12*® 
die  Verkehrsstrassen  14  bis  17  baumbesetzte  Land- 
strassen 21  bis  23™  breit  angelegt  worden.  Mehrere 
vorzugsweise  zum  ruhigen  Wohnen  geeignete  Strassen 
haben  Vorgärten  von  4 bis  7 “ Tiefe  erhalten.  Der 
südwestliche  Stadttheil  zwischen  der  Metzerstrasse 


und  der  südlichen  Kriegsstrasse  ist,  mit  Ausnahme 
der  beiden  Plätze,  für  offene  oder  halboffene  Be- 
bauung bestimmt,  Für  die  Arbeiter-  und  Beamten- 
Wohnungen  sind  6 Gruppen  von  Baustellen  mit  ge- 
ringer Tiefe  an  Nebenstrassen  ausgesondert.  Die 
Blocktiefe  wechselt  von  55 — 90 

Die  Lage  der  öffenthchen  Gebäude  und  ihre  Be- 
ziehungen zu  den  Plätzen  und  Strassen  sind  aus  der 
Abbildung  so  deutlich  erkennbar,  dass  es  einer  weiteren 
Erläuterung  nicht  bedürfen  wird.  Die  Höhenunter- 
schiede  sind  gering.  — j.  Stübben. 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


n.  Konstruktion  und  Einrichtung  einiger  Aus- 
stellungsbauten. (Fortsetzung  aus  No.  44  statt  Schluss.) 
c.  Die  Sonder-Ausstellungsgebäude  der  Gross- 
Industrie. 

lohl  bei  keiner  der  bisherigen  Ausstellungen  hat  sich 
die  Privat-Industrie  in  einem  so  ausgedehnten  Maasse 
' und  mit  z.  Th.  so  erheblichen  Mitteln  durch  den  Bau 
eigener  Ausstellungsgebäude  hervorgethan,  wie  in  Düssel- 
dorf. Sind  doch  von  den  für  Ausstellungszwecke  errich- 
teten Gebäuden,  deren  Zahl  sich  auf  einige  neunzig  mit 
zusammen  etwa  990001“  Grundfläche  beläuft,  abgesehen 
von  der  Hauptindustriehalle  nebst  ihren  3 Erweiterungs- 
bauten, der  Maschinenhalle  und  dem  Kunstausstellungs- 
Palaste,  sämmtliche  übrigen  Ausstellungs-Pavillons,  deren 
Grundfläche  reichlich  die  Hälfte  der  gesammten  über- 
bauten Ausstellungsfläche  einnimmt,  durch  einzelne  Firmen 
oder  durch  Vereinigungen  von  Firmen  desselben  Industrie- 
zweiges aus  eigenen  Mitteln  errichtet  worden.  Diese  fast 
durchweg  in  Eisen  ausgeführten  Bauten  erreichen  z.  Th. 
sehr  erhebliche  Abmessungen.  Die  bedeutendsten  an 
Ausdehnung  unter  ihnen  sind  die  Ausstellungsgebäude  des 
Vereins  für  bergbauliche  Interessen  im  Ob.-Berg- 
amtsbezirk  Dortmund  mit  6400 1“,  der  vereinigten  Waggon- 
und  Lokomotiv-Fabriken  mit  6000I“,  der  Gute- 
Hoffnungshütte  in  Gemeinschaft  mit  der  Deutzer 
Gasmotoren-  und  Maschinenfabrik  mit  30001“,  der 
Firma  Krupp  mit  3400  I“,  das  Gebäude  desBochumer 
Vereins,  der  Georgs  - Marienhütte,  des  Hö.rder 
Bergwerks-Vereins  usw.,  von  denen  wir  einige  im 
Nachstehenden  in  Wort  und  Bild  vorführen  wollen. 

Das  Gebäude  der  Gute-Hoffnungshütte,  das  von 
dieser  für  ihre  eigenen  Zwecke  und  diejenigen  der  Deutzer 
Gasmotoren-  und  Maschinenfabrik  gemeinsam  errichtet  ist 
und  an  dem  Hauptmilteiwege  des  Ausstellungsgeländes 
unmittelbar  neben  der  Maschinenhalle  liegt,  nimmt  unter 


den  genannten  Baulichkeiten  durch  seine  Ausbildung  eine 
besondere  Stellung  insofern  ein,  als  es  das  einzige  von 
allen  ist,  das  seine  Eisenkonstruktion  unverhüllt  zeigt  und 
den  Massivbau  (bezw.  die  Nachahmung  desselben  durch 
Putz  und  Stuck)  lediglich  auf  zwei  monumentale  Eingangs- 
thore  beschränkt.  Im  übrigen  soll  das  in  unserem  Kopf- 
bilde dargestellte  Gebäude,  dessen  Architektur  von  Arch. 
Bruno  Möhring  in  Berlin  stammt,  lediglich  durch  die  Ge- 
saramtanordnung,  die  stattliche  Höhe  der  Mittelhalle,  die 
Hinzufügung  der  Hauptthürme  und  der  beiden  Seiten- 
thürme,  durch  die  Linienführung  der  Fensterstürze  usw. 
wirken,  während  das  die  Eisenkonstruktion  schmückende 
Beiwerk  auf  ein  geringer  Maass  beschränkt  bleibt. 

Auf  S.  309  ist  die  Gesammtanordnung  des  Gebäudes  in 
Grundriss,  Längs-  und  Querschnitten,  sowie  in  einer  sche- 
matischen Wiedergabe  der  Fassadengestaltung  der  Mittel- 
halle dargestellt.  Der  Bau  gliedert  sich  danach  in  5 Hallen, 
von  denen  3 den  Zwecken  der  Gute-Hoffnungshütte,  2 den- 
jenigen der  Deutzer  Fabrik  dienen.  Die  ersteren  3 bilden 
zusammen  eine  regelmässige  Kreuzform,  indem  sich  an 
eine  Mittelhalle  von  21  “ Breite  bei  40  “ Tiefe  beiderseits 
je  eine  gleichartig  ausgebildete  Halle  von  27  “ Frontlänge 
bei  ebenfalls  21  “ Spannweite  anschliesst.  Die  an  einem 
Flügel  angegliederte  Haupthalle  der  Deutzer  Fabrik  besitzt 
gleichfalls  40 “Tiefe,  jedoch  nur  16“  Spannweite.  Zwischen 
den  beiden  Haupthallen  und  hinter  dem  einen  Flügelbau 
schiebt  sich  dann  schliesslich  noch  die  ebenfalls  27  “ 
lange,  aber  nur  15  “ tiefe  zweite  Halle  der  Deutzer  Fabrik 
ein,  die  als  Generatorenhaus  dient,  von  den  übrigen  Hallen 
durch  feste  Wände  abgeschlossen,  an  der  Hinterfassade 
dagegen  zwischen  dem  Eisenwerk  völlig  offen  geblieben 
ist.  Die  Aussenwände  des  ganzen  Gebäudes  sind  ira 
übrigen  V3  Stein  stark  ausgemauert,  soweit  sie  nicht  von 
Fenstern  durchbrochen  werden.  Diese  seitlichen  Fenster 
in  den  Längswänden  und  Giebelfronten,  in  der  Haupthalle 
ausserdem  die  Fenster  der  aufgesetzten  Dachhauben,  dienen 


Das  künstlerische  Ergebniss  des  Darmstädter 
„Dokumentes“. 

Von  Albert  Hof  mann. 

(Fortsetzung  aus  No.  40.)  Hierzu  die  Abbildungen  S.  31a. 

er  einflussreichste  unter  den  sie- 
ben Künstlern,  derjenige,  welcher 
der  Kolonie  ihr  charakterisüsches 
Gepräge  verlieh,  ist  der  Architekt 
Jos.M.Olbrich.  Mit  seiner  Künst- 
ler-Erscheinung müssen  wir  uns 
um  so  mehr  etwas  ausführlicher 
beschäftigen,  als  seine  Kurist  in 
diesen  Tagen  in  Turin  eine  Fort- 
bildung — nein,  Fortsetzung  — 
erfahren  hat,  welche  neue  Thaten 
zwar  nicht  zeitigte,  aber  doch  ge- 
eignet war,  der  Kunstweise  eine 
breitere  Grundlage  zu  geben,  und 
sie  aus  dem  Charakter  einerTages- 
erscheinung,  den  sie  in  Darrastadt 
immerhin  noch  besass,  zu  der  Be- 
deutung einer  dauernden  Kunst- 
richtung erhob.  Olbrich  gehört 
der  Schule  von  Otto  Wagner  in 
Wien  an ; er  hat  in  Josef  Hoffmann 
einen  gleichwerthigen  Gesinnungs- 
und Empfindungs- Genossen.  Die 
Kunst  beider  entfernt  sich  jedoch 
einen  Schritt  von  der  Kunstweise  ihres  Meisters.  Schöpfte 
dieser  nur  gelegentlich  aus  dem  orientalischen  Alter- 
thum Anhalte  für  die  Art  der  Flachenbehandlung  und 
des  gesammten  Aufbaues,  waren  es  die  Schlichtheit  die- 
ses Aufbaues  und  die  Grösse  der  Flächenwirkung,  die 
ihn  anzogen,  so  gingen  Hoffmann  und  Olbrich  noch  einen 
Schritt  weiter  und  Hessen  namentlich  die  maurische  Kunst 


so  weit  auf  sich  einwirken,  dass  sie  in  dem  oberen 
Abschluss  der  Gebäude,  in  dem  überwältigenden  Far- 
benrausch und  Farbenglanz,  in  der  überschwänglichen 
Phantasie,  in'  der  schrankenlosen  Prachtliebe  ihren 
weitgehenden  Einfluss  geltend  macht.  Man  hat  einmal 
den  Pietro  Aretino  aus  Arrezzo,  den  „ersten  grossen 
Journalisten  modernen  Stils“,  wie  ihn  Widmann  in 
Bern  nennt , ob  seiner  Prachtliebe  getadelt.  „Man 
darf  mir  nicht  vorwerfen“,  schrieb  er  darauf,  „dass 
ich  in  Brocat  gehe,  aus  goldenem  Becher  trinke, 
mit  Edelsteinen  und  goldenen  Ketten  geschmückt  bin; 
denn  ich  bin  der  Erlöser  für  den  ganzen  Litteraten- 
stand,  den  ich  mit  starken  Armen  aus  der  Knechtschaft 
der  Höfe  befreit  habe.“  Wer  die  gelegentlichen  schrift- 
lichen Aeusserungen  Olbrichs,  namentlich  den  Katalog  zu 
seinem  Hause  liest,  der  steht  durchaus  unter  dem  Eindruck, 
als  ob  der  Künstler  symbolisch  in  Brokatgewändern  in 
reichster  Pracht  einherwandle,  gleissende  Edelsteine  und 
goldene  Ketten  zur  Schau  trage  und  sich  als  Erlöser 
der  Baukunst  aus  alten  Banden  betrachte.  Das  reale 
Leben  mit  seinen  knechtischen  Bedingungen  ist  völlig 
abgestreift,  der  Künstler  lebt  gleich  dem  orientalischen 
Dichter  in  einer  überirdischen  Welt,  er  glaubt  sich  zur 
Aetherhöhe  eines  reinen  Kunstwerkes  emporgetragen, 
er  will  mit  grossem  Sinn  die  einzelnen  Künste  zu 
„allgemeinen  Festen“  verbinden.  Sein  Inneres  zerklüftet 
kein  die  Seele  in  ihrer  Tiefe  aufwühlender  Kampf, 
den  mancher  seltene  Künstler  um  seine  Kunst  kämpft, 
sondern  hier  ist  alles  eitel  Freude,  eitel  Glanz.  Es 
schwebt  ihm  Tizians  reiches  und  üppiges  Leben 
in  Venedig  vor;  er  hat  die  Prachtliebe  der  Gemälde 
seines  Wiener  Kunstgenossen,  von  Hans  Makart,  begehrlich 
eingesogen;  was  Gabriele  d’Ännunzio  für  die  Dichtkunst, 
das  ist  er  für  die  Baukunst.  Auch  bei  ihm  der  Stich  in 
die  Decadence,  das  sorglose,  leichte  Spielen  mit  der 
Form.  Wer  seine  architektonischen  oder  ornamentalen 


No.  48. 


306 


allein  zur  Beleuchtung;  Oberlicht  ist  nicht  vorhanden,  das 
Dach  vielmehr  in  ganzer  Ausdehnung  auf  Holzsparren  und 
Schalung  mit  Dachpappe  gedeckt.  , , 

Das  Bauwerk  soll  nach  Schluss  der  Ausstellung  aus- 
einandergenommen und  in  seinen  einzelnen  Hallen  zu 
Werkstattbauten  wieder  Verwendung  finden.  Dement- 
sprechend sind  auch  die  Abmessungen,  namentlich  in  der 
Höhe,  gewählt.  Nur  bei  der  Haupt-Mittelhalle  hat  eine 
Steigerung  der  Höhe  aus  architektonischen  Rücksichten  bis 
zu  29  in  des  Dachfirstes  stattgefunden. 

Die  Binder  der  Haupthalle,  von  stattlicher  Innen- 
wirkung (vergl.  Abbildg.  21  u.  25),  die  in  5,25  bzw.  5,50®  Ent- 
fernung stehen,  sind  als  Bogenträger  mit  Scheitelgelenken 
ausgebildet.  Die  lothrechten,  unten  eingespannten  Schenkel 
derselben  sind  als  Blechträger,  die  Mitteltheile,  die  im 
Obergurt  durch  ein  Federgelenk  im  Scheitel  verbunden 
sind,  als  Fachwerkträger  mit  gekreuzten  Diagonalen  aus- 
geführt. Da  wo  die  Querhalle  die  Haupthalle  durchbricht, 
setzen  sich  die  Füsse  der  Binder  auf  Konsolen  auf,  die 
von  dem  letzten  Binder  der  Seitenhalien  getragen  werden. 
Das  Hallendach  ist  in  seiner  ganzen  Länge  mit  Laternen- 
Aufsatz  ausgestattet,  der  noch  durch  Dachhauben  belebt 
wird.  Als  Windverband  sind  in  der  Dachfläche  im  unteren 
Felde  ringsherum  (vgl.  Abbildg.  24)  gekreuzte  Diagonalen 
eingelegt.  Die  auf  die  Halle  selbst  wirkenden  Windkräfte 
werden  durch  Diagonalverbände  in  den  Endfeldern  der 
Seitenwände  aufgenommen.  Die  freien  Giebelwände  sind 
dabei  durch  starke,  wagrechte  Gitterträger  und  ent- 
sprechend kräftige  Vertikalständer  ausgesteift,  welche 
den  Winddruck  auf  die  Eckpfosten  und  damit  auf  die 
Seitenwände  übertragen.  Es  gilt  dies  auch  von  den  seit- 
lichen Hallen.  Die  Pfosten  der  Halienbinder  sind  Blech- 
träger von  0,75  “ Breite  zwischen  den  Gurtschwerlinien. 
Die  Gurte  sind  aussen  aus  2 □ Eisen,  N.  r4,  innen  aus 
2L  Eisen  120. 120. ii  mit  aufgelegter  Lamelle  gebildet. 
Die  Gurte  des  mittleren  Bindertheiles  bestehen  ebenfalls 
aus  je  2L  120. 120. ii,  die  gekreuzten  Diagonalen  und 
Vertikalen  aus  L 60.60.6.  Für  die  Pfosten  und  Riegel  der 
Wände  sind  in  allen  Hallen  mit  Rücksicht  auf  die  Aus- 
mauerung □ Eisen  N.  14  m einfacher  Form  oder,  bei  stärkerer 
Belastung,  verdoppelt  verwendet. 

Die  21  m weitgespannten,  27  m langen  Seitenhallen, 
zeigen  eine  Bindertheilung  von  5,4  (an  den  beiden  End- 
feldern je  2,7  “)  und  etwa  17,5  m Firsthöhe.  Die  Fach- 
werksbinder sind  im  Untergurte  nach  einem  Korbbogen 
aus  5 Mittelpunkten  gekrümmt.  Auch  die  Längsträger  in 
der  First-  und  Trauflinie  haben  aus  Schönheitsrücksichten 
im  Untergurte  korbbogenförmige  Gestalt  erhalten  (vergl. 
Abbildgn.  21  u.  23). 

Die  Pfosten  der  Binder  haben  eine  andere  Ausbildung 
als  in  der  Mittelhalie  erfahren,  da  sie  gleichzeitig  zur  Auf- 
nahme der  Schienen  der  Laulkrahne  dienen  müssen.  Sie 


Entwürfe  betrachtet,  von  welchen  wir  einige  S,  312  u.  später- 
hin wiedergeben,  hat  kaum  den  Eindruck,  dass  sie  in  auf- 
reibendem Ringen  mit  der  Aufgabe,  dass  sie  unter  Wehen 
und  Schmerzen  entstanden  sind,  wie  sonst  wohl  Kunst- 
werke zu  entstehen  pflegen;  es  ist  eine  sorglose,  sonnig 
heitere,  eine  bis  zu  einem  gewissen  Grade  beneidens- 
werthe  Kunst,  die,  trotzdem  Olbrich  nicht  in  Wien  ge- 
boren ist,  das  merkwürdige  Kennzeichen  des  Wiener 
Lebens,  Freude  und  Genuss,  Sorglosigkeit  und  Pracht  an 
der  Stirne  trägt.  Es  ist  kein  Zufall,  dass  zahlreiche  Wiener 
Künstler  einen  starken  Zug  nach  dem  Orient  empfinden, 
ein  Hauch  orientalischen  südlichen  Lebens  war  immer 
über  dem  Wiener  Leben  ausgebreitet.  Fiermann  Bahr 
hat  einmal  eine  interessante  Charakteristik  über  Olbrich 
geschrieben  undhierbei  denWiener  Volkscharaktertreffend 
geschildert.  Die  Wiener  Sezession  hat  es  in  geschickter 
Weise  verstanden,  mit  der  Litteratur  ein  Bündniss  einzu- 
gehen und  ein  nicht  unbedeutender  Theü  ihres  Erfolges 
ist  diesem  Bündniss  zu  verdanken.  Bahr  also  meint, 
der  Deutsche  vergesse  manchmal,  dass  die  Oesterreicher 
eine  ganz  andere  Geschichte  haben  und  sich  darum  zu 
den  Fragen  des  Lebens  anders  verhalten  müssen,  wie  die 
Bewohner  der  norddeutschen  Tiefebene.  „Die  gemein- 
same Sprache  verdeckt  das  und  man  bemerkt  nicht,  dass 
dieselbenWorte  oft  für  uns  eine  andere  Bedeutung  haben“. 
In  Wien  gelte  z.  B.  Hugo  von  Hofmannsthal  für  einen 
„tenebreux“,  für  einen  düsteren,  schwermüthigen  Dichter 
„und  draussen  sagt  man  ihm  nach,  er  tändle.  Und  man 
besinnt  sich  nicht,  dass  dies  eben  das  österreichische 
Wesen  ist;  an  den  Abgründen  der  Menscheit  zu  spielen“. 
Muther  habe  ihn  einmal  mit  Bezug  auf  Otto  Wagner  ge- 
fragt, „wie  denn  diese  kalte,  harte  und  abweisende  Pracht 
in  einer  so  heiteren  und  zierlichen  Stadt  entstehen  konnte“, 
und  Bahr  antwortete,  man  dürfe  den  Spanier  nicht  ver- 
gessen, der  in  jedem  Oesterreicher  steckt.  „Wir  sind  ein 
Staat,  sind  ein  Volk  in  den  entsetzlichen  Zeiten  geworden, 

14.  Juni  1902. 


sind  als  Fachwerkträger  ausgebildet,  mit  einem  äusseren 
Gurt  aus  2 □ Eisen  N.  14,  und  mit  einem  inneren  Gurt, 
bestehend  aus  einem  I Eisen  N.  32,  das  den  Schienenträger 
von  I Profil  N.  55  stützt.  Der  gebogene  Untergurt  der 
Binder  besteht  aus  2!  Eisen  N.  18,  der  Obergurt  desgl. 
aus  N.  16.  Das  Fachwerk  ist  theils  in  C,  theils  in  L Eisen 
hergestellt. 

Eine  ganz  ähnliche  Ausbildung  wie  diese  beiden 
Seitenhallen  zeigt,  Abbildg.  2X,  die  Haupthalle  der  Deutzer 
Gasmotoren-  und  Maschinenfabrik,  nur  mit  der  verringerten 
Stützweite  von  16  m.  Sie  erreicht  die  gleiche  Firsthöhe 
von  rd.  17,5 

Abweichend  ist  die  Konstruktion  der  Generatoren- 
halle, bei  welcher  in  der  Binderform  auf  die  Schönheit 
der  Erscheinung  nicht  Rücksicht  genommen  zu  werden 
brauchte.  (Vergl.  Abbildg.  21  u.  22.)  Sie  erreicht  nur 
eine  Firsthöhe  von  rd.  it,5“  und  besitzt  ein  abgewalmtes 
Satteldach  mit  Laternenaufsatz  und  Lüftungsjalousien. 
Die  Binder -Entfernung  entspricht  natürlich  der  vorge- 
lagerten Langhalle  der  Gute-Hoffnungshütte.  Auch  hier 
bilden  C und  L Eisen  die  hauptsächlichsten  Konstruktions- 
elemente. 

Vor  der  Hauptfront  der  Haupt-Mittelhalle,  die  mit 
einem  mächtigen  Bogen  den  Flaupteingang  überspannt, 
sind  zwei  Thürme  vorgelagert,  die  sich  bis  zu  einer  Höhe 
von  rd.  45  m erheben.  Sie  sind  als  Fachwerkpfeiler  von 
quadratischem  Grundriss  mit  gekreuzten  Diagonalen  in 
jedem  Felde  ausgebiidet  und  werden  von  offenen  Pavillons 
bekrönt.  Im  oberen  und  unteren  Thurmquerschnitt,  sowie 
in  der  Höhe  des  Angriffs  des  Ober*  und  Unter-Gurtes  des 
grossen  Frontbogens  sind  wagrechte  Versteifungen  zur 
Aufnahme  der  wagrechten  Kräfte  eingelegt.  Durch  grosse 
Knotenbleche  an  den  Kreuzungsstellen  der  Diagonalen 
in  den  Ansichtsflächen,  die  gleichzeitig  zur  Aufnahme  von 
Zierrath  dienen,  ist  die  Masse  der  immer  noch  sehr 
schlank  und  durchsichtig  wirkenden  Thürme  etwas  ver- 
stärkt worden. 

Das  ganze  Bauwerk  bildet  jedenfalls  einen  interessan- 
ten Versuch,  den  reinen  Eisenbau  ohne  wesentliche 
schmückende  Zuthaten  und  ohne  erhebliche  Zurhilf enahme 
des  Massivbaues  für  sich  zur  Wirkung  zu  bringen.  Aus 
diesen  Gesichtspunkten  erklärt  sich  wohl  auch  die  Einlegung 
grösserer  gesctilossener  Blechflächen  in  den  Bindern  der 
Haupthalle,  die  diese  für  das  Auge  des  Ingenieurs  in  der 
Innenwirkung  etwas  schwer  erscheinen  lassen.  Vielleicht 
trägt  hierzu  übrigens  auch  die  dunkele  Tönung  der  Dach- 
fläche und  der  Holzsparren  noch  etwas  bei.  Entwurf  und 
Ausführung  der  Eisenkonstruktion  ist  das  Werk  der  Gute- 
Hoffnungshütte  selbst  und  zwar  der  Brückenbau-  und 
Eisenkonstruktions-Abtheilung  in  Sterkrade  unter  Leitung 
des  Dir.  Prof.  Krohn. 

Es  wird  nicht  uninteressant  sein,  bei  dieser  Gelegen- 


als  die  Reformation  erwürgt  wurde.  Davon  spricht  man 
lieber  nicht,  wir  spielen  uns  gern  anders  auf,  nach  dem 
Leichtsinnigen  hin  und,  um  mit  einer  Scham,  die  uns 
eigenthümlich  ist,  unsere  Seele  zu  verbergen  zeigen  wir, 
wie  d’Annunzio  von  den  Venetianern  gesagt  hat,  nur  die 
Animula  her,  aber  es  wird  doch  keiner  den  Hidalgo 
los.  Wie  dieser  sich  mit  der  innigen  Besonnenheit 
des  Deutschen  und  einem  Reste  von  keltischer  Beweg- 
lichkeit, die  noch  in  unserem  Blute  hüpft,  auszusöhnen 
weiss,  das  scheint  mir  das  eigentliche  Problem  des 
österreichischen  Geistes  zu  sein,  das  alle  hundert  Jahre 
neu  gelöst  wird:  von  den  Jesuiten  in  der  Barocke,  dann 
Theresianisch  auf  gut  bürgerlich  und  deutsch,  und  heute 
wieder  durch  unsere  Versuche,  aus  einer  fast  cynischen 
Schwermuth  za  einem  Begriffe  des  Menschen  und  der 
Welt  uns  durchzuringen  oder  doch  durchzuwinden,  in 
welchem  sich  neben  dem  Entsetzen  die  Anmuth  be- 
haupten könnte:  an  Abgründen  zu  spielen.  Das  ist  Hof- 
mannsthal, das  ist  Klimt,  das  ist  Olbrich. Uns  sind 

Menschen  nicht  sympathisch,  die  vor  den  Leuten  ernst 
und  tief  sind.  "Wir  wollen  ein  gefälliges  und  leichtes 
Behagen,_  auf  welchem  aber  doch  von  der  Erinnerung  an 
Geheimnissvolles  ein  Schatten  liegt.  Wir  haben  nicht 
gern,  wenn  der  Tannhäuser  vom  Venusberg  renommiert. 
Aber  er  soll  dort  gewesen  sein.  — • — Der  Oesterreicher 
findet  Momente  in  sich  vor,  die  kaum  auszugleichen  sind. 
Deshalb  bleibt  unseren  Künstlern  meistens  die  Reife  ver- 
sagt; sie  verflackern  hin  und  her,  sie  sind  bloss  inter- 
essant. Wenn  aber  einer  die  Kraft  hat,  nicht  zu  ver- 
zichten, alles  zu  bewahren  und  doch  jedes  Element  so 
an  das  andere  anzupassen,  dass  sie  verwachsen,  von  dem 
kann  dann  die  Nation  wieder  einige  Zeit  leben.“ 

Ich  kenne  keine  treffendere  Charakteristik  des  öster- 
reichischen Wesens  als  diese  beredte,  offenherzige  Schilde- 
rung. Und  doch  verkennt  ohne  Zweifel  Bahr  den  „Oester- 

(Fortsetzung  auf  S.  310.) 


307 


heit  einige  Bemerkungen  über  die  Gute-Hoffmmgshütte 
und  ihre  Thätigkeil  anzuknüpfen.  Die  1873  gegründete 


die  durch  Vereinigung  der  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrh, 
angelegten  Eisenwerke  St.  Antonienhütte,  Gute-Hoffnungs- 


Aktien-Gesellsc^ft  geht  zurück  auf  die  1810  gegründete  hütte  und  ferner  Neu-Essen  entstand.  Die  Gesellschaft 
offene  Handels-Gesellschaft  „Jacobi,  Haniel  und  Huyssen",  besitzt  ausgedehnte  eigene  Kohlengruben,  ferner  Erzgruben 


No.  48- 


308 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung 
in  Düsseldorf  1902. 


in  Lothringen,  bedeutende  Hochofenanlagen  mit  etwa 
400  000  ‘ Roheisenförderung  im  Jahre,  nebst  Walzwerken 
in  Oberhausen,  und  in  Sterkrade  eine  mit  allen  modernen 
Einrichtungen  versehene  Brückenbauanstalt,  Giesserei  und 
Maschinenbau -Werkstätte.  Letztere  baut  hauptsächlich 
Maschinen  für  Walzwerke  und  Bergbau. 

Den  Besucher  der  Haupthalle  fesselt  sofort  ein  Er- 
zeugniss  dieser  Maschinen-Werkstätte,  eine  fast  den  ganzen 
Raum  einnehmende  Zwillings-Tandem-Fördermaschine,  die 
später  auf  einer  Grube  der  Gesellschaft  aufgestellt  werden 
soll  und  Lasten  von  4,4  t aus  750”'  Tiefe  bei  12“  Ge- 
schwindigkeit in  I Sek.  fördern  kann.  Mächtige  Pumpen 
und  Hochofen-Gebläse-Maschinen  sind  ebenfalls  aus  dem 
Werke  selbst  hervorgegangen,  während  seitens  des  Walz- 
werkes als  Zeugniss  seiner  Leistungsfähigkeit  eine  in  einer 
Hitze  gewalzte  Bramme  von  20  Länge,  3,50  Breite, 
32  '"'n  Dicke  und  20  ‘ Gewicht,  ferner  Profile  aller  Art, 
Schienen  und  zahlreiche  Festigkeitsproben,  die  über  die 
Güte  des  Materiales  Aufschluss  geben,  ausgestellt  sind. 

Die  Brückenbauanstalt,  aus  welcher  eine  grosse  An- 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  21.  März 
igo2.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  58  Pers. 

Hr.  Reg.-Bmstr.  Schimpff-Altona  theilt  „Neues  von 
der  Bostoner  Hoch-  und  Untergrundbahn"  mit. 
Boston  ist  die  erste  Stadt  der  Weit,  in  der  die  Regelung 
des  städtischen  Verkehres  im  Zusammenhänge  und  nach 
einheitlichen  Gesichtspunkten  erfolgt  ist.  Die  auf  diese 
Weise  geschaffenen  Anlagen  sind  folgende;  i.  Vereinigung 
sämmtlicher  Eisenbahnlinien  in  einem  nördlichen  und  einem 
südlichen  Hauptbahnhofe;  2.  Anlage  eines  Strassenbahn- 
Tunnels  zur  Entlastung  stark  befahrener  Strassenzüge  der 
inneren  Stadt;  3.  Schaffung  eines  Netzes  von  Hoch-  und 
Untergrundbahnen  zur  Beschleunigung  der  Beförderung 
innerhalb  der  Stadt,  welches  Netz  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung steht  mit  den  beiden  Endbahnhöfen,  mit  dem 
erwähnten  Strassenbahntunnel  und  mit  den  Aussenlinien 
des  Strassenbahnnetzes.  Alle  diese  Verbindungen  erfolgen 
in  besonderen  Umsteige-Stationen,  wobei  das  Umsteigen 
ohne  Betreten  der  Strassenoberfläche  erfolgt. 

Die  im  Juni  igor  eröffnete,  etwa  9^“  lange  Hoch- 
bahn ist  als  mustergiltig  unter  den  amerikaniscnen  Hoch- 
bahnen zu  betrachten;  denn  bei  ihrer  Anlage  konnten 
alle  Erfahrungen  beim  Bau  und  Betriebe  ähnlicher  Bahnen 
in  den  anderen  Grosstädten  Amerikas  verwerthet  werden; 
man  hatte  auf  keine  vorhandenen,  für  Dampfbetrieb  be- 
schafften Anlagen  und  Betriebsmittel  Rücksicht  zu  nehmen 
und  wurde  durch  keinerlei  Geldknappheit  in  der  Ausführung 
beschränkt.  Die  Züge  bestehen  aus  4,  später  aus  5 Wagen 


zahl  unserer  bedeutenden  Brücken  hervorgegangen  sind, 
so  z.  B.  neben  anderen  Rheinbrücken  die  Düsseldorfer 
Rheinbrücke  selbst,  die  beiden  Weichselbrücken  bei  Thorn 
und  Fordon,  hat  sich  mit  der  Ausstellung  einiger  Brücken- 
pläne und  Ansichten  begnügt,  so  der  Rheinbrücke  bei  Bonn, 
der  Kornhausbrücke  bei  Bern  und  anderer. 

DieVereinigungderAusstellungder  Gute-Hoffnungshütte 
mit  derjenigen  der  Deutzer  Gasmotoren-Fabrik  unter  einem 
Dache,  ergab  sich  aus  den  Beziehungen  der  beidenWerke, 
da  ein  wichtiger  Zweig  des  letzteren  der  Bau  von  Hoch- 
ofen-Gasmotoren ist,  die  es  gestatten,  die  Hochofen-Ab- 
gase wieder  nutzbringend  zum  Antrieb  von  Maschinen, 
z.  B.  der  Hochofen -Gebläsemaschinen  zu  verwenden. 
So  ist  die  ausgestellte  Gebläsemaschine  der  Gute-Hoffnungs- 
hütte, die  in  einer  Minute  1000  cfam  Luft  ansaugt  und  nach 
Bedarf  auf  1/2 — Atm.  zusammenpresst,  mit  einem 
looopferdigen  Hochofengasmotor  der  Deutzer  Fabrik  ge- 
kuppelt. Neben  Gasmotoren  gewöhnlicher  Art  stellt  die 
Fabrik  auch  Spiritusmotoren,  eine  Spirituslokomobile, 
Transportlokomotiven  mit  Gasmotoren  und  anderes  aus.  — 

(Schluss  folgt.) 

von  je  IO  “ Länge  mit  je  40  Sitzplätzen;  als  Antrieb  jedes 
Wagens  dienen  4 Motore  von  je  150  P.  S.  Leistung,  deren 
Schaltung  durch  eine  durchgehende  Zugsteuerung  be- 
wirkt wird.  Die  Reisegeschwindigkeit  beträgt  25  km.  Es 
ist  ein  durchgehendes  selbstthätiges  Signalsystem  in  An- 
wendung. 

Eine  zweite  Schnellverkehrslinie  ist  als  Untergrund- 
b ahn  im  Bau;  sie  durchschneidet  die  Stadt  von  Osten  nach 
Westen  und  kreuzt  die  im  Betriebe  befindliche  Linie  an- 
nähernd rechtwinklig  im  Mittelpunkte  der  Stadt.  Der 
östliche  Theil  der  neuen  Linie  wird  als  Tunnel  unter  dem 
Hafen  hindurchgeführt;  hier  wird  zum  ersten  Male  die 
Herstellung  der  Tunnelwände  aus  Beton  in  Verbindung 
mit  Schildvortrieb  unter  Druckluft  ausgeführt,  in  einer 
Tiefe  von  5,5  unter  der  Hafensohle  bis  zur  Tunnel- 
Oberkante,  von  16“  unter  Niedrigwasser.  Das  Gebirge 
besteht  aus  festem  Thonboden.  Der  Schild  stützt  sich  beim 
Vortriebe  mittels  hydraulischer  Kolben  gegen  das  fertige 
Tunnel-Mauerwerk,  in  welches  gusseiserne  Druckstempel 
eingebettet  sind.  Der  Vortriebsweg  beträgt  je  75*=“;  um 
dasselbe  Maass  wird  die  Einrüstung  des  Tunnels  hinter 
dem  Schilde  gleichzeitig  verlängert.  Der  Schild  läuft  auf 
den  Seitenwänden  des  Tunnels,  die  in  zwei  Seitenstollen 
dem  Schilde  vorauslaufend  hergestellt  werden.-  Der  tägliche 
Baufortschritt  beträgt  bisher  1,5  m.  Die  Länge  der  bisher 
in  Angriff  genommenen  Strecke  des  „Ost-Boston-Tunnels" 
beträgt  1775“,  davon  800  unter  dem  Hafen. 

Diese  äusserst  fesselnden,  mit  Darstellungen  erläuter- 
ten Mittheilungen  wurden  mit  lebhaftem  Dank  entgegen- 
genommen. — Gbl. 


reicher“  Olbrich  stark.  Er  lernte  ihn  im  März  1898 
kennen,  als  er  im  Hause,  der  Gartenbau-Gesellschaft  in 
Wien  die  „maurischen“  Räume  für  die  erste  Ausstellung 
der  Sezession  herzurichten  hatte.  Er  fiel  ihm  durch 
Sicherheit  und  Besonnenheit  auf,  die  ein  spöttischer 
Zug  belebte.  „Unter  den  enthusiastisch  schwankenden 
Jünglingen,  die  seine  Freunde  waren,  schien  er  ein  klu- 
ger, vorsichtig  fester,  ja  berechnender  Mann  zu  sein, 
der,  ohne  zu  schwärmen,  sich  an  das  Mögliche  hielt, 
dies  aber  vehement  ergriff.  Er  vermied  die  grossen 
Worte  und  kam  einem  unter  den  hitzigen  Träumern 

fast  ein  bischen  nüchtern  vor. Immer  mehr  ist  er 

mir  zum  höchsten  Beispiele  eines  Mannes  geworden,  in 
welchem  das  „Blut“,  die  angeborene  Leidenschaft,  die  Be- 
gierde der  Natur  vom  „Unheil“,  von  einer  heiter  planen- 
den und  ordnenden  Vernunft  so  bestimmt  wird,  dass  er 
garnicht  weiss,  was  zaudern, . wanken  oder  zweifeln  ist, 
sondern  sich  nach  einer  inneren  Uhr  bewegen  muss.“  Ist 
das  in  der  That  der  eigenartige  Künstler  Olbrich,  den  wir 
mit  seinen  ,,oesterreichischen“  Eigenschaften  liebgewonnen 
haben?  Gewiss,  er  hat  etwas  Ehrliches,  er  besitzt  unbe- 
grenzte Schaffensfreudigkeit  und  ebenso  unbegrenzte 
jugendliche  Zuversichtlichkeit;  er  vermeidet  das  Hinaus- 
stürmen ins  Unbekannte,  aber  er  wagt  viel  und  wandelt 
oft  hart  an  der  Grenze  des  Abgrundes.  Selbstbescheidung 
ist  aber  nicht  sein  Fall,  seine  Selbsteinschätzung  ist  eine 
ungebührlich  hohe  und  seine  Ueberschwänglichkeit  eine 
orientalische.  Er  ist  ein  starker  Vertreter  des  modernen 
Voluntarismus,  dessen  Entwicklung  unbedenklich  bis  zu 
dem  Nietzsche’schen  Worte  sich  steigern  lässt;  „Wenn  es 
Götter  gäbe,  wie  hielte  ichs  aus,  kein  Gott  zu  sein!“  Als 
er  in  Wien  das  Haus  der  Sezession  baute,  schrieb  er: 
„Mit  welcher  Freude  gebar  ich  dieses  Haus!  Aus  einem 
Chaos  von  Ideen,  einem  räthselhaften  Knäuel  von  Empfin- 
dungslinien, einem  Durcheinander  von  Gut  und.  Böse  ent- 
sprang es:  nicht  leicht.  Mauern  sollten  es  werden,  weiss 


und  glänzend,  heilig  und  keusch  . . . Und  als  ich  so  mit 
dem  Herzen  die  Aufgabe  erfasste,  als  das  innere  Gefühl 
lauter  wurde  als  Verstand  und  Geist  (siehe  Bahr!)  — da 
hatte  ich  den  Muth  zu  bringen,  was  ich  empfand;  und 
geboren  war  es!  . . . Das  Subjektive,  meine  Schönheit, 
mein  Haus,  wie  ich  es  erträumt,  wollte  und  musste  ich 
sehen  . . . Mein.  Fürstenrecht  war  es,  meine  Schön- 
heit zu  zeigen,  und  sollte  auch  Alles,  gemessen  mit  dem 
Maasstabe  der  traditionellen  Schönheitslehre,  dumm  und 
blöde  erscheinen.  Ein  volles  Herz  gab  mir  diesen  Muth, 
starkes,  eigenes  Empfinden  — so  entstand  dieses  Haus.“ 
„Wenn  es  Götter  gäbe,  wie  hielte  ichs  aus.  kein  Gott 
zu  sein.“  Das  ist  kein  Vermeiden  grosser  Worte,  kein 
nüchterner  Denker,  das  ist  der  enthusiastische  Jüngling,  der 
schwärmerische  Träumer,  der  überschäumende  Künstler. 
Immer  wieder  steigt  die  Frage  auf,  ist  das  wirklich  der- 
selbe Olbrich,  von  dem  Bahr  sagt:  „Man  sehe  nur  einmal 
ein  Dach  von  Olbrich  an.  Wie  treu  und  innig  ist  da  das 
Schützende,  das  Bergende,  das  mütterlich  Sorgende  des 
Daches  empfunden!  • Aus  seinen  lieben  Fenstern  guckt 
der  deutsche  Philister  heraus.  Man  glaubt  förmlich  den 
Regen  in  den  Fichten  rieseln  zu  hören;  der  aber  hat 
warm.  In  seinen  kleinen  Zimmern  sitzt  das  Märchen  am 
Ofen  und  träumt;  es  ist  artig,  weil  es  sich  ein  bischen 
fürchtet,  wenn  der  Wind  pfeift.  Aber  nun  treten  wir  in 
die  Halle  seines  Hauses  ein.  Welche  Strenge,  welcher 
königliche  Ernst,  welche  Ruhe!  Hier  lebt  ein  Mann,  der 
seine  Gefühle  verwahrt,  ein  Herrscher  — der  Hidalgo. 
Und  betrachten  wir  die  Klinken,  Schlösser  und  Griffe, 
und  wie  das  Ornament,  gern  die  Geometrie  neckt,  und 
den  verwegenen  Spott,  der  unvermuthet  oft,  wie  Puck 
sich  in  den  Zweigen  wiegt,  aus  seinen  Linien  huscht  — 
oh,  der  Kelte  in  uns  ist  unsterblich!“  Kelte,  Hidalgo, 
Philister  — diese  Dreiheit  passt  nicht  zusammen,  und  was 
man  ihm  auch  nachgesagt  haben  mag,  einen  so  heterogenen 
Mosaikcharakter  hat  Olbrich  nicht.  Er  liest  nicht  Märchen- 

No.  48. 


310 


Todtenschau. 

Adolf  Heyden  f.  Am  ii.  d.  M.  verstarb  im  63.  Lebens- 
jahre Geh.  Brth.  Adolf  H ey  d en  in  Berlin,  der  in  Verbindung 
mit  Brth.  Kyllmann,  namentlich  in  den  siebenziger  Jahren, 
eine  fruchtbare  Privatbauthätigkeit  in  Berlin  entfaltet  hat. 
Wir  nennen  von  den  Ausführungen  jener  Zeit  neben 
Wohnhausbauten  in  der  Strasse  Karlsbad,  die  Kaiser- 
Galerie,  bekannter  unter  dem  Namen  ,, Passage“,  Ecke 
der  Friedrichstrasse  und  Unter  den  Linden,  und  die 
erste  Anlage  des  Admiralsgartenbades  in  der  Friedrich- 
Strasse.  Von  den  späteren  Bauten  ist  namentlich  das  Haus 
der  bayerischen  Gesandtschaft  hervorzuheben.  Von  Bauten 
ausserhalb  Berlins  sind  die  Johannis-Kirche  in  Düsseldorf, 
die  Postgebäude  in  Breslau  und  in  Rostock,  sowie  das 
Logengebäude  in  Potsdam  zu  nennen.  Krankheit  hielt 
den  jetzt  Verstorbenen  schon  seit  längerem  von  künstle- 
rischer Thätigkeit  fern. 

Heyden  war  ordentliches  Mitglied  der  kgl.  Akademie 
des  Bauwesens  und  gehörte  ferner  als  Mitglied  dem  Se- 
nate der  kgl.  Akademie  der  Künste  und  dem  Beirath  des 
Kunsfgewerbe-Museums  an.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  zur  Bugenhagen-Kirche 
zu  Stettin  schreibt  unter  den  im  Deutschen  Reiche  ansässigen 
evangelischen  Architekten  der  Gemeinde-Kirchenrath  mit 
Frist  zum  31.  Okt.  d.  J.  aus.  Das  Preisrichteramt  haben 
neben  dem  Hrn.  Ober-Bürgerineister  und  dem  Pfarrer 
der  Kirche  übernommen  die  Hrn.  Geh.  Brth.  Hossfeld, 
Berlin,  Geh.  Reg-Rth.  Prof.  Otzen,  Charlottenburg,  und 
Hr.  Stadt-Brth.  Meyer  in  Stettin.  Es  sind  3 Preise  von 
2400,  1500  und  1000  M.  ausgesetzt,  ausserdem  bleibt  An- 
kauf weiterer  Entwürfe  zum  Preise  von  400  M.  Vorbe- 
halten. Unterlagen  gegen  Einsendung  von  2 M.  durch  den 
Küster  zu  beziehen.  — 

Im  Wettbewerb  um  die  Entwürfe  zu  den  Hochbauten 
des  Bahnhofes  in  Metz  (s.  Jahrg.  1901  S.  632  u.  651)  hat 
den  I.  Preis  von  8000  M.  Hr.  Arch.  Jürgen  Kröger  in  Ber- 
lin unter  Mitarbeit  der  Hrn.  Arch.  Jürgensen  und  Bach- 
mann erhalten,  den  II.  Preis  von  5000  M.  Hr.  Bauinsp. 
Klingholz  in  Berlin,  je  einen  111.  Preis  in  Höhe  von 
3000  M.'  Hr.  Bauinsp.  Möller  in  Altona  und  Hr.  Arch. 
Mälzer  in  Düsse-idorh  Zum,' Ankäufe  .empfohlen,  wurden 
die  Entwürfe  mit  den  Kennworten  „Bach“  und  „Einigkeit 
und  Recht  und  Freiheit“. 

Ein  engerer  Wettbewerb  betr.  Skizzen  für  die  Gestaltung 
der  Kunstgewerbe- Ausstellung  im  Glaspalast  in  München 
1904  läuft  am  17.  Juni  ab.  Man  darf  gespannt  sein,  ob  er 
einen  durchschlagenden  Gedanken  zeitigen  wird.  — 


Personal-Naclirichten. 

Bayern.  Der  Dir.-Assess.  Knorz  in  Hof  ist  zur  Zentral- 
Magazin-Verwaltg.  in  Nürnberg  versetzt  Der  Masch.-Insp.  Naderer 
in  Schwandorf  ist  z.  Ob.-Masch.-Insp.  der  Betr.-Werkst  Hof  be- 
fördert. Der  Eisenb.-Ass.  Kal  er  in  Regensburg  ist  z.  Vorst,  der 
Betr.-Werkst.  Schwandorf,  der  Dir. -Ass.  Hartmann  in  Licliteu- 
fels  zur  Zentr.-Werkst  Regensburg,  der  Eisenb.-Ass.  Uebeiacker 
in  Würzburg  z.  Vorst,  der  Betr.-Werkst.  Lichtenfels  berufen. 

Preussen.  Verliehen  ist:  Dem  Stadtbmstr.,  Brth.  G e n z m e r , 
dem  Stadtbrth.  Frobenius  und  dem  Arch.  Lang  in  Wiesbaden 
der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.;  dem  Arch.  Maul  in  Wiesbaden 
und  dem  Bmstr.  Sindermann  in  Primkenau  der  kgl.  Kronen- 
Orden  IV.  Kl. 

Die  Erlaubniss  zur  Anlegung  der  ihnen  verlieh,  nichtpreuss. 
Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  dem  Gen.-Dir.  der  Allgem.  Elektricitäts- 
Ges.  in  Berlin,  Geh.  Brth.  Rathenau  des  Offizierkreuzes  des 
franz.  Ordens  der  Ehrenlegion,  dem  Brth.  Herzberg  in  Berlin 
des  Ritterkreuzes  desselben  Ordens  und  dem  Ziviling.  A s k e n a s y 
in  Frankfurt  a.  M.  des  kais.  russ.  St.  Stanislaus-Ordens  III.  Kl.  und 
des  Offizierkreuzes  des  franz.  Ordens  der  Ehrenlegion. 

Der  Ing.  Deutsch  in  Münster  i.  W.  ist  z.  kgl.  Ob.-Lehrer 
an  der  Baugewerkschule  ernannt. 

Dem  Ing.  Gary,  Vorst,  der  Abth.  für  Baumaterialprüfung  der 
Mechan.-techn.  Versuchsanst.  in  Charlottenburg,  ist  das  Prädik.  Prof, 
beigelegt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Friedr.  Voss  aus  Calvörde  u.  Wolfg.  Web  e r 
aus  Kurzebrack  (Wasser-  u.  Strassenbfch.),  — Bruno  V 0 1km ann 
aus  Thiede,  Gg.  Hoppe  aus  Konstadt  u.  Bruno  Neubauer  aus 
Ogulin  (Hochbfch.),  — Karl  W i e n e c k e aus  Kyrltz,  Paul  Gr  u li  ch 
aus  Halle  a.  S.,  Kaspar  Papmeyer  aus  Wellingholzhausen,  Friedr. 
M e y er  aus  Altona  (Eisenbfch.),  — Herrn.  Franken  aus  Stürzelberg, 
Jobs.  B r a a m s aus  Norden  u.  Friedr,  Lorenz  aus  Zerbst  (Masch.- 
Bfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  C.  K.  in  Dormagen.  Grünspan  (basisch  kohlensaures 
Kupfer)  entsteht  regelmässig  auf  Kupfer,  das  sich  an  feuchter 
Luft  oder  feuchtem  Boden  befindet,  dagegen  kann  die  Bildung 
bei  Eintauchung  in  Wasser  unterbleiben.  Aber  ob  dies  ge- 
schieht, ist  zweifelhaft,  hängt  vielleicht  von  Menge  und  Form  der 
Kohlensäure  ab,  die  in  dem  Wasser  enthalten  ist.  Jedenfalls  aber 
wird  an  einem  in  einen  Brunnen  hioeinhängenden  Kupferdraht  über 
dem  Wasserspiegel  Grünspanbildung  stattfinden.  Da  derselbe  sich 
ablösen  kann  und  Grünspan  zu  den  heftig  wirkenden  Giften  ge- 
•hört,  scheint  es  uns  ein  dringendes  Gebot  der  Vorsicht,  die  Durch- 
führung eines  starken  Kupferdrahtes  durch  einen  Brunnen,  der 
nicht  ausser  Gebrauch  gesetzt  ist,  zu  unterlassen. 

Hrn.  Arch.  K.  R.  in  Kassel.  Ini  Rahmen  des  Briefkastens 
können  wir  die  gewünschte  Auskunft  nicht  ertheilen.  Da  der 
Gegenstand  aber  von 'allgemeinerem  Interesse  ist,  so  werden  wir 
demnächst  in  grösserem  Umfange  darauf  zurückkommen.  — 


Inhalt:  Die  Stadterweiteruog  zu  Diedenhofen.  — Von  der  Industrie- 
und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902  II.  rFortsetzung  statt  Schluss).  — 
Das  künstlerische Ergebniss des  Darmstädter  „Dokumentes“  (Fortsetzung).  — 
Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Todtenschau,  — Preisbewerbuugeo.  — Per- 
sonal-Nachrichten. — Brief-  und  Fragekasten. 


bücher  hinter  dem  Ofen  beim  surrenden  Theekessel  und 
beim  rieselnden  Regen,  sondern  er  schreitet  mit  schönen 
Frauen  in  schwerem  Goldbrokat  durch  die  Marmorhallen 
des  Kunstgebäudes  seiner  überschwänglichen  Phantasie. 
In  ihm  leben  nicht  deutsches  Gemüth  und  deutsche  Sinnig- 
keit,  sondern  er  ist  erfüllt  von  italienischer  Pracht  und 
südlicher  Schönheit. 

Vernimmt  man  Bahr,  so  könnte  es  scheinen,  als  ob 
die  Verpflanzung  Olbrichs  von  Wien  nach  Darmstadt  keinen 
Luftwechsel  bedeutete.  Und  doch,  wie  himmelweit  ver- 
schieden ist  der  Unterschied.  Olbrich  kam  aus  der  Gress- 
stadt mit  einem  reich  entwickelten  Genussleben.  Was  hier 
trennt,  was  hier  mosaikartig  neben  einander  liegt  und  in 
die  Weite  geht,  das  fand  er  in  Darmstadt  und  in  der  Aus- 
strahiungssphäre  der  Stadt  sowie  ihrer  weiteren  Umgebung 
auf  engem  Raume  vereinigt,  wenn  es  überhaupt  da  war  und 
nicht  in  enger  Kleinstadtansicht  abgewiesen  wurde.  Hier  ist 
alles  streng  zusammengehalten,  die  moderne  Kultur,  die  nicht 
immer  neue  Schönheit  bringt,  hatte  hierkeine  tieferen  Spuren 
ihres  Einflusses  hinterlassen.  Hier  sind  die  Häuser  und  Häus- 
chen der  Bewohner  vielfach  die  alten,  ganz  ihren  Anschauun- 
gen und  den  Mitteln  des  Landes  entsprechend.  Dort  schmückt 
geschnitztes  Holzwerk  den  Erker,  hier  schützt  Schieferver- 
kleidung den  Giebel  und  das  Dach;  geschwungene  Giebel  be- 
reichern das  Haus  und  Dachwalme  verschneiden  das  Dach 
zu  malerischer  Form,  von  welcher  die  kreischende  Wetter- 
fahne erzählt.  Am  Markte  beleben  Barockurnen  die  Attika 
eines  Häuschens,  welchem  ein  schlichter  Erker  einen  spar- 
samen Reichthum  verleiht,  in  einer  Seitenstrasse  grüsst  farbi 
ges  Fachwerk  den  stillen  Wanderer,  der  sich  aus  dem  Strome 
des  Lebens  in  diesen  Winkel  flüchtete.  Die  Häuser  bindet 
häuJig  kein  Zwang,  das  eine  steht  so,  das  andere  anders. 
Hier  ragt  ein  Giebel  in  die  Lüfte,  dort  führt  eine  Traufkante 
die  Strasse  entlang.  Jeder  baute,  wie  es  just  ihm  passte. 
In  einer  solchen  Umgebung  konnte,  uni  ein  grosses  Vor- 
bild zu  nennen,  wohl  Goethe  schaffen,  als  er  in  hessischen 


Landen  weilte,  die  der  Main  nicht  trennt,  sondern  eher  ver- 
bindet und  die  mit  der  gleichen  Stimmung  übergossen  sind. 
Aus  Wetzlar  und  seiner  Umgebung  schreibt  er;  „Es  ist  nichts, 
das  mich  so  mit  einer  stillen,  wahren  Empfindung  aus- 
füllte, als  die  Züge  patriarchalischen  Lebens,  die  ich,  Gott 
sei  Dank,  ohne  Affektation  in  meine  Lebensart  verweben 
kann.“  Und  wenn  seinerzeit  der  „Werther“  allenthalben 
einen  so  tiefen  Eindruck  machte,  so  waren  es  die  natür- 
lichen künstlerischen  Grundsätze,  welchen  sich  Goethe 
überliess.  Ueber  das , was  damals  in  seinem  Inneren 
vorging,  schrieb  er:  „Jener  Vorsatz,  meine  innere  Natur 
nach  ihren  Eigenheiten  gewähren  und  die  äussere  nach 
ihren  Eigenschaften  auf  mich  einfliessen  zu  lassen,  trieb 
mich  an  das  wunderliche  Element,  in  welchem  Werther 
ersonnen  und  geschrieben  ist.  Ich  suchte  mich  inner- 
lich von  allem  Fremden  zu  entbinden,  das  Aeussere 
liebevoll  zu  betrachten  und  alle  Wesen,  vom  menschlichen 
an,  so  tief  hinab,  als  sie  nur  fasslich  sein  möchten,  jedes 
in  seiner  Art  auf  mich  einwirken  zu  lassen.  Dadurch 
entstand  eine  wundersame  Verwandtschaft  mit 
den  einzelnen  Gegenständen  der  Natur  und  ein 
inniges  Anklingen,  ein  Mitstimmen  ins  Ganze, 
so  dass  ein  jeder  Wechsel,  es  sei  der  Ortschaften 
und  Gegenden,  oder  der  Tages-  und  Jahres- 
zeiten, oder  was  sonst  sich  ereignen  konnte, 
mich  auf’s  innigste  berührte“.  Seelische  Vorgänge 
dieser  Art  führen  zur  starken  Wirkung  eines  Kunstwerkes 
und  wenn  deutsche  Baukünstler  den  Versuch  unter- 
nommen haben,  auf  heimischer  Erde  in  heimischem  Sinne 
zu  bauen,  die  Erfüllungen  des  Lebens  nach  dem  Leben 
des  Volkes  zu  richten,  so  waren  sie  sich  bewusst, 
dass  der  künstlerische  Lorbeer  nur  mit  dem  Herzblute 
der  innersten  Ueberzeugung  bezahlt  wird.  Dem  Künst- 
ler geben  das  Erleben,  das  Erleiden  Inhalt  und  Kraft. 
Die  inneren  künstlerischen  Vorgänge  sind  überall  die 
gleichen,  sei  der  Künstler  nun  Dichter,  Maler,  Architekt  oder 


14.  Juni  1902.  311 


Bildhauer.  Und  wieder 
schrieb  Goethe:  „Wenn 
wir  uns  selbst  fehlen, 
fehlt  doch  alles."  Die 
individuelle  Sammlung, 
das  Sichbesinnen,  das 
Insichz  urückziehen,  sie 
stehen  in  starker  Ab- 
hängigkeit von  der  Um- 
gebung des  Künstlers. 
An  ihr  stählt  sich  die 
Natur,  unter  ihren  Ein- 
flüssen wird  der  Cha- 
rakter weicher , aus 
dieser  unversieglichen 
Quelle  zieht  die  Kunst 
ihre  Kräftigung  und  auf 
diesemResonnanzboden 
erhält  sie  ihren  tiefe- 
ren Ton. 

Ist  es  nun  denkbar, 
dass  ein  reichbegabter 
Künstler  mit  einer  aus- 
gesprochenen und  be- 
reits fest  gegründeten 
Eigenart  auf  die  Dau- 
er in  der  Abhängigkeit 
einer  Umgebung  schaf- 
fen kann,  die  ihm  so 
fremd  ist,  wie  die  deut- 
sche Linde  dem  Süden 
und  die  italienische  Pinie 
dem  Norden?  Was  in 
Darmstadt  durchOlbrich 
bereits  geschaffen  wur- 
de, verräth  gewisse  Ein- 
flüsse der  Umgebung, 
ist  aber  doch  heimisch 
auf  seinemBoden.Wenn 
die  Jahre  dahingegangen 
sind,  wird  es  sich  zei- 
gen, was  von  dieser  un- 
ter allen  Umständen 
höchst  eigenartigen  und 
bedeutenden  Kunstüb- 
ung Bestand  hat  und 
was  verfällt.  Die  Grund- 
sätze, welche  die  leiten- 
den waren,  wird  Jeder- 
mann billigen,  aber  es 
sind  keine  neuen  Grund- 
sätze, wenn  sie  auch 
mit  grösserer  Entschie- 
denheit als  vielleicht 
sonstzurAnwendung  ge- 
langten. Was  die  Kolonie, 
an  ihrer  Spitze  Olbrich, 
wollte,  als  sie  uns  eine 
Ausstellung  des  Wohn- 
hauses schenkte,  das 


ElklZELMATEUER-  DER'  K^yU^TLER- KolOkJIEl' 

IKJ  DAR/^^TAPT'  VOkI  OLPiRICH  99 

KyUSTLER-KoLofJIC 


PA  STA  DT 


war  die  Herstellung 
einer  Einheit  zwischen 
Kunst  und  Leben;  das 
Herauswachsen  eines 
erhöhten,  bereicher- 
ten Lebens  aus  der 
Kunst;  es  sollte  dem 
Volke  gezeigt  werden, 
dass  die  Kunst  zum  All- 
täglichen gehören,  dass 
sie  das  Tagesleben  er- 
heben und  verschönern 
müsse.  In  diesem  Sinne 
wurde  densiebenKünst- 
lern  ihre  Schaffensstätte 
gegeben,  umrauscht  von 
den  stolzen  Bäumen  des 
alten  Parkes,  vor  ihnen 
ausgebreitet  ein  unver- 
gleichlichesLandschafts- 
bild  des  deutschenMittel- 
gebirges ; hier  sollten 
Verklärung  undBefruch- 
tung  von  ihnen  hervor- 
dringen. Was  so  gefor- 
dertwurde, gab  Olbrich 
in  überreichem  Maasse. 
Seine  drängende  Künst- 
lernatur durchbrach  da- 
mals noch  die  Grenzen, 
welche  die  Wirklichkeit 
nun  einmal  ziehen  muss ; 
aber  es  ist  immer  wie- 
der daran  zu  denken, 
dass  noch  niemals  in  der 
Kunst  etwas  Bleibendes 
erreicht  wurde,  ohne 
einen  kraftvollen  Ueber- 
schuss  anTemperament, 
ohne  frisches,  unbeküm- 
mertes Vorwärtsdrän- 
gen. War  uns  Olbrich 
bisher  ein  glänzender 
Komet  mit  all  seinerUn- 
beständigkeit  am  Ster- 
nenhimmel der  Kunst, 
ein  Feuer,  das  um  so 
schneller  zu  erlöschen 
drohte,  je  heller  es  lo- 
derte, so  hat  schon  die 
Turiner  Ausstellung  ge- 
zeigt, dass  die  Mässi- 
gung  bereits  ihre  Wir- 
kung geübt  hat  und  der 
Komet  sich  zu  einem 
ruhigen  Sterne  zu  ver- 
dichten scheint,  der 
vielleicht  nicht  mehr 
so  hell,  aber  dauernd 
glänzt.  — (Fortselzune  folgt.) 


Entwurf  zum  Hause  Christiausen. 


Architekt;  Prof.  Jos.  M.  Olbrich  in  Darmstadt. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.b.  H-,  Berlin.  Für  die  Redaktion  veranuvortl.  i.  V.  Fritz  Ei; 

312 


L,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  48. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 


XXXVI.  Jahrgang  No.  49.  Berlin,  den  18.  Juni  1902. 


Abbildg.  a6.  Die  Ausstellungs- Halle  von  Friedrich  Krupp  in  Essen  während  der  Montage. 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


III.  Konstruktion  und  Einrichtung  einiger  Aus- 
stellungsbauten. (Schluss.) 
c.  Die  Sonder- Ausstellungsgebäude  der  Gross- 
Industrie.  (Schluss.) 

ine  hervorragende  Stelle  nimmt  sowohl  durch  seine 
alle  anderen  Sonder- Ausstellungsgebäude  über- 
treffende Ausdehnung,  wie  auch  durch  seine  reiche 
Ausstattung,  namentlich  durch  einen  von  hoher  Kuppel 
überwölbten  Repräsentationsraum,  das  Gebäude  des  „Ver- 
eins für  die  bergbaulichen  Interessen  im  Ober- 
Bergamtsbezirk  Dortmund“  ein,  von  dem  wir  in  den 
Abb.  27-29  sowie  32  eine  Uebersichtsskizze  des  Grundrisses, 
sowie  mehrere  Schnitte  wiedergeben.  Das  Gebäude  ist 
ebenfalls  in  Eisenfachwerk  hergestellt,  in  den  Wandflächen, 
soweit  nicht  Glas  infrage  kommt,  durch  feuersicheren 
Drahtputz  geschlossen  und  mit  Segeltuch  auf  Schalung 
und  Holzsparren  eingedeckt.  Die  Füsse  der  Binderstützen 
und  die  Hauptpfosten  der  Wandflächen  sind  in  der  schon 
bekannten  Weise  auf  Betonklötze  gegründet,  die  zur  Auf- 
nahme der  seitlichen  Kräfte  zwischen  Pfählen  eingeklemmt 
sind,  welche  durch  die  Kiesschüttung  bis  zum  gewachsenen 
Boden  herabgerammt  wurden.  Die  Beleuchtung  erfolgt  theils 
durch  Seitenlicht  in  den  Lang-  und  Giebelwänden,  theils 
durch  Oberlicht.  Das  Gebäude  hat  eine  Gesammtlänge 
von  rd.  162“  bei  rd.  45“  grösster  Breite.  Es  zerfällt  in 
4 HaupUheile,  die  Kuppelhalle  mit  Vor-  und  Eingangs- 
hallen, die  Lang-  oder  Maschinenhalle,  das  Kesselhaus  und 
anschliessend  daran  das  Maschinenbaus  für  die  grosse 
Fördermaschine  der  Eisenhütte  „Prinz  Rudolf“  in 
Dülmen,  welche  den  ausserhalb  des  Gebäudes  liegenden 
Förderschacht  mit  dem  von  der  Maschinenfabrik  „Hum- 
boldt“ errichteten mächtigenFördergerüst  bedient.  Unsere 
Abbildung  28  giebt  einen  Querschnitt  durch  die  Lang- 
halle wieder,  wobei  das  Maschinenbaus  in  der  Seiten- 
ansicht erscheint,  während  Abbildung  29  einen  Schnitt 
durch  das  Maschinen-  und  Kesselhaus  zeigt.  Die  Lang- 
halle erhebt  sich  bis  zu  rd.  18®  Firsthöhe  des  Laternen- 
Aufsatzes  bei  24,68  “ Spannweite  zwischen  den  Stützen- 
mitten. Gegen  seitliche  Kräfte  ist  das  Gebäude  durch 
kräftige  Verstrebung  der  Hinterwand  geschützt.  Die  Binder 
liegen  in  7.5™  Entfernung;  jedes  2,  Paar  ist  in  den  Feldern 
der  Dachfläche  durch  gekreuzte  Diagonalen  verbunden. 

Das  Maschinenbaus  musste  mit  Rücksicht  auf  die  Auf- 
stellung der  grossen  Fördermaschinen  zu  entsprechend 
grösserer  Höhe  gesteigert  werden,  während  das  Kessel- 


haus nur  eine  Höhe  von  rd.  10“  bis  zur  First  des  La- 
ternenaufbaues besitzt  bei  18,53™  Spannweite.  Von  glei- 
chem System  ist  die  Binderausbildung  der  Kuppelhalle 
neben  dem  Kuppelaufbau.  Hier  ist  jedoch  an  der  vorde- 
ren Fassade  eine  niedrigere  Vorhalle  von  einem  dem 
Kesselhaus  ähnlichen  Querschnitt,  aber  ohne  Latemen- 
aufsatz,  und  nach  hinten  ein  5™  breiter  Anbau  mit  ein- 
fachem Pultdach  vorgelagert.  Die  schon  erwähnten  Streben 
der  Binderpfosten  stehen  in  letzterem  Raum. 

Die  Kuppel  baut  sich  auf  achteckigem  Grundriss  von 
14  “ innerem  Durchmes.ser  auf.  Das  System  geht  aus 
Abbildg.  32  S.  315  hervor,  welche  einen  Querschnitt  in  der 
Axe  der  Eingangshalle  darstellt.  Die  Gesammthöhe  des 
konstruktiven  Aufbaues  bis  zum  Latemenring  stellt  sich 
auf  rd.  30“.  Ein  farbiges  Oberlicht  bildet  den  Abschluss 
im  Inneren.  Die  Konstruktion  ist  hier  in  der  Haupt- 
sache durch  Stuck  verhüllt. 

Der  Entwurf  der  Eisenkonstruktion  rührt  wie  bei  der 
Mehrzahl  der  .Ausstellungs-Gebäude  von  Ing.  O.  Leitholf, 
Berlin,  die  Ausführung  derselben  wiederum  von  Hein, 
Lehmann  & Co.  und  die  Herstellung  der  umfangreichen 
Ramm-  und  Betonirungsarbeiten  (umfangreich  namentlich 
für  die  Herstellung  der  Fundamente  der  schweren  Ma- 
schinen), sowie  die  Ausführung  der  Zimmer-,  Maurer-, 
Stuck-  und  Bildhauerarbeiten  von  Boswau&  Knauer  her. 

Die  Ausstellung  des  bergbaulichen  Vereins  bildet  einen 
Hauptanziehungspunkt  und  giebt  ein  übersichtliches  Bild 
von  der  hohen  Entwicklung  der  Kohlen-  und  Erzförderung 
des  rheinisch  - westfälischen  Industriebezirkes  und  der 
damit  in  Zusammenhang  stehenden  Betriebe. 

Die  übrigen  Gebäude  können  wir  nur  kurz  erwähnen. 
Abbildg.  30  giebt  einen  Schnitt  durch  die  Haupthalle  des 
Ausstellungs-Gebäudes  des  „Bochumer  Vereins  für 
Bergbau-  und  Gusstahlfabrikation“  wieder,  die  als 
3 Gelenkbogen  von  19,10  ® Spannweite  bei  19,5  “ Höhe 
bis  zum  Dachfirst  ausgebildet  ist.  Die  Fachwerksbogen 
stützen  sich  auf  Kugelgelenke,  während  im  Scheitel  ein 
Federgelenk  eingelegt  ist.  Ein  Bild  des  Baues  während 
der  Montage  haben  wir  bereits  auf  S.  241  wiedergegeben. 
Es  ist  daraus  ersichtlich,  dass  sich  an  die  I laupthalle  noch 
niedrige  Seitenhallen,  6®  Höhe  bei  6,5®  Breite,  anschliessen 
und  dass  die  Hauptgiebelfront  von  einem  Thurm  flankirt 
wird,  der  sich  bis  gegen  70  ™ Höhe  erhebt,  aber  nur  in 
seinem  40  “ hohen  unteren  Theile  in  Eisen,  im  übrigen 
in  Holz  konstruirt  ist.  Er  dient  als  Glockenthurm  und 
trägt  ein  umfangreiches  Geläut  der  rühmlichst  bekannten 


313 


Gusstahlglocken  der  Firma.  Die  Haupthalle 
soll  später  als  Werkstatt  wieder  Verwendung 
finden.  Die  Ausführung  des  Baues  lag  wieder 
in  den  Händen  der  Firmen  Hein,  Lehmann 
& Co,,  und  Boswau  & Knauer. 

Ebenfalls  als  Gelenkbogen  sind  die  Bin- 
der des  etwa  4300  qm  (nicht  3400  qm,  wie  in 
vorigerNummer  angegeben  wurde)  bedecken- 
den Ausstellungs-Gebäudes  von  Fr.  Krupp 
in  Essen  ausgebildet.  Unser  Kopfbild  zeigt 
die  Halle  während  der  Montage.  Sie  besitzt 
eine  Breite,  zwischen  den  Aussenwänden 
gemessen,  von  rd.  26m,  18,5 “ Höhe  und 
II  Hauptbinder.  Das  Gesammt-Gewicht  soll 
sich  auf  rd.  450*  stellen.  Die  Binder  erscheinen 
jedenfalls  sehr  schwer  und  erwecken  den  An- 
schein, dass  man  auch  die  Konstruktion  der 
Halle,  ebenso  wie  die  Architektur  des  Aeusse- 
ren,  in  gewisse  Beziehung  zu  dem  wuchtigen 
Inhalt,  den  Panzerthürmen,  Panzerplatten 
und  Kanonen  bringen  wollte. 

Zierlich  erscheint  die 
; Konstruktion  der  „Rheini- 

f — yp, — sehen  Metallwaaren- u. 
j»  Maschinen-Fabrik“  in 

^ Düsseldorf-Derendorf,  von 

PI  I welcher  wir  in  Abbildg.  31 

M den  Querschnitt  und  einen 

M ■ ^ . 5-  Theil  des  Längsschnittes 

M y geben.  Es  ist  eine  sym- 

.^11^  i=-_  metrisch  ausgebildete  drei- 

■ E=r  schilfige  Anlage.  Das  15  m 

weit  gespannte  Mittel- 
schiff erhebt  sich  bis  zu 
etwa  17  m Höhe.  Die  mit 
.•  Pultdach  abgedeckten  Sei- 

tenschiffe haben  bei  7,5  m 
; Stützweite  7m  grösste  Höhe. 

''  Die  , Beleuchtung  erfolgt 
theüs  durch  Fenster  in  den  • 
Langwänden,  theils  wie  bei 
. dem  Krupp’schen  Pavillon, 
durch  schedförmige  , Ober- 
lichte.  Jedes  zweiteBinder- 
—V : paar  ist  durch  Windkreuze 

' zusammengefasst.  In  den 
i Endfeldern  reicht  diese 
N 1 Verstrebung  bis  zu  den 
_ . I Füssen  der  Hallenstützen 
^ i^--  herab.  Auch  die  Eisenkon- 
struktion dieser  Halle  ist 
von  Hein,  Lehmann  & 

^ I ^ Co.  ausgeführt. 

— I'  Bemerkenswerth  unter 

_ X.  r 1 den  Hallenbauten  ist  noch 

“ ^ r die  Ausstellungshalle  der 

— ( l „Vereinigten  Waggon- 

t 5.  und  Lokoraotiv-Fabri- 
^ [-1  ken  Düsseldorf",  eine 

^ y sschiffige  Anordnung  von 
/_y'\  ' I gl eichwerthigen  Hallen,  de- 

Binder  als  Sichelträger 
VX  ausgebildet  sind.  Die  Aus- 

J l.i.  senwände  sind  mit  Drei- 

^ F-  ecksstützen  abgestrebt;  Ge- 

fy  . sammtfläche  rd.  90  zu  40™. 

Während  der  orkanartigen 
^ ^ Stürme  im  vorigen  Jahre 

stürzte  die  Konstruktion  bei 
der  Montage  zweimal  ein. 

Während  bei  den  bis- 
' her  erwähnten  Bauten  in 

\ den  meisten  Fällen  auf  die 

— ^ spätere  unmittelbare  Wie- 

—  derverwendbarkeit  Rück- 

'\  s^i  ^ sicht  genommen  wurde, 

''-.'t  • I ist  bei  einigen  Bauten  die 

■ äussere  Wirkung  in  den 

Vordergrund  gestellt  wor- 
: den.  Zu  diesen  gehören 

diezentralenKuppelbauten, 
X i wie  sie  am  bedeutendsten 

vom  „Hörder  Berg- 
^ ^ werks-undHütten-Ver- 

ein " und  von  den  vereinig- 
, ten  „Eisenbahn-Direk- 
tionen vonKöln,  Elbe  r- 
feldundEssen“  zur  Aus- 
führung gekommen  sind. 


314 


Von  der  ersteren  Anlage  haben  wir  auf  S.  245  ein 
-Bild  während  der  Montage  wiedergegeben.  Der  eigent- 
liche Kuppelbau,  an  den  sich  in  der  Hauptaxe  noch 
niedrigere  Absiden  anschliessen , erhebt  sich  über  qua- 
dratischem Grundriss  von  26,80  m Seitenlange.  Die  Kuppel 
wird  getragen  von  in  den  Seitenflächen  des  Quadrates 
liegenden  3,95  “ breiten,  18,85  weitgespannten  Fachwerk- 


Quersclinitt  AB. 


Vermischtes. 

Ernennung  von  Baugewerkschul-Direktoren  zu  Gewerbe- 
Schulräthen.  Die  Baugewerkschul-Direktoren  von  Czihak 
in  Düsseldorf  und  Spetzler  in  Posen  sind  zu  Reg.-  und 
Gewerbeschulräthen  ernannt  für  die  Reg.-Bezirke  Düssel- 
dorf und  Köln,  bezw.  Posen  und  Bromberg,  mit  Amtssitz 
in  ihren  bisherigen  Wohnorten.  Die  preuss.  Regierung 
ist  damit  auf  dem  Wege  fortgeschritten,  den  sie  nach  dem 
Vorgänge  Oesterreichs  und  Sachsens  eingeschlagen  und 
jedenfalls  als  zweckdienlich  erkannt  hat.  Für  die  Technik 
bedeutet  das  eine  weitere  Anerkennung,  die  jedenfalls 
mit  Freuden  zu  begrüssen  ist.  — 

Ausstellungen  des  Verbandes  österreichischer  Kunst- 
gewerbe-Museen  sind  auf  einem  Verbandstage  vom  2.  Juni 
d.  J.  beschlossen  worden.  Die  Ausstellungen  sollen  in 
gleicher  Weise  das  moderne  Kunstgewerbe  wie  die  histo- 
rischen Hervorbringungen  umfassen,  Inbezug  auf  letztere 
besteht  der  interessante  Plan,  'vollständig  ausgestattete 
Innenräume  bestimmter  Stilepochen  zu  bilden,  zu  welchen 
die  Bestände  der  einzelnen  Landesmuseen  in  Originalen 
oder  guten  Nachbildungen  heranzuziehen  wären.  Es.  ist 
ein  beachtenswerther  Vorgang  der  genossenschaftlichen 
Gegenseitigkeit,  der  hier  auf  dem  Gebiete  der  Museums-- 
künde  zur  Einführung  gelangt.  — 

Kurse  für  Meliorationstechniker  an  der  Baugewerkschule 
in  Dt.  Krone.  Eine  Eigenart  dieser  Schule  besteht  darin, 
dass  bis  jetzt  allein  an  ihr  ein  besonderer  Kursus  für 
Meliorationstechniker  eingerichtet  ist.  Zu  dem  Zweck  ist 
die  Klasse  I der  Tiefbauabtheilung  in  zwei  Abtheilungen 
für  Meliorationstechniker  und  für  Eisenbahntechniker 'ge- 
trennt. Infolge  dieserTrennung  erhalten  diejenigen  Schüler, 
die  sich  nur  dem  Eisenbahndienst  widmen  wollen,  in 
diesem  Fache  eine  eingehendere  Ausbildung,  als  es 
an  anderen  Schulen  der  Fall  sein  kann.  Die  Ausbildung 
der  Meliorationstechniker  ist  an  der  genannten  Anstalt 
eine  wesentlich  andere  und  viel  umfassendere  als  diejenige 
an  der  Wiesenbauschule  in  Siegen,  so  dass  die  Absolventen 
der  Anstalt  nicht  nur  in  dem  Meliorationsbau,  sondern 
auch  in  anderen  Bauzweigen_,  wie  Wasserbau,  Strassen- 
bau  usw.  gut  verwerthbar  sein  werden.  — 

T 

Abbüdg.  33  u.  34.  Abbildg.  32.  . , 

Ausstellungs-Pavillon  der  I Querschnitt  durch  die 

Eisenbahn-Verwaltung.  j Kuppelhalle  des 

Ingenieur:  4 Ausstellungs-Gebäudes 

O.  Leitholf  in  Berlin.  /\.  des  bergbaulichen  Vereins. 


üi-  H-i& 


-bögen,  die  ihren  Schub  auf  die  4 Eck- 

thürme  abgeben.  Die.Gesammtanord-  ° ' ' ' ' ' 

nung  der  Eisenkonstruktion  ist  aus  der 
Abbildung  ersichtlich.  '(Der  Pavillon  ^ 
war  Mitte  Mai  noch  nicht  eröffnet.)  |\ 

Das  Gebäude'  der  Eisenbahn- Ver-  j \ 

waltung,  in  seiner  Konstruktion  eben-  ’rL  

falls  von  Ing.  O.  Leitholf  entworfen 
und, wie  dasvorige,vonHein, Lehmann 
& Co.  ausgeführt,  erhebt  sich  gleich-  I 

falls  über  quadratischem  Grundriss  von  "'KLv  i 

24,30  ni  Seitenlange.  Es  ist  in  den  I ~ /][  ' 'j 
Abbild^.  33  und  34  dargestellt.  Der  1/ 
eigentliche  Kuppelbau,  der  in  seinem  1' — — 
konstruktiven  Theil  bis  zu  23,50  m auf-  \ / I 

steigt,  beschränkt  sich  jedoch  hier  auf  -^'‘• 

eine  mittlere  Fläche  von  13,40  ^ im 
Quadrat.  Diesen  Raum  umziehen  nie-  J 
drigere  zweigeschossige  Seitenhallen.  P/  ' 

Der  Kuppelraum  öffnet  sich  mit  Bo-  Ä 

genstellungen  nach  diesen  Anbauten.  V fl  'f 

Der  gesammte  Schub  entfällt  daher  Ij  |j  1 

ebenfalls  auf  die  4 Eckpunkte,  dieJ.L  L,  , JJ 
hier  als  im  Grundriss  L förmige  Fach-  r ' 

werkstützen  ausgebildet  sind. 

Die  Zahl  der  interessanten  Konstruktionen  ist  hiermit 
keineswegs  abgeschlossen,  wir  müssen  aber  auf  ein  weiteres 
Eingehen  verzichten.  Ueberraschend  neue  Anordnungen 
.bieten  sie  ja  allerdings  nicht,  und  auch  die  Stützweiten 
gehen  über  übliche  Mittelmaasse  nicht  hinaus.  Jedenfalls 
aber  wird  der  Ingenieur  auch  auf  diesem  Gebiete  mancher- 
lei Anregung  in  Düsseldorf  finden.  — Fr.  E. 


X'  vT^ 


. f'p! 


Preisbewerbungen,. 

Der  engere  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Kaiser 
Franz  Josefs-Stadtmuseum  in  Wien.  Wie  wir  im  Jahrg.  1901 
S.  568  berichteten,  war  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
Kaiser  Franz  Josefs-Museum  der  Stadt  Wien  ein  allge- 
meiner Wettbewerb  ausgeschrieben,  zu  welchem  im  No- 
vember igoi  35  Entwürfe  einliefen,  von  denen  8 Arbeiten 


'18.  Juni  1902. 


315 


mit  einem  Honorar  von  je  2000  Kronen  bedacht  und  deren 
Verfasser  zu  einem  engeren  Wettbewerb  eingeladen 
wurden,  für  welchen  3 gleiche  Preise  von  je  3000  Kronen 
ausgesetzt  waren.  An  dem  engeren  Wettbewerb  betheiligten 
sich  7_  Verfasser;  auf  den  Ausgang  des  Wettbewerbes  war 
man  im  höchsten  Grade  gespannt,  denn  ihm  wohnte  in- 
sofern symptomatische  Bedeutung  bei,  als  es  sich  zeigen 
sollte,  ob  die  sezessionistische  Richtung  in  der  Architektur, 
ob  die  Kunst  Otto  Wagners  und  seiner  Schule  bereits  so- 
viel Boden  im  Urtheil  der  Allgemeinheit  gewonnen  hätte, 
dass  man  sich  hätte  entschliessen  können,  ihr  den  grösse- 
ren Monumentalbau  zur  Ausführung  zu  überlassen,  um 
den  sie  bisher  vergeblich  geworben.  Die  Zusammensetzung 
des  Preisgerichtes,  welches  aus  14  Beurtheilern  bestand, 
liess  von  vornherein  wenig  Hoffnung  auf  eine  Stellung- 
nahme zugunsten  der  neuen  Richtung  der  Architektur.  Zu 
diesem  Preisgerichte  gehörten  dieHrn.  Gust.  Bambergen, 
Arch.  und  Maler;  Franz  Berger,  Ob.-Brth.  und  Stadt- 
Baudirektor  von  Wien;  Jos.  Bündsdorf,  Arch.;  Karl 
Costenoble,  Bildhauer;  Jul.  Deininger,  Brth.;  Prof. 
Ferd.  Ritter  von  F eidegg,  Arch.;  Reg.-Rth.  Dr.  Glossy, 
Dir.  der  städt.  Sammlungen;  Prof.  E.  Hellmer,  Arch.; 
Prof.  Jos.  Hoffmann,  Arch.;  Prof.  W.  O.  Noltsch;  Prof. 
Heinr.  Schmid;  Reg.-Rth.  Camillo  Sitte,  Arch.;  Brth. 
Andreas  Streit  und  Brth.  Alois  Wurm.  Mit  13  Stimmen 
entschied  sich  das  Preisgericht  zugunsten  des  Entwurfes 
des  Arch.  Friedrich  Schachner,  einer  im  Barockstile  ge- 
haltenen Arbeit.  12  Stimmen  des  Preisgerichtes  vereinigten 
sich  auf  den  Entwurf  des  Arch.  Albert  Pecha,  der  gleichT 
falls  in  historischen  Stilformen  gehalten  ist.  Für  die  Zu- 
erkenhung  des  dritten  der  3 gleichen  Preise  konnte  eine 
absolute  Mehrheit  nicht  erreicht  werden ; es  entfielen 
7 Stimmen  auf  die  Arch.  Krauss  und  Tölk,  6 Stimmen 
auf  Otto  Wagner.  Infolge  dieses  Ergebnisses  meldeten 
die  Hrn.  -Bamberger,  Deininger,  von  Feldegg,  Hellmer 
und  Hoffmann  ein  Minoritäts-Votum  zugunsten  des  Ent- 
wurfes von  Otto  Wagner  an. 

Die  Abstimmung  ist  recht  interessant,  wenn  sie  auch 
vermuthlich  auf  die  Entschlüsse  der  Gemeinde  hinsichtlich 
der  Ausführung  des  Baues  eine  unmittelbare  Einwirkung 
nicht  haben  dürfte.  Sowohl  bei  dem  allgemeinen  wie  bei 
dem  engeren  Wettbewerb  hat  eine  Abstufung  der  Preise 
nach  Ordnungsziffern  oder  nach  der  Höhe  der  Preissumme 
nicht  stattgefunden.  Vielleicht  darf  man  hierin  den  Wunsch 
der  Gemeinde  erkennen,  durch  das  Preisausschreiben  keine 
bindende  Stellung  zur  Wahl  des  ausführenden  Architekten 
einnehmen  zu  müssen,  was  allerdings  auch  durch  die  übliche 
Art  der  Preisvertheilung  nicht  geschehen  wäre.  Immerhin 
wäre  durch  diese  eine  gewisse  „Anwartschaft“  auf  die 
Ausführung  erworben  worden,  welcher  sich  die  Gemeinde 
aber  wohl  auch  nicht  unterwerfen  wollte,  um  völlig  freie 
Hand  zu  haben.  Wie  es  scheint,  ist  der  Entwurf  von 
Otto  Wagner  nicht  aus  Gründen  seines  inneren  Werthes 
an  die  vierte  Stelle  gelangt,  sondern  aus  Stilgründen,  denn 
sonst  wäre  offenbar  das  Minoritätsvotum  nicht  angemeldet 
worden.  So  scheint  denn  die  Hoffnung  nicht  ganz  abge- 
schnitten, dass  dieser  Entwurf  oder  ein  Entwurf  in  diesem 
Sinne  zur  Ausführung  gelangt.  Diese  Hoffnung  nähren 
alle  die,  welchen  es  im  höchsten  Grade  interessant  ist,  die 
Sezession  einmal  an  einer  monumentalen  Aufgabe  sich 
bewähren  zu  sehen.  — 

Zum  Wettbewerb  Bugenhagen-Kirche  zu  Stettin,  dessen 
Ausschreibung  wir  in  No.  48  bereits  erwähnten,  seien 
nachstehend  die  wichtigsten  Programm-Bedingungen  nach- 
getragen. Die  Kirche  ist  auf  einem  freien  Platze  am 
Berliner  Thor  zu  errichten  mit  einer  Baukostensumme 
von  300  000  M.,  auf  deren  Einhaltung  entscheidendes  Ge- 
wicht gelegt  wird.  Abgesehen  von  der  Heizungsanlage 
ist  übrigens  die  gesaramte  innere  Ausstattung,  einschl.  der 
Glasfenster,  dabei  ausgenommen.  Zu  liefern  sind  3 Grund- 
risse, 3 Ansichten,  2 S^nitte  in  1 : 200  und  2 perspektivische 
Skizzen  von  bestimmt  vorgeschriebenem  Standpunkt  aus. 
Ausserdem  ist  ein  Erläuterungsbericht  nebst  revisions- 
fähigem Kostenanschläge  nach  cbm  umbauten  Raumes  ver- 
langt, für  welchen  noch  nähere  Vorschriften  gegeben  sind. 
Die  gesammte  bebaute  Grundfläche  der  Kirche  muss  (auf- 
grund besond.  Verpflichtung)  mindestens  1290  q“  betragen. 
Es  muss  Raum  für  noo  Sitzplätze,  einschl.  der  Emporen, 
geschaffen  werden.  An  Nebenräumen  sind  unterzubringen 
I Sakristei,  2 Konfirmandenzimmer  für  je  80  Konfirmanden, 
I Zimmer  für  den  Küster  und  Kirchendiener  usw.  Das 
sorgfältig  aufgestellte  Programm  giebt  ferner  Vorschriften 
über  die  Anordnung  der  Treppen,  des  Altarraumes,  von 
Kanzel,  Taufstein,  Orgel  und  des  Geläutes.  Die  Kirche 
soll  eine  Zentralheizung  erhalten!  Bezüglich  der  Archi- 
tektur ist  nur  gesagt,  dass  mehr  auf  schöne  Umrisslinie 
als  auf  reiche  Architektitrformen  Gewicht  gelegt  wird. 
Die  bereits  genannten  Preise  können  auf  einstimmigen 

316 


Beschluss  des  Preisgerichtes  auch  in  anderer  Weise  ver- 
theilt werden.  Die  preisgekrönten  und  angekauften  Ent- 
würfe gehen  in  das  Eigenthum  der  Kirchengemeinde 
über.  Es  liegt  die  Absicht  vor,  einem  der  Sieger  die 
Bauleitung  bezw.  die  künstlerische  Ueberwachung  nach 
der  deutschen  Norm  zu  übertragen  fwobei  der  Preis  vom 
Ges.-Honorar  in  Abzug  kommt).  — , . 

Wettbewerb  Bahnhof  Metz.  (Vgl.  No.  48.)  Die  öffent- 
liche Ausstellung  der  Entwürfe  findet  vom  19.— 29.  Juni 
in  der  Aula  des  Lyceums  zu  Metz  statt.  — Als  Verfasser 
des  zum  Ankauf  empfohlenen  Entwurfes  mit  dem  Kenn- 
wort „Bach“  nennen  sich  uns  die  Hrn.  Arch.  Otto  Sturm 
in  Frankfurt  a.  M.  und  Paul  Huber  in  Wiesbaden. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Schiffbm.str.  Buschberg  ist 
von  Kiel  nach  Berlin  zur  Dienstleistung  im  Reichs-Mar.-Amt  und 
der  Mar.-Schiffbmstr.  B 0 e k h o 1 1 von  Danzig  nach  Kiel,  beide  z. 

I.  Okt.  d.  J.  versetzt. 

Baden.  Dem  Geh.  Hofrath  Prof.  Dr.  Haid,  Rektor  an  der 
Techn.  Hochschule  in  Karlsruhe,  ist' die  Erlaubniss  zur  Annahme 
u.  z.  Tragen  des  ihm  verlieh,  russ.  Ordens  vom  hl.  Stanislaus 

II.  KI.  ertheilt. 

Der  Bahnbauinsp.  Brth.  Hilpert  in  Mannheim  ist  unt.  Ver- 
leihung des  Tit.  Ob.-Brth.  in  den  Ruhestand  versetzt. 

Der  Hochbauinsp.  Herr  in  Ueberlingen  ist  gestorben. 

Preussen.  Dem  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Lamy  in  ßrieg  ist  der 
Rothe  Adler-Orden  IV.  KI.  verlieben. 

Dem  Landesbrth.  S p r e n g e i I in  Hannover  ist  die  Erlaubniss 
zur  Annahme  und  zum  Tragen  des  ihm  verlieh.  Ehrenkreuzes 
in.  Kl.  des  fürstl.  schaumburg-lippischen  Hausordens  ertheilt. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Friedr.  Grün  in  Wiesbaden  und  Wilh. 
L o e b e 1 1 in  Tempelhof  ist  die  nachges.  Entlassg.  aus  dem  Staats- 
dienste ertheilt. 

Der  Geh.  Brth.  Heyden  in  Berlin,  der  Reg.-  u.  Brth.  z.  D. 
Sauer,  früher  in  Düsseldorf  und  der  Reg.-Bnistr.  S t o b b e in 
Danzig  sind  gestorben. 

Sachsen.  Versetzt  sind:  Die  Landbauinsp.  Schnabel  in 
Dresden  II  an  das  Landbauamt  I und  Kayser  in  Dresden  I zur 
Bauleitung  für  den  Neubau  der  Kunstgewerbeschule  in  Dresden. 

Der  Reg.-Bmstr.  Richter  in  Leipzig  ist  z.  Masch.-Insp.  ernannt. 

Dem  Fin.-  u.  Brth.  Hunte  in  Dresden  ist  die  nachges.  Ver- 
setzung in  den  Ruhestand  bewilligt. 

Württemberg.  Dem  Dir.  des  Ver.  deutscher  Ingenieure  Brth. 
Peters  in  Berlin  ist  das  Ritterkreuz  I.  Kl.  des  Friedrichsordens 
verliehen.  — Dem  kais.  Geh. Brth.  v.  Kapp  ist  die  Erlaubniss  zur 
Annahme  und  z.  Tragen  der  ihm  verlieh,  türk,  goldenen  Liakat- 
Medaille  ertheilt. 

Der  Prof.  Hummel  an  der  Baugewerkschule  in  Stuttgart  ist 
gestorben.  

Brief-  und  Fragekasten. 

R.  S.  100.  Wie  Sie  sagen,  sind  die  Unternehmer  nur  für 
ihre  Arbeiten  verantwortlich.  Da  nun  nach  Ihrer  Angabe  der 
Schwamm  dadurch  entstanden  sein  soll,  dass  der  Waldboden  unter 
dem  nicht  unterkellerten  Theile  des  Wohnhauses  nicht  entfernt 
wurde,  so  würde  ein  Verschulden  nicht  einen  der  Unternehmer, 
sondern  den  Planverfasser  treffen,  der  es  versäumt  hat,  die  ent- 
sprechenden konstruktiven  Vorkehrungen  zu  treffen.  — 

Hrn.  Heinr.  M.  in  Cossebaude.  Wenden  Sie  sich  mit  Ihrer 
Anfrage  an  die  nächst  gelegene  Eisenhahn-Betriebs-Tnspektion,  die- 
selbe dürfte  Ihnen  die  zuverlässigste  Auskunft  ertheilen  können.  — 

Hrn.  Arch.  E.  H.  in  Darmstadt.  Sie  finden  auf  S.  204 
Jahrg.  1898  uns.  Zeitung  eine  ausführliche  Mittheilung  mit  Angabe 
von  Firmen  für  Schindelbekleidung.  — 

Hrn.  Arch.  W.  L.  in  Parchim.  Wir  müssen  Sie  bitten, 
sich  zur  Beantwortung  Ihrer  Anfrage  des  Anzeigen theiles  zu  bedienen. 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 

Zur  Anfrage  in  No.  42.  i.  Für  den  Anstrich  von  Füll- 
ofen-Mänteln hat  sich  der  vom  Maler  R.  Prasser  in  Waldsee 
(Württbg.)  nach  seinem  D.  R.-P.  No.  17459  gefertigte  Anstrich  be- 
währt. Vom  Erfinder  kann  Farbenmaterial  und  Ausführungs-An- 
weisung bezogen  werden.  Wegmann  in  Waldsee. 

2-  Machen  Sie  doch  einen  Versuch  mit  Lokomotiv-Läck.  Ich 
lasse  alle  Radiatoren,  Ofenschirme  usw.  damit  streichen. 

A.  N.  in  Strassburg.  ' 

3.  Zum  Anstreichen  und  Bemalen  aller  Pleizk.örper,  welche 
mit  der  Feuerung  nicht  in  unmittelbare  Berührung  kommen,  haben 
sich  Antony’s  Phönixfarben  der  Firma  Wilh.  Antony  in  . Trier  be- 
währt. Die  hellen  Farben  bestehen  aus  weissem  Aluminiumpulver 
und  die  Mischfarben,  als  Roth,  Braun,  Grün  und  Blau,  aus  Oxyden. 
Diese  Farben  sowie  alle  aus  denselben  gemischten  Farbentüne 
halten,  ohne  Veränderung  zu  erfahren,  eine  hochgradige  Hitze  aus. 
Der  zum  Vermischen  der  trockenen  Farben  dienende  Phönixlack 
enthält  weder  ölige  noch  harzige  Bestandtheile  und  eignet  sich  in- 
folgedessen in  Verbindung  mit  obigen  Farben  zum  Dekoriren  der 
Heizkörper.  Emaille-Lacke  sind  zum  Anstreichen  der  Heizkörper 
ungeeignet,  weil  die  Lacke  selbst  aus  nur  verbrennbaren  Materialien 
bestehen  und  die  beigemischten  Farben,  besonders  Weiss,  bei 
steigender  Hitze  erst  gelbe,  dann  orange  und  schliesslich  schmutzige 
braune  Farbe  annehmen.  Reitz  & Sievernich,  Arch.  in  Trier. 


Inhalt:  Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 
III.  (Schluss).  — Vermischtes.  — Preisbewerhungen.  — Personal-Nachrichten. 

— Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!,  i.  V.  Fritz  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  49. 


Die  XIV.  Ausstellung  der  „Vereinigung  bildender  Künstler  Oesterreichs,  Secession“ 

in  Wien  1902.  Architekt;  Prof.  Josef  Hoffmann  in  Wien. 

(Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  S.  320  u.  321.) 


s war  „die  zielbe-  lernen!“  Ein  Wort,  eingegeben  von  echter,  aber  um 
wusste  Ausgestal-  so  seltenerer  Künstlerbescheidenheit.  Man  wollte  lernen 
tung  eines  Innen-  an  einer  Aufgabe  der  Monumentalkunst,  an  einer  Auf- 
raumes“  der  leitende  gäbe  der  Tempelkunst,  dem  Höchsten  und  Besten, 
Gedanke  der  XIV.  Aus-  was  die  Menschen  zu  allen  Zeiten  bieten  konnten. 
Stellung  der  „Verein!-  „Hier  gilt  es,  in  gegebenen  Verhältnissen,  in  eng- 
gungbildender Künstler  gezogenen  Grenzen  die  Theile  der  Wirkung  des 
Oesterreichs“  und  es  Ganzen  unterzuordnen.  Die  unerbittliche  Logik  zwingt 
sind  dieserGedanke  und  zur  Vertiefung  in  den  Raumcharakter  und  zum  Fest- 
seine eigenartige  künst-  halten  an  einer  leitenden  Idee.“  Mit  freudigem  Beifall 
lerische  Durchführung  vernimmt  der  Architekt  diese  selten  gehörten  Aeusse- 
der  Grund,  weshalb  wir  rungen  einer  der  bedeutendsten  künstlerischen  Ver- 
an  dieser  Stelle  auf  die  einigungen.  Wenn  sonst  Malerei  und  Bildhauerei  im 
seltene  Veranstaltung  Zusammenhang  mit  der  Baukunst  sprachen,  so  geschah 
eingehen.  es  nicht  mit  Unterordnung,  sondern  oft  im  Geiste  eines 

Im  Sommer  des  ver-  Individualismus,  der  keine  Unterordnung  kannte  und 
gangenen  Jahres  fasste  selbst  da  nach  Herrschaft  strebte,  wo  er  sie  auszuüben 
die  „Vereinigung“,  wie  nicht  berufen  war. 

der  merkwürdige  Kata-  Die  Erinnerung  an  die  Tempelkunst  lässt  schon 
log  erzählt,  den  Be-  den  Gedanken  erkennen,  wie  dort  dem  erhabenen 
Schluss,  die  gewohnten  Zeusbilde,  so  hier  einem  hervorragenden  Kunstwerke 
alljährlich  Wiederkehr-  als  Mittelpunkt  ein  Haus  zu  bereiten,  das  uneigen- 
enden Bilderausstellun-  nützige  Künstlerhand  gestaltete  und  schmückte.  Das 
gen,  in  welchen  schon  Beethovendenkmal,  an  welchem  Max  Klinger  in 
derGrundsatzherrschte,  Leipzig  seit  15  Jahren  schuf,  ging  seiner  Vollendung 
fremdartige  Theile  zu  entgegen  und  war  vom  Künstler  der  Ausstellung  zu- 
künstlerischer Einheit  gedacht.  „Diese  eine  Hoffnung,  der  ernsten  und  herr- 
harmonisch zusammen-  liehen  Huldigung,  die  Klinger  dem  grossen  Beethoven 
zuschliessen  und  da-  in  seinem  Denkmale  darbringt,  eine  würdige  Umrah- 
durch  das  Ausstellungs-  mung  zu  schaffen,  genügte,  jene  Arbeitsfreude  zu  er- 
wesen  künstlerisch  und  zeugen,  die  trotz  des  Bewusstseins,  dass  man  nur  für 
im  modernen  Sinne  zu  wenige  Tage  schaffe,  dauernde  Hingabe  an  die  ge- 
heben, zu  unterbrechen  stellte  Aufgabe  ins  Leben  rief.“  Die  Secession  bezeich- 
und  einem  völlig  verän-  net  bescheiden  ihr  Werk  als  einen  mit  beschränkten 


derten  Gedanken  Ausdruck  zu  geben.  Man  beschloss, 
einen  einheitlichen  Raum  zu  schaffen,  welchen  Malerei 
und  Bildhauerei  im  Dienste  der  Raumidee  schmücken , 
sollten.  „Der  Sehnsucht  nach  einer  grossen  Aufgabe, 
die  über  das  gewohnte  Studien-  undBildermalen  hinaus- 
führen sollte,  entsprang  der  Gedanke,  im  eigenen  Hause 
das  zu  wagen,  was  unsere  Zeit  dem  Schaffensdrang 
des  Künstlers  vorenthält : Die  zielbewusste  Ausgestaltung 
eines  Innenraumes.  Wir  wollten  den  Segen  einer 
Arbeit,  die  Zweck  und  Bestimmung  hat,  an  uns 
erfahren.  Wir  wollten  lernen.“  Es  ist  ein  na- 
mentlich für  die  Vertreter  der  Baukunst  werth  volles  Ge- 
ständniss,  welches  in  diesen  Worten  liegt.  „Wir  wollten 


Mitteln  unternommenen  Versuch,  welchem  die  Aufgabe 
gestellt  war,  die  Gesammthaltung  auf  das  einfachste 
zu  stimmen  und  trotzdem  danach  zu  trachten,  ,, jenen 
Reichthum  vorzubereiten,  der  in  dem  DenkraaleKlingers 
wie  in  einem  Juwel  aufleucbtet.“ 

Der  Architekt  Prof.  Josef  Hoffmann,  ein  Schüler 
von  Otto  Wagner,  war  berufen,  dem  Raum  Gestalt 
zu  geben.  Die  bescheidenen  Mittel,  sowie  die  PlHcht, 
„den  Schein  und  die  Lüge  energisch  zu  vermeiden“ 
und  nur  echtes  Material  zur  Verwendung  zu  bringen, 
waren  Anlass  zu  grösster  Einfachheit.  Die  Gliederung 
lediglich  durch  Vor-  und  Rücksprünge  wird  unterstützt 
durch  einen  rauhen  Wandbewurf,  mit  welchem  glatte 


317 


Putzflächen  abwechseln.  Ihre  Kostbarkeit  sollten  die  Schmuck  haben  auch  die  kleinen  Räume  durch  Leop. 
Räume  ausschliesslich  durch  den  Kunstwerth  des  Bauer,  Koloman  Moser  usw.  erhalten, 
plastischen  und  gemalten  Schmuckes  erhalten.  Die  Im  Mittelraume  steht  nun,  durch  die  künstlerischen 
räumliche  Anordnung,  sowie  die  Leitlinie  für  die  Be-  Anordnungen  zu  einsamer  Grösse  erhoben,  der 
Sucher  gehen  aus  dem  beistehenden  Grundriss  hervor;  Beethoven  von  Max  Klinger,  ein  Werk,  welches  in 
die  beiden  Seitenflügel  öffnen  sich  gegen  den  Mittelsaal.  gleicher  Weise  die  Streitrufe  der  in  schärfstem  Gegen- 
Der  künstlerische  Schmuck  nun  besteht  sowohl  in  satze'  stehenden  Parteien  umb'räusen,  wie  die  Wand- 
grossen  friesartigen  Darstellungen,  die  sich  unter  den  geraälde  Klimt’s..  Waren  schon  frühere  Ausstellungen 
Decken  der  Säle  hinziehen,  wie  in  kleinen  Schmuck-  derWiener  Sezession  so  sehr  vom  Zwiespalt  der  öffent- 


platten,  die  in  den  Rauhputz  der  Wände  und  Gliede- 
rungen eingesetzt  sind,  ln  ihnen  sind  alle  Techniken 
und  Materialien  zur  Anwendung  gekommen.  Fresko- 
malerei mit  Tempera-Ueberraalung;  Reliefs  aus  ge- 
schliffenem Sieneser  Marmor;  geschnittener  Zement, 
theilweise  gefärbt,  dazu  Intarsien  aus  getriebenem 


liehen  Meinung  verfolgt,  dass,  wie  wir  bereits  in  No.  45, 
S.  286  ausführten,  die  Mittelstufe  zwischen  Hass  und 
Entzücken  völlig  fehlt,  so  hat  sich  der  Kampf  der 
Meinungen  bei  dieser  Ausstellung  bis  zur  Siedehitze, 
ja  bis  zum  Hinweis  auf  das  Strafgesetz  entwickelt. 
Während  der  Raumgestaltung  von  Josef  Hoffmann 


Messing,  vergoldetem  und  versilbertem  Kupfer,  Perl-  im  Ganzen  die  Anerkennung  feierlicher  Würde  nicht 
mutter  und  geschliffenem  Glas;  Mosaiken  aus  ge-  versagt  wird,  sind  es  hauptsächlich  die  Wandfriese 
schnittenen,  glasirten  Kacheln  mit  Höhepunkten  aus  Klimt’s,  die,  in  kürzester  Zeit  geschaffen  und  materiell 
Perlmutter;  vergoldete  und  patinirte  Kupferreliefs;  und  inhaltlich  malerische  Leistungen  ersten  Ranges, 
Platten  aus  Mahagoni  mit  Intarsien  aus  Edelhölzern,  in  ihrer  Form  den  Widerspruch  selbst  der  gebildeten 
Perlmutter  und  Halbedelsteinen;  Mörtelornamente  mit  Klassen,  so  sehr  herausgefordert  haben,  dass  in  der 
Belag  von  Blattmetall;  Bleiguss,  vergoldet,  patinirtund  24.  Sitzung  des  österreichischen  Herrenhauses  bei  der 
mit  Golddraht  tauschirt;  Mörtelschnitt  mit  Vergoldung'  BerathUng  des  Kapitels  „Justizministerium“  der  Hofrath 
und  eingesetzten  Gussglasstücken;  Malereien  in  Kä-  Dr.  Lammasch  die  Aeusserung  thun  konnte:  „Unter 
sein-  und  Silikatfarben  auf  Platten  aus  Weisskalk-  Umständen  können  unzüchtige  Abbildungen  und  Dar- 


mörtel; Reliefs  aus  Eichenholz, 
theilweise  vergoldet  und  bemalt 
— kurzum  alle  nur  möglichen  und 
wirkungsvollen  dekorativen  Tech- 
niken sind  zur  Anwendung  gelangt. 

Und  nun  die  Wandmalereien. 
Ira  linken  Seitensaal  rühren 
die  Malereien,  die  sich  friesartig 
über  die  oberen  Hälften  dreier 
Wände  erstrecken,  von  Gustav 
Klimt  her.  Die  dekorativen  Mittel 
sind  Kaseinfarbe,  aufgetragener 
Stuck  und  Vergoldung.  Charakte- 
ristisch ist  die  Inhaltsangabe  der 
gemalten  Darstellungen;  erste 
Langwand  gegenüber  dem  Ein- 
gänge dieses  Saales:  Die  Sehn- 
sucht nach  Glück.  Die  Leiden  der 
schwachen  Menschheit:  Die  Bitten 
dieser  an  den  wohlgerüsteten  Star- 
ken als  äussere,  Mitleid  und  Ehr- 
geiz als  innere  treibende  Kräfte, 
die  ihn  das  Ringen  nach  dem 
Glücke  aufzunehmen  bewegen.  — 
Die  Schmalwand  zeigt:  Die  feind- 
lichen Gewalten.  Der  Gigant  Ty- 
phoeus,  gegen  den  selbst  Götter 


Stellungen  auch  ihr  Gutes  haben. 
Ich  möchte  auf  eine  Ausstellung 
hinweisen,  welche  nicht  weit  von 
hier  von  einem  Theilc  der  Wiener 
Künstlerschaft  zu  Ehren  eines 
Heros  der  Kunst  eingerichtet  wor- 
den ist,  welche  Ausstellung  in 
meinen  Augen  das  grosse  Ver- 
dienst hat,  dass  sie  Vielen,  die  bis 
dahin  nichts  sehen  wollten,  ; die 
Augen  geöffnet  hat  über  das  künst- 
lerische Können  und  die  sittlichen 
Tendenzen  eines  Theiles  unserer 
modernen  Richtung.“  Diese  offem 
bar  an  der  Kampfeshitze  genährte 
Meinung  geht  unzweifelhaft  zu 
weit;  von  einer  „Tendenz“  kann 
nichtwohl  gesprochen  werden  und 
wollte  man  den  hier  gebrauchten 
Maasstab  an  die  historischen  Kunst- 
werke anlegen,  wo  blieben  da  die 
Antiken,  wo  blieben  die  hollän- 
dischen Naturalisten  des  XVII,  und 
XVIII.  Jahrhunderts?  Auch  in  der 
öffentlichen  Kunstbeurtheilung  be- 
steht unseres  Erachtens  eine  ge- 
wisse Pflicht,  den  Natürlichkeits- 


vergebens kämpfen;  seine  Töchter,  die  drei  Gorgonen,  sinn  walten  zu  lassen,  für  sie  gilt  mehr  denn  sonst 
Krankheit,  Wahnsinn,  Tod.  Wollust  und  Unkeusch-  das  Wort,  dass  nicfits  Menschliches  ihr  fremd  sei. 
heit,  Urimässigkeit.  Nagender  Kummer.  Die  Sehn-  In  ähnlicher,  wenn  auch  nicht  so  scharfer  Weise 
suchte  und  Wünsche  der  Menschen  fliegen  darüber  ist  der  Beethoven  Klingers  von  den  Meinungen  umtobt; 
hinweg.  — Zweite  Langwand:  Die  Sehnsucht  nach  Es  hat  sich  über  ihn  bereits  eine  stattliche  Litteratur 
Glück  findet  Stillung  in  der  Poesie.  Die  Künste  führen  gebildet  und  aus  zahlreichen  Abbildungen  ist  er  be- 
uns  in  das  ideale  Reich  hinüber,  in  dem  allein  wir  kannt  geworden.  Während  er  auf  der  einen  Seite 
reine  Freude,  reines  Glück,  reine  Liebe  finden  können,  als  ein  „über  alle  Naturerfahrung  hinausgewachsenes 


Chor  der  Paradiesesengel.  „Freude,  schöner  Götter- 
funke — Diesen  Kuss  der  ganzen  Welt!“ 

Der  künstlerische  Schmuck  des  Mittelsaales  be- 
steht aus  einem  Gemälde  der  Stirnwand:  „Der  werdende 
Tag“  von  Adolf  Böhm,  in  geschnittenem  Mörtel,  auf- 
getragenem Stuck,  Vergoldung  und  Malerei  in  Kasein- 


Götterbild“,  nach  einem  Kleist’schen  Worte  als  „eiii 
Fürst  mit  der  Stirn  des  Zeus“,  als  Olympier  und  Titahd 
bezeichnet  wird,  will  man  ihn  auf  der  anderen  Seitd 
mit  Rücksicht  auf  die  polylithe  Gestaltung  höchstens 
als  eine  kunstgewerbliche  Arbeit  gelten  lassen.  Aber 
auch  hier  hat  offenbar  die  alte  triviale  Wahrheit  ein- 


farben.  DasMittelfeld  der  Rückwandzeigt  „Die  sinkende  zutreten,  dass  die  Wirklichkeit  gleich  weit  entfernt  von 
Nacht“  von  Alfred  Roller,  in  schablonirter  Malerei,  Hass  und  Rausch  ist.  Die  Vollendung  des  Beethoven 
Leimfarbe,  Mörtelschnitt,  Metallbelag  und  Perlmutter-  durch  Max  Klinger  ist  unzweifelhaft'  ein  Ereigniss, 
Intarsia.  Auf  den  vier  Pfeilern  der  Stirnwand  ruhen  welches  an  dem  künstlerischen  Range  seines  Urhebers 
Kranzträgerinnen  in  Bleiguss,  theilweise  vergoldet,  von  gemessen  werden  muss.  Nackt,  mit  ineinander  ge- 
Rudolf  Bacher  (s.  Abbüdg.  S.  321).  krampften  Händen,  in  der  seelischen  Bewegung  der 

Im  rechten  Seitensaal  besteht  der  hauptsäch-  künstlerischen  Eingebung,  den  gedankenvollen  Blick 
liebste  künstlerische  Schmuck  an  den  beiden  Lang-  in  die  weite  Ferne  gerichtet,  sitzt  Beethoven  auf  derh 
wänden  in  einem  Kaseingemälde  mit  Vergoldung  von  mit  kunstvollen  Reliefs,  Edelsteinen  und  Elfenbein  reich 
Ferdinand  Andri:  „Mannesmuth  und  Kampfesfreude“,  verzierten  Bronze-Thron,  ein  Mantel  von  Onyx  legt 
sowie  in  einem  Kaseingemälde  mit  Mörtelschnitt  und  sich  über  die  Knie,  der  Adler  des  Zeus  blickt  zu  ihm 
Vergoldung  von  J.M.  Auchentaller:  „Freude,  schöner  auf.  So  herrlich  die  Materialwirkung  sein  mag,  das 
Götterfunke“.  Einen  entsprechenden  künstlerischen  Gewollte  ist  mehr  angedeutet,  als  vollbracht.  Der 


318 


No.  50, 


Zeus  ist  versucht,  aber  es  donnert  nicht.  Die  Gold- 
elfenbeinstatue des  Phidias  ist  zu  einer  polylithen 
römisch-alexandrinischen  Gewandfigur  geworden.  Die 
reine  Grösse  fehlt;  dieser  Beethoven  steht  nicht,  wie 
Grillparzer  bei  Enthüllung  des  Grabdenkmales  des  Ge- 
waltigen sagte,  „als  Sternbild  am  dunklen  Himmel  der 
Nacht.“  Und  doch  ist  es  ein  Werk,  an  dem  man  nicht 
theilnähmslos  vorübergehen  kann;  es  athmen  in  ihm 
hellenistische  Prachtliebe,  römische  Sinnenkunst.  Es 
ist  ein  charakteristisches  Werk  der  modernen  Deka- 
dence;  nichts  Gewaltiges,  nichts  Uebermeiischliches, 
nicht  die  neunte  Symphonie,  sondern  mehr  ein  Adagio, 
eine  Mondschein-Sonate.  In  diesem^Beethoven  ist 


Klinger  nicht  der  Künstler  seiner  unvergleichlichen 
Radierungen.  — 

Was  der  XIV.  Ausstellung  der  Wiener  Sezession 
ihre  grosse  materielle  Bedeutung  verleiht,  das  ist  die 
angebahnte  Erschliessung  neuer  Arbeitsgebiete  für 
Malerei  und  Plastik.  Der  Versuch,  alle  Kräfte  zur 
Ausschmückung  eines  idealen  Innenraumes  zu  sammeln 
und  die  künstlerische  Kraft  unter  die  architektonische 
Gesetzgebung  zu  bringen,  ist  im  höchsten  Grade  inter- 
essant, so  interessant,  dass  wir  denWunsch  nicht  unter- 
drücken können,  es  möge  der  Sezession  bald  die  Gele- 
genheit gegeben  sein,  die  hier  verfolgten  Ziele  an  einem 
monumentalen  dauernden  Werke  zu  versuchen.  — 
— H.— 


Einiges  über  die  Goldschmidt’schen  Verfahren  in  der  Aluminothermie. 

Von  Ing.  Leo  Michael  Cohn  in  Berlin. 


ie  von  Dr.  H-  Goldschmidt  in  Essen  festgestellte 
Thatsache,  dass  durch  eine  an  einer  Stelle  er- 
folgte Entzündung  eines  Gemisches,  das  im 
wesentlichen  aus  einer  Metallsauerstoff-Verbindung  und 
zerkleinertem  Aluminium  besteht,  dieses  ohne  äussere 
Wärmezufuhr  von  selbst  weiter  brennt,  wobei  Tempe- 
raturen von  schätzungsweise  3000®  C.  entwickelt  werden, 
hat  einen  vollständig  neuen  Zweig  iii  , der' Thermochemie 
gezeitigt,  'der  mit  dem  Namen  der  Aluminothermie  von 
seinem  Erfinder  belegt  worden  ist.  Besondere  Beachtung 
erfordert  die  Aluminothermie  deswegen,  weil  es  ihr  in  kurzer 
Zeit  gelungen  ist,  sich  in  der  Praxis  auf  den  verschiedensten 
Gebieten  ein,  grosses  Anwendungsfeld  zu  erobern. 

Bei  dem  erwähnten  Verbrennungsvprgange  tritt  eine 
chemische  Umsetzung  von  fundamentalster  Einfachheit  zu- 
tage, nämlich  die  Vereinigung  derjenigen  beiden, Elemente, 
die  auf  der  Erde  am  häufigsten  Vorkommen : des  Sauer- 
stoffs,, und'  des  Aluminiums.  Diese  Verbindung  heisst 
Aluminiumoxyd  ode.r  Thonerde,  deren  krystallisirte  Form 
von,  Mineralogen  Corund  genannt  wird.  Während  die 
Vereinigung  dieser  beiden  Elemente  vor  sich  geht,  tritt 
die  bereits  erwähnte  höhe  Temperatur  auf.  , 

Der  zür  Verbrennung  nöthige  Sauerstoff,  wiiid  also 
nicht  der  Luft,  entnommen,  sondern  vorzugsweise  den 
Metalloxyden,  d.h.  den  Sauerstoff-Verbindungen  der  Metalle. 

Wählt  man,  um  ein  Beispiel  zu  geben,  als  Metallöxyd 
das  Eisenoxyd,  den  bekannten  Eisenrost  oder  Eisenoker, 
so  treten  bei  den  chemischen  Vorgängen'drei  Grundstoffe 
in  Wechselwirkung,  nämlich:  Aluminium,  Sauerstoff  und 
Eisen.  Das  Aluminium  ist  in  zerkleinertemZustande  als  Pulver 
dem  Oker  beigemischt.  Es  ist  also  jetzt  Sauerstoff  und 
Eisen  mit  einander  verbunden.  Dann  tritt  die  Umsetzung 
ein,,  der  Sauerstoff  trennt  sich  vom  Eisen  und  geht  zum 
Aluminium;  nun  ist  Aluminium  und  Sauerstoff  verbunden 
und  das  Eisen  frei  geworden.  , - 

Nun  zeigte  es  sich,  dass  sich  derartige  Gemische  von 
Eisenoxyd  oder  anderen  ,Metailoxy'öeri  und  Aluminium 
nur  bei  verhältnissmässig  hoher  Temperatur  entzünden. 
Goldschmidt  stellte  diese  Entzündungs-Temperatur,  dadurch 
her,  dass  er  auf  dieses  Gemisch  eine  kleine,  Menge  eines 
sog.  Entzündungs-Gemisches  brachte,  das  die  Eigen- 
schaft hat,  .bei  niedrigerer  Temperatur, , etwa  der  einer 
Stichflamme  oder  eines  Sturmstreichholzes,  bereits  sich 
zu  entzünden,  bei  seiner  Verbrennung  jedoch  eine  sehr  hohe 
Temperatur  zu-erzeugen,  die  genügt,  um  das  erste  Gemisch . 
in  Brand  zu  setzen.  Als  ein,  derartiges  Entzündungsgemisch 
kann, man  z.'B-.'  eine  Mtschüng  vön”Bariümsüperoxyd  Und 
Aluminium  verwenden.' 

Bei  den  Entzündungsversuchen,  die  der  Erfinder  an- 
stellte, machte  er  eine  Beobachtung,  die  äusserst  wichtig 
ist,  nämlich  die,  dass  man  Gemische  mannigfacher  Zu- 
sammensetzung (nicht  nur  Metalloxyde  mit  Aluminium,  son- 
dern überhaupt  Sauerstoff-,  schwefel-,  auch  halogenhaltige 
Verbindungen  einerseits,  Aluminium  sowie  Magnesium, 
u.  Umst.  auch  Calciumcarbid  andererseits)  herstellen  kann, 
die  so  geartet  waren,  dass,  sobald  die  Umsetzung  an  einem 
Punkte  eingeleitet  war,  diese  von  selbst  ohne  jede  Wärme- 
zufuhr von  aussen  sich  im  Gemisch  weiter  fortpflanzte 
und  dass  neues  Gemenge,  dem  in  Reaktion  befindlichen 
nachgeworfen,  sofort  ebenso  mitbrannte.  Dieser  letzte  Um-, 
stand  bildet  eine  bequeme  Handhabe  zur  Regulirung  der 
gewünschten  Schnelligkeit  in  der  Reaktion. 

Es  ist  nun  wohl  ohne  Weiteres  klar,  dass  man  mit 
Hilfe  des  aluminothermischen  Verfahrens  in  Stand  gesetzt 
ist,  Metalle  aus  ihren  Oxyden  in  einer  Reinheit  herzu- 
steilen, wie  man  sie  bisher  kaum  gekannt  hat  oder  nur 
schwer  und  kostspielig  herstellen  konnte,  da  auch  die 
das  Metalloxyd  vielleicht  verunreinigenden  Substanzen, 
wie  Kohlenstoff,  Schwefel  und  Phosphor  usw,  bei  dieser 
hohen  Temperatur  ausgeschieden  werden. 

21.  Juni  1902. 


Die  Mischung  der  Oxyde  mit  Aluminium  geschieht  im 
Prinzip  nach  äquivalenten  Verhältnissen,  doch  wählt  man 
im  allgemeinen  einen  Ueberschuss  von  Oxyden,  da  es  da- 
durch möglich  wird,  sämmtliches  Aluminium  zu  oxydiren, 
sodass  trotz  der  hohen  Legirungsfähigkeit  des  Aluminiums 
die  Metalle  aluminiumfrei  erhalten  werden. 

; Inbetracht , kommen  vor  allem  solche  Metalle,  deren 
Reihdafstellüng  nach  anderen  Verfahren,  selbst  im  elek- 
trischen Ofen,  'bisher  nicht  möglich  war.  und  die  nur  in 
reinem,  auch  .kohlefreiem  Zustande  dem  Hüttenmann 
besondere  Vprtheile  bieten. 

Unter  diesen  sind  vor  allem  zu  nennen  das  Chrom 
und  .Mangan.  Es  ist  für  die  Stahlindustrie  von  Wichtig- 
keit, das  Chrom  in  reinem  Zustande  . dem  Eisen  zuzu- 
setzen, während  man  es  bisher  fast  nur  als  Chromkarbid 
zur  Verfügung  hatte  und  deswegen  meist  den  Chrom-, und 
Kohlegehalt  nicht  so  bemessen  könnte,  wie  man  es  beab- 
sichtigte. Besonders  ausgedehnte  Verwendung  hat  das 
Chromthermit  gefunden  in  der  Herstellung  des  Märtinstahles 
und  Tiegelgusstahles.  , (Mit  Ferrothermit,  Chromthermit, 
Manganthermit  usw.  bezeichnet  der  Erfinder  die  Mischun- 
gen von  Oxyden  der  genannten  .Metalle  mit, Aluminium  in 
dem  Zustande,  wie  sie  für  Einleitung  der  oben  besprochenen 
Reaktionen  nöthig  sind.)  , . 

Nun  hat  man  gefunden,  dass  es  allgemein  in 
vielen -Fällen  vortheilhafter  ist,  dass  der  Zusatz 
eines  auf  aluminothermischem  Wege  herzustel- 
lendenMetalles  besser  mit  Hilfe  des  entsprechen- 
den, Thermites  erfolgt,  ,äls  dass  die  Einführung 
des  Metalles  im  regulinischen  Zustande  im  Ofen 
vorgenommen  wird. 

.Das  Bequemste  ist  es,  unmittelbar  das  Thermit  als  sol- 
ches auf  den 'Boden  der  Pfanne  zu  geben  oder  das  Metall  in 
unmittelbarer  Nähe  desselben  zuzubereiten,  um  es  dann  in 
die  äbzulass'ende  Charge  einfli essen  zu  lassen.  Einige  wenige 
Prozente  Thermit  einem  Eisenbade  zugeführt,  erhöhen 
dessen  . .Temperatur  ganz  wesentlich. 

Flüssiger  Stahl  entzündet  Chrom,  Mangan  und  Titan- 
thermit, während  flüssiges  Gusseisen  dieses  nicht  thüt. 

'Ausser  Chrom  kommen  im  Grossbetriebe  noch  die  eben 
genannten  Metalle  Mangan  und  Titan  oder  deren  Verbin- 
dung Mangantitah  für  die  Aluminothermie  inbetracht.  Beide 
und  ihre  "Verbindung  sind,  wie  eben  angedeutet,  vor  allem 
auch  für  die  Eisen-  und  Stahlindustrie  von  "Wichtigkeit. 
. Mangan.  wird-in,.der_KnpferinHustrie  viel  auf  aluminother- 
mischem,,Wege  verarbeitet  und,  zwar  meist  als  Mangan- 
'thermit,  trotzdem  sich  das  Mangan  auf  aluminothermischem 
Wege  bereitet  im  Preise  zu  dem  im  Ofen  gewonnenen 
Ferromangan  wie  10  zu  i verhält,  da  eben  die  Qualität 
des  Endproduktes  im  ersten  Falle  bedeutend  besser  aus- 
fällt. Im  grossen  Maasstabe  wird  Manganthermit  auch 
verwendet  zur  Desoxydation  des  Nickels. 

Alle  derartigen  Anwendungsarten  des  Metallthermites 
hier  vorzubringen,  würde  zu  weit  führen.*)  Die  gegebe- 
nen Beispiele  mögen  genügen,  um  die  "Wichtigkeit  der 
Aluminothermie  und  ihre  Ausbreitung  auf  diesem  Ge- 
biet zu  erläutern. 

Die  fertigen  Thermit-  und  Entzündungsgemische 
können  von  der  Inhaberin  der  in  allen  Kulturstaaten  ge- 
schützten Verfahren,  der  Allgemeinen  Thermit-Ge- 
sellschaft m.  b.  H.  Essen  a.  d.  Ruhr  bezogen  werden, 
ebenso  die  für  das  Verfahren  nöthigen  Apparate,  wie 
Tiegel  usw.  Für  Frankreich  hat  die  Soci6t6  d’Elec- 
tro-Chimie  St.  Michel  de  Maurienne  (Savoyen) 
die  Lizenzen  erworben. 

Ehe  ich  den  metallurgischen  Theil  des  aluminother- 
mischen Verfahrens  verlasse,  möchte  ich  doch  noch  die 

*)  Näheres  siehe  in  den  Veröffentlichungen  von  Dr.  Goldschniidt  in 
„Stahl  und  Eisen“,  ferner  in  „Zeitschrift  für  Elektrochemie“,  sowie  im 
„Journal  für  Gasbeleuchtung  und  Wasserversorgung“,  Jahrg.  1900/1901. 


3^9 


Verwendung  des  mit  den  bisher  besprochenenFabrikationen 
eng  verknüpften  Nebenproduktes,  des  geschmolzenen 
Aluminiumoxyds,  das  bei  diesem  Verfahren  bei  jeder 
Metallabscheidung  entsteht,  besprechen.  Da  der  Corund 
bezw.  Schmirgel,  der  in  der  Natur  vorkommt,  im  wesent- 
lichen aus  Aluminiumoxyd  besteht,  so  kann  man  das  er- 
wähnte Produkt  als  künstlichen  Corund  oder  künst- 
lichen Schmirgel  bezeichnen.  Für  dasselbe  ist  der 
Name  Corubin  geschützt.  Dieser  Corubin  zeichnet  sich 
vor  allem  durch  seine  grosse  Härte  und  Schleiffähigkeit 
aus  und  übertrifft  hierin,  wie  die  Praxis  gezeigt  hat,  den 
natürlichen  Schmirgel  ganz  erheblich.  Er  wird  von  der 
Allg.  Thermit-Gesellschaft  in  den  üblichen  Körnungen  auf 
den  Markt  gebracht,  erzielt  höhere  Preise  als  der  natür- 
liche Schmirgel  und  eignet  sich  auch  vorzüglich  zur  Her- 
stellung feuerfester  Körper. 

Ich  komme  jetzt  zu  einer  anderen  Ausnutzungsart 
der  Eingangs  erwähnten  Thatsache,  dass  bei  den  be- 
schriebenen Reaktionen  eine  Temperatur  von  etwa 
3000*'  C.  erreicht  wird.  Der  Gedanke  lag  nahe,  diese  hohe 
Temperatur  zum  Schweissen  von  Eisen  zu  benutzen. 


geschweisst  werden,  so  werden  die  beiden  Enden  der 
betreffenden  Eisenstücke  sauber  gereinigt  und  stumpf 
aneinander  gestossen.  Um  die  .Stosstelle  wird  eine 
kleine  Form  aus  Blechplauen,  wennmöglich  mit  Sand 
umschüttet,  gebildet.  Ferner  wird  ein  kleiner  Spann- 
apparat angebracht,  der  mittels  einer  Schraubenspindel 
ein  Aneinanderpressen  der  beiden  zu  verschweissenden 
Stücke  ermöglicht.  In  einen  mit  feuerfestem  Material 
ausgekleideten  Tiegel  wird  nun  das  Eisenthermit  ge- 
schüttet und  ein  klein  wenig  Entzündungsgemisch  auf- 
gebracht. das  durch  ein  Sturmstreichholz  entzündet  wird. 
In  sehr  kurzer  Zeit  wird  auch  das  Thermit  entzündet  und 
kann  dann,  je  nach  der  Menge  des  verwendeten  Thermits, 
nach  einigen  Minuten  der  Tiegelinhalt  in  die  Form  ent- 
leert werden.  Der  spezifisch  leichtere  Corund  wird  zu- 
erst abfliessen  und  sowohl  die  zu  verschweissenden 
Enden  als  das  Innere  der  Form  mit  einer  dünnen  Schicht 
überziehen,  durch  die  hindurch  die  dem  nachfliessenden 
Eisen  innewohnende  Wärme  auf  die  Schweisstücke  über- 
tragen wird.  Nach  einigen  Minuten  werden  mit  Hilfe  des 
Spannapparates  die  zu  verschweissenden  Enden  etwas 


Die  XIV.  Ausstellung  der  „Vereinigung  bildender  Künstler  Oesterreichs,  Secession“  in  Wien  190a. 
Linker  Seitensa&l  mit  den  Gemälden  von  Gustav  Klimt  Arch.:  Prof.  Jos.  Hoffmann  in  Wien. 


Goldschmidt  hat  nun  zwei  verschiedene  Arten  von 
Schweissungen  erdacht  und  erprobt.  Bei  der  ersten  wird 
die  durch  die  Reaktion  erzeugte  Wärme,  die  in  dem  frei 
gewordenen  Metalle,  das  sich  langsam  abkühlt,  vorhanden 
ist,  benutzt,  um  andere  Eisentheile  in  Schweisstemperatur 
zu  bringen,  ohne  dass  das  aus  dem  Thermit  gewonnene 
flüssige  Eisen  mit  diesem  in  unmittelbare  Berührung  tritt. 
Bei  der  anderen  Art  verstärkt  das  Eisen  des  Thermits  das 
Material  der  Verbindungsstelle. 

Um  die  Vorgänge  richtig  begreifen  zu  können,  muss 
man  erst  die  werthvollen  Eigenschaften  des  Corundes, 
der  hierbei  die  Hauptrolle  spielt,  beachten.  Der  Corund 
hat  die  merkwürdige  Eigenschaft,  sehr  schnell  zu  erkalten 
und  nach  dem  Erkalten  feuerfest  zu  sein,  ohne  seine 
vorzügliche  Wärmeleitungsfähigkeit  zu  verlieren.  Trifft 
feurig  flüssiger  Corund  auf  kalte  Eisentheile  oder  andere 
kalte  Körper,  so  erstarrt  er  momentan  und  lässt  dann  selbst 
in  sehr  dünner  Schicht  flüssiges  Eisen  nicht  mehr  durch. 

Hiermit  ist  eigentlich  die  erste  Art  des  Schweissens 
schon  so  ziemlich  erklärt.  Sie  geschieht  nämlich  wie 
folgt:  Sollen  z.  B.  2 Rohre  oder  2 Schienen  zusammen- 


gegeneinander gepresst  und  die  Schweissung  ist  vollendet. 
Nach  der  ziemlich  rasch  erfolgenden  Abkühlung  wird 
das  Eisen  und  der  Corund  durch  Hammerschläge  entfernt. 

Welche  Vortheile  eine  derartige  Schweissung  z.  B. 
bei  Rohrleitungen  und  Strassenbahnschienen  bildet,  hier 
besonders  auszuführen,  erscheint  überflüssig.  Es  sei  nur 
erwähnt,  dass  man  zur  Herstellung  einer  solchen  Schweis- 
sung kaum  mehr  Zeit  braucht,  als  zur  Herstellung  einer 
guten  Schraubenverbindung  und  dass  der  Preis  ein  niedri- 
gerer ist.  Die  Festigkeit  der  Schweisstelle  ist  eine  er- 
probt gute. 

Es  könnte  vielleicht  gewagt  erscheinen,  Strassenbahn- 
Schienen  zu  grösseren  Längen  mit  einander  zu  ver- 
schweissen,  weil  man  infolge  des  Temperaturwechsels 
ein  Ausbiegen  oder  Zerreissen  des  Schienenstranges  zu 
fürchten  hat.  Es  hat  sich  nun  gezeigt,  dass  die  Reibung 
der  eingebetteten  Schienen  gegen  ihre  Einbettung  so  gross 
ist,  dass  derartige  Erscheinungen  nicht  auftreten  können. 
Bei  freiliegenden  Schienen  freilich  wäre  es  bedenklich, 
sehr  grosse  Längen  herzustellen.  Bei  langen  Rohrleitungen 
hilft  man  sich  so,  dass  man  -Röhren  einschaltet.  Das 


No.  50. 


320 


21.  Juni  1902. 


Anwendungsgebiet  derartiger  Schweissungen  ist  natürlich 
ein  sehr  grosses.  Für  diese  Art  der  Schweissungen,  bei 
denen  also  nur  die  bei  der  Reaktion  erzeugte  Wärme  aus- 
genutzt wird,  ist  Thermit,  Marke  «roth",  von  der  bereits 
genannten  Firma  zu  beziehen. 

Für  die  andere  Art  der  Schweissung,  bei  der  das  Eisen 
selbst  verwendet  wird,  wird  die  Marke  „schwarz"  ge- 
braucht. Diese  Schweissung  beruht  auf  folgendem  Vorgang. 

Entfernt  man  aus  dem  Tiegel  mit  flüssigem  Thermit 
den  Corund  und  giesst  das  flüssige  Eisen  in  einem  dünnen 
Strahle  auf  einen  Eisenblock  z.  B.,  so  wird  ein  Loch  in 
denselben  hineingeschmolzen,  und  wenn  der  Block  nicht 
zu  stark  ist,  derselbe  durchgeschmolzen.  Es  bringt  also 
das  flüssige  Eisen  des  Thermites  das  andere  Eisen  zum 
Schmelzen  und 
kann  sich  in 
diesem  Zustan- 
de gut  mit  dem 
vorhandenen 
Eisen  verbin- 
den. Stellt  man 


zündet  das  Gemisch.  Das  spezifisch  schwerere  flüssige 
Eisen  sammelt  sich  unten  an,  durchschmilzt  die  Eisen- 
plättchen und  läuft  zuerst  in  die  Form.  Hierauf  folgt  der 
Corund,  der  nach  oben  steigt  und  den  Schienenkopf  vor 
der  Berührung  mit  dem  Eisen  schützt.  Für  Rohrschweis- 
sungen  lässt  sich  natürlich  diese  zweite  Art  nicht  verwen- 
den, da  die  Enden  der  Rohre  abgeschmolzen  werden. 

Leicht  zu  begreifen  ist  es  auch,  dass  man  mit  Hilfe 
der  letzten  Methode  sehr  leicht  stellenweise  Verstärkungen 
an  Eisen  und  Stahlgegenständen  anbringen  kann.  Man 
braucht  nur  an  der  Stelle  eine  Form  in  der  Gestalt  der 
gewünschten  Verstärkung  anzubringen,  in  der  das  Thermit- 
Eisen  erkalten  kann. 

Zum  Schluss  sei  noch  einiges  über  die  Feuergefähr- 
lichkeit derar- 
tiger Schweis- 
sungen gesagt, 
ohne  damit  alle 
Anwendungs- 
gebieteberech- 
net zu  haben. 
Die  Feuersich- 
erheit muss  na- 
mentlich des- 
halb berührt 
werden,  weil 
alle  alumino- 
thermischen 
Schweissungen 
an  keine  Werk- 
statt gebunden 
sind,  sondern 
stets  an  Ort  und 
Stelle  der  Ver- 
wendung der 
Gegenstände 
und  sei  es  im 
Tanzsaale  vor- 
genommenwer- 
den  können. 
Darin  lie^  ge- 
rade derllaupt- 
werth  dieser 
Verfahren, dass 
man  keiner 
grossen  Vorbe- 
reitungen be- 
darf. Es  mag 
paradox  er- 
scheinen, wenn 
man  bei  einem 
Vorgänge,  bei 
dem  Tempera- 
turen von  3000° 
C.  ungefähr  er- 
zeugt werden, 
von  Ungefähr- 
lichkeitinbezug 
auf  Feuersge- 
fahr spricht  und 
doch  ist  man 
dazuberechtigt, 
wie  Versuche 
gezeigt  haben. 
Schon  aus  der 
Thatsache,dass 
man  Demon- 
strationen im 
Saal  auf  einem 
llolzpodium 
vom  Erfinder 
hat  ausführen 
sehen,  genau  so 
wie  es  in  der 
Praxis  oft  ge- 
schehen muss, 
kann  der  Schluss  der  Ungefährlichkeit  gezogen  werden; 
denn  das  Schlimmste,  was  passiren  könnte,  wäre  das  Aus- 
laufen eines  Tiegels.  Freilich  ist  die  Temperatur  des 
Schmelzflusses  auf  3000  ° C.  zu  schätzen,  aber  der  den 
Tiegel  verlassende  Schmelzfluss  erstarrt  fast  momentan 
an  Ort  und  Stelle,  da  der  Corund  augenblicklich  auf 
seinen  Erstarrungspunkt  abgekühlt  wird  und  den  gröss- 
ten Theil  des  Metalles  zudem  einschliesst;  aber  auch 
letzteres  erstarrt  schnell,  so  dass  eine  unverbrennliche 
Unterlage  von  kleiner  Ausdehnung,  bestehend  aus  Ziegel- 
steinen und  Sand  völlig  ausreicnt,  um  das  Experiment 
überall  ausführen  zu  können,  ohne  dass  Feuersgefahr  zu 
befürchten  ist.  Das  Herumsprühen  von  Funken  ist  ausser- 


nun  wie  vor- 
her eine  Form, 
aber  jetzt  aus 
feuerfestem 
Material,  her, 
umzweizu  ver- 
schweissende 
Schienenenden 
und  giesst  in 
die  Form  das 
flüssige  Eisen, 
nachdem  man 
den  Corund  ab- 
gegossen hat, 
so  werden  die 
Schienenenden 
geschmolzen 
und  es  entsteht 
an  dieser  Stelle 
nach  der  Erkal- 
tung eine  Ver- 
stärkung, ein 
sog.  Schweiss- 
fuss.  Natürlich 
wird  man,  um 
das  Kopfprofil 
zu  erhalten, den 

k.'  .Min../  Im  JI  


Einlauf  in  die 
Form  so  her- 
steilen, dass  das 
einfliessende 
Eisen  den  Kopf 
nicht  berührt, 
also  vielleicht 
seitlich  und 
auch  nur  soviel 
Eisen  einfües- 
sen  lassen,  als 
genügt,  um  die 
Form  bis  zur 
beabsichtigten 
Höhe,  also  nur 
vielleicht  bis 
auf  die  halbe 
Höhe  des  Ste- 
ges, mit  Eisen 
zu  füllen.  Die 
T emperatur  des 
flüssigenEisens 
wird  jedoch 
auch  die  von 
ihm  nicht  be- 
deckten Theile 
bisaufSchweiss- 
gluth  erhitzen 
und  wird  durch  Anpressen  derselben  auch  dort  eine  innige 
Verschweissung  staufinden. 

Vor  einem  Jahre  ungefähr  ersann  nun  Goldschmidt 
eine  Methode,  welche  die  Vorsicht,  die  man  immerhin 
beim  Au^essen  des  Tiegels  bewahren  musste,  und  von 
der  das  Gelingen  abhing,  überflüssig  macht.  Ich  habe  im 
vorigen  Jahre  in  Schillings  Journal  für  Gasbeleuch- 
tung und  Wasserversorgung  diese  Methode  ausführ- 
lich beschrieben  und  will  sie  hier  nur  kurz  andeuten. 

Goldschmidt  macht  in  den  Boden  des  Tiegels,  der 
fest  über  der  Einflussöffnung  der  Form  steht,  eine  kleine 
Oeffnung,  die  er  durch  ein  oder  mehrere  Blechplättchen 
schliesst,  füllt  dann  den  Tiegel  wie  gewöhnlich  und  ent- 


Die XIV.  Ausstellung  der  „Vereinigung  bildender  Künstler  Oesterreichs,  Secession“ 
in  Wien  1902.  Stirnwand  des  Mittelsaales  mit  den  Kranzträgerinnen  von  Rudolf  Bacher. 
Architekt:  Prof.  Josef  Hoffmann  in  Wien. 


321 


ordentlich  gering  und  tritt  fast  nur  beim  Entzünden  des 
Gemisches  in  geringer  unschädlicher  Weise  auf.  Es  ist 
selbstverständlich,  dass  man  alles  unmittelbar  Brennbare, 
wie  Tücher,  Papier  und  dergleichen  aus  der  nächsten  Nähe 
sorgfältig  entfernt  und  vor  allem  das  Büchschen  mit  dem 
Entzündungsgemisch  sorgfältig  verschliesst  und 
beiseite  stellt,  da  ein  einfä.lender  Funke  dieses  leicht 
zur  Entzündung  bringt  und  dann  einen  kleinen  Feuerregen 
hervorruft.  Selbstentzündung  der  Gemische  ist  bisher 
nicht  beobachtet  worden;  es  ist  auch  bisher  misslungen, 


eine  solche  durch  Stoss  oder  Schlag  absichtlich  herbeizu- 
führen.  — Die  Gemische  müssen  in  geschlossenen  Gefässen 
aufbewahrt  werden,  da  sie  feucht  geworden  sich  nicht 
mehr  entzünden.  Die  wenige  aus  der  Luft  aufgesogene 
Feuchtigkeit  schadet  hingegen  nicht. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  erwähnen,  dass  man 
bei  der  Ausführung  der  Experimente  das  Auge  stets 
durch  eine  dunkle  Brille  zu  schützen  hat,  da  die  helle, 
feurige,  intensiv  spiegelnde  Oberfläche  des  Thermits 
sehr  blendend  wirkt, — 


Betonprüfungs-Maschinen. 

Huf  S.  42  Jahrg.  1901  haben  wir  bereits  darauf  hin-  Druckerzeugung  dient,  während  das  Ventil  a zum  Ablassen 
gewiesen,  dass  sich  im  Betonbau  das  Bestreben  der  Flüssigkeit,  i zum  Ein- bezw.  Ausschalten  des  Kolbens 
geltend  mache,  für  die  Beurtheilung  der  Güte  des  bestimmt  ist.  Die  Füllvorrichtung  des  Kastens  liegt  bei«, 
fertigen  Betons  anstelle  des  Mischungs-Verhältnisses  die  Zur  Druckkontrolle  dienen  2 Manometer.  Der  Druck  wird 
Druckfestigkeit  als  Maasstab  einzuführen.  Bisher  konnten  unmittelbar  am  Manometer  abgelesen,  dessen  Skala  nach 
Druckproben  nur  in  den  Versuchsanstalten  ausgeführt  Tonnen  eingetheilt  ist.  Es  ist  dabei  auch  die  Reibung’ 
werden;  man  war  daher  im  Wesentlichen  auf  die  Beur-  zwischen  Presskolben  und  Lederstulpdichtung  berück- 
theilung  nach  dem  Mischungsverhältniss  angewiesen,  d.  h.  sichtigt,  so  dass  also  die  thatsächliche  Belastung  des  Ver- 
also,  die  Beurtheilung  stand  auf  einem  sehr  unsicheren  suchskörpers  ohne  weiteres  zu  ermitteln  ist. 

Boden,  da  sich  je  nach  der  Art  der  Zuschläge  . 

und  der  Betonbereitung  bei  gleichem  Misch-  ^ 11  ^ 

ungsverhältniss  verschiedene  Festigkeiten  er- 
geben können.  Bei  dieser  Unsicherheit  war 
es  natürlich  unmöglich,  die  Materialien  in 
wirthschaftlicher  Weise  auszunutzen;  es  liegt 
daher  sowohl  im  Interesse  der  Bauherren  wie 
der  Unternehmer, eine  sichere  Grundlage  für 
die  Beurtheilung  der  Güte  des  Betons  zu 
schaffen.  Dazu  ist  es  aber  nöthig,  anstelle  der 
Prüfung  in  den  staatlichen  Prüfungsanstalten 
diejenige  auf  der  Baustelle  zu  setzen,  und  hier- 
zu war  vor  allem  die  Herstellung  entsprechend 
kräftiger  und  doch  im  Preise  so  massig  be- 
messener Prüfungs  - Maschinen  erforderlich, 
dass  sie  wenigstens  von  den 
grösseren  Unternehmern, 

Gemeinden  und  staatlichen 
Bauverwaltungen  beschafft 
werden  können. 

Nach  den  von  Hrn.  Geh. 

Reg.-Rath  Martens,  Char- 
lottenburg,aufVeranlassung 
des  Deutschen  Betonver- 
eins seiner  Zeit  aufgestell- 
ten Skizzen  ist  punmehr 
eine  entsprechende  Ma- 
schine konstruirt,  mit  der 
Betonwürfel  von  300 
Kantenlänge  geprüft  wer- 
denkönnen. Bei  einer  obe- 
ren Festigkeitsarenze  von 
3oo^g/qc“i  würde  also  die 
Bruchlast  eines  solchen 
Würfels  370  000  kg  betra- 
gen. Die  Pressen  sind  da- 
her für  einen  Normaldruck 
von  300t  eingerichtet,  der 

ausnahmsweise  um  io^Iq  überschritten  werden  darf. 

Die  Prüfungsmaschine,  die  als  Druckwasserpresse  aus- 
gebilJet  ist,  ruht' auf  einem  eisernen  Rahmen,  der  mit 
Rädern  ausgestattet  werden  kann,  sodass  die  ganze  Ma- 
schine fahrbar  wird.  Die  Presse  selbst  besteht  aus  dem 
Presskolben  c,  in  dessen  kugelförmig  ausgehöhlter  Pfanne 
sich  das  entsprechend  gestaltete  Ende  der  Druckplatte 
legt,  sodass  hierdurch  stets  ein  glattes  Anpressen  des  Ver- 
suchswürfels an  die  obere  Traverse  gesichert  ist.  Der 
Druck  im  Presszylinder,  400  Atm.  für  300 ‘--Druck,  wird 
durch  eine  Handpuntpe  erzeugt,  -die  in  einem  gusseisernen 
Gehäuse  untergebrächt  ist,  das' gleichzeitig  als  Behälter  der 
Pressflüssigkeit  dient  und  mit  dem  Sicherheitsventil  d aus- 
gerüstetist. Die  Pumpe  besitzt  zwei  Kolben,  deren  grösse- 
rer zur  Füllung  des  Presszylinders,  deren  kleinerer  zur 


Betonprüfungs-Maschine. 


Die  Maschine  kostet  ohne  Fahreinrichtung  2300,  fahrend 
ausgestattet  2660  M.  Es  werden  dazu  auch  kleinere  Ein- 
satzstücke  zur  Prüfung  von  Betonwürfeln  mit  nur  200  ““ 
bezw.  100™“  Kantenlänge  zum  Preise  von  42bezw._5oM. 
geliefert.  Sie  sind  zu  beziehen  durch  das  Chemische 
Laboratorium  für  Thonindustrie  von  Prof.  Dr. 
H.  Seger  und  E.  Gramer  in  Berlin. 

Es  ist  zu  hoffen,  dass  diese  verhältnissmässig  billige 
Maschine  eine  möglichst  weite  Verbreitung  finden  und  dass 
demgemäss -Versuche  im  grossen-  Maasstabe  ausgeführt 
werden,  die  zusammen -mit  den  wissenschaftlichen  Ergeb- 
nissen der'  staatlichen  Prüfungsänstalten  die  Festsetzung 
von  Prüfungsvorschriften  für  Beton  auf  der  Grundlage 
der  Druckfestigkeit  ermöglichen  werden.  — 


Bestimmung  der  Auflagerplatten  eines  Freiträgers., 


n „Des  Ingenieurs  Taschenbuch",  Abth.  I,  her- 
ausgeg.  vom  akad.  Verein  Hütte,  ist  S.  372  letzte  AufL 
das  Zahlenbeispiel  eines  Freiträgers  berechnet  und 
es  sind  dazu  sowohl  die  Breiten  der  Auflagerplatten  als 
auch  die  Drehaxe  (auf  V3  Plattenbreite)  willkürlich 
gewählt.  Meiner  Ansicht  nach  sind  aber  sowohl  die 
Plattenbreiten,  als  auch  die  Drehaxe  vollständig  bestimmt, 
wie  es  sich  folgendermaassen  beweisen  lässt.  Die  aus 
dem  Mauerwerx  hervorragende  Strecke  des  Freiträgers 


sei  A B und  die  im  Mauerwerk  steckende  Strecke  des- 
selben sei  BC\  letztere  habe  die  Länge  a.  Infolge  einer 
Belastung  P in  der  Entfernung  von  B wird  der  Theil 
BC  des  Trägers  gezwungen  sein,  sich  zu  drehen.  Wir 
machen  nun  vorerst  die  in  Wirklichkeit  nicht  zutreffende 
Annahme,  dass  zwischen  dem  Träger  und  dem  unter  B G 
liegenden  Mauerwerk  eine  so  starke  Adhäsion  bestehen 
möge,  dass  das  Mauerwerk  Zug-  und  Druckspannungen 
aushalten  kann.  Bezeichnen  wir  mit  G das  Gewicht  des 

No.  50. 


322 


Mauerwerkes  von  der  gleichmässigen  Höhe  h über  B Ö, 
mit  b die  überall  gleiche  Breite  des  Trägers,  so  kann  man 
sich  der  Formel  , 

a.b  a^.b 

6 

bedienen.  Aus  dieser,  Formel  ergiebt  sich  die  grösste 
Druckspannung  kj_  bei  B: 


Die  Drehaxe  möge  von  B die  Entfernung  x haben, 
es  muss  dann  sein: 

X 

a — X ^2  ’ 
a . hl 
kl  + i'2  ’ 


woraus  folgt: 


hy  4-  - 


und  die  grösste  Zugspannung 
bei  C: 

Bezeichnet  man  die  Gewichts- 
einheit von  (?  mit  y,  so  ist 
Q = k - a .b  - y,  und  setzt  man 
a.b  = F,  so  ergiebt  sich  ferner: 

nndt,=Ä.y-^(i  + ^). 


d.  h. 


und 


hy  - 


B+  G 


F 


. F 


■.F. 


2 • P+  G 

Es  sind  nun  x und  a — x nichts  anderes,  als  die 
Breiten  der  Platte  BD  unter  dem  Träger  und  der  Platte 
EH  über  dem  Träger  BO.  Beide  Platten  haben  dabei 
die  Breite  b des  Trägers  zur  Länge.  Die  Zugspannung 
A-2,  welche  nicht  entstehen  kann,  verwandelt  sich  in  eine 
Druckspannung,  welche  gegen  das  obere  Mauerwerk  vom 
Gewichte  G ausgeübt  wird.  Es  wird  sich  stets  ki  > als 
&2  ergeben,  so  dass  ki  höchstens  gleich  dem  zulässigen 
Werthe,  also  7 kg  für  i qc“,  wenn  gewöhnliches  Mauer- 
werk angewendet  wird,  gesetzt  werden  muss.  — 

Ramisch. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Die  43.  Hauptversammlung  des  Vereins  deutscher  Inge- 
nieure in  Düsseldorf  wurde  am  Montag,  den  16.  d.  M.,  unter 
starker  Theilnahme  (es  hatten  sich  etwa  1500  Mitglieder 
eingefunden),  in  der  Tonhalle  durch  den  derzeitigen  Vor- 
sitzenden, Generaldir.  v.  Oechelhäuser  aus  Dessau,  er- 
öffnet, nachdem  am  Abend  vorher  ebenfalls  in  der  Ton- 
halle die  Stadt  zur  Begrüssung  der  Gäste  ein  Fest  veran- 
staltet hatte.  Die  Versammlung  selbst  wurde  eingeleitet 
durch  eine  kurze  Ansprache  des  Vorsitzenden,  welcher 
die  Ehrengäste  willkommen  hiess,  worauf  Verwaltungs- 
Gerichtsdir.  Bloem  die  Ingenieure  als  Vertreter  der  Re- 
gierung, Ob.-Bürgermstr.  Marx  Namens  der  Stadt  in  herz- 
lichen Worten  als  „Doctores  ingenii“  begrüsste,  von  deren 
Thätigkeit  man  sagen  könne  „Es  ist  der  Geist  der  sich 
den  Körper  baut“.  Daran  schlossen  sich  die  Dankes- 
Worte  und  Glückwünsche  der  Vertreter  anderer  Körper- 
schaften und  Verbände,  unter  diesen  auch,  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine,  vertreten 
durch  dessen  Vorstands-Mitglied  Arch.  Neher  aus  Frankfurt 
a.  M.  Hr.  von  Oechelhäuser  ergriff  dann  aufs  Neue  das 
Wort  zu  einem  Vortrage  über  „Neue  Rechte,  neue 
Pflichten“.  Redner  knüpfte  daran  an,  dass  die  Gleich- 
berechtigung der  Schulen,  wenn  auch  noch  nicht  in  allen 
Einzelheiten  durchgeführt,  doch  grundsätzlich  ausge- 
sprochen sei,  ein  Ziel,  für  das  der  Verein  deutscher 
Ingenieure  schon  seit  37  Jahren  gekämpft  habe.  Auch 
diejenigen  Grundsätze,  die  jetzt  bei  den  Reformschulen 
siegreich  durchgedrungen  seien,  habe  der  Verein  vor 
16  Jahren  in  seiner  Versammlung  in  Koblenz  schon  auf- 
gestellt. Es  sei  zwar  das  Ziel  noch  nicht  voll  erreicht, 
aber  es  sei  angebracht,  den  „Schulfrieden“  anzunehmen 
und  eine  Politik  der  Sammlung  zu  treiben,  wobei  nament- 
lich ein  verständnissvoUeres  Zusammengehen  der  Univer- 
sitäten und  technischen  Flochschulen  anzustreben  sei. 
Andererseits  müsse  der  Ingenieur  sich  auch  seiner  neuen 
Pflichten  bewusst  werden  und  diese  nicht  nur  auf  seine 
Berufspflichten  im  engeren  Sinne  beschränken;  denn 
durch  seine  praktische  Lebenserfahrung,  die  Gewohnheit 
wissenschaftlicher  Beobachtung  durch  seine  Uebung,  mit 
Menschen  aller  Stände  umzugehen,  seine  zeitsparende 
Energie  und  seine  organisatorische  Erfahrung  sei  er  be- 
fähigt, überall  da  führend  einzugreifen,  wo  es  gelte,  Un- 
ternehmungen gemeinnütziger',  wissenschaftlicher  oder 
künstlerischer  Art  in  die  schwierige  Welt  der  Praxis  ein- 
zuführen. 

Der  Ingenieur  müsse  sich  aber,  um  diese  Pflichten 
in  höherem.  Masse  erfüllen  zu  können,  mehr  als  bisher 
mit  volkswirthschaftlichen  Fragen  beschäftigen.  Ausser- 
dem müsse  er  noch  mehr  als  bisher  das  Studium  fremder 
Sprachen  pflegen,  tiefer  einzudringen  suchen  in  die 
Lebensbedingungen  der  im  Wettbewerbe  stehenden  Natio- 
nen. In  diesem  Sinne  sei  die  Unternehmung  des  „Techno- 
lexikons“ durch  den  Verein  eine  wichtige  That,  die  grossen 
Nutzen  bringen  werde.  Ausser  dem  praktischen  Wissen 
müsse  der  Ingenieur  aber  auch  stets  das  Ziel  der  harmo- 
nischen Ausbildung  des  Menschen  im  Auge  behalten  und 
beweisen,  dass  er  nicht  nur  die  hohen  Forderungen  einer 
fortgeschrittenen  Technik  erfüllen,  sondern  auch  für  das 
Wohl  der  Gesamihtheit  wirken  könne. 

Diesen  mit  grossen  Beifall  aufgenommenen  Ausführun- 
gen folgte  der  feierliche  Akt  der  Zuerkennung  der  „Gras- 

21.  Juni  1902. 


hof-Denkmünze“,  die  Hrn.  Geh.  Reg.-Rath  Prof.  Dr. 
A.  Slaby,  Charlottenburg,  verliehen  wurde,  die  Ernennung 
des  Hrn.  Brth.  Herzberg,  Berlin,  zum  Ehrenmitgliede 
und  schliesslich  die  Vorlegung  des  Geschäftsberichtes  durch 
den  Direktor  des  Vereins  Hrn.  Brth.  Peters,  Berlin. 

Den  Beschluss  der  Sitzung  bildete  ein  Vortrag  des 
Hrn.  Prof.  Dr.  A.  Stodola  aus  Zürich  über  „Die  Dampf- 
turbinnen  und  die  Aussichten'  der  Wärme-Kraft- 
maschinen.“ 

Redner  kam  zu  dem  Ergebniss,  dass  in  der  Dampf- 
turbine der  Kolben-Dampfmaschine  ein  kräftiger  Kon- 
kurrent erstanden  ist,  der  bezüglich  der  Wirthschaftlichkeit 
den  Wettkampf  mit  der  2 stufigen  Expansions  - Dampf- 
maschine schon  aufnehmen  kann.  Redner  verbreitete  sich 
dann  über  die  verschiedenen  Systeme  von  de  Laval, 
Parson,  Stumpf,  Zoelly  und  Rateau.  Alle  Dampf- 
maschinen haben  aber,  trotz  der  weitgehendsten  Fortschritte 
der  Technik,  noch  nicht  mehr  erreicht  als  eine  Aus- 
nutzung von  etwa  16  % Wärmeenergie  der  Kohle, 
während  84  % nutzlos  verloren  gehen.  Die  Kraftgas- 
motoren, der  Dieselmotor  schliesslich,  der  wenigstens  30  % 
allerdings  nur  bei  Anwendung  flüssigen  Brennstoffes,  aus- 
nuizen  lässt,  bedeuten  zwar  einen  erheblichen  Fortschritt, 
aber  noch  ist  der  Ingenieur  weit  von  dem  Ziele  einer 
rationellen  Ausnutzung  entfernt  und  wird  dieses  Ziel  nur 
schrittweise  in  mühevoller  Arbeit  erreichen  können. 

Ein  Festmahl  in  den  Räumen  der  Tonhalle  beschloss 
den  ersten  Sitzungstag.  — 

Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Magdeburg.  In 
der  Sitzung  am  23.  April  d.:  J.  hielt  unter  Vorsitz  des  Hrn. 
Mackenthun  Hr.  Stadtbauinsp.  Berner  einen  Vortrag 
über  das  abgetragene  Haus  Magdeburgs,  Breiteweg  148, 
die  „Heydeckerei“. 

Das  Eigenartige  dieses  altehrwtirdigen  Bauwerkes  lag 
nach  Ausführung  des  Vortragenden  nicht  sowohl  in  seinen 
Einzelheiten,  die  abgesehen  von  dem  interessanten  Por- 
tale, einem  Schmuckstück  unserer  deutschen  Renaissance, 
kaum  als  künstlerisch  besonders  hervorragend  bezeichnet 
werden  dürfen,  als  vielmehr  in  der  Gesammterscheinung  der 
mächtigen  Front,  welcher  der  gewaltige  Giebel  aufgesetzt 
war,  mit  dem  Üeberwiegen  der  Mauerraassen,  mit  den 
sparsam  vertheilten  Gesimsen,  Ornamenten  usw.  Es  zeich- 
nete sich  als  vornehme  Wohnstätte  eines  Patrizier-Ge- 
schlechtes der  Renaissancezeit  gegenüber  den  Nachbar- 
häusern aus  und  gab  dem  Strassenbild  des  mittleren 
Breitewegs  den  grössten  Theil  seines  Reizes,  dessen  Feh- 
len, nachdem  es  einem  modernen  Waarenhause  den  Platz 
räumte,  sich  recht  bemerkbar  macht.  Die  Bezeichnung 
Heydeckerei  stammt  vermuthlich  von  dem  Namen  des 
Besitzers  des  Grundstückes  um  die  Mitte  des  16.  Jahrh., 
eines  Frhrn.  v.  Heydeck,  dessen  Besitznachfolger  jedoch 
erst  das  um  1593  beglaubigte  Haus  erbaut  haben  kann. 
Bis  zur  Zerstörung  Magdeburgs  war  es  im  Besitze  der 
Familie  Mauritz,  deren  Wappen  über  dem  Einfahrtsportal 
angebracht  war  und  deren  letzter  Spross,  Thomas  Mauritz, 
das  Haus  nach  dem  Zeugnisse  Otto  v.  Guerickes  erbaut' 
hat.  Nach  dem  30-jährigen  Kriege  fand  ein  mehrfacher 
Besitzwechsel,  ebenso  ein  Ausbau  statt.  Es  ist  kaum  an- 
zunehmen, dass  der  Bau  von  1593  von- den  Flammen  des 
IO.  Mai  1631  verschont  geblieben  ist.  Der  Brand  kann 
zwar  dem  unteren  starken  Mauerwerk  des  Gebäudes  wenig 
Schaden  gebracht  haben,  jedoch  ist  wahrscheinlich,  dass 


323 


das  ursprüngliche  Haus  damals  zerstört  und,  wie  alle 
Häuser  des  Breitewegs,  nach  1631  durchweg  neu  wieder 
aufgebaut  worden  ist. 

Es  zeigt  denn  auch  in  der  That  der  Giebel  die  ganz 
charakteristischen  Formen  spätester  Deutschrenaissance 
mit  den  zusammengepressten  Voluten  auf  den  Giebelab- 
sätzen, in  den  steügestellten  Eckkonsolen  des  untersten 
Giebelgeschosses  unmittelbar  über  dem  Hauptgesims,  so- 
wie in  dem  ornamentalen  Beiwerk.  Dabei  ist  nicht  zu 
verkennen,  dass  diese  Ornamentik  immer  noch  weit  ruhiger 
und  zurückhaltender  erscheint,  als  die  unbändige,  merk- 
würdig verrenkte  Formenbehandlung  des  in  der  Nachbar- 
schaft errichteten  Börsengebäudes.  Da  die  Zeichnung  und 
Behandlung  der  Einzelheiten  des  Hauses  Breiteweg  148 
entschieden  feiner  und  künstlerisch  besser  durchgeführt 
ist,  so  darf  man  dasselbe  auf  eine  etwas  frühere  Entstehungs- 
zeit als  die  der  Börse  — Scidenkrämer-Innungshaus  — zu- 
rtickführen.  Der  ursprüngliche  Bau  von  1593  muss  sich 
durch  kräftige  und  originelle  Behandlung  der  Architektur 
ausgezeichnet  haben,  darauf  lassen  wenigstens  die  ältesten 
Theile  des  prachtvollen  Portales  schliessen. 

In  grossem  Maasstabe  ausgeführte,  künstlerisch  dar- 
gestellte Zeichnungen  nach  Naturaufnahmen  veranschau- 
lichten das  Haus  und  zeigten  die  Aenderungen,  denen  es 
in  späterer  Zeit  durch  Einfügen  von  Verkaufsläden  unter- 
worfen wurde.  Die  Grundrisspläne  führten  die  Anlage 
eines  Grosskaufhauses  jener  Zeit  vor,  in  deren  Mitte  sich 
die  grosse  Diele  befand,  der  sich  links  zu  ebener  Erde 
die  Lagerräume  und  rechts,  auf  erhöhtem  Fussboden,  die 
Geschäfts-  bezw.  die  Wohn- und  Sprechzimmer  anschlossen. 
Ein  zweiter  Eingang  von  der  Georgenstrasse  aus  machte 
die  KeUerräume  zugänglich  und  eine  kreisrunde  Werk- 
stein-Wendeltreppe verband  die  Geschosse  mit  einander. 
Zwecks  Beförderung  der  Waaren  nach  den  verschiedenen 
Obergeschossen  befanden  sich  in  der  Mitte  des  Giebels 
übereinander  liegende  Luken  mit  einem  zu  oberst  ange- 
brachten Windebalken.  Eine  neben  dem  Einfahrts-Portale 
befindliche  Kellervorlage  diente  dem  Herabiassen  von 
Waaren  und  Fässern  nach  den  Kellerräumen.  Die  ausser- 
ordentlichen Mauerstärken  zeugten  von  dem  Alter  des 
Bauwerkes. 

Bedauerlicher  Weise  blieb  seinerzeit  jeder  Versuch 
erfolglos,  dieses  historische  Bauwerk  der  Nachwelt  zu  er- 
halten, selbst  die  Erwerbs-Unterhandlungen  vonseiten  der 
Stadt  zwecks  Ausnutzung  desselben  für  Verwaltungszwecke 
scheiterten  an  den  übermässigen  Forderungen.  Um  nun 
nach  Möglichkeit  wenigstens  etwas  aus  der  kunstgeschicht- 
lichen Vergangenheit  dieses  Denkmales  den  späteren  Ge- 
schlechtern zu  überliefern,  musste  man  sich  damit  be- 
gnügen, die  bedeutungsvollsten  Architekturstücke  des  Ab- 
bruches zu  erwerben.  Sie  sollen  an  geeigneter  Stelle  des 
neuen  Museumsbaues  später  Aufstellung  finden.  Das  Ge- 
sammtbild  wird  der  bleibenden  Erinnerung  erhalten  durch 
Wiedergabe  des  Fassadenbildes  in  einem  Gipsmodell,  das 
dem  Museum  einverleibt  werden  wird. 

An  den  mit  vielem  Beifall  aufgenommenen  Vortrag 
schloss  sich  ein  allseitiger  Meinungsaustausch.  — 


Vermischtes. 

Der  Berliner  Verein  für  Unfallverletzte.  Der  Berliner 
Verein  für  Unfallverletzte,  der  sich  am  17.  Juni  1899  ge- 
bildet hat,  bildet  heute  schon  einen  einflussreichen  Faktor 
in  der  sozialen  Wohlfahrtspflege  der  Reichshauptstadt. 
Unter  dem  Vorsitze  des  Direktors  des  Berliner  Gewerbe- 
gerichts von  Schulz,  sowie  unter  dem  Leiter  des  Arbeits- 
wesens Reg.-Baumstr.  Eisner,  will  der  Verein  nach  § i 
seiner  Statuten  von  Unfällen  betroffenen  Personen  und 
deren  Familien  Beistand  leisten,  soweit  sie  sich  aus  eigener 
Kraft  gegen  Noth  und  Sorge  nicht  zu  schützen  vermögen 
und  ihnen  eine  anderweitige  ausreichende  Fürsorge  nicht 
zu  Theil  wird.  Geldunterstützungen  sind  auf  Ausnahme- 
fälle beschränkt,  die  Fürsorge  besteht  vielmehr  darin, 
dem  Verletzten  eine  entsprechende  Arbeitsgelegenheit 
dadurch  zu  verschaffen,  dass  überall,  wo  es  möglich  und 
durchführbar  ist,  Personen,  welche  in  ihrer  Lrwerbs- 
fähigkeit  beschränkt  sind,  an  die  Stelle  der  Gesunden 
gesetzt  werden,  die  eine  leichtere  Thätigkeit  ausüben; 
auf  diese  Weise  soll  der  von  der  Verletzung  noch  vor- 
handene Bruchtheil  der  Erwerbsfähigkeit  nutzbar  gemacht 
werden.  Für  die  Beschaffung  von  Arbeitsgelegenheit 
kam  die  Unterbringung  bei  fremden  Unternehmern  oder 
die  Beschäftigung  in  eigenen  Werkstätten  des  Vereins  in 
Betracht.  Der  erstere  Weg  schlug  fehl,  der  letztere 
glückte  und  soll  weiter  ausgebaut  werden.  Als  Vor- 
bild konnte  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  Inva- 
lidenwerkstatt der  Berliner  Schultheissbrauerei  dienen. 
Die  Erzeugnisse  der  Vereinswerkstätten  werden  ver- 
kauft. Da  die  Verletzungen  sehr  verschiedener  Natur 


sind,  so  werden  die  verschiedensten  Berufszweige  infrage 
kommen,  den  Verletzten  eine  passende  Arbeitsgelegenheit 
zu  geben.  Der  Verein  arbeitet  besonders  für  Unfall-Ver- 
leizte;  er  sucht  aber  auch  anderen  Bedürftigen,  die  in 
ihrem  Erwerbsleben  beschränkt  sind,  von  Nützen  zu  sein.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Ideen-Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Skizzen  zur 
Bebauung  eines  Platzes  in  Remscheid  mit  Kirche,  Katechi- 
santen-  und  Pfarrhaus,  zu  welchem  die  Hrn.  Geh.  Reg.- 
Rath  Prof.  Otzen,  Berlin,  Arch.  Fritzsche,  Elberfeld, 
und  Reg.-Bmstr.  Senz,  Köln,  aufgefordert  waren,  ist 
kürzlich  dahin  entschieden  worden,  dass  die  beiden  ausge- 
setzten Preise  von  1000  bezw.  500  M.  zu  gleichen  Theilen 
verliehen  wurden  den  Entwürfen  mit  dem  Kennworle 
„ Bergisch“ , Verf.  Hr.  Prof.  Otz  en,  und  mit  dem  Kenn- 
zeichen eines  Wappenschildes,  Verf.  Hr.  Arch.  Fritzsche. 
Bausachverständige  Preisrichter  waren  die  Hrn.  Prof. 
Frentzen,  Aachen,  Prof.  Dr.  Clemen,  Düsseldorf,  Arch. 
Gust.  Brüning  und  Arch.  H.  Heitmeyer  in  Remscheid. 
Die  beiden  Sieger  sollen  durch  einen  2.  Skizzenentwurf 
die  Entscheidung  herbeiführen,  wem  von  ihnen  die  end- 
giltige  Planung  zu  übertragen  sei.  — 


Chronik. 

Die  Erhaltung  des  diocletianischen  Palastes  in  Spalato 
ist  zum  Gegenstände  eines  Gesetzentwurfes  des  österreichischen 
Herrenhauses  gemacht,  welcher  alle  schädigenden  An-  und  Auf- 
bauten, sowie  Eingriffe  in  den  Bestand,  des  Palastes  Oberhaupt 
verhindern  und  der  Regierung  das  Recht  zuweisen  will,  die  im 
Privatbesitz  befindlichen  Anbauten  durch  Anwendung  des  Vorkaufs- 
rechtes oder  der  Enteignung  zu  erwerben.  — 

Eine  Urnenhalle  des  Vereins  für  Feuerbestattung  auf 
dem  nördlichen  Friedhofe  in  München  wurde  am  i.  Juni  ihrer 
Bestimmung  übergeben.  Die  Halle  hat  Raum  für  98  Urnen.  — 
Das  Kunstgewerbe-Museum  in  Paris,  welches  unter  dem 
Namen  „Musee  des  Arts  Decoratifs  bis  1896  in  dem  1855  errichteten 
Industriepalast  ein  dürftiges  Unterkommen  gefunden  hatte  und  nach 
dem  Abbruch  des  Gebäudes  heimathlos  war,  ist  nunmehr  im  „Pavillon 
de  Marsan“  des  Louvre  untergebracht  worden  — 

Der  Reinhard-Brunnen  auf  dem  Broglieplatz  in  Strass- 
burg, im  Jahre  1897  von  dem  verstorbenen  Justizrath  Sigismund 
Reinhard  gestiftet  und  von  seinem  F reunde  Prof,  Adolf  Hilde- 
brand  in  München  ausgeführt,  ist  am  6.  Juni  enthüllt  worden. 
Ueber  einer  architektonischen  Becken-  und  Kaskadenanlage  erhebt 
sich  in  Bronze  und  aufrecht  der  Vater  Rhein,  nicht  der  antike 
Poseidon  mit  dem  Dreizack,  sondern  als  ein  Fischer  oder  Schiffer 
in  der  Vollkraft  der  Jahre  mit  Schilfblättern  um  Hüfte  und  Stirn.  — 
Einen  mykenischen  Palast  auf  Kreta  hat  eine  von  Halb- 
herr und  Parnier  geleitete  italienische  Expedition  auf  einem 
Hügel  bei  Phaistos  aufgefunden  und  freigelegt.  Es  ist  ein  alter 
Fürstensitz  grossen  Maasstabes,  in  welchem  zahlreiche  altkretische 
Inschriftsteine,  welche  über  die  vorgeschichtliche  Kultur  auf  Kreta 
berichten,  gefunden  wurden.  — 

Das  Projekt  der  Verlegung  des  Karlsruher  Bahnhofes 
ist  am  13.  Juni  von  der  2.  badischen  Kammer,  mit  allen  gegen  zwei 
Stimmen  nach  den  Vorschlägen  der  Budget-Kommission  angenpmmen. 
Diese  Vorschläge  entsprechen  im  wesentlichen  den  Ausführungen 
in  unserer  No.  32  u.  33  über  die  Karlsruher  Bahnhofsfrage.  — 
Das  Gesetz  über  die  zwangsweise  Zusammenlegung  von 
städtischen  Grundstücken,  die  Lex  Adickes,.  ist  mit  einigen 
Abschwächungen  und  mit  der  Beschränkung  auf  Frankfurt  a.  M.  im 
preuss.  Abgeordnetenhause  am  12.  Juni  d.  J.,  im  Herrenhause  wenige 
Tage  später  endgiltig  angenommen  worden.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  R.  in  Sternberg.  Da  der  Entwurf  einer  Wasserver-* 
sorgungs-Anlage  weitaus  vielgestaltiger  ist  als  der  einer  Kanali- 
sations-Anlage, ist  bisher  noch  Niemand  auf  den  Gedanken  verfallen, 
die  Berechnung  einer  solchen  Aufgabe  an  einem  Beispiele  in  zu- 
sammenhängender Weise  auszuführen.  Vielmehr  wird  in  den  Lehr- 
büchern an,  den  belr.  Stellen  immer  nur  die  Anwendung  der  Theorie 
bezw  einer  empirischen  Formel  an  einem  beliebig  gegriffenen 
Beispiel  erläutert.  Es,  wird  Ihnen  nichts  anderes  übrig  bleiben,  als 
aus  den  Ihnen  bekannten  Werken  die  einzelnen  Beispiele  zu  einem 
grossen,  die  ganze  Anlage  umfassenden  Beispiel  selbst  zusammen 
zu  tragen.  — 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 

Zu  der  Anfrage  in  No.  41  nennt  sich  die  Firma  Ernst  Wilms 
in  Bielefeld  als  Fabrikantin  von  Lichtpaus-Apparaten  aus  Stahl- 
blech, bei  welchen  anstelle  des  Glases  eine  wasserhelie,  auf  beiden 
Seiten  polirte  Celluioidplatte  tritt.  — 

Inhalt:  Die  XIV.  Ausstellung  der  „Vereinigung  bildender  Künstler 
Oesterreichs,  Secession“  in  Wien  1902.  — Einiges  über  die  Goldschmidt- 
schen  Verfahren  in  der  Aluminothermie.  — Betonprüfungs-Maschinen.  — 
Bestimmung  der  Auflagerplatten  eines  Freiträgers  — Mittheilungeu  aus 
Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Brief-  und 
Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  XIV.  Ausstellung  der  „Ver- 
einigung bildender  Künstler  Oesterreichs,  Secession“. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veramwortl.  i.  V.  Fritz  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  50. 


324 


XXXVI.  JAHRG.  1902  N^-  50 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  51.  Berlin,  den  25.  Juni  1902. 


Ueber  Raumfachwerke.*) 


I. 

ie  unter  obigem  Titel  im  Juni  vorigen  Jahres  er- 
schienene Schrift  hat  in  technisch-wissenschaftlichen 
Kreisen  berechtigtes  Aufsehen  erregt,  was  der  In- 
halt zahlreicher  bedeutsamer  litterarischer  Auslassungen 
namhafter  Fachmänner  beweist.*''')  Verfasser  der  Schrift, 
Geh.Brth.  Dr.  Zi  mm  ermann,  Dr.  Ing.  Ehrenhalber  der  kgl. 
Technischen  Hochschule  Fridericiana  in  Karlsruhe  und 
Vortragender  Rath  im  preussischen  Ministerium  der  öffent- 
lichen Arbeiten,  ein  auch  durch  andere  ausgezeichnete 
technische  Abhandlungen  wohlbekannter  Ingenieur,  durfte 
die  in  seiner  Schrift  dargestellten  Formen  und  Berech- 
nungsweisen von  Raumfachwerkeii  mit  vollem  Rechte  als 
neu  bezeichnen,  nicht  allein,  weil  diese  bislang  noch 
nicht  veröffentlicht  waren,  sondern  auch,  weil  es  das 
alleinige  grosse  Verdienst  des  Verfassers  ist,  die  Formen 
neu  erfunden  zu  haben,  wenn  auch  die  Zeit  ihrer  Ent- 
stehung heute  schon  13  Jahre  zurück  liegt.  ***) 

Die  Schrift  hat  drei  Abschnitte,  von  denen  der  erste 
sich  allein  mit  der  Reichstagskuppel  beschäftigt,  wäh- 
rend in  den  folgenden  Abschnitten  nacheinander  das 
Raumfachwerk  mit  beliebiger  Eckenzahl  und  ab- 
geleitete Formen  beschrieben  werden. 

Im  Jahre  1889  wurde  Zimmermann  mit  der  hoch- 
interessanten aber  schwierigen  Aufgabe  betraut,  den 
Entwurf  eines  über  dem  Sitzungssäle  des  Reichstags- 
hauses zu  errichtenden  Kuppeldaches  zu  liefern.  Die 
Schwierigkeiten  der  Lösung  lagen  darin,  dass  die  schon 
bis  etwa  zur  Dachhöhe  aufgeführten  Saalwände  (bei  einer 
Höhe  von  40 »)  zu  schwach  waren,  um  den  auf  sie  ent- 
fallenden Winddruck  auszuhalten,  geschweige  denn 
dazu  noch  die  Last  einer  hohen  weitgespannten  und  vom 
Winde  stark  bestrichenenen  Kuppel  mit  aufzunehmen. 
Ausserdem  mussten  die  schwachen  Umfassungsmauern 
auch  noch  durch  mächtig  grosse  Fenster  durchbrochen 
werden,  derart,  dass  keine  Möglichkeit  mehr  blieb,  die 
Mauern  etwa  durch  geeignete  Verstärkungen  von  der 
Innenseite  her  gegen  die  äusseren  Windkräfte  abzusteifen. 
In  welch  meisterlicher  Art  Zimmermann  seine  Aufgabe 
gelöst  hat,  soll  nachstehend  zuerst  kuiz  dargelegt  werden. 

Das  Gerippe  der  von  ihm  entworfenen  Kuppel  ist 
als  ein  statisch  bestimmtes  Raumfachwerk  ausgebildet, 
bestehend  aus  einem  Fussringe  und  einem  Kopfringe 
mit  zwischenliegenden  Stabverbindungen  und  entsprechen- 
der Stützung,  wie  dies  aus  den  Abbildgti.  i u.  2,  S.  326,  im 
Aufriss  und  Grundriss  zu  erkennen  ist,  Die  Lagerung 
oder  Stützung  im  Fussringe  erfolgt  in  12  Knotenpunkten, 
von  denen  aber  nur  8 Knoten  (5  bis  12)  eigentliche 

*)  Ueber  Raumfachwerke.  Neue  Formea  und  Berechnungsweisen 
für  Kuppeln  und  sonstige  Dachbauten.  Mit  36  Abbildungen  im  Text.  Oktav. 
93  Seiten.  Berlin  1901.  Ernst  & Sohn.  Preis  8 M. 

Vergl.  die  Mitlheiluogen  von  Föppl  und  Landsberg  im  Jalirg. 
1901,  sowie  auch  von  Müller-Breslau  und  Mohr  im  Jahrg.  1902  des 
Centralbl.  d.  Bauverw. 

***)  VergL  Zimmermann,  Das  Raumfachwerk  der  Kuppel  des 
Reiciistagshauses  im  Jahrgang  1901  und  1902  des  Centralbl.  d.  Bauverw. 


Gottfried  Semper  über  öffentliche  Gebäude. 

n einer  der  letzten  Wochen-Versammlungen  des 
Sachs.  Ing.-  u.  Arch.-Vereins  machte  Hr.  Reg.-Bfhr. 
Langenegger  eingehendere  Mittheilungen  aus  der 
Entstehungs-Geschichte  der  von  Semper  erbauten  Gemälde- 
Galerie  in  Dresden.  Als  es  sich  anfangs  der  vierziger 
Jahre  des  vor.  Jahrh.  darum  handelte,  für  die  bis  dahin 
im  sogen.  Stallgebäude  (jetzigen  Johanneum)  am  Jüdenhof 
untergebrachte  kgl.  Gemäldesammlung  ein  passenderes, 
geräumiges  Unterkommen  zu  schaffen,  kamen  namentlich 
drei  Bauplätze  in  Vorschlag.  Semper  wurde  durch  den 
damaligen  Staatsminister  von  Wietersheim  zu  gutachtlicher 
Aussprache  über  diese  Plätze  aufgefordert  und  verstand 
es  so  vorzüglich,  auf  den  Kern  der  Frage  einzugehen,  dass 
die  von  ihm  als  maassgebend  bezeichneten  Gesichtspunkte 
noch  heute  in  ähnlichen  Fällen  als  Anhaltspunkte  gelten 
können.  Es  lohnt  sich  deshalb  wohl,  den  allgemeinen 
Theil  jenes  Gutachtens  nachstehend  dem  Staub  und  der 
Vergessenheit  der  Akten  zu  entreissen. 

„Ew.  Excellenz 

haben  dem  ergebenst  Unterzeichneten  unter  dem  9.  dieses 
den  hohen  Auftrag  ertheilt,  einige  von  den  für  den  Bau 
eines  neuen  Galerie-Gebäudes  in  Vorschlag  gekommenen 


räumliche  sind,  d.  h.  solche,  in  denen  mindestens  3 Stäbe, 
die  nicht  in  einer  Ebene  liegen,  anstossen.  Die  übrigen 
4 Stützpunkte  (i  bis  4)  erscheinen  als  feste,  zum  Mauer- 
körper gehörige  Knoten,  von  denen  jeder  zwei  wag- 
rechte Stützenstäbe  aufnimmt.  In  den  8 Knoten  5 
bis  12  sind  nur  lothrechte  Stützenkräfte  zugelassen 
worden.  Im  Ganzen  giebt  es  also  4.2-)- 8 = 16  Stützen- 
stäbe. Dazu  kommen  im  Fussring  4,  im  Kopfring  4 und 
in  den  schrägen  Dachflächen  12,  zusammen  also  20  Stäbe 
des  Raurafachwerkes,  sodass  die  Summe  aller  Stäbe 
16  T 20  — 36  beträgt.  Dieser  Zahl  entsprechen  die  3 x 12 
Bedingungen  der  vorhandenen  12  Knoten  der  Kuppel, 
wodurch  ihr  System  sich  als  statisch  bestimmtes  ausweist. 

Das  Anbringen  der  zur  Aufnahme  von  wagrechten 
Kräften  dienenden  Stützen  in  den  Mitten  der  betr.  Seiten 
des  Fussringes  (bei  1—4)  begründet  Zimmermann  wie 
folgt.  Er  sagt:  ,,Die  Anbringung  der  Lager  in  der  Mitte 
dieser  Stäbe  besitzt  gewisse  praktische  Vorzüge.  Sie  be- 
wirkt nämlich,  dass  die  Mitte  des  Fachwerkes  auch  bei 
beliebigen  Wärme-Aenderungen  genau  über  der  Mitte  des 
Unterbaues  bleibt  und  dass  die  durch  solche  Aenderungen 
hervorgerufenen  seitlichen  Verschiebungen  der  senkrechten 
Lager  (5 — 12)  möglichst  klein  werden.  Ausserdem  sind 
die  Mitten  der  Umfassungswände  meist  besser  zur  Auf- 
nahme von  wagrechten  in  die  Mauerflucht  fallenden  Kräften 
geeignet,  als  diemehr  nach  den  Ecken  hin  gelegenen  Stellen.“ 

Zimmermann  führt  die  analytische  Berechnung 
der  Stabkräfte  seiner  Raurakuppel  auf  40  Gleichgewichts- 
Bedingungen  zurück  Nach  obiger  Auffassung  der  Punkte 
I — 4,  als  feste  Punkte  des  mit  dem  Erdboden  verbun- 
denen Mauerkörpers , lassen  sich  die  Bedingungen  auf 
3 X 12  = 36  beschränken.  Dabei  entwickelt  Zimmermann 
seine  Darlegungen  und  Rechnungen  in  ausnehmend  über- 
sichtlicher, klarer  und  einfacher  Weise.  Allerdings  wiU 
ich  nicht  verschweigen,  dass  ich  zu  Denjenigen  gehöre, 
denen  die  rein  analytische  Ermittelung  von  Stabkröten  in 
Fachwerken  der  Ebene  und  des  Raumes  in  praktischer 
Hinsicht  etwas  umständlich  und  zeitraubend  erscheinen 
will.  Auch  das  kürzlich  an  zwei  Beispielen  von  Mohr 
dargelegte  Verfahren  der  analytischen  Berechnung  von 
Raumfachwerken  mit  Hilfe  des  Satzes  der  virtuellen  Ver- 
schiebungen, so  einfach  und  lehrreich  es  ist,  kann  nach 
meinem  Dafürhalten  das  graphische  Verfahren  nicht  voll 
ersetzen. 

Die  reziproken  Kräftepläne  der  Ebene  oder  des 
Raumes  haben  einerseits  das  für  sich,  dass  sie  leicht  und 
schnell  zu  zeichnen  sind,  dabei  eine  anschauliche  Vor- 
stellung vom  gesamraten  Spiel  der  Kräfte  geben  und  in 
jedem  Falle  die  Merkmale  ihrer  Richtigkeit  in  sich  selbst 
tragen.  Andererseits  gewähren  sie  aber  noch  den  Vor- 
zug, dass  man  bei  vorliegenden  Entwürfen  von  Fachwerken 
imstande  ist,  aus  dem  Befunde  der  ermittelten  Kräftepläne 
zurückzuschliessen  auf  die  Zweckmässigkeit  der  gewählten 
Stabverbindungen:  Ausnahmefälle  der  unendlich  kleinen 
Beweglichkeit  sind  ausgeschlossen,  sobald  sich  ein  Kräfte- 


Plätzen  einer  nochmaligen  Prüfung  zu  unterziehen  und 
dasjenige,  was  sich  für  die  Wahl  derselben  anführen  lässt,, 
sowie  auch  die  Nachtheile,  Hindernisse  und  Unbequemlich- 
keiten, die  dagegen  sprechen,  gegen  einander  abzuwägen. 
Es  kommen  hierbei,  ausser  dem  Platze  zwischen  dem 
Zwinger  und  der  katholischen  Kirche  (wo  die  Schinkel’- 
sche  Hauptwache  steht),  zwei  andere  Räume  ganz  be- 
sonders in  Erwägung,  nämlich  die  Stallwiese  (wo  jetzt  das 
Finanz-Ministerium  steht)  und  deren  Umgebung,  und  die 
nordöstliche  offeneSeite  des  Zwingers  (dem  jetzigen 
Hoftheater  zugekehrt). 

Bei  der  Vergleichung  sind  zuvörderst  die  materiellen 
Erfordernisse  zu  berücksichtigen,  die  einen  Platz  dazu  ge- 
eignet machen,  auf  ihm  ein  solches  Gebäude  aufzuführen 
und  deren  entschiedener  Mangel  so  sehr  gegen  die  jetzige 
Stelle  der  Bildergalerie  spricht.  Zweitens  aber  darf  da- 
bei die  allgemeine  Rücksicht  nicht  ausser  Augen  gelassen 
werden,  inwiefern  durch  die  Bevorzugung  dieses  oder 
jenes  Platzes  und  dessen  zweckmässige  Benutzung  auch 
andere,  zwar  unmittelbar  durch  die  Aufgabe  nicht  be- 
dungene, jedoch  nicht  minder  wichtige  Vortheile  für  das 
Ganze  erreicht,  oder  auch  wesentliche  öffentliche  Uebel- 
stände  beseitigt  werden  können,  die  man  schon  lange 
duldete,  weil  eine  passende  Veranlassung  oder  Gelegenheit 
zu  ihrer  Entfernung  sich  nicht  darbot. 


325 


plan  zeichnen  lässt;  ungewöhnlich  hohe  Spannungen  kön- 
nen beseitigt  werden,  wenn  man  den  Kräfteplan  ent- 
sprechend abändert  und  danach  das  reziproke  Fachwerk 
zeichnet  usw.  Alle  diese  Vorzüge  sind  so  werthvoll,  dass 
heute  kein  Ingenieur  es  unternehmen  sollte,  ein  Raum- 
fachwerk auszuführen,  von  welchem  er  nicht  vorher  die 
Kräftepläne  in  der  angedeuteten  Weise  nach  allen  Seiten 
hin  geprüft  und  verbessert  hat.  Schwierigkeiten,  wenn 
man  es  so  nennen  will,  macht  nur  das  Zeichnen  solcher 
Pläne,  bei  welchen  in  jedem  Knoten  des  zugehörigen 
Fachwerkes  mehr  Stäbe  anstossen,  als  nothwendig  sind, 
um  aus  den  gegebenen  äusseren  Knotenlasten  das  ent- 
sprechende Krafteck  unmittelbar  zu  finden.  Ein  solches 
Fachwerk  ist  auch  Zimmermann’s  Raurakuppel  (Abbil- 
dungen I und  2),  denn  keiner  ihrer  Raumknoten  weist 
weniger  als  4 unbekannte  Stabkräfte  auf.  Wenn  man 
aber  das  einfache,  meines  Wissens  zuerst  von  Henne- 
berg^')  angegebene  Verfahren  der  Stab-Aus- 
wechselung anwendet,  dessen  Grundlagen  sich  mit  den- 
jenigen des  von  Föppl  und  Muller-Breslau'-''®^)  angegebe- 
nen Verfahrens  decken,  so  lösen  sich  danach  selbst  die 
verwickeltsten  Fälle.  Man  dürfte  wohl  nicht  zu  Unrecht 
behaupten,  dass  jedes  Raumfachwerk,  das  sich  nicht  nach 
Henneberg’s  Verfahren  bequem  graphisch  behandeln  lässt, 
dessen  Erzeuger  oder  Erfinder  kein  gutes  Zeugniss  über 
seine  Gewandtheit  im  Konstruiren  ausstellt. 


II. 

Um  auch  denjenigen  Lesern  der  „Dtschn.  Bauztg.", 
die  nicht  Zeit  oder  Uebung  genug  haben,  sich  in  ver- 
wickelte analytische  Berechnungsweisen  zu  vertiefen,  von 
dem  Henneberg’schen  Verfahren  zur  Ermittelung  der 
Spannkräfte  statisch 
bestimmterFachwer- 
ke  wenigstens  bei-  ^ 

spielsweise  eine  An- 
schauung zu  geben, 
soll  danach  nachsteh- 
end die  Berechnung 
der  Spannkräfte  der 
Zimmermann’schen 
Reichstags  - Kuppel 
(Abbildg.  I u.  2)  für 
einenbestimmtenBe- 
lastungsfall  kurz  er- 
läutert werden. 

Im  Knoten  13  wirke 
eine  senkrechte  Last 
P = lot  (Abbildg.  2). 

Es  kommt  dann  zu- 
nächst darauf  an,  zu 


s / ' 

v>  ^ 

/ I2 

/ 1 

'*'3  \S  j 

S ^ X 

Abbildg.  I u.  2. 

und  welche  Stäbe 
man  zweckmässig 
auswechselt,  um  sie 
durch  die  gleicheZahl 
von  andern  Stäben  in 
geeigneten  Knoten 
wieder  derart  zu  er- 
setzen, dass  das  Fachwerk  ein  statisch  bestimmtes  bleibt. 
Dazu  gehört  ein  klein  wenigUebung  oder  Probiren.  Meistens 

*)  Statik  der  starren  Sj'steme.  Mit  131  Figuren  und  12  Tafeln.  r886, 
S.  228  und  262. 

**)  a.  a,  O.  Vergl.  auch  Föppl,  Graphische  Statik,  igoo.  S.  215. 


aber  führen  verschiedene  Lösungen  zum  Ziel.  Im  vor- 
liegenden Falle  erkennt  man  bald,  dass  es  mindestens  der 
Beseitigung  von  zwei  Stäben  bedarf,  um  eine  Lösung 
nach  Henneberg's  Art  zu  ermöglichen.  Je  weniger  Stäbe 
man  auswechselt,  desto  besser  im  allgemeinen,  weil  man 
dann  mit  um  so  weniger  Unbekannten  zu  rechnen  hat. 

Im  vorliegenden  Falle  sind  die  beiden  Stäbe  lo — 12 
und  I— 12  ausgewechselt  und  an  ihrer  Stelle  deren  unter 
der  Wirkung  von  P entstehende  noch  unbekannte  Stab- 
kräfte Xg  und  Xjj  als  äussere  Kräfte  in  den  Knoten  1,10 
und  12  angebracht  worden.  Es  fehlen  dann  dem  Raum- 
fachwerk zur  statischen  Bestimmtheit  zwei  Stäbe.  Diese 
wurden  durch  wagrechte  Stützenstäbe  in  den  Knoten  6 
und  II  ersetzt,  die  (um  sie  besonders  hervorzuheben) 
mit  den  Buchstaben  x und  y bezeichnet  worden  sind  (Ab- 
bildg. 2).  Die  Spannkräfte  dieser  beiden  Ersatz- 
stäbe werden  darauf  für  drei  verschiedene  Be- 
lastungszustände ermittelt.  Das  sind; 

1.  ßelastungs- Zustand  „X  = o“,  wobei  die  äusseren 
Kräfte  X^  und  als  nicht  vorhanden  und  nur  die  Last 
P als  wirkend  gedacht  wird; 

2.  Belastungs-Zustand  = x“,  wobei  P und  ver- 

schwinden; 

3.  Belastungs-Zustand  = i“,  wobei  P und  ver- 

schwinden. 

Allgemein  erfordern  n Ersatzstäbe  die  Betrachtung  von 
n + 1 Belastungs-Zuständen.  Für  jeden  der  drei  Zustände 
des  vorliegenden  Falles  zeichne  man  (in  bekannter  Weise 
mit  Hilfe  geeigneter  Projektionen  der  räumlichen  Kraft- 
ecke aller  Knoten)  Kraftpläne,  aus  denen  zuerst  besonders 
die  Spannkräfte  der  Ersatzstäbe  zu  entnehmen  sind.  Diese 
seien: 

S^Q,  SyQ  für  den  Zustand  „X  = o“, 

Sri,  „ , „ „z,  = i“. 

Dann  würden  also  unter  der  gleichzeitigen  Wirkung 
der  äusseren  Kräfte  P,  X^^  und  Xf^  in  den  Ersatzstäben  die 
Spannkräfte  S,^  und  entstehen,  die  bestimmt  wären 
durch  die  beiden  Gleichungen: 

Unter  allen  beliebigen  Werthen  von  X^  und  Xj,,  für 
welche  die  Gleichungen  I gelten,  giebt  es  nur  zwei  Werthe, 
die  den  gesuchten  unbekannten  Stabkräften  (i — 12  und 
10—12)  entsprechen.  Für  diese  beiden  Werthe  der  X 
müssen  und  S.^,  je  für  sich  gleich  Null  sein. 

Um  das  einzusehen,  denke  man  sich  1.  die  Ersatz- 
stäbe wieder  beseitigt  und  deren  Spannkräfte  und 
als  äussere  Kräfte  in  den  Knoten  x und  y angebracht; 
2.  füge  man  an  Stelle  der  äusseren  Kräfte  X^  und  Xj,  die 
zugehörigen  Stäbe  10 — 12  und  i — 12  wieder  ein.  Wir 
haben  es  dann  mit  einem  Raumfachwerk  zu  thun,  das 
mit  den  äusseren  Kräften  P,  sowie  auch  und  S.^  belastet 
ist.  Da  nun  aber  nach  unserer  Voraussetzung  unter  der 
alleinigen  Belastung  von  P in  den  Stäben  10—12  und 
I— 12  die  Spannkräfte  X^  und  X^^  entstehen,  so  giebt  es 
nur  eine  Möglichkeit  unter  welcher  diese  Voraussetzung 
auch  noch  zutrifft,  wenn  ausser  P als  äussere  Kräfte  auch 
noch  und  hinzukommen:  und  müssen  je  für 


Zu  den  ersten  materiellen  Erfordernissen  eines  Platzes 
für  ein  Galerie  Gebäude  gehört  eine  freie,  offene,  den 
Einflüssen  des  Rauches  und  Staubes  mindest  ausgesetzte 
Lage.  Die  nahe  Nachbarschaft  feuergefährlicher  Gebäude 
ist  möglichst  zu  vermeiden.  Der  Platz  muss  vor  Ueber- 
schwemmungen  gesichert  sein.  Es  ist  wünschenswerth, 
dass  derselbe  eine  möglichst  grosse  Entwicklung  des  dar- 
auf aufzuführenden  Gebäudes  nach  der  Nordseite  oder 
Nordostseite  gestatte. 

Der  Platz  muss  nicht  zu  entlegen  sein,  theils  der  Sicher- 
heit wegen,  theils  zur  grösseren  Bequemlichkeit  des  Publi- 
kums. Er  muss  endlich  vermöge  der  physikalischen  Be- 
schaffenheit des  Grundes  oder  aus  anderen  Ursachen,  nur 
mit  grossen  Kosten  zu  überwindende  Schwierigkeiten  des 
Baues  nicht  darbieten. 

Von  den,  nicht  durch  die  Aufgabe,  sondern  äusserlich 
bedungenen  Erfordernissen  eines  passenden  Platzes,  kann 
a priori  wohl  nur  dasjenige  festgestellt  werden,  dass  der 
Platz  so  liegen  müsse,  dass  durch  dessen  Bebauung  keine 
nothwendige  Kommunikation  unterbrochen,  keine 
vortheilhafte  Disposition  irgend  eines  Stadttheiles  ge- 
stört, kein  öffentliches  Monument  beeinträchtigt  werde, 
sei  es  in  ästhetischer  oder  materieller  Beziehung.  — 
Wünschenswerth  ist  es  vielmehr,  dass  durch  die  neue 

326 


Anlage  gelegentlich  neue  Kommunikationen  eröffnet 
(Passage  im  Dresdener  Zentral-Theater),  mangelhaft 
disponirte  Stadttheile  besser  geordnet  oder  beseitigt 
(neues  Ständehaus  und  Brühl’sche  Gasse  in  Dresden),  ver- 
steckt liegende  Monumente  vorlheilhaft  mit  in  ihren  Bereich 
gezogen  werden  könnten,  wodurch  ein  gemeinsames 
und  daher  mächtigeres  Wirken  derselben  erreicht  würde 
(Zwingerhof  und  Gemälde-Galerie). 

Lässt  man  das  neue  Gebäude  die  vierte,  jetzt  nur 
provisorisch  durch  eine  Mauer  begrenzte  offene  Seite  des 
Zwingers  einnehmen,  so  hat  diese  Lage  inbezug  auf 
Reinheit  der  Luft  und  Feuersicherheit  unverkennbare 
Vortheile  (Fernheizwerk).  Die  Orientirung  ist  günstig 
und  materielle  Schwierigkeiten  sind  nicht  zu  befürchten. 
Alle  materiellen  Erfordernisse  vereinigt  also  dieser  Platz 
in  seltener  Weise  in  sich.'*  — 

Es  ist  bekannt,  dass  diese  vierte,  bis  dahin  offene 
Seite  des  Zwingerhofes  dann  als  Bauplatz  gewählt  wurde 
und  welch’  bedeutsames  Meisterwerk  Semper  darauf  er- 
richtet hat.  Vielleicht  bringt  die  Zukunft  der  Stadt  Dresden 
dereinst  einen  gleich  genialen  Künstler,  der  auch  die  noch 
ungelöste  Frage  wegen  des  Abschlusses  des  Theaterplatzes 
an  seiner  Nordseite  (wo  jetzt  Helbig's  Schankwirthschaft 
steht),  zu  lösen  versteht.  — Gr. 


No.  51. 


sich  verschwinden.  Aus  den  Gleichungen 

ergeben  sich  die  unbekannten  Spannkräfte  und  X^. 

Aus  den  zugehörigen  Kräfteplänen  für  die  angegebenen 
3 Zustände  haben  sich  danach  für  die  Gleichg.  II  gefunden: 
+ 3i.5“-^a-5i6  +X^. 410  = 0, 

+ 3,9  — 2 =0. 

Daraus  wurden  X^  zu  + 0,37 1 und  Aj  zu  + 1,24  t 
ausgerechnet. 

Jede  andere  Spannkraft  des  Fachwerkes  ist  da- 
durch gegeben,  denn  es  ist 

= X^S^„  -\-  X^.%,  (III), 

wobei  S^j,  diejenigen  Spannkräfte  vorstelien,  die 

in  dem  beliebigen  Stabe  beim  Zustande  „X  ==  o“,  „X^  = 1“ 
oder  „Aj  = i“  entstehen,  die  also  aus  den  zugehörigen 
Kräfteplänen  entnommen  werden  können. 

III. 

Im  zweiten  Abschnitt  seiner  Schrift  entwickelt  Zimmer- 
mann aus  dem  Sonderfall  der  Reichstagskuppel  ein  all- 
gemeines Bild  seines  Raumfachwerkes,  in  welchem  der 


Abbildg.  4. 


Abbildg.  5 und  6, 

b 


Kopfring  ein  beliebig  gestaltetes  Vieleck  von  h Ecken  und 
der  Fussring  ein  solches  von  2 i Ecken  bildet,  wobei  die 
schrägen  Verbindungsflächen  der  Ringe  sich  aus  k ebenen 
Vierecken  und  k Dreiecken  zusammensetzen.  Das  so  ge- 
bildete Fachwerk  zeigt  3 A Knoten  mit  9 ä:  Bedingungen. 
Dem  gegenüber  stehen  folgende  Stabzahlen: 


2 k senkrechte  Stützenstäbe, 

2 k wagrechte  Stützenstäbe,  wie  erläutert  an  k 

festen  Punkten  angreifend, 

k Stäbe  des  Kopfringes, 

k Stäbe  des  Fussringes  {abgerechnet  die  w'^ag- 
rechten  Stützenstäbe), 

3 Stäbe  der  Verbindungs-Dachflächen, 
zusammen  9 k,  das  bedeutet  ein  statisch  bestimmtes  S5''stem. 

Auch  für  das  allgemeine  Raumfachwerk  hat  Zimmer- 
mann die  vollständigen  analytischen  Berechnungs-Unter- 
lagen gegeben,  wobei  er  zeigt,  wie  diese  auch  für  die 
Berechnung  von  Schwedler-Kuppeln  benutzt  werden 
können.  Geht  der  Kopfring  des  allgemeinen  Fachwerks 
in  ein  regelmässiges,  einem  Kreise  eingeschriebenes  Viel- 
eck über,  so  nennt  es  Zimmermann  ein  Kreisfachwerk 
und  er  stellt  auch  für  ein  solches,  dessen  Kopfring  ein 
Sechseck  ist,  die  Berechnungen  auf. 

Unter  der  Bezeichnung  „Abgeleitete  Formen“  er- 
öffnet Zimmermann  im  letzten  Abschnitte  seiner  Schrift 
interessante  Ausblicke  auf  die  Möglichkeit  der  Bildung 
der  verschiedenartigsten  räumlichen  Dachgebilde  für 
allerlei  Hochbauten.  Ich  muss  es  mir  leider  versagen, 
näher  auf  seine  dazu  gegebenen  Ausführungen  einzugehen. 
Doch  willich  zusammenfassend  bemerken,  dass  es  sich  dabei 
wesentlich  um  mehrgeschossige  Fachwerke 
handelt,  die  entstehen,  wenn  ein  allgemeines  ein- 
geschossiges Fachwerk  auf  schräge  Stützen  ge- 
stelltwird, deren  Gesammtheit  ein  sogen.  Stütz  en- 
geschoss bildet.  Das  Fachwerk  lässt  sich  dann 
auch  noch  durch  Aufsetzen  von  Laternen  und 
Dachreitern  vervoUkomranen  (Abbildg.  3 u.  4). 

' Abbildg.  3 veranschaulicht  den  Grundriss  einer 

dreigeschossigen  Kuppel  auf  achteckigem  Unter- 
bau. Das  Obergeschoss  gleicht  der  eingeschossi- 
gen Reichstagskuppel,  darunter  folgt  das  Mittelge- 
schoss als  Stützengeschoss,  es  hat  vier  leere 
Fache  F,  die  in  vielen  Fällen  architektonisch  nutz- 
bar gemacht  werden  können.  Im  Untergeschoss 
sind  16  einfache  senkrechte  und  ebensoviele  wag- 
rechte Stützenstäbe  angebracht.  Abbildg.  4 stellt 
eine  dreigeschossige  Laterne  dar,  mit  achteckigem 
(t  Unter-  und  viereckigem  Obergeschoss. 

Geht  der  Kopfring  in  eine  gerade  Linie  über, 
so  erscheint  ein  Firstfachwerk  (Abbildg.  5 u.  6), 
dagegen  bildet  sich  ein  Helmfachwerk,  wenn 
der  Kopfring  ganz  verschwindet  und  an  seiner 
Stelle  nur  ein  einziger  Knoten  verbleibt  (Abbil- 
dungen 7 u.  8.) 

Wenn  man  die  Mittelfache  (0,3)  der  in  den 
Abbildungen  5 und  6 im  Grundriss  gezeichneten 
Firstfachwerke  verlängert  und  durch  Einfügung  von 
Zwischenrippen  theilt,  so  können  sie  sehr  wohl  zur 
Ueberdeckung  langgestreckter  und  hoher,  in  das 
Dachgeschoss  reichender  Räume  (Festsäle  und 
dergl.)  verwendet  werden.  Auch  stände  einer 
Verwendung  solcher  langgestreckten  Firstfache  als 
Brückenpfeiler  nichts  im  Wege. 

Die  gesamrate  Fachwelt  hat  alle  Ursache, 
Zimmermann  für  die  Herausgabe  seiner  neuen 
Ideen  und  der  dazu  gehörigen  Berechnungen  dank- 
bar zu  sein.  Zu  bewundern  bleibt  auch  die  ziel- 
bewusste, zähe  Schaffenskraft,  die  Zimmermann 
befähigt  hat,  neben  einer  unruhigen,  sorgenvollen, 
alle  Kräfte  anspannenden  Berufsthätigkeit  die  vor 
13  Jahren  zum  ersten  Male  gefassten  und  erprob- 
ten Ideen  doch  noch  in  so  vollendeter  Form  zu 
veröffentlichen.  Seine  Schrift  bietet  eine  Fülle  von 
fruchtbaren  Anregungen,  die  dazu  beitragen  wer- 
den, die  Bildungs-  und  Berechnnngsweisen  der 
Raumfachwerke  mehr  und  mehr  zu  erweitern  und  zu 
vertiefen. 

Es  kann  daher  den  Fachgenossen  nur  angerathen 
werden,  sich  mit  dem  Grundgedanken  der  Schrift  be- 
kannt zu  machen. 

Dresden,  Mitte  Mai  1902.  Mehrtens. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Die  43.  Hauptversammlung  des  Vereins  deutscher  In- 
genieure ln  Düsseldorf  war  in  ihrer  2.  Sitzung  am  17.  d.  M. 
ausschliesslich  geschäftlichen  Angelegenheiten  gewidmet. 
Unter  anderem  wurde  für  das  nächste  Jahr  München 
als  Ort  der  Hauptver-sammlung  bestimmt  und  es  wurden 
ferner  in  den  Vorstand  3 neue  Mitglieder,  die  Herren 
Ob. -Ing.  Prüsmann  in  Magdeburg,  Ob.-Ing.  Gerdau 
in  Düsseldorf  und  Reg.-Rath  Rohr  in  Strassburg,  ge- 
wählt. — Die  3.  Sitzung  am  18.  d.  M.  war  den  Vorträgen 

25.  Juni  1902. 


Vorbehalten.  Es  sprachen  der  durch  die  Erfindung  zur 
Herstellung  „flüssiger  Luft“  bekannte  Prof.  C.  Linde, 
München,  über  „Sauerstoffgewinnung  mittels  frak- 
tionirter  destillirter  flüssiger  Luft“  und  der  so- 
eben zum  Rektor  der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin 
gewählte  Prof.  Kämmerer  über  „Die  Lastenförde- 
rung unter  dem  Einfluss  der  Elektrotechnik“. 

Das  von  Herrn  Prof.  Linde  entwickelte  Verfahren 
nutzt  die  Erscheinung  aus,  dass  bei  der  Luftzusammen- 
pressung  zwar  Sauerstoff  und  Stickstoff  gleichmässig 
theilnehmen,  bei  der  Verdampfung  aber  ersterer  viel 


327 


langsamer  entweicht,  so  dass  die  Gase  um  so  sauerstoff- 
haltiger werden,  je  länger  man  die  Verdampfung  aus- 
dehnt. Mit  Hilfe  der  neuesten  Verfahren  wird  es  jetzt 
möglich,  dass  bei  loocboi  stündlicher  Erzeugung  o,5cbm 
fast  stickstoffreier  Sauerstoff  für  die  Stunde  und  Pferde- 
stärke gewonnen  werden  können.  Es  wird  dabei  die  zur 
Verflüssigung  erforderlich  gewesene  Kälte  bis  auf  die 
unvermeidlichen  Verluste  wiedergewonnen , indem  die 
zur  Verdampfung  erforderliche  Wärme  der  gleichen  Menge 
Luft  entzogen  wird,  die  dann  ihrerseits  wieder  verflüssigt 
wird.  Erforderlich  ist  dabei  eine  geringe  Kompression 
zur  Ermöglichung  des  Wärmeüberganges  durch  Erhöhung 
der  Sättigungstemperatur  um  einige  Grade,  Der  Energie- 
verlust wird  hierdurch  und  durch  andere  Mittel,  auf  die 
wir  hier  nicht  näher  eingehen  können,  auf  ein  Mindest- 
maass  beschränkt. 

Herr  Prof.  Kämmerer  leitete  seinen  Vortrag  durch 
einen  Hinweis  auf  die  Gründe  ein,  welche  den  Ingenieur 
zu  rastloser  Thätigkeit  in  der  Umgestaltung  und  Neu- 
schaffung von  Maschinen  zwingt.  Besonders  wechselvoll 
ist  das  Schicksal  der  Verkehrs-  und  Transportmaschinen 
gewesen,  namentlich  aber  beeinflusst  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten durch  die  Anwendung  der  Elektrizität.  Redner 
unterschied  dann  die  reinen  Hebemaschinen,  d.  h.  die 
Lastfördermaschinen,  welche  nur  senkrechte  Hebungen 
ausführen,  die  reinen  Transportmaschinen,  welche  die  Last 
nur  in  wagrechter  Richtung  oder  auf  schwach  geneigten 
Bahnen  befördern  und  schliesslich  die  vereinigten  Hebe- 
und  Transportmaschinen.  Von  der  ersten  Gattung  sind 
namentlich  die  Aufzüge  und  Fördermaschinen  bemerkens- 
werth.  Auf  das  Wesen  der  Aufzüge  hat  die  Elektro- 
technik den  geringsten  Einfluss  ansgeübt,  sie  aber  unab- 
hängig gemacht  von  dem  Ort  der  Kraftquelle.  Bei  den 
Fördermaschinen  ist  die  Anwendung  noch  neu.  Erstrebt 
wird  eine  Vertheilung  anstatt  der  jetzt  üblichen  Zentrali- 
sirung.  Bei  den  reinen  Transportmaschinen  ist  zwischen 
Gleisbahnen  und  Hängebahnen  zu  unterscheiden.  Bei  den 
ersteren  hat  die  Elektrotechnik  neue  Arten  nicht  entstehen 
lassen,  wohl  aber  bei  den  letzteren,  namentlich  für  den 
Betrieb  in  geschlossenen  Räumen,  bei  welchem  die  anderen 
Systeme  versagen.  Ganz  besonders  hat  sich  aber  der 
Einfluss  der  Elektrotechnik  geltend  gemacht  bei  den  Ma- 
schinen, die  gleichzeitig  dem  Transport  und  der  Hebung 
dienen.  Als  wichtige  und  weitverzweigte  Gattung  gehören 
hierhin  die  „Krahne“,  von  denen  die  „Laufkrahne“  die 
Weitgehendste  verbesserung  durch  den  elektrischen  Betrieb 
hinsichtlich  ihrer  Leistungsfähigkeit,  leichten  Beweglichkeit 
und  Geschwindigkeit  der  Bewegung  erfahren  haben. 
Letztere  ist  zumtheil  bis  auf  das  lofacheder  bisher  üblichen 
erhöht,  die  Energie  bis  zu  loo  P.  S.  stellenweise  gesteigert. 

Eine  völlig  neue  Maschinengattung  ist  aber  mit  Hilfe 
der  Elektrotechnik  geschaffen  worden  in  den  „vereinig- 
ten Flebe-  und  Transport-Maschinen  mit  unbe- 
grenztem Arbeitsfeld“,  die  sich  in  den  mannichfaltig- 
sten  Formen  ausführen  und  den  Forderungen  der  ver- 
wickeltsten  Betriebe  anpassen  lassen.  Hier  besitzt  die 
Elektrizität  ein  Arbeitsfeld,  das  ihr  keine  andere  Kraft- 
quelle streitig  machen  kann.  Derartige  Maschinen  lassen 
sich  in  vortheilhafter  Weise  zum  Löschen  und  Laden  von 
Schiffen  und  Eisenbahnwagen,  zum  Beschicken  grosser 
Lagerplätze,  zum  Transport  in  Werkstätten  aller  Art  ver- 
wenden. Mit  dieser  Maschine,  die  selbstverständlich  an 
eine  feste  Bahn  gebunden  ist,  der  aber  jede  beliebige 
Form  gegeben,  die  jederzeit  verändert  und  erneuert  wer- 
den kann,  sodass  man  das  Arbeitsgebiet  thatsächlich  als 
unbegrenzt  bezeichnen  darf,  diesen  vielseitigen  Anforde- 
rungen kann  nur  die  Elektrizität  als  Kraftquelle  genügen, 
die  mit  blanker  Kontaktleitung  den  verwickelten  Bahnen 
einer  solchen  Maschine  allein  zu  folgen,  ihr  an  jeder  Stelle 
der  Bahn  die  nöthige  Energie  allein  zuzuführen  vermag. 
Diese  Maschinenart  ist  in  Amerika  bereits , wenn  auch 
noch  in  unvollkommener  Weise,  in  Anwendung.  In 
Deutschland  ist  man  dabei,  sie  zu  vervollkommnen. 

So  zeigt  sich  bereits  eine  reiche  Entwicklung  in  der 
Anwendung  der  elektrischen  Energie  auf  die  Hebe-Ma- 
schinen, die  aber  noch  keineswegs  zum  Abschluss  ge- 
kommen ist  und  dem  Ingenieur  noch  viele  reizvolle  Auf- 
gaben stellen  wird.  Sie  wird  ausserdem  dazu  beitragen, 
die  Menschenkräfte  zu  befreien  von  der  unwürdigen  Ver- 
wendung zur  reinen  Lastenförderung,  d.  h.  von  der  geist- 
losesten rein  körperlichen  Arbeit;  sie  wird  also  auch  eine 
soziale  Aufgabe  erfüllen.  — 

Die  Hauptversammlung  wurde  nach  Schluss  der  Vor- 
träge durch  den  Vorsitzenden,  Geh.  Mar.-Brth.  Veith  aus 
Kiel,  mit  dem  Danke  an  Alle  geschlossen,  die  sich  um  das 
Gelingen  derselben  verdient  gemacht  haben.  Ein  Fest  im 
„Malkasten“  am  17.  und  ein  Ausflug  ins  Siebengebirge  am 
18.  Juni  schloss  die  Versammlung,  die  einen  allgemein 
hochbefriedigenden  Verlauf  genommen  hat.  — 

328 


Vermischtes. 

Deutsche  Städte-Ausstellung  in  Dresden  1903.  An  der 
Ausstellung  nehmen  130  grosse  und  mittlere  deutsche 
Städte  theil.  Ausserdem  ist  nach  den  bisherigen  Anmel- 
dungen eine  rege  Theilnahme  der  Industrie  in  all  den 
Zweigen  zu  erwarten,  welche  sich  auf  die  mannichfachen 
Bedürfnisse  des  Städtewesens  beziehen.  Die  Frist  zur  An- 
meldung für  die  gewerbliche  Abtheilung  der  Ausstellung 
läuft  am  I.  Juli  d.  J.  ab.  — 


Preisbewerbungen. 

Vom  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
ein  Krematorium  auf  dem  Friedhof  zum  Rhiensberg  bei 
Bremen,  bezüglich  dessen  wir  S.  263  die  Preisrichter  und 
Preise  mittheilten,  liegt  uns  jetzt  das  Programm  vor.  Zu 
erwähnen  ist  noch,  dass  neben  den  Preisen  auch  der  An- 
kauf von  hervorragenden  Entwürfen  zum  Preise  von  je 
200  M.  vorgesehen  ist.  Eine  Verpflichtung  zur  Ausführung 
eines  der  preisgekrönten  Entwürfe,  bezw.  zur  Ueber- 
tragung  der  Ausführung  an  einen  der  Sieger  übernimmt 
der  Verein  nicht.  Die  Unterlagen  sind  zum  Preise  von 
4,50  M.,  die  zurückerstattet  werden,  vom  Verein  für  Feuer- 
bestattung zu  beziehen.  Zu  liefern  sind  an  Zeichnungen 
in  nichtfarbiger  Ausführung  in  i : 100  2 Grundrisse, 
2 Schnitte,  2 Ansichten  und  ein  Kostenüberschlag  nach 
dem  kubischen  Inhalt.  Durch  die  Bemerkung  „werden 
freiwillige  perspektivische  Ansichten  geliefert,  so  sind  die- 
selben von  dem  im  Lageplan  i mit  B bezeichneten  Punkte 
aus  zu  entwerfen“  werden  sich  manche  Bewerber  zur 
Leistung  der  Mehrarbeit  verleiten  lassen.  Diese  unsichere 
Bestimmung  wäre  besser  weggelassen  worden.  Wie  schon 
bemerkt,  darf  die  Bausumme  85000  M.  (ausschl.  Ver- 
brennungsofen und  Versenkungsvorrichtung)  nicht  über- 
schreiten. Entwürfe,  die  nach  dem  Urtheiie  der  Preis- 
richter einen  grösseren  Aufwand  beanspruchen,  sind  von 
der  Preisvertheilung  ausgeschlossen.  Frist  15.  Sept.  d.  J. 

Wettbewerb  Oberrealschule  in  Teplitz-Schönau.  In  Er- 
gänzung der  Mittheilung  über  diesen  Wettbewerb  auf 
S.  276  sei  noch  angegeben,  dass  neben  den  3 preisge- 
krönten Entwürfen  noch  die  Entwürfe  der  Hrn.  Arch. 
Lindner  & Schreier  in  Wien,  Freymuth  & Fanta 
in  Wien  und  Kästner  in  Teplitz  von  der  Stadtgemeinde 
angekauft  wurden.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Techn.  Hochschule  in  Charlotten- 
burg;  Dem  Prof.  Werner  von  der  Techn.  Hochsch.  in  Aachen 
ist  die  erl.  Prof,  für  Geodäsie,  dem  Prof.  B 0 0 s t von  ders.  Hoch- 
schule die  neubegründete  Prof,  für  Baukonstruktionslehre  in  Holz 
und  Stein  z.  i.  Okt.  überti-agen.  — Der  Privatdoz.  Prof.  Dr.  J o 1 1 e s 
ist  mit  der  Abhaltung  des  neu  eingeführten  Paralleluntenichts  in 
der  darstellenden  Geometrie  betraut  und  dem  Privatdoz.  Prof.  Dr. 
Warschauer  ist  die  neu  begründete  Doz.-Stelle  für  National- 
ökonomie übertragen.  — Der  Reg.-  u.  Brth.  v.  B o r r i e s in  Hannover 
ist  z.  Geh.  Reg.-Rath  u.  etatm.  Prof,  ernannt  und  ist  demselben  die 
Prof,  für  Eisenbahn-Maschinenwesen  z.  i.  Okt.  d.  J.  übertragen.  — 
Die  Wahl  des  Prof.  Kämmerer  zum  Rektor  für  die  Amtsperiode 
I.  Juli  1902  bis  dahin  1903  ist  bestätigt  worden. 

Die  Reg.-Bfhr.  Rud.  W a 1 d h e i m aus  Nienburg  und  Aifr. 
Kaufnicht  aus  Colmar  (Wasser-  u.  Strassenbfch.),  — Rieh. 
Köhn  aus  Kalbe,  Reinh.  Rulff  aus  Eilsleben,  Heinr.  Brahl 
aus  Kumehnen  und  Otto  Clingestein  aus  Zschepplin  (Hoch- 
bfeh.),  — Leo  Pommerehne  aus  Hohenassel  (Eisenbfeh.),  — 
Dr.  Paul  Juliusburger  aus  Breslau,  Gg.  Schwabach  aus 
Berlin  u.  Wilh.  Momber  aus  Königsberg  i.  Pr.  (Masch.-Bfeh.) 
sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  A.  V.  in  Bonn  a.  Rh.  Wenn  der  Raum  unter  der  von 
Ihnen  dargestellten  Terrassenabdeckung,  wie  Sie  angebeo,  offen 
ist,  so  lässt  sich  die  immer  wieder  auftretende  Durchnässung  nur 
dadurch  erklären,  dass  die  verwendeten  Deckenmaterialien  nicht 
zweckentsprechend  ausgewählt  sind,  und  die  Feuchtigkeit  aus  der 
Luft  zu  stark  ansaugen  und  festhalten.  Gegen  diesen  Uebelstand 
können  wir  Ihnen  kein  dauernd  wirksames  Mittel  vorschlagen,  da 
die  Luft  bei  der  gewählten  Konstruktion  Ihre  Stuckdecke  von  oben 
und  unten  umspült,  und  alle  an  der  Unterfläche  der  letzteren  ange- 
brachten Dichtungsanstriche  durch  die  von  oben  herabsinkende 
Feuchtigkeit  in  kurzer  Zeit  wieder  zersetzt  und  zerstört  werden. 
Dagegen  Hesse  sich  sehr  wahrscheinlich  Abhilfe  schaffen,  wenn 
der  Raum  für  gewöhnlich  geschlossen  wäre.  — A. 

Hrn.  W.  K.  ln  Nauheim.  Oeffentliche  technische  Bibliotheken 
giebt  es  leider  noch  nicht  in  Preussen.  Die  kgl.  Bibliotheken  pflegen 
werthvollere  Tafelwerke  überhaupt  nicht  aus  dem  Hause  zu  ver- 
leihen. Am  ehesten  erhalten  Sie  die  gewünschten  Werke  noch  bei 
der  Bibliothek  einer  technischen  Hochschule.  — 


Inhalt:  Ueber  Raumfachwerke.  — Gottfried  Semper  über  öffeDtliclie 
Gebäude.  — Mittheilungea  aus  Vereinen.  — Vercnischies.  — Preisbewer- 
buogen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort],  i.  V.  Fritz  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  51. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * sic  N2;  52.  sic 
DEN  28.JUNIigo2.  s^ 
rstssrstststsrarstsssüsr 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine. 


I. 

XV.  Wand  er  ver s am m 1 u n g zu  Augsburg 

70m  3L.  August  bis  elnschl.  3.  September  1902. 


Programm. 


Sonntag,  den  31.  August 

8 Uhr  Vorm.  Eröffnung  der  Auskunftsstelle  für  Woh- 
nungen am  Bahnhofe,  so^vie  der  An- 
meldestelle daselbst.  Schluss  Ab.  9 Uhr. 
8V2  „ Ab.  Begrüssung  der  Theilnehmer  und  ihrer 
Damen  im  Schiessgrabensaale.  Sceni- 
scher  Festprolog  und  Musikaufführung. 
Abendessen  nach  Belieben. 

Im  Obergeschoss  der  Vorhalle  ist  von 
Ab.  9 Uhr  ab  eine  Anmeldestelle  errichtet. 


Montag,  den  1.  September. 

8 Uhr  Vorm.  Eröffnung  der  Anmeldestelle  im  Ober- 
geschoss des  Schiessgrabensaales. 

9 „ „ I.  Allgemeine  Versammlung  im  Schiess- 

grabensaal : i)  Eröffnung  durch  den  Vor- 
sitzenden des  Verbandes,  2)  Bericht  des 
Geschäftsführers  über  die  Ergebnisse  der 
Abgeordn.-Versammlung,  3)  Vortrag  des 
städt.Ob.-Brths.  Hm.Fr.  Steinfaäusser 
über  „Augsburgs  bauliche  Ent- 
wicklung“ (mit  Projektionsbildern), 
4)  Vortrag  des  Hrn.  kgl.  Bauamtmanns 
Adalbert  Stengler  in  Kempten  über 
„Wildbachverbauungen  im  baye- 
rischen Hochgebirge“  (mit  Projek- 
tionsbildern.) 

Anmerkung.  Während  derVortragspaose 
Frühstücks-Gelegenheit  und  Ausgabe  der 
I.  Theilnehraerliste. 

iVs  » Nm.  Empfang  der  Fest-Theilnehmer  durch 
die  Vertreter  der  Stadtverwaltung  im 
„goldenen  Saal“  des  Rathhauses  und 
Bcwirthung  dortselbst  seitens  der  Stadt. 
Sonderzug  zum  Waldfest  auf  dem  Hochablass.  Musik  u.  Feuerwerk.  Rückfahrt  io‘®. 


Das  Augsburger  Ratbhaus  mit  Augustusbrunnen. 
(Original -Aufnahme  von  Kutscher  & Gehr  in  Augsburg.) 

Uhr  Nm. 


9 „ Vorm. 


Nachmittag. 


7 Uhr  Ab. 


Dienstag,  den  a.  September. 

II.  Allgemeine  Versammlung  im  Schiessgrabensaal:  i)  Geschäftliche  Mittheilungen,  2)  Vortrag 
des  Hrn.  Geh.  Brth.  J.  Stübben  in  Köln  über  „Stellung  der  Techniker  zur  Frage  der 
Beschaffung  billiger  Wohnungen",  3.  Vortrag  des  Hrn.  Prof.  Friedr.  v,  Thiersch  in 
München  über  „Augsburger  Fassaden-Malereien“,  4)  Vortrag  des  Hrn.  Landbauinsp.  und 
Münsterbaumstr.  a.  D.  L.  Arntz  in  Schwarz-Rheindorf  b.  Bonn  über  „Was  schulden  wir 
dem  Strassburger  Münster,  dem  überlieferten  Meisterwerke  deutscher  Baukunst?" 
Anmerkung.  Frühstücks  - Gelegenheit  wie  Tags  vorher  und  Ausgabe  der  2.  Theilnehmerliste. 
Mittagessen  nach  Belieben. 

Gruppenweise  Besichtigung  der  Stadt.  Gruppe  I Besichtigung  der  Altstadt,  Gruppe  II  Besichtigung 
der  Neubauten,  Gruppe  III  Besichtigung  der  Fabriketablissements  und  der  Lokalbahn,  Gruppe  IV 
Besichtigung  der  Hessing’schen  orthopädischen  Heilanstalt  in  Göggingen,  Gruppe  V Besichtigung 
der  Wasserbauten  und  des  Elektrizitätswerkes  bei  Gersthofen. 

Festessen  in  der  Konzerthalle  des  Stadtgartens.  Gartenfest  mit  Illumination  und  Doppelkonzert. 


Mittwoch,  den  3.  September. 

8 }}  3®  Ausflug  mit  Sonderzug  nach  Füssen,  von  da  nach  Hohenschwangau  zur  Besichtigung 

des  kgl.  Schlosses  Neuschwanstein.  Mittagessen  in  Hochenschwangau.  Rückfahrt  nach 
Augsburg  7 Uhr  45  Min.  Abends.  Hierfür  wird  Sonderprogramm  noch  ausgegeben  und 
bezüglich  der  Kosten  der  Theilnehmerkarten  noch  Näheres  bestimmt. 


Schluss  der  Wander-Versammlung. 

Denjenigen  Festtheilnehmera,  welche  beabsichtigen  am  nächstfolgenden  Tage  Augsburgs  Sehens- 
würdigkeiten, insbesondere  die  architektonischen  Schönheiten  der  Stadt,  eingehender  zu  besichtigen,  was  bei 
der  kurz  bemessenen  Zeit  während  der  Wander-Versammlung  wohl  nicht  möglich  ist,  stehen  hierzu  geeignete 
Führer  zur  Verfügung.  Zu  diesen  Besichtigungen  werden  bei  der  Anmeldestelle  diesbezügliche  Anträge  bis 
spätestens  Dienstag,  den  2.  Sept.,  Mitt.  12  Uhr,  entgegengenommen  und  besondere  Programme  ausgegeben. 


329 


Allgemeine  Bestimmungen, 

I.  Am  Samstag,  den  30.  August,  findet  die  Abgeordneten-Versammlung  im  Landrathssaale  des  k.  Regiertings- 
Gebäudes  statt.  Sonntag,  den  31.  August,  Feststellung  des  Protokolles  und  gemeinsamer  Ausflug.  Programm  wird 
den  Hrn.  Abgeordneten  noch  besonders  zugehen. 

2-  Die  Damen  der  Herren  Festtheilnehmer  versammeln  sich,  insofern  sie  nicht  den  Vorträgen  anwohnen 
wollen,  am  Montag  und  Dienstag  Vorm,  um  Vgio  Uhr  am  Königsplatz  beim  Hotel  Kaiserhof,  um  gemeinsam  kunst-  und 
kunstgewerblicheSammlungen  und  industrielle  Etablissements  der  Textilbranche  unter  geeigneterFührung  zu  besichtigen. 

3.  Die  Ortsausschuss -Mitglieder  und  die  einheitnischen  Festtheilnehmer  tragen,  um  als  Auskunftspersonen 
leicht  erkennbar  zu  sein,  neben  dem  Festzeichen  eine  besondere  Schleife. 

4.  Die  Theilnehmerkarten,  Festabzeichen,  Führer,  sowie  die  Festschriften  werden  an  die  Festgäste  nur  gegen 
Vorweis  einer  besonderen  Mitgliedskarte  des  Vereines,  dem  sie  angehören,  beiden  Anmeldestellen  abgegeben. 

5.  Der  Preis  der  Theilnehmerkarten  für  Herren  beträgt  16  M.,  der  Preis  derDamenkarten  ist  auf  12M.  festgesetzt. 

Die  Herrenkarten  berechtigen:  i)  zum  unentgeltlichen  Bezüge  folgender  Festgaben;  a.  der  Festgabe  des 

Augsburger  Architekten-  und  Ingenieur-Vereins  „Album  Augsburger  Ansichten"  in  Lichtdruck,  b.  der  Festschrift 
der  Stadt  Augsburg  „Augsburg  in  kunstgeschichtlicher,  baulicher  und  hygienischer  Hinsicht",  c.  der  Festgabe  der 
Grossindustrie  Augsburgs  „Album  über  Fabrikbauten  und  Verkehrsanlagen“,  2)  zum  Empfange  eines  Führers  von 
Augsburg,  3)  zur  Tlieilnahme  am  Begrüssungsabend,  4)  zur  Theünahme  an  allen  Vorträgen  und  Besichtigungen, 
5)  zur  Theilnahme  am  Festakte  im  „Goldenen  Saale“  des  Rathhauses,  6)  zur  Theilnahme  am  Waldfeste  auf  dem 
Hochablass,  7)  zur  Theilnahme  am  Festessen  (ausschl.  Getränke)  und  am  Gartenfeste  im  Stadtgarten. 

Die  Damenkarten  berechtigen  zur  Theilnahme  an  allen  festlichen  Veranstaltungen,  sowie  zur  Empfangnahme 
des  Führers  von  Augsburg. 

6.  Die  Einführung  von  Gästen  bleibt  dem  Ortsausschüsse  Vorbehalten. 

7.  Anmeldungen  der  Herren  Vereinsmitglieder  sind  der  Vorbereitungen  und  besonders  der  Wohnungen 
halber  spätestens  bis  zum  10.  August  an  den  Geschäftsführer  des  Ortsausschusses,  Hrn.  städt.  Ing.  A.  Niederreiter, 
Stadtbauamt  Augsburg,  gefl.  zu  richten.  Um  Einhaltung  des  obigen  Termines  wird  dringlichst  gebeten,  da  ausser 
Gasthofquartieren  auch  Privatquartiere  inanspruch  genommen  werden  müssen  und  bezüglich  der  letzteren  vorher 
bindende  Vereinbarungen  zu  treffen  sind. 

Augsburg,  im  Juni  1902. 

Der  Vorsitzende  des  Ortsausschusses:  Steinhäusser,  Städt.  Oberbaurath. 

II. 

Tagesordnung  der  XXXI.  Abgeordneten-Versammlung  am  30.  ii.  31.  August  in  Augsburg. 

A.  Geschäftlicher  Theil. 

1.  Allgemeine  Mittheilungen,  Mitglieder-Verzeichniss  und  Mitgliederstand,  Bericht  über  die  litterarischen 
Unternehmungen  des  Verbandes,  Ergebniss  aus  dem  Vertrage  mit  der  Deutschen  Bauzeitung. 

2.  Abrechnung  für  das  Jahr  1901  a)  Allgemeine  Verbandskosten,  b)  Ausgaben  für  das  Werk  „Das  Bauern- 
haus im  deutschen  Reiche  und  in  seinen  Grenzgebieten“. 

3.  Voranschlag  für  1903. 

4.  Wahl  des  Ortes  für  die  Abgeordneten-Versammlung  1903. 

5.  Wahl  des  Ortes  für  die  Wander Versammlung  1904. 

6.  Wahl  zweier  neuen  Vorstands-Mitglieder  für  das  Jahr  1903  u.1904  anstelle  der  beiden  ausscheidenden 
Mitglieder  Hrn.  Bubendey  und  v.  Schmidt  (beide  Herren  gehören  dem  Vorstande  2 Jahre  an,  vergl. 
§ 26  der  Satzungen). 

7.  Bericht  über  die  Veröffentlichung  der  „Denkschrift  über  die  Stellung  der  höheren  städt.  Baubeamten“ 

8.  Bericht  über  den  Fortgang  desWerkes  „Das  Bauernhaus  im  deutschen  Reiche  und  in  seinen  Grenzgebieten“ 

9.  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  „Ausschusses  zur  Wahrnehmung  der  Wettbewerbs-Grundsätze“. 

10.  Bericht  über  die  Betheiügung  des  Verbandes  an  der  mit  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  1902  in 
Düsseldorf  verbundenen  Architektur- Ausstellung. 

TI.  Neuauflage  des  deutschen  Normalprofil-Buches  für  Walzeisen. 

12.  Genehmigung  des  mit  dem  Verein  deutscher  Ingenieure  und  dem  Verein  deutscher  Eisenhüttenleute 
getroffenen  Abkommens  über  die  gemeinsame  Herausgabe  eines  Musterbuches  für  Konstruktionen  für 
den  Feuerschutz  von  Eisenkonstruktionen. 

13.  Theilnahme  des  Verbands-Geschäftsführers  an  den  Sitzungen  aller  Verbands-Ausschüsse. 

14.  Abschluss  gemeinschaftlicher  Versicherungs-Verträge  für  die  Verbands-Mitglieder. 

1 5.  Antrag  des  mittelrheinischen  Arch.-  u.  Ing.-V ereins  auf  Umgestaltung  des  Verbands-Mitglieder-Verzeichnisses. 

16.  Antrag  des  bayer.  Vereins,  das  „Haus  des  Baumeisters“  in  Rothenburg  o.T.  durch  den  Verband  zu  erwerben. 

B.  Technisch-wissenschaftlicher  Theil. 

17.  Bericht  über  die  Ausführung  der  in  Königsberg  durch  die  Abgeordneten-Versammlung  gefassten  Be- 
schlüsse durch  den  Verbands-Vorstand:  a)  Antrag  des  Verbandes  auf  Einstellung  ständiger  Mittel  in  den 
Reichshaushalt  für  die  Denkmalpflege,  in  erster  Linie  für  die  Erhaltung  des  Strassburger  Münsters. 

b)  Kundgebung  des  Verbandes  in  Sachen  der  Doktor -Promotion  an  den  technischen  Hochschulen. 

c)  Kundgebung  des  Verbandes  in  Sachen  eines  neuen  Urheberrechtes  an  Werken  der  bildenden  Kunst. 

18.  Antrag  des  Vorstandes  auf  Nachprüfung  der  „Normalien  für  Hausentwässerungs-Leitungen“  mit  Rück- 
sicht auf  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Einführung  derselben  entgegengestellt  haben.  Erledigung  damit 
zusammenhängender  Fragen, 

19.  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Ausschüsse  über  die  Ausführung  der  in  Königsberg  durch  die  Abge- 
ordneten-Versammlung gefassten  Beschlüsse:  a)  Aufstellung  von  Grundsätzen  für  Bauordnungen.  (Die 
Frage  konnte  noch  nicht  in  Bearbeitung  genommen  werden,  sodass  der  Abgeordneten- Versammlung 
noch  kein  Material  vorgelegt  wird),  b)  Zivilrechtliche  Haftbarkeit  der  Architekten  und  Ingenieure.  (Es 
erscheint  zweifelhaft,  dass  der  Abgeordneten-Versammlung  schon  eine  Vorlage  gemacht  werden  kann, 
aufgrund  deren  Beschlüsse  zu  fassen  sind),  c)  Gebühren  der  Architekten  und  Ingenieure  als  gerichtliche 
Sachverständige.  (Bearbeitet  vom  Verein  zu  Hannover.  Der  Stand  der  Arbeit  ist  derselbe  wie  bei  b.) 

20.  Anträge  aus  den  Vereinen.  Antrag  des  Vereins  der  Architekten  und  Bauingenieure  in  Dortmund  auf 
Aufstellung  eines  Werkvertrages  für  Architekten  und  Ingenieure  nebst  allgemeinen  Bedingungen  unter 
Berücksichtigung  des  bürgerlichen  Gesetzbuches. 

21.  Nachträgliche,  nicht  in  die  Tagesordnung  aufgenoramene  Anträge  usw. 

Im  Juni  1902. 

Der  Vorstand  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine. 

Waldow.  Bubendey.  v.  Schmidt.  Neher.  Eiselen.; 


330 


No.  52. 


Der  Simplon -Tunnel,  mit  I?.ückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel. 

(Nach  einem  im  Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Hamburg  von  Ingenieur  Himmelheber  gehaltenen  Vortrage.*) 

(Hierzu  die  Profiltafel  S.  335.) 


er  Bau  des  Simplontunnels  hat  in  der  jüngst  vergangenen 
Zeit  in  besonderem  Maasse,  sowohl  durch  die  dem 
Unternehmen  in  unerwarteter  Weise  begegneten 
Schwierigkeiten,  als  auch  durch  die  dort  erzielten  Arbeits- 
Fortschritte  den  Blick  der  technischen  Kreise  auf  sich  ge- 
lenkt. Die  Frage  nach  der  Möglichkeit  der  Einhaltung  dei 
von  derBau-UnternehmungübernommenenVerpflichtungen 
wird  dabei  ein  allgemeines  Interesse  bieten,  sodass  der 
Versuch  nahe  liegt,  sich  unter  Berücksichtigung  der  bei 
den  älteren  Alpentunneln  gemachten  Erfahrungen  ein  Bild 
über  den  gegenwärtigen  Stand  des  Unternehmens  und 
seiner  Aussichten  für  die  Zukunft  zu  machen. 

Wenn  ich  daher  nachstehend  an  der  Hand  der  Bau- 
geschichte des  Mont  Cenis-,  des  Gotthard-  und  des 
Arlbergtunnels  die  Grundlagen  für  eine  richtige  Be- 
urtheilung  der  augenbhcklichen  Sachlage  am  Simplontunnel 
zu  gewinnen  suche,  so  stütze  ich  mich  dabei  inbezug  auf 
die  älteren  Tunnelbauten  auf  die  über  dieselben  in  den 
bekannteren  technischen  Zeitschriften  enthaltene  Litteratur 
und  mbezug  auf  den  Simplontunnel  auf  die  Erfahrungen, 
welche  ich  durch  mehrjährige  frühere  Thätigkeit  in  dem 
Geschäfte  der  Hrn.  Brandt  & Brandau,  der  jetzigen 
General-Unternehmer  dieses  Tunnels,  selbst  zu  sammeln 
Gelegenheit  hatte  und  die  Wahrnehmungen,  welche  ich 
bei  wiederholtem  Besuch  der  Baustellen  an  beiden  Tunnel- 
Mündungen  in  Brig  und  Iselle  machen  konnte. 

Ehe  ich  aber  in  die  Besprechung  der  Sache  selbst 
eintrete,  ist  es  mir  ein  Bedürfniss,  den  bauleitenden  Inge- 
nieuren, insbesondere  denHrn.Br  and  au,  Gayen,  v.  Kager 
und  Presse!,  sowie  den  Hrn.  Beissner,  Olshausen, 
Peter  und  Molsen  für  die  grosse  Liebenswürdigkeit 
meinen  Dank  auszusprechen,  mit  der  sie  mich  bei  meinen 
Besuchen  an  Ort  und  Stelle  aufgenommen  und  mit  reich- 
lichem Stoff  für  meine  Studien  versehen  haben.  — 

Für  die  Beurtheilung  der  Hoffnungen,  welche  be- 
züglich der  Einhaltung  der  auf  den  ii.  Mai  1904  vertrag- 
lich festgesetzten  Voliendungsfrist  des  Tunnels  zurzeit  noch 
gehegt  werden  können,  ist  ein  Rückblick  auf  die  bisher 
erzielte  Arbeitsleistung  und  ein  Vergleich  derselben  mit 
den  Fortschritten  bei  den  älteren  Tunnelbauien,  wie  er 
sich  aus  den  Fortschrittsprofilen  dieser  Tunnel  ergiebt, 
das  geeignetste  Material.  Ein  Blick  auf  diese  später  wieder- 
zugebenden Darstellungen  lässt  erkennen,  dass  allerdings 
seit  dem  Baubeginn  des  Mont  Cehis-Tunnels,  selbst  nach 
Einführung  der  maschinellen  Bohrarbeit  daselbst,  bis  zu 
den  Leistungen,  welche  heute  bei  regelmässigem  Arbeits- 
betriebe am  Stollen  des  Simplontunnels  erreicht  werden, 
ein  gewaltiger  Schritt  nach  vorw-ärts  gemacht  worden  ist. 
Daneben  ergiebt  sich  aber  aus  der  Zusammenstellung  der 
Stollenfortschritte  unter  Anwendung  maschineller  Bohrun- 
gen, von  welcher  wir  ebenfalls  später  eine  graphische 
Darstellung  geben,  dass  bei  jedem  einzelnen  der  dabei 
inbetracht  gezogenen  Tunnel  nach  einer  gewissen  Zeit, 
innerhalb  welcher  die  Anfangsschwierigkeiten  auf  den  be- 
treffenden Baustellen  überwunden  wurden,  einBeharrungs- 
zustand  eingetreten  ist,  welcher  bis  zum  Durchschlag  an- 
gehalten hat.  Dagegen  finden  wir  bei  jedem  neu  be- 
gonnenen Tunnel  gleich  am  Anfang  eine  erhebliche  Steige- 
rung der  Leistung  gegenüber  dein  letzten  des  früher  aus- 
geführten Tunnels.  Diese  Wahrnehmung  regt  zu  einer 
Untersuchung  der  Ursachen  an,  welche  der  erwähnten 
Erscheinung  zugrunde  liegen,  und  auch  das  Studium  dieser 
Frage  erfordert  ein  Zurückgreifen  auf  die  Baugeschichte 
der  älteren  Tunneibauten,  denn  die  Ursache  für  die  er- 
zielten grösseren  Fortschritte  wird  durchaus  nicht  allein 
in  der  Vervollkommnung  der  Gesteins-Bohrmaschinen  zu 
finden  sein,  sie  liegt  vielmehr  hauptsächlich  auf  dem  Ge- 
biete einer  zweckmässigen  Organisation  der  ganzen  Arbeit, 
insbesondere  der  Förderung  und  des  Schutterns,  d h.  des 
Abräumens  der  durch  die  Sprengung  vor  Ort  gelösten 
Massen,  sowie  namentlich  auch  in  der  Fürsorge  für  aus- 
reichende Lüftung.  Es  sei  daher  zunächst  eine  kurze 
Darstellung  der  älteren  Ausführungen  vorausgeschickt. 

I.  Mont  Ce|nis-Tunnel. 

Dieser  erste  der  grossen  Alpentunnel  verbindet  das 
Thal  der  Are  im  Norden  mit  dem  Thal  des  in  die  Dora- 
Riparia  einmündenden  Giessbaches  Rochmolles  im  Süden. 
Er  beginnt  im  Thal  der  Are  etwa  105*“  über  Thalsohle  in 
der  Nähe  von  Modane  bei  dem  Orte  Fourneaux  in  der 


Anmerkung  der  Redaktion.  Die  Arbeit  datirt bereits  aus  dem 
Ende  v.  Jahres,  hat  aber  wegen  Raummangel  bisher  nicht  veröffentlicht 
Werden  köiinea.  Die  Angaben  entsprechen  daher  z.  Th.  nicht  mehr  dem 
neuesten  Stande  der  Arbeiten. 

28.  Juni  1902. 


Höhe  von  1202,82  m über  dem  Meeresspiegel,  erreicht  die 
Scheitelhöhe  von  1338,44“  mit  einer  Steigung  von  1:45 
und  fällt  dann  mit  1:2000  nach  dem  auf  1335,38“  über 
Meer  liegenden  Südportal  bei  Bardonnöche.  Die  ganze 
Länge  des  Tunnels  beträgt  12233,55“;  der  Gipfel  des  Col 
de  Frejus,  der  von  dem  Tunnel  unterfahren  wird,  liegt 
1610,73“  ilber  dem  Scheitelpunkt  der  Tunnelsohle.  Diese 
Verhältnisse  sind  aus  dem  Profil  des  Tunnels,  Abbildg.  2, 
Seite  335,  ersichtlich,  welches  auch  die  verschiedenen 
Schichtungen  des  Gebirges  erkennen  lässt. 

Die  Arbeiten  sind  Ende  des  Jahres  1857  auf  der  Nord- 
seite und  Anfang  September  1857  auf  der  Südseite  in  An- 
griff genommen  worden,  und  zwar  zunächst  beiderseits  mit 
Handbohrung,  wobei  durchschnittlich  ein  Fortschritt  des 
Stollens  von  0,60“  für  den  Tag  erzielt  wurde.  Darnach 
hätte  die  Fertigstellung  des  Stollens  etwa  28  Jahre  er- 
fordert. Zur  Abkürzung  der  langen  Bauzeit  fand  man 
jedoch  bald  ein  Mittel  in  dem  Ersatz  der  Handbohrung 
durch  maschinellen  Bohrbetrieb.  Es  war  das  Verdienst  der 
Ingenieure  Grandis,  Grattoni  und  Sommeiller,  nach 
eingehendem  Studium  und  vielen  Versuchen,  das  auf  der 
Verwendung  der  durch  Pressluft  getriebenen  sogenannten 
Sommeiiler’schen  Bohrmaschine  beruhende  System  her- 
ausgefunden zu  haben. 

Der  Grundgedanke  dieser  Bohrmaschine,  welche  für 
alle  später  erfundenen  Percussions-Bohrmaschinen  vor- 
bildlich geworden  ist,  dürfte  so  allgemein  bekannt  sein, 
dass  ich  mich  darauf  beschränken  kann,  kurz  zu  erwähnen, 
dass  der  Bohrer  durch  den  Druck  der  Pressluft  gegen 
den  Grund  des  Bohrloches  geschnellt  und  beim  Zurück- 
ziehen jeweils  um  seine  Längsaxe  etwas  gedreht  wird. 
Hat  das  Bohrloch  eine  Tiefe  erreicht,  bei  welcher  der 
Bohrkolben  den  ganzen  verfügbaren  Hub  im  Zylinder 
ausfuhrt,  so  wird  der  ganze  Bohrzylinder  selbstlhätig  auf 
seinem  Rahmen  gegen  das  Bohrloch  vorwärts  bewegt. 
Nach  Vollendung  des  Bohrloches  kann  er  dann  entweder 
von  Hand  oder  mittels  Pressluft  wieder  zurückgezogen 
werden.  Bei  einem  Ueberdruck  von  5 Atra.  und  einem 
nutzbaren  Querschnitt  des  Bohrkolbens  vom  50““  Durch- 
messer wird  der  Bohrer  unter  einem  Druck  von  950 
gegen  den  Grund  des  Bohrloches  geschleudert  und  zwar 
mit  einer  Geschwindigkeit  von  180  Schlägen  in  der  Minute. 

Die  für  den  Betrieb  der  Bohrmaschinen  erforderliche 
Pressluft  wurde  durch  eine  Art  hydraulischen  Widder 
hergestellt,  zu  dessen  Betrieb  auf  der  Südseite  der 
Giessbach  Mezelet  zur  Verfügung  stand,  welcher  etwa 
1500  Liter  in  der  Sekunde  lieferte.  In  Fourneaux,  wo 
der  Betrieb  auf  das  Wasser  der  Are  angewiesen  war, 
von  welchem  mit  nur  5,6“  Gefälle  abgeleitet  wurden, 
musste  man  dieses  zum  Betrieb  oberschlächtiger  Wasser- 
räder benutzen,  die  ihrerseits  das  Wasser  auf  die  erfor- 
derliche Höhe  zu  pumpen  hatten,  um  es  dann  beim 
Herabfallen  zur  Zusammenpressung  der  Luft  zu  verwenden. 
Statt  dieser  umständlichen  Einrichtung  wurden  später 
unmittelbar  wirkende  Pumpen-Kompressoren  verwendet. 

Die  Arbeit  vor  Ort  war  derart  geregelt,  dass  jede 
Schicht  eine  Attacke  völlig  beendete  und  dann  durch  die 
zweite  Schicht  abgelöst  wurde.  Während  des  grösseren 
Theiles  der  Arbeit  wurden  in  24  Stunden  nur  2 Schichten 
verfahren,  anfänglich  sogar  nur  eine.  Die  Bohrarbeit 
vollzog  sich  wie  folgt;  Der  mit  9 bis  10  Bohrmaschinen 
besetzte  Bohrwagen  wurde  vor  Ort  geschoben  und  dort 
mittels  kräftiger  Bremsen  an  den  Schienen  des  mit  1,078“ 
Spurweite  hergestellten  Gleises  festgeklammert.  Der 
Stollenort  über  dessen  Querschnitts-Abmessungen  die  An- 
gaben recht  erheblich  von  einander  abweichen,  nämlich 
zwischen  3“  Höhe  bei  4“  Breite  und  2,5“  bei  2,8“  wurde 
imganzen  mit  80  Bohrlöchern  von  etwa  0,9  “ Tiefe  besetzt, 
worunter  in  der  Mitte  6 Stück  9 die  übrigen  4 c“  weit 
waren.  Nach  dem  Abbohren  mussten  die  Bohrlöcher 
getrocknet  werden,  was  durch  Einführung  eines  Stromes 
komprimirter  Luft,  oder  mittels  eines  Lappens  geschehen 
sein  soll.  Darauf  wurde  mit  dem  Laden  begonnen,  wozu 
damals  nur  Schwarzpulver  zur  Verfügung  stand.  Beim 
Abschiessen  that  man  zunächst  die  Löcher  in  der  Mitte 
ab,  jedoch  mit  Ausnahme  der  9 cm  weiten,  welche  auch 
nicht  geladen  wurden,  wodurch  ein  Einbruch  von  o,8  bis 
0,9“  Tiefe,  1,3“  Weite  und  etwa  0,4“  Höhe  erzielt  wurde, 
welcher  für  die  Wirkung  beim  Abschiessen  der  übrigen 
Löcher,  die  in  Gruppen  zu  8 abgethan  wurden,  günstig  war. 

Das  Schuttern  wurde  mittels  Körben  besorgt,  mit 
denen  man  kleine  Hunde  belud,  die  auf  Gleisen  von  29=“ 
Spur  zur  Seite  des  Hauptgleises  liefen.  Diese  Hunde 
schob  man  bis  in  den  Vollausbruch  zurück  und  lud  deren 
Inhalt  dort  in  die  grossen  Tunnelförderwagen  um. 


331 


Dieses  Verfahren  war  sehr  umständlich  und  sehr  ver- 
besserungsfähig, denn  gerade  dieser  Theil  der  Arbeit,  die 
zweckmässige  Anordnung  der  Schutterung,  ist  beim  Stollen- 
vortrieb für  die  Erreichung  möglichst  grosser  Stollenfort- 
schritte von  besonderer  Wichtigkeit,  Es  leuchtet  dies 
sofort  ein,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  durch  das  Ab- 
schiessen gelösten  Massen  so  schnell  wie  möglich  entfernt 
werden  müssen,  um  mit  der  neuen  Attacke  beginnen  zu 
können.  Kein  anderer  Theil  der  Vorortsarbeiten  gestattet 
so  sehr,  durch  unmittelbare  Einwirkung  der  höheren  In- 
telligenz des  Ingenieurs  auf  die  Schwerfälligkeit  des  un- 
geübten Arbeiters  den  Fortschritt  der  Arbeit  wirksam  zu 
fördern.  Kein  anderer  Theil  stellt  aber  andererseits  auch 
so  hohe  Anforderungen  an  die  Energie  und  Ausdauer  des 
leitenden  Ingenieurs. 

Zu  den  unmittelbaren  Hülfsmitteln  der  Stollenarbeit, 
dem  Arbeitsgeräth,  den  Hülfsmaschinen  und  der  Organi- 
sation der  Arbeit,  kommt  als  mittelbares  auch  die  Lüftung 
des  Stollenortes  hinzu,  welche  bei  nicht  ausreichender 
Beschaffenheit  unter  Umständen  die  fördernde  Wirkung 
aller  anderen  Hülfsmittel  vereiteln  kann.  Eine  nicht  nur 
hinreichende,  sondern  viel- 
mehr reichliche  Lüftung, 
deren  Herstellung  bei  kleine- 
ren Tunneln  ohne  besondere 
Schwierigkeit  erreichbar  ist, 
gestaltet  sich  bei  zunehmen- 
der Länge  und  wachsender 
Ueberlagerung  einesTunnels 
und  der  damit  verbundenen 
steigenden  Gesteinstempera- 
tur zu  einer  immer  schwie- 
riger zu  lösenden  Aufgabe, 
welche  deshalb  die  ganz 
besondere  Aufmerksamkeit 
der  leitenden  Ingenieure  er- 
fordert. 

Beim  Mont-Cenis-Tunnel, 
dessen  höchste  beobachtete 
Gesteins-Temperatur  30^  C. 
nicht  überschritten,  zum  weit- 
aus grössten  Theil  des  Baues 
aber  lange  nicht  erreicht  ha- 
ben soll,  war  die  Lüftung, 
namentlich  an  der  Südseite 
bei  dem  schwachen  Anstei- 
gen der  Tunnelgradiente  an- 
fangs ausreichend  durch  die 
ausströmendeBetriebsluft  der 
Bohrmaschinen  zu  beschaf- 
fen. Aber  bei  weiterem  Vor- 
dringen in  den  Berg  sah  man 
sich  auch  hier  genöthigt, 
weitere  Hülfsmittel  heranzu- 
ziehen. Man  hat  zu  diesem 
Zweck  den  fertigen  Tunnel 
wagrecht  durch  eine  mit 
Lehm  abgedichtete  Bohlen- 
wand in  einen  unteren  und 
einen  oberen  Theil  getrennt 
und  letzteren  mit  einem  in 
der  Nähe  des  Mundloches  er- 
bauten Schornstein  verbun- 
den, durch  welchen  die  Luft 
aus  dem  Tunnel  abgesaugt 
und  dem  entsprechend  frische 
Luft  durch  den  unteren  Theil 
des  Tunnels  eingesaugt  wurde.  Dies  Mittel  mag  in  dem 
fertiggestellten  Tunnelprofil  auch  die  gewünschte  Wirkung 
gehabt  haben,  an  den  Arbeitsstellen  dagegen,  also  gerade 
da,  wo  eine  gute  Lüftung  hauptsächlich  nothwendig  wird, 
kann  diese  Einrichtung  nicht  durchgeführt  werden,  ver- 
sagt also  den  Dienst.  An  der  Nordseite,  mit  ihrem  scharfen 
Ansteigen  der  Gradiente  sah  man  sich  genöthigt,  besondere 
Ventilatoren  aufzustellen  mit  einer  eigens  für  diesen 
Zweck  hergestellten  Wasserkraft  eines  Zulaufbaches  der 
Are,  des  Charmaix,  von  welchem  0,26  cbm^Sec.  entnommen 
und  mit  einem  nutzbaren  Gefälle  von  70“  zum  Betrieb 
besonderer  Kompressoren  benutzt  wurden. 

Klagen  über  mangelhafte  Lüftung  sind  übrigens  beim 
Bau  des  Mont  Cenis-Tunnels  nicht  laut  geworden,  auch 
hat  man  eine  künstliche  Kühlung  der  Luft  nicht  vor- 
zusehen brauchen,  da  die  Press-Luft  beim  Ausströmen 
eine  grosse  Wärmemenge  verbraucht,  die  sie  der  Stollen- 
luft entnimmt  und  dadurch  diese  abkühlt. 

Die  Fortschritte  des  Richtstollens  sind  aus  dem  in 
Abbüdg.  2 dargestellten  Fortschrittsprofil  ersichtlich.  Es 


ergiebt  sich  daraus,  dass  bei  Beginn  der  maschinellen 
Bohrarbeit  in  Bardonnöche  am  5.  November  i86o  zu- 
nächst keine  Zunahme,  sondern  vielmehr  eine  bemerk- 
bare Abnahme  des  Stollenfortschrittes  eintrat.  Die  Hand- 
bohrung war,  nachdem  anfänglich  einmännig  gebohrt 
worden  war,  bald  in  zweimännige  Bohrung  abgeändert 
und  damit  waren  in  den  Jahren  1858  bis  1860  mittlere 
Tagesfortschritte  von  0,70,  0,65  und  0,56“  erzielt  worden. 
Nach  Einführung  der  Maschinenbohrung  ist  der  mittlere 
Tagesfortschritt. auf  0,47“  gesunken  und  erst  nach  dem 
Jahre  1861,  also  nachdem  schon  5V2  Jahre  Bauzeit  ver- 
strichen waren,  stiegen  die  mittleren  Tagesfortschritte  und 
erreichten  im  Jahre  1&70,  in  dem  am  Weihnachtstage  der 
Durchschlag  erfolgte,  den  Höchstwerth  mit  2,48“  den  Tag. 

An  der  Nordseite  wurde  erst  2 Jahre  später,  nämlich 
am  25.  Januar  1863  mit  der  Maschinenbohrung  begonnen, 
dann  aber  dort  auch  sofort  ein  grösserer  Fortschritt  er- 
zielt, was  sich  daraus  erklärt,  dass  man  vor  Beginn  des 
Maschinenbohrens  in  Fourneaux  die  dazu  bestimmte 
Mannschaft  im  Stollen  von  Bardonnöche  ausgebildet  hatte. 
Im  ganzen  sind  mit  Maschinenbohrung  aufgefahren : Nord- 
seite  4215,3“  in  5^1  Tagen, 
Südseite  6386,5“  in  3712  Ta- 
gen, also  zus.  10601,8“  in 
6603  Tagen,  d.h.  für  i Tag 
durchscnnittl.  1,60“. 

Aus  einer  in  derErbkam- 
schen  Zeitschrift  für  Bau- 
wesen vom  Jahre  1864  ver- 
öffentlichten Schilderung  des 
Ingenieurs  Borelli,  dem  die 
Arbeiten  in  Bardonn^che  un- 
terstellt waren,  erkennt  man 
die  grossen  Schwierigkeiten, 
welche  im  Betriebe  der  Bohr- 
maschinen überwunden  wer- 
den mussten,  bis  ein  für  den 
maschinellen  Betrieb  einiger- 
maassen  geeignetesArbeiter- 
personal  ausgebildet  war. 
Man  muss  die  Energie  und 
zähe  Ausdauer  der  Männer 
bewundern,  welche  trotz  aller 
dieser  Schwierigkeiten  das 
Vertrauen  zu  dem  endlichen 
Erfolg  der  von  ihnen  einge- 
führten  Neuerungen  nicht 
verloren  und  dadurch  die 
Bauzeit  um  volle  15  Jahre 
abgekürzt  haben. 

Auch  aus  den  nachstehend 
zusammengestellten  Zahlen 
ist  zu  erkennen,  welche 
Schwierigkeiten  sich  der  Ein- 
führung des  maschinellen 
Betriebes  zunächst  entgegen- 
stellten. 

Im  Jahre  1861  konnte  aus 
verschiedenen  Gründen  von 
365  Tagen  nur  an  209  Tagen 
gearbeitet  werden. 

Hiermit  wurden  170  “ 
Stollen  hergestellt,  also  im 
Durchschnitt  für  den  Tag 
des  Jahres  0,47  aber  für 
I Arbeitstag  0,81“  gegen 
0,56“  in  Handarbeit  für  den 
Tag  des  Jahres  1859.  — Im  Jahre  1862  wurden  in  325 
Arbeitstagen  380  “ Stollen  fertiggestellt,  also  für  i Tag 
des  Jahres  1,04®,  für  i Arbeitstag  1,17“.  Die  hierfür  auf- 
gewendete Zeit  betrug: 


Ingeoieur  Alfred  Brandt  f 39.  Nov.  1899*). 
(Theilhaber  der  General-Unternehmung  des  Siniplon-Tunnels.) 


zum  Bohren 4443  St. 

„ Laden  und  Schiessen  2029  „ 

„ Schuttern 1502  „ 


II  St.  46  Min. 
5 » 22  „ 

3 » 56  B 


zusammen  7974  St.  21  St.  04  Min. 


Vergl.  die  Nachrufe  in  „Dtecbe.  Bztg.*  1899  S.  615,  und  1900  S.  38. 


In  dieser  Zeit  wurden  45751  Bohrlöcher  von  0.75  bis 
0,80“  Tiefe,  also  im  Ganzen  etwa  35457,02“  Bohrloch 
hergestellt.  Es  waren  also  für  i“  Stollen  etwa  93,308“ 
zu  bohren.  Im  Ganzen  wurden  hierzu  gebraucht  1188 
ausgewechselte  Bohrmaschinen  und  72538  Bohrschneiden. 
Mit  einer  Bohrschneide  konnten  demnach  0,49“  Bohrloch 
hergestelJt  werden  und  es  entfallen  auf  das  Meter  Stollen 
3,12  ausgewechselte  Bohrmaschinen  und  192  Bohr- 
schneiden. An  Pulver  wurden  i8  62a'^s  oder  für  i“ 
Stollen  49  kg  verbraucht. 

Pie  mittlere  Dauer  der  Schicht  betrug: 


33a 


No.  52. 


für  das  Bohren 7 St.  39  Min. 

„ „ Laden  und  Schiessen 3 29  „ 

„ „ Schuttern 2 „ 33  „ 


zus.  13  St.  41  Min. 

und  der  mittlere  Fortschritt  des  Stollenortes  für  die 
Schicht  und,  was  hier  dasselbe  ist,  für  die  Attacke  0,65“. 

Bei  diesen  Zahlen,  welchen  wir  an  anderer  Stelle 
die  entsprechenden  Zahlen  der  später  ausgeführten  Tunnel 


gegenüber  stellen  werden,  fällt  namentlich  der  grosse 
Verbrauch  an  Bohrmaschinen  auf,  aus  welchem  berechnet 
wurde,  dass  für  den  damals  noch  fertig  zu  stellenden 
Tunneltheil  noch  etwa  2000  Bohrmaschinen  erforderlich 
waren.  Auch  die  grosse  Zahl  der  in  der  Schicht  vor 
Ort  beschäftigten  Leute  ist  auffallend  und  lässt  sich  nur 
aus  der  damals  noch  mangelhaft  geordneten  Arbeit  er- 
klären. Die  Kosten  des  Mont  Cenis-Tunnels  haben  60  Mill. 
Francs  betragen,  also  etwa  3920  M.  für  i"»  Tunnel.  — 

(Fortsetenng  folgt) 


Der  Wechsel  im  preuss,  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten. 


'eit  der  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  v.  Thielen 
I nach  dem  zweimaligen  Scheitern  der  grossen  wasser- 
' wirthschaftlichen  Vorlage  im  Abgeordnetenhause 
dem  Kaiser  seine  Entlassung  anbot,  die  jedoch  nicht  ange- 
nommen wurdCj  sind  die  Gerüchte  von  der  Amtsmüdigkeit 
des  Ministers  nicht  mehr  verstummt  und  wiederholentlich 
wurde  sein  Abgang  als  in  sicherer  Aussicht  stehend  be- 


gingen, was  mit  den  übrigen  Theilen  des  Ministeriums,  der 
Wasserbau-  und  Allgemeinen  Bauverwaltung  geschehen 
sollte.  Während  von  der  einen  Seite  die  Bildung  eines 
selbständigenBauten-Ministeriums  verfochten  wurde, wollte 
man  von  der  anderen  diese  Theile  bald  dem  einen,  bald 
dem  anderen  Ministerium  angliedern.  Am  bedenklich- 
sten unter  diesen  Kombinationen  erschien  die  Verbin- 


Der  Simplon-Tunnel.  Abbildg.  1.  Installations-Anlage  au^der  Südseite  des  Siniplon-Tuiinels  bei  Isclle, 


zeichnet  und  bereits  sein  Nachfolger  genannt.  Jetzt  sind 
diese  Vermuthungen  zur  Thatsache  geworden,  der  Minister 
hat  seinen  Abschied  erbeten  und  unter  gleichzeitiger  Ver- 
leihung des  schwarzen  Adler -Ordens  erhalten,  genau 
n Jahre  nachdem  er  dem  Minister  v.  Maybach  in  dem 
verantwortungsvollen  Amte  gefolgt  war.  Als  sein  Nach- 
folger tritt  der  Generalmajor  a.  D.  Budde  an  die  Spitze 
des  Ministeriums  und  gleichzeitig  auch  des  Reichsamtes 
für  die  Venvaltung  der  Reichseisenbahnen. 

Als  Thielen  am  20.  Juni  1891  v.  Maj'bach  als  zweiter 
Minister  der  öffentl.  Arbeiten  im  Amte  folgte,  war  gerade 
im  Jahre  vorher  ein'^Theil  dieses  am  i.  April  1879  vom 
Ministerium  für  Handel  und  Gewerbe  als  selbständige 
Instanz  abgetrennten  Ministeriums,  nämlich  die  Verwaltung 
des  Berg-,  Hütten-  und  Salinenwesens,  diesem  genommen 
und  wieder  an  das  Handelsministerium  überwiesen  wor- 
den. Unter  der  Verwaltung  Thielens  ist  wiederholt  die 
Frage  der  Trennung  des  Ministeriums  der  öffentl.  Arbeiten 
wegen  des  Umfanges  und  der  Verschiedenheit  seiner  Ge- 
schäfte angeregt  und  im  Schoosse  der  Regierung  vielleicht 
auch  näher  erwogen  worden,  wobei  stets  an  die  Schaffung 
eines  selbständigen  Eisenbahn-Ministeriums  gedacht  war, 
während  die  Meinungen  darüber  wesentlich  auseinander 

28.  Juni  1902. 


düng  des  Wasserbaues  mit  dem  Ministerium  für  Land- 
wirthschaft , welche  von  agrarischer  Seite  auf  das 
eifrigste  erstrebt,  zeitweilig  sogar  energisch  gefordert 
wurde.  Eine  solche  Verbindung  musste  die,  nach  der 
ganzen  Sachlage  wohl  nicht  unbegründete  Befürchtung 
aufkommen  lassen,  dass  dann  in  der  Wasserbauverwaltung 
vorwiegend  den  einseitigen  Interessen  der  Landwirthschait 
gedient,  nicht  nach  allgemein  volkswirthschaftlichen  Ge- 
sichtspunkten in  der  Erhaltung  und  dem  Ausbau  unserer 
Wasserstrassen  vorgegangen  werden  würde.  Noch  in 
jüngster  Zeit  vor  dem  Abgang  des  Ministers  v.  Thielen 
ist  diese  Angüederung  als  nahe  bevorstehend  angekündigt 
worden,  wobei  dahingestellt  sein  mag,  ob  wirklich  z.  Zt. 
ernstliche  Erwägungen  nach  dieser  Richtung  hin  statt- 
gefunden haben,  oder  ob  hier  nur  der  Wunsch  der  Vater 
des  Gedankens  gewesen  ist.  Die  Wahl  gerade  des  Herrn 
Budde,  der  noch  bei  der  2.  Berathung  der  wasserwirth- 
schaftlichen  Vorlage  diese,  allerdings  nur  vom  Standpunkte 
der  Landesvertheidigung,  als  Vertreter  des  Kriegsmini- 
steriums in  sehr  entschiedener  Form  vertrat,  lässt  jeden- 
falls eher  darauf  schliessen,  dass  die  Regierung  an  dem 
Worte  „Gebaut  wird  er  doch“  festhält  und  dass  der  neue 
Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  dazu  berufen  sei,  dies 


333 


Wort  in  die  That  umzusetzen.  Liegt  so  eine  Umgestaltung 
des  Ministeriums  nach  der  Richtung  einer  Trennung  des- 
selben wohl  noch  in  weiterer  Ferne,  so  wird  diese  Frage 
doch  wohl  nicht  wieder  verschwinden  und  vielleicht  ist  mit 
V.  Thielen  die  Reihe  der  Minister  schon  wieder  abgeschlossen, 
die  das  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  in  seiner 
jetzigen  ungetheilten  Form  längere  Zeit  leiten  durften. 

Elf  Jahre  hat  v.  Thielen  dem  Ministerium  vorgestan- 
den, nur  2 Jahre  weniger  als  v.  Maybach,  eine  Zeit,  lange 
genug,  um  reformatorische  Ideen  ausreifen  zu  lassen  und 
durchzuführen,  lange  genug,  um  dem  in  ihr  Geschaffenen 
den  Stempel  der  eigenen  Persönlichkeit  aufzuprägen. 
Die  Verwaltung  v.  Thielens  nach  dieser  Richtung  hin  zu 
würdigen,  wobei  es  freilich  schwer  sein  wird,  festzu- 
stellen, wie  weit  das,  was  geschehen  und  erreicht  ist,  der 
eigenen  Initiative  des  Ministers  entsprang,  behalten  wir 
uns  für  später  vor.  Wir  wollen  uns  jetzt  begnügen,  die 
wichtigsten  Momente  dieser  Periode  hervorzuheben. 

Das  Staatseisenbahnnetz,  das  v.  Maybach  1878  vor- 
fand, belief  sich  auf  nur  4800 

Anfangs  der  80  er  Jahre  wurde  dann  in  zielbewusster 
Weise  die  Verstaatlichung  der  Privatbahnen  eingeleitet 
und  in  der  Hauptsache  unter  v.  Maybach’s  Verwaltung 
beendet.  Ihm  gebührt  unzweifelhaft  ein  grosses  Verdienst 
bei  der  geschickten  und  planmässigen  Durchführung  dieses 
weitsichtigen  Gedankens.  Bei  seinem  Abgang  hinterliess 
er  seinem  Nachfolger  ein  Netz  von  fast  25000^00  Staats- 
eisenbahnen,  von  denen  etwas  über  4000 durch  Neu- 
bau, die  übrigen  durch  Erwerbung  hinzugekommen  waren. 
Dieses  Netz  ist  jetzt  auf  rd.  32  000  k-“  erweitert,  davon 
etwa  4500  km  durch  Neubau  geschaffen.  Die  Bauthätigkeit 
des  Staates  hat  sich  also  etwa  auf  gleicher  Höhe  gehalten. 
Der  Rest  ist  hinzugekommen  durch  die  weitere  Erwer- 
bung von  Privatbahnen  und  die  1897  erfolgte  Bildung  der 
preüssisch-hessischen  Eisenbahn-Finanz-  und  Betriebsge- 
meinschaft, deren  Linien  mit  etwas  über  900  km  in  obiger 
Zahl  enthalten  sind.  Dieses  Abkommen  sowie  die  Ueber- 
nahme  des  Betriebes  der  Main-Neckar-Bahn  haben  den 
Gedanken  eines  einheitlich  verwalteten  und  betriebenen 
deutschen  Eisenbahnnetzes  jedenfalls  um  einen  Schritt 
näher  gebracht,  denn  selbst  die  Gegner  eines  solchen 
dürften  sich  den  augenscheinlichen  Vortheilen,  welche  die 
hessische  Betriebsgemeinschaft  in  den  5 Jahren  ihres  Be- 
stehens gebracht  hatj  kaum  verschliessen  können. 

Um  noch  einige  Zahlen  über  die  Entwicklung  des 
staatlichen  Eisenbahnwesens  unter  v.  Thielen  anzuführen, 
sei  nach  den  Angaben  des  im  Vorjahre  erschienenen 
amtlichen  Werkes  „Die  Verwaltung  der  öffentlichen 
Arbeiten  in  Preussen  1890 — 1900“  noch  folgendes  be- 

merkt. Für  neue  Bahnbauten  sind  in  dem  Jahrzehnt 
etwas  über  400  Millionen  Mark  ausgegeben  worden  und 
ein  gleicher  Betrag  für  den  Neu-  und  Ausbau,  sowie  für 
die  Erweiterung  von  Bahnhöfen.  Fast  183  Millionen  Mark 
würden  für  den  zweigleisigen  Ausbau,  sowie  dieVerstärkung 
des  Oberbaues,  im  Durchschnitt  jährlich  73,5  Mül.  Mark 
für  die  Ergänzung  der  Betriebsmittel  ausgegeben.  Be- 
deutend ist  der  Aufschwung  des  Verkehrs  gewesen.  Die 
Verkehrsdichte  für  ikm  Betriebslänge  ist  im  Personen- 
verkehr um  53®/p,  im  Güterverkehr  um  28,4%  gestiegen, 
die  Höhe  der  kilometrischen  Einnahmen  aus  dem  Per- 
sonen- und  Güterverkehr  zusammen  trotz  Tarifermässi 
gungen  um  32%.  Die  Verzinsung  des  Anlagekapitales 
wuchs  von  1889—1899  von  6,260/0  auf  7,280/0  an. 

Einen  Antheil  an  dieser  günstigen  Geschäftslage  schreibt 
sich  die  am  i.  April  1895  erfolgte  Neugestaltung  der 
Eisenbahnverwaltung  zu,  eine  organisatorische  Maassregel 
von  einschneidendster  Wirkung.  Durch  dieselbe  wurde 
die  1880  durch  Maybach  bewirkte  Eintheilung  der  Ver- 
waltung in  die  3 Instanzen  des  Ministeriums,  der  Direk- 
tionen und  der  Betriebsämter,  durch  Aufhebung  des 
letzteren  bei  gleichzeitiger  Vermehrung  der  Direktionen 
von  II  auf  20  im  Sinne  einer  schärferen  Zentralisirung 
und  eines  vereinfachten  Geschäftsganges  umgestaltet,  ein 
Ziel  das  jedenfalls  erreicht  wurde,  wenn  auch  die  Wirkung 
dieser  Neuordnung  nicht  nach  allen  Richtungen  hin, 
namentlich  auch  nicht  für  die  im  Eisenbahndienste  stehen- 
den Baubeamten  durchweg  vortheilhaft  gewesen  ist. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Entwicklung  des 
Eisenbahnwesens  war  ferner  der  in  den  Anfang  der 
Thielen’schen  Aera  fallende  Erlass  des  Kleinbahn-Gesetzes 
vom  28.  Juli  1892,  welcher  die  bisherige  Unbestimmtheit 
und  Unzulänglichkeit  der  Rechtsverhältnisse  beseitigte.  Das 
Gesetz  vom  8.  April  1895  zur  Förderung  des  Kleinbahn- 
wesens durch  Gewährung  staatlicher  Beihülfe  vervollstän- 
digte die  günstige  Wirkung  des  ersteren.  Während  bei 
Erlass  des  Kleinbahn- Gesetzes  nur  1025  vorhanden 
waren,  war  diese  Länge  bis  i.  März  1900  bereits  auf  7267 


1)  Vgl.  die  au.sfülBrliclieu  MittheiJungen  in  „Dtsclie.  Bztg.“  jgoi.  S.  211. 


gestiegen.  Allerdings  können  die  Unternehmungen  nicht 
alle  als  gesunde  bezeichnet  werden  und  ist  mitunter  wohl 
mehr  mit  Enthusiasmus  als  mit  ruhiger  Ueberlegung  vor- 
gegangen worden. 

Auf  die  technische  Entwicklung  des  Eisenbahnwesens 
einzugehen,  behalten  wir  späteren  Erwägungen  vor.  Dass 
auf  diesem  Gebiete  vieles  geschaffen,  manches  unterblieben 
ist,  dass  die  Verwaltung  nicht  immer  führend,  sondern 
manchmal  geschoben,  erst  unter  dem  Druck  der  öffent- 
lichen Meinung,  vorgegangen  ist,  wird  jeden,  der  die  leb- 
haften Erörterungen  über  diesen  Gegenstand  nicht  nur  in 
der  Tagespresse,  sondern  auch  im  Parlamente  mit  einiger 
Aufmerksamkeit  verfolgt  hat,  nicht  entgangen  sein.  Dass 
die  fiskalischen  Gesichtspunkte  der  Verwaltung  hieran, 
wie  an  dem  langsamen  Fortschritt  der  Tarifreformen  viel- 
fach die  Schuld  tragen,  ist  ebenfalls  bekannt,  Gesichts- 
punkte, welche  der  Verwaltung  selbst  vielleicht  öfter  gegen 
ihren  eigenen  Wunsch  von  anderer  Seite  durch  die  Ver- 
quickung der  Eisenbahnfinanzen  mit  den  allgemeinen 
Staatsausgaben  aufgezwungen  worden  sind,  wobei  ihrem 
Leiter  aber  der  Vorwurf  nicht  erspart  werden  kann, 
diesen  Einflüssen  nicht  immer  ausreichenden  Widerstand 
entgegengesetzt  zu  haben. 

Auf  dem  Gebiete  des  Wasserbaues  hat  das  Ministerium 
Thielen  von  dem  Vorgänger  die  Restarbeiten  für  die  Ver- 
besserung der  Schiffbarkeit  der  5 grossen  Ströme  über- 
nommen, für  welche  imganzen  90  Mül.  M.  nach  dem  Ende 
der  70  er  Jahre  aufgestellten  Plane  verwendet  wurden. 
Diese  Arbeit  wurde  ergänzt  durch  die  1894  beschlossene 
Nachreguiirung  hinsichtlich  des  Niederwasserprofils.  Die 
Nothwendigkeit  des  Ausbaues  der  bis  zur  Mitte  der  70  er 
Jahre  stark  vernachlässigten  preussischen  Wasserstrassen 
ist  vom  Ministerium  Thielen  in  erhöhtem  Maasse  aner- 
kannt und  vertreten  worden.  Es  ist  das  jedenfalls  als  ein 
besonderes  Verdienst  zu  betrachten,  da  zweifellos  der 
Minister,  dem  die  beiden  grossen  Verkehrsmittel  der  Eisen- 
bahnen und  Wasserstrassen  unterstellt  sind,  sich  in  einem 
gewissen  Widerstreit  der  Interessen  befindet.  Dass  dieser 
Widerstreit  nur  ein  scheinbarer  ist,  dass  die  beiden  Ver- 
kehrsmittel nicht  nur  vollberechtigt  neben  einander  be- 
stehen können,  sondern  dass  sie  sich  auch  gegenseitig  er- 
gänzen und  unterstützen,  ist  wohl  zum  ersten  Male  an 
dieser  Stelle  in  so  nachdrücklicher  Form  ausgesprochen 
worden,  wie  das  bei  der  wasserwirthschaftlichen  Vorlage 
geschehen  ist.  Dass  diese  für  die  ganze  wirthschaftliche 
Entwicklung  des  nördlichen  Deutschland  so  überaus  wichtige 
Vorlage  scheiterte,  ist  aber  nicht  zum  kleinen  Theile  der 
schwankenden,  unklaren  Haltung  der  Regierung  zu  ver- 
danken. Wenn  der  Minister  die  Vorlage  auch  im  Parla- 
mente nachdrücklich  und  geschickt  vertreten  hat,  so  hat 
er  doch  Gegensti'ömungen,  die  anscheinend  im  Schoosse 
der  Regierung  selbst  vorhanden  waren,  nicht  den  nöthigen 
Widerstand  entgegensetzen  können. 

Imganzen  sind  in  dem  Jahrzehnt  von  1890—1900  für 
wasserbauliche  Zwecke  424  Mül.  M.  verwendet  worden, 
davon  ein  beträchtlicher  Theil  für  Kanalisirungen,  Kanal- 
und Hafenbauten.  Der  Dortmund- Ems-Kanal,  der  Torso 
des  Mittelland-Kanales,  ist  ein  besonders  hervorragender 
Theil  dieser  ThätigkHt.  Im  übrigen  bilden  die  Erhebungen 
und  Ausführungen  zur  Abwehr  der  Hochwasser-Gefahren 
einen  wichtigen  Abschnitt  in  der  Thätigkeit  des  verflosse- 
nen Ministeriums,  die  hier  allerdings  erst  hervorgerufen 
wurde  durch  schwerwiegende  Katastrophen. 

Organisatorisch  ist  das  Ministerium  noch  zuletzt  auf 
dem  Gebiete  des  Wasserbaues  aufgetreten  durch  die  Er- 
richtung der  Zentralstelle  für  die  Fragen  der  Wasserver- 
sorgung und  Wasserreinigung  und  ganz  kürzlich  durch 
die  Schaffung  der  „Zentralstelle  für  Gewässerkunde". 
Letztere  war  aUerdings  nachgerade  zu  einem  unabweis- 
baren Bedürfnisse  geworden. 

Auf  die  Thätigkeit  und  die  Entwicklung  der  Hochbau- 
Verwaltung  einzugehen,  versagen  wir  uns  zunächst.  Das 
gleiche  gilt  von  dem  Einfluss  des  Ministeriums  Thielen 
auf  die  Gestaltung  der  Ausbüdung  der  Staatsbaubeamten 
und  ihrer  Stellung  gegenüber  den  Verwaltungs-Beamten. 
In  erster  Hinsicht  sind  durchgreifende  Maassregein  trotz 
wiederholter  Umänderung  der  Prüfungs-Vorschriften  nicht 
zu  verzeichnen,  abgesehen  von  der  Trennung  nach  den 
beiden  Richtungen  des  Wasser-  und  des  Eisenbahnbaues 
in  der  Baumeister-Prüfung.  Die  Wirkung  der  letzten  Ver- 
fügungen über  die  Annahme  zum  Staatsbaudienst  lässt 
sich  noch  nicht  recht  übersehen.  Sie  können  je  nach 
ihrer  Anwendung  einen  recht  verschiedenen  Erfolg  haben. 
Inbezug  auf  die  Verbesserung  der  Stellung  der  Baubeamten 
ist  bisher  herzlich  wenig  geschehen.  Im  wesentlichen  ist 
es  bei  der  Versicherung  des  WohlwoUens  geblieben.  Was 
erreicht  ist,  musste  in  stetem  Kampfe  abgerungen  werden, 
allerdings  auch  gegen  Kräfte,  die  ausserhalb  des  Mini- 
steriums selbst  lagen. 


334 


No.  52. 


Anstelle  des  Verwaltungs-Beamten,  der  seit  1864  dem 
Eisenbahndienste  angehörte,  also  den  grössten  Theil  der 
Entwicklung  desselben  mit  durchgemacht  hat,  und  zwar 
lange  Zeit  schon  in  leitender  Stellung,  tritt  jetzt  der 
General,  anstelle  des  Siebzigjährigen  ein  Mann,  der  eben 
die  Fünfzig  überschritten  hat,  übrigens  kein  Neuling  im 


Fabriken.  In  dieser,  wenn  auch  nicht  lange  dauernden 
Thätigkeit  wird  er  immerhin  einigen  Einblick  in  die  Be- 
dürfnisse der  Grossindustrie  und  in  eine  Leitung  nach 
kaufmännischen  Gesichtspunkten  gewonnen  haben.  Nach 
diesem  Vorleben  wird  er  kaum  ausgeprägte  bureaukratische 
Neigungen  mitbringen  und  wohl  auch  nicht  zu  denjenigen 


Abbildg.  2.  Mont  Cenis-Tunnel  (Länge  13233,55m). 

Der  Simplon- Tunnel,  mit  Rückblicken  aut  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel. 


Eisenbahnfache,  gehörte  er  doch  fast  14  Jahre  der  Eisen-  gehören,  welche  den  Verwaltungsjuristen  unter  allen  Um- 
bahn-Abtheüung  des  grossen  Generalstabes  an  und  zwar  ständen  und  in  allen  Berufszweigen  als  die  geeignetste 
von  1895  bis  zu  seinem  Ausscheiden  aus  der  Armee  1901  Persönlichkeit  für  die  leitenden  Stellungen  halten.  Der 
als  Chef  derselben.  Dann  übernahm  er  die  Stellung  eines  Technik  und  namentlich  der  Baukunst  wird  er  wohl  nicht 
Generaldirektors  der  deutschen  Waffen-  und  Munitions-  viel  fremder  gegenüber  stehen,  als  das  bei  seinen  Vor- 

28.  Juni  1902. 


335 


gän^ern  der  Fall  war.  Dass  er  seine  glänzende  Stellung  Stamm  tüchtiger  Kräfte,  gelingen,  die  Eisenbahn-  und 
aufgiebt,  um  dafür  das  mühevolle  Amt  des  Ministers  zu  Bauverwaltung  nicht  nur  auf  ihrer  jetzigen  Höhe  zu  er- 
übernehmen,  insbesondere  in  diesem  Momente,  spricht  da-  halten,  sondern  sie  auch  sowohl  nach  der  technischen,  wie 
für,  dass  er  sich  mit  voller  Kraft,  mit  Einsetzen  seiner  nach  der  wirthschaftlichen  Seite  weiter  zu  fördern  und  sie 
ganzen  Persönlichkeit,  der  neuen  Aufgabe  widmen  wird,  in  ihrer  Verwaltung  mit  einem  freien  Geiste  zu  durch- 
— Möge  es  ihm,  unterstützt  durch  den  vorhandenen  dringen.  — Fr  E 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Hamburg.  Vers, 
am  4,  April  1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  63  Pers. 

Der  Hr.  Vorsitzende  theilt  ein  Schreiben  des  sogen. 
„Vierstädtebundes",  einer  Vereinigung  der  Bauhütten 
von  Hamburg,  Altona,  Wandsbeck  und  Harburg  mit, 
in  welchem  unter  Schilderung  der  Ergebnisse  von  Ver- 
handlungen, welche  mit  den  Bauarbeitern  stattgefunden 
haben,  nochmals  das  Ersuchen  an  den  Verein  gerichtet 
wird,  seine  Mitglieder  zur  Aufnahme  der  Stremklausel 
in  die  Bauverträge  zu  veranlassen.  Ueber  diesen  Gegen- 
stand, der  durch  einen  Vereins-Ausschuss  berathen  wird, 
soll  später  berichtet  werden.  Ferner  wird  eine  Einladung 
zur  Theilnahme  an  dem  IX.  internationalen  Schiffahrts- 
Kongress  in  Düsseldorf,  sowie  eine  Aufforderung  zur 
Theilnahme  an  der  74.  Vers,  deutscher  Naturforscher  und 
Aerzte  in  Karlsbad  in  Umlauf  gesetzt.  Endlich  wird,  einem 
von  dem  Verleger  Gerhard  Kühtmann  in  Dresden  ausge- 
sprochenen Wunsche  folgend  nochmals  auf  die  günstigen 
Bedingungen  aufmerksam  gemacht,  welche  den  Subskriben- 
ten auf  die  Werke  über  das  Bauernhaus  gestellt  sind, 
und  um  möglichst  zahlreiches  Subskribiren  ersucht. 

Darauf  erhält  das  Wort  Hr.  Rud.  Schröder,  welcher, 
unterstützt  durch  eine  grosse  Zahl  von  Lichtbildern,  zu- 
nächst die  bauliche  Entwicklung  des  in  seiner  ersten  An- 
lage von  Ing.  Lindley  herrührenden  „Wasserwerkes 
in  Rothenburgsort“  schildert  und  dann  zu  einer  ein- 
gehenden Beschreibung  der  ersten  Anlage  und  des  weiteren 
Ausbaues  der  Maschinenanlage  übergeht.  Aus  den  Aus- 
führungen des  Redners  geht  hervor,  welche  ausserordent- 
liche Ausdehnung  dieses  Werk  im  Läufe  der  seit  seiner 
Gründung  verflossenen  50  Jahre  erfahren  hat,  und  wie 
mit  dem  Uebergang  zur  Anwendung  des  Riedler’schen 
Systemes  der  schnellaufenden  Pumpen  mit  gesteuerten 
Ventilen,  eine  wesentlich  günstigere  Ausnutzung  des  vor- 
handenen Raumes,  und  ein  ökonomischeres  Arbeiten  der 
Dampfmaschinen  und  Pumpen  erreicht  worden  ist.  Zum 
Schluss  giebt  Redner  noch  eine  Schilderung  von  Ver- 
suchen, welche  angestellt  worden  sind  um  die  Zusätz- 
widerstände  zu  ermitteln,  welche  durch  die  Zwangs- 
steuerung der  Pumpenventile  entstehen  und  durch  die 
Dampfmaschinen  mit  zu  überwinden  sind,  um  danach  be- 
urtheilen  zu  können,  ob  die  Anwendung  des  Riedler’schen 
Systemes  ökonomisch  richtig  ist.  Als  Ergebniss  dieser  Ver- 
suche, deren  Fortführung  auf  den  maschinentechnischen 
Laboratorien  der  technischen  Hochschulen  vom  Redner 
als  wünschenswerth  bezeichnet  wird,  ergiebt  sich,  dass 
man  recht  daran  gethan  hat,  bei  dem  hiesigen  Wasserwerk 
zu  der  Einführung  der  schnellaufenden  Pumpen  mit  ge- 
steuerten Ventilen  überzugehen,  indem  dadurch  ein  be- 
achtenswerther  wirthschaftlicher  Vortheil  erreicht  worden 
ist.  Eine  ausführliche  Wiedergabe  des  Vortrages,  hat  sich 
Redner  Vorbehalten,  der  den  Dank  und  Beifall  des  Vor- 
sitzenden und  der  Versammlung  fand.  — Hm. 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
den  Erweiterungs-  bezw.  Umbau  des  Restaurations-Gebäu- 
des auf  dem  Steinberge  zu  Lauban  schreibt  der  Magistrat 
dieser  Stadt  mit  Frist  zum  31.  Dezember  d.  J.  unter  den 
Architekten  Deutschlands  (deutsche  oder  in  Deutschland 
lebende  ?)  aus.  Bausumme  nicht  über  70000  M.  einschl. 
der  Einrichtungskosten  der  neu  zu  bauenden  Gesellschafts 
Säle.  Maasstab  der  Zeichnungen  1:100,  ausserdem  wird 
ein  „spezieller"  Kostenanschlag  verlangt.  Ausgesetzt 
sind  zwei  Preise  in  Höhe  von  1200  bezw.  800  M.,  deren 
Zuerkennung  durch  ein  „besonderes  Schiedsgericht" 
erfolgt.  (Namen  werden  zunächst  nicht  genannt.)  Unter- 
lagen werden  gegen  Erstattung  der  Selbstkosten  nach 
Meldung,  die  bis  zum  15.  Juü  zu  erfolgen  hat,  bis  zum 
15.  August  d.  J.  ausgehändigt.  Nach  allem  scheint  die 
Vorbereitung  der  Ausschreibung  noch  nicht  beendet  zu 
sein.  Wir  behalten  uns  daher  ein  Urtheil  für  später  vor. 

Im  Wettbewerb  Püegerinnenheim  zu  Mainz  (vergl. 
S.  116  u.  128),  für  welchen  nicht  weniger  als  98  Entwürfe 
eingegangen  waren,  erhielt  den  I.  Preis  die  Arbeit  mit  dem 
Kennworte  „Heim",  Verf.  die  Hrn.  Arch.  Breslauer  & 
Salinger  in  Berlin,  den  II.  Pr.  der  Entwurf  „Wahrheit 
und  Klarheit",  Verf.  die  Hrn.  Arch.  Baeppler  & Graeff 
in  Frankfurt  a.  M,,  den  III.  Pr.  die  Arbeit  mit  dem  Kenn- 

336 


Worte  „Ohne  Fleiss,  kein  Preis",  Verf.  Hr.  Arch- 
Thelemann  in  Berlin.  Die  Beschlüsse  des  Preisgerichtes 
waren  einstimmig  gefasst.  Die  Arbeiten  sind  bis  2.  Juli  im 
Konzertsaal  der  Liedertafel  in  Mainz  öffentlich  ausgestellt. 

Zum  Wettbewerb  Rathhaus  zu  Kassel  sind  119  Ent- 
würfe eingegangen.  Das  Preisgericht  kann  daher  erst  am 
14.  Juli  nach  Erledigung  der  Vorarbeiten  zusammentreten. 
Den  beiden  Entwürfen  „1902“  und  „913 — 1902"  lag  ein 
verschlossenes  Briefkouvert,  das  den  Namen  enthalten  soll, 
nicht  bei.  Der  Magistrat  ersucht  um  nachträgliche  Ein- 
sendung. — 

Aus  dem  2.  engeren  Wettbewerb  Theater  in  Dortmund 
(vergl.  190t  S.  538  u.  548)  ist  Hr.  Prof.  Martin  Dülfer  in 
München  als  Sieger  hervorgegangen.  — 

Das  Ergebniss  eines  Wettbewerbes  um  Entwürfe  zur 
Parzellirung  eines  der  Terrain-A.-G.  „Park  Witzleben“  in 
Charlottenburg  gehörenden  Geländes,  welcher  unter  den 
Mitgliedern  des  Deutschen  Techniker-Verbandes  veran- 
staltet war,  ist  am  27.  u.  28.  Juni  d.  J.  im  Architektenhause 
zu  Berlin  von  9—5  Uhr  öffentlich  ausgestellt.  — 

Einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  Kochherdanlagen 
in  Mannschaftsküchen  schreibt  das  kgl.  bayerische  Kriegs- 
Ministerium  unter  in  Deutschland  ansässigen  Firmen,  welche 
sich  mit  der  Herstellung  von  Kochanlagen  für  Massenver- 
pflegung befassen,  mit  Frist  zum  i.  Okt.  d.  J.  aus.  Pro- 
gramm und  nähere  Auskunft  sind  von  der  Intendantur 
des  II.  bayer.  Armeekorps  zu  erlangen.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Geh.  Mar.-Brth.  und  Schiffbaudir. 
Brinkmann  beim  Reichsmar.-Amt  ist  zur  Werft  nach  Wilhelms- 
haven und  der  Geh.  Mar.-Brth.  u.  Schiffbaudir.  J a e g e r in  Wilhelms- 
haven zum  Reichsmar.-Amt,  beide  z.  i.  Okt.  d.  J.  versetzt. 

Bayern.  Dem  städt.  Brth.  Schmetzer  in  Regensburg  ist 
die  rv.  Kl.  des  Verdienstordens  vom  hl.  Michael  verliehen. 

Die  Ob.-Bauinsp.  Wagner  in  Bamberg,  Gumprich  in 
Kempten , März  u.  Kalckbrenner  in  Nürnberg , G a r c i s in 
Regensburg,  Westhoven  in  Rosenheim  und  Sperr  in  Weiden 
sind  zu  Dir. -Räthen,  die  Staatsbaupraktik.  Ad.  Schnabl  und 
Ernst  S t e i n d 1 e r zu  Eisenb.-Assessoren  bei  d.  Gen. -Dir.  ernannt. 

Der  Ob.-Bauinsp.  Schlagintweit  in  Regensburg  ist  s.  Ans. 
entspr.  in  den  Ruhestand  versetzt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anmerkung  der  Redaktion.  Die  Anfragen  für  unseren  Brief- 
und  Fragekasten  häufen  sich  in  der  letzten  Zeit  in  einer  solchen 
Weise,  dass  die  Beantwortung  derselben  bei  dem  bescheidenen 
Raum,  den  wir  dieser  nur  zur  Verfügung  stellen  können,  sich  gegen 
unseren  Willen  vielfach  verzögert.  Wir  sehen  uns  daher  zu  der 
Bemerkung  genöthigt,  dass  wir  nur  noch  die  Anfragen  von  all- 
gemeinem Interesse  berücksichtigen  können,  welchen  der 
Nachweis  des  Bezuges  unseres  Blattes  beigefügt  ist. 
Wenig  Aussicht  auf  Beantwortung  haben  ausserdem  die  Anfragen, 
deren  Erledigung  auf  dem  Wege  der  Anzeige  möglich  ist.  Grund- 
sätzlich sollte  der  Briefkasten  nur  dann  in  Anspruch  genommen 
werden,  wenn  andere  Wege  versagen.  — • 

Hrn.  Bmstr.  A.  T.  in  Groitsch.  Entscheidend  ist  der  Arbeits- 
vertrag mit  den  gedungenen  Maurern.  Sind  sie  für  einen  bestimmten 
Bau  ausserhalb  des  Ortes,  wo  der  Arbeitgeber  seine  Niederlassung 
hat,  angenommen,  so  gilt  die  vereinbarte  Arbeitsstelle  als  der  Ort, 
an  welchem  die  Maurer  ihre  Dienste  zu  leisten  haben  und  steht  ihnen 
keine  Vergütung  für  die  Zeit  zu,  welche  sie  auf  den  Weg  von  ihrer 
Wohnung  zu  der  Aibeitsstelle  brauchen.  Sind  sie  dagegen  für  den 
Ort  der  Niederlassung  des  Bauunternehmers  gedungen,  so  leisten 
sie  den  Weg  von  hier  bis  zur  ausserhalb  gelegenen  Arbeitsstelle 
auf  Veranlassung  des  Arbeitgebers  und  für  diesen,  weshalb  sie 
Vergütung  für  die  auf  den  Weg  verwandte  Zeit  zu  beanspruchen 
haben.  Dieser  Unterschied  ist  auch  für  die  Beantwortung  Ihrer 
zweiten  Frage  maassgebend.  Im  ersteren  Falle  braucht  der  Arbeit- 
geber den  weit  hergekommenen  Maurern  keine  Erholungspause  zu 
gewähren,  während  es  im  anderen  zu  geschehen  hat,  weil  die  Zu- 
rückleguDg  des  Weges  eben  schon  ein  Theil  der  verlangten  und 
gewährten  Arbeitsleistung  ist.  Uebrigens  sind  die  beregten  Ver- 
hältnisse schon  oft  Gegenstand  eines  Rechtsstreites  gewesen  und 
haben  überwiegend  in  dem  vorerörterten  Sinne  Beantwortimg  ge- 
funden. Dies  gilt  namentlich  von  Fällen,  die  ihre  Beurtheilung  ent- 
weder vor  Gewerbegerichten  oder  im  Gemeindeverwaltungs-Ver- 
fahren gefunden  hatten.  — K.  H-e. 

Inhalt;  Verband  deutscher  Arch.-  und  Ing.-Vereine.  — Der  Simplon- 
Tuunel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-TunneL 
— Der  Wechsel  im  preuss.  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten.  — Mit- 
theüungen  aus  Vereinen.  — Preishewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — 
Brief-  und  Fragekast^ 


Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  i.  V.  Fritz  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wüh,  Greve,  Berlin. 

No.  52. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  53.  Berlin,  den  2.  Juli  1902. 


Gewölbte  Brücken  bei  den  Niagara- Fällen. 


ine  in  mehrfacher  Beziehung  beachtenswerthe 
Brückenanlage  ist  Ende  v.  J.  in  Amerika  fertig- 
gestellt  worden.  Es  handelt  sich  um  die  Erneuerung 
abgängig  gewordener  eiserner  Strassenbrücken  zur  Ver- 
bindung des  Festlandes  mit  der  Insel  Green-Island  und 
von  Green-Island  mit  Goat-Island  bei  den  Niagara-Fällen 
durch  gewölbte  Brücken  (Betonbögen  mit  Eiseneinlage 
und  Haustein-Verblendung).  Die  Brücken  liegen  innerhalb 
der  Niagara-Reservation,  etwa  150™  oberhalb  des  Randes 
des  America-Falls,  also  an  einer  Stelle,  welche  einerseits 
wegen  ihrer  landschaftlichen  Grossartigkeit  an  die  äussere 
Erscheinung  des  Brückenbaues  besondere  Anforderungen 
stellte,  andererseits  für  die  Ausführung  von  gewölbten 
Brücken  grosse  Schwierigkeiten  bot  wegen  der  daselbst 
herrschenden  reissenden  Strömung  bei  einer  Wassertiefe  bis 
za  3,25  “ und  der  erheblichen  Spannweiten,  welche  dement- 
sprechend den  Bögen  zur  möglichstenVerringerung  derZahl 
der  Pfeiler  zu  geben  war.  Diese  Umstände  lassen  ganannte 
Brückenanlage  als  eine  besonders  interessante  erscheinen. 

Die  alte  abgängige  Brückenanlage,  deren  Hauptträger 
aus  einfachen  eisernen  Fachwerksträgern  mit  bogen- 


förmigem Obergurt  und  wagrechtem  Untergurt  bestehen, 
stammt  aus  dem  Jahre  1855  und  ist  die  dritte  der  über 
die  „Fälle"  gespannten  Brücken.  Sie  weist  4 Oeffnungen, 
also  3 Strompfeiler  auf.  Mit  Rücksicht  auf  die  bevorzugte 
Lage  des  Bauwerkes  gab  man,  wie  schon  erwähnt,  bei 
Gelegenheit  des  Neubaues  einer  massiven  Ausführung  den 
Vorzug.  Bestimmend  wirkte  dabei  auch,  dass  die  Fahr- 
bahn der  Brücke  sich  nur  wenig  über  den  unter  ihr  in 
rasender  Eile  dahinbrausenden  Wasserstrom  erhebt,  so- 
dass  der  Bau  einer  schon  allein  durch  die  Kühnheit  und 
Grossartigkeit  ihrer  Linienführung  wirkenden  Eisenbrücke, 
entsprechend  den  anderen  Niagara-Brücken,  nicht  in  Be- 
tracht kommen  konnte. 

Die  Architektur  der  Anlagen  ist  absichtlich  einfach 
gehalten,  nur  durch  wenige  schlichte,  aber  kräftige  Linien 
wirkend.  Abbildg.  i giebt  eine  Ansicht  der  stromaufwärts 
gerichteten  Seite  der  grösseren  der  beiden  Brücken 
zwischen  dem  Festland  und  Green-Island.*)  Diese  Brücke 
besitzt  3 Oeffnungen,  deren  mittelste  eine  Spannweite  von 
33.53“  aufweist,  während  die  beiden  Seitenöffnungen 
Spannweiten  von  je  31,55™  erhalten  haben.  Die  Pfeil- 
höhen der  Bögen  betragen  3,51  ™ 
bezw.  3,05™,  also  etwa  ’/io 
Spannweite.  Die  Stärke  der 
beiden  Strompfeiler  ist  auf  4,11  ™ 
bemessen.  Die  Quaderverblen- 
dung der  Brückenstirn  einschl. 
der  geschlossenen  Geländer- 
brüstung erfolgte  durch  ein- 
fachen bossirten  Haustein ; glatt 
bearbeitet  sind  lediglich  das 
Hauptgesims  und  die  Abdeck- 
platte der  Brüstung,  sowie  die 
Pfeilerköpfe.  Die  Pfeiler  sind 
durch  vorspringende  Pfeiler- 
bauten,  welche  im  übrigen  ge- 
nau wie  die  Gewölbe-Ansichts- 
flächen behandelt  sind,  in  der 
Brückenansicht  hervorgehoben. 

Während  des  Baues  der 
Brücken  konnte  der  Wagen- 
verkehr unterbrochen  werden, 
für  den  Fussgängerverkehr  da- 


Abbildg.  I.  Betonbrücke  mit  Haustein-Verblendung  vom  Festland  nach  Green-Island. 


*_)  Wir  entnehmen  die  Abblldgn. 
dem  Scientific  American  1901,  .S.  327. 


Die  Auffindung  des  Khalifenschlosses  Amra 
in  der  nordarabischen  Wüste. 

1er  in  dem  Werke  des  Grafen  Adolf  Friedrich  von 
I Schack  über  die  „Poesie  und  Kunst  der  Araber  in 
^ Spanien  und  Sizilien“  die  Schilderung  der  Bauthätig- 
keit  dieses  für  die  Kunst  so  reich  begabten  morgenländischen 
Volksstammes  liest,  der  unterliegt  dem  Eindruck,  sich  nicht 
einer  Welt  der  Wirklichkeit,  sondern  einer  Märchenwelt 
gegenüber  zu  befinden.  Aehnlich  geht  es  dem  Leser  der 
Niederschrift  eines  Vortrages,  welchen  der  Orientalist  an 
der  Wiener  Universität,  Hofrath  Dr.  Jos.  Karabacek,  in 
der  feierlichen  Sitzung  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Wien  am  28.  Mai  über  „die  Auf- 
findung eines  Khalifenschlosses  in  der  nord- 
arabischen  Wüste"  hielt.  Es  ist  eine  der  merk- 
würdigsten, mit  dem  vollen  Zauber  orientalischer  Märchen- 
haftigkeit umgebenen  Entdeckungen,  über  welche  der 
Vortrag  berichtet,  eine  Entdeckung,  welche  geeignet  ist, 
das  vielfach  lückenhafte  Bild  maurischer  Kunst  zu  be- 
reichern, eine  Entdeckung,  deren  hervorragende  wissen- 
schaftliche und  künstlerische  Bedeutung  dem  furchtlosen 
Wagemuth  und  der  unermüdlichen  Ausdauer  eines  oester- 
reichischen  Künstlers  und  eines  oesterreichischen  Gelehrten 
zu  verdanken  ist. 

Ein  junger  Priester  der  Olmützer  Erzdiöcese,  Dr. 
Alois  Musil,  wurde  im  November  1895  nach  Jerusalem 
entsendet,  um  an  der  von  französischen  Dominikanern 
geleiteten  „Ecole  biblique“  seine  Bibel-Studien  zu  vollenden. 
Nach  mehrfachen  Reisen  in  Palästina  und  den  angrenzenden 
Landgebieten  reifte  in  ihm  der  Entschluss,  nunmehr  ein 
Forschungsgebiet  zu  besuchen,  welche.s  bis  dahin  fast 
unbekannt  war  und  welches  nach  der  alttestamentlichen 
Exegese  eine  reiche  Ausbeute  versprach.  Es  war  das 


Gebiet,  das  westlich  an  Aegypten  grenzt,  östlich  bis  zum 
Flusse  Wadi-Sirhan  sich  erstreckt,  und  nördlich  die  Süd- 
spitze des  Todten  Meeres,  südlich  das  Rothe  Meer  berührt. 
Ein  Gebiet,  mit  welchem  sich  nach  Karabacek  „schon 
ägyptische  und  babylonisch -assyrische  Nachrichten  be- 
schäftigen, wo  südarabische  Stämme  auf  ihren  Wander- 
ungen nach  dem  Norden  Niederlassungen  gründeten,  wo 
die  Moabiter  und  Edomiter  den  Boden  für  das  Handels- 
volk der  Nabatäer  — die  Venetianer  des  Alterthums  — 
ebneten  und  wo  endlich  vor  dem  alles  überfluthenden 
Islamismus  das  christlich-arabische  Reich  der  Ghassaniden 
entstand,  deren  mächtige  Fürsten  eine  Verschmelzung 
von  arabischer  und  griechischer  Kultur  lierbeiführten." 
Von  einer  hierhin  im  Jahre  1898  unternommenen  vier- 
monatlichen Reise  kehrte  Dr.  Musil  mit  Berichten  über 
verschiedene  in  der  Wüste  gefundene  bis  dahin  völlig 
unbekannte  Schlösser  zurück,  unter  welchen  besonders 
eines,  Kosseir  Amra,  Schlösschen  Amra,  durch  eine 
Fülle  merkwürdiger  Wandgemälde  hervorragen  sollte. 
Eine  Gruppe  weiterer  Schlösser  liegt  östlich  davon.  Gegen 
den  fremden  Eindringling  in  dieses  Gebiet  haben  sich 
Natur  und  Bewohner  verbunden;  die  Natur  durch  die 
Entbehrungen,  die  sie  dem  Reisenden  auferlegt,  die  Be- 
wohner, die  Beduinen,  durch  die  feindselige  Haltung,  die 
sie,  vielleicht  veranlasst  durch  die  Sage,  von  der  Eugen 
Bracht  (s.  S.  290)  berichtete,  dem  Forscher  entgegenbringen. 
Gleichwohl  unternahm  Dr.  Musil  im  Frühj^r  1900  eine 
weitere  Reise,  von  welcher  er  eine  reiche  Ausbeute  an 
photographisenen  Aufnahmen  mitbrachte  und  damit  den 
märchenhaften  und  angezweifelten  Bericht  seiner  ersten 
Reisen  belegte. 

Aufgrund  der  so  gewonnenen  Ergebnisse  nun  reifte  der 
Entschluss,  durch  eine  künstlerische  Aufnahme  das  Schlöss- 
chen dem  Denkmalschatze  der  Wiener  Akademie  einzu- 


337 


gegen  mussten  Nothbrücken 
nergestellt  werden.  Die  Unter- 
stützungen für  letztere  wurden 
durch  mit  Steinen  belastete 
hölzerne  Sinkkästen,  welche 
durch  kräftige  Verankerung  in 
ihrer  Lage  gehalten  wurden, 
geschaffen.  Einfache,  zwischen 
diesen  primitiven  Pfeilern  auf- 
gestellte Hängewerke  trugen  die 
etwa  1,8“  breite  Brückenbahn. 
Abbildg.  2 zeigt  den  Bau  der 
Nothbrücke  für  die  grössere  der 
beiden  Brücken.*)  Die  Noth- 
brücken gelangten  unterhalb  der 
alten  Brücken  zur  Ausführung, 
das  Anplatzbringen  der  hölzer- 
nen Pfeilersinkkästen  konnte  da- 
her auf  einfache  Weise  von  den 
alten  Brücken  aus  erfolgen. 

Die  Gründung  der  Brücken- 
pfeiler der  neuen  Brücken  er- 
folgte nach  Abbruch  der  alten 
zwischen  Fangedämmen  un- 
ter Wasserhaltung.  Besondere 
Schutzwände  umgaben  die 
Fangedämme,  um  dieselben 
möglichst  vor  dem  Angriff  der 
reissenden  Strömung  zu  be- 
wahren. Die  Betonbögen  wur- 
den auf  hölzernen  Lehrgerüsten 
eingestampft.  Ueber  die  Kon- 
struktion der  letzteren  und 
namentlich  ihre  Unterstützung 
in  den  tosenden  Wassermassen 
giefat  unsere  Quelle  (Scientific 
American  1900  und  1901)  keinen 
Aufschluss.  Besondere  Sorgfalt 
musste  auf  die  Herstellung  der 
Einschaalung  der  Lehrgerüste 
verwendet  werden,  um  nach 
erfolgter  Ausrüstung  eine  mög- 
lichst glatte  Gewölbelaibung  zu 
erhalten  und  namentlich,  damit 
bei  der  Ausrüstung  eine  glatte 
Trennung  zwischen  Bogen  und 
Gerüst  eintrete.  Die  Schaalung 
wurde  zu  diesem  Zweck  mit 
einem  Gipsbewurf  bedeckt,  auf 
welchen  ein  Gewebe  aufgeklebt 
wurde.  Die  Bögen  wurden  der 
Länge  nach  in  je  4 etwa  2,9“ 
breite  Streifen  zerlegt,  welche 
einzeln  nacheinander  einge- 
stampft wurden.  Jeder  dieser 
Streifen  umfasst  drei  der  Eisen- 


*)  Scientific  American  1900,  5.  187 


Abbildg.  2,  Bau  der  Fussgänger-Noth-Bröcke  nach  Goat-Island. 


Abbildg.  3.  Herstellung  des 'Brückengewölbes  in  Stampfbeton  mit  Eisenrippeu. 


verleiben.  Dr.  Musil  verband  sich  zu  diesem  Zwecke  mit 
dem  Orientmaler  Alphons  Leopold  Mielich-Mielich- 
hofer.  Beide  traten  Ende  April  1901  von  Jerusalem  aus 
eine  neue  Wüstenreise  an;  am  Pfingstsonntag,  den  26.  Mai 
1901,  erreichten  sie  das  ersehnte  Ziel.  Nach  vierzehn- 
tägiger übermenschlicher  Anstrengung  und  Entbehrung, 
ira  Kampfe  mit  feindlichen  Beduinen  errungen,  konnten 
die  Reisenden  Amra  mit  den  Originalaufnahmen  und  mit 
Theilen  der  Wandgemälde  und  der  Mosaikarbeiten  des 
Bodens  wieder  verlassen.  Der  künstlerische  und  wissen- 
schaftliche Zweck  dieser  letzten  Expedition  war  erreicht. 

Nur  dem  Aberglauben  der  Beduinen,  welche  in  dem 
Schlosse  Gespen.ster  wähnen,  ist  es  zu  verdanken,  dass 
es  in  einer  verhältnissmässigen  Erhaltung  auf  uns  über- 
kommen ist.  In  der  Grundrissanlage  scheint  nach  der 
lückenhaften  Beschreibung  das  Schloss  auf  verwandte 
orientalische  Anlagen  zurückzugehen.  Aus  einer  Vorhalle 
gelangt  der  Besucher  in  3 unter  sich  verbundene  Ge- 
mächer, von  deren  letztem  aus  eine  Oeffnung  in  einen  drei- 
schiffigen  Hauptsaal  führt.  Der  Grundriss  des  Hauptsaales 
ist  rechteckig.  Ein  östlich  an  das  Hauptgebäude  an- 
schliessender Theil  enthält  wieder  3 niedrigere  Gemächer, 
deren  letztes  eine  Kuppel  trägt  und  in  eine  offene  Vor- 
halle mündet.  In  geringer  Entfernung  nördlich  am  Haupt- 
gebäude befindet  sich  ein  im  Viereck  mit  Wänden  umgebe- 
ner Brunnen  mit  gemauertem  Wasserbehälter,  Schöpfvor- 
richtung und  Treppenanlage.  Ein  dreieckiger,  durch  Brüs- 
tungsmauern abgeschlossener  Vorhof,  an  dessen  Nordseite 
der  Haupteingang  sich  befindet,  vollendet  das  Ganze. 
— Ueber  die  Bestimmung  des  Gebäudes  gingen  die  An- 


sichten auseinander.  Es  als  ein  Wohnhaus  zu  betrachten, 
schien  nach  der  ganzen  Anlage  ausgeschlossen.  Eine 
Röhrenanlage  in  den  3 Zimmern  zwischen  Vorhalle  und 
Saal,  welche  dazu  bestimmt  war,  trockene  heisse  und 
feuchte  Luft,  sowie  kaltes  und  heisses  Wasser  in  die 
Räume  zu  leiten,  Hess  in  den  Räumen  Baderäume  er- 
kennen. Was  aber  hatten  diese  zwischen  Vorhalle  und 
Hanptsaal  für  eine  Bedeutung?  Es  wurde  an  ein  Heilig- 
thuni,  an  eine  Kultstätte  gedacht;  in  einer  bildlichen  Dar- 
stellung wollte  man  eine  Opferhandlung  erblicken  und 
glaubte  annehmen  zu  sollen,  dass  in  dem  Gebäude  Myste- 
rien gefeiert  wurden.  Man  hielt  es  für  die  Kulfs^tätte 
eines  Geheimbundes  und  glaubte  in  den  Badeanlagen 
Reinigungsbäder  für  den  Neophyten  vor  Betreten  des 
Tempelraumes  erblicken  zu  müssen.  Auch  an  ein  Mani- 
chäer-Baptisterium dachte  man.  Es  geht  jedoch  aus  einer 
Inschrift,  die  auf  einem  Nischenbogen  das  Bildniss  des 
Prinzen  Ahmed  umzieht,  hervor,  das.s  Kos.seir  Amra  auf 
Befehl  dieses  Prinzen,  der  836  geboren  wurde,  862  den 
Thron  der  Khalifen  bestieg  und  ein  Urenkel  von  Harun 
al  Raschid  war,  als  Badeschloss  erbaut  wurde.  Eine 
Reihe  zuverlässiger  orientalischer  Quellen  erzählen,  dass 
solche  Wüstenbauten  thatsächlich  durch  die  Khalifen  als 
Lustschlösser  errichtet  und  bewohnt  wurden.  Orientalische 
Schriftsteller  berichten  ausführlich  über  die  Ausschmückung 
solcher  Bade-  und  Lustschlösser  und  machen  Angaben, 
welche  durch  das  Schlösschen  Amra  bestätigt  wurden. 
In  diesen  Berichten  finden  sich  jedoch  keine  Angaben 
über  Manichäer,  Neophyten  oder  andere  geheime  Sekten, 
welchen  das  Bauwerk  als  Kultstätte  gedient  haben  könnte. 


338 


No.  53. 


rippen,  weiche  aus  je  zwei  nahe  der  unteren  und  oberen 
Gewöll3elaibung  angeordneten  Flacheisenbändern  gebildet 
werden,  vergleiche  Abbildung  3.  Die  zusammengehörigen 
Flacheisen  an  den  beiden  Bogenlaibungen  werden  durch 
Bolzen  verbunden.  Jeder  einzelne  Gewölbestreifen  wurde 
in  Tag  und  Nachtarbeit  ohne'  Unterbrechung  für  sich  fix 
und  fertig  eingestampft. 

Das  Mischungsverhältniss  des  Betons  für  die  Bögen 
betrug  1 Theil  Portland  - Zement  auf  2 Theile  Sand  und 
4 Theile  Steinschlag  oder  Kies.  Der  zu  verwendende 
Steinschlag  musste  einen  Ring  von  31,7  mm  innerem  Durch- 
messer passiren  können.  Die  unterste  Grenze  des  zur 
Verwendung  zugelassenen,  an  Ort  und  Stelle  mittels 
Schottermaschine  hergestellten  Steinschlags  bildeten  Stein- 
brocken von  6,3mm  Seitenlänge;  Steingruss,  welcher  dieses 
Mindestmaass  nicht  hielt,  gelangte  nicht  zur  Verwendung. 
Der  Beton  für  die  Fundamente,  Pfeiler  und  übrigen  Theile 
der  Brücken  erhielt  eine  Mischung  von  i : 3 und  6 der 


obengenannten  Materialien.  Die  Steingrösse  konnte  bis 
zu  50,8  mm  betragen.  Um  zu  sparen,  wurden  in  den  Beton 
der  Fundamente,  Pfeiler  usw.,  grössere  Steine  bis  zu 
0,04  cbm  (1Y2  Kubikfuss)  Inhalt  lagerhaft  eingebettet  in  etwa 
20  cm  Abstand  von  einander  und  von  der  Betonaussenfläche. 

Die  Abmessungen  der  ebenfalls  mit  3 Oeffnungen  her- 
gestellten kleineren  der  beiden  Brücken  zwischen  den 
Inseln  Green-Tsland  und  Goat-Island  sind  die  folgenden; 
Spannweite  der  mittleren  Oeffnung  16,76  die  der  beiden 
Seitenöffnungen  15,39  m.  Die  Pfeilerstärke  beträgt  2,44  m. 

Als  treibende  Kraft  für  die  Pumpen  und  Betonmisch- 
trommeln wurde  Elektrizität  verwendet,  zum  Transport  der 
Materialien  von  Land  nach  der  Verwendungsstelle  diente 
eine  über  jede  Baustelle  von  Ufer  zu  Ufer  gespannte 
Kabelbahn,  deren  eine  ausserdem  zum  Uebersetzen  der 
für  die  kleinere  Brücke  nothwendigen  Materialien  vom 
Festland  nach  Green  - Island  besonders  gute  Dienste 
leistete.  Günther. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  ü.  Ing. -Verein  zu  Hamburg.  Versammlung  am 
II. (April  1902.  Vors.  Hr.  Classen,  anwes.  34  Personen. 
Der  Vorsitzende  spricht  den  Siegern  in  dem  für  Hamburger 
Architekten  stattgehabtenWettbewerbe  für  einVerwaltungs- 
Gebäude  . der  Freihafen  - Lagerhaus  - Gesellschaft  (vergl. 
No.  3 t d.  Ztg.  vom  16.  April  d.  J.)  die  Glückwünsche  des 
Vereins  aus  und  macht  auf  das  zum  26.  April  bevorstehende 
Stiftungsfest  des  Vereins  aufmerksam. 

Zur  Tagesordnung  übergehend  hält  Hr.  Bauinsp. 
Weyrich  einen  Vortrag  über  die  letztjährige  Tagung  des 
„Internationalen  Verbandes  für  Materialprüfun- 
gen der  Technik“  in  Budapest.  Nach  dem  Beschlüsse 
der  letzten  Tagung  des  Verbandes  im  Jahre  1897  in  Stock- 
holm_  sollte  die  nächstfolgende  im  Jahre  1900  in  Paris 
stattfinden,  war  aber  wegen  des  Zusammentreffens  mit 
einem  gleichzeitig  von  der  französischen  Regierung  an- 
lässlich _ der  Weltausstellung  veranstalteten  besonderen 
internationalen  Kongresse  für  denselben  Zweig  der  Wissen- 
schaft um  ein  Jahr  verschoben  und  nach  Budapest  ver- 
legt worden,  wo  sie  vom  9.-14.  Sept.  stattfand. 

Nach  einigen  Bemerkungen  über  den  Aufschwung  und 
die  hervorragenden  Bauten  der  Stadt  Budapest  schildert 
Redner  die  offizielle  Eröffnung  der  Versammlung,  welche 
mit  400  Theilnehmern,  darunter  70  Deutschen,  gut  besucht 
war.  Vertreten  waren  alle  grösseren  europäischen  Staaten 
und  die  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika.  Aus  dem 
von  dem  Präsidenten,  Prof.  v.  Tetmajer,  erstatteten  Ge- 
schäftsberichte wird  erwähnt,  dass  der  Verband  zurzeit 
1800  Mitglieder  zählt.  Von  den  6 Tagen  des  Kongresses 
waren  3 Tage  den  Vollversammlungen,. 3 den  Abtheiltings- 
Versammlungen  gewidmet.  Es  bestanden  3 Abtheilungen: 
A.  für  Metalle,  B.  für  Bausteine  und  deren  Bindemittel, 
C.  für  andere  Materialien.  , 

Es  folgt  eine  kurze  Wiedergabe' des  Inhaltes  derjenigen 
Verhandlungs-Gegenstände,  welche  für  den  Arch.-  u.  Ing.- 
Verein  das  meiste  Interesse  bieten  dürften.  Zunächst  des 


Vortrages  eines  österreichischen  Chemikers,  Baron 
Jüptner,  über  die  Verbindungen,  in  welchen  der  Kohlen- 
stoff im  Eisen  auftritt;  sodann  der  einen  breiten  Raum 
einnehmenden  Verhandlungen  über  die  Prüfung  der  Metalle 
durch  Versuche  mit  künstlich  verletzten  Stäben  anstatt  des 
bisher  gebräuchlichen  Probemateriales  aus  unbeschädigten 
Stäben.  Hiermit  haben  sich  besonders  französische  Ge- 
lehrte beschäftigt;  es  liegt  dabei  die  Anschauung  zugrunde, 
dass  in  der  Praxis  das  zu  Konstruktionen  verwendete  Eisen 
häufig  nicht  unverletzt  ist,  vielmehr  durch  den  Walzprozess, 
die  weitere  Verarbeitung,  die  Lochung  usw.  in  einen  Zu- 
stand kommt,  der  richtiger  durch  Versuche  mit  verletzten 
Stäben  geprüft  wird. 

Ein  französischer  Ingenieur  hielt  einen  interessanten 
Vortrag  über  das  Gefüge  der  Metalle,  indem  er  davon 
ausging,  anstatt  der  üblichen  Eintheilung  der  Zustands- 
Formen  der  Körper  in  die  drei  Aggregrat-Zustände  eine 
Eintheilung  nach  der  Struktur  als  amorphe  und  kryställi- 
nische  Körper  zugrunde  -zu  legen.  Aus  dem  Vortrage 
eines  schwedischen  Ingenieurs  ist  die  Brinell’sche 
Kugeiprobe  zur  Härtebestimmung  der  Baumate- 
rialien zu  erwähnen.  Es  werden  dabei  sehr  harte  Stahl- 
kugeln in  den  Probekörper  eingetrieben,  und  durch  das  Aus- 
maass  der  entstehenden  sphärischen  Vertiefung  und  den 
„angewendeten  Druck  die  Härte  bestimmt.  Ein  unga- 
rischer Ingenieur  hielt  einen  Vortrag  über  die  Prüfung 
von  Romanzement  nach'  den  für  die  Prüfung  von  Port- 
landzement vereinbarten  Normen  und  endlich  wurde  auf- 
grund eines  Antrages  eine  Definition  des  Portlandzementes 
vom  Kongresse  festgesetzt. 

Redner  geht  nunmehr  über  zur  Beschreibung  der 
Besichtigungen  und  geselligen  Veranstaltungen,  mit  denen 
die  Nachmittage  und  Abende  ausgefüllt  wurden,  wobei 
ein  Fest  im  ungarischen  Architekten-Verein  und  das  tech- 
nische Museum  im  „Stadtwäldchen"  mit  seiner  ungemein 
reichen  Sammlung  von  Modellen  hervorgehoben  werden. 
Endlich  schildert  derselbe  einen  an  den  Kongress  an- 
schliessenden mehrtägigen  Ausflug  nach  der  unteren  Donau 


Während  das  Aeussere  völlig  schmucklos  ist  — „leuch- 
tend hebt  sich“,  auf  einer  Skizze  Mielichs,  „der  wohlerhaltene 
Bau  in  gelbem  Ton  vom  dunkelblauen  Hintergründe  ab. 
Schweigen  liegt  auf  seinen  Kuppeln“  — , ist  das  Innere 
auf  das  reichste  geschmückt.  Der  Fussboden  ist  mit  ge- 
schliffenen Marmorplatten  und  mit  Mosaik  belegt.  Mar- 
morplatten ziehen  sich  auch  an  den  unteren  Theilen  der 
Wände  hin,  während  die  oberen  mit  den  reichsten  Male- 
reien bedeckt  sind,  für  welche,  soweit  es  heute  noch  er- 
kennbar ist,  nicht  die  al  fresco-,  sondern  die  Tempera- 
technik angewendet  wurde.  Die  Künstler  kamen  aus 
Byzanz,  es  waren  griechische  Künstler,  vertraut  mit  der 
griechischen  Ueberlieferung,  jedoch  in  gleicher  Weise 
vertraut  mit  der  byzantinischen  Kunst.  Die  Werke  er- 
innern an  die  besten  Arbeiten  griechischer  Kunst,  be- 
sitzen jedoch  einen  dieser  Kunst  fremden  Naturalismus, 
der  hauptsächlich  in  der  Darstellung  der  nackten  Frauen- 
körper zutage  tritt.  _ Die  Gemälde  scheinen  einen  Cyclus 
mit  den  Grundmotiven  Wein,  Weib,  Wasser  und  Wild 
vorzuführen,  welche  in  den  orientalischen  Darstellungen 
Mlenthalben  wiederkehren.  Die  Lebensalter,  die  mensch- 
Uchen  Leidenschaften,  Jagdscenen,  Ringkämpfe  usw.  dies 
sind  die  Darstellungen,  die  nach  den  arabischen  Schrift- 
stellern darauf  berechnet  sind,  in  künstlerischer  Weise, 
in  heiteren  Farben  und  lebendiger  Bewegung  das  Schöne 
zum  Ausdruck  zu  bringen.  Denn  in  solchen  Gemälden 
liegt,  wenn  sie  in  solchen  Räumen  dargeboten  werden, 
„eine  kräftige  undzwingende  Stärkung  desgesammten  thieri- 
schen,  phjrsischen  und  geistigen  Vermögens  desMenschen." 

Kosseir  Amra  ist  also  ein  Bade-  und  Lustschloss  in 

3.  Juli  1902. 


der  Wüste,  in  welche  sich  zur  Khalifenzeit  die  Grossen 
des  Reiches  mit  Vorliebe  zurückzuziehen  pflegten,  um 
reine  Luft  zu  geniessen,  dem  Jagd  vergnügen,  Tanz, 
Spiel,  der  Musik  und  dem  Gesang  zu  huldigen.  Nach 
Karabacek  gehört  Kosseir  Amra  in  die  Reihe  jener 
glanzvollen  Schlossbauten  der  Khalifen,  die  seit  Beginn 
des  IX.  Jahrhunderts  mit  märchenhafter  Schnelligkeit  aus 
dem  Boden  wuchsen  und  das  nordarabische  Wüstengebiet 
auf  der  östlichen  und  westlichen  Seite  umsäumten.  Der 
Oheim  des  Erbauers  von  Kosseir  Amra,  der  Khalife 
el  - Mutawakkil , errichtete  25  Lustschlösser,  die  er  mit 
märchenhaftem  Luxus  ausstattete  und  über  deren  unge- 
heure Baukosten  uns  Nachrichten  erhalten  sind.  Diese 
Schlösser  führten  Namen  wie  „das  Einzige“,  „das  Auser- 
wählte", „dasBrautschloss“, „dieMorgenröthe“,  „die Perle", 
„das  Wunderbare“  und  ähnliche  Bezeichnungen  orientali- 
scher Ueberschwänglichkeit.  Auch  der  Grossvater  Ahmeds, 
der  Khalife  el-Mutassim,  erbaute  amWüstenrande  zahlreiche 
Paläste  und  Lustschlösser,  die  mit  kostbaren  Wandgemälden 
geschmückt  waren.  Vielleicht  giebt  das  Schlösschen  Amra 
Veranlassung,  einmal  diesen  Schatz  orientalischer  Baukunst 
zu  heben  und  Nachforschungen  nach  dem  Verschwundenen 
anzustellen.  Es  dürfte  ein  glänzendes  Bild  arabischer 
Baulust  werden.  Einstweilen  sehen  wir  mit  Spannung 
der  Veröffentlichung  über  Kosseir  Amra  entgegen,  welche 
die  Wiener  Akademie  in  Form  eines  Pracht  werk  es  plant. 
Der  österreichischen  Wissenschaft  gebührt  das  Verdienst, 
seit  Alters  lebhafte  Beziehungen  zur  historischen  orientali- 
schen Welt  unterhalten  zu  haben,  die  in  unseren  Tagen 
mit  so  schönem  Erfolge  erneuert  wurden.  — — H.  — 


339 


mit  Betheiligung  von  etwa  loo  Herren  und  30  Darrien, 
welcher  sich  mittels  eines  von  der  ungarischen  Staatsbahn 
unentgeltlich  gestellten  Sonderzuges  bis  Neusatz  und  von 
da  mit  Donaudampfer  bis  zur  Regulirung  des  eisernen 
Thores  erstreckte  und  dank  der  rühmend  hervorgehobenen 
Gastfreundschaft  der  Ungarn  sehr  genussreich  verlief.  — 

Mo. 

Vermischtes. 

Anemometer- Windfahne  von  Fr.  Spengler  in  Berlin.  Der 
genannten  Firma  ist  eine  Wetterfahne  patentirt,  die  nicht 
nur  die  Richtung  des  Windes  kennzeichnet,  sondern  auch 
ein  unmittelbares  Ablesen  der  Windstärke  gestattet.  Die 
Konstruktion  erhebt  jedoch  keinen  Anspruch  darauf,  als 
wissenschaftlich  verwerthbares  Messinstrument  zu  dienen, 
sondern  will  nur  dem  Interesse  an  unmittelbarer  Beob- 
achtung der  Naturkräfte  in  einfacher,  für  die  gewöhnlichen 
Bedürfnisse  des  Lebens  ausreichender  Weise  entgegen- 
kommen. 

WesentlicheBestandtheilederin  beistehender  Abbildung 
dargestellten  Windfahne  sind  die  senkrecht  zur  Fahnen- 
fläche in  einem  getheiiten  Qua- 
dranten pendelnden  Windplatte 
P (entsprechend  der  zu  feine- 
ren Beobachtungen  dienenden 
Wildt'schen  Windfahne)  und  die 
aus  einzelnen,  um  die  wagrechte 
Achse  der  Windplatte  drehbaren 
Sektoren  zusammen  gesetzte 
Scheibe  S in  der  Ebene  des 
Quadranten.  Letzterer  besitzt 
eineTheilung,  welche  den  Wind- 
stärken o,  2,  4,  6,  8,  9 der  zwei- 
theiligen internationalen  Wind- 
skala, oder  den  Geschwindig- 
keiten 5,  IO,  15,  20,  25  ta'  ent- 
spricht. Die  höheren,  selten 
vorkommenden  Stärken  sind 
nicht  markirt,  weil  dieTheilungs- 
punkte  hier  zu  dicht  zusammen- 
fallen würden.  Im  übrigen 
machen  vorspringende  Knöpfe 
die  Theilung  der  Quadranten 
auf  grössere  Entfernung  hin 
sichtbar.  Die  Sektorscheiben  S 
besitzen  den  Zweck,  bei  gerin- 
gen Windstärken  die  Angriffs- 
fläche derFahne  zu  vergrössern, 

Schwankungen  der  Windplatte 
unter  plötzlichen  Windstössen 
weniger  fühlbar  zu  machen  und 
schliesslich  die  Theilung  deut- 
licher erkennen  zu  lassen.  Sie 
werden  daher  bei  Anwachsen 
des  Windes  durch  die  Windplatte 
gehoben,  während  sie  bei  abnehmendem  Wind  von  selbst 
wieder  zurückfallen.  Das  Gewicht  der  Sektoren  ist  so  aus- 
probirt,  dass  eine  genügend  weite,  also  deutliche  Theilung 
entsteht.  Die  genaue  Graduirung  des  Quadranten  erfolgte 
mit  Hilfe  eines  Fuess’schen  Schalen-Anemometers  bei  der 
Fahrt  auf  einem  Automobil,  das  eine  Geschwindigkeit  bis 
zu  95  in  der  Stunde  erreichte. 

Um  derartige  Windfahnen  fabrikmässig  zu  angemesse- 
nen Preisen  hersteilen  zu  können,  musste  man  sich  natür- 
lich auf  die  Anfertigung  einiger  weniger  bestimmter  Grössen 
beschränken,  die  dem  genau  graduirten  Vorbild  entspre- 
chend ausgeführt  werden. . Zurzeit  werden  3 Grössen  aus- 
geführt, die  in  verzinktem  Eisen-  und  Kupferblech  herge- 
stellt werden  und  sich  natürlich  auch  in  einer  weniger 
schmucklosen  Form  ausbilden  lassen,  als  sie  die  Abbildung 
zeigt.  Der  Preis  der  3 auf  Lager  gehaltenen  Typen  stellt 
sich  je  nach  der  Fahnengrösse  einschl.  eisernem  Fahnen- 
stock auf  18,  21  und  25  M.  — 

Neue  Aufnahme-Bestimmungen  für  die  kgl.  preuss.  Bau- 
gewerkschulen. Gemäss  Erlass  des  Hrn. Ministers  für  Handel 
und  Gewerbe  dürfen  künftig  nur  solche  jungen  Leute  in  die 
4.  Kl.  der  Baugewerkschulen  aufgenommen  werden,  die 
glaubhaft  nachweisen  können,  dass  sie  während  zweier 
Bausommer  wenigstens  12  Monate  lang  handwerksmässig 
beschäftigt  gewesen  sind.  In  die  Vorklasse  können  auch 
Lehrlinge  aufgenommen  werden,  die  erst  einen  Sommer 
gelernt  haben.  Die  Handwerkerkammern  sind  bei  Mit- 
theilung der  neuen  Aufnahme-Bestimmungen  angewiesen, 
darauf  hinzuwirken,  dass  Lehrlinge,  welche  später  eine 
Baugewerkschule  besuchen  wollen,  in  den  ersten  beiden 
Lehrjahren  eine  möglichst  vielseitige  und  umfassende  Aus- 
bildung erhalten  und  dass  sie  veranlasst  werden,  sich 
über  die  Art  ihrer  Beschäftigung  rechtzeitig  die  dem  Auf- 
nahmegesuch beizufügenden  Aufzeichnungen  zu  machen.  — 


Preisbewerbungen. 

In  dem  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine  Sparkasse 
in  Schluckenau  in  Böhmen  wurden  der  I.  und  der  III.  Preis 
nicht  vertheilt.  Den  II.  Preis  von  1200  Kronen  errang  der 
Entwurf  „Zeitgemäss“  der  Hrn.  A.  Michler  & Fr.  Mahler 
in  Wien.  4 Entwürfe  wurden  angekauft  und  zwar  die 
Entwürfe  der  Hrn.  Brth.  Deininger  in  Wien  (600  Kr.), 
J.  J.  Schmidt  in  Rumburg  (600  Kr.),  J.  Hampel  in 
Rumburg  (400  Kr.)  und  W.  Bürger  in  Chemnitz  (400  Kr.). 
Der  Entwurf  des  Hm.  C.  Liehmann  in  Wien  fand  eine 
lobende  Anerkennung.  — 

Im  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  die  Einrichtung  eines 
elektrischen  Schiffszuges  auf  dem  Teltow-Kanal  bei  Berlin 
(vgl.  S.  31U. 56)  ist  der  I.  Pr.  von 5000 M.  der  A.-G.  Siemens 
& Halske  in  Berlin,  der  II.  Pr.  von  3000  M.  der  Elektr.- 
A.-G.  vorm.  Schuckert  in  Berlin  und  den  Hrn.  Ing.  F eld- 
mann&Zehme,  der  III.  Pr.  von  2000  M.  der  Kanaltauerei- 
Ges.  in  Kiel  verliehen  worden.  Zum  Ankäufe  empfohlen 
wurden  die  Entwürfe  des  Hrn.  Ing.  Wilhelm  Feilenberg 
in  Charlottenburg,  sowie  der  Firma  Ganz  & Co.  in  Buda- 
pest. Imganzen  waren  20  Arbeiten  eingegangen,  die  vom 
6.  bis  einschl.  13.  Juli  von  8'/g— 5 Uhr  im  Teltower  Kreis- 
hause in  Berlin  ausgestellt  werden.  • — ■ 

Zum  Wettbewerb  für  den  Entwurf  eines  neuen  Wasser- 
werkes der  Stadt  Kolberg  sind  bis  zu  dem  bestimmten 
Termin:  i.  Juni  Abends  6 Uhr,  22  Entwürfe  eingegangen, 
darunter  einer  zu  spät.  Der  Tag  des  Zusammentrittes 
des  Preisgerichtes  ist  noch  nicht  festgesetzt.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Tech  n.  Hochschule  in  Hannover.  Als 
Abth  -Vorst,  auf  die  Amtsdauei-  i.  Juli  1902  1903  sind  bestätigt 
■worden  die  Prof.:  Brth.  Stier  für  Abth.  I Architektur,  Reg.-  u. 
Brth.  Hotopp  für  Abth.  II  Bauingenieurwescn , Geh.  Reg. -Rath 
Riehn  für  Abth.  III  Maschinen-Iogenienrwesen,  Dr.  Dieterici 
für  Abth.  IV  chemisch-technische  und  elektrotechn.  Wissenschaften, 
Dr.  Runge  für  Abth.  V allgem.  Wissenschaften.  Der  Senat  be- 
steht ausser  den  gen.  Abth. -Vorst,  noch  aus  dem  Rektor  Geh.  Reg.- 
Rath,  Prof.  Dr.  Kiepert  und  den  Prof. : Schleyer,  Geh.  Reg.- 
Rath  Launhardt  und  Klein. 

Die  Reg.-Bfhr.  Alb.  Lampe  aus  Stettin,  Heiur.  Dieser  aus 
Soden  (Eisenbfch.) , — Helmuth  Wieszner  aus  Breslau , Ernst 
Bonnemann  aus  Gelsenkirchen  (Masch.-Bfch.)  sind  zu  Reg.- 
Bmstrn.  ernannt.' 

Württemberg.  . Dem  Reg.-Bmstr.  Kühner  in  Ulm  ist  die 
Stelle  als  Masch.-Ing.  für  den  Zugförderungsdienst  das.  übertragen. 
Prof.  W e i t b r e c h t ist  z.  Rektor  der  Techn.  Hochschule  in  Stutt- 
gart für  das  Studienjahr  1902/3  ernannt. 

Der  Strassen-Bauinsp.  a.  D.  S ü s s in  Künzelsau  ist  gestorben. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  E.  F.  in  Deutsch-Lissa.  Die  in  Ihrem  Spionsaale  auf- 
tretende Feuchtigkeit  und  Schimmelbildung  rührt  unzweifelhaft  von 
dem  Niederschlage  her,  welcher  physikalisch  unausbleiblich  ist,  wenn 
die  Saalluft  von  20®  R.  und  90%  Feuchtigkeitsgehalt  mit  den 
kälteren  Wand-  und  Deckenflächen  in  Berührung,  kommt.  Diesem 
Uebelstande  ist  daher  im  vorliegenden  Falle  nur  durch  Bekleidung 
der  Wände  und  Decken  mit  wärmeschotzenden  Stoffen  gegen  die 
von  aussen  durchdringende  Kälte  gründüch  abzuheifen.  In  welchem 
Maasse  dies  bei  dem  bestehenden  Gebäude  zu  erfolgen  hat,  würdq 
am  zweckmässigsten  während  des  Betriebes  im  Winter  durch  eine 
kleine  Probebekleidung  an  Wand  und  Decke  mit  Asbest  oder  Kork- 
platten von  verschiedener  Stärke  und,  wenn  möghch,  nach  völliger 
Austrocknung  der  nassen  Tlieile  zu  ermitteln  sein.  Im  übrigen  darf 
die  Entlüftung  des  Raumes  nur  durch  Oeffnungen  unter  bezw.  an 
der  Decke  und  nicht  am  Fussboden  erfolgen,  da  die  senkrechten 
Abluftrobre  durch  die  abziehende  feuchte  Luft  selbstverständlich 
noch  mehr  durchnässt  werden,  als  die  weiter  nach  innen  liegenden 
Flächen  der  Umfassungsmauern.  . Bei  einem  Neubau  wäre  diesen 
Gesichtspunkten  auch  noch  dadurch  Rechnung  zu  tragen,  dass  die 
Umfassungsmauern  nach  innen  und  aussen  hin  völlig  wasserundurch- 
lässig hergestellt  werden,  weil  sie  durch  jede  Wasseraufnahme,  ob 
von  innen  oder  aussen,  wesentlich  schlechter  wärmeschützend  wer- 
den. Ihr  innerer  Kern  würde  deshalb,  wenn  von  besonderen  wärnie- 
isolirenden  Schichten  Abstand  genommen  werden  soll,  am  besten 
mit  scharfgebrannten  porösen  Vollsteinen  ausgeführt,  welche  sehr 
gut  isoliren  und  daher  auch  die  geringste  Mauerstärke  gestatten.—  A 

F r a ge  b e ant  w o rt  un  g aus  dem  L e s er  kr  e[is  e. 

Hrn.  H.  & E.  in  H-  Auf  Ihre  Anfrage  in  No.  46  die  Mit- 
theilung, dass  ich  die  gedämpften  Dachziegel  nicht  empfehle.  Die 
Farbe,  zuerst  schieferähnlich,  lässt  nach  und  das  Ansehen  einer 
solchen  Bedachung  wird  hässlich.  Ausserdem  will  es  scheinen,  als 
leide  der  Thon  durch  den  Theer,  die  Ziegel  werden  spröde  und  mit 
der  Zeit  zunderähnlich,  so  dass  sie  bei  späteren  Reparaturen  leicht 
durchgetreten  werden.  Mit  einer  kleinen  Zulage  bekommt  man 
schon  glasirte  (schieferähnliche)  Ziegel.  Hier  durch  Gilardoni  in 
Altkirch  (Eisass),  Ludovlci  in  Jokgrim  (Pfalz). 

Strassburg  i.  E.  Albert  Nadler,  Architekt. 

Inhalt:  Getvölbte  Brücken  bei  den  Niagara-Fällen.  — Die  Auffindung 
des  Khalifenschlosses  Amra  in  der  nordarabischen  Wüste.  — Mittheilun- 
gen aus  Vereinen.  — Vermischtes. — Preisbe'werbuogen.  — Personal-Nach- 
richten. — Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitnng,  G.  m,  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veraatwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  53. 


340 


AUZEITUNG. 
GANG.  Hs  Hs  NSL’54.  H: 
DEN  5.  JULI  igo2.  Hs 
9?  a:  sr « sr  sr « 3t  Ä Ä 


Nördlicher  Friedhof.  Vestibül  vor  der  Halle  der  Trauerversammlungen. 


Die  neuen  Münchener  Friedhöfe. 

Architekt:  Städt.  Baurath  Hans  Grässel  in  München.  (Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  AbbUdangen  S.  344  u.  345.) 


I.  Allgemeines.  (Schluss  aus  No.  46). 

'ie  Pläne  zu  dem  neuen  östlichen  Friedhof 
bei  Giesing  wurden  im  Jahre  1894  geneh- 
migt, die  zu  dem  neuen  nördlichen  Fried- 
hof bei  Schwabing  im  Jahre  1895,  die  zum 
neuen  westlichen  Friedhof  im  Jahre  1897; 
und  inzwischen  wurden  auch  die  auf  den  Geländen 


errichteten  Baulichkeiten  beim  östlichen  Friedhof  im 
Jahre  1898,  beim  neuen  nördlichen  im  Jahre  1899 
und  ein  Theil  derselben  auf  dem  westlichen  Fried- 
hof im  Jahre  1900  in  Benutzung  genommen;  die  ge- 
sammten  Bauten  des  westlichen  ^Friedhofes  werden 
im  Herbste  dieses  Jahres  der  Benutzung  übergeben. 
Die  Anlage  des  als  Waldfrie]dhJof  geplanten  neuen 


341 


südlichen  Friedhofes  soll  erst  in  den  nächsten 
Jahren  erfolgen. 

Die  Grösse  des  nördlichen  und  des  westlichen 
Friedhofes  war  Anfangs  zu  nur  15  bezw.  10  in  Aus- 
sicht genommen.  In  den  letzten  Jahren  zeigte  sich 
aber,  dass  für  einen  rationellen  Betrieb  und  bei  dem 
fortwährenden  Anwachsen  der  Grosstädte  diese  Flächen 
zu  klein  gewählt  waren  und  mindestens  25 — 35  gross 
zu  nehmen  seien.  Es  wurde  daher  von  nun  ab  auch 
auf  Erweiterungen  Bedacht  genommen  und  z.  B.  für 
den  Waldfriedhof  sogleich  eine  Fläche  von  etwa  50^^ 
Grösse  erworben. 

Um  die  gesaramten  Verhältnisse,  darunter  insbe- 
sondere auch  die  Umbauung  der  Friedhöfe,  vollkommen 
beherrschen  undErweiterungen  ungehindert  vornehmen 
zu  können,  war  angelegentlichst  darauf  Bedacht  zu  neh- 
men, dass  von  vornherein  auch  die  um  den  Friedhof 
gelegenen  Bauplätze  in  den  Besitz  der  Gemeinde 
kamen.  Es  empfahl  sich  das  auch  aus  dem  Grunde, 
um  die  durch  die  Friedhof-Anlage  erfolgende  Werth- 
steigerung des  umliegenden  Grund  und  Bodens  der 
Stadtgemeinde  zugute  kommen  zu  lassen  und  die  für 
den  Friedhof  aufzuwendenden  Mittel  möglichst  wieder 
aus  dem  Erlöse  der  Bauplätze  zu  ersetzen.  Bei  der 
Mehrzahl  der  4 neuen  Münchener  Friedhöfe  wurde  hier- 
auf Bedacht  genommen  und  glücklicherweise  waren  die 
früher  ausgeführten  Baulichkeiten  von  vornherein  nach 
grösseren  Gesichtspunkten  entworfen,  so  dass  dieselben 
nicht  auch  erweitert  zu  werden  brauchen,  sondern  den 
vergrösserten  Anforderungen  ohne  Weiteres  genügen 
— ein  neuer  Beweis  dafür,  dass  man  selten  zu  grossbaut. 
Es  liegt  auch  im  Interesse  der  Stadt,  auf  die  Art  der 
Bebauung  der  Umgebung  der  Friedhöfe  durch  bau- 
liche Vorschriften  Einfluss  zu  nehmen,  was  am  leich- 
testen geschehen  kann,  wenn  die  Stadt  Besitzerin  des 
umgebenden  Geländes  ist.  Um  den  um  die  Friedhöfe 
gelegenen  Häusern  und  ihren  Bewohnern  den  Ein- 
blick in  die  Friedhöfe  zu  entziehen,  wurden  diese 
ausserhalb  der  Umfassungsmauern  mit  doppelreihigen 
Baumalleen  umzogen. 

Die  Grunderwerbüngs-Kosten  betrugen  beim  öst- 
lichen Friedhof  für  34  rd.  515000  M.;  beim  nörd- 
lichen für  22^^  480000  M.  und  beim  westlichen  für 
58  I 367  000  M. 

Ueber  die  Anlage  und  die  Austheilung  der 
Gräberfelder  in  den  älteren  Friedhöfen  ist  fol- 
gendes zu  bemerken:  Bei  sämmtlichen  älterenFried- 
höf  en  Münchens  erfolgte  die  Austheilung  des  Friedhof- 
Geländes  in  der  Weise,  dass  zunächst  längs  der  ganzen 
Innenseite  der  umgrenzenden  Friedhofmauer  eine  Grab- 
reihe mit  davor  liegendem  Wege,  die  sogen.  „Mauer- 
gräber“, angelegt  wurden,  deren  Denkmäler  unmittel- 
bar an  die  Friedhofmauer  angebaut  bezw.  über  die- 
selbe hinaus  errichtet  werden  durften.  Das  verbliebene 


übrige  Gelände  wurde  sodann  unter  Anlage  eines  vom 
Haupteingang  zum  Leichenhause  führenden  geraden 
Weges  in  möglichst  rechteckige  Felder  mit  schach- 
brettartiger Aneinanderreihung  eingetheilt,  deren  Breite 
zwischen  30  und  40*^  bei  50 — 60 “Länge  betrug  und 
welche  „Sektionen“  genannt  wurden.  Die  Wege 
zwischen  den  einzelnen  Sektionen  wurden  meist  3,5 
bis  4™  breit  angelegt,  in  ihren  Haupttheilen,  und  so- 
weit es  das  nothwendige  'Anfahren  schwerer  Grab- 
steine gestattete,  mit  Klinkerplatten  gepflastert  und  in 
Versitzgruben  entwässert.  An  den  einzelnenKreuzungs- 
punkten  wurden  zum  Begiessen  der  Pflanzen  und  zum 
Spritzen  der  Wege  im  Sommer  kleine  Wasserbecken 
angeordnet,  Die  Sektionen  wurden  in  Gräberreihen 
und  jede  Gräberreihe  wieder  in  fortlaufend  nummerirte 
Einzelgräber  eingetheilt,  so  dass  ein  Grabplatz  z.  B. 
bezeichnet  wurde  mit:  „Sektion  i,  Reihe  III, 

Nummer  7“,  bezw.  „Mauer  rechts  (links)  No.  35“ 
bei  den  Mauergräbern.  Die  Abbildungen  Seite  344 
zeigen  solche  ältere  Austheilungen  vom  südlichen 
und  vom  östlichen  Friedhof.  Ein  Grabplatz  war  in  der 
Regel  I — 1,2“  breit  und  2,4 — 2,5“  lang,  so  dass 
zwischen  den  einzelnen  Gräbern  eine  Erdwand  von 
30 — 40  cm  Stärke  stehen  blieb.  Oberirdisch  durfte  eine 
Einfriedigung  mittels  Gitter  nur  in  der  Breite  von 
0,75  m und  in  der  Länge  von  1,75"'  erfolgen,  so  dass 
25 — 45  cm  breite  aufgekieste  Steige  für  den  Verkehr 
zu  den  inneren  Reihen  der  Gräber  frei  blieben.  Der 
Preis  der  Kaufgräber  wurde  gegen  die  Tiefe  der 
Sektionen  zu  billiger  und  es  betrug  derselbe  für  die 
Gräber  erster  Reihe  auf  25  Jahre  90 — 144  M.,  für  die 
Gräber  ab  3.  Reihe  36  M.  Nur  hie  und  da  wurde  ein 
Hauptweg  mit  einer  aus  Laubbäumen  bestehenden 
Baumallee  bepflanzt,  und  wenn  nicht  nach  und  nach 
die  Bäume  von  einzelnen  Grabstätten  hinzugekommen 
wären,  würde  der  Eindruck  dieser  Friedhöfe,  selbst  in 
der  Zeit  der  Belaubung  der  Bäume,  ein  sehr  ungün- 
stiger gewesen  sein. 

Die  Anlage  und  Austheilung  der  Gräber- 
felder in  den  neuen  Friedhöfen  geht  von  etwas 
anderen  Gesichtspunkten  aus.  Bei  der  Anlage  dieser 
neuen  Friedhöfe  Münchens  wurde  zunächst  das 
Friedhof -Gelände  längs  der  Aussenseiten  der  Mauern, 
wie  schon  erwähnt,  mit  Doppelalleen  umzogen  und 
die  Einfriedigungs-Mauern  selbst  durch  in  regelmässi- 
gen Abständen  wiederkehrende  Aufbauten  von  Mauer- 
grüften des  einförmigen  Eindruckes  möglichst  ent- 
kleidet. Die  auch  im  baulichen  Unterhalt  sehr  ver- 
schiedenen und  die  Mauer  schädigenden  beliebigen 
An-  und  Aufbauten  von  Grabdenkmälern  über  Mauer- 
gräbern wurden  nicht  mehr  zugelassen,  sondern  auf 
der  Innenseite  der  Mauer  längs  derselben  eine  Hecken- 
pflanzung hergestellt,  und  erst  vor  dieser  die  . Mauer- 
gräber mit  freistehenden  Denkmälern  angelegt.  Bei 


Zur  Angelegenheit  des  Heidelberger  Schlosses. 

uf  eine  an  den  Grossherzog  Friedrich  von  Baden  im 
Dezember  des  vergangenen  Jahres  durch  ehemalige 
Studirende  der  Universität  Heidelberg  gerichtete 
Adresse,  in  welcher  um  die  Erhaltung  der  Heidelberger 
Schlossruine  in  ihrem  gegenwärtigen  Zustande  gebeten 
wurde,  ertheille  das  Grossh.  Geheime  Kabinet  im  Aufträge 
des  Grossherzogs  unter  dem  30.  Mai  1902  die  Antwort, 
„dass  zu  einer  Beunruhigung  über  das  Schicksal  des 
Heidelberger  Schlosses,  wie  solche  mannigfach  obwaltet“, 
kein  Grund  vorhanden  sei.  Der  Grossherzog  sei,  ebenso 
wie  seine  verantwortlichen  Berather',  der  Ueberzeugung, 
dass  es  die  Aufgabe  der  badischen  Regierung  sei,  „die 
Heidelberger  Schlossruine,  soweit  es  irgend  thunlich  ist, 
in  dem  Zustande  der  äusseren  Erscheinung,  wie  ihn  die 
letzten  Jahrhunderte  überliefert  haben,  der  Nachwelt  zu 
überlassen. 

Der  Streit  der  Meinungen  betrifft  hauptsächlich  den 
Otto  Heinrichsbau,  dessen  Umfassungsmauern  infolge  der 
Witterungseinflüsse  sich  leider  in  einem  schon  weit  vor- 
geschrittenen Zustande  der  Zerstörung  befinden.  Die 
Frage  ist  hier  die,  ob  und  in  welcher  "Weise  bei  diesem 
herrlichen  Bauwerke  die  Erhaltungspflicht  erfüllt  werden 
kann.  Die  maassgebenden  Faktoren  stehen  auf  dem  Stand- 
punkte, dass  in  erster  Linie  und  mit  allen  annehmbaren 
Mitteln  der  Technik  -die  Erhaltung  des  Baues  in  seiner 


heutigen  äusseren  Gestalt  erstrebt  werden  muss;  erst  dann, 
wenn  es  sich  als  unmöglich  erweisen  würde,  diesen  Zweck 
zu  erreichen,  müsste  an  die  Frage  der  Ueberdachung  des 
Gebäudes  und  der  Befestigung  desselben  von  innen  her- 
aus herangetreten  werden,  weil  dieser  Ausweg,  so  uner- 
wünscht er  an  sich  wäre,  dem  sonst  zu  erwartenden  Ein- 
sturz der  Umfassungsmauern  vorgezogen  werden  müsste. 

Auf  diesen  Grundlagen  bewegen  sich  die  von  der 
Grossh.  Regierung  angeordneten  und  zurzeit  im  Gange 
befindlichen  technischen  Untersuchungen  und  Berathungen. 
Seine  Königliche  Hoheit  der  Grossherzog  selbst  verfolgen 
diese  Arbeiten  mit  voller  Theilnahme  und  mit  dem  Vor- 
behalt eigener  Entscheidung  aller  wichtigeren  Fragen.“  — 

Diese  Antwort  entspricht  durchaus  den  thatsächlichen 
Verhältnissen.  Auch  diejenigen,  welche  sich  angesichts 
des  früheren  Zaubers  der  Ruine  nur  schweren  Herzens 
für  die  Schaf er’schen Pläne  im  Allgemeinen  aussprachen, 
thaten  dies  in  der  Ueberzeugung,  dass,  wie  es  auch  vor  der 
Agitation  eine  Reihe  von  hervorragenden  technischen  Beur- 
theilern  ausgesprochen  hatten,  eine  Erhaltung  derUeberreste 
auf  anderem,  die  künstlerische  Erscheinung  nicht  beeinträch- 
tigenden Wege  nicht  möglich  sei.  Ob,  wenn  im  weiteren 
Verlaufe  der  sehr  eingehenden  und  sorgfältigen  Unter- 
suchungen, welche  die  Grossh.  Regierung  neuerdings  un- 
geordnet hat,  die  Nothwendigkeit  der  Bedachung  des  Otto 
HeiuT'ichsbaues  und  seiner  Befestigung  von  innen  heraus 
als  nicht  zu  umgehender  Ausweg  erkannt  werden  sollte, 

No.  54. 


342 


der  Austheilung  der  Friedhoffläche  war  sodann  m erster 
Linie  das  Bestreben  , 'maassgebend,  mehr  als  bisher 
für  Anpflanzung  zu  sorgen,  um  im  Laufe  der  Jahre 
möglichst  einen  parkartigen  Eindruck  hervorzurufen. 
Sämmtliche  Hauptwege  wurden  daher  mit  Baumalleen 
bepflanzt,  längs  derselben  nur  grosse  Familien-Begräb- 
nisse  (von  7 '4“  Grösse)  angeordnet,  in  der  Mitte  jeder 
Gräber-Sektion  ein  Platz  für  Baumgruppen-Pflanzung, 
sowie  Plätze  für  Erbbegräbnisse,  für  Teppichgärtnerei 
usw.  freigehalten,  und  statt  der  bisher  schmucklosen 
Wasserbecken  wurden  Springbrunnen  in  künstlerischer 
Form  hergestellt.  FlächeninbevorzugterLage  wurden  bei 
grosszügiger  architektonischer  Anlage  für  Ehrenbegräb- 
nissevorbehalten (Abb.S.345).BeiderainMünchenbeste- 
henden  Gebrauch,  jedes  der  zahlreichen  Familiengräber 
mit  einem  Denkstein  zu  versehen  (es  werden  sogar  bis 
zur  Errichtung  eines  Denkmales  Tafeln  mit  dem  ent- 
schuldigenden Vermerk  „bis  zur  Errichtung  eines  Mo- 
numentes“ aufgestellt)  und  bei  der  vorher  beschriebe- 
nen Austheilung  der  Gräbersektionen  in  mehreren 
Reihen  hintereinander,  mit  zahlreichen  Kiesflächen 
dazwischen,  ist  jedoch  die  Häufung  des  Steinwerkes 
und  der  Fläche  der  Kieswege  so  gross,  dass  wenn 
überhaupt,  so  nur  mit  Inanspruchnahme  ziemlich 
grosser  Flächen  für  allgemeineAnpflanzungen  ein  park- 
artiger Charakter  erzielt  werden  kann,  was  natürlich 
im  Interesse  sparsamer  Gelände-Verwendung  nur  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  möglich  ist. 

Hierdurch  sowie  durch  den  raschen  Aufbrauch 
des  Friedhof-Geländes  kam  man  bald  dazu,  die  Aus- 
theilung der  Gräber  in  anderer  Weise,  als  bisher  üb- 
lich, vorzunehmen.  Zunächst  wurden  1901  die  soge- 
nannten „Reihengräber“  eingeführt  für  alleLeichen, 
welche  nicht  in  einem  gekauften  Familiengrab  beerdigt 
werden.  Diese  Reihengräber  unterscheiden  sich  von 
den  übrigen  Gräbern  dadurch,  dass  bei  ihnen  nicht 
mehr  für  jeden  einzelnen  Sarg  ein  einzelnes  Grab  für 
sich  ausgehoben  wird  und  zwischen  jedem  Grab  eine 
Erdwand  von  30 — 40  Stärke  stehen  bleibt,  sondern 

dass  fortlaufende  Beerdigungsgräben  hergestellt  und 
die_  Särge  in  Reihen  mit  nur  kleinen  Zwischenräumen 
zwischen  denselben  beigesetzt  werden.  Oberirdisch 
werden  diese  Gräber  als  durchgehendeRasenflächen  an- 
gebaut und  mit  Blumen  geschmückt;  es  dürfen  auf  ihnen 
nur  kleine  Grabkreuze  und  Denksteine  ohne  Fundament 
eingesetzt  werden  (Abb.  S.  344).  Hinter  den  am  Wege 
gelegenen  Reihen  werden  niedrige  Hecken  gepflanzt 


und  in  der  Mitte  des  ebenfalls  in  Reihen  abgetheilten 
innerenTheiles  der  Sektion  wird  meist  eineBaumgruppe 
mit  Sitzplätzen  gebildet.  Diese  Reihengräber-Sektionen 
sind  demnach  frei  von  den  vielen  dicht  aneinander- 
stehenden Steindenkmälern,  und  die  Kiesflächen  der 
Steige  ziehen  sich  nur  zwischen  den  Doppelreihen 
hin,  sind  also  auf  das  geringste  Maass  beschränkt. 
Der  Eindruck  solcher  Friedhof-Abtheile  ist  der  von 
blühenden  freundlichen  Blumenbeeten. 

Auch  für  die  Kaufgräber  (Familiengräber) 
wurde  die  Austheilung  in  Doppelreihen  anstatt  der 
5— öfachen  Reihen  gewählt,  durch  welche  die  früher 
auch  in  der  Tiefe  der  Einzelgräher  zu  denselben  be- 
stehenden Steige  beseitigt  wurden  und  das  Ansäen 
mit  Grassamen  sich  ermöglichte,  um  auch  hier  mög- 
lichst viel  grüne  Flächen  zu  erhalten  (Abb.  S.  344  u.  345) . 

Im  Sommer  bilden  nun  die  derart  hergestellten 
Friedhoftheile  zugleich  mitdem  ausserordentlich  reichen 
Blumenschmuck  der  von  der  Münchener  Bevölkerung 
grösstentheils  mit  seltener  Pietät  gepflegten  Grab- 
stätten, belebt  von  den  plätschernden  Springbrunnen, 
einen  sehr  angenehmen  Eindruck.  Diese  Wirkung 
der  Münchener  Begräbnisstätten  beschränkt  sich  aber 
nur  auf  die  Zeit  der  Baumbelaubung,  da  alle  Nadel- 
bäume, welche  den  stimmungsvollen  winterlichen 
Schmuck  der  Begräbnisstätte  bilden  würden,  in  näch- 
ster Umgebung  von  München  auch  in  Humusgräben 
durchaus  nicht  mehr  gedeihen.  Die  Gärtner  behaup- 
ten, die  Ursache  sei  der  hohe  Schwefelgehalt  der  in 
München  viel  verwendeten  oberbayerischen  Kohle. 
Mit  dem  Fallen  des  Laubes  werden  daher  die  fast 
lediglich  mit  Laubbäumen  geschmückten  Friedhöfe  in 
München  einförmig  und  leer,  die  ständige  Zierde,  der 
tiefernste  Eindruck,  welchen  Nadelbäume  bieten,  ist 
ihnen  versagt.  Der  vierte  der  neuen  Friedhöfe  ist 
daher  in  einem  Nadelholzwald  in  Aussicht  genommen 
und  hoffentlich  kann  dieser  infolge  der  grösseren  Ent- 
fernung von  der  Stadt,  infolge  des  vorhandenen  Wald- 
bodens und  durch  die  grosse  Ausdehnung  des  Ge- 
ländes als  Wald-Friedhof  erhalten  bleiben. 

Mehr  noch  aber  als  durch  ihre  landschaftliche 
Schönheit  sind  die  neuen  Friedhöfe  Münchens  be- 
merkenswerth  und  — wir  fürchten  mit  dieser  Behaup- 
tung nicht  einem  Widerspruch  zu  begegnen  — einzig 
dastehend  durch  ihre  hygienischen  Einrichtungen 
und  durch  die  künstlerische  Haltung  ihrer  Friedhof- 
bauten und  sonstigen  architektonischen  Anlagen.  — 

(Fortsetzung  folgt.} 


Vom  IX.  internationalen  Schiffahrts-Kongress  in  Düsseldorf. 

Dm  29.  Juni  wurde  der  IX.  internationale  Schiffahrts-  einige  kurze  Begrüssungsworte  durch  den  I.  Präsidenten 
kongress,  der  bis  einschl.  den  4.  Juli  in  Düsseldorf  des  Kongresses,  Hrn.  Ministerialdir.  Schultz-Berlin,  der 
tagt,  eingeleitet  durch  einen  Begrüssungsabend  in  der  die  rasche  Folge  dieses  Kongresses  auf  denjenigen  in 
Tonhalle,  zu  welchem  die  Kongressleitung  eingeladen  hatte.  Paris  (statt  der  üblichen  3 nur  2 Jahre  Zwischenraum)  be- 
Die  offiziellen  Reden  des  Abends  beschränkten  sich  auf  gründete  durch  die  Düsseldorfer  Ausstellung,  deren  hohe 


der  Ausbau  der  Ruine  nicht  vielleicht  auch  in  anderen 
Formen,  als  sie  Schäfer  zunächst  angenommen  hat,  er- 
folgen könnte  oder  müsste,  das  ist  eine  Frage  für  sich, 
die  weiteren  kunstgeschichtlichen  Studien  unterworfen  ist. 
Wir  setzen  das  Vertrauen  in  den  ausgezeichneten  Meister 
deutscher  Baukunst,  dass  er  sich  dem  begründeten  Er- 
gebnisse dieser  Studien  nicht  verschliessen  wird. 

Als  werthvolle  Beiträge  sind  hierzu  zwei  umfangreiche 
Studien  zu  erwähnen,  die  kürzlich  erschienen  sind  und 
als  „Beiträge  zur  Klärung  schwebender  Fragen“  hier  eine 
Erwähnung  finden  müssen.  Die  eine  Studie  ist  eine  Arbeit 
des  Architekten  und  Professors  Bernhard  Kossmann  in 
Karlsruhe  und  betrifft  „Die  Bedachung  am  Heidel- 
berger Otto  Heinrichsbau  vor  1689“.*)  Kossmann 
hat  sich  hier  die  Aufgabe  gestellt,  angesichts  der  viel- 
seitigen, verwirrenden  und  zumtheil  recht  unerquicklichen 
Erörterungen  über  diese  wichtige  Frage  „gar  nichts  als 
bewiesen  anzusehen  ausser  den  allgemein  geschichtlichen 
Thatsachen  und  alles  Spezielle,  soweit  es  in  eines  Menschen 
Kraft  steht,  selbst  zu  untersuchen.“  Der  Verfasser  ver- 
sichert uns,  mit  völliger  Unbefangenheit  an  seine  Arbeit 
gegangen  zu  sein  und  die  Ergebnisse,  die  er  gewonnen, 
nicht  unter  dem  Einflüsse  einer  Tendenz,  sondern  ein- 
fach im  Dienste  der  Wahrheit  erzielt  zu  haben.  Es  lag 


*)  Mit  15  Abbildungen.  Karlsruhe  1902.  Üriick  und  Verlag  der  G. 
Braun'scheu  Hofbuchdruckerei. 

5.  Juli  1902. 


für  den  Verfasser  die  Versuchung  vor,  wie  Seitz,  Schäfer 
und  Haupt  die  alten  Giebel  im  Einzelnen  nachzubilden; 
er  hat  jedoch  im  Interesse  der  Sache  dieser  Versuchung 
widerstanden  und  nur  die  Hauptform  der  Dächer  und 
Giebel  des  Otto  Heinrichsbaues  klar  za  legen  sich  be- 
müht. Die  Untersuchungen  hatten  folgendes  Ergebniss: 

I.  . Kurfürst  Otto  Heinrich  hat  keine  Giebel,  sondern 
einen  horizontalen  Abschluss  beabsichtigt.  Letzterer  ist, 
mindestens  zumtheil,  ausgeführt  worden. 

II.  Die  sog.  Merian’schen  Giebel,  bezw.  die  beiden 
grossen  Quer-Giebeldächer,  waren  thatsächlich  vorhanden ; 
sie  sind  eine  spätere  Zuthat  von  zweifelhaftem  künstle- 
rischen Werth  gewesen. 

III.  Diese  Giebel  wurden  vor  Beginn  des  dreissig- 
jährigen  Krieges  auf  Geheiss  des  Kurfürsten  Friedrich  V. 
durch  ein  Längsdach  mit  Zwerchgiebeln  ersetzt.  — 

Der  Verfasser  zieht  aus  seinen  Ergebnissen  den  Schluss, 
dass  wenn  die  technischen  Prüfungen  des  Baubestandes, 
wie  sie  von  der  Regierung  eingeleitet  wurden,  zu  einer 
Ueberdachung  des  Otto  Heinrichsbaues  zwingen  sollten 
und  dann  — wie  allgemein  angenommen  werde  — das 
Historische  als  Richtschnur  diene,  oberstes  Ziel  sein  müsse, 
zu  ergründen,  was  Otto  Heinrich  beabsichtigt  habe.  Die 
beiden  mächtigen  Querdächer  mit  ihren  Giebeln  ferner 
erklärt  der  Verfasser  für  eine  Wiederherstellung  als  nicht- 
empfehlenswerth.  Vom  rein  historischen  Standpunkte  aus 
(Fortsetzung  auf  S.  346.)  - 


343 


Bedeutung , auch 
für  das  Arbeitsge- 
biet des  Kongres- 
ses, den  Zeitpunkt 
und  die  Wahl  des 
Ortes  wohl  recht- 
fertigten. Darauf 
folgte  ein  kur2er 
Dank  eines  Vertre- 
ters der  ausländi- 
schen Gäste. 

Die  Eröffnung 
desKongressesfand 
am  30.  Juni  im  Kai- 
sersaale der  städti- 
schen Tonhalle  in 
Gegenwart  des 
Kronprinzen,  des 
Protektors  des  Kon- 
gresses, statt.  An- 
wesend waren  un- 
ter Anderen  der 
Staatssekretär  des 
Reichsamtes  des 
Inneren,  Graf  Po- 
sadowsky,  der 
Handels  - Minister 
Möller,  der  neue 
Minister  der  öffentl. 
Arbeiten  Budde, 
der  Ober  - Bürger- 
meister der  Stadt 
Düsseldorf  Marx 
und  zahlreicheVer- 
treter  in-  und  aus- 
ländischer Regie- 
rungen. Von  aus- 
wärtigen Staaten 
waren  vertreten 
Argentinien, Bel- 
gien, Chile,  Chi- 
na, der  Congo- 
S taat,Dänemark, 
Frankreich,  Gr.- 
Britannien,  Ita- 
lien, Japan,  Mo- 
naco, die  Nieder- 
lande, Norwe- 
gen, Österreich, 
Paraguay,Rumä- 
nien,  Russland, 
Schweiz,  Sch  We- 
den, Spanien, 
Türkei,  Ungarn 
und  die  Vereinig- 
ten Staaten  von 
Nord  - Amerika, 
ausserdem  haben 
die  Europäische 
Donau-Kommis- 
sion und  zahlrei- 
che Körperschaften 
Vertreter  entsandt. 

Ministerial  - Dir. 
Schultz  leitete  den 
Kongress  mit  einer 
Ansprache  ein,  in 
welcher  er  zunächst 
einen  kurzen  Rück- 
blick auf  die  frühe- 
ren Kongresse  gab, 
von  denen  bereits 
einer,  d er  in  F r a n k- 
furt  a.  M.,  auf  deut- 
schem Boden  statt- 
gefunden hat,  und 
sodann  auf  die  Ent- 
wicklung des  Was- 
serbaues inDeutsch- 
land  seit  dem  letz- 
ten Kongresse  ein- 
ging. Er  veizeich- 
nete  an  erster  Stelle 
den  Abschluss  der 
werthvollen  Arbei- 
ten des  Hochwas- 
ser - Ausschusses, 
dessen  technisches 
Bureau  jetzt  umge- 


5.  Juli  1902. 


345 


wandelt  ist  in  die  preussische  „Landesanstalt  für  Gewässer- 
kunde“, welche  berufen  ist,  auf  der  gewonnenen  wissen- 
schaftlichen Grundlage  mit  den  älteren  Anstalten  gleicher 
Art  in  Deutschland,  sowie  mit  dem  Bureau  für  Hauptnivelle- 
ments, der  Zentralstelle  für  Wasserversorgung  und  Ab- 
wässerbeseitigung, dem  Institut  für  Meereskunde  und  der 
in  Ausführung  begriffenen  hydrologischen  Versuchsanstalt 
weiter  zu  arbeiten.  Von  weiteren  wasserbauiichen  Aus- 
führungen wurden  die  Pläne  für  die  Regulirung  des  Ober- 
rheins durch  Bayern,  Baden  und  den  Eisass,  die  Fort- 
setzung der  Mainkanalisirung  durch  Hessen  und  Bayern,  die 
Thätigkeit  der  Hansastädte  — Elbe-Trave-Kanal,  Korrektion 
der  Unterweser,  Vergrösserung  der  Bremer  Hafenanlagen, 
Vertiefung  des  Fahrwassers  der  Unterelbe  — besonders 
hervorgehoben,  dann  dieThäiigkeit  des  preussischen  Staates 
für  die  planmässige  Regulirung  der  schiffbaren  Flüsse,  die 
Fertigstellung  des  Königsberger  Seekanals,  die  Vertiefung 
der  Ünterems  nebst  Ausbau  des  Eradener  Aussenhafens, 
die  Beleuchtung  der  Meeresküste,  der  Ausbau  der  staat- 
lichen Seehäfen  und  der  Plan  für  die  Erweiterung  des 
grössten  europäischen  Binnenhafens  von  Ruhrort  erwähnt. 

Besonderes  Interesse  erregte  derjenige  Theil  der  Aus- 
führungen, welcher  sich  auf  die  wasserwirthschaftliche 
Vorlage  bezog  und  aus  welchem  die  Hoffnung  sprach,  die- 
selbe bei  der  nächsten  Wiedervoriage  doch  durchzubringen. 
Mit  einem  Hoch  auf  den  Deutschen  Kaiser,  auf  dessen 
zähem  Festhalten  an  den  einmal  für  richtig  erkannten 
Plänen  namentlich  die  Aussicht  auf  ihre  Verwirklichung 
beruhe,  und  auf  die  Oberhäupter  aller  auf  dem  Kongresse 
vertretenen  Staaten  schloss  der  Redner  seine  mit  Beifall 
aufgenommenen  Worte. 

Es  folgte  eine  kurze  Ansprache  des  2.  Vorsitzenden 
des  Kongresses,  Oberbaudirektor  S)r.  iiig.  Franzius- 
Bremen,  der  dem  Kronprinzen  den  Dank  des  Kongresses 
für  die  Uebernahme  des  Protektorates  aussprach  und  einen 
Rückblick  gab  auf  die  früheren  Kongresse,  ihre  Bedeutung 
und  die  seitdem  eingetretenen  ungeheuren  Veränderungen 
in  den  Ansprüchen  der  Schiffahrt  an  die  Grösse  und  den 
Tiefgang  der  Fahrzeuge  und  dementsprechend  an  die 
Wasserstrassen,  Häfen  und  deren  Einrichtungen;  denn  wo 
vor  30  Jahren  noch  ein  Binnenschiff  100— 200t  trug,  ver- 


langt'man  jetzt  1000 1,  während  beim  Seeschiff  die  Trag- 
fähigkeit von  1000  auf  20  000 1 gestiegen  ist.  Im  Deutschen 
Kaiser  haben  wir  den  mächtigsten  Förderer  der  modernen 
Verkehi’sideen  und  die  Uebernahme  des  Protektorates 
durch  den  Kronprinzen  sei  ein  Zeichen,  dass  auch  dieser 
sein  Interesse  diesen  Aufgaben  zuwenden  werde.  Er  bitte 
letzteren  nun,  den  Kongress  eröffnen  zu  wollen.  Nach 
einem  Hoch  auf  den  Kronprinzen  vollzog  dieser  die  Er- 
öffnung in  kurzen  schlichten  Worten. 

Es  folgte  nun  die  lange  Reihe  der  Ansprachen  der 
Vertreter  der  Regierungen  und  Körperschaften.  An  erster 
Stelle  nahm  Graf  Posadowsky  das  Wort  als  Vertreter  der 
Reichsregierung,  ihm  folgte  der  neue  preuss.  Minister  der 
öffentl.  Arbeiten  Budde,  der,  vom  Bilde  des  Rheins  aus- 
gehend, dessen  Ufer  die  Strasse  und  die  Eisenbahn  folgen, 
wobei  alle  3 in  friedlichem  Wettstreit  ihrer  Verkehrsaufgabe 
zu  genügen  suchen,  auf  die  Nothwendigkeit  hinwies,  unsere 
Wasserstrassen  auszubauen,  die  unerlässlich  seien  zur  Ent- 
lastung unserer  Eisenbahnen.  Ob.-Bürgermstr.  Marx  rief 
der  Versammlung  ein  Willkommen  namens  der  Stadt 
Düsseldorf  zu,  Geh.  Kommerz.-Rth.  Lueg,  Düsseldorf, 
sprach  als  Vertreter  der  Ausstellung,  Kommerz.-Rth.  M ö h l a u 
als  Vertreter  der  rheinisch-westfälischen  Handelskammer, 
der  Reichstags-Abgeordnete  Dr.  Beumer  im  Namen  des 
„Vereins  zur  Wahrung  der  wirthschaftlichen  Interessen  in 
Rheinland  und  Westfalen“,  und  hob  insbesondere  die  Ver- 
dienste des  Geh.  Brth.  Sympher  für  die  treffliche  Durch- 
arbeitung der  wasserwirthschaftlichen  Vorlage  hervor.  Es 
schlossen  sich  daran  die  Vertreter  der  fremden  Staaten,  von 
denen  der  belgische  und  der  niederländische  Vertreter 
deutsch  sprachen,  während  sich  die  anderen  mit  Ausnahme 
der  englischen  der  französischen  Sprache  bedienten.  Mit 
einem  Hoch  auf  den  Protektor  des  Kongresses  schloss  die 
erste  Plenarsitzung.  Am  Nachmittage  fanden  Besichtigungen 
des  Hafens,  sowie  eines  Theiles  der  Ausstellung  statt.  Am 
Abend  waren  die  Kongress-Mitglieder  Gäste  des  „Zentral- 
Vereins  zurHebung  der  Binnenschiffahrt“  in  der  Ausstellung. 

Wie  schon  frühere  ist  auch  dieser  Kongress  begleitet 
von  einer  Ausstellung  von  Plänen  wasserbaulicher  Natur, 
unter  denen  sich  mancher  interessante  neue  Plan  findet.  Wir 
behalten  uns  ein  kurzes  Eingehen  darauf  vor.  — Fr.  E. 


Der  Simplon -Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel.  (Fortsetzung.) 


2.  Der' Gotthard-Tunnel. 

nie  Baugeschichte  des  Gotthard-Tunnels  ist  durch  die 
über  ihn  erschienene  Litteratur  so  sehr  zu  allge- 
meiner Kenntniss  gelangt,  dass  es  genügen  wird, 
hier  nur  diejenigen  Momente  hervorzuheben,  welche  be- 
sonders fördernd  oder  verzögernd  auf  den  Fortgang  der 
Arbeiten  eingewirkt  haben. 

Der  Gotthardtunnel  verbindet  das  Thal  der  Reuss  bet 
Göschenen  im  Norden  mit  dem  Thal  des  Tessin  bei  Airolo 
im  Süden.  Er  durchbricht  das  sogenannte  Gotthardmassiv  und 
unterfährt  die  an  dessen  Nordabhang  belegene  Ebene  von 
Andermatt.  Die  ganze  Länge  des  Tunnels  beträgt  14912,4“. 
Das  Nordportal  liegt  auf  der  Seehöhe  von  1109  “.  Der 
Tunnel  steigt  von  hier  aus  mit  5,82  oder  i : 172  auf 
7822  “Länge,  womit  die  Scheitelhöhe  mit  1154,52  erreicht 

könne  eine  Berechtigung  zu  ihrer  Neuherstellung  sich 
nur  dann  ergeben,  wenn  wir  die  Gründe,  welche  Fried- 
rich V.  zu  ihrer  Entfernung  und  Nicht-Wiederauf- 
richtung  bewogen  haben,  kennen  lernten  und  dieselben 
als  für  unsere  Zeit  nicht  bindend  betrachten  müssten.  Für 
eine  Ueberdachung  des  Otto  Heinrichsbaues  könne  nur 
ein  Walmdach  inbetracht  kommen.  Hierbei  sei,  solange 
über  das,  was  Otto  Heinrich  beabsichtigt  habe,  keine 
Klarheit  herrsche,  entweder  — unter  Verzicht  auf  Balustrade 
oder  dergl.  — ein  einfacher  Horizontalabschluss  zu  wählen 
oder  es  seien  die  beiden  Zwerchgiebel  mit  den  drei 
Löwen  auszuführen,  die  unter  III.  der  Ergebnisse  nach 
dem  Stiche  von  Kraus  genannt  sind.  — 

So  weit  Kossmann,  dem  wir  hier  nicht  in  das  Ein- 
zelne seiner  interessanten  Untersuchungen  folgen  können. 
Beschränkt  sich  dieser  auf  die  Giebellösung  des  Otto 
Heinrichsbäues,  so  fasst  Albrecht  Haupt  in  Hannover 
seine  Untersuchungen  über  das  Heidelberger  Schloss  etwas 
weiler.^J  In  einer  reich  illustrirten  prächtigen  kleinen 
Schrift  von  6 Bogen  gr.  8°  mit  42  Abbildungen  bietet  er 
uns  über  das  Heidelberger  Schloss  die  Ergebnisse  einer 
zwanzigjährigen  gewissenhaften  Stilvergleichung  unter  Be- 
rücksichtigung der  vorhandenen  Dokumente  und  beab- 
sichtigt, damit  den  Beweis  zu  führen,  „dass  die  heute  auf- 
gestellteri  und  der  demnächstigen  Herstellung  zur  Grund- 

*) Zur  Baugeschichte  des  Heidelberger  Schlosses.  Neue  Forschungs- 
Ergebnisse  über  die  Heidelberger  Renaissancebauten.  Von  Albrecht  H aup  t, 
Dr.  phü.,  Professor,  Architekt  zu  Hannover.  Frankfurt  a.  M.  igo2.  Verlag 
von  Heinrich  Keller.  Preis  5 M,  — 


wird,  die  dann  in  einer  Wagrechten  von  319  “ Länge 
beibehalten  wird.  Gegen  die  Südseite  fällt  der  Tunnel 
zunächst  mit  1:2000  auf  2273“  Länge,  dann  mit  1:500 
auf  3794  “ und  endüch  mit  i : 1000  auf  705,4  “.  Das  Süd- 
portal liegt  auf  1145,10“  Meereshöhe,  also  36,10“  höher 
als  das  nördliche.  Das  wechselnde*  Gefälle  auf  der  Süd- 
seite ist  wohl  durch  die  Rücksichtnahme  auf  die  Abführung 
der  dort  angetroffenen  bedeutenden  Wasserzuflüsse  ge- 
boten gewesen  (s.  Abbüdg.  3).  Die  höchste  Erhebung  des 
Gebirges  über  der  Tunnelsohle  beträgt  1707,68“,  also 
96,85  “ mehr  als  beim  Mont  Cenis-Tunnel. 

Man  sieht  aus  diesen  Angaben,  wie  die  am  Mont  Cenis 
erzielten  Ergebnisse  hier  schon  dazu  ermuthigt  haben,  die 
Scheitelhöhe  des  Tunnels  um  rd.  180“  tiefer  zu  legen, 
trotz  des  Nachtheiles  einer  um  2679  “ grösseren  Länge 
und  einer  um  96,85  “ grösseren  Ueberlagerungshöhe. 

läge  bestimmten  Plane  der  heute  erkennbaren  Wahrheit 
noch  nicht  entsprechen,  dass  vielmehr,  sollten  diese  Ab- 
sichten Wirklichkeit  werden  müssen,  es  zu  fordern  ist, 
dass  solche  Pläne  auf  einer  unendlich  viel  zuverlässigeren 
und  auf  ganz  anderen  Vorstudien  beruhenden  Grundlage 
aufgebaut  werden  müssen“.  Der  Verfasser  findet  gewiss 
allseitige  Zustimmung,  wenn  er  vor  Uebereilung  warnt 
und  meint,  mit  Ruhe,  Studium  und  Ueberlegung  werde 
gerade  hier  nichts  verloren.  „Eine  entscheidende  Auf- 
klärung der  noch  dunkelen  Punkte  in  absehbarer  Zeit 
kann  bei  der  fortlaufenden  Ameisenarbeit  unserer  Histo- 
riker nicht  ausbleiben  und  würde  übereiltes  Handeln  als 
herostratisches  Thun  der  Nachwelt  preisgeben.  Darum 
trage  ein  Jeder,  der  es  kann,  sein  Sternchen  getreulich 
herbei,  zunächst  zum  geistigen  Wiederaufbau  des  Werkes; 
nehme  aber  auch  die  ausschlaggebende,  folglich  die  Ver- 
antwortung tragende  Behörde  alle  diese  Scherflein  gerne 
an,  betrachte  sie  nicht  als  Hindernisse,  die  Böswilligkeit 
ihrem  löblichen  Wollen  in  den  Weg  legen  will.  Aus  all’ 
dem  Kleinen,  aus  jeder  richtigen  und  scharfsinnigen  neuen 
Kombination  oder  Folgerung,  aus  jeder  neuen  Beobach- 
tung oder  Verwerthung  älterer  Feststellungen  baut  sich 
zuletzt,  wenn  auch  in  Mosaik,  ein  Bild  auf,  welches  der 
Wahrheit  und  den  Thatsachen  so  nahe  als  möglich  kommt. 
Und  ist  das  erreicht,  dann  wird  die  Verwirklichung  der 
darauf  begründeten  neuen  Absicht  nicht  mehr  eine  Ver- 
fälschung der  Geschichte  des  Baues  bedeuten  können.“  — 

(Schluss  folgt.) 


346 


No.  54, 


Wahl  und  der  späteren  Verbesserung  der  zu  verwenden- 
den Gesteinsbohrmaschinen  beschäftigt.  Man  ist  dabei 
von  dem  am  Mont  Cenis  erprobten  System  der  durch 
komprimirte  Luft  getriebenen  Percussionsmaschine  nicht 
abgegangen,  hat  dasselbe  aber  in  fast  allen  damals  be- 
kannten oder  während  des  Baues  noch  neu  entstandenen 
Formen  verwendet.  Nachdem  sich  die  zuerst  von  Seraing 
in  Belgien  bezogene,  für  den  regelmässigen  Bohrbetrieb 
ausschliesslich  benutzte  Maschine  von  Dubois-Fran9ois 
für  das  sehr  harte  Gestein  des  St.  Gotthard  als  zu  schwach 
und  da  ihr  der  selbstthätige  Vorschub  des  Bohrzylinders 
fehlte,  als  schwierig  im  Betriebe  erwiesen  hatte,  wurde 
die  vom  Werkstättenvorsteher  Ing.  F e rr  o ux  in  Göschenen 
verbesserte  Maschine  vom  Juni  1874  Nordseite 

fast  ausschliesslich  benutzt.  Nach  mehrfachen  Abände- 
rungen erreichte  diese  Maschine  bei  dem  Maximalhub 
und  bei  5 Atm.  Luftspannung  eine  Geschwindigkeit  von 
495  Schlägen  in  i Minute.  In  Airolo  wurde  die  Dubois- 
Francois-Maschine  zunächst  durch  die  Mac-Kean-Ma- 
schine  ersetzt,  die  dann  von  dem  dortigen  Werkstätten- 
vorsteher, Ing.  Seguin,  derart  abgeändert  wurde,  dass 
das  Gewicht  etwas  vermindert,  die  nutzbaren  Kolben- 
fläcben  aber  vergrössert  und  dadurch  die  Zahl  der  Schläge 
in  I Minute  bei  Maximalhub  und  5 Atm.  absoluter  Luft- 
spannung von  387  auf  408  gesteigert  wurde.  Von  1877  an  war 
diese  Maschine  auf  der  Südseite  fast  allein  im  Gebrauch. 

Aus  dem  Bau  Vorgang  ist  folgendes  hervorzuheben: 
das  lichte  Profil  des  Tunnels  hatte  einen  Querschnitt  von 
45,1  q™,  wozu  für  die  Ausmauerung  noch  rd.  11,5  qf"  hin- 
zukaraen.  Der  Richtstollen  des  Tunnels  wurde  bekannt- 
lich als  Firststollen  und  der  Vollausbruch  nach  belgischem 
System  betrieben.  Der  Versuch,  einen  langen  Tunnel 
mit  Firststollen  zu  betreiben,  ist  seitdem  an  keiner  Stelle 
wiederholt  worden  und  die  Erfahrungen  am  Gotthard 
haben  gezeigt,  dass  jedenfalls  der  Fortschritt  der  Voll- 
ausbruchsarbeiten nachtheilig  durch  das  belgische  Bau- 
system beeinflusst  wird.  Auf  den  Vortrieb  des  Richt- 
stollens wird  das  System  ebenfalls  kaum  fördernd  ein- 
gewirkl  haben,  wenn  auch  das  kleinere  Profil  desselben  für 
den  Stollenvortrieb  an  sich  vortheilhaft  gewesen  sein  mag. 

Die  Arbeiten  vor  . Ort  waren  am  Gotthard  wie  folgt 
geordnet:  der  Bohrwagen  und  die  Förderwagen,  letztere 
Seitenkipper  mit  einem  Fassungsraum  von  i bis  1,5  cbm^ 
liefen  auf  einem  Gleis  von  i“  Spur.  Neben  diesem  war 
auf  eine  Länge  von  rd.  70  vom  Ort  eine  kleine  Bahn 
von  0,31“  Spur  gelegt.  Nach  dem  Bohren,  bei  welchem 
je  nach  Beschaffenheit  des  Gebirges  17  bis  35  Löcher  mit 
einer  mittleren  Tiefe  von  1™  bis  1,30“,  im  Durchschnitt 
von  1,18“,  hergestellt  wurden,  schob  man  den  Bohrwagen 
etwa  200  m vom  Ort  zurück.  Die  Ladung  der  Löcher 
betrug  etwa  i Dynamit  für  das  Loch.  Das  Abschiessen 
erfolgte  in  drei  Gruppen,  wobei  zunächst  in  der  Mitte  ein 
Einbruch  hergestellt,  dann  die  oberen  und  schliesslich  die 
unteren  Löcher  abgeschossen  wurden. 

Das  Schuttern  erfolgte  an  der  Nordseite  unmittelbar 
in  die  Tunnelwagen,  die  an  dem  auf  ein  Nebengleis  ge- 
schobenen Bohrwagen  vorbei  bis  dicht  vor  Ort  geschoben 
wurden.  An  der  Südseite  liess  man  den  Bohrwagen  auf 
dem  Hauptgleise  etwa  20  bis  35“  vom  Ort  entfernt  stehen 
und  schob  denselben  gleich  nach  dem  Abschiessen  wieder 
möglichst  weit  vor  Ort,  während  die  Transportwagen  hinter 
ihm  stehen  blieben.  Das  Material  wurde  dann  vor  Ort 
in  kleine  Körbe  geladen,  von  denen  je  16  auf  leichten 
eisernen  Wägelchen  Platz  fanden,  die  ihrerseits  mittels 
eines  Seiles  von  den  rückwärts  stehenden  Arbeitern  auf 
dem  kleinen  Gleis  bis  an  die  Förderwagen  gezogen  wurden. 
Der  wieder  vor  Ort  gezogene  kleine  Wagen  wurde  dort 
aus  dem  Gleis  geworfen,  um  dem  inzwischen  beladenen 
Platz  zu  machen.  Das  Füllen  der  Körbe  geschah  mittels 
Hauen.  Nach  den  veröffentlichten  Ergebnissen  hat  sich 
aber  das  Verfahren  auf  der  Nordseite  besser  bewährt, 
denn  die  durchschnittliche  Schutterzeit  für  i Stollen  hat 
dort  einschl.  Laden  und  Schiessen  3 St.  26  Min.,  auf  der 
Südseite  dagegen  3 St.  59  Min.  betragen.  Die  beladenen 
Rollwagen  wurden  von-  den  Arbeitern  bis  in  die  etwa  100 
bis  200“  rückwärts  liegende  Weiche  geschoben  und  von 
dort  durch  Pferde  bis  zu  der  Rampe,  welche  die  Sohle  des 
Firststollens  mit  der  Sohle  des  Tunnels  verband,  gezogen, 
dort  mittels  einer  Bremse  hinuntergelassen  und  am  Fuss 
der  Rampe,  mit  den  übrigen  Wagen  zu  Zügen  vereinigt, 
durch  eine  Luftlokomotive  aus  dem  Tunnel  geschafft. 

Erwähnt  muss  noch  werden,  dass  die  Lüftung  ledig- 
lich durch  die  in  den  Tunnel  geführte  Pressluft  zum  Be- 
trieb der  Bohrmaschinen  und  der  Luftlokomotiven  bewirkt 
wurde.  Diese  Lüftung  hat  nicht  ausgereicht,  um  eine  ge- 
nügende Lufterneuerung  für  die  grosse  Zahl  der  im 
Tunnel  beschäftigten  Arbeiter  herbeizuführen.  Die  vielen 
Klagen,  welche  hierüber  laut,  wurden,  bildeten  gegen  das 
Ende  des  Baues  ein  ständiges  Kapitel  in  allen  Berichten 

348 


über  den  Gotthard-Tunnel.  Aus  den  mir  zur  Verfügung 
stehenden  Zahlen  ergiebt  sich,  dass  in  den  Jahren  1877 
und  1878  durchschnittlich  innerhalb  24  Stunden  in  Gosche- 
nen  118527  in  Airolo  171 245  cbm  Luft  verbraucht 

worden  sind.  Es  ergiebt  dies  für  Göschenen  1,37  cbm  tmd 
für  Airolo  1,98 ‘=bm  in  der  Sekunde.  Diese  Mengen  sollen 
bis  zum  Durchschlag  noch  bis  zu  durchschnittlich  3 cbm 
für  I Sek.  gesteigert  worden  sein.  Wenn  dieselben  auch 
dem  Athmuugsbedürfniss  der  Arbeiter  vielleicht  gerade 
genügt  haben,  so  waren  sie  gewiss  unzureichend  für  eine 
hinreichende  Abkühlung  der  Luft  im  Tunnel,  deren  Tem- 
peratur bis  zum  Durchschlag  eine  mittlere  Höhe  von 
31,25'^  C.  in  Göschenen  und  31 '^C.  in  Airolo  erreicht  hat. 

Endlich  muss  noch  erw^nt  werden,  dass  namentlich 
in  Airolo  die  Wasserzuflüsse  ganz  erheblich  verzögernd 
auf  den  Fortschritt  des  Richtstollens  eingewirkt  haben. 
Während  auf  der  Nordseite  die  Wasserzuflüsse  33 1 für 
I Sek.  nicht  überschritten  haben,  betrugen  dieselben  auf 
der  Südseite  im  März  1873  75I,  steigerten  sich  aber  von 
1874  bis  1877  auf  durchschnittlich  233  ^ in  i Sek.  Der 
stärkste  Zufluss  fand  im  Jahre  1875  mit  348  ^ statt. 

Wie  sich  unter  der  Einwirkung  der  vorgeschilderten 
Verhältnisse  der  Fortschritt  des  Richtstollens  am  Gotthard- 
Tunnel  gestaltet  hat,  ergiebt  sich  aus  dem  in  Fig.  3 dar- 
gestellten Fortschrittsprofil.  Die  in  das  Profil  eingezeich- 
nete   Linie  bezeichnet  den  vom  Unternehmer  Favre 

laut  Nachtrags -Vertrag  vom  21./25.  Sept.  1875  garantirten 
Fortschritt  des  Richtstollens,  wonach  der  Durchschlag  am 
31.  Dez.  1879  und  die  Fertigstellung  des  ganzen  Tunnels 
am  I.  Okt.  1880  erfolgen  sollte.  Thatsächlich  ist  der 
Durchschlag  am  29.  Febr.  1880,  die  Fertigstellung  des 
Tunnels  Ende  1881  erfolgt,  so  dass  für  den  Richtstollen 
eine  Verspätung  von  2 Monaten,  für  die  übrigen  Arbeiten 
eine  solche  von  15  Monaten  eingetreten  ist.  Bei  dem  Vor- 
trieb des  Richtstollens  ist  auf  der  Nordseite  nach  Programm 
gearbeitet  worden,  auf  der  Südseite  aber  hat  die  Ver- 
zögerung, welche  das  Anfahren  von  zersetztem  Gneis  Ende 
1877  herbeiführte,  nicht  wieder  eingeholt  werden  können. 

Sehen  wir  uns,  die  Gesammtergebnisse  an,  so  finden 
wir,  dass  die  14912,4“  Richtstollen  in  2725  Tagen  her- 
gestellt  sind,  was  einer  Durchschnittsleistung  von  5,47  “ 
für  den  Tag  an  beiden  Orten,  oder  2,73  “ an  jedem  Ort 
entspricht.  Mit  Maschinenbohrung  sind  aufgefahren: 
Nordseite:  7457,5“  in  2525  Tagen  = 3,03“  für  den  Tag, 

Südseite:  6948,5“  in  2434  „ = 2,86“  „ „ „ 

zus.;  14606,0“  in  4959  Tagen  = 2,95“  „ „ „ 

gegen  i,6o“  Durchschnittsleistung  am  Mont  Cenis-Tunnel. 

Wie  zu  diesem  Ergebniss  die  Verbesserung  der  Bohr- 
maschinen beigetragen  hat,  ergiebt  sich  daraus,  dass  am 
Mont  Cenis-Tunnel  1862  beim  Beginn  der  Maschinenbohrung 
in  Bardonneche  für  i“  Stollen  3,12  Bohrmaschinen  ver- 
braucht wurden,  während  am  Gotthard  1873  auf  der  Nord- 
seite 2,09  Maschinen  und  im  Durchschnitt  der  ganzen 
Arbeit  nur  0,5  Maschinen  verbraucht  wurden. 

Die  Zahl  der  für  i “ Stollen  verbrauchten  Bohrer 
betrug  am  Mont  Cenis  191,  am  Gotthard  52,18,  was  sich 
daraus  erklärt,  dass  die  Zahl  der  Bohrlöcher  für  i “ 
Stollen  am  Mont  Cenis  anfänglich  128,3,  Gotthard  da- 
gegen nur  17.3  betragen  hat.  Diese  erhebliche  Verrin- 
gerung der  ßohrarbeit  war  am  Gotthard  nur  durch  die 
Verwendung  des  Dynamites  statt  des  am  Mont  Cenis  aus- 
schliesslich verwendeten  Schwarzpulvers  ermöglicht.  Im 
übrigen  zeigt  die  späterhin  abgedruckte  Tabelle  der  Ver- 
gleichszahlen der  verschiedenen  Tunnelbauten,  wie  die 
bessere  Organisation  der  Vorortarbeit  am  Gotthard  günstig 
auf  den  Zeitbedarf  der  einzelnen  Arbeiten  eingewirkt  hat. 
Die  für  die  Herstellung  von  i “ Stollen  erforderliche  Ar- 
beitszeit ist  am  Gotthard  auf  beinahe  ein  Drittel  derjenigen 
zurückgegangen,  welche  am  Mont  Cenis  bei  Beginn  der 
Maschinen-Bohrung  erforderlich  war.  Dieses  Ergebniss 
wurde  erreicht,  obgleich  das  Gebirge  am  Gotthard  dem 
Bohren  erheblich  grössere  Schwierigkeit  entgegengesetzt 
hat  als  am  Mont  Cenis,  was  deutlich  aus  den  Vergleichs- 
zahlen der  zur  Herstellung  von  1 “ Bohrloch  erforder- 
lichen Zeit  hervorgeht.  Ara  Mont  Cenis  wurden  hierfür 
7 Min.  33  Sek.  gebraucht,  am  Gotthard  dagegen  ii  Min. 
27  Sek.  Die  Kosten  des  Gotthard-Tunnels  haben  imganzen 
63  048  087  Frcs.,  oder  4205,5  Frcs.  für  i “ Tunnel  betragen.— 

(ForfsetzuBg  folgt.) 


Inhalt:  Die  neuen  Münchener  Friedhöfe  (Fortsetzung).  — Zur  Ange- 
legenheit des  Heidelberger  Schlosses.  — Vom  IX.  Internationalen  Schiff- 
fahrts-Kongress in  Düsseldorf.  — Der  Simplon-Tunnel,  mit  Rückblicken 
auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel  (Fortsetzung). 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Halle  für  Trauerversammlungen 
im  Nördl.  Friedhofe  in  München. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  54. 


IE  NEUEN  MÜNCHENER  FRIEDHOFE  * 
HALLE  FÜR  TRAUERVERSAMMLUNGEN 
IM  NÖRDLICHEN  FRIEDHOF  * * * * 
ARCHITEKT:  STÄDTISCHER  BAURATH 
HANS  GRÄSSEL  IN  MÜNCHEN  * * * 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG  = 
* XXXVI.  JAHRGANG  1902  — NP;  54  ^ 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  55.  Berlin,  den  9.  Juli  1902. 


3.  Der  Arlberg-Tunnel. 

Das  beim  Bau  des  Gotthard-Tunnels  ausschliesslich 
angewandte  System  der  Perkussions-Bohrmaschinen 
mit  Druckluft  als  ßetriebskraft  hatte  schon  während 
des  Baues  dieses  Tunnels  seine  bisherige  Alleinherrschaft 
eingebüsst.  Unter  dem  Ob.-Ing,  der  Gotthardbahn-Gesell- 
schaft Heilwag  war  der  bisher  in  Oesterreich  beschäf- 
tigt gewesene  Ing.  Alfred  Brandt  im  Jahre  1875 
Zentralbureau  in  Zürich  angestellt  worden.  Gelegentlich 
einer  ihm  übertragenen  Begutachtung  der  in  Airolo  ge- 
planten Verstärkung  der  Installation  durch  Herstellung 
einer  weiteren  Wasserkraft  mit  Benutzung  des  Tessin, 
hatte  Brandt  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  mit  einer 
unmittelbaren  Verwendung  der  zur  Verfügung  stehenden 
Wasserkraft  zum  Bohren,  unter  Ausscheidung  der  Zwischen- 
stufe derLuftzusammenpressung,  vermuthlich  eine  bessere 
Ausnützung  der  Wasserkraft  möglich  sein  werde.  Brandt 
hat  dann  diesen  Gedanken  weiter  verfolgt  und  die  von 


Der  Simplon -Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel. 

(Fortsetzung.) 

Ordinate  1310,6  “ über  Meer,  also  156,1“  höher  als  der 
Gotthard  und  27,8“  tiefer  als  der  Mont-Cenis -Tunnel.  Die 
Höhe  des  überlagernden  Gebirges  beträgt  732,0“  über 
Tunnelsohle,  also  sehr  viel  weniger  als  bei  den  beiden 
vorerwähnten  Tunneln  (s.  Abbildg.  4). 

Das  Gebirge  ist  auf  beiden  Seiten  Glimmerschiefer 
mit  wechselndem  Quarzgehalt,  im  Inneren  des  Berges  auf 
eine  Länge  von  etwa  600“  Gneis  theilweise  mit  lettigen 
Quarzgängen  durchzogen.  Das  Gebirge  hat  den  Arbeiten 
auf  der  Westseite  durch  seine  gebräche  Beschaffenheit 
mit  sehr  vielen  Wasserzuflüssen  grosse  Schwierigkeiten 
bereitet,  die  auf  längere  Strecken  zu  einem  vollständigen 
Einstellen  der  maschinellen  Bohrarbeit  nöthigten.  Be- 
gonnenwurde mit  den  Arbeiten  am  24.  Juni  1880  auf  der 
Ostseite  in  St.  Anton  und  am  Tage  darauf  auf  der  West- 
seite mit  Handbohrung,  wobei  beiderseits  mit  zweimännigen 
Bohrschichten  Forschritte  von  durchschnittlich  1,5“  für 
den  Tag  erzielt  wurden. 

Zur  Beschleunigung  der  Arbeiten  wurden  schon  vor 
Vergebung  der  gan- 
: cJ-t , ■ zenTunnelarbeit  bei- 

derseits vorläufige 
Installationen  für  die 
betreffenden  Bohr- 
weisen hergestellt 
und  mit  denselben 
auf  der  Ostseite  am 
17.  November  1880, 
auf  der  Westseite  am 
13.  November  1880, 
der  maschinelleBohr- 
betrieb  begonnen. 
Am  21.  Dezember 
wurde  die  Gesaramt- 
arbeit  an  die  Unter- 
nehmung G.  Ce- 
coni  und  Gebr. 
Lapp  vergeben, 
weiche  sich  ent- 
schlossen, die 
schon  im  Betrieb  be- 
findlichen Bohr- Sy- 
steme beizubehalten 
und  die  Verpflich- 
tung übernahmen, 
vom  I.  Februar  1881 
an  jederseits  einen 
mittleren  Fortschritt 
von  3,3™  für  den 
Tag  zu  erzielen,  bei 
einer  Strafe  von  8oo{l. 
für  jeden  Tag  Min- 
der-Leistung gegen- 
über der  sich  aus 
vorstehendem  Fort- 
schritt ergebenden 
Arbeitszeit  und  einer 


Abbildg. 


rg-Tunnel  (Länge  10260m). 


ihm  ausgebildete  Druckwasser-Bohrmaschine,  deren  wesent- 
lichster Konstruktionsgedanke  wohl  als  bekannt  voraus- 
gesetzt werden  kann,  hat  bei  ihrer  ersten  Verwendung 
im  Sonnstein-Tunnel  an  der  Salzkammerguibahn  so 
beachtenswerthe  Leistungen  gezeigt,  dass  sie  die  Auf- 
merksamkeit der  inbetracht  kommenden  technischen  Kreise 
alsbald  in  hohem  Maasse  auf  sich  lenkte. 

Als  dann  im  Jahre  1880  der  schon  lange  geplante 
Durchstich  des  Arlbergs  zur  Verbindung  des  Inn-  mit  dem 
Rheinthal  seiner  Ausführung  entgegenreifte,  entschloss 
man  sich,  für  diesen  Bau  auf  der  Westseite  in  Langen  die 
Brandt’sche  Bohrmaschine  anzuwenden,  während  auf  der 
Ostseite  die  Ferroux’sche  Perkussions-Bohrmaschine  mit 
Pressluft  arbeitete.  Um  die  hierbei  gewonnenen  Ergeb- 
nisse mit  den  beiden  älteren  Tunnelbauten  in  Vergleich 
ziehen  zu  können,  muss  demnach  auch  über  die  am  Arl- 
berg vorliegenden  Verhältnisse  kurz  berichtet  werden. 

Der  Arlberg -Tunnel  verbindet  das  Thal  der  in  den 
Inn  einmündenden  Rosana  im  Osten  mit  dem  dem  Rhein 
zufliessenden  Alfenzbach  im  Westen;  er  hat  eine  Länge 
von  10260“.  Das  Steigungsverhäliniss  beträgt  auf  der 
Ostseite  1:500,  auf  der  Westseite  1:66,67.  Der  Scheitel- 
punkt der  Gradiente  liegt  4105  “ vom  Ostportal  auf  der 


Prämie  von  gleichem  Betrage  für  jeden  Tag  Mehrleistung. 

Unter  Uebergehung  einer  Beschreibung  der  vor- 
läufigen Installations  - Anlagen  ist  über  die  endgültigen 
mitzutheilen,  dass  die  erforderliche  Wasserkraft  auf  der 
Ostseite  dem  Rosanabach,  auf  der  Westseite  dem  Alfenz- 
bach entnommen  wurde. 

Auf  der  Ostseite  kamen  nasse  Kompressoren  zur  Ver- 
wendung, die  aber  gegenüber  den  am  Gotthard  benutzten 
erhebliche  Verbesserungen  erfahren  hatten.  Die  Rohr- 
leitung für  die  Pressluft  hatte  dort  eine  Weite  von  22c“. 
Als  Bohrmaschinen  wurden  die  Ferroux’schen  Maschinen 
mit  selbstüiätigem  Vorschub  und  Rückgang  gewählt,  da- 
neben wurde  die  Seguin’sche  und  die  von  dem  Ingen. 
Welker  am  Gotthard  konstruirte  Maschine  probeweise 
verwendet.  Auf  dem  Bohrwagen  waren  anfänglich  6, 
später  8 Maschinen  gleichzeitig  thätig. 

Auf  der  Westseite  wurde  das  durch  die  Brandt’schen 
Pumpen  auf  80  bis  100  Atm.  gepresste  Wasser  in  einer 
aus  gezogenen  schmiedeisernen  Röhren  bestehenden 
Druckleitung  von  70““  Durchm.  den  Maschinen  bezw. 
der  Spannsäuie  zugeführt.  Ais  später  die  Anzahl  der 
gleichzeitig  vor  Ort  arbeitenden  Maschinen  vermehrt 
wurde,  genügte  diese  Leitung  nicht  mehr,  es  wurde  des- 


3^9 


halb  eine  zweite  Leitung  ,vöh  So."»“' Durclirn.  hinzugefügt. 
Die  Rohre  hatten  an'belden  Enden 'entgegengesetztes  Ge- 
winde und  Muffenverbindung. 

Die  Brandt’sche  Maschine,  wie  dieselbe  am  Sonnstein- 
Tunnel  verwendet  war,  sollte  durch  ihre  leichte  Bauart 
ermöglichen,  schon  vor  Beendigung  der  Schutterung 
wieder  mit  dem  Bohren  beginnen  zu  können,  -Es.  sollten, 
zu  diesem  Zweck  Maschinen  und  Spannsäule,  welch’ 
letztere  damals  noch  senkrecht  stand,  von  Hand  über 
den  losen  Schutt  vor  Ort  getragen  werden.  Diese  An- 
ordnung ist  am  Arlberg  verlassen  worden,  da  die  dafür 
erforderliche  leichte  Bauart  der  Maschine  sich  nicht  be- 
währt hatte,  während  andererseits  das  gleichzeitige  Bohren 
und  Schultern  vor  Ort  Unzuträglichkeiten  zur  Folge  hatte, 
welche  die  damit  zu  erreichenden  Vortheile  gänzlich  auf- 
hoben. Es  ist  deshalb  für  den  ßohrbetrieb  am  Arlberg 
eine  auf  einer  Lafette  gelagerte  wagrechte  Bohrsäule  ver- 
wendet'auf  der  2,  später  4 Bohrmaschinen  arbeiteten! 

Die  Arbeiten  vor  Ort  waren  hier  wie  folgt  eingetheilt: 
Ostseite:  Der  Unternehmer  Ceco'ni  hatte  von  Anfang 
an  im  ötollen  ein  Gleis  von  70  cm  Spur  gelegt.  Die  auf 
diesem  Gleise  laufenden  Wagen  hatten  1,6  cb“  Fassungs- 
raum', konnten  aber  gehäuft  geladen,  2 cbm  aufnehmen. 
In  dem  Sohlenstollen,  dessen  Breite  2,75  m betrug,  wurde 
kurz  vor  Ort  ein  zweites,  mit  dem  Hauptgleis  durchwei- 
chen verbundenes,  Nebengleis  verlegt,  wofür  das  sonst 
in  der  Mitte  des  Stollens  liegende  Hauptgleis  etwas  auf 
die  Seite  gerückt  wurde.  Nach  dem  Schiessen,  das  hier 
auch  in  drei  Absätzen  geschah,  wurden  die  auf  dem 
Nebengleis  stehenden  leeren  Wagen  einzeln  vor  Ort  ge- 
schoben, dort  mittels  Körben  beladen  und  auf  dem  Haupt- 
gleis zurückgeschoben.  Der  Bohrwagen  stand  während 
der  Zeit  auf  dem  Nebengleis  hinter  den  leeren  Wagen. 
Auf  der  Westseite  waren  grössere  Wagen  von  2,5 cbm 
Fassungsraum  in  Verwendung,  die  auf  einem  Gleis  von 
1 ra  Spur  liefen.  Es  wurden  dann  gleichzeitig  2 Wagen 
vor  Ort  geschoben,  die  nur  dadurch  beladen  werden 
konnten,  dass  man  das  Material  von  dem  ersten  auf  den 
zweiten  Wagen  überschaufelte.  Man  ist  aber  später  auf 
die  gleiche  Anordnung  wie  an  der  Ostseite  übergegangen. 

Die  Organisation  der  Förderung  bot  am  Arlberg  be- 
sondere Schwierigkeiten  dadurch,  dass  auf  der  Ostseite 
auf  1392 “Länge  alleTunnelausbruchraassen  eine  Steigung 
von  15%  bergauf  bewegt  werden  mussten  (vergl.  Abb.  4). 
Das  Fortschrittsprofil  lässt  deutlich  die  grosse  Regelmässig- 
keit der  Arbeiten  am  Arlberg -Tunnel  erkennen.  Die  von 
der  Bauunternehmung  zugesicherte  Leistung  ist  hier  wieder 
durch  die Linie  dargestellt,  nach  welcher  der  Durch- 

schlag am  6.  Januar  1885  hätte  erfolgen  müssen.  That- 
sächlich  ist  der  Durchschlag  am  13,  November  1883,  also 
420  Tage  vor  dem  festgesetzten  Tage  erfolgt.  Die  Durch- 
schnitts - Leistungen  sind  die  folgenden,  wobei  die  Tage, 
an  denen  auf  der  Westseite  wegen  schlechter  Gebirgs- 
beschaffenheit  die  Maschinenbohrung  eingestellt  und  aus- 
hülfsweise  zur  Flandbohrung  zurückgekehrt  wurde,  in  die 
der  Berechnung  zugrunde  gelegte  Zeit  mit  einbegriffen  sind : 
Ostseite:  5280,5“  in  1092  Tagen  = 4,82  “ für  den  Tag, 

Westseite:  4552,0“  „ 1096  „ =4,16“  „ „ „ 

zus.  9832,5“  in  2188  Tagen  = 4,48“  für  den  Tag, 

gegen  die  gewährleisteten  3,3“  und  die  am  Gotthard  er- 
reichten 2,95“.  Ueber  die  Ursachen  dieser  erheblichen  Stei- 
gerung der  Leistung  im  Vergleich  mit  den  anderen  Tunneln, 
giebt  wieder  die  späterhin  abgedruckte  Tabelle  den  besten 
Aufschluss.  Es  sind  in  derselbenfür  den  Arlberg  dieErgeb- 
nisse  der  beidenTunnelseiten  getrennt  angegeben,  um  einen 
Vergleich  der  beiden  dort  angewendeten  Bohrweisen  mit 
einander  zu  ermöglichen.  Allerdings  ist  hierbei  ein  solcher 
Vergleich  inbezug  auf  die  Zahl  der  gebohrten  Löcher  und 
die  zur  Herstellung  von  i “ Bohrloch  verwendete  Zeit 
wegen  der  Verschiedenheit  der  Bohrloch  - Durchmesser 
ohne  Werth.  Um  aber  auch  hierin  einen  Vergleich  mit 
den  am  Arlberg  erzielten  Ergebnissen  zu  gewinnen,  sind 
in  der  genannten  Tabelle  noch  die  Ergebnisse  der  Ar- 
beiten am  Brandleite-Tunnel  in  Thüringen,  sowie  die- 
jenigen, welche  bei  einem  im  Mansfelder  Bergwerksrevier 
mit  der  Brandt’schen  Bohrmaschine  getriebenen  Qner- 


schlag  .erzielt  wurdfeh,  aufgeftihrt.  Der  Brandieite-Tunnel 
wurde  in  sehr  hartem  Porphyr  mit  einem  gewährleisteten 
Fortschritt  von  4“  für  den  Tag,  der  Querschlag  in  Mans- 
feld im  Rothliegenden  und  Konglomerat  desgl.  mit  3 “für 
den  Tag  getrieben.  Leider  fehlen  für  den  Arlberg-Tunnel 
getrennte  Angaben  über  die  Zeiten,  welche  für  Bohren, 
Schiessen  und  Schuttern  erforderlich  gewesen  sind,  so- 
dass  ein  unmittelbarer  Vergleich  in  dieser  Beziehung  mit 
dem  Gotthard-  und  dem  Mont  Cenis-Tunnel  nicht  möglich 
ist,  vielmehr  nur  die  ganze  für  eine  Attacke  bezw.  für  die 
Herstellung  von  i “ Stollen  erforderliche  Arbeitszeit  mit 
den  früheren  Tunnelbauten  verglichen  werden  kann.  . 

Unter  den  in  der  Tabelle  aüFgeführten  Zahlen  fällt 
vor  allem  auf,  dass  der  Attacken-Fortschritt  im  Vergleich 
zur  mittleren  Tiefe  der  Bohrlöcher  sich  bei  der  Brandt’- 
schen Maschine  ganz  erheblich  günstiger  gestellt  hat, .als 
bei  der  Fefroux-Maschine. 

Unter  Fortlassung  der  Tage,  an  welchen  wegen 
schlechter  Gebirgs-Beschaffenheit  nicht  mit  der  Maschine 
gebohrt  werden  konnte,  stellt  sich  das  Ergebniss  der  maschi- 
nellen Bohrung  für  die  beiden  Arbeitsstellen  wie  folgt: 
Ostseite:  Westseite: 

1092  Arbeitstage,  worunter  1096  Arbeitstage,  worunter 
49  verlorene  Tage,  200  verlorene  Tage, 

1043  Arbeitstage,  896  Arbeitstage, 

5280,5“  Stollen,  4552,0“  Stollen, 

5,05“  für  den  Tag.  5,09'"  für  den  Tag. 

Wenn  auch  der  Nachweis,  dass  dieses  günstige  Er- 
gebniss im  wesentlichen  der  guten  Einrichtung  der  Schutte- 
rung zuzuschreiben  ist,  aus  der  Tabelle  nicht  unmittelbar 
geführt  werden  kann,  so  geht  doch  daraus  hervor,  dass  i.  die 
Zahl  der  Bohrlöcher  für  die  Attacke  gestiegen  ist,  2.  die 
mittlere  Tiefe  derselben  grösser  geworden  ist  und  dass 
3.  der  Querschnitt  des  Stollens  am  Arlberg  grösser  ge- 
wesen ist  als  am  Gotthard  (7  gegen  6,4  q“).  Aus  diesen 
Umständen  ist  zu  entnehmen,  dass  die  Bohrzeit  am  Arl- 
berg nicht  geringer  gewesen  ist,  als  am  Gotthard,  wahr- 
scheinlich sogar  grösser,  dass  also,  wenn  trotzdem  die 
gesammte  Attackendauer  abgenommen  hat,  der  Unter- 
schied in  der  Schutterzeit  gewonnen  sein  muss.  Man  sieht 
hieraus  wieder,  wie  wichtig  gerade  dieser  Theil  der  Ar- 
beit ist  und  wie  die  Bedeutung  desselben  mit  zunehmen- 
den Leistungen  im  Fortschritt  immer  mehr  wächst. 

Man  hat  deshalb  auch  bei  anderen  Tunnelbauten  mit 
maschinellem  Vortrieb  der  Schuttermethode  grosse  Auf- 
merksamkeit zugewendet  und  nach  allerhand  Mitteln  ge- 
sucht, um  die  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  zu  steigern. 

Ara  Kaiser  Wilhelm-Tunnel  bei  Cochem  wurde  z.  B. 
das  Material  nach  dem  Schiessen  auf  kleine  Wagen  ge- 
laden, die  auf  einer  schiefen  Ebene  in  den,  dem  Sohlen 
Stollen  dicht  nachfolgenden  Firststollen  gezogen  und  von 
dort  durch  Rollöcher  in  die  im  Sohlenstollen  stehenden! 
grossen  Tunnel-Transportwagen  entleert  wurden. 

Am  Brandieite-Tunnel  waren  vor  Ort  zwischen  die 
Schienen  des  Haupt-Transportgleises  dicht  nebeneinander 
zwei  weitere  Schienen  gelegt,  wodurch  dort  zwei  Gleise 
entstanden,  auf  denen  kleine  Wagen  liefen,  deren  Kästen 
unsymmetrisch  über  ihren  Räderpaaren  angeordnet  waren, 
um  sie  so  bei  einander  vorbeifahren  und  leicht  umwerfen 
zu  können.  Mittels  dieser  Wagen  wurde  das  Material 
nach  dem  Schiessen  auf  grösserer  Länge  seitwärts  im 
Stollen  auf  Bühnen  abgelagert  und  dann  während  der 
wieder  begonnenen  Bohrarbeit  auf  die  Tunnei-Transport- 
wagen  geladen.  Dieses  Verfahren  hat  sich  dort  gut  be- 
währt und  mit  Hilfe  desselben  konnte  in  dem  harten  Por- 
phyr, welcher  keine  grossen  Attacken-Fortschritte  zuhess 
und  in  welchem  wegen  starkerWasserzuflüsse  das  Schuttern 
an  sich  sehr  schwierig  war,  der  gewährleistete  Fortschritt 
von  4 “ für  1 Tag  dadurch  erreicht  werden,  dass  man  die 
Zahl  der  Attacken  am  Tag  auf  4—5  steigerte. 

Die  Kosten  des  Arlberg-Tunnels  haben  imganzen  ein- 
schliesslich der  Portalbauten,  der  Installation  und  des 
Schotterkörpers,  jedoch  ausschliessl.  der  Gleise  und  der 
Signaleinrichtungen  19082641  fl.  betragen.  Hiervon  ent- 
fallen 1505770  fl.  auf  die  Installationen.  — 

(Fortsetzung  folgt) 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine. 

Der  Düsseldorfer  Arch.-  u.  Ing.-V.  theiltmit,  dass  während 
der  Dauer  der  Düsseldorfer  Industrie-  und  Kunstausstellung 
das  „Fürstenbergbräu“  nahe  der  Fontaine  als  Treff- 
punkt der  Vereins-  und  Verbands-Mitglieder  gelten  soll.  — 
Sächsischer  Ing.-  u.  Arch.-Verein.  Die  151.  Haupt  Ver- 
sammlung fand  am  8.  Dez.  vor.  J.  in  Leipzig  statt.  Schon 
am  Abend  vorher  hatten  sich  die  einheimischen  und  die  von 


auswärts  bereits  eingetroffenen  Mitglieder  und  Gäste  nebst 
zahlreichen  Damen  im  „Künstlerhaus“  gesellig  vereinigt,  wo 
sie  mit  Ansprachen  begrüsst  und  mit  Vorführung  eines 
„Technischen  Ueberbrettl’s“  und  anderen,  ausschliesslich 
von  Damen  und  Herren  des  Vereins  dargebotenen  Ueber- 
raschungen,  ergötzt  wurden.  — Der  eigentliche  Versamm- 
lungslag brachte  dann  in  der  i.  Fachabtheilung  als  Vortrag 
von  Hrn.  Prof.  Dr.  Schreiber-Chemnitz:  „Beiträge  zur 
Thalsperren-Frage“.  Niederschlags-Messungen  müssen 
in  Verbindung  mit  meteorologischen  Beobachtungen  statt- 

No.  55. 


350 


fraderi;  Die  aaf  70  Jahre  rückwärts  - sich  erstreckenden 
Beobachtühgen  lassen  seit  20  Jahren  eine  Zunahme  der 
Niederschlagsmengen  erkennen;  es'  giebt  Gebiete,  wo  nur 
33  v.  H.  des  Niederschlages  abfliessen  und  Perioden,' in 
denen,  die  geplanten  Sperren  .(für  industrielle  Zwecke) 
nur  eben  ausreichen  würden. — • In  der  2.  Fachabtheilung 
sprach  Hr.  Oberkunstmeister,  Prof.  Roch-Freiberg,  über 
Dampf-Selbstschiussventile.,  .Sie  treten  bei  Rohr- 
brüchen (infolge  von  Druckdifferenz)  in  Wirksamkeit  und 
werden  in  Abständen  von  etwa  500™  angebracht.  — Die 
3.  Fachabtheilung  besichtigte  den  mitten  in  der  Ausführung 
durch  den  Krach  zum  Stillstand  gekomnienen  Neubau  der 
Leipziger  Bank,  unter  Führung  des  Bauleiters  Hrn.  Arch. 
Bischoff.  — Die  4.  Abtheilung  endlich  hörte  einen  Vor- 
trag des-Hrn.  Oberbefgräth  Prof.  Dr.  Erhard  über  Sich  er- 
heit.smaassregeln  bei  unterirdfschen  Starkstroni- 
Anlageü,  insbesondere  bezüglich  der  Maschinen  ver- 
schiedener Systeme  und  der  Fortleitungskabel. 

Die  hiernach  folgende  Gesammtsitzung,  die  im  grossen 
Saale  des  Zoologischen  Gartens  stattfand,  beschäftigte  sich 
hauptsächlich  mit  der  Neuwahl  des  Vorstandes,  wobei  Hr. 
Ob.-Brth.  Andrae  als  Präsident  für  die  Periode  i90z/3 
gewählt  wurde.  Sodann  fand  die  Abstimmung  über  17 
Neuangemeldete  statt,  die  sämmtlich  zur  Aufnahme  ge- 
langten. Nach  einem  Rundgange  zur  Besichtigung  der 
Bauwerke  des  Zoologischen  Gartens,  unter  Führung  des 
Arch.  Hrn.  Rust,  vereinigte  ein  gemeinschaftliches  Mittags- 
mahl die  Theilnehmer  der  Versammlung.  Am  Montag 
Vormittag  wurden  die  reichhaltigen  Sammlungen  des 
Völkerkunde-  (Grässi-)  Museums  unter  Führung  von  dessen 
Direktor,  Hrn.  Dr.  med,  Obst,  besichtigt. 

Ara  4.  Mai  1902. wurde  in  Dresden  die  152.  Haupt- 
versammlung des  Vereins  abgehalten.  Auch  diesmal 
vereinigte  ein  Begrüssungsabend  schon  am  3.  Mai  die  be- 
reits in  Dresden  anwesenden  Theilnehmer  im  „Weissen 
Saal'*  der  „Drei  Raben“.  Dresdener  Mitglieder,  Damen 
und  Herren,  boten  auch  hier  musikalische  und  dramatische 
Unterhaltung  aller  Art.  Am  Versamralungstage  wurden 
in  den  Fachabtheilungen  folgende  Vorträge  gehalten; 
Abth.  I.  Hr.  Arndt,  Bauinspektor  beim  kgl.  Kommissariat 
für  elektrische  Bahnen  machte  ausführliche  und  inter- 
essante Mittheilungen  über  den  Bau  und  Betrieb  elek- 
trischer Strassenbahnen,  wobei  zahlreiche  Modelle 
und  anschauliche  Zeichnungen  seine  Ausführungen  unter- 
stützten. — In  der  II.  Abth.  sprach  Hr.  dipl.  Ing.,  Adjunkt 
Lewicki  von  der  Techn.  Hochschule,  über  Dampf- 
turbinen, gleichfalls  an  der  Hand  vieler  Modelle.  Die 
III.  Abth.  besichtigte  den  Neubau  der  Lukas- Kirche  unter 
Führung  des  Arch.  Hrn.  Weidenbach-Leipzig,  der  vor- 
her Erläuterungen  über  dieBauausführungen  gegeben  hatte. 
Die  IV.  Abth.  endlich  hörte  einen  Vortrag  von  Hrn.  Berg- 
rath Arnold-Zwickau  über  „Die  Entstehung  und 
Ablagerung  der  fossilen  Brennmaterialien“,  der 
reich  an  interessanten  .Einzelheiten  war,  insbesondere 
wegen  der  noch  schwebenden  Frage,  ob  die  Steinkohlen 
an  Ort  und  Stelle  gewachsen,  oder  aus  Anschwemmungen 
entstanden  seien. 

In  der  Gesammt -Sitzung  beschäftigte  sich  dann  die 
weit  über  2000  Theilnehmer  zählende  Versammlung  zu- 
nächst mit  den  Veränderungen  im  Mitglieder-Beslande; 
dem  Verlust  von  12  Mitgliedern  (unter  den  5 Ver- 
storbenen befand  sich  auch  ein  Gründer  des  Vereins: 
Hr.  Baudir.  von  Hänel-Stuttgart)  stand  erfreulicherweise 
die  Aufnahme  von  28  Neuangemeldeten  gegenüber.  So- 
dann wurde  über  folgende  Gegenstände  von  einzelnen 
Referenten  Bericht  erstattet:  Beitrag  zum  von  Guericke- 
Denkmal  in  Magdeburg.;  Anerbieten  der  Magdeburger 
Versicherungs  - Gesellschaft;  Gutachten  in  der  Meissener 
Dombau-Angelegenheit;  Stand  des  Bauernhaus-Verbands- 
werkes und  andere  Verbands-Angelegenheiten.  Den  Vor- 
trag hielt  Hr.  Prof.  Kübler  von  der  Technischen  Hoch- 
schule über  „Erfolge  und  Fehler  der  Unternehmun- 
gen für  drahtlose  T elegraphie“,  der  durch  .zahlreiche, 
mit  unfehlbarer  Sicherheit  und  Eleganz  durchgeführte 
Experimente  ausgezeichnet  illustrirt  wurde.  — Es  folgte 
dann  das  übliche  gemeinsame  Mittagsmahl  im  Hötel  Bristol, 
durch  die  Betheiligung  zahlreicher  Damen  verschönt  und 
durch  treffliche  Ansprachen  gewürzt.  — Am  Montag,  den 
5.  Mai,  fand  sich  eine  zahlreiche  Gesellschaft  schon  ^29  Uhr 
vor  der  Jakobi-Kirche  zusammen  und  besichtigte  ein- 
gehend und  bewundernd  das  herrliche,  seit  i.  Dez.  vor.  J. 
in  Gebrauch  genommene  Werk  des  Hrn.  Arch.  Kröger- 
Wilmersdorf.  Hieran  schloss  sich  die  Besichtigung  der 
Verein.  Eschebach’schen  Werke  (Metall-  und  Holzwaaren- 
Fabrik)  in  der  Vorstadt  Pieschen,  wo  den  Damen  und 
Herren  in  gruppenweiser  Führung  und  in  zuvorkommend- 
sterWeise  die  mit  den  modernsten  Hilfsmitteln  betriebenen 
verschiedenartigsten  Werkstätten  desgrossartigenEtablisse- 
ments  gezeigt  und  erklärt  wurden.  Zu  Mittag  fuhr  dann 


die.  gegen  90  Theilnehmer,  zählende-  Gesellschaft  mit  der 
Eisenbahn  durch  die  m.aiengrüne  und  blühende  Lössnitz 
nach  Moritzburg  und  vereinigte  sich  in  Adam’s  Gasthof. 
zum  frohen  gemeinsamen-  Mittagsmahle. . Spater  wurde 
von  Vielen  . der  Gesellschaft,  das  , schöne  Jagdschloss  be- 
sichtigt und,  der  Fütterung  des  Hoch-,  und  Schwarzwildes 
mitten  imWalde  zugeschaut.  Mit  d-er  Rückkehr  nach  Dresden 
fand  die  152.  Hauptversammlung  ihren  Abschluss.. — Ov  Gr. 

Mittelfränkischer  Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Nürnberg. 
Nach  dem  Halbjahrs-Bericht,  der  in  der  sommerlichen 
Hauptvers.  vom  19.  Juni' erstattet  wurde,  fanden  8 Sitzungen 
statt,  in  welchen  ausser.  Verbands^  und  Vereins- Angelegen- 
heiten folgende  Gegenstände  behandelt  wurdeni  Am 
20.  Dez.  1901:  Königsberg  in  Franken  und  seine  Kirche 
ad .Sanctam  Mariara  durch  Hrn.  Arch.  Oelenheinz;  am 
IO.  Jan.  1902:  Pläne  von  Landkirchen  durch  Hrn.  Arch. 
Kies  er;  am  31.  Jan.  1902:  Ausgeführte  Bauten  und  Reise- 
Aufnahmen  durch  die  Hrn.  Arch.  Karl  und  Hans  Söhn- 
lein; am  14.  Febr.  1902:  Der  Sprickerhoff  sehe  Plan  eines 
Durchgangs-Bahnhofs  für  Stuttgart  durch  Hrn.  Reg.-Bmstr. 
Wallersteiner;  am  28.  Febr.  1902:  Umbau  des  Schlosses 
in  Lauf  durch  Hrn.  k.  Bauamtmann  F.  Miller;  am  21.  März 
1902;  Eine  neue  Verkleidung  von  Decken,  Oefen  usw. 
durch  Hrn.  Arch.  Röhm;  am  ii.  April  1902:  Errichtung 
von  städtischen  Feuerwachen  durch  Hrn.  Arch.  Seegy 
und  am  25.  April  1902:  Ueber  Sicherheit  und  Wirthschaft- 
lichkeit  im  Eisenbahnwesen  durch  Hrn.  k.  Direktionsass. 
Dr.  Zinsm  eis  t er.  Es  wurden  besichtigt;  am  9.  Jan.  1902': 
Die  Kassenschrank-Fabrik  von  Hrn.  Konsul  Meck  (gemein- 
schaftlich mit  dem  Bezirksverein  deutscher  Ingenieure); 
am  12.  Febr.  1902:  Das  neue  Dienstgebäude  des  k.  Ober- 
landesgerichls;  am  3.  März  1902:  Der  Stadttheater-Neubau 
in  Fürth  i.  B.;  am  7.  Mai  1902:  Die  Funk’schen  Marmor- 
werke; am  24.  Mai  1902:  Das  Schulhaus  an  der  Preisler- 
strasse  und  die  Feuerwache  West;  am  5..  Juui  1902.;  Der 
Zentral-Rangirbahnhof  (gemeinschaftlich  mit  dem  Bezirks- 
verein deutscher  Ingenieure). 

Die  Mitgliederzafal  stellt  sich  auf  92,  nachdem  5 Mitglie- 
der im  verflossenen  Halbjahr  neu  aufgenommen,  dagegen 
4 anderen  Kreisgesellschaften  überwiesen  worden  sind.  — 
— — r. 

Vermischtes. 

Die  Frage  eines  neuen  bayerischen  Landtagsgebäudes 
kehrt  alljährlich  in  den  Berathungen  der  bayerischen 
Landesvertretung  wieder,  ohne  dass  diese  Körperschaft 
zu  einer  positiven  Entschliessung  kommen  konnte.  Nun- 
mehr ist  ein  erster  Schritt  in  dieser  Hinsicht  gethan.  In 
ihrer  319.  Sitzung  vom  31.  Mai  beschloss  die  Kammer  der 
Abgeordneten,  weitere  bauliche  Veränderungen  an  dem 
bestehenden  Landtagsgebäude  nicht  mehr  vorzunehmen 
und  die  k.  Staatsregierung  zu  ersuchen,  der  Lösung  der 
Platzfrage  für  ein  neues  Landtagsgebäude  näher  zu.  treten 
und  einen  geeigneten  Bauplatz  sicher  zu  stellen.  Auch 
die  Monumentalbau-Kommission  hat  sich  mit  der  Frage 
befasst.  Ueber  die  vielfach  behauptete  Unthätigkeit  dieser 
Kommission  sprach  sich  der  Minister  Frhr.  v.  Feilitzsch 
dahin  aus,  die  Kommission  habe  lediglich  den  Zweck,  den 
Ministerien  auf  Ansuchen  ein  Gutachten  abzugeben;  sie 
habe  fleissig  gearbeitet,  aber  ihre  Beschlüsse  nicht  an  die 
Oeffentlichkeit  gebracht,  einmal,  weil  sie  für  die  Ministerien 
nicht  bindend  sind,  und  zum  anderen,  damit  die  Gelände- 
Spekulation  nicht  begünstigt  werde.  ^ 

Sanitäre  Anlagen  und  Einrichtungen.  Die  grossartige 
Entwicklung  der  gesundheitlichen  Anlagen  im  "Wohnhause, 
imSchulhause, Krankenhause,  in  Hötels, Kasernen,  Fabriken 
usw.  sind  ein  beredter  Beweis  dafür,  welch’  grossen  Werth 
man  denselben  beilegt.  Der  Firma  „Bayer.  Metallindustrie 
München  Tobias  Förster  & Co.“  gebührt  das  Verdienst, 
auf  diesem  Gebiete  in  Süddeutschiand  erfolgreich  mitge- 
wirkt zu  haben.  Die  neue  Ausgabe  ihres  Taschen-Kataloges 
enthält  durchweg  moderne  Neuheiten,  namentlich  Präzisions- 
Mischapparate  fürKrankenpflege,  sowie  für  die  Haushygiene, 
ferner  eine  reiche  Auswahl  nach  eigenen  Systemen  aus- 
geführter Kloset-Spülanlagen  für  jede  Lage  und  Wasch- 
einrichtungen für  Wohnungen,  Kasernen,  Fabriken  usw.  — 

Auszeichnungen  an  Firmen  des  Baugewerbes.  Es  er- 
hielten: Die  preussische  Staatsmedaüle  „für  gewerbliche 
Leistungen“  in  Gold  die  Aktien- Ge  Seilschaft  Siemens 
& Halske  in  Berlin;  die  gleiche  Medaille  in  Silber  die 
A.-G.  Mix  & Genest,  die  A.-G.  F.  Butzke  & Co.  und  die 
Firma  Heinrich  Freese  in  Berlin;  die  gleiche  Medaille  in 
Bronze  die  Firma  Quantmeyer  & Eicke  in  Berlin. — 


Preisbewerbungen. 

Zu  dem  Wettbewerb  der  Berliner  Elektrizitäts-Werke 
betr.  Entwürfe  zur  architektonischen  Ausbildung  von  Bogen- 
licht-Kandelabern,  welcher  für  die  Mitglieder  der  „Ver- 


9 Juli  1902. 


35^ 


einigung  Berliner  Architekten"  ausgeschrieben  war,  liefen 
20  Arbeiten  ein,  von  welchen  6 auf  die  engste  Wahl 
kamen.  Den  I.  Preis  von  1500  M.  errang  Hr.  Stadtbmstr. 
Emil  Högg,  den  11.  Preis  von  800  M.  Hr.  Stadtbmstr. 
Alfons  Schneegans,  den  III.  Preis  von  500  M.  Hr.  Arch. 
H.  A.  Krause,  sämmtlich  in  Berlin.  Die  Entwürfe  der 
Hrn.  Alfr.  J.  Balcke  und  Rieh.  Walter  wurden  ange- 
kauft. Der  Entwurf,  welcher  ausser  den  vorher  genannten 
noch  auf  die  engste  Wahl  kam,  führt  das  Kennwort  „Lucifer“. 
Sämmtliche  Entwürfe  sind  vom  9. — 15.  Juli  von  12—4  Uhr 
Luisen-Str.  35  öffentlich  ausgestellt.  — 

Zu  einem  Wettbewerb  des  Münchener  Architekten-  und 
Ingenieur-Vereins  betr.  Entwürfe  für  ein  Sparkassen-Gebäude 
in  Kaufbeuren  liefen  17  Arbeiten  ein.  Den  I.  und  den 
III.  Preis  errangen  die  Architekten  Hessemer  & Schmidt, 
den  II.  Preis  Arch.  C.  Jäger,  sämmtlich  in  München.  Der 
mit  dem  I.  Preise  ausgezeichnete  Entwurf  soll  zur  Aus- 
führung gelangen.  — 

Bei  dem  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Be- 
bauungsplänen, welches  die  Terrain-A.-G.  Park  Witzleben  in 
Charlottenburg  für  die  Mitglieder  des  Deutschen  Techniker- 
Verbandes  erlassen,  erhielt  den  I.  Preis  Hr.  Arch.  F. 
Epstein  in  Kassel;  den  II.  Preis  Hr.  Arch.  M.  Gerhardt 
in  Charlottenburg;  den  UI.  Preis  Hr.  Arch.  C.  Pewe  in 
München.  — 

Wettbewerb  Kudlich-Warte  Troppau.  Von  den  einge- 
laufenen 30  Entwürfen  wurde  der  unter  dem  Kennworte 
„Mucki"  eingesandte  Entwurf  des  Arch.  Curt  von  Brocke 
in  Breslau  mit  dem  I.  Preise  ausgezeichnet.  — 


Chronik. 

Die  neue  katholische  Kirche  in  Ratibor-Altendorf  wurde 
am  5.  Juni  dem  Gottesdienste  übergeben.  Dieselbe  ist  eine  drei- 
schilfige, gewölbte,  gothische  Basilika  mit  Querschiff  in  reicher 
Backstein- Ausführung.  Die  Kirche  ist  für  3000  Besucher  berechnet; 
die  Kosten  des  Baues  betragen  etwa  250000  M.  bei  einer  bebauten 
Fläche  von  1350 qm;  die  Kosten  der  inneren  Ausstattung  und  der 
reichen  Glasgemälde  belaufen  sich  auf  etwa  60000  M.  Der  Bau 
wurde  nach  den  Entwürfen  des  Arch.  Schneider  in  Oppeln 
ausgeführt.  — 

Die  Ausführung  einer  schiftbaren  Kanal -Verbindung 
zwischen  dem  Griebnitz-  und  dem  Wannsee  bei  Berlin  erscheint 
nunmehr  gesichert.  Voraussichtlich  wird  der  Kreis  Teltow  im 
Anschluss  an  die  Herstellung  des  Teltow-Kanales  auch  diese  Aus- 
führung übernehmen,  sobald  die  Kosten  im  Betrage  von  650000  M. 
durch  die  Hauptinteressenten,  die  Gemeinde  Wannsee,  Prinz  Fried- 
rich Leopold  und  den  Forstfiskus  aufgebracht  sind.  Die  Linie  be- 
nutzt den  Griebnitz-See,  Stölpehensee,  Kl.-Wannsee.  Zwischen 
denselben  sind  Durchstiche  herzustelien , ausserdem  ist  eine  ent- 
sprechend tiefe  Fahrrinne  in  den  Seen  zu  baggern.  — 

Die  Konzession  zur  Ausführung  des  Stichkanales  durch 
die  Köllnischen  Wiesen  bei  Berlin  zur  Spree  ist  der  Gemeinde 
Rixdorf  ertheilt.  Kosten  1250000  M.  Die  Erdarbeiten  waren  im 
Frühjahr  schon  als  Nothstands  - Arbeiten  in  Angriff  genommen 
worden.  — ■ 

Der  Grundstein  zur  neuen  „Nathanael-Kirche“  in  Frie- 
denau b.  Berlin,  die  nach  dem  Entwürfe  des  Arch.  J.  Kröger  in 
Berlin  ausgeführt  wird,  ist  am  26.  Juni  d.  J.  gelegt  worden.  Kosten- 
summe 250000  M.  Sie  enthält  1050  Plätze.  Die  Kirche  wird  als 
frühgothischer  Backsteinbau  hergestellt.  — 

Dem  Entwürfe  zur  ReguUrung  der  Tiber  an  der  Tiber- 
insel, Ing.  Cozza  & Bruno,  hat  die  Ueberwachungs-Kommission 
zugestimmt.  Derselbe  bezweckt  die  Beseitigung  der  Schäden,  die 
sich  bei  dem  Hochwasser  vom  2.  Dez.  1900  zeigten,  durch  Ausge- 
staltung des  rechten  Flussarmes  als  Kanal  und  des  linken  als  eigent- 
liches Flussbett  für  niedere  und  mittlere  Wasserstände.  Der  Entwurf 
bedingt  einige  Veränderungen  bezw.  Verstärkungen  an  Ponte  Cestio 
und  Ponte  Fabricos.  — 

Der  Ankauf  des  Panama-Kanales  ist  vom  amerikanischen 
Kongress  nunmehr  in  beiden  Häusern  beschlossen.  Der  Bundes- 
Präsident  ist  ermächtigt  worden,  die  Besitzthümer  der  Panama-Ge- 
sellschaft für  40  Mül.  Dollar  (170  MÜl.  M.)  anzukaufen,  wenn  diese 
einen  genügenden  Rechtstitel  darüber  nachzuweisen  hat.  Da  letzteres 
wohl  der  Fall  ist,  so  wird  anscheinend  die  Entscheidung  doch  nach 
der  Seite  des  Panama-Kanales  fallen,  während  die  Aussichten  des 
Nicaragua-Kanales  in  letzter  Zeit  die  besseren  waren.  — 

Technische  Hochschule  für  Nürnberg.  Der  Finanzausschuss 
der  bayerischen  Kammer  hat  die  Summe  von  10000  M.  zu  Vor- 
arbeiten für  die  Pläne  zur  Errichtung  einer  technischen  Hochschule 
in  Nürnberg  nicht  bewilligt.  Als  Gründe  werden  die  schlechte 
Finanzlage  des  Staates  und  die  in  letzter.  Stunde  aufgetretene 
Rivalität  von  Würzburg  angeführt.  — 

Die  Errichtung  eines  Stadttheaters  in  Heilbronn  soll  nach 
den  Entwürfen  des  Hrn.  Arch.  Prof.  Theod.  Fischer  in  Stuttgart 
erfolgen.  — 

Die  Errichtung  eines  National-Denkmales  für  Richard 
Wagner  in  Leipzig  ist  beschlossen  worden.  Die  Mittel  sollen 
durch  Sammlungen  in  Deutschland  und  Oesterreich,  der  Entwurf 
wird  durch  einen  allgemeinen  Wettbewerb  für  deutsche  Künstler 
gewonnen  werden.  — 

Die  Grundsteinlegung  des  neuen  Rathhauses  ln  Char- 
lottenburg, von  welchem  der  rückwärtige  Theil  durch  die  Erbauer 
des  ganzen  Hauses,  die  Hrn.  Arch.  Reinhardt  & Süssenguth 
in  Charlottenburg,  bereits  errichtet  wurde,  hat  am  xg.  Juni  statt- 
gefunden. — 


Der  Bau  einer  höheren  Maschinen-  und  Schiftbau-Schule 
in  Kiel  ist  von  der  Stadtgemeinde  nach  den  Plänen  des  Stadtbau- 
amtes mit  einem  Kostenaufwande  von  600000  M.  beschlossen  wor- 
den. Die  Schule'  soll  schon  am  i.  April  1903  eröffnet  werden.  — 
Das  Richard- Wagner-Denkmal  für  Berlin,  dessen  Ge- 
staltung ein  Entwurf  von  Prof.  G.  EbeiTein  zugrunde  liegt,  soll 
am  I.  Okt.  1903  enthüllt  werden.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Den  Postbauinsp.  Ru  b ach  in  Frank- 
furt a.  O.,  Seil  in  Posen  und  Siecke  in  Berlin  ist  der  Charakter 
als  Brth.  mit  dem  persönl.  Range  der  Räthe  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Mar.-Bfhr.  Dietrich  und  Meyer  sind  zu  Mar.-Schiff- 
bmstrn.  ernannt. 

Preussen.  Dem'Geh.  Brth.  Dr.  Steinbrecht  in  Marienburg, 
W.-Pr.,  ist  der  Rothe~Adler-Ordcn  III.  Kl.  mit  der  kgl.  Krone,  dem 
Stadtbrth.  Wahn  in  Metz  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  und  dem 
Reg.-Bmstr.  Schmidt  in  Marienburg,  W.-Pr.,  der  kgl.  Kronen- 
Orden  IV.  Kl.,  dem  Reg.-  u.  Gewerberath  Raether  in  Minden 
ist  der  Char.  als  Geh.  Reg.-Rath  verliehen. 

Es  ist  verliehen ; den  Reg.-  u.  Brthn.  Bergemann  u.  Roth 
in  Magdeburg  die  Stellen  eines  Mitgl.  der  kgl.  Eisenb.-Dir.  das.; 
den  Eisenb.-ßau-  u.  Betr.-Insp.  Baltzer  (z.  Zt.  in  Tokio-Japan) 
die  Steile  eines  Mitgl.  der  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Stettin,  Genz  in 
Frankfurt  a.  O.  2 und  Hammer  in  Königsberg  i.  Pr.  i die  Stelle 
des  Vorst,  der  Betr.-Insp.  das.;  den  Bisenb.-Bauinsp.  Höf  er  in 
Kassel  2,  Paschen  in  Lissa  die  Steilen  des  Vorst,  der  Masch.- 
Insp.  das.  und  Halfmann  die  Stelle  des  Vorst,  einer  Werkst.- 
Insp.  bei  der  Hauptwerkstätte  in  Saarbrücken. 

Versetzt  sind;  der  Reg.-  u.  Brth.  Stampfer  in  Düsseldorf 
als  Mitgl.  an  die  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Elberfeld;  die  Eisenb.-Bau-  u. 
Betr.-Insp. H o r s tm  an  n in  Giessen  zur  kgl.  Eisenb  -Dir.  in  Breslau, 
Burgund  in  Altona  als  Vorst,  (auftrw.)  der  Betr.-Insp.  2 nach 
Gleiwitz,  Bergkammer  in  Elberfeld  als  Vorst,  der  Betr.-Insp., 2 
nach  Düsseldorf,  Lewin  in  Essen  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach 
Oberhausen,  Pröbsting  in  Dillingen  zur  Betr.-Insp.  i in  Trier, 
T h 0 m a s in  Trier  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Koblenz,  Zimmer- 
mann in  Mainz  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Weinheim  und 
Fischer  in  Münster  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Rheine;  — die 
Eisenb.-Bauinsp.  E.  F r ä n k e 1 in  Guben  nach  Breslau  3,  S.  F r a e n- 
kel  in  Dortmund  nach  Guben,  Bredemeyer  in  Gleiwitz  nach 
Frankfurt  a.  O.,  Thomas  in  Danzig  nach  Gleiwitz  (auftrw.)  und 
Lenz  in  Kattowitz  nach  Dortmund  i (auftrw.)  als  Vorst,  einer 
Werkst. -Insp.  das. 

Die  Reg.-Bmstr.  Horn  in  Hannover  und  Lund  im  Techn. 
Eisenb.-Bür.  des  Minist,  der  öffentl.  Arb.  sind  zu  Eisenb.-Bau-  u. 
Betr.-Insp.,  Harr  in  Frankfurt  a.  M. , Ritze  in  Berlin,  Pieper 
in  Danzig  und  Wes  sing  in  Breslau  zu  Eisenb.-Bauinsp.  ernannt. 

Technische  Hochschule  in  Charlottenburg: 
Als  Abth.-Vorst.  für  das  Amtsjabr  i.  Juli  1902/03  sind  bestätigt 
worden  die  Prof.;  Geh.  Brth.  Koch  für  die  Abth.  für  Archit., 
Dietrich  fürBauingenieurwesen,  Franz  für  Maschineningenieur- 
wesen, Flamm  für  Schiffs-  u Schiffsmaschinenbau,  Geh.  Reg.-Rath 
Dr.  Witt  für  Chemie  u.  Hüttenkunde,  Geh.  Reg.-Rath  H a u c k für 
Allgem.  Wissenschaften. 

Die  Reg.-Bfhr.  Jak.  Janz  aus  Mainz,  Herrn.  Lange  aus 
Kahla,  Paul  Schmidt  aus  Göttingeu  und  Gg.  Lieber  aus  Berlin 
(Hochbfeh.),  — Paul  Menne  aus  Siegen,  Otto  Liebetrau  aus 
Eisenach  (Eisenbfeh.),  — Heinr.  Lomnitz  aus  Zabrze,  Hugo 
K r 0 h n aus  Berlin,  Otto  Brandes  ans  Essen  u.  Frledr.  Lantzen- 
dürffer  aus  Berlin  (Masch.-Bfeh ) sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  R.  W.  in  Jever.  Sofern  das  Preisausschreiben 
nicht  etwa  ausdrücklich  bedungen  hatte,  dass  der  Bewerber  ver- 
pflichtet sei,  für  die  von  ihm  bezifferte  Kostensumme  den  Bau  zu 
übernehmen  und  auszuführen,  braucht  der  mit  dem  Preise  gekrönte 
Verfasser  nicht  den  Bau  zu  übernehmen.  Gewöhnlich  fehlt  eine  solche 
Bedingung  und  es  wird  den  Bewerbern  nur  die  Uebertragung  der. 
Ausführung  an  den  in  Aussicht  gestellt,  welcher  den  Preis  erhalten 
würde,  also  nur  eine  „Anwartschaft"  auf  die  Bauübertragung  eröffnet. 
Dies  scheint  auch  in  Ihrem  Falle  geschehen  zu  sein.  Denn  da  vier 
Preise  vertheilt  sind  und  derselbe  Bau  doch  nicht  an  vier  Personen 
gleichzeitig  vergeben  werden  kann,  muss  sich  die  Preisausschreiberin 
für  die  schliessliche  Uebertragung  des  Baues  das  Wahlrecht  Vor- 
behalten haben , welches  sie  dann  nach  freier  Entschliessung  aus- 
üben darf.  Ein  Widerruf  der  Preisbewilligung  aus  dem  Grunde, 
dass  bezüglich  der  Kostensumme  ein  Irrthum  obgewaltet  habe,  steht 
dem  Preisgerichte  nicht  zu.  Ebensowenig  kann  dessen  Ausspruch 
durch  die  Preisausschreiberin  angefochten  werden,  nachdem  sie 
sich  mit  der  Preisvertheilung  einverstanden  erklärt  hatte.  Noch 
weniger  steht  den  Mitbewerbern  ein  Rlagerecht  gegen  den  Sieger 
im  Preiskampf  auf  Abgabe  des  Anerkenntnisses  zu,  dass  er  den  zu- 
eckannten  Preis  nicht  verdient  habe  oder  wohl  gar  eine  Klage  gegen 
das  Preisgericht  auf  Widerruf  seines  Preisspruches,  weil  derselbe 
auf  falschen,  thatsächlichen  Voraussetzungen  beruhe.  Nur  wenn 
dem  siegreichen  Bewerber  nachzuweisen  wäre,  absichtlich  eine  un- 
richtige Kostenziffer  eingesetzt  zu  haben,  könnte  gegen  ihn  wegen 
Betruges  straf-  und  zivilrechtlich  vorgegangen  werden.  — K.  H-e. 

Hrn.  Stdtbmstr.  Z.  in  S.  Mit  Bezug  auf  die  Ihnen  in  No.  45 
gegebene  Antwort  theilt  uns  die  „Zementwaaren-Fabrik  Cossebaude 
Windschild  & Langelott“  mit,  dass  sie  das  alleinige  Herstellurigs- 
recht  und  den  Alleinvertrieb  der  Sinkkasten  nach  System  Mairich  hat. — 


Inhalt:  Der  Simplon-Tunnel,  mit  RücKblickea  auf  die  Baugeschichte 
der  älteren  Alpen-Tunnel  ^Fortsetzung).  — Mittheilungea  aus  Vereinen.  — 
Vermischtes.  — Preisbetverbungen.  — Chronik.  — Personal-Nachrichten. 
— Brief-  und  Fragekasfen. 


Verlag  der  Deutschen  ßauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


352 


No.  55- 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  56. 
DEN  12.  JULI  IQ02.  * 
.«stsrststatürststsjsrsts: 


Berliner  Neubauten. 

No.  103.  Wohnhaus  Henning,  Knesebeck -Strasse  51. 

Architekt:  Kgl.  Bauinsp.  E.  Fürstenau  in  Berlin. 


“jn  dem  vielfach  ungemessenen  architcktoni- 
I sehen  Aufwand  der  westlichen  Aussenvicrtel 
von  Berlin  und  seiner  Vororte  Wilmersdorf 
j und  Charlottenburg  steht  das  Haus  Knese- 
‘ beck-Strasse  51  in  Charlottenburg,  welches 
nach  den  Entwürfen  des  Architekten  und  kgl.  Bau- 
insp. E.  Fürstenau  in  der  Zeit  von  September  1898 
bis  Oktober  1899  entstanden  ist,  in  feiner  künstlerischer 
Zurückhaltung,  in  einer  Anspruchslosigkeit  da,  welche 
das  Ergebniss  weitgehender  künstlerischer  Reife  ist. 
Für  die  eigenartige  Grundrissgestaltung  und  für  die 
in  unseren  Tagen  seltene  Stilwahl  für  die  architek- 
tonische Ausbildung  waren  die  besonderen  und  sehr 
eingehenden  Wünsche  des 
Bauherrn  maassgebend,  wel- 
chen der  Architekt  gerne  folgte 
und  in  ihrer  Berücksichtigung 
ein  Kunstwerk  schuf,  welches 
unter  den  Wohnhausbauten 
unserer  Tage  eine  eigenartige 
und  ganz  vereinzelte  Stellung 
einnimmt.  Es  ist  nicht  ohne 
Interesse,  an  diesem  Beispiel 
und  in  seiner  Gegenüberstel- 
lung mit  der  üblichen  Hervor- 
bringung von  heute  denWerth 
zu  ermessen,  welchen  die 
italienische  Renaissance  trotz 
dem  Verdammungsurtheil,  mit 
welchem  sie  durch  die  mo- 
derne Bewegung  getroffen 
wurde,  für  uns  heute  noch, 
oder  wenn  man  will,  heute 
wieder  haben  könnte. 

Das  durchweg  unterkellerte 
Gebäude  enthält  im  Erdge- 
schoss des  Vorderhauses  eine 
vermiethbare  Wohnung  von 
5 Zimmern  mit  den  erfor- 
derlichen Nebenräumen,  im 
Sockelgeschoss  eine  kleine 
Wohnung  für  einen  verfaei- 
ratheten  Diener,  der  zugleich 
Hauswart  ist,  und  im  übri- 
gen lediglich  die  Wohnung 
des  Besitzers,  des  Hrn.  Rent- 
ners Hermann  Henning. 

Das  Vordergebäude  erhielt 
dieFormender  florentinischen 
Fröhrenaissance,  für  den  Sei- 
tenflügel wurden  Veroneser 
Formen  des  späteren  Mittel- 
alters gewählt,  das  Maass- 
werkfenster der  Diele  des  I. 

Obergeschosses  ist  nach  ve- 
netianischen  Vorbildern  ge- 
staltet. Die  15“  breite  Stras- 
senfront  hat  grosse  Verhält- 
nisse mit  4,45“  Axen  weite. 

Auf  den  Postamenten  des  Bal- 
kons sollten  Ursprünglichzwei 
Sandsteinfiguren  (Porträt-Sta- 
tuen) aufgestellt  werden,  wel- 
che aber  leider  nicht  ausge- 
führt sind.  Das  Obergeschoss 


(Hierzu  die  Abbildungen  S.  356.) 


ist  in  ganzer  Grundstücksbreite  über  der  vorderen 
Zimmertiefe  als  Loggia  mit  sichtbarem  Dachstuhl  aus- 
gebildet,  welche  durch  das  1,75*"  vorspringende  Dach 
gegen  Regen  gut  geschützt  ist.  Die  für  den  Hof  be- 
stimmten Formen  führten  in  Verbindung  mit  der  Aus- 
bildung der  Fensteröffnungen  von  sehr  verschiedener 
Lage  und  Grösse  der  dort  liegenden  Räume  mannig- 
faltiger Zweckbestimmung  (Küchen,  Räume  für  Diener- 
schaft, Schlafzimmer,  Gemäldegalerie  im  Obergeschoss 
des  Seitenflügels  usw.)  zu  einer  mehr  malerischen  Aus- 
bildung, welche  durch  Anbringung  eines  Kenotaphs, 
einer  Sonnenuhr,  sowie  eines  farbigen  Majolikareliefs 
{della  Robbia  Nachbildung  von  Cantagelli  in  Florenz) 


353 


noch  unterstützt  wurde.  — Das  Innere  ist  durchaus 
gediegen  ausgeführt  worden;  die  Wohnung  des  Erd- 
geschosses hat  den  für  die  neueren  und  besseren  Berliner 
Wohnhäuser  üblichen  Ausbau  erhalten.  Die  Räume  des 
Besitzers  sind  reicher  durchgebildet  durch  Verwendung 
von  polirtem  Marmor  für  Treppen.  Paneele,  Säulen  und 
Thürgewände,  durch  fouraierte  Thüren  aus  edlen  Höl- 
zern, Kachelpaneele  und  Holzdecken  in  den  Schlaf- 
zimmern usw.  Das  I.  Obergeschoss  enthält  die  Wohn- 
räume  der  Familie,  das  II.  die  Saramlungsräume  des 
Besitzers,  das  Dachgeschoss  nur  die  Loggia  an  der 
Vorderfront.  Die  baupolizeilichen  Bestimmungen,  von 
welchen  mehrere  Dispense  erforderlich  waren,  Hessen 
einen  weiteren  Ausbau  des  Dachgeschosses  nicht  zu. 
Leider  ist  die  Loggia  auf  ausdrücklichen  Wunsch  des 
Bauherrn  nur  von  der  Hintertreppe  aus  zugänglich, 
welche  jedoch  entsprechend  durchgebildet  ist. 

Das  Gebäude  hat  einen  Sockel  von  röthlichem 
Beuchaer  Granit.  Für  die  Vorder-  und  Hinterfront  und 


Gipsglätt-  und  Fugarbeiten:  Boswau  & Knauer  in 
Berlin;  für  die  Marmortreppen,  Marmorpaneele,  Thür- 
gewände:  A.  G.  Kiefer  in  Kiefersfelde;  für  die  Thür- 

gewände  und  Säulen:  G.  Krebs  in  Balduinstein  und 
'yckerhoff  & Neumann  in  Wetzlar.  Die  Tischler- 
arbeiten liefertenFeldmann,  Joost,  Lübnitz,  Reese 
und  Olm ; die  Schmiede-  und  Schlosserarbeitcn:  E.  P uls, 
A.>L.  Benecke  und  Scheidenrecht;  die  Warm- 
wasser-Niederdruckheizung ist  von  Joh.  Haag,  A.-G.; 
die  Rohrlegerarbeiten  von  Otto  Hoehns,  Hoflieferant; 
die  Kachelpaneele  von  Villeroy  & Boch;  die  elek- 
trische Beleuchtung  von  Armin  Tenner;  die  Dach- 
deckerarbeiten von  W.  Neumeister;  die  Klerapner- 
arbeiten  von  Heinrich  Kunitz. 

Die  Kosten  haben  etwa  250000  M.  betragen,  da 
der  Besitzer  auf  nur  bestes  Material  und  beste  Aus- 
führung den  grössten  Werth  legte. 

Eine  als  Abschluss  des  Hofes  und  Gärtchens  ge- 
plante zinnengekrönte  Umwähruiigsmauer  und  eine 


Photographische  Aufnahme  von  H.  Lichte  m Berlin_SW.48. 


die  Architekturtheile  des  Flügels  ist  der  kräftig  wirkende 
Wünscheiburger  Sandstein  verwandt,  nur  die  Streifen 
des  Flügels  sind  in  Cottaer  Sandstein  hergestellt. 

Die  Treppe  des  Vestibüls  sowie  die  Architektur- 
theile dieses  Raumes  und  der  Diele  des  I.  Oberge- 
schosses sind  in  grünem  Bayerfelder  Sandstein  aus- 
geführt. Die  Dielen  des  I.  und  des  II.  Obergeschosses 
haben  Belag  von  rothen  sechseckigen  Plättchen,  welche 
unmittelbar  von  Ellena  in  Genua  bezogen  wurden,  er- 
halten, die  übrigen  Räume  theils  Terrazzo,  theils  Stab- 
fussboden  in  Asphalt.  Sämmtliche  Decken  sind  massiv 
nach  System  Kleine  gebildet  worden.  Auf  die  Maler- 
und die  Tapezierer-Arbeiten  sowie  auf  einige  andere 
Arbeiten  hatte  der  Architekt  leider  keinen  Einfluss. 

Von  den  bei  der  Herstellung  des  Hauses  thätig 
gewesenen  Firmen  seien  genannt  für  die  Maurerarbeiten : 
Ramelow’sche  Erben  (C.  Pinx);  für  die  Granit- 
sockel-Sohlbänke: G.  Günther  in  Leipzig;  für  die 
Steinmetzarbeiten:  Hofsteinmetzmstr.  C Schilling  in 
Berlin;  für  die  Estricharbeiten:  Johann  Odorico;  die 


Gartenloggia  sind  leider  nicht  zur  Ausführung  gelangt. 
Der  verbliebene  winzige  Garten  ist,  so  gut  es  mit  ge- 
ringen Mitteln  ging,  durchgebildet  worden. 

Der  Besitzer  dieses  eigenartigen  Hauses  hat  es 
leider  versäumt,  sich  auch  die  Umgebung  durch  An- 
kauf des  neben  dem  Hause  gelegenen  Eckplatzes  zu 
sichern,  wodurch  ihm  die  Möglichkeit  gegeben  ge- 
wesen wäre,  bei  voller  Berücksichtigung  der  wirth- 
schaftlichen  Ausnutzungsfähigkeit  der  Häuser  die 
Höfe  zu  einem  künstlerischen  Ganzen  zusammenzu- 
legen. Wer  innerhalb  der  bebauten  Stadtviertel  sich 
zu  dem  Schritte  entschliesst,  mit  reichen  Mitteln  einen 
eigenartigen  Besitz  sich  zu  schaffen,  dürfte  sich  dieMög- 
Hchkeit  nicht  entgehen  lassen,  durch  Beherrschung  der 
Umgebung  diese  Eigenart  dauernd  zu  erhalten,  wie  es 
z.  B.  Bernhard  Sehring  bei  seinem  Künstlerheim  in  der 
Fasanenstr.  that.  Aus  dem  Umstande,  dass  das  Nach- 
bargelände in  fremdem  Besitz  sich  befindet,  kann  eine 
Beeinträchtigung  der  künstlerischenWirkung  des  inrede 
stehenden  Hauses  wohl  befürchtet  w'erden.  — H.  — 


No.  56. 


354 


Die  Münchener  Kunstgewerbe-Ausstellung  vom  Jahre  1904. 


Durch'  den  äiti  ij.  Juni  abgfelaUfenen  Wettbewerb  um 
1 Skizzen  für  die  Gestaltung  der  Kunstgewerbe-Aus- 
stellung im  Glaspalast  in  München,  bei  welchem 
IO  Vorschläge  eingelaufen  sind,  ist  die  Ausstellungsfrage 
zwar  noch  nicht  völlig  gelöst,  aber  doch  ihrer  Klärung 
entgegen  geführt  worden. 

Dass  man  nicht  von  vornherein  und  nicht  allseitig  die 
Anregung  des  Prinzregenten  von  Bayern  zur  Abhaltung 
einer  Kunstgewerbe- Ausstellung  im  Jahre  1904  mit  Freuden 
begrüsste,  hatte  seinen  Hauptgrund  in  den  Mängeln,  welche 
den  in  Aussicht  genommenen  Ausstellungsräumen  anhaften ; 
dies  kam  auch  in  den  betreffenden  Berathungen  des  Kunst- 
gewerbe-Vereins so  entschieden  zürn  Ausdruck,  dass  wohl 
oder  übel  erst  die  Frage  untersucht  werden  musste,  ob 
sich  mit  dem  Glaspalast  eine  den  Ansprüchen  der  Gegen- 
wart genügende  Ausstellung  machen  lasse,  die  nicht  nur 
an  sich  gut  ist,  sondern  auch  eine  Steigerung  gegenüber 
dem  Bisherigen  bedeutet. 

Die  vielfach,  herrschende  Abneigung  gegen  den  Glas- 
palast beruht  zumtheil  darauf,  dass  es  schwer  ist,  bei 
Unterbringung  von  Wohnräutiien,  bei  Vorführung  des 
häuslichen  Lebens,  welche  doch  bei  einer  Kunstgewerbe- 
Ausstellung  die  Hauptsache  sein  soll,  genügendes  Seiten- 
licht zu  erhalten.  Der  Glaspalast  besitzt  ringsherum  Holz- 
verschalung. und  Eisenvefgittefühg,  bis  zu  einer  Höhe,  die 
der  Ausgestaltung  behaglicher  Wohnräume  — infolge  der 
Hochlegung  von  Fenstern  und  Decken  — grosse  ifinder- 
nisse  bereitet  oder  zu  Bildungen  führen  musste,  die  nichts 
mit  unseren  Wohngewohnheiten  zu  thun  haben,  und  das 
Oberlicht  kann  wohl  für  die  raagazinartige  Aufstellung  von 
Materialgruppen,  niemals  aber  für  die  Beleuchtung  von 
Wohnräumen  geeignet  sein,  zumal  es  im  vorliegenden 
Falle  vielfach'  durch  die  ringsumlaufende,  rd.  5 bezw.  10® 
hoch  liegende  Galerie  beeinträchtigt  wird.  Eine  weitere 
Gegnerschaft  besteht  aus  den  unentwegten  Verfechtern  des 
Kohleninsel-Projektes  — jener  Bauaniage,  welche  vom 
bayerischen  Kunstgewerbe-Verein  auf  der  Isarinsel  geplant 
ist  und  als  kunstgewerbliche  Zentrale  mit  Lehrwerkstätten, 
Bibliothek,  Ausstellungsräumen  usw.  eingerichtet  werden 
soll  Als  vor  etwa  3 Jahren  die  Kohleninsel  vom  Kunst- 
gewerbe-Verein zum  ersten  Male  inbetracht  gezogen  wurde, 
da  hatte  man  zuerst  an  die  Abhaltung  einer  Ausstellung 
zur  Feier  des  50jährigen  Bestehens  des  Vereins  gedacht; 
die  Lage  und  die  landschaftlichen  Reize  der  Insel  hatten 
sich  bei  den  vorher  dort  stattgehabten  Ausstellungen  als 
günstig  erwiesen.  Um  aber  etwas  ganz  Neues,  Eigenartiges 
zu  bringen,  sollten  hier  bleibende  Bauwerke  erstehen,  die 
im  ersten  Sommer  den  Ausstellungszwecken  dienen,  später 
aber  anderen  Zwecken,  an  denen  es  nicht  fehlt,  zugeführt 
würden;  man  sagte  sich,  dass  man  in  den  für  das  wirk- 
liche Leben  geschaffenen  Räumen  auch  ein  getreues  Bild 
unserer  Wohnverhältnisse  zur  Schau  stellen  könne.  Ueber- 
dies  durfte  man,  da  ja  die  Kosten  für  Aufstellung  und  Ab- 
bruch provisorischer  Ausstellungsbauten  wegfielen,  hoffen, 
ohne  das  übliche  Defizit  durchzukommen.  Hindernisse 
aller  Art,  nicht  zuletzt  die  alsbald  eingetretene  wirthschaft- 
liche  Krisis,  haben  den  umfassenden  Plan  zu  Falle  ge- 
bracht und  auch  einem  späteren,  viel  bescheideneren  Bau- 
vorschlage  vorerst  die  Daseins-Bedingungen  unterbunden. 
Aber  der  Gedanke  der  Errichtung  einer  kunstgewerblichen 
Zentrale  lebt  fort  und  er  treibt  Manchen  ins  Lager  der 
Glaspalast-Gegner;  es  wurde  sogar  auch  jetzt  noch  die, 
Meinung  laut,  mit  allen  Kräften  die  Kohleninselidee  zu  ver- 
wirklichen und  dann  die  Ausstellung  doch  dort  zu  halten, 
wenn  auch  erst  1905. 

Ueber  die  Nothwendigkeit,  die  genannte  Zentrale  zu 
schaffen,  sind  alle  Freunde  des  Münchener  Kunstgewerbes 
einig;  während  aber  die  Einen  unmittelbar  diesem  Ziele 
zustreben  und  die  Erreichung  desselben  durch  eine  Aus- 
stellung feiern  wollen,  glauben  die  Anderen,  dass  man  — 
unter  den  derzeitigen  wirthschaftlichen  Verhältnissen  — 
im  Gegentheil  eine  Ausstellung  als  Mittel  benutzen  inüsse, 
um  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  wieder  auf  das  Kunst- 
gewerbe hinzulenken,  also  mittelbar  für  das  Kohleninsel- 
Projekt  Stimmung  zu  machen.  Da  galt  es  nun,  den  Gegnern 
des  Glaspalastes  zu  beweisen,  dass  dieser  besser  ist  als 
sein  Ruf  und  dass  es  unter  gewissen  Voraussetzungen  wohl 
möglich  sei,  etwas  Originelles  und  Gutes  aus  dem  bald 
ein  halbes  Jahrhundert  alten  Glaskasten  zu  machen  — dass 
es,  unter  Aufbietung  aller  Kräfte,  gelingen  werde,  die 
Theorie  vom  Niedergange  Münchens  als  Kunststadt  zu 
widerlegen. 

Nach  heutigen  Anschauungen  ist  allerdings  der  Glas- 
palast keineswegs  das  Ideal  eines  Ausstellungsbaues;  die 
Lage  inmitten  der  Stadt  ist  vielleicht  sein  einziger  Vorzug. 
Dagegen  leidet  er  ausser  an  den  schon  gerügten  Mängeln 
namentlich  daran,  dass  er  so  gut  wie  keine  Möglichkeit 

12.  Juli  igo2. 


gewährt,  Anbauten  anzufügen  oder  Gartenanlagen  in  den 
Alisstellütigs-Bereich  zu  ziehen.  Bis  es  aber  einmal  dahin 
kömmt,  das  füf  eine  grössere  Ausstellungs-Anlage  in  Aus- 
sicht stehende  Gelände  bei  der  Bavaria  diesem  Zweck  zu- 
zuführen ^ .was  bis  jetzt  noch  durch  gewisse  Grund- 
eigenthums-Verhältnisse  vereitelt  wird,  darf  noch  viel 
Wasser  die  Isät  hinunterfliessen! 

An  dem  ln  dem  Einleitungswort  erwähnten  Ideen- 
Wettbewerb  betheiligten  sich  zehn  Münchener  Künstler. 
Um  die  einzelnen  Vorschläge  zu  verstehen,  muss  man 
wissen,  dass  der  GläspalaSt  in  den  annähernd  halbkreis- 
förmigen Stidtheil  des  Botanischen  Gartens  eingebaut  ist 
und  zwar  so,  dass  sein  weit  vortrefeUder  Mittelbau  den 
an  der  Söfiettstrasse  (nach  Norden)  liegenden  Scheitel  des 
Halbkreises  bildet;  zwischen  dem  Längsbau  und  dem  Kreis- 
bogen liegen  kleine  Terrain-Zwickel  brach,  während  alles 
südlich  vom  Glaspalast  liegende  Gelände  zum  Botanischen 
Garten  gehört  und  als  solches  der  Oeffentlichkeit  zugänglich 
ist,  also  für  die  Ausstellung  nicht  zur  Verfügung  steht. 
Die  von  einigen  Künstlern  gemachten  Vorschläge,  den  Bo- 
tanischen Garten  als  Zugang,  zutn  Gläspalast  zu  benutzen, 
indem  das  an  der  Ostecke  des  Gartens  (am  Maximilians- 
platz) stehende  Portal  a\s  Haupteingang  behandelt  würde, 
der  dann  mit  dem  Südeiiigahg  des  Glaspalastes  durch  Hallen 
und  andere  bauliche  Anlagen.zu  verbltiden  wäre  — alle  dies& 
Vorschläge  (noch  vielmehr  die  weitergehenden  einer  völli- 
gen Verbauung  des  Gartens)  mussten  natürlich  an  der 
Unmöglichkeit,  dem  Botanischen  Garten  auch  nur  das  Ge- 
ringste abzuzwacken,  scheitern.  Nur  auf  den  etwa  8 
breiten  Kiesstreifen,  der  am  Glaspalast  entlang  zieht, 
könnte  man  die  Hand  legen. 

Unter  den  verschiedenen  Vorschlägen  waren  auch 
solche,  die  mit  der  Lösung  der  Hauptfrage^  wie  die  eigent- 
liche Ausstellung  im  Glaspaläst  eingerichtet  werden  soll, 
gar  nichts  zu  thun  hatten  (z.  B.  pomphafte  Portalbauten  und 
weiträumige  Festhallen) ; die  meisten  Vorschläge  aber  zeig- 
ten das  Bestreben,  das  Vorhandene  möglichst  praktisch 
auszunutzen.  Abgesehen  von  zwei  Vorschlägen,  jenem 
des  Prof.  A.  Hildebrand,  welcher  mehr  im  Sinne  der 
Kunstausstellungen  grosse  Säle  schaffen,  aber  jeden  Ein- 
zelnen von  Korridoren  aus  zugänglich  machen  will,  — 
und  jenem  von  Al  Petrasch,  der  den  ganzen  Raum  in 
Seitenlicht-  und  Oberlicht- Säle  eintheüt,  aber  den  Be- 
sucher zur  Durchschreitung  aller  Gelasse  zwingt,  gehen 
alle  Entwürfe  davon  aus,  in  der  Mitte,  parallel  mit  der 
Längsaxe,  Höfe  anzuordnen,  um  welche  herum  dann  die 
auszustellenden  Wohngemächer  zu  liegen  kämen;  letztere 
erhielten  demnach  ihr  Licht  theils  von  deii  genannten 
Höfen  oder  Gärten,  theils  von  den  Aussenseiten  des 
Glaspalastes. 

Vielfach  wurden  hierbei  die  vorhandenen  Galerien 
zur  Unterbringung  der  Obergeschosse  benutzt;  die  Aussen- 
seiten gegen  die  Höfe  wurden  als  Gärten-  öder  Strassen- 
Fassaden  ausgebildet  und  so  entstand  bei  den  einen  ein 
lustiges  Strassenbild  mit  Erkern  und  Giebeln,-  bei  anderen 
das  Bild  kleiner  Schlosshöfe.  Job.  Kronfuss  z.  B.  legt 
gleich  eine  ganze  Strasse  an,  die  nur  an  wenigen  Stellen 
auf  Gesehosshöhe  überbrückf  ist,  — K.  Hocheder  und 
Emanuel  Seidl  legen;  nach  den -Höfen  hinaus  Freitreppen, ; 
Erker,  Lauben,  — lauter  malerische,  abwechselungsreiche 
Bilder,  die  aber  leider  an  Reiz  unendlich  viel  verlierenr- 
wenn  man  sich  das  Stabgitter  des  Glasdaches  darüber, 
denkt.  Will  man  aber  letzteres  durch  ein  Velum  maskiren, 
so  wird  das  durch  die  Schmalheit  der  Höfe  ohnehin  schon 
karge  Licht  noch  mehr  geschwächt,  so  dass  die  nach  dem 
Hofe  zu  liegenden  Räume  des  Erdgeschosses  als  Aus- 
stellungsgelasse schon  minderwerthig  sind;  nur  auf  den 
Galerien  Hessen  sich  genügend  helle  Räume  auch  nach 
den  Höfen  hinaus  gewinnen. 

Eine  wirklichbrauchbare  Lösung  der  Beleuchtungsff  age 
inusste  auf,  einem  anderen  Wege  gesucht  werden;  diesen 
Weg  hat  Bauamtmann  W.  Bertsch  betreten.  Während 
alle  anderen  Vorschläge  die  Aussenwände  des  Glaspalastes 
ziemlich  unberührt  lassen,  nahm  Bertsch  eine  “vveitgehende 
Auswechselung  dieser  Wände  an;  auf  diese  Weise  gelang 
es  ihm,  für  die  Aussenseiten  passendes  Seitenlicht  zu  be- 
kommen und  damit  die  Möglichkeit  zu  schaffen,  eine  aus- 
reichende Zahl  von  wirklichen  Wohnräumen,  die  unseren 
Lebensgewöhnheiten  entsprechen,  unterzubringen.  Er 
legte  sich  die  Frage  vor:  unter  welchen  Bedingungen  kann 
im  Glaspalast  eine  Ausstellung  geschaffen  werden,  die 
modern  in  dem  Sinne  ist,  dass  sie  Räume  möglichst  genau  in 
der  Gestalt,  in  der  Umgebung  und  in  der  Beleuch- 
tung zeigt,  wie  sie  in  Wirklichkeit  ausgeführt 
werden?  Und  die  Beantwortung  dieser  Frage  führte  ihn 
zu  jener  Forderung,  die  Glaspalastwände  nachBedürfniss  zu 
beseitigen.  Dadurch  wurde  es  möglich,  ganze  Wohnungen 


3.55 


Wohnhaus  Henning,  Knesebeckstr.  5i  ln  Charlottenburg.  Architekt:  Kgl.  Bauüisp,  E,  Fürstenau  in  Berlin. 


Zum  Ausbau  der  Thürme  des  Meissner  Domes. 

Bicht  im  gleichen  Maasse  und  in  der  Allgemeinheit 
wie  das  Heidelberger  Schloss,  aber  doch  auch  recht 
lebhaft,  namentlich  in  sächsischen  Landen,  hat  in 
der  letzten  Zeit  die  Frage  des  Ausbaues  der  ThÜrme  des 
Meissner  Domes  die  Oeffentlichkeit  beschäftigt,  und  es 
stehen  sich  hier  dieselben  Personen  gegenüber,  welche 
schliesslich  auch  in  dem  Streite  um  das  Heidelberger 
Schloss  in  so  ausgesprochener  Weise  einander  gegen- 
tiberstanden:  Karl  Schäfer  und  Cornelius  Gurlitt.  Unsere 
Leser  sind  aus  den  Gurlitt’schen  Ausführungen  in  No.  36 
über  die  Angelegenheit  unterrichtet.  Inzwischen  hat  sich 
der  Meissner  Dombau-Verein  wiederum  mit  der  Frage 
beschäftigt  und  den  Beschluss  gefasst,  die  Thürme  nach 
den  Entwürfen  Schäfers,  die  wir  in  skizzenhafter  Weise 
— leider  durch  Zufall  im  Spiegelbild  — mitgetheilt  haben, 
zur  Ausführung  zu  bringen  und  mit  dem  Künstler  einen 
entsprechenden  Ausführungs-Vertrag  abzuschliessen.  Die- 
ser Beschluss  hat,  soweit  wir  zu  sehen  vermögen,  mehr 
Widerspruch  wie  Zustimmung  gefunden. 

Wir  sind  nun  weit  entfernt,  uns  zu  jener  Gruppe  Wider- 
sprechender gesellen  zu  wollen,  welche  in  den  „Pastoral- 
blättern“  zu  Worte  kommen  und  mit  dem  Hinweise  auf  die 
nur  langsam  fortschreitende  Protestations- Kirche  in  Speyer 
den  Ausbau  der  Meissner  Domthürme  sds  „ in  noch  viel  höhe- 
rem Grade  kirchlich  zwecklos“  halten,  als  die  Errichtung  der 
Speyerer  Protestations-Kirche.  In  der  Innerlichkeit  liege  das 
Wesen  der  protestantischen  Kirche,  nicht  in  der  äusseren 
Pracht.  Die  Seelen  der  Meissner  Domgemeinde  würden 

356 


durch  die  anderthalb  Millionen,  die  in  den  Dom  verbaut 
werden,  nicht  der  inneren  Heiligung  näher  geführt  wer- 
den. „Welchen  Zweck  hat  es,  dass  wir  Protestanten  die 
Bischofskirche  des  Meissner  Sprengels  ausbauen!  Gerade 
dass  vor  Vollendung  des  Domes  die  Werkheiligkeit  und 
-Geschäftigkeit  des  15.  Jahrhunderts  ihr  Ende  erreichte, 
jene  Baukunst  der  guten  Werke,  das  ist  ja  eines  der 
grossen  Verdienste  Luthers:  er  machte  jene  auf  hohem 
Schlossberg  thronende  Bischofskirche  unnöthig  und  band 
die  Seelen  der  Gemeinden  an  jene  kleineren,  traulicheren 
Bauten,  die  in  der  Mitte  ihrer  Wohnstätten  stehen  und 
ihnen  auch  geistig  zu  eigen  sind.  Die  Nichtvollendung 
der  Meissner  Domthürme  ist  das  grosse  ge- 
schieh tlicheDenkm  al  der  Reform  ationinSachsen.“ 
Es  sei  daher  ein  im  Grundplan  verfehltes  Werk,  das  man 
beginne.  „Habt  protestantische  Kraft  genug,  den  Irrthum 
einzugestehen,  ehe  er  endgiltig  begangen  ist)  Verzichtet 
auf  den  zwecklosen,  kirchlich  und  künstlerisch  werthlosen 
Ausbau  der  Domthürme."  Der  Herausgeber  der  „Pasto- 
ralblätter“  begleitet  diese  Ausführungen  mit  der  Bemerkung, 
er  nehme  sie  auf  „als  ein  Wort  wider  die  falsche  Romantik, 
mit  der  endlich  gebrochen  werden  muss,  wenn  wir  in  der 
immer  brennender  werdenden  Frage  des  evangelischen 
Kirchenbaues  weiter  kommen  wollen.“ 

Wir  sind  nun  nicht  in  der  Lage,  gegen  Anschauungen 
zu  kämpfen,  die  sich  in  wirkungsvoller  Weise  kaum  wider- 
legen lassen,  da  sie  mehr  oder  weniger  Gefühlssache  und 
Sache  der  religiösen  Ueberzeugung  sind,  die  wir,  so  ver- 
schieden sie  auch  sein  mag,  unter  allen  Umständen  hoch- 

(Fortsetznn^  auf  S.  358.) 


No.  56. 


vorzuführen,  genau  so,  wie  sie  in 
Wirklichkeit  verkommen.  Ja  noch 
mehr:  durch  Hinzuziehung  der  oben 
genannten  Geländezwickel  an  der 
Nordseite  böte  sich  die  willkommene 
Aussicht,  künstlerischen  Geschmack 
auch  an  Vorgärten  zu  bethätigen. 

Bertsch’s  Vorschläge  sind  aber 
nicht  nur  wegen  ihrer  glücklichen 
Lösung  der  Kardinalfrage,  sondern 
auch  wegen  ihrer  programmatischen 


Bedeutung  von  mehr  als  vorüber- 
gehendem Werthe.  Er  nimmt  einen 
Mittelhof  an,  an  dessen  kreuzgang- 
artige Arkaden  sich  Läden  an- 
schliessen  zum  Verkauf  all’  jener 
Dinge,  die  mehr  in  grossen  Mengen 
gefertigt,  aber  doch  in  den  ausge- 
stellten Wohnräumen  nur  einzeln 
untergebracht  werden  können  — 
Metallgeräth,  Spitzen,  Stickereien 
usw.  Dieser  Mittelhof  sammt  den 
daran  anstossenden  Arkaden,  Wan- 
delhallen, Gemäldesälen  ist  der  Er- 
holung bestimmt;  es  wird  ange- 
nommen, dass  diese  Raumgruppe 
auch  Abends  geöffnet  bleibt,  wobei 
auch  Konzerte  abgehalten  werden 
könnten.  — Vom  Nordvestibül  aus 
schliessen  sich  dann  nach  Osten  die 
Wohnungen  mit  den  Vorgärten  an, 
während  das  Ostende  — wie  schon 
seit  Jahren  — von  der  Restauration 
besetzt  ist;  diese  letztere  ist  durch 
eine  Terrasse  mit,  dem  östlichen 
Gartenhofe  (im  Inneren  des  Glas- 
palastes) verbunden.  — Daran 
schliesst  sich  (auf  der  Südseite)  eine 


Westfassade  des  Domes  zu  Meissen,  1:500. 


Kirchengruppe,  bei  welcher  nicht 
nur  von  der  Beseitigung  der  Glas- 
palastwände reichlich  Gebrauch  ge- 
macht, sondern  auch  der  ausserhalb 
liegende  Kiesstreifen  benutzt  würde: 
eine  Dorfkirche,  eine  Taufkapelle, 
eine  Sakristei  mit  Messgewändern 
und  Altargeräth,  ein  kleiner  Friedhof 
mit  guten  Grabsteinen.  Daran  könn- 
ten sich  Schulräume  anschliessen. 
Auf  der  Westseite  würde  das  Post- 


Gumberti  kirche 


Aus  Gurlitt;  Dje  WestÜiürme  des  Meisisner 
Domes. 


amt  selbst  Ausstellungsstück  werden, 
daneben  ebenso  ein  Wartesaal  und 
vor  diesem  (im  Freien)  ein  gut  aus- 

festatteter  Eisenbahn-  (SchlS-  oder 
peise-)  Wagen.  — Auch  andere 
Transportmittel  sollten  hier  Platz 
finden,  ferner  Bauernstuben,  klein- 
bürgerliche Wohnungen,  zumtheil 
mit  Vorführung  häuslicher  Kunst: 
Handweberei,  Töpferei  usw. 

Bertsch’s  Ideen  fanden  viel  An- 
klang, wenn  man  ihrem  Autor  auch 
Recht  geben  muss,  dass  auch  bei 
Erfüllung  aller  Forderungen  der  Glas- 
palast niemals  das  Ideal  eines  Aus- 
stellungsraumes für  die  Zwecke  der 
Wohnungskunst  werden  kann;  am 
meisten  zu  bedauern  ist  aber,  dass 
auch  hier  grosse  Summen  auf  vor- 
übergehende Einbauten  verwendet 
werden  müssen,  die  man  lieber 
einem  bleibenden  Bau  zugewendet 
haben  würde.  Diese  Kosten  werden 
um  so  höher  kommen,  als  auch  die 
zurzeit  im  Glaspalast  stehenden  und 
von  der  Münchener  Künstlerge- 


la.  Juli  190a. 


357 


nossenschaft  hergestellten  Einbauten  beseitigt  und  unter 
Umständen  sogar  wieder  erneuert  werden  müssen. 

Die  letzte  General -Versammlung  des  Bayerischen 
Kunstgewerbe-Vereins  hat  nun  die  Abhaltung  der  „Kunst- 
gewerbe-Ausstellung München  1904“  im  Glaspalast  unter 
der  Voraussetzung  beschlossen,  dass  auf  die  gegenwärtigen 
Einbauten  keine  Rücksicht  genommen  zu  werden  braucht, 
— dass  die  Umfassungswände  ausgewechselt  und  die 
nächstliegenden  Theile  des  anstossenden  Geländes  benutzt 
werden  dürfen,  — dass  der  Glaspalast  ab  i.  Juli  1903  zur 
Verfügung  steht,  — dass  zu  den  auf  500000  M.  veranschlag- 
ten Kosten  ein  namhafter  Zuschuss  aus  öffentlichen  Mitteln 
gewährt  wird  usw.  Da  die  Künstlergenossenschaft  im 
Glaspalast  alljährlich  eine  Sommerausstellung  abhält,  so 
scheint  es  zweifelhaft,  ob  sie,  die  schon  durch  die  Ent- 
ziehung des  Glaspalastes  für  1904  geschädigt  erscheint, 


sich  etwa  im  Jahr  1903  mit  einer  Frühjahrs-Ausstellung 
begnügen  würde, 

Inbezug  auf  den  Umfang  der  Veranstaltung  soll  es 
dem  Zentral-Comite  nahe  gelegt  werden,  den  Rahmen 
der  Ausstellung  so  zu  fassen,  dass  das  einheimische 
Kunstgewerbe  und  sein  Einfluss  in  den  Nachbargebieten 
vorwiegend  zur  Geltung  kommen. 

Die  nächsten  Wochen  werden  Gewissheit  darüber 
bringen,  ob  auf  die  Erfüllung  obiger  Forderungen  gerech- 
net werden  kann.  Was  etwa  geschieht,  wenn  sich  dies 
als  unmöglich  heraussteilen  sollte,  darüber  lassen  sich 
auch  nicht  einmal  Verrauthungen  anstelien;  denn  auch 
die  seit  längerer  Zeit  geplante  Bereitstellung  eines  grösseren 
Ausstellungsgeländes  saramt  Bau  auf  der  Theresienhöhe 
mit  Einbeziehung  des  Bavariaparkes  hat  in  absehbarer 
Zeit  noch  keine  Aussicht  auf  Verwirklichung.  — G. 


Vom  IX.  internationalen  Schiffahrts-Kongress  in  Düsseldorf. 

(Fortsetzung;.) 


Hach  den  Mittheilungen  über  den  Verlauf  der  Er- 
öffnungs-Sitzung des  Gesammt-Kongresses,  an  wel- 
chem ausschl.  der  Damen  etwa  1800  Personen  theil- 
nahmen,  sei  ein  kurzer  Ueberblick  gegeben  über  die  Ver- 
handlungen der  beiden  Abtheilungen  für  Binnenschiffahrt 
und  für  Seeschiffahrt,  von  denen  jede  3 Fragen  als  Ver- 
handlungs-Gegenstand gewählt  hatte. 

Die  unter  dem  Vorsitz  der  Hrn,  Geh.  Rath  Ob.-Baudir. 
Honsell,  Karlsruhe,  und  Geh.  Reg.-Rth.  Wittich,  Berlin, 
tagende  Abth.  I für  Binnenschiffahrt  beschäftigte  sich  mit 
der  Frage  der  „Ueberwindung  grosser  Höhen“,  der 
„Schiffahrts-Abgaben"  und  der  „Werthverminde- 
rung von  Kohle  und  Koke  bei  der  Schiffs-Be- 
förderung“. 

Zu  der  i,  Frage  der  Ueberwindung  grosser  Höhen 
lagen  der  Versammlung  13  gedruckte  Sonderberichte  vor, 
welche  werthvolle  Beiträge  zur  Beurtheilung  der  in  den 
verschiedenen  Ländern  diesseits  und  jenseits  des  Ozeans 
erzielten  Erfolge  lieferten,  sich  aber  bei  der  jetzigen,  noch 
ungeklärten,  Sachlage  nicht  nur  mit  den  bereits  erzielten 
praktischen  Erfolgen,  sondern  auch  mit  Entwürfen  und 
theoretischen  Erw.ägungen  beschäftigen.  Ueber  diese 
13  Berichte,  auf  welche  wir  später  noch  einzugehen  uns 
Vorbehalten,  lag  der  von  Hrn.  Geh.  Brth.  Bubendey, 
Prof.  a.  d.  techn.  Hochschule  in  Berlin,  erstattete  General- 
bericht vor,  der  sich  nach  folgenden  Abschnitten  gliederte: 
Weitere  Ausbildung  der  gewöhnlichen  Kammerschleuse; 
Sparschleuse ; Schwimmerhebewerke ; senkrechte  Hebe- 
werke, bei  denen  das  Troggewicht  durch  Gegengewichte 
ausgeglichen  wird,  die  an  Ketten  hängen;  Druckwasser- 
Hebewerke;  geneigte  Ebenen  im  allgemeinen;  längs  ge- 
neigte Ebenen;  quergeneigte  Ebenen;  sollen  die  Schiffe 
trocken  oder  schwimmend  befördert  werden  ? ; Ausgleichung 
des  Troges;  Schleusen  oder  Hebewerke?;  Wehre  und 
Schleusenthore;  Schleusen  ohne  Wasserverbrauch. 

Der  General-Berichterstatter  gab  einen  kurzen  Aus- 
zug aus  seinem  zusammenfassenden  Berichte,  Er  kam  zu 
dem  Schlüsse,  dass  wirkliche  Fortschritte  auf  diesem  Ge- 
biete nur  dann  erzielt  werden  könnten,  wenn  auch  in 


anderen  Ländern  der  eine  oder  andere  Entwurf  verwirk- 
licht und  für  6oot-Schiffe  der  Verkehr  an  den  Punkten 
starker  Gefälle  thatsächlich  eröffnet  wird.  In  Deutschland 
ist  das  bereits  geschehen  durch  das  Hebewerk  bei  Hen- 
richenburg  im  Dortmund-Ems-Kanal,  das  8oot-Schiffe  bei 
16“  senkrechter  Hebung  befördert;  in  Oesterreich  ist  die 
Ausführung  grosser  geneigter  Ebenen  bei  der  Herstellung 
des  Donau -Moldau -Elbe -Kanales  voraussichtlich  zu  er- 
warten, sodass  auch  auf  diesem  Gebiete  Erfahrungen  in 
grossem  Maasstabe  gemacht  werden  können. 

In  der  sich  anschliessenden  Erörterung  sprach  sich 
zunächst  Herr  Genard,  Ob.-Ing.,  Direktor  des  Brücken- 
und  Wegebaues  in  Brüssel,  dahin  aus,  dass  keinesfalls 
den  Wasserstrassen  mit  Schleusen  eine  grössere  Leistungs- 
fähigkeit zuzuschreiben  sei,  als  einer  Wasserstrasse  mit 
Hebewerken,  wie  es  die  in  Belgien  mit  dem  Hebewerke 
von  La  Louviere  im  Canal  du  Centre  gemachten  Erfah- 
rungen bestätigten.  Das  Hebewerk  besitzt  zwei  sich  das 
Gleichgewicht  haltende  Tröge,  die  je  auf  einem  mittleren 
Druckwasserstempel  ruhen  und  hebt  göot-Schiffe.  Es  ist 
von  1888 — 1901  in  Betrieb  und  hat  sich  so  bewährt,  dass 
auch  die  anderen  Gefällstufen  des  Kanals,  deren  Höhen- 
unterschiede alle  zwischen  15—17  “ liegen,  in  gleicher 
Weise  überwunden  werden  sollen.  Redner  giebt  dem 
Schiffshebewerk  wegen  seiner  Einfacheit  den  Vorzug  vor 
der  geneigten  Ebene  und  beurtheilt  die  Grenzen,  bis  zu 
welchen  Hebewerke  verwendbar  sind,  lediglich  vom 
Standpunkte  der  Kostenfrage. 

Auf  dem  entgegengesetzten  Standpunkte  stand  Hr. 
Barbet,  Ob.-Ing.  des  Brücken- und  Wegebaues  in  Valen- 
ciennes  (Nord),  der  Hebewerke  nur  da  zulassen  will,  wo 
die  Anwendung  von  Schleusen  aus  örtlichen  Gründen 
unmöglich  ist.  Die  gleiche  Ansicht  vertrat  auch  Hr.  d e 
Mas,  Generalinspektor  der  Brücken  und  Wege  aus  Paris. 

Für  Schiffshebewerke  traten  dagegen  ein  die  Herren 
Ing.  Schönbach,  Dir.  der Masch.-A.-G.  in  Prag-Karolinen- 
thal, uiid  Gerdau,  Ob.-Ing,  der  Firma  Haniel  & Lueg  in 
Düsseldorf.  Ersterer  wünscht,  dass  die  Frage,  ob  Schiffe 
auf  geneigten  Ebenen  trocken  oder  schwimmend  be- 


halten. ' Aber  zwei  Bemerkungen  können  wir  doch  nicht 
unterdrücken.  Unzweifelhaft  steht  der  protestantische 
Kirchenbau  vor  einer  grossen  Reihe  brennender  Fragen, 
die  aus  der  Entwicklung  unserer  sozialen.  Verhältnisse 
hervorgegangen  sind  und  die  sorgfältigste  Beachtung  er- 
heischen. Zu  diesem  Zwecke  müsste  aber  zunächst  inner- 
halb des  Kirchenbaues  selbst  der  Anfang  gemacht  wer- 
den, in  welchem  man  über  bescheidene  Ansätze  hierzu 
kaum  noch  hinausgekommen  ist.  Bis  heute  hat  es  die 
protestantische  Kirche  z.  B.  noch  nicht  gelernt  oder  viel- 
leicht aucla  nur  unterlassen,  aus  den  guten  sozialen  Mo- 
menten, welche  in  der  Einrichtung  der  katholischen  Klöster 
des  Mittelalters  zur  Erscheinung  kamen,  die  entsprechen- 
den Folgerungen  zur  Ausgestaltung  des  kirchlichen  Ge- 
sellschaftslebens unserer  Tage  zu  ziehen.  Welche  Fülle 
von  anziehenden  neuen  Baugedanken  könnte  sich  daraus 
ergeben! 

Etwas  besser  schon  steht  es  mit  der  Verwerthung  des 
hohen  sittlichen  Einflusses,  welchen  eine  reine  Kunst  auf 
die  kirchlichen  Zwecke  auszuüben  vermag.  Und  giebt  es 
eine  reinere,  dem  Sinnenleben  mehr  entrückte  Kunst,  als 
die  Baukunst?  Uns  dünkt,  den  Ausbau  der  Meissner 
Domthürme  aus  innerreligiösen  Gründen  verwerfen  zu 
wollen,  wäre  ein  schwerer  Fehler,  den  Martin  Luther  nie 
gebilligt  haben  würde.  Denn  dieser  grosse  Reformator 
verurtheilte  jeden  Radikalismus,  er  wendete  sich  wieder- 
holt gegen  die  Fanatiker,  er  begann  seine  reformatorische 
Thätigkeit  mit  voller  innerer  Freiheit,  er  wusste  den  weit- 
gehenden Einfluss  der  Kunst  wohl  zu  schätzen  und  konnte 

358 


von  sich  sagen:  „Meine  Schale  mag  hart  sein,  aber  mein 
Kern  ist  weich  und  süss.“ 

Ist  es  also  nicht  diese  Gruppe  Widersprechender,  der 
wir  uns  anschliessen  möchten,  so  ist  es  doch  die  Gruppe, 
welche  die  Art  des  beabsichtigten  Ausbaues  der  Thürme 
aus  künstlerischen  und  kunsthistorischen  Gründen  be- 
kämpft. Alexander  Linnemann  in  Frankfurt  a.  M.  hat  es 
in  seinen  herrlichen  Entwürfen,  die  wir  S.  229  veröffent- 
lichten, nachgewiesen,  ein  wie  ungleich  reicheres  und 
harmonischeres  Bild  der  Schlossberg  von  Meissen 
darbieten  könnte,  wenn  sein  Dom  nicht  mit  zwei  Thürmen, 
sondern  mit  drei  Spitzen  ausgebaut  würde.  Und  als  ein 
überzeugungsvoller  Kämpfer  hierfür  in  künstlerischem  und 
kunsthistorischem  Sinne  ist  lange  schon  Cornelius  Gurlitt 
in  Dresden  aufgestanden  und  hat  auch  in  diesen  Blättern 
in  dem  angedeuteten  Sinne  mehrfach  das  Wort  genommen. 
Wir  verweisen  in  dieser  Beziehung  auf  die  Ausführungen 
im  laufenden  Jahrgange  S.  225  ff.,  sowie  auf  den  Vorent- 
wurf zum  dreitheiligen  Ausbau  der  Thürme  im  Jahrgang 
1898  No.  60. 

Neuerdings  nun  ist  von  Cornelius  Gurlitt  eine  hoch- 
interessante Schrift:  „Die  Westthürme  des  Meissner 
DomesJ)“  erschienen,  welche  ein  reiches  baugeschicht- 
liches Material  zur  Begründung  des  von  ihm  nach  unserer 
Ansicht  mit  künstlerischem  und  geschichtlichem  Recht 
geforderten  Ausbaues  der  Domthürme  mit  drei  Spitzen 


*)  Mit  41  Abbildungen.  Berlin,  igo2.  Verlegt  bei  Emst  Wasmuth, 
Markgrafenstrasse  35.  Preis  M.  1,50. 

No.  56. 


fördert  werden  sollen,  ob  die  Bewegung  auf  Rollen  oder 
auf  hydraulischen  Schlitten  den  Vorzug  verdient,  durch 
praktische  Versuche  entschieden  werden  möge.  Bei  den 
österreichischen  Kanalplänen  ist  der  Trockenförderung 
der  Vorzug  gegeben  wegen  der  befürchteten  grossen 
Wasserstands-Schwankungen.  Bei  eisernen  Schiffen  mit 
festem  Deck  sei  eine  solche  Trockenförderung  jedenfalls 
zulässig.  (Es  ist  allerdings  die  Frage  noch  nicht  gelöst, 
ob  solche  Schiffe  nicht  wesentlich  schwerer  werden,  also 
unwirthschaftlich  sind.)  Herr  Gerdau  hält  eine  Trocken- 
förderung für  bedenklich,  die  Frage  bezügl.  der  senk- 
rechten Schiffshebewerke  durch  den  Erfolg  des  Henrichen- 
burger-FIebewerkes  dahin  entschieden,  dass  die  Konstruk- 
tionen mit  einem  mittleren  Druckwasserkolben  als  über- 
holt anzusehen  sind,  Bezüglich  der  geneigten  Ebenen  giebt 
er  dem  Entwurf  der  Firma  Haniel  & Lueg  mit  Gleit- 
schlitten den  Vorzug,  während  von  österreichischer  Seite 
Wälzungsrollen  vorgeschlagen  sind. 

Der  General-Berichterstatter  fasste  sodann  das  Ergeb- 
niss  der  Besprechung  noch  einmal  kurz  zusammen  und 
schlug  vor,  dass  die  anwesenden  Berichterstatter  und 
Redner  eine  Resolution  mit  ihm  aufstellen  sollten.  Diese 
kam  in  der  3.  Sitzung  der  Abtheilung  zur  Annahme.  Sie 
lautete;  i.  Die  Kammerschleusen  bleiben  die  einfachsten 
und  dauerhaftesten  Einrichtungen  zur  Ueberwindung  des 
Gefälles  der  Kanäle.  Die  Sparbecken  ermöglichen  eine 
beträchtliche  Verminderung  des  Betriebswassers,  ohne 
dabei  die  Schleusungsdauer  übermässig  zu  verlängern. 
Die  Bestrebungen  zur  weiteren  Verminderung  des  Be- 
triebswassers sind  zu  fördern. 

2.  Bei  aussergewöhnlichen,  auf  kurzer  Länge  zu  über- 
windendenHöhenunterschieden  bilden  doppelte  Schleusen- 
treppen ein.  genügendes  Mittel  zur  Bewältigung  eines 
grossen  Verkehrs,  sobald  reichliche  Wassermengen  zur 
Verfügung  stehen.  Bei  Wassermangel  bilden  iothrechte 
Hebewerke  eine  durch  dieErfahrung  bewährte  Einrichtung. 

3.  Geneigte  Ebenen  wurden  bisher  nur  für  kleine 
Schiffe  angewendet,  es  sind  aber  äusserst  sinnreiche  Vor- 
schläge für  geneigte  Ebenen  zur  Beförderung  grosser 
Schiffe  gemacht  worden.  Der  Kongress  empfiehlt,  eine 
solche  geneigte  Ebene  sobald  als  möglich  auszuführen 
und  in  Betrieb  zu  setzen. 

Die  Beschlüsse  sind  also,  wie  das  bei  dem  gegenwärtigen 
Stande  der  Frage  kaum  anders  zu  erwarten,  vorsichtig  und 
bezüglich  der  geneigten  Ebene  noch  zuwartend  gefasst, 
bis  durch  einen  Probebefrieb  in  grossem  Maasstabe  sichere 
Grundlagen  gewonnen  werden. 

Bezüglich  der  weiteren  Fragen,  welche  die  2.  Abth. 
beschäftigten,  kann  nur  kurz  auf  diejenige  der  „Schiff- 
fahrtsabgaben" eingegangen  werden.  Hierzu  lagen 


8 Einzelberichte  vor;  General-Berichterstatter  war  Hr.  Frhr. 
V.  Biegeleben,  grossh.  hess.  Minist.-Rath  in  Darmstadt. 
Die  Meinungen  gingen  nicht  nur  in  den  Berichten,  son- 
dern auch  in  der  nachfolgenden  Erörterung  ziemlich  weit 
auseinander.  Man  einigte  sich  jedoch  schliesslich  auf  eine 
Resolution,  die  wir  nur  auszugsweise  wiedergeben.  Sie 
betont  an  erster  Stelle,  dass  die  Abgabe  auf  künstlichen 
Wasserstrassen  so  niedrig  gehalten  werden  muss,  dass 
die  Schiffahrt  dadurch  nicht  überhaupt  unterbunden,  es 
ihr  unmöglich  gemacht  wird,  mit  den  Eisenbahnen  zu 
konkurriren;  dass  ferner  in  solchen  Ländern,  in  welchen 
die  Schiffahrts- Abgaben  gesetzlich  oder  nach  den  herrschen- 
den Anschauungen  nur  die  Mittel  zur  Deckung  der  Unter- 
haltungs-  und  Betriebskosten,  sowie  der  landesüblichen 
Verzinsung  und  Tilgung  des  Anlagekapitals  liefern  dürfen, 
bei  der  Abgabenbemessung  auch  die  mittelbaren  wirth- 
schaftlichen  Vortheile  in  Rücksicht  zu  ziehen  sind.  Die 
dem  Kongress  vorgelegte  Frage;  „Kann  durch  Erhebung 
von  Schiffahrtsabgaben  auf  Binnenwasserstrassen  und 
Binnenhäfen  die  Deckung  der  Betriebs-  und  Unter- 
haltungskosten, sowie  einer  massigen  Verzinsung  des 
Anlagekapitals  erzielt  werden?“  wird  dahin  beantwortet, 
dass  unter  entsprechenden  Umständen  dies  wohl  möglich 
ist,  allgemein  aber  nicht  beantwortet  werden  kann.  Aller- 
dings ist  dies  Ziel  in  den  letzten  50  Jahren  nur  selten 
erreicht  worden.  Bei  der  Aufstellung  der  Rentabilitäts- 
Berechnung  einer  künstlichen  Wasserstrasse  sind  jeden- 
falls die  Baukostenantheile  auszuscheiden,  welche  Zwecken 
dienen,  die,  wie  die  Aufgaben  der  Landeskultur,  die  Be- 
und  Entwässerung  der  Schiffahrt  ganz  fremd  sind. 

Ausser  den  3 Verhandlungs-Gegenständen  lagen  der 
Abtheilung  nicht  weniger  als  15  gedruckte  Mittheilungen 
vor  über  dieAnlage  von  Stauweihern,  die  Vervollkommnung 
des  mechanischen  Schiffszuges  auf  Kanälen,  Flussfahrzeuge 
von  geringerem  Tiefgange  als  75'=“^,  Ausnutzung  der  Wasser- 
kraft an  Wehren,  neuere  Versuche  über  Schiffswiderstand, 
insbesondere  auf  Kanälen,  neuere  badische  Rheinhäfeii, 
den  Rheinhafen  zu  Krefeld,  über  hydrographische  Arbeiten 
in  Preussen  und  Norddeutschland,  Konjunktur  und  Binnen- 
schiffahrt, Walzenwehre,  insbesondere  der  neue  Grund- 
ablass in  Schweinfurt,  die  österreichischen  Wasserstrassen, 
die  Wasserversorgung  bei  den  österreichischen  Kanälen, 
die  elektrischen  Anlagen  der  russischen  Wasserstrassen 
und  Häfen  vom  ökonomischen  und  technischen  Stand- 
punkte, die  Korrektur  der  Hunte  unterhalb  der  Stadt 
Oldenburg,  die  Bewegung  des  Wassers  in  den  Strömen. 

An  diese  Gegenstände  knüpft  sich  noch  an  die  Frage 
des  mechanischen  Schiffszuges  eine  kurze  Erörterung. 
Dann  werden  die  Verhandlungen  der  Abtheilung  ge- 
schlossen. — (Schluss  folgt.) 


Vermischtes. 

Umbau  der  alten  Eisenbahnbrücke  über  den  Rhein  bei 
Mainz.  Die  in  den  Jahren  185g — 62  von  der  Vereinig- 
ten Maschinenfabrik  Augsburg  und  Maschinen- 
bau-Gesellschaft Nürnberg  A.-G.,  Zweiganstalt 
Gustavsburg  bei  Mainz,  erbaute  Eisenbahn-Brücke 


darbietet.  Wir  folgen  den  Hauptsätzen  der  Schrift  im  Nach- 
stehenden nahezu  wörtlich:  „Waren  die  frühromanischen 
Kirchenbauten  des  Abendlandes  breite,  ungefüge  Massen- 
bauten, so  läutete  nach  Dehio  und  von  Bezold  das 
Kompositionsproblem  für  die  Westfassaden  in  der  späteren 
Zeit:  „Wie  soll  das  Verhältniss  der  Thürme  als  relativ 
selbständiger  Körper  zu  der  Stirnwand  des  Hauses  aus- 
gedrückt werden?“  Es  geschah  durch  Lostrennen  der 
Thürme  von  der  Stirnwand  des  Mittelschiffes  und  Ein- 
schränkung der  eigentlichen  Fassade  auf  die  dem  Mittel- 
schiff entsprechenden  Wandabschnitte.  Der  Meissner 
Dom  ist  ursprünglich  als  eine  basilikale  Anlage,  als  eine 
Anlage  mit  hohem  Mittel-  und  niederen  Seitenschiffen 
geplant.  Die  Kirche  wurde  mit  den  Westthürmen  im 
13.  Jahrhundert  angelegt;  diese  Theile  entsprechen  in 
ihrer  Grundanlage  dem  ersten  Bauentwurf.  Der  grosse 
Umschwung  im  Bau  vollzog  sich  durch  die  Einführung 
des  Hallensystems  anstelle  des  Basilikalsystems.  Zu  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  war  das  Langhaus  als  Halle  fertig 
gebaut,  man  baute  am  zweiten  Geschoss  der  Thürme  und 
begann  das  neue  Westthor.  Am  16.  Oktober  1412  wurden 
Fenster,  Thürme  und  Glocken  durch  einen  Sturm  hart 
beschädigt;  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  der  Sturm 
auf  den  Mauerkörper  einen  so  ungünstigen  Einfluss  aus- 
übte, dass  dieser  theilweise  wieder  abgetragen  werden 
musste.  Ein  tiefgreifender  Umschwung  erfolgte  durch 
den  Bau  der  Fürstenkapelle  1423—1425.  Sie,  umfasste  das 
eben  vollendete  Thor  und  verdeckte  mit  ihren  Strebe- 
pfeilern je  eine  Blende  der  beiden  Thürme.  Ihr  First 

12.  Juli  igo2. 


über  den  Rhein  (südliches  Gleis)  der  Linie  Frankfurt- 
Mainz  ist  den  Anforderungen,  welche  die  schweren  Fahr- 
zeuge und  grossen  Geschwindigkeiten  im  Eisenbahn-Be- 
triebe an  Brücken-Konstruktionen  heutzutage  stellen,  nicht 
mehr  völlig  gewachsen.  Während  nun  die  4 Stromüber- 
bauten im  vorigen  Jahre  der  nothwendigsten  Verstärkung 
unterzogen  wurden,  beschloss  die  Eisenbahn-Verwaltung, 


erreichte  nicht  die  Höhe  des  Firstes  über  dem  Langhausi 
das  sich  nun  besonders  ungünstig  an  der  Westfront 
zwischen  den  beiden  zerstörten  Thürmen  bemerkbar  ge- 
macht haben  muss.  Ist  es  nun  möglich,,  dass  zwischen 
dem  Sturm  von  1413  und  der  Nachricht  aus  des  Fabricius 
Annalen,  dass  1479  drei  Thürme  erbaut  wurden,  der 
Bauplan  gewechselt  und  statt  einer  zweispitzigen  eine 
dreispitzige  Anlage  geplant  wurde?  Gurlitt  nimmt  nicht 
ohne  Wahrscheinlichkeit  an,  dass  der  Sturm  von  1413  die 
Meissner  wohl  belehrt  habe,  dass  die  Thurmanlage  zu 
schwach  sei,  um  den  Unbilden  der  Witterung  zu  trotzen 
und  dass  sie  sich  daher  kaum  entschlossen  haben  dürften, 
den  einmal  als  mangelhaft  erkannten  Bau  aufs  Neue  durch- 
zuführen. Dazu  kam  die  durch  die  Anlage  einer  Hallen- 
kirche veränderte  Sachlage.  Der  First  des  Schiffdaches 
lag  nach  der  alten,  zweithürmigen  basiiikalen  Anlage  30“ 
über  dem  Kirchenfussboden,  während  der  First  des 
Hallenkirchendaches  bis  zu  36™  Höhe  anstieg.  Es  musste 
somit  die  zweithürmige  Anlage  neben  dem  grossen  Giebel 
der  Halle  kleinlich  erscheinen.  Dazu  kamen  die  Gründe 
aus  der  Anwendung  schwerer  Glocken  mit  dem  35.  Jahr- 
hundert. Beide  Gründe  drängten  zu  einer  massigeren 
Thurmanlage  im  Westen.  Wie  die  Abb.  unten  auf  S.  357  zeigt, 
wurde  diese  über  dem  Gesims,  welche  die  beiden  Thurmge- 
schosse trennt,  durchzuführen  begonnen.  Gurlitt  belegt  nun 
diese  Umbildung  einer  zweispitzigen  in  eine  dreispitzige 
Anlage  mit  einer  grossen  Reihe  von  Beispielen,  von  welchen 
wir  u.  a.  die  Gumpertikirche  zu  Ansbach  und  St.  Severi  zu 
Erfurt  im  Bilde  S.  357  anführen.  Das  Ergebniss  der  ge- 


359 


die  Fluthbrücken  völlig  auszQwechseln.  Da  diese  Aus- 
wechselung bei  vollständiger  Aufrechterhaltung  des  zwei- 
gleisigen Betriebes  und  vom  Standpunkte  der  Betriebs- 
sicherheit nicht  ganz  unbedenklich  und  sehr  schwer  durch- 
führbar gewesen  wäre,  da  die  neuen  Konstruktionen  eine 
völlige  Umänderung  des  Mauerwerkes  erforderten,  wurde 
der  Vorschlag  der  genannten,  auch  mit  dem  Umbau  be- 
trauten Firma  angenommen,  nur  eingleisigen  Verkehr 
durchzuführen,  dafür  aber  die  ganze  Auswechselung  der 
31  Fluthbrücken  mit  zusammen  628  «n  Stützweite,  darunter 
6 Brücken  von  je  35m,  20  zu  16®,  2 zu  26“,  je  i zu  20, 
18  und  8 “ Stützweite  einschl.  der  Umänderung  sämmt- 
licher  Pfeiler  und  der  Auswechselung  von  418“  Fussweg- 
brticken  in  dem  Zeiträume  von  9 Wochen  vorzunehmen. 

Die  Auswechselung  der  Brücken  auf  der  rechten  Rhein- 
seite mit  582  ® und  der  auf  der  linken  mit  46  m Fahrbahn- 
Stützweite  wurde  nebeneinander  , ausgeführt.  Auf  der 
rechten  Rheinseite  sind  die  beiden  Gleise  durch  2 mäch- 
tige Krahne,  von  je  40 1 Tragkraft  überbrückt.  Diese  lassen 
die  Lichtprofile  völlig  frei  und  laufen  auf  den  Schienen 
eines  durch  eingerammte  Pfähle  und  Trägerlagen  gebil- 
deten Fahrbahn.  Der  Antrieb  der  Krahne  erfolgt  elektrisch 
von  einer  im  östlichen  Biückenthurme  errichteten  Zen- 
trale .aus.  Sowohl  die  Krahnlaufbewegung,  wie  die  Hub- 
und  Katzenfahrbewegung  erfolgt'  durch  je  einen  beson- 
deren Elektromotor.  Der  Strombedarf  dieser  Motoren 
beträgt  für  die  Fahrbewegung  42  Amp.,  für  die  Katzen- 
bewegung 28  Amp.,  für  die  Hubbewegung  57  Amp.,  bei 
230  Volt  Betriebsspannung.  Durch  passende  Anhänge- 
vorrichtungen werden  die  alten  Brücken  gefasst  und  auf 
Wagen  gehoben,  welche  auf  dem  neu  verlegten  Gleise 
hinter  den  in  Abbruch  begriffenen  Brücken  aufgestellt 
sind.  Lokomotiven  befördern  die  Brücken  in  das  nahe- 
liegende Werk  der  „Brückenbauanstalt  Gustavsburg.  In 
umgekehrter  Reihenfolge  erfolgt  das  Einsetzen  der  vor 
Beginn  der  Auswechselungs- Arbeiten  im  Gustavsburger 
Hafen  bereitgestellten  Konstruktionen.  Der  ganze  Arbeits- 
vorgang des  Aushebens  einer  alten  bezw.  Einsetzens  einer 
neuen  Oeffnung  erfordert  2 — 4 Stunden  einschl.  Verlegens 
der  Auflager.  Das  Gewicht  der  Mfeh  Eisenkonstruktionen 
beträgt  etwa  600 das  der  neuen  etwa  liook 

^ Bei  den  3'  kleinen  Oeffnungen  der  Mainzer  Seite 
konnten  so  kostspielige  Einrichtungen  nicht  Platz  greifen. 
Die  Auswechselung  wurde  aber  auch  hier.'  im  Gänzen, 
aber  durch  einfache,  von  Hand  bewegte  hölzerne  Lauf- 
krahne in  ähnlicher  Weise  bewirkt.  Die  Arbeit  wurde 
am  22.  Mai  d.  J.  begonnen  und  ist  zurzeit  soweit  vorge- 
schritten, dass  deren  rechtzeitige  Vollendung  bis  24.  Juli 
zu  erwarten  ist.  Am  15.  Juli  soll  in  Gegenwart  einge- 
ladener Behörden  und  Fachleute  die  Aushebung  der  letzten 
Fluthbrücke  und  die  Einsetzung  des  vorletzten  neuen  Joches 
sich  vollziehen. . Die  ganze  Arbeit , ist  als . eine  Leistung  zu 
bezeichnen,  die  einen  weiteren  Beweis  des  hohen  Standes 
der  deutschen  Brückenbautechnik  liefert.  — 

Die  Errichtung  eines  Denkmales  für  Eduard  Jacobsthal 
inform  einer.  Büste  mit  Sockel  in  den  Räumen  der  Tech- 
nischen Hochschule  zu  Charlottenburg,  „an  dieser  Pfleg- 
stätte architektonischen  Studiums,  das  er  während  einer 
zweiunddreissigjährigen  Lehrthätigkeit  mit  treuester  Hin- 
gebung gefördert  hat",  ist  von  einer.  Gruppe  von  Fach- 


führten Untersuchung  ist,  dass  wo  die  aus  basilikalen 
Anlagen  stammenden  Westthürme  unmittelbar  an  Schiffe 
herantfeten,  welche  zum  Hallensystem  ausgebäut  wurden, 
ein  harter  künstlerischer  Konflikt  entstand.  In  vielen 
Fällen  kommt  es  nicht  zur  Lösung  desselben;  wo  sich 
aber  die  Mittel  dazu  finden,  erfolgt  die  Lösung  in  ver- 
schiedener Form.  Soweit  es  in  spätgothischer  und  in  der 
Renaissance-Zeit  überhaupt  noch  zu  grösseren  Thurm- 
bauten kam,  wurde  die  dreithürmige  Anlage  in  Mittel- 
deutschland zur  eigentlich  typischen  Form  der  West- 
fassaden neben  der  zumeist  bei  Neubauten  angewendeten 
einthürmigen  Anlage.  Sowohl  die  kunstgeschichtliche 
wie  die  urkundliche  Forschung  ergeben  mit  grösster 
Wahrscheinlichkeit,  dass  beim  Westbau  des  Meissner 
Domes  um  1480  von  einer  zweithürmigen  Anlage  zu 
einer  dreithürmigen  übergegangen  worden  sei.  Die 
dreithürmige^  Anlage  ist  auch  die  normale  in  dem  in 
Meissen  vorliegenden  Fall.  • Wenn  Arnold  von  Westfalen 
wirklich  der  Meister  der  Meissner  Domthürme  war,  so 
durfte  man  bei  seiner  individuellen  Kunstweise  eine  eigen- 
artige und  selbständige,  ja  eher  eine  geistreichelnde  als 
eine  herkömmliche  Lösung  der  Frage  erwarten. 

Die  Frage  bleibt  nun  noch  offen,  ob  es  in  Meissen 
zu  einer  stattlichen  Ausbildung  der  Thürme  kam,  oder 
ob  man  sich  mit  einem  vorläufigen  Zustande  behalf.  Die 
urkundlichen  Nachrichten-  verlassen  uns  fast  ganz  und 
bildliche  Nachrichten  aus  der  Zeit  vor  dem  Brande  von 

360 


genossen  tmd  Freunden  des  Entschlafenen  eingeleitet.  Ein 
Aufruf  zur  Widmung  von  Beiträgen,  welchen  diese  Nummer 
unseres  Blattes  enthält,  sei  allen  Freunden  und  Verehrern 
des  zu  früh  heimgegangeiien  Meisters  der  Baukunst  zur 
Beachtung  warm  empfohlen,  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  neues  Rathhaus 
in  Eberswalde  wird  für  deutsche  Architekten  zum  15.  Okt. 
d.  J.  ausgeschrieben.  Es  gelangen  3 Preise  von  3000, 
2000  und  1500  M.  zur  Vertheiiung;  ein  Ankauf  nicht  preis- 
gekrönter Entwürfe  für  je  500  M.  ist  Vorbehalten.  Dem 
Preisgerichte  gehören  u.  a.  an  die  Hrn.  kgl.  Brth.  Fr. 
Schwechten  und  kgl.  Brth.  Stadtbrth.  L.  Hoffmann, 
beide  in  Berlin.  Unterlagen  gegen  3 M.  durch  ^den 
Magistrat  in  Eberswalde.  — 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  eine 
höhere  Töchterschule  mit  Seminar  in  Essen  a.  Ruhr  wird 
vom  dortigen  Ober-Bürgermeister  als  „Ideen-Konkurrenz“ 
für  deutsche  Architekten  zum  i.  Nov.  d.  J.  ausgeschrieben. 
Es  gelangen  3 Preise  von  2000,  1500  und  xooo  M.  zur 
Vertheiiung;  ein  Ankauf  nicht  preisgekrönter  Entwürfe 
ist  Vorbehalten.  Unterlagen  unentgeltnch  durch  das  Ober- 
Bürgermeister-Amt  Essen.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Geh.  Brth.  Gerstner  in  Koblenz 
und  der  Int-  u.  Brth.  Schwenck  in  Frankfurt  a.  M.  sind  gegen- 
seitig versetzt  — Der  Garn.-Bauinsp.  Matte!  in  Münster  ist  z. 
I.  Okt.  d.  J.  als  techn.  Hillsarb.  zur  Int.  des  V.  Armee-Korps  und 
der  Garn.-Bauinsp.  Klein  in  Mainz  als  techn.  Hüfsarb.  z.  Int.  d. 
XVIII  Armee-Korps  versetzt 

Baden.  Dem  Ob.-Ing.  Tegeler  in  Kehl  ist  die  Amtsstelle 
des  Babnbauinsp.  in  Mannheim  übertragen. 

Die  Wahl  des  Hofraths  Prof.  Dr.  v.  Oechelhäuser  zum 
Rektor  der  Techn.  Hochschule  in  Karlsruhe  für  das  Studienjahr 
igoa.'os  ist  bestätigt  worden. 

Bayern.  Der  Bez.-Ing.  Baumgärtel  in  Lindau  ist  wegen 
fortdauernder  Krankheit  auf  die  Dauer  von  2 weiteren  Jahren  im 
Ruhestand  belassen. 

Versetzt  sind:  die  Eiseob.-Ass.  Iblher  in  München  zur  Gen.- 
Dir.  der  Staatseisenb.,  Vorndran  in  Treuchtlingen  zur  Eisenb.- 
Betr.-Dir.  München,  Hahn  in  Nürnberg  nach  Treuchtlingeu  und 
Straub  bei  der  Gen.-Dir.  zur  Eisenb.-Betr.-Dir.  Augsburg. 

Bremen.  Der  Ing.  Krohn  ist  zura  Bmstr.  bei  der  Strassen- 
Bauinsp.  ernannt 

Preussen.  Verliehen  ist  aus  Anlass  ihres  Uebertritts  in  den 
Ruhestand:  Dem  Kr.-Bauinsp.  Geh.  Brth.  Jaeckel  in  Stolp  der 
Rothe  Adler-Orden  III.  Kl.  mit  der  Schleife,,  dem  Wasser-Bauinsp. 
Brth.  Siber  in  Königsberg  i.  Pr.  der  kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl., 
dem  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Wolff  in  Karamin  und  dem  Wasser- 
Bauinsp.  Brth.  Reimers  in  Rendsburg  der  Rothe  Adler-Orden 
IV.  KL,  dem  Eisenb.-Telegr.-Insp.  Klebe  in  Berlin  der  Char.  als 
Eisenb-'Dir.  mit  dem  Range  der  Räthe  IV.  Kl. 

Württemberg.  Dem  i.  Dir.  des  Germanischen  Museums  in 
Nürnberg  v.  B e z o 1 d ist  das  Ritterkreuz  des  Ordens  der  Württem- 
berg. Krone  verliehen. 

Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  103.  Wohnhaus  Henning,  Knesebeck- 
Strasse  51.  — Die  Münchener  Kunstgewerbe-AussteUung  vom  Jahre  1904. 
— Zum  Ausbau  der  Thürme  des  Meissner  Domes.  — Vom  IX.  Internationalen 
Schiffahrts-Kongress  in  Düsseldorf  (Fortsetzung).  — Vermischtes.  — Preis- 
bewerbiingeii.  — Personal-Nachrichten. 

Verlag,  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
vcrantwortl.  Albert  Hofmänn,  Berlin.  Druck  von  Willi.  Greve,  Berlin. 


1547  sind: bisher  nicht  aufgefunden  worden.  Der  Meissner 
Dom  dürfte  entweder- spitze  Holzhelme  wie  die  grossen 
Kirchen  des  Nordens,  oder  Steinhelme  von  knapperPassung 
wie  die  des  Magdeburger  Domes  oder  ein  reiches,  , durch. 
Nebenthürme  belebtes  Bild  wie  das  der  Teinkirche  in 
Prag  gehabt  haben.  Ein  Entwurf  für  die  Westfront  von 
St.  Peter  in  Löwen  von  Joost  Metsijs,  den  wir  auf  S.  357 
wiedergeben,  dürfte  nach  Gurlitt  lehren,  „dass  in  der 
Hand  eines  selbständig  denkenden  Künstlers  die  drei- 
thürmige  Anlage  zu  hoher  Vollendung  durchgeführt 
werden  kann.“ 

Wir  schliessen  uns  dieser  Ansicht  sowie  der  inter- 
essanten Untersuchung  Gurlitts  und  ihren  Schlussfolge- 
rungen völlig  an.  Nach  unserem  Gefühl  wird  das  Bild  des' 
Schlossberges  von  Meissen  ein  ungleich  künstlerischeres 
und  harmonischeres  durch  eine  Thurmanlage  mit  drei 
Spitzen,  was  auch  schon  die  köstliche  Baugruppe  des 
Domes  und  von  St.  Severi  in  Erfurt  lehrL  Die  künst- 
lerischen, Eindrücke,  die  der  Beschauer  hier.]  empfängt, 
sind  so  lebhaft  und  so  überzeugend,  dass  wir  glauben, 
dass  Schäfer  nicht  unerbittlich  auf  einem  Standpunkte  be- 
harren wird,  den  der  Markgraf  Georg  von  Brandenburg- 
Anspach,  der  in  den  kampferfüllten  Reforniationszeiten 
der  Wende  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  lebte,  einmal  in 
einer  Umschrift  um  eine  Medaille  einnahm,  die  lautete: 
„Eh  köpf  ab,  als  von  der  lehr  abstehn."  — — H. — 


No.  56. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  57.  Berlin,  den  16,  Juli  1902. 


Spri  ngbrunnen- An  lagen  auf  dem  nördlichen  Friedhofe. 


Die  neuen  Münchener  Friedhöfe. 


Architekt:  Städtischer  Baarath  Hans  Grässel  in  München. 


II.  Der  nördliche  Friedhof  in  Schwabing. 

(Hierzu  die  Bildbeilage  von  No.  54,  sowie  die  Abbildungen  S.  293,  295, 
397p  30*1  34^p  344.  345.  3&4  und  363.) 


„Gehet  Ihr  Christen  durch  freundliches 
GrQn  zum  himmlischen  Wege,  sehet, 
vergönnt  ist  Euch  der  Eingang  durch 
heitere  Gärten;  wenn  Ihr's  verdient, 
wird  Euch  der  Ausgang  zum  Paradiese.“ 
(Inschrift  in  der  Vorhalle  gegen  das  Gräberfeld.) 


ie  bereits  in  unserem  Eingangs-Artikel  S.  294 
erwähnt  wurde,  besass  München  schon  einen 
alten  nördlichen  Friedhof  an  derArcisstrassc, 
dessen  Anlage  durch  das  schnelle  Wachs- 
thum  der  Stadt  um  die  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  sowie  durch  das  grosse  Sterben  der 
Cholera-Epidemie  des  Jahres  1854  veranlasst  war. 
Die  Arbeiten  an  ihm  wurden  3867  begonnen  und 
es  wurde  daselbst  am  8.  Oktober  1868  die  erste 
Leiche  bestattet.  Das  weitere  Wachsthum  der  Stadt 
durch  Eingemeindungen  und  natürliche  Zunahme  der 
Bevölkerung  sowie  die  Zentralisirung  des  Beerdigungs- 
wesens führten  dann  zur  Anlage  des  neuen  nördlichen 
Friedhofes  in  Schwabing,  welcher  nach  der  Einver- 
leibung der  Stadt  Schwabing  im  Jahre  1890  aus  der 
Erweiterung  des  alten  Schwabinger  Friedhofes  her- 
vorging. Die  sämmtlichcn  Gebäude  des  Friedhofes 
sowie  die  Eintheilung  des  Gräberfeldes  entwarf  der 
städtische  Baurath  Hr.  Hans  Grässel;  unter  seiner 
Oberleitung  wurde  in  etwa  dreijähriger  Bauzeit  die 
Anlage  fertiggestellt;  sie  wurde  am  6.  Juni  1896  be- 
gonnen und  so  gefördert,  dass  sie  am  15.  Nov.  1899 
der  Benutzung  übergeben  werden  konnte. 

Die  Gesammtanlage  des  Friedhofes,  insbesondere 
die  Eintheilung  des  Gräberfeldes  und  seine  beabsich- 
tigten Erweiterungen  gehen  aus  dem  Lageplan  S.  295 
hervor.  Die  Hauptaxe  des  Friedhofes  zieht  in  süd- 
östlicher Richtung  senkrecht  zur  Ungerer-Strasse; 
arallel  mit  dieser  entwickeln  sich  die  Hauptgebäude, 
ie  besteben  in  der  Hauptsache  aus  einem  mittleren, 
die  Anlage  beherrschenden  achteckigen  Kimpelbau  A, 
welchem  gegen  die  Strasse  eine  Vorhalle  (S,  341)  vor- 
gelagert ist,  zu  deren  beiden  Seiten  links  Räume  für 
die  katholische  und  die  protestantische  Geistlichkeit 
— die  Münchener  Friedhöfe  dienen  diesen  beiden  Kon- 
fessionen, was  die  Wahl  des  künstlerischen  Schmuckes 
nicht  immer  leicht  machte,  eine  Schwierigkeit,  die  je- 
doch mit  grossem  Taktgefühl  bewältigt  wurde  — rechts 
solche  für  die  Verwaltung  liegen.  In  der  Queraxe 
der  Kuppelhalle,  welche  durch  eine  offene  Vorhalle 
(S.  301),  an  der  seitlich  Treppen  liegen,  zu  dem  Grä- 
berfeld Zutritt  gewährt,  reihen  sich  die  Leichenhallen  an 
und  zwar  zur  Linken  die  Abtheilung  für  die  Leichen, 


welche  nicht  der  allgemeinen  Besichtigung  zugänglich 
gemacht  werden  sollen,  weil  dies  die  Anverwandten 
nicht  wünschen,  zur  Rechten  die  Abtheilung,  in  welche 
die  Friedhofsbesucher  zur  freien  Besichtigung  der 
Leichen  zugelassen  werden.  Die  Anlage  dieser 
Leichenhallen  ist  eine  dreitheilige;  sie  erinnert  an  die 
basilikalen  Kirchenanlagen.  Sie  zeigen  einen  hoch- 
gezogenen Mittelraura,  in  welchem  die  Leichen  (je 
15  Leichen  Erwachsener  und  15  Kinderleichen)  in  einer 
weiterhin  noch  zu  erwähnenden  Weise  aufgebahrt 
werden,  einen  gegen  die  Strasse  davor  gelegenen 
Gang,  durch  welchen  die  Leichen  eingebracht  werden, 
und  einen  gegen  das  Giebelfeld  gelegenen  breiteren 
Gang  für  die  Besucher.  An  diesen  letzteren  Gang 
schliessen  sich  im  rechten  Winkel  gegen  das  Gräber- 
feld offene  Rundbogenhallen  an,  die  in  Kuppelbauten 
endigen  (S.  293  und  36^)  und  welche  die  Wirthschafts- 
räume  verdecken,  die  an  grossen,  mit  Mauern 
umwährten  Wirthschaftshöfen  liegen.  In  den  äusseren 
Theilen  derselben  sind  noch  Hausgärten  für  die  Be- 
diensteten angelegt,  während  die  Leichenwagen  in 
dieTheile  der  Vorhöfe  einfahren,  welche  dem  Kuppel- 
bau zunächst  liegen  und  durch  Rondelle  ausgezeich- 
net sind.  Hier  können  die  Leichenwagen  unmittelbar 
vor  dem  Gang  anfahren,  von  welchem  aus  die  Leichen 
in  die  Aufbahrungshalle  gebracht  werden.  An  die 
Leichenhallen  reihen  sich,  den  gesammten  ßaukörper 
abschliessend,  die  Gruppe  der  Wohnräume  für  die 
Bediensteten  an.  In  dieser  Anordnung  ist  die  Anlage 
eine  ungemein  übersichtliche  und  klare,  eine  im 
besten  Sinne  akademische  und  zugleich  eine  solche, 
welche  für  den  Aufbau  eine  günstige  künstlerische 
Wirkung  ermöglicht. 

Der  Aufbau  nun,  für  welchen  in  freier  Ausbildung 
der  frühchristliche  Stil  in  edelster  Auffassung  gewählt 
wurde,  möge  durch  die  Abbildungen  zu  uns  sprechen. 
Diese  Sprache  ist  eine  ungleich  lebhaftere  und  ein- 
dringlichere, als  jede  Beschreibung,  eine  so  über- 
wältigende, dass  das  Wort  und  sei  es  noch  so  beredt, 
ohnmächtig  gegen  sie  wird.  Das  Aeussere  wie  das 
Innere  tragen  das  weihevolle  Gepräge  ernsten  religi- 
ösen Zweckes  und  pietätvoller,  poesiedurchtränkter 
Empfindung.  Unter  dem  Eindrücke  einer  in  solchem 
Maasse  zu  dem  deutschen  Gemüthe  sprechenden 
Stimmung  verliert  der  Tod  von  dem  Schrecken,  mit 
welchem  die  nordische  Kunst  ihn  gern  umkleidete 
und  nähert  sich  der  anmutigeren  Auffassung  des  griechi- 
schen Alterthums.  „Vergönnt  ist  Euch  der  Eingang 
durch  heitere  Gärten;  wenn  Ihr’s  verdient,  wird  Euch 
der  Ausgang  zum  Paradies,“  so  lautet  eine  Inschrift 
in  der  Vorhalle  gegen  das  Gräberfeld. 


Die  ruhige  Aneinandergliederung  der  Bauinassen, 
die  grosse  Flächenwirkung,  die  einfache  Formen- 
behandlung, das  bescheidene  Zurücktreten  des  bildne- 
rischen und  farbigen  Schmuckes,  der  gleichwohl  doch 
wieder  zu  voller  Wirkung  gelangt,  rufen  den  feierlich 
ernsten  Gesammteindruck  hervor,  den  die  Anlage  auf 
den  Beschauer  macht.  Sie  ist  auf  einer  Terrasse  auf- 
gebaut, durch  welche  sie  aus  der  Geländehöhe  der 
Strasse  und  des  Gräberfeldes  herausgehoben  ist.  Der 
Bau  hat  eine  Frontlänge  von  io6“  und  eine  über- 
bauteFläche  von  2600  q®.  Der  Mittelbau  ist  von  derBau- 
linie  um  4,5*”,  die  Leichensäle  sind  von  ihr  5,5“  entfernt; 
durch  diese  starken  Vor-  und  Rücklagen  erhalten  die 
Gebäude  trotz  ihrer  strengen  symmetrischen  Anlage 
eine  lebhafte  malerische  Gruppirung,  ohne  dass  indess 
hierdurch  der  Eindruck  der  ernsten  Monumentalität 
beeinträchtigt  würde.  Der  Kuppelbau  entwickelt  sich 
aus  dem  Quadrat  bis  zu  einer  Hauptgesim'shöhe  von 
14,5“,  seine  äussere  Seitenlänge  beträgt  22,5®.  Im 
Inneren  ist  der  Kuppelbau  achteckig  mit  diagonal 
angeordneten  durchbrochenen  Nischen,  in  welchen 
die  Leichen  für  die  Feierlichkeit  aufgebahrt  werden, 
ln  seiner  oberen  Entwicklung  (s.  Beilage  zu  No.  54) 
geht  der  Kuppelbau  in  die  runde  Form  über  und 
empfängt  seine  Belichtung  durch  in  den  Seiten  des 
Achtecks  liegende  grosse  Fenster.  Sein  oberer  Ab- 


welche,  in  der  Richtung  der  Arkaden  des  Leichenhauses 
in  Halbkreuzform  anschliessend,  den  architektonischen 
Abschluss  der  Baugruppe  gegen  das  Gräberfeld  vollen- 
den sollen.  Die  Anordnungen  der  Gruftanlagen  sowie 
die  Herstellung  der  Grabstein -Fundamente  für  durch- 
laufende und  zweireihige  Familiengräber  zeigen  die 
beistehenden  Abbildungen 

Der  künstlerische  Schmuck  des  Aeusseren  ver- 
folgt in  seinen  durchgehends  in  Kalkmörtel  aufge- 
tragenen Reliefdarstellungen  einen  bestimmten  Ge- 
dankengang. Diese  Darstellungen  erstrecken  sich  über 
die  ganze  Baugruppe  und  sind  theilweise  farbig  gefasst 
und  vergoldet.  Es  sind  dargestellt  gegen  die  Strasse  die 
Vertreter  des  alten  Testamentes,  das  Lamm  Gottes,  die 
zu  ihm  wallenden  Ab  geschiedenen,  Go  ttV ater  von  Engeln 
umgeben  usw.  Zwei  sphinxartige  lagernde  Gestalten 
aus  schwarzem  belgischem  Granit,  mit  Hahnenköpfen 
als  dem  Zeichen  der  Wachsamkeit,  sollen  den  Ein- 
tretenden mahnen,  jederzeit  zur  Abberufung  sich  be- 
reit zu  halten.  Die  Aussenwände  des  Kuppelbaues 
schmücken  Darstellungen  des  himmlischen  Friedens. 
Der  plastische  Schmuck  der  Aussenseite  der  Vorhalle 
gegen  das  Gräberfeld  (S.  301)  zeigt  musizirende  Engel, 
Petrus  mit  dem  Himmelsschlüssel,  Johannes  mit  dem 
Buch  der  Offenbarung  und  darüber  Christus  als  Welt- 
erlöser. Von  dem  Inneren  der  Vorhalle  gewährt  unsere 


Grabstein-Fundamente,  durchlaufende  Form  für  zweireihige 
Famihengr  aber. 


Schluss  nach  Aussen  besteht  in  einem  schlichten  Zelt- 
dach. Er  wird  von  vier  achteckigen  thurmartigen  Auf- 
bauten begleitet,  welche  den  Uebergang  aus  dem  kubi- 
schen unteren  Mauerkörper  in  das  Achteck  hersteilen. 
Das  künstlerische  Material  für  das  Aeussere  besteht  aus 
schlichten  Putzflächen,  einfacher  Ziegelbedachung,  spar- 
samerWerksteinverwendung  und  angetragenem  plasti- 
schem Schmuck  mit  Inschriften.  Die  Gebäude  sind  auf 
Fundamenten  aus  Kiesbeton  in  Backsteinmaüerwerk  er- 
richtet, welches  durchgehends  mit  Kalkmörtel  verputzt 
ist;  die  Dächer  sind  mit  gelbrothen  Falzziegeln  einge- 
deckt; zu  denHauptportalen  und  Säulen  wurde  gdblich- 
weisser  Donaukalkstein  verwendet.  Die  Umgänge  um 
die  Kuppelhalle  und  die  offenen  Säulengänge  gegen 
das  Gräberfeld  haben  Balkendecken  aus  amerikani- 
nischem  Föhrenholz  unter  Verwendung  von  Göhring’- 
schen  Holzleisten  erhalten.  Vor  den  geschlossenen 
Fassaden  der  Leichenhallen,  die  gegen  das  Gräberfeld 

gewendet  sind,  wurden  Postamente  mit  Vasen  aus 
.alkstein  aufgestellt  (s.  Abbildungen  S.  365). 

Ueber  die  Eintheilung  des.  Gräberfeldes  ist  noch, 
soweit  sie  nicht  aus  dem  allgemeinen  L,ageplan  S.  295 
hervorgeht,  zu  bemerken,  dass  unterhalb  der  Terrasse 
ein  freier  Platz  mit  Blumenschmuck  und  Springbrunnen 
angelegt  wurde,  welcher  von  grösseren  Grabstätten 
umgeben  ist,  die  Gelegenheit  zur  Aufstellung-bedeuten- 
derer Grabdenkmäler  von  künstlerischer  Haltüng  bieten, 


Abbildung  S.  341  ein  Bild.  Ueber  dem  Eingang  zur 
Kuppelhalle  befindet  sich  das  Lamm  Gottes,  zu  beiden 
Seiten  ziehen  sich  die  Medaillons  der  12  Apostel  hin. 
Säulen  aus  verschiedenfarbigem  Marmor  (Cipolino, 
Bardiglo,  Untersberger)  tragen  auf  reichen  Kapitälen 
die  symbolischen  Gestalten  Glaube,  Liebe,  Hoffnung. 
Die  Kuppelhalle  (Beilage  zu  No.  54)  erhält  ihreHaupt- 
gliederung  durch  8 Pfeiler  und  16  Nischensäulen, 
wieder  aus  verschiedenfarbigem  Marmor  (Florentiner, 
Belgischer,  Adneter  und  Smyrna-Marmor);  über  den 
mit  Stuckmarmor  in  Violett,  Grün  und  Schwarz  be- 
kleideten, Wandflächen  zieht  sich  ein  Relieffries  mit 
symbolischen  Darstellungen  der  Herrlichkeiten  des 
himmlischen  Jenseits  hin;  in  den  Gewölbezwickeln 
stehen  auf  vorkragenden  Konsolen  8 Engelgestalten. 
Im  Vestibül  der  Vorhalle  gegen  das  Gräberfeld  bildet 
der  Weinstock  das  Motiv  des  Schmuckes.  Auf  den 
Gewölben  der  beiden  Kuppelbauten,  welche  die  Ar- 
kaden abschliessen,  sind  Christus -zu  Pferd  als  ein- 
ziehender König  der  Herrlichkeit  und  die  Kreuzes- 
erhöhung dargestellt.  Die  sämmtlichen  plastischen 
Arbeiten  stammen  von  Hrn.  Bildhauer  Bruno  Diamant; 
die  in  Caseintechnik  ausgeführte  Bemalung  der  Kuppel- 
schale derHallefürTrauerversammlungen,  dann  die  Be- 
malung der  Vorhalle  und  der  Kuppeln  der  beiden  Ar- 
kaden-Pavillons  führteHr.  Kunstmaler  CarlDöttl,  beide 
in  München,  aus.  Ueber  dem  äusseren  Umgang  der 


362 


No.  57. 


grossen  Kuppe],  welcher' den  gewöhnlichen  Verkehr 
leitet,  befinden  sich,  für  die  Trauerversammlung  un- 
sichtbar, Musik  und  Sänger,  deren  Töne  durch  die 
runden  Oeffnungen  der  in  die  Dreitheilung  einge- 
setzten Platten  dringen  und  die  Feierlichkeit  des  musi- 
kalischen Theiles  der  Beerdigungsfeiern  zu  ergreifen- 
der Wirkung  steigern.  — 

Noch  ein  kurzes  Wort  über  die  Aufbahrung  der 
Leichen  im  Leichenhause  vor  der  Beerdigung.  Nach 
einer  ortspolizeilichen  Vorschrift  vom  i.  Juli  1862, 
welche  am  2.  Juli  1898  erneuert  wurde,  muss  in 
München  nach  ansteckenden  Krankheiten  der  Todte 
längstens  binnen  6 Stunden,  bei  nicht  ansteckenden 
Krankheiten  längstens  binnen  12  Stunden  nach  fest- 
gestelltem  Tode  in  das  Leichenhaus  verbracht  werden. 
Ausnahmen  sind  durch  den  Magistrat  besonders  zu 
bewilligen,  werden  aber  in  nur  seltenen  Fällen  nach- 
gesucht. Es  ist  dies  eine  Anordnung,  die  auch  in 
Berlin  und  in  zahlreichen  anderen  Städten  Deutsch- 
lands besteht,  in  Frankreich,  Italien  und  anderen 
Ländern  aber  noch  nicht.  Gründe  der  Pietät  dürften 
es  in  erster  Linie  sein,  welche  gegen  die  Vorschrift 
sprechen  und  diese  hier  verhindert  haben;  man  will 
den  Todten  so  lange  besitzen  als  irgend  möglich.  In 
den  südlichen  Ländern  kommt  als  weiterer  Umstand 
hinzu,  dass  die  Frist  bis  zur  Beerdigung  der  Leiche  über- 
haupt nur  2 Tage  und  weniger  beträgt.  Gleichwohl  sind 
mit  diesem  Brauch  gesundheitliche  Unzuträglichkeiten 
verknüpft,  die  insbesondere  bei  beschränkten  Woh- 
nungsverhältnissen  in  die  Erscheinung  treten  und 
nicht  allein  für  die  ärmeren  Bevölkerungsschichten  die 
in  Deutschland  eingeführte  Maassregel  als  eine  will- 
kommene Erleichterung  erscheinen  lassen.  Während 
nun  andere  Städte  Leichenaufbewahrungshallen  nur 
für  die  ärmeren  Volksklassen  und  zur  Benutzung  bei 
besonderen  Anlässen  besitzen,  und  während  die 
älteren  Münchener  Friedhöfe  Leichenhäuser  besitzen, 
in  welchen  die  Todten  in  mehreren  Reihen  hinter 
einander  liegen,  wodurch  eine  Besichtigung  erschwert 
wird,  ist  bei  den  neuen  Friedhöfen  die  Aneinander- 
reihung der  aufgebahrten  Leichen  in  nur  einer  Reihe 
getroffen,  aber  doch  wiederum  getrennt  in  solche 
Leichen,  deren  Familien  die  öffentliche  Besichtigung 
zulassen  und  in  solche,  deren  öffentliche  Besichtigung 
hiclrt  gewünscht  wird.  Die  Aufbahrungshallen  sind  dem- 
nach räumlich  getrennt  in  solche  für  nicht  allgemeine 
und  solche  für  allgemeine  Besichtigung.  Beim  nörd- 
lichen Friedhof  liegt  die  erstere  Halle  links  der 
Kuppelhalle,  die  andere  rechts  derselben. 

Für  die  Aufbahrung  nun  wurden  früher  mit  Blech 
beschlagene  Holzpodien  verwendet,  welche  aber  der 
durchsickernden  Flüssigkeit  nicht  Stand  hielten.  Grassel 
führte  daher  sehr  sinnreich  gestaltete  Steinsarkophage 
aus  polirtem  künstlichem  Granit  ein,  deren  Formen 
aus  den  Abbildungen  S.  364  hervorgehen.  Sie  werden 
in  3 Grössen  verwendet:  für  kleinere  und  grössere 
Kinderieichen , sowie  für  Erwachsene;  die  Kinder- 
leichen  werden  zu  je  zweien  nebeneinander  aufge- 
bahrt, die  Erwachsenen  allein.  Leicht  zu  handhabende 
Vorrichtungen  gestatten,  der  Leiche  eine  ähnliche 
Lage  und  -Neigung  zu  geben,  wie  sie  dieselbe  auf 
dem  Sterbelager  haben  würde.  Am  Kopfende  jedes 


Sarkophages  befinden' sich  • Kerzenständer  -F' ünd-dic 
Namenstafel  zu  den^Seiten  -laufen-  die  Blumen- 
kästen D hin..-.  Das  Triebwerk  für  -die.  Herstellung 
der  gewünschten  Neigung  ist  aus  dem  Längsschnitt 
des  Sarkophages  für  Erwachsene,  der  auf  den  Rollen  B 
beweglich  ist,  ersichtlich.  Der  gesammte  Eindruck  die- 
ser Art  von  Schaustellung  der  Leichen  ist,  wenn  man 
sich  überhaupt  einmal  mit  derselben  befreundet  hat  und 
namentlich  wenn,  wie  üblich,  reicher  Blumenschmuck 
hinzutritt,  ein  ungemein  würdiger  und  feierlicher. 

Dem  leitenden  Architekten  standen  bei;  der  Aus- 
führung der  Gebäude  in  erster  Linie  zur  Seite  Hr.  Arch. 
Georg  Z eitler  undHr.Bfhr. HaosSchweiger.  An  den 
Bauarbeiten  waren  die  folgenden  Firmen  und  Gewerks- 
meister — soweit  nicht  anders  angeführt  aus  München  — 
betheiligt:  Carl  Libotte  für  die  Gründlings-  und  Aug. 
Hock  für  die  Maurerarbeiten;  die  Steinmetzarbeiten 
hatten  F.  X.  Will  und  die  Granitwerke  Blauberg. 
Die  Zimmerarbeiten' führten  Georg  Maier  und  Barth. 
Lochner,  die  Spänglerarbeiten  und  die  Blitzableitung 
Hans  Scherbauer  aus;  die  Eisenlieferung  hatte  J. 
Ungerer.  In  die  Schreinerarbeiten  theilten  sich 
J.  Zugschwert,  J.  B.  Dietrich,  Seb.  Riesemann 
und  Al.  Siegel,  Chr.  Külken  in  Geestemünde  führte 
die  Balkendecken  der  Säulengänge  aus;  in  dieSchlosser- 
arbeiten  Fr.  Grohmann,  Gottfr.  Schweisgut,  M. 
Kröninger,  Fr.  Höck  und  Jos.  Haindl.  An  den 
Glaserarbeiten  waren  M.  Buchmaier  und  F.  S. 
Riepold;  an  den  Maler- . und  Anstreicherarbeiten 
Barth  & Cie.,  Schmidt  & Cie.,  J.  Wagners  Nachf., 
A.  Kemmeter,  Ant.  Meyer  und  Arn.  Gschwind; 
an  den  Stukkaturarbeiten  Rappa  & Giobbe  und 
Jos.  Gianna  betheiligt.  Die  Bildhauerarbeiten  führte 
Bruno  Diamant,  die  Rabitzarbeiten  M.  Steinmetz, 
die  Terrazzo-  und  Zementböden  J.  Gianna  und  Joh. 
Odoricoaus,währenddieRiemenbödenIgn.Bachruch 
legte.  Die  Tapeziererarbeiten  wurden  von  H.  Müller, 
Fr.  Hinterleitner  und  G.  Kronenbitter,  die  Ent- 
wässerungs-u.Klosetanlagen  von  Pfister  & Schmidt, 
dieVentilationsanlagenvon  Gebr.  Rusp  ausgeführt.  Die 
Ausstattung  des  Sezirsaales.war -an  E.  Koch  in  Frank- 
furt a.  M.  und  an  Franz  Hemm,  die  Lieferung  der 
elektrischen  Läutewerke  an  E.  Klotz,  der  Uhren  an 
die  Joh.  Mannhard’sche  Thurmuhrenfabrik,  die  Ar- 
beiten für  das  Gewächshaus  an  P.  Katz  und  R.  O. 
Meyer  übertragen;  die  Hafnerarbeiten  übernahmen 
Ant.  Roth  und  Al.  Lommer.  Die  Marmorsäulen 
stammen  aus  den  Brüchen  von  Kiefer  in  Kiefersfelden, 
die  Kalksteinsäulen  aus  denen  von  C.  A.  Lang  in 
Kelheim. 

Was  nach  den  Entwürfen  Grassels  und  unter  der 
Mitwirkung  seiner  künstlerischen  und  technischen  Mit- 
arbeiter sowie  der  vorstehenden  zahlreichen  Firmen 
und  Gewerksleute  hier  geleistet  wurde,  steht  in  der 
Geschichte  der  neueren  Monumental-Baukunst  Bayerns 
mit  an  erster  Stelle.  ; Eine  Gesainrnt-Würdigung  der 
Bauwerke  vom  künstlerischen  Standpunkte  aus  und 
eine  Besprechung  ihrer  Stellung  gegenüber  den  Be- 
strebungen der  Baukunst  unserer  Tage  behalten  wir 
uns  bis  nach  dem  Abschluss,  der  Wiedergabe  der 
Werke  vor.  •— 

Albert  Hofmann. 


Vom  IX.  internationalen  Schiffahrts-Kongress  in  Düsseldorf. 

(Schluss.) 


ieAbth.  II  für  Seeschiffahrt  tagte  unter  dem  Vor- 
sitz der  Herren  von  Dömming,  Ob.-Baudirektor  in 
Berlin,  und  Sartori,  Geh.  Kommerzienrath  in  Kiel. 
Die  zur  Berathung  stehenden  3 Fragen  lauteten:.  „An- 
lage und  Unterhaltungskosten  eiserner  und_höL 
zerner  Schleusenthore,"  „Verkehr  mit  See- 
prähmen (Seeleichtern)"  und  „Dockanlagen". 

Generalberichterstatter -ln- der  i.  Frage  war  Hr.  Geh. 
Ob.-Brth.  Fülscher-Berlin.  Es  lagen  5 gedruckte  Einzel- 
berichte vor  aus  Deutschland,  Belgien,  Holland,  Frank- 
reich, England,  die  sich  theils  für  Eisenthore,  theils  für 
Holzthore  aussprachen.  Auch  der  Gedanke,.  Thore  aus 
gemischtem  Material  auszuführen,  bei  denen  die  dauernd 
.unter  Wasser  liegenden,  also  nicht  der  Fäulniss  aus- 
gesetzten Theile  aus  Holz,  die  oberen  dagegen  aus  Eisen 

16.  Juli  1902. 


herzustellen  seien,  wurde  vertreten.  Der  Generalbericht- 
erstatter giebt  eine  Uebersicht  über  die  verschiedenen  zu 
Tage  getretenen  Anschauungen  und  schlägt  folgende 
Resolution  vor,  die  auch  zur  Annahme  kommt  (N.B.  ein 
auf  die  Thore  aus  gemischtera  Material  gemachter  Zu- 
satz fällt) : 

1.  der  Kongress  erklärt,  dass  über  die  Frage,  ob  für 
den  Bau  von  Schleusenthoren  Holz  oder  Eisen  vorzu- 
ziehen ist,  eine  allgeraeih"'giltige  Entscheidung  nicht  ge- 
troffen werden  kann. 

2.  Die  Frage  wird  sowohl  von  wirthschaftlichen,  wie 
von  technischen  Gesichtspunkten  von  Fall,  zu  Fall  nach 
Lage  der  besonderen  Verhältnisse  zu  prüfen  sein. 

3.  Bei  grossen.  Schleusenweiten  spricht  zu  Gunsten 
der  eisernen  Thore,  dass  sie  leichter  in  der  nöthigen 

363 


Stein-Untersarg  für  kleinere  Kinderleichen.  1:40. 


Leichenhalle. 


Stein-Untersarg  für  die  Aufbahrung  Erwachsener. 
Maasstab  1:30. 

A.  UntersBTg  in  einem  Stück  aus  polirtem  künstlichen 
Granit 

B Fussrollen. 

C.  Zum  Aus-  und  Einschieben  gerichtete  y-Eiscn  als 
Unterstützung  für  Blumenkästen. 

D.  Bewegliche  Blumenkästen. 

E.  Doppmi  bewegliche  Bühne  zur  Aufnahme  des  Sarges. 

F.  Kerzenstander. 

G.  Tafel  für  die  Namensinschrift. 


Seitenansicht. 


Vorder'AnsicW. 


Seden -AnsicKl. 


LangsnseViTiiH 


Die  neuen  Münchener  Friedhöfe. 
Architekt:  Städt.  Baurath  Hans  Grässel  in  München. 
Der  nördliche  Friedhof  in  Schwabing. 


LangenschniU. 


Vorderansicht. 


Stein-Untersarg  für  grössere  Kinderleichen. 

5^^ 


Vorder  -AnsicKl. 


LängmscKnill. 


Haltbarkeit  und  Steifigkeit  herzustellen  sind,  ferner,  dass 
sie  im  Betriebe  leichter  und  mit  grösserer  Geschwindig- 
keit bewegt  werden  können,  endlich,  dass  sie  in  kurzer 
Zeit  und  mit  geringerem  Kostenaufwande  auszuheben 
und  einzusetzen  sind,  als  Holzthore. 


Bezüglich  der  2.  Frage  des  „Verkehrs  mit  See- 
prähmen“ lag  die  General-Berichterstattung  in  der  Hand 
des  Hm.  Ob.-Brth.  Hermann  in  Münster.  Hierzu  waren 
5 Eiuzelberichte  eingegangen.  Aufgrund  der  Berichter- 
stattung und  der  Verhandlungen  kam  man  zu  dem  Er- 


No.  57. 


364 


gebniss:  dass  der  Gebranch  von  Schleppschiffen  für  den  reiches,  mit  zahlreichen  guten  Abbildungen  versehenes, 
Verkehr  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit  ist  und  durch  vornehm  ausgestattetes  Werk  »Der  Rhein  von  Strass- 
keine  besonderen  Abgaben  bei  Benutzung  der  Wasser-  bürg  bis  zur  holländischen  Grenze  in  technischer 
Strassen  und  Häfen  beschränkt  werden  darf,  dass  die  und  wirthschaftlicher  Beziehung",*)  sowie  eine 
Kanal-Seeschleppschiffe  sich  den  Abmessungen  der  Ka-  Schrift  über  »Die  Entwicklung  der  preussischen 
näle  anpassen  müssen,  dass  es  jedoch  anzustreben  ist,  Wasserstrassen*,**)  beide  bearbeitet  im  Aufträge  des 


den  unmittelbar  zur  See 
führendenWasserstrassen 
eine  Mmdesttiefe  von  3“ 
bei  entsprechender  Breite 
zu  geben,  schliesslich  dass 
die  Verwendung  von  See- 
Schleppschiffen  keinen 
Ersatz  für  Wasserwege 
im  Binnenlande  bietet. 

Als  3.  Verhandlungs- 
Gegenstand  wurde  die  An- 
lage und  Ausbildung  von 
„Docks“,  d.  h.  zu  Schiff- 
bau- U-  Reparaturzwecken 
erörtert,  lieber  die  ein- 
gegangenen vier  Sonder- 
berichte erstattete  Hr. 

Geh.  Admiralitäts  - Rath 
Franzius  in  Kiel  Be- 
richt. Die  Verhandlungen 
führten  zu  dem  Ergeb- 
niss:  dass  Trocken- 

docks wegen  ihrer  Ein- 
fachheit, Sicherheit  und 
Dauer  fast  immer  vorzu- 
ziehen seien,  falls  die  An- 
lagen als  Tüeil  eines  Ha- 
fens dem  allgemeinen 
Schiffahrts-Interesse  die- 
nen sollen;  dass  für  die 
Reparatur  sehr  grosser 
Schiffe  nurTrocken-  bezw. 

Schwimmdocks  infrage 
kommen  könnten.  Keiner 
der  beiden  Formen  kann 
der  Vorrang  vor  der  ande- 
ren zugesprochen  werden. 

Der  Abtheilung  lagen 
ausserdem  noch  ir  Mit- 
theilungen im  Druck  vor 
über:  Spülung  von  See- 
häfen, Schutz  der  Leucht- 
feuer, Bauart,  Leistungen 
und  Kosten  von  LöfTel- 
und  Greifbaggern,  Fort- 
schritte auf  dem  Gebiete 
des  Seezeichenwesens , 
neuere  Versuche  über 
den  Schiffswidersland  im 
freien  Wasser,  Bagger- 
arbeiten im  St,  Peters- 
burger Seekanale  und 
seinen  Häfen,  Seekanäle 
in  den  Mündungen  des 
Dniepr  und  Bug,  der 
Kaiser  Wilhelm -Kanal, 

Betriebs-Erfahrungen  und 
-Ergebnisse,  Häfen  an  der 
Westküste  Portugals,  Bau 
eines  Hafens  in  der  Bucht 
von  Monaco,  Beseitigung 
vonSandbarren  durch  Be- 
nutzung der  Stromkraft. 

Wie  schon  bemerkt 
wurde,  war  mit  dem  Kon- 
gress eine  Ausstellung  von 
Zeichnungen  und  Model- 
len von  wasserbaulichen, 
mit  den  Berathungs- Ge- 
genständen in  Beziehung 
stehenden  Ausführungen 
und  Plänen  in  einer  Reich- 
haltigkeit verbunden,  wie 
sie  kaum  ein  früherer 
Schiffahrts-Kongress  auf- 
zuweisen hatte.  Der  von 
der  Kongressleitung  auf- 
gestellte Katalog,  der  eine  Reihe  schätzenswerlher  An- 
gaben über  die  Gegenstände  enthielt,  wies  nicht  weniger 
als  309  Nummern  auf.  Verschiedene  der  Aussteller  hatten 
ausserdem  besondere  Druckschriften  herausgegeben,  die 
zur  Vertheilung  kamen.  Als  besonders  werthvolle  Er- 
gänzung wurde  den  Kongress-Theilnehmern  ein  umfang- 


Säuleahalle  gegen  das  Gräberfeld. 


Postamente  vor  den  südlichen  Leichenhallen. 

Die  neuen  Münchener  Friedhöfe.  Arch.:  Städt.  Brth.  Hans  Grässel. 
Der  neue  nördliche  Friedhof  in  Schwabing. 


HerrnMinistersderöffentl. 
Arbeiten  überreicht. 

Besonders  reichhaltig 
war  die  Ausstellung  der 
preussischenWasser- 
bau-Verwaltung,  der 
Hansastädte  Bremen 
und  Hamburg,  der  vom 
Zentralbureaufür  He- 
bung der  deutschen 
Fluss-undKanalschiff- 
fahrt  veranstalteten  Sam- 
melgruppe deutscher  Pri- 
vataussteller, der  öster- 
reichisch-ungarisch. 
Gruppe,  in  welcher  sich 
Staat  und  Privatindustrie 
vereinigt  hatten,  sowie  des 
Minist,  der  öffentl.  Arb. 
von  Argentinien,  welch 
letztere  erkennen  Hess, 
dass  dort  in  zielbewusster 
Weise  mit  dem  Ausbau 
der  Häfen  und  Wasser- 
strassen vorgegangen 
wird;  Belgien,  Dänemark, 
England,  Italien,  Norwe- 
gen, Mexiko,  Spanien 
hatten  nur  wenige  Num- 
mern beigebracht. 

Das  DeutscheReich 
war  vertreten  durch  die 
vom  Kanalamt  in  Kiel 
ausgestellten,  schon  be- 
kannten Pläne  undModelle 
vom  Kaiser-Wilheim-Ka- 
nal,  sowie  durch  inter- 
essante Modelle  der  kais. 
Werft  in  Kiel  von  der 
zum  Bau  der  beiden 
Trockendocks  in  Kiel  be- 
nutzten Taucherglocke, 
sowie  der  Docks  selbst. 
Die  Taucherglocke  zeigt 
die  ungewöhnlichen  Ab- 
messungen von  42  zu  14m 
Höhe  des  Arbeitsraums 
2,5“,  darüber  ein  Ballast- 
raum  von  gleicher  Höhe 
mit  besonderem  Ballast- 
zyünder.  Das  Ganze  ist 
mit  20  Tragstangen  an 
einer  schwimmenden,  auf 
2 Schiffen  aufgestellten 
Rüstung  aufgehängt.  Die 
Taucherglocke  war  mit 
2 Personenschleusen, 

2 doppelten  Material- 
schleusen und  I Beton- 
schleuse ausgerüstet.  Der 
gesammte  Betrieb  der 
Maschinen  erfolgte  auf 
elektrischem  Wege.  Die 
Arbeiten  sind  bekanntlich 
beendet.  Die  völlige 
Trockenlegung  des  Docks 
bereitete  Schwierigkeit. 

Die  Ausstellung  der 
preussischen  Wasser- 
bau-Verwaltung glie- 
derte sich  in  die  Vor- 
führungen der  Zentralbe- 
hörde, welche  die  werth- 
voUen  Sympher’schen 
Karten  der  deutschen 
Wasserstrassen  ausstellte, 
der  Landesanstalt  für  Ge- 


wässerkunde, welche  die  bekannten  Arbeiten  des  Hoch- 

*)  Unter  Benutzung  amtlicher  Quellen  im  Auftr.  d.  Hrn.  Minist  d. 
OffentL  Arbeiten  bearbeitet  im FrOhjahr i9(»  von  E.Beyerhaus,  Wasser- 
bauinsp.  b.  d.  kgl.  Rheinstrom-Bauverwaltung  in  Koblenz. 

**)  Bearbeitet  im  Minist  d.  öffentl.  Arbeiten  durch  Brth.  Roloff  und 
Wasserbauinsp.  Bergius  unter  Benutzung  von  Bericblen  der  zuständigen 
Strombau-Bebörden. 


16  Juli  1902. 


365 


Wasser- Ausschusses  vor  kurzem  übernommeii  h'at  unid 
zur  Auslage  brachte,  des  Bureaus  für  die  Haupt-Nivelle- 
ments . und  Wasserstands  - Berechnungen  und  schliess- 
lich die  Ausstellungen  der  einzelnen  Provinzen.  Ost- 
preussen  trat  namentlich  mit  dem  Königsberger  See- 
kanal und  einigen  Hafenerweiterungen,  Westpreussen 
mit  den  Arbeiten  an  der  Weichsel  auf.  Die  Provinz 
Brandenburg  interessirte, besonders  durch  die'Prahe  ünd' 
Modelle  zur  2.  Schleuse  bei  Wernsdorf  mit  Hotopp’schen 
Hebern  und  durch  die  Pläne  der  im  Bau  begriffenen  Ver- 
suchsanstalt für  Wasserbau  und  ßchiff  ahrtauf  der  Schleusen- 
insel im  Thiergarten  zu  Berlin.'  Die  auf  365000  M.  veran- 
schlagte Anstalt,  die  zum  Frühjahr  1903  eröffnet  werden  soll, 
ist  zu  wasserbaulichen  Versuchen  jeder  Art,  besonders 
für  solche  bestimmt,  die  auf  die  Bewegung  des  Wassers 
und  der  Geschiebe  Bezug  habpn,  ferner  für  die  Tarirung 
der  Apparate  zur  Messung  der  Wassergeschwindigkeit,  die 
Messung  der  Schiffswiderstänjde  usw.  Sie  ist  in  erster 
Linie  zur  Benutzung  der  preuäsischen  Wasser-  ün’d  Melio- 
rationsbau-Verwaltung, der  technischen  Unterrichts-Ver-' 
waltung  und  der  deutschen  Reichsmarine'  bestimmt,  soll 
aber  auch  anderen  Behörden  ,und  Privaten  für  Versuchs- 
arbeiten zugänglich  sein.  Schlesien  war  durch'  eine 
reichhaltige  Sammlung  der  auf  die  Verbesserung  der 
oberen  Oder  und  die  damit  im  [Zusammenhänge  stehenden 
Arbeiten,  der  ausgeführten  uind  zu  erweiternden  Häfen, 
der  Anlagen  bei  Breslau  usw.' vertreten,  Sachsen  hatte 
Eisbrechdampfer-Modelle  ausgestellt,  H anno  ver  Brücken, 
Pläne,  Photographien  und  Modelle  von  der  kahalisirten 
Fulda,  darunter  eine  verbesserte  Form  des  Nadelwehrs, 
Pläne  und  Einzelheiten  vom  Hafen  in  Emden  und  Harburg, 
letztere  mit  den  geplanten  umfangreichen  Erweiterungen. 
Westfalen  trat  mit  den  Plänen  und  Modellen  vom 
Dortmund-Ems-Kanal  hervor,,  während  die  Rheinpro- 
vinz auf  ihre  Sonderausstellung  in  der  Abtheilung  für 
Bauwesen  der  Industrie-  und  Gewerbe-Ausstellung  ver- 
weisen konnte. 

Baden  hatte  durch  die  Generaldirektion  der  Staats- 
eisenbahnen den  Rheinhafen  zu  Kehl  ausgestellt,  der  nach 
völligem  Ausbau  etwa  9 Millionen  Mark  kosten  wird, 
Bayern  Pläne  vom  Rheinhafen  zu  Ludwigshafen  und  be- 
merkenswerthe  Modelle.  Unter  letzteren  ist  namentlich  der 
Verschluss  des  18™  weiten  Grundablasses  vom  Mainwehr 
zu  Schweinfurt  mit  3,2  “ Stauhöhe  hervorzuheben,  ein  Hohl- 
zylinder mit  schnabelförmigem  Ansatz,  der  auf  .gezahnten  , 
geneigten  Auflagerflächen  mit  Stahlseilen  aufgezogen 
bezw.  abgelassen  wird.  Der  seit  Ende  April  d.  J.  in  Be- 
trieb stehende  Verschluss  ist  von  der  „Vereinigten 
Maschinenfabrik  Nürnberg  und  Augsburg"  ent- 
worfen und  ausgeführt'.  Bremen  führte  seihe  Hafen- 
anlagen in  Bremen,  mit  den  in  Ausführung  begriffenen 
Erweiterungen,  ferner  in  Bremerhaven  und  die  Arbeiten 
bei  der  Korrektion  der  UnteR  und  Aussen-Weser  vor, 
Hamburg  ebenfalls  die  Entwicklung  seines  Hafens,  Kai- 
anlagen, Leuchtthürme  usw.,  Lübeck  sein  Hauptwerk, 
den  Elbe-Trave-Kanal. 

In  der  Sammelgruppe  des  Centralvereins  für 
die  Hebung  der  deutschen  Fluss-  und  Kanal- 
schiffahrt hatten  sich  der  Ber-Iiner  Verein  mit  Plänen 
und  Veröffentlichungen  von  deutschen  und -österreichisch- 
ungarischen Wasserstrassen,  der  Verein  für  Hebung  der 
Fluss-  und  Kanalschiffahrt  in  Bayern  mit  seinen  be- 


Mittheilungen aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Bremen.  Zur  Vorbereitung  für 
eine  im  Mai  stattgehabte  Besichtigung  der  Erweiterungs- 
bauten des  städtischen.  Wasserwerkes  gab  in  der 
Mai-Versammlung  Hr.  Obering.  E.  Götze  einen  inter- 
essanten Ueberblick  über  die  ne.u,erdings  bei  der  Anlage 
der  Filterbecken  vorgenommenen  Verbesserungen.  Der 
zunehmenden  Wasserabgabe  entsprechend,  die  von  9000 
stärkster  Wasserlieferung  in  24  Stunden  des  Jahres  1876 
auf  20oooct>®  im  Jahre,  1892  und  auf  34  000  cbm  igoi  ge- 
stiegen ist,  muss  das  Brethische  Wasserwerk  stetig  er- 
weitert werden.  Das  Filterwerk,  das  vor  32  Jahren  mit 
etwa  2000  qm  Fiiterfläche  angelegt  wurde,  hat  jetzt  13000  qm 
Fläche,  und  diese  wird  z.  Zt.  um  rd.  6000  qm  ^ d.  h.  um 
5 Filter  erweitert.  Von  diesen  19  000  qm  sollen  aber  2000 
zur  Erweiterung  des  Reinwasserkellers  verwendet  werden, 
so  dass  alsdann  17  000  qm  nutzbare  Fläche  vorhanden  sind. 
Die  alte  Bauweise,  nach  der  Boden  und  Umfassung  der 
Filterbecken  mit  gestampftem  Thon'  in  etwa  0,5  m Stärke 
umhüllt  und  dicht  gemacht  wurden,  ist  bei  dieser  Er- 
weiterung verlassen  worden.  Der  Thon  bewährt  sich 
nämlich  bei  nicht  absolut  festem  Baugrunde  nicht  als 
Dichtungsmittel  und  hat  bei  eingetretenen  Undichtheiten 
den  Nachtheil,  dass  die  Fehlstellen  nur  schwer  aufzufinden 

366 


kannteren  Plänen,  namentlich  des  Donau-Main-Kanales, 
sowie  zahlreiche  Stadtverwaltungen  wie  Breslau,  Köln, 
Krefeld,  Dortmund,  Karlsruhe,  Leer  i.  Ostfriesl., 
Magdeburg,  Mannheim,  Münster!.  W.,  Offenbach, 
Stettin,  Strassburg.,  Worms  mit  ihren  Hafenplänen 
■ausserdem  noch  Verschiedene  Private  zusammengefunden. 

Unter  den  deutschen  Sonderausstellern  traten  naraent- 
, lieh  die  Hrn.  Brth.  Havestadt  & Contag  mit  Plänen 
und  Aufnahmen  von  dem  in ' Ausführung  begriffenen 
Teltow-Kanal,  mit  verschiedenen  anderen  Entwürfen  und 
dem  bemerkenswerthen  Modell  eines  Walzen-wehres  nach 
dem  Entwürfe  von  Zivil-Ing.  R.  Köchlin  in  Paris  hervor, 
das  bei  der  Nutzbarmachung  der  Wasserkräfte  des  Rheins 
bei  Mülhausen  i.  E.  nach  dem  gemeinsamen  Entwürfe 
der  drei  genannten  Ingenieure  zur  Anwendung  kommen 
soll.  Der  bewegliche  Theil  der  26,60“  weiten  Wehr- 
öffnungen wird  von  einem  Hohlzylinder  gebildet,,  der  sich 
gegen  die  Wehrpfosten  stützt  und  an  denselben,  durch 
Kabel  geführt, 'senkrecht  auf-  und  abrollt. 

Besondere  Aufmerksamkeit  zog  die  Ausstellung 
Oesterreich-Ungarns  auf  sich,  und  zwar  namentlich 
• in  demjenigen  Theile,  welcher  die  geplante  Donau- 
Moldau  - Elbe  - Wässerstrasse  in  Plänen  und  Mo- 
dellen behandelte.  Hier  hatten  sich  das  Donau-Moldau- 
Elbe-Kanal-Comite  in  Wien,  die  Kommission  für  die 
Kanalisirung  des  Moldau-  und  Elbeflusses  in  Böhmen, 
Prag,  und  die  6 vereinigten  Maschinenfabriken  zusammen- 
gefunden, die  sich  namentlich  mit  der  Frage  der  Aus- 
bildung der  Schiffshebewerke  als  geneigte  Ebenen  bei 
Stützung  des  Troges  mit  Wälzungsrollen  beschäftigen. 

Alles  in  Allem  bot  die  Ausstellung  einen  reichen  Stoff 
des  Wissenswerthen  und  Lehrreichen,  sodass  nur  be- 
dauert werden  kann,  dass  das  Material  nicht  für  längere 
Zeit  zusammenbleiben  und  weiteren  Kreisen  zugänglich 
gemacht  werden  konnte. 

Ara  4.  Juli  fand  nach  Schluss  der  Abtheilungs-Sitzungen 
eine  letzte  Plenarsitzung  statt,  bei  welcher  zunächst  ein 
Danktelegramm  des  Kaisers  verlesen  wurde  und  die 
Beschlüsse  der  Abtheilungen  vorgetragen  und  angenommen 
wurden.  Es  folgten  dann  Ansprachen  der  Vertreter  der 
fremden  Regierungen  und  Schlussworte  der  beiden  Präsi- 
denten des  Kongresses,  welche  in  einem  Dank  an  die 
gastliche  Stadt  Düsseldorf  und  in  einem  Hoch  auf  den 
Protektor  des  Kongresses  -ausklangen.  Am  Nachmittage 
bildete  ein  Festmahl  der  Stadt  in  den  Räumen  der  Ton- 
halle den  glänzenden  Abschluss  des  Kongresses.  Das  Er- 
gebniss  des  letzteren  besteht,  wie  das  in  der  Natur  der 
Sache  liegt,  weniger  in  positiven  Beschlüssen,  als  in  der 
trefflichen  Üebersicht,  die  über  das  ganze  Gebiet  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Fragen  durch  die  Berichte  gegeben 
wurde,  in' der  sachgemässen  Gegeneinanderstellung  der 
verschiedenen  Anschauungen  und  in  einer  Fülle  neuer 
Eindrücke  und  Anregungen,  die  nicht  zum  kleinen  Theile 
auch  auf  den  vielen  Besichtigungen  gewonnen  wurden, 
die  während  und  nach  dem  Kongresse  nach  Barmen- 
Elberfeld,  Ruhrort-Duisburg,  nach  Dortmund  und  dem 
Hebewerk  bei  Henrichenburg,  nach  Essen,  nach  Köln, 
nach  Remscheid  und  Müngsten  und  schliesslich  nach  dem 
Kaiser  Wilhelm-Kanal  und  den  Hansestädten  veranstaltet 
und  von  den  in  Frage  kommenden  Behörden,  Stadt- 
verwaltungen und  Privaten  in  entgegenkommendster  Weise 
unterstützt  wurden.  — FF 


sind.  So  sind  schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  undichte 
Fehlstellen  des  Bremer  Werkes  so  gedichtet  worden,  dass 
ift  den  Umfassungen  das  Mauerwerk  durch  Anwendung 
sehr  guter  Mauersteine  und  Klinker  in  Zementmörtel  i : 2, 
die  Sohle  aber  durch  Asphalt  undurchlässig  gemacht  wurde. 

• Die  neuen  Filter  wurden  zunächstmit  einer  durchgehen- 
den Betonsohle  u.gemauertenUrafassungswändenkonstruirt, 
die  in  der  Eiszone  Klinkerverblendung  erhalten  sollten. 
Von  dem  ursprünglichen  Bauplane  wurde  jedoch  aufgrund 
eines  Angebotes  der  Firma  Aktien-Gesellschaft  für 
Betonbau  Diss  & Co.  in  Düsseldorf,  in  einigen  Punkten 
abgewichen,  weil  die  darin  vorgesehene  Bauweise  der 
Umfassungen  bei  sehr  viel  geringeren  Baukosten  gleiche 
Sicherheit  gegen  die  Eisbeanspruchung  versprach.  — Die 
Filterbecken  sind  45“  lang,  26,80“  breit,  haben  an  den 
Umfassungen  2,80“,  im  übrigen  eine  grösste  Tiefe  von 
3,50  “.  Die  Fundamentplatte  ist  eine  flache,  nach  den  Um- 
fassungen hin  hochgezogene  Schale  von  60  Dicke  und 
entsprechender  Verstärkung  unter  den  Umfassungen;  eine 
doppelte  Eiseneinlage  von  Bandeisen  erhöht  ihre  Festig- 
keit. Die  Herstellung  erfolgte  aus  1 Th.  Zement,  i Th. 
Trass,  0,25  Th.  Fettkalk  und  14  Tti.  Kies  mit  Sand.  Durch 
einen  Asphaitestrich  von  25  ““  Dicke,  der  ringsum  in  einen 
Falz  der  Umfassung  fasst,  ist  sie  gedichtet.  Die  Masse 
der  Umfassung  besteht  aus  Beton  gleicher  Mischung  und 

' No.  57. 


ist  nach  innen  gedichtet  durch  eine  gleichzeitig  mit  dem 
groben  Beton  hochgestampfte  Verblendung  in  Mischung: 
I Th.  Zement,  r Th.  Trass  und  2 Th.  Sand.  Diese  Ver- 
blendung hat  sich  ausgezeichnet  bewährt  und  ist  bei  einem 
Bauwerk,  wie  einem  offenen  Filter,  das  allen  Witterungs- 
Einflüssen  und  vor  allem  der  Gefährdung  durch  Eis  aus- 
gesetzt ist,  einem  Putzüberzuge  vorzuziehen.  Die  Um- 
fassungen sind  oben  0,8“,  unter  Gelände  0,34  m stark,  und 
Von  hier  bis  2,80  ™ Tiefe  bildet  ihr  Querschnitt  ein  Trapez 
mit  0,95  m unterer  Breite.  Die  Verblendung  ist  3—4 
dick.  Das  Filterbecken  wird  mit  einer  Schicht  von  groben 
Steinen  von  15  cm  an  den  Umfassungen,  45  cm  an  der  tief- 
sten Stelle  gefüllt,  darüber  mit  Kies  in  drei  Korngrössen 
und  15,  13,  3 cm  Schichthöhe,  darüber  endlich  mit  1,1  bis 
1,2“  Sand.  Die  Baukosten  betragen  für  i q“  nutzbarer 
Filterfläche  einschl.  aller  Nebenarbeiten,  Apparate  und 
Rohrleitungen  etwa  50  M.  — 


Vermischtes. 

Feuersichere  Holzbalken  - Decke  von  Ph.  Esch.  Das 
Bestreben,  die  Vorzüge  der  Holzdecke  mit  der  Feuer- 
sicherheit der  Massivdecke  zu  verbinden,  hat  zu  mannich- 
fachen, Konstruktionen  geführt,  von  denen  die  einen  unter 
Beibehaltung  der  üblichen  Deeken-Konstruktion  einfach 
die  Holzschalung  durch  feuersichere  Platten  ersetzen, 
während  die  anderen  die  ganzen  Balkenfache  nach  Art 
der  amerikanischen  Decken  mit  Hohlkörpern  aus  ge- 
branntem Thon,  Zement,  Gips  und  anderen  Materialien 
ausfüllen.  Zu  der  letzteren  Gattung  gehört  die  Decke 
D.  R.-P.  110794 

des  Archit.  Ph.  i--- ^ --  - - - 

Esch  in  Frank-  ' .!  . i 

furt  a.  M.,  diesich 

inSüddeutschland  : 

bereits  einiger 
Verbreitung  erfreut  und  den 
Vorzug  der  Einfachheit  und 
raschen  Herstellungbei  guter 
Versteifung  der  Deckenbal- 
ken besitzt.  Die  fast  quadra- 
tischen Hohiplattenkörper, 
die  in  den  beistehenden  Ab- 
bildungen dargesteiit  sind, 
werden  aus  Gips  oder  Ze- 
ment mit  Beimischung  von 
Kohlenschlacken,  Bimssand 
u.  dgl.  in  Formen  hergestellt, 
die  sich  für  jede  Balkenweite  leicht  verstellen  lassen.  Die 
Platten  verkleiden  mit  ihren  seitlichen  Ansätzen  die  Balken 
noch  3—4  cm  stark  von  unten  und  reichen  fast  bis  zu  deren 
Oberkante.  Die  Querfugen  sind  hakenförmig  ausgebildet, 
sodass  also  durchgehende  Querfugen  vermieden  sind  Die 
Befestigung  erfolgt  in  einfacher  Weise  durch  Nagelung 
unmittelbar  an  den  Deckenbalken.  Die  durch  Nagellöcher 
geschwächten  Stellen  der  Platten  werden  dabei  durch  ein- 
gelegte 2™“  starke  Drähte  verstärkt.  Für  die  seitlichen 
Nägel  sind  in  den  Hohlkörpern  Löcher  ausgespart,  die 
nach  der  Befestigung  durch  Deckstücke  geschlossen  wer- 
den. Die  fertige  Decke  bedarf  nur  eines  dünnen  unteren 
Mörtelüberzuges,  es  kommt  also,  wenn  die  Hohlkörper 
vorher  genügend  ausgetrocknet  sind,  nur  wenig  Feuchtig- 
keit in  die  Decke,  was  auch  als  ein  Vorzug  zu  betrachten 
ist.  Das  Gewicht  der  Decke  stellt  sich  mit  Rücksicht  auf 
die  Hohlräume  verhältnissmässig  niedrig.  Die  Kosten 
sollen  nach  Angabe  der  Firma  diejenigen  einer  einfachen 
gestakten  Decke  nicht  überschreiten.  — 

Deutsche  Städteausstellung  1903  in  Dresden.  Von  den 
eingeladenen  158  deutschen  Städten  haben  128  ihre  Be- 
theiligung zuges.agt,  von  welchen  82  auf  240Q  q“  Tisch-  und 
Boden-  und  6000  q“  Wandfläche  etwa  6000  Ausstellungs- 
Gegenstände  der  mannigfachsten  Art  ausstellen  werden, 
wozu  der  im  Dresdener  Ausstellungspalaste  vorhandene 
Raum  nicht  ausreicht,  so  dass  verschiedene  Gruppen,  wie 
Gas,  Wasser  und  Elektrizität,  in  besonderen  Pavillons 
Unterkommen  finden  müssen.  Besonders  glanzvoll  werden 
u.  a.  auch  die  von  den  Städten  gepflegte  und  geförderte 
Kunst  und  das  Kunstgewerbe  vertreten  sein,  und  zwar 
nicht  nur  inbezug  auf  die  Gegenstände,  sondern  auch  hin- 
sichtlich der  ganzen  Anordnung.  Auch  die  zumtheil  in 
grossen  Interimshallen  und  zumtheil  im  Freien  unterzu- 
bringende gewerbliche  Abtheilung  der  Ausstellung  wird 
sehr  umfangreich  werden.  Sonderausstellungen  werden 
u.  a.  veranstaltet  für  Gas,  Wasser  und  Elektrizität,  soweit 
sie  inbezug  zu  den  Städten  stehen,  für  die  Sicherheits-Poli- 
zei, für  das  Samariterwesen,  für  Beseitigung  der  Rauch-  und 
Russbelästigung,  für  den  Gärtnereibetrieb  in  Dresden  und 
Umgebung,  inbezug  auf  städtische  Park-  und  Gartenanlagen 
und  als  interessante  Ausstellungs-Gegenstände  sind  zuge- 

16.  Juli  J902. 


lassen  worden  ein  im  Durchmesser  30“  (?DieRed.)  grosses 
Gipsmodell  der  Ringparkanlage  zu  Würzburg,  ein  kleines 
Krematorium  der  deutschen  Vereine  für  Feuerbestattung,, 
eine  Anlage  der  Münchener  Aktien-Gesellschaft  für  Haus- 
müli-Verbrennung,  eine  gleislose  elektrische  Bahn  im  Be- 
triebe und  anderes  mehr.  — Die  feierliche  Eröffnung  der 
Ausstellung,  zu  welcher  auf  Anregung  des  Reichskanzlers 
auch  die  Städte  Rom,  Madrid,  Paris,  London,  Brüssel, 
Haag,  Kopenhagen,  Stockholm,  Ghristiania,  Petersburg, 
Moskau,  Budapest,  Wien,  New-York,  Washington  und 
Philadelphia  eingeladen  werden  sollen,  findet  am.  20.  Mai 
1903  statt.  Mit  der  Ausstellung  ist  die  Veranstaltung  eines 
deutschen  Städtetages  in  der  zweiten  Septemberwoche 
1903  auf  Einladung  der  Stadt  Dresden  in  Verbindung  mit 
den  Vorständen  des  preussischen  und  des  bayerischen 
Städtetages  geplant;  es  soll  ausser  einem  Vortrage  über 
die  Ergebnisse  der  Deutschen  Städteausstellung  das  Thema 
„Die  sozialen  Aufgaben  der  deutschen  Städte“  mit  Ober- 
Bürgermstr.  Dr.  Adickes-Frankfurt  a.  M.  als  Referenten 
und  Ob.-Bürgermstr.  Beutler-Dresden  als  Korreferenten 
behandelt  werden.  — 

Der  Ausbau  der  Meissner  Domthürme.  Aus  Meissen 
wird  berichtet,  dass  die  Arbeiten  zum  Ausbau  der  Meissner 
Domthürme  Anfang  Juli  mit  Untersuchungen  über  die 
Gründungsverhältnisse  des  Domes  begonnen  , hätten.  Es 
wird  ferner  eine  Erklärung  bekannt,  welche  in  letzter 
Stunde  von  einer  grösseren  Anzahl  namhafter  sächsischer 
Künstler  und  Kunstgelehrter  gegen  den  vom  jDorabauverein 
gewählten  Entwurf  Schäfers  erlassen  wurde.  Unter  der  Er- 
klärung stehen  die  Namen  Ferd.  Avenarius,  K.  B erling, 
Dr.  J.  Erbstein,  Dr.  Ermisch,  Felician  Gess,  Jul. 
Gräbner,  B.  Gross,  Corn.  Gurlitt,  O.  Gussmann, 
Gotth.  Kuehl,  Max  Lehrs,  W.  Lossow,  H.  Prell, 
Rüge,  Fr.  Schumacher,  P.  Schumann,  von  Seidlitz, 
J.  Sponsel,  Stern,  Treu,  Weissbach  undWoermann. 
Die  Erklärung  lautet  nach  den  Tagesblättern:  „Der  Meissner 
Dom  wird  durch  das  Aufbauen  neuer  hoher  Thürme  auf  die 
Westfront  an  künstlerischem  Werthe  nicht  gewinnen,  an 
geschichtlicher  Bedeutung  jedoch  verlieren.“  Vielleicht 
darf  man  vermuthen,  dass  die  Fassung  dieser  Erklärung 
auf  einem  Kompromiss  beruht,  denn  in  ihrem  zweiten 
Theile  nähert  sie  sich  etwas  der  von  uns  S.  356  erwähn- 
ten Auffassung  der  „Pastoralblätter“,  die  den  baukünst- 
lerischen. Wünschen  nicht  entsprechen  dürfte.  Vielleicht 
aber  auch  darf  man  den  Nachdruck  auf  die  Worte  „neuer 
hoher  Thürme“  legen.  Wir  haben  bereits  unserer  Auf- 
fassung dahin  Ausdruck  gegeben,  dass  ein  Aufbau  der 
Thürme  mit  zwei  Spitzen  uns  nicht  als  erwünscht  erscheine, 
dass  aber  eine  dreispitzige  Anlage  wohl  eine  künstlerische 
Bereicherung  des  Dombildes  und  des  Gruppenbildes  des 
Schlosshügels  werden  könnte.  Man  hofft  nun  auch  König 
Georg  für  die  Angelegenheit  interessiren  zu  können,  da  be- 
kannt wurde,  dass  .er  in  einem  früheren  Stadium  derselben 
persönlich  Stellung  zu  ihr  genommen  hatte.  Ferner  verlautet, 
die  sächsische  Regierung  habe  , auf  den  Einspruch  der 
Künstlerschaft  hin  eine  nochmalige  Prüfung  der  Entwürfe 
beantragt.  — , 

Jubiläums-Stiftung  der  deutschen  Industrie.  In  seiner 
Sitzung  vom  28.  Juni  d.  J.  hat  das  Kuratorium  über  nicht 
weniger  als  42  Anträge  auf  Bewilligung  von  Mitteln  aus 
der  Stiftung  zu  entscheiden  gehabt.  Es  wurden  bewilligt 
Hrn.  Geh.  Reg.-Rath.  Prof.  Dr.  Slaby,  Berlin,  in  Aner- 
kennung seiner  hohen  Verdienste  um  die  wissenschaft- 
liche und  praktische  Durchführung  der  Funkentelegraphie 
zur  Fortsetzung  seiner  Versuche  20000  M.,  ferner  Hrn. 
Prof.  Dr.  von  Linde,  München,  behufs  Einleitung  und 
Anstellung  der  für  die  gesammte  Technik  so  wichtigen 
Versuche  über  die  Ausfluss  - Erscheinungen  von  Gasen, 
Dämpfen  und  von  erhitzten  Flüssigkeiten  10000  M.  Ausser- 
dem wurden  noch  einige  kleinere  Beträge,  insgesammt 
49  400  M.  ausgeworfen. 

Zur  Beurtheilung  über  die  Berücksichtigung  von  An- 
trägen hat  das  Kuratorium  Leitsätze  aufgestellt,  nach  denen 
■im  allgemeinen  verfahren  werden  soll.  Darunter  ist  her- 
vorzuheben, dass  Anträge,  bei  denen  die  wirthschaftlichen 
Interessen  von  Erfindern  im  Vordergründe  stehen  und 
Aufgaben,  die  vom  Staate  oder  von  Gemeinden  zu  lösen 
wären,  nur  ausnahmsweise  Berücksichtigung  finden  sollen. 
Geldbewilligungen  können  im  übrigen  nur  an  bestimmte 
Personen  und  auf  einen  nach  allen  Richtungen  hin  klaren 
Antrag  erfolgen.  — 

Bestimmung  der  Auflagerplatten  eines  Freiträgers.  In 
der  Dtschn.  Bztg.  No.  50  vom  21.  Juni  d.  J.  veröffentlicht 
Hr.  Ramisch  einen  Artikel  über  die.' Auflagerung  eines 
Freiträgers.  Dieser  Gegenstand  ist  Vorjahren  von  Bach 
in  dem  Buche  „Elastizität  und  Festigkeit“  i.  Aufl. 
S.  289  u,  ff.  behandelt  worden,  und  zwar  unter  ausdrück- 
licher Betonung  des  Umstandes,  dass  die  exakte  Lösung 

-3Ö7 


auf  die  Deformalions  - Verhältnisse  der  betr.  Materialien 
Rücksicht  zu  nehmen  hätte.  Hr.  Ramisch  dürfte  also, 
selbst  wenn  seine  Ableitungen  keinen  Rechnungsfehler 
enthielten,  nicht  sagen,  dass  er  die  Drehaxe  vollständig 
bestimmt  angiebt,  wennjer  auf  die  statische  Unbestimmt- 
heit keine  Rücksicht  zu  nehmen  gedenkt.  Die  Formel  des 
Hrn.  Ramisch  ist  aber  nicht  wohl  brauchbar,  denn  aus  der 

Gleichung  — ^ ^ folgt  nicht,  dass  — = — ist, 

sondern,  dass  — = - — ist,  wo  mit  l/tol  der  Absolut- 
a + IfrsI 

werth  von  bezeichnet  ist.  Uebrigens  ist  es  auch  sehr 
fraglich,  ob  das  Gewicht  des  Mauerwerkes  so  eingeführt 
werden  darf,  wie  Hr.  Ramisch  es  thut,  denn  der  Mauer- 
werks-Streifen  über  dem  Träger  wird  mit  dem  übrigen 
Mauerwerk  im  Verband  sein,  sich  also  auf  alle  Fälle  in 
dem  vorderen  Theile  der  Einspannung  freitragen  können, 
im.  hinteren  Theile  aber  wird  ein  weit  breiterer  Streifen  mit 
seinem  Gewichte  dem  betr.  Auflagerdrucke  entgegenwirken. 

Karlsruhe,  den  22.  Juni  1902.  Kriemler. 

Volks wlrthschaftll che  Preisfragen  beabsichtigt  dem 
Vernehmen  nach  die  bayerische  Staatseisenbahn  - Ver- 
waltung alljährlich  ihren  jungen  Beamten  zu  stellen,  um 
so  ihre  Eisenbahn- Assessoren  zu  wissenschaftlicher  Arbeit 
auf  diesem  Gebiete  anzuregen.  Zur  Förderung  der  Sache 
sollen  an  die  Verfasser  |der  besten  Arbeiten  Geldpreise 
vertheilt  werden  und  ausserdem  sollen  sie  auch  bei  der 
Beförderung  noch  entsprechend  berücksichtigt  werden. 
Gegenstand  der  Bearbeitdng  werden  wichtige  volkswirth- 
schafthche  Fragen  aus  dem'  Gebiete  des  Eisenbahnwesens 
sein,  die  nach  der  Richtung  der  ingenieur-  und  betriebs- 
technischen, verkehrspolitischen  und  finanz-wirthschaft- 
lichen  Seite  zu  bearbeiten  sind.  Die  Prüfung  der  einge- 
laufenen Arbeiten  soll  einem  fünfgliedrigen  Ausschüsse 
übertragen  werden.  Diese  Einrichtung  ist  als  eine  zeit- 
gemässe  mit  Freuden  zu  begrüssen  sowohl  im  Interesse 
der  Fortbildung  der  jungen  Beamten  und  nicht  zuletzt  im 
Interesse  der  Verwaltung  selbst.  — — r. 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  um  Skizzen  für  einen  Erweiterungs- 
und Umbau  des  Ständehauses  In  Kassel  schreibt  der  Landes- 
hauptmann in  Hessen  unter  den  Architekten  deutscher 
Reichsangehörigkeit  aus,  die  innerhalb  der  Provinz  Hessen- 
Nassau  ihren  Wohnsitz  haben,  und  zwar  zum  15.  Noy.  d.  J. 
Abends  6 Uhr.  3 Preise  von  2000,  1200  und  800  M.,  ver- 
theilt ein  Preisgericht,  dem  als  Arch.  angehören  die  Hrn. 
Reg.-  und  Brth.  Bohnstedt,  Stadtbrth.  Höpfner  und 
Landesbrth.  Stiehl,  sämmtliehnn  Kassel.  Unterlagen  für 

3 M.,  welche  nach  Einsendung  eines  Entwurfes  zurückver- 
gutet  werden,  durch  den  Landeshauptmann  in  Kassel.  — 

In  einem  engeren  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine 
evangelische  Kirche  in  Duisburg -Neudorf,  zu  welchem 

4 Architekten  eingeladen  waren,  errang  der  Entwurf  des 
Hrn.  Prof.-  Friedr.  Ratzel  in  Karlsruhe  Sieg  und  Aus- 
führung. Als  Preisrichter  war  Hr.  Prof.  Friedrich  von 
Thiersch  aus  München  berufen.  — 


Personal-Nacbrichten. 

Preussen.  Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  der 
ihnen  verliehenen  fremdländ.  Orden  ist  ertheilt  und  zwar:  dem 
Geh.  Postrath  Z o p f f in  Dresden  der  Krone  zum  Kitterkreuz  I.  Kl. 
des  kgl.  sächs.  Albrechts-Ordens ; dem  Eisenb.-Dir.  Mackensen  in 
Magdeburg  der  Ritterinsignien  I.  Kl.  des  Herz,  anhalt.  Hausordens 
Albrechts  des  Bären;  dem  Eisenb.-Bau- u.  Betr.-Insp.  Schröder 
in  Magdeburg-N.  des  Ritterkreuzes  II.  Kl.  des  herz,  braunschweig. 
Ordens  Heinrichs  des  Löwen. 

Versetzt  sind:  Der  Kr.-Bauinsp.  Brth.  W 0 11  e n h a up  t von 
Neumarkt  nach  Glatz,  der  Wasser-Bauinsp.  Brth.  R a d e b o I d von 
Neuhaus  nach  Rendsburg,  der  Kr.-Bauinsp.  Runge  von  Obornik 
nach  Stolp,  die  Wasser-Bauinsp.  Abraham  von  Harburg  nach 
Neuhaus  a.  O.,  Sandmann  von  Wittenberge  nach  Steinau  a.  O. 
und  J o s ep  h von  Stettin  nach  Königsberg,  der  Landbauinsp.  Süss- 
apfel von  Kleve  als  Kr.-Bauinsp.  hach  Obornik. 

Dem  Landbauinsp.  Ludwig  in  Berlin  ist  die  Kr.-Bauinsp.- 
Stelle  Berlin  III  übertragen. 

Ernannt  sind  die  Reg.-Bmstr. : Schierer  in  Brandenburg  u. 
V.  Winterfeld  in  Schlochau  zu  Kr.-Bauinsp. ; Steinickein 
Danzig  und  Dr.-Ing.  Muthesius  in  London  zu  Landbauinsp.; 
Brauer  in  Breslau , Hentrich  in  Krefeld  und  Strauss  in 
Pillau  zu  Wasser-Bauinsp. 

Die  Reg.-Bfhr.  Walter  Schuffenhauer  aus  Zehlendorf, 
Theod.  Wille  aus  Schleswig,  Reinh.  Stöcke  aus  Heldrungen, 
Ed.  Jüngerich  aus  Verviers,  Aug.  Ritz  aus  Meiningen  und 
Theod.  Hamacher  aus  Beckum  (Hochbfch.),  — Gg.  B en  th  i e n 
aus  Kolberg  (Wasserbfch.),  — Gust.  Lindstädt  aus  Stettin,  Karl 
Rust  aus  Aerzen  und  Frz.  Koepke  aus  Kuhz  (Wasser-  u. 
Strassenbfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Der  Brth.  Schötensack  in  Danzig  ist  gestorben. 

Württemberg.  Der  Reg.-Bmstr.  Sigel  in  Gmünd  ist  zum 
Techn.  Bür.  der  Minist-Abth.  f.  den  Strassen-  u.  Wasserbau  versetzt. 

368 


Brief-  und  Fragekasten. 

Stadtbauamt  in  Sch.  Die  Anlage  von  Bürgersteigen  ist  nur 
dort  eine  Pflicht  der  dahinter  liegenden  Grundbesitzer,  wo  es  durch 
Ortsrecht  oder  Herkommen  begründet  ist.  Im  allgemeinen  ist  sie 
ein  Theil  der  Wegebaupflicht,  welch’  letztere  der  Gemeinde  obzu- 
liegen pflegt.  Diese  darf  nach  dem  Baufluchtengesetz  vom  2.  Juli 
^^75  § durch  Ortsstatut  die  anliegenden  Grundbesitzer  zu  Bei- 
trägen für  die  Anlage  der  Wege  verpflichten,  also  Erstattung  ihres 
eigenen  Aufwandes  von  denselben  sich  verschaffen.  Weil  die 
Bürgersteige  einen  Bestandtheil  der  Wege  bilden,  erstreckt  sich 
die  Beitrags-  und  Erstattungspflicht  auf  die  Kosten  für  den  ausge- 
führten Bürgersteig.  Die  Wegepolizei  darf  nur  dort  unmittelbar 
von  den  Anliegern  gemäss  des  Zuständigkeits-Gesetzes  v.  1.  August 
i883_  § 56  die  Herstellung  des  Bürgersteiges  fordern,  und  sie  somit 
zu  eigenem  Aufwand  zwingen,  wo  die  Unterhaltung  der  Bürger- 
steige eine  herkömmliche  oder  ortsrechtliche  Last  der  Anlieger 
bildet.  Mithin  ist  der  Fall  schwer  denkbar,  dass  die  Gemeinde 
kraft  des  Anliegerrechtes  dazu  kommen  wird,  besonderen  Aufwand 
für  die  Einrichtung  von  Bürgersteigen  zu  machen  und  dessen 
Erstattung  zu  verlangen.  Meist  wird  dieser  Aufwand  vielmehr 
in  dem  Gesammtaufwande  für  die  Anlage  der  Strassen  liegen. 
Sollte  jedoch  der  Fall  eintreten,  dass  die  Gemeinde  lediglich  Auf- 
wand für  BürgersteigS:Anlage  hatte  und  ihn  durch  Umlage  an  die 
Anlieger  aufzubringen  hat,  so  handelt  es  sich  um  Erfüllung  eines 
Theiles  der  Anliegerlast.  Er  hat  dann  die  Rechtsnatur  der  vollen 
Last  und  ist  wie  diese  dinglicher  Natur.  (Man  sehe  hierüber; 
Germershausen  Wegerecht,  2.  Aufl.  Bd.  I.  S.  457.)  Weil  die  An- 
sprüche auf  Entrichtung  der  öffentlichen  Lasten  des  Grundstückes 
wegen  der  laufenden  und  der  aus  den  letzten  zwei  Jahren  rück- 
ständigen. Beträge  nach  dem  Zwangsversteigerungs  • Gesetz  vom 
24.  März  1897  § 1°  No-  3 i™  Range  den  Hypotheken  Vorgehen, 
kann  es  einem  begründeten  Bedenken  nicht  unterliegen,  dass  die 
Anliegerbeiträge  dies  gleichfalls  thun,  sofern  nicht  etwa  mit  ihrer 
Beitreibung  länger  als  zwei  Jahre  gezögert  wurde.  Denn  dann 
würden  sie  erst  den  7.  Rang  erhalten  und  damit  den  Hypotheken 
nachstehen.  Zu  einem  Reichsgerichts-Urtheil  ist  es  bei  der  kurzen 
Geltungsdauer  des  erst  mit  dem  i.  Jan.  1900  in  Kraft  getretenen 
Gesetzes  v.  24.  März  1897  noch  nicht  gekommen.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  K.  B.  J.  Es  istzuzugeben,  dassin  Gebieten  mit  offener 
Bauweise  Eckgrundstücke  im  Vergleich  zu  Reihengrundstückeii 
weniger  werthvoll  .sind  als  da,  wo  geschlossene  Bauweise  statt- 
findet. Immerhin  gemessen  Sie  auch  in  jenen  oft  noch  baupolizei- 
liche Vortheile,  z.  B.  den,  dass  der  bebaubare  Flächentheil  und  die 
zulässige  Höhe  des  Eckgebäudes  grösser,  die  Hofgrösse  aber  ge- 
ringer sein  kann  als  bei  Reihengebäuden.  Und  immer  haben  Eck- 
grundstücke die  Vortheile  besserer  Beleuchtung  und  Zugänglich- 
keit, sowie  freierer  Gestaltung  in  der  Grundrissanordnung  der 
darauf  zu  errichtenden  Gebäude.  Daher  erscheint  uns  die  Heran- 
ziehung derselben  zu  den  Strassenkosteu  in  der  ganzen  Lange,  mit 
welcher  das  Eckgrundstück  die  Strasse  berührt,  im  allgemeinen 
wohl  berechtigt,  wenngleich  Fälle  denkbar  sind,  in  welchen  die 
grössere  Last  durch  die  Vortheile  nicht  aufgewogen  wird, 

Es  war  uns  interessant  zu  erfahren,  dass  in  dortiger  Stadt 
bisher  die  ortsstatutarische  Vorschrift  galt,  dass  Eckgrundstücke 
zu  den  Strassenbaukosten  nur  für  diejenige  Strasse  herangezogen 
werden,  nach  welcher  sie  einen  Ausgang  haben.  Wir  bezweifeln 
aber,  dass  in  einem  Streitverfahren  diese  Bestimmung  als  rechts- 
giltig  anerkannt  worden  wäre.  Denn  wenn  die  Gemeinde  ein 
Ortsstatut  erlässt,  in  welchem  die  Tragung  der  Strassenbaukosten 
durch  die  Anlieger  ausgesprochen  wird  (Abs.  r im  § 15  des  Ges. 
V.  2.  Juli  1875),  so,  kann  nach  der  positiven  Vorschrift  im  Abs.  2 
des  genannten  Gesetzes  der  Maasstab  für  die  Vertheilung  nur  die 
Länge  sein,  mit  welcher  ein  Grundstück  — also  auch  ein  Eckgrund- 
stück — die  Strasse  berührt.  Wir  vermuthen,  dass  aus  dieser 
Erkenntniss  heraus  der  Gedanke,  das  dortige  Ortsstatut  abzuändern, 
entstanden  ist,  und  glauben  nicht,  dass  ein  Statut,  welches  eine 
mit  dem  § 15  Abs.  2 des  gen.  Gesetzes  in  Widerspruch  stehende 
Bestimmung  über  die  Vertheilung  der  Strassenbaukosten  enthält, 
die  Bestätigung  der  Aufsichtsinstanz  erhalten  würde.  — 

Hrn.  G.  P.  ln  Schwiebus.  Die  Kennzeichen,  welche  Sie 
angeben,  beweisen,  dass  das  Wasser  reich  an  Eisenhydrooxyd  ist; 
dasselbe  nimmt  beim  Stehen  an  der  Luft  Sauerstoff  auf  und  wird 
als  Oxyd  ausgefällt.  Ein  einfacheres  Verfahren  als  das  bei  grösse- 
ren Wasserwerken  bisher  vielfach  ängewendete  Verfahren  der  Ent- 
eisenung, der  Belüftung,  und  nachherigen  Filtration,  giebt  es  nicht. 
Sie  könnten  dasselbe  vielleicht  in  der  Weise  ausführen,  dass  Sie  unter 
dem  Ausguss  der  Punipe  ein  Sieb  an  bringen  und  mindestens  i m tiefer 
ein  kleines  Kiesfilter;  aus  letzterem  wird  das  Wasser  klär  ablaufen. 
Versuche,  Brunnenwasser  eisenfrei  zu  machen,  hat  man  auch  mit 
Packungen  von  Kalksteinen  gemacht,  die  man  im.  Brunnen  selbst 
oder  am  Umfange  desselben  anbrachte.  Dass  dieses  Verfahren 
immer  gute  Ergebnisse  liefert,  bezweifeln  wir;  es  ist  bei  einem 
Rohrbrunnen  auch  kaum  ausführbar.  — 

Hrn.  Arch.  P.  G.  in  Al  Für  die  Errichtung  einer  Baubude 
sind  lediglich  die  ortspolizeilichen  Vorschriften  maassgebend.  Wir 
vermögen  deshalb  nicht  einzusehen,  was  eine  allgemeine  Aussprache 
an  den  bereits  an  Sie  ergangenen  gerichtlichen  Entscheidungen 
ändern  könnte.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Giebt  es  Leichenhallen,  welche  nicht  mit  einer  an  das  Känal- 
netz  der  Stadt  angeschlossenen  Be-  und  Entwässerung  versehen 
sind?  H.  in  M. 


Inhalt:  Die  neuen  Münchener  Friedhöfe  (Fortsetzuog).  — Vom  IX. 
internationalen  Schiffahrts-Kongress  in  Düsseldorf  (Schluss).  — Mitthei- 
lungen aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbevrerbungen.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekästen. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die'  Redaktion 
verantwojlL  Albert  Hofmann,  Berlin.,  Druck  von  Wilh.  Greve,. Berlin. 

No.  57. 


Der  Einsturz  des  Campanile  von  San  Marco  in  Venedig. 

Ansicht  der  dem  G i o c k e n t h u r m e vorgelagerten  Loggietta  des  Sansovino. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  58. 
DEN  ig.  JULI  1902.  * 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine. 

Programm  der  XXXI.  Abgeordneten-Versammlung  in  Augsburg. 

Freitag,  den  29.  August. 

Ankunft  der  Abgeordneten.  Auskunftsstelle  auf  dem  Bahnhofe. 

8 Uhr  Abends.  Zwangloses  Zusammensein  mit  Damen  im  Gartensaale  der  Gesellschaft 

Sonnabend,  den  30.  August. 

9 Uhr  Vorm.  Beginn  der  Verhandlungen  im  Landrathssaale  des  kgl.  Regierungs -Gebäudes  (vergl.  die 

Tagesordnung  in  No.  52  der  „Dtschn.  Bauztg.“) 

1—3  Uhr  Mitt.  Mittagspause.  Mittagessen  nach  Wahl. 

3 Uhr  Nachm.  Fortsetzung  und  Schluss  der  Verhandlungen. 

8 Uhr  Abends.  Gemeinsames  Abendessen  im  Gasthof  „Zu  den  drei  Mohren“ 


Sonntag,  den  31.  August. 

rtu  tr  Feststellung  des  Protokolls.  Ort  und  Zeit  wird  noch  bestimmt. 

Hl  Vemeinsamer  Ausflug.  Abfahrt  mit  Spnderzug  nach  Landsberg  am  Lech. 

74a  Uhr  Abds.  Ankunft  m Augsburg.  (Daran  anschliessend  Begrüssung  der  Theilnehmer  der  Wander- 
Versammlung.  Vergl.  das  Programm  in  No.  52  der  „Dtschn.  Bauztg.) 


Schluss  der  Abgeordneten-Versammlung, 

Vereine,  welche  ihre  Abgeordneten  noch  nicht  genannt  bezw.  sich  noch 
nicht  übCT  ihre  Betheiligung  geäussert  haben,  werden  ergebenst  ersucht,  dies  schleunigst  thun  zu  wollen 
Ano-nct  hlÖci  n werden  gebeten  sich  möglichst  umgehend,  spätestens  aber  bis  Anfang 

August  hinsichtlich  der  Unterkunft  unmittelbar  an  Hrn.  städt.  Ingenieur  Niederreiter,  Stadtbauamt  Aues- 
burg  wenden  zu  wollen.  Das  ausführliche  Programm  wird  den  Hrn.  Abgeordneten  zusammen  mit  der 
1 heilnehmerliste  spater  direkt  zugesandt. 

Dresden  - Berlin,  im  Juli  1902. 

Der  Verbands-Vorstand:  Waldow.  F.  Eiselen. 


369 


Die  statische  Berechnung  des  Normalyiaduktes  der  Berliner  elektrischen  Hochbahn. 


1^1  eher  den  Bau  und  die  Konstruktionen  der  elektrischen 
i^l  Hoch-  und  Untergrundbahn  in  Berlin  von  Siemens 
& Halske  ist  in  technischen  Zeitschriften  bereits 
mehrfach  mehr  oder  weniger  ausführlich  berichtet  worden, 
ohne  dass  jedoch  auf  die  statischen  Berechnungen  der 
Bauwerke  eingegangen  worden  wäre.  Und  doch  bieten 
auch  die  statischen  Berechnungen  für  den  Bauingenieur 
manches  Interessante  und  Lehrreiche.  Ganz  besonders 
dürfte  dies  bei  dem  Normalviadukte  der  Hochbahn,  von 
dessen  verschiedenen  Arten  rd.  4 ^®  ausgeführt  sind,  der 
Fall  sein,  da  es  sich  hierbei  um  eine  mehrfach  statisch 
unbestimmte  Trägerform  handelt,  die  von  derFirmaSiemens 
& Halske  eigens  zu  diesem  Zwecke  konstruirt  worden  ist^ 
und  in  ihrem  statischen  Verhalten  vorher  noch  unbekannt 
war.  Nachfolgend  soll  nun  zuerst  die  Berechnungsweise, 
wie  sie  ursprünglich  im  Konstruktions-Bureau  der  Hoch- 
bahn angewandt  worden  ist,  kurz  berührt  und  dann  eine 
neue  Art  der  Berechnung,  die  .ebenfalls  im  genannten 
Bureau,  und  zwar  vom  Ing.  Vianello,  gefunden  wurde, 
eingehend  erläutert  vyerden. 

Der  Normalviadukt  der  Berliner  Hochbahn  besteht 
aus  einer  Reihe  eiserner  Fachwerkträger,  bei  denen 
Kragträger  und  einfache  Balkenträger  abwechsein.  Die 

Abbüdg.  I. 


eigenthümliche  Ausbildung  der  Kragträger  zeigt  Abbildg.  i. 
^Die  stark  gezeichneten  Stabe  ZJ«,  V2,  U3  und  S sind  steif 
■mit  einander  verbunden  und  zur  Aufnahme  von  Biegungs- 
moraenten  befähigt.  Das  System  besitzt  4 überzählige 
Stäbe,  nämlich  D.y  und  D3,  D.2  und  D^'  und  2 feste,  ge- 
lenkartig ausgebildete  Auflager;  es  ist  mithin  innerlich 
4-fach,  äusserlich  einfach,  imganzeh  also  5-fach  statisch 
unbestimmt. 

Ursprünglich  sind  nun  auch  die  nach  diesem  System 
iaijsgebildeten  Kragträger,  und  zwar  für  5 verschiedene 
iälützweiten  von  12.0,' 16,5,  21,0,  25,16  (Unterführung  der 
;Möekernstrasse)  und  15,0m  (normale  Haltestellen),  als  5-fach 
:.statisch  unbestimmte  Systeme  nach  der  Methode  der 
ijleinsteii  Formänderungsarbeit  berechnet  worden,  wobei 
•äer  Horizontalschub  H arri  Auflager  und  die  Spannkräfte 
der  überzähligen  Stäbe  als  statisch  unbestimmte  Grössen 


Abbildg.  2. 


X^,  X^,  Xc,  X^  und  Xg  angenommen  wurden.  In  Abbildg.  2 
ist  das  statisch  bestimmte  Hauptsystem  dargestellt. 

Nach  der  allgemein  üblichen  Bezeichnungs  art  erhält  man 
die  Spannkräfte,  Momente  und  Normalkräfte  in  der  Form: 

5 = ^0+ 

M =■  Mq  + X^  + Xjj  + X^.  + X^  -f-  Xg  Mg 

N=  + -1-  Xj 

Unter  Vernachlässigung  des  äusserst  geringen  Ein- 
flusses der  Normalkräfte  erhält  man  dann  für  jede  mögliche 
Laststellung  5 Gleichungen  von  der  Form: 

2jM,  M,  X. 


rechnet  werden;  alle  übrigen  Ausdrücke  brauchen  nur 
einmal  gerechnet  zu  werden. 

Man  erhält  also  eine  grosse  Anzahl  Gruppen  von  je 
5 Gleichungen.  Die  zahlenmässige  Berechnung  wird  imrner- 
hin  noch  etwas  einfacher,  als  es  nach  obigem  scheinen 
mag..  Einmal  wird  eine  grosse  Anzahl  von  Gliedern  zu 
Null;  sodann  entsprechen  sich,  wegen  der  Symmetrie  des 
Systems,  und  Xg  und  Xg.  Schliesslich  ist  der  Ein- 
fluss einer  Last  P zwischen  den  Stützen  proportional  den 
an  den  Stützen  entstehenden  Auflagerdrücken.  Durch 
Eintragung  der  gefundenen  Einzelwerthe  in  passend  ge- 
staltete Tabellen  kann  auch  die  Uebersichtlichkeit  noch 
gewahrt  werden.  Trotzdem  bleibt  die  vollständige  Durch- 
führung einer  solchen  Berechnung  eine  uogeheure  Arbeit, 
die  yon  einem  einzelnen  Ingenieur  wegen  der  vielen 
möglichen  Rechenfehler  nicht  bewältigt  werden  kann. 
Sind  aber  Rechenfehler  gemacht  worden,  so  kann  man 
das  nur  selten  den  Rechnungs-Ergebnissen  sofort  ansehen. 
Auch  lässt  sich  der  Einfluss  von  Ungenauigkeiten  in  den 
Annahmen  und  Abkürzungen  schwer  verfolgen. 

Bei  der  Berechnung  spielen  die  Trägheitsmomente 
der  biegungsfesten  Stäbe  (Ug,  Fg,  l\,  S)  eine  grosse  Rolle; 
die  mittleren  Trägheitsmomente  dieser  Stäbe  sind  aber 
auch  schwer  einigermaassen  richtig  zu  schätzen.  Es  wird 
sich  demnach  eine  zweite  Berechnung  nach  den  aufgrund 
der  ersten  Berechnung  gewählten  Querschnitten  nicht  um- 
gehen lassen.  Umsomehr  muss  also  eine  Abkürzung  der 
Berechnung  ins  Gewicht  fallen 

Als  es  sich  darum  handelte  zu  prüfen,  ob  die  Via- 
dukte in  ihrer  ursprünglichen  Ausführungsform  auch  für 
eine  für  später  in  Aussicht  genommene  erheblich  ver- 
grösserte  Verkehrslast  genügen  würden,  wurde  das  Be- 
dürfniss  besonders  stark  fühlbar,  auch  für  solche  Träger,  die 
als  Abarten  des  Normaiyiaduktes  unter  Weglassung  eines 
Feldes  oder  Veränderung  der  Feldweite  ansgeführt  und 
daher  nur  überschläglich  berechnet  waren,  -schnell  zuver- 
lässige Berechnungen  aüfzustelien.  Ing.  Vianello  hat  sich 
dann  das  Verdienst  erworben,  eine  Berechnungsart  an- 
gegeben zu  haben,  die  an  Kürze,  Uebersichtlichkeit  und 
Zuverlässigkeit  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.  Im  Ein- 
verständniss  mit  genanntem  Herrn,  der  selber  hierzu  leider 
keine  Zeit  gefunden  hat,  sei  dieselbe  hier  an  einem  Beir 
spiele  erläutert,  wozu  wir  den  bereits  oben  skizzirten 
Träger  von  15,0  m Stützweite  wählen,  der  als  Abart  des 
normalen  16,5  ® = Kragträgers  konstruirt  worden  ist  und 
an  mehreren  schiefen  Strassenkreuzungen  in  der  Gitschiner. 
Strasse  Anwendung  gefunden  hat, 

I.  System  und  Annahme  für  die  Berechnung. 

In  Abbildg.  3 sind  sämmtliche  Systemmaasse  in 
sowie  die  für  die  Berechnung  benutzten  Winkelfunktionen 

Abbildg.  3.  • S 


angegeben.  — Der  Berechnung  werden  folgende  Quer- 
schnitte zugrunde  gelegt: 

Sämmtliche  Stäbe  0,  F— 100  qcm ; = Ui,  F=  150  qcm  ■ 


+ X,SS^  S,  S,  ^+X,2S,  8, 

+ x^:s8,s,-^=o. 

Die  4 übrigen  Gleichungen  erhält  man,  indem  man 
für  das  in  jedem  Summenausdruck  an  erster  Stelle 
stehende  bezw.  die  Werthe  Ifj,  und  S^,  Mg  und 
S„  usw.  der  Reihe  nach  einsetzt. 

Die  Werthe  Mq  und  Sq  sind  von  der  Laststellung  ab- 
hängig und  müssen  daher  für  jede  Laststellung  neu  be- 


f/ß  = ZJß  — U7,  P’ = 90 '5'="' ; A = A.  65 

Die  Querschnitte  von  ü^,  Us,  Fg  und  S werden  unend- 
lich gross  angenommen,  d.  h.  die  Normalkräfte  werden 
vernachlässigt.  Hiernach  berechnen  sich  die  Längen- 
änderungen jener  Stäbe  für  eine  Stabkraft  S = 1^,  wenn 
der  Elastizitätsmodul  E — i gesetzt  wird: 

J0  = ^ = I,5™;  /<i7i  = ^;74  = — = locm;  Jir  JU 

100  ’O  ’ i ^ 150  ’ ’ ° 

= JU7  = — = 1,7  cm;  JD.  — JBfi  = ^ = 2,6  cm. 

'90  . 65  ’ 

Die  wirksame  Länge  der  Stäbe  Dg  und  D3  ist  wegen 
der  grossen  Anschluss-Knotenbleche  kleiner  als  die  System- 
länge angenommen. 

Für  eine  Kraft  m = i ‘ an  den  Stabenden  von  U2,  Uz, 
Fg  und  S,  senkrecht  zur  Stabrichtung  wirkend  (vergl. 


No.  58. 


370 


Abbildung  4)  wurden  zeichnerisch  die  Durchbiegungen 
ermittelt  zu  fJJi~  fJJ^  = 79,4 

fy,  = 577,7  ; fS  = 55,5  ““  für 


Abbildg. 


E=l. 

Dieselben  entsprechen  mittleren 
Trägheitsmomenten  von  40000  bezw. 

12000  bezw.  125000 

II.  Gang  der  Berechnung. 

Die  Spannkräfte  der  Diagonalen 
D21  D3,  l)^,  D%  und  der  Horizontal- 
schub  H werden  als  die  statisch  un- 
bestimmten Grössen  eingeführt. 

Da  bei  den  Belastungszuständen 
7)2=1, 1)3=1,  £>3'=!  die  Fach- 

werkstäbe des  statisch  bestimmten 
Hauptsystemsspannungslosbleibenundnur  in  den  biegungs- 
festen Stäben  (Stützengliedern)  V%  und  Normalkräfte 
und  Querkräfte  (Biegungsmomente)  entstehen,  und  da  der 
Träger  vollständig  symmetrisch  ist,  kann  man  die  beiden 
Stützenscheiben , bestehend  aus  den  Scheiben  Z7g  I73  Fg, 
T>-i  und  Dg  bezw.  den  entsprechenden  Stäben  der 
rechten  Seite  von  dem  übrigen  System  getrennt  behandeln. 

Wir  untersuchen  daher  die  Formänderung  der  Scheiben 
für  die  beiden  Belastungszustände:  i.  Horizontalschub 
2.  Last  P im  Knoten  und  Last  Q im  Knoten 
30,  und  erhalten  hieraus  die  gesuchten  Kräfte  (Spann- 
kräfte von  Dj  und  Dg,  Normal-  und  Querkräfte  der  übrigen 
Stäbe  der  Scheibe)  als  Funktionen  der  Grössen  FT,  P und 
Q.  Die  Einflüsse  aller  anderen  Laststellungen  lassen  sich, 
wie  gezeigt  werden  wird,  aus  obigen  Belastungszuständen 
leicht  ableiteh  und  man  ist,  falls  S bekannt  ist,  imstande, 
die  Einflusslinien  für  diese  Stäbe  zu  zeichnen. 

Zur  Bestimmung  des  Horizontalschubes  H wird  für 
den  Zustand  IT=i  die  Biegungslinie  der  oberen  Gurtung 
durch  Rechnung  aus  den  Winkeländerungen  bestimmt. 
Bei  diesem  Belastungszustande  nähern  sich  die  Stützen- 
füsse  um  das  Maass  d,  das  sich  gleichfalls  leicht  aus  den 
Winkeländerungen  und  den  Durchbiegungen  von  Fg  und 
S errechnen  lässt.  Dividirt  man  die  Ordinalen  der  Biegungs- 
linie des  Obergurtes  durch  cf,  so  erhält  man  nach  bekanntem 
Satze  die  Einflusslinie  für  den  Horizontalschub  S,  und  da- 
mit sind  sämmtliche  statische  Unbestimmtheiten  beseitigt. 

Als  Maasseinheiten  dienen  die  Tonne  (‘)  und  das 
Centimeter  (<^®). 


III.  Untersuchung  der  Stützenscheibe. 

I.  Erster  Belastungsfall,  JI-=iK  Denken  wir 
uns  nach  Anbringung  einer  Horizontalkraft  11=  am 
Auflager  die  linke  Stützen- 
scheibe aus  dem  Systeme  her- 
ausgeschnitten und  die  bis- 
herigen Anschlusstäbe  durch 
Auflager  ersetzt,  so  erhalten 
wir  das  in  Abbildg.  5 dar- 
gestellte  Belastungsbild.  Die 
Stäbe  Dg  und  D3  werden  be- 
seitigt und  durch  die  Kräfte 
X und  y,  welche  bei  positivem 
Vorzeichen  Zugkräfte  sein 
sollen,  ersetzt  gedacht.  Bei 
E = 1 erleiden  dann  die  Stäbe 
Ug,  Z7g  und  Fg  folgende  Durch- 
biegungen ; 

£ Da  = 79,4  X cos  = 79,074  X, 
f Db  = 79,4  ( Fcos  9 + 4,4  cos  y)  = 79,074  ¥ + 247,036, 
f ¥2  = 577,7  [(X— X)  cos  4+  3,4]  = 443,801  {¥—X)+  1964,18. 

Die  Projektionen  dieser  Durchbiegungen  auf  die  Rich- 
tungen X und  y sind: 
f Ug  cos  (fl  = 78,749  X, 
i Dg  cos  (f  = 78,749  Y 246,02t, 
f Fg  cos  d = 340,937  (F—  X)  + 1508,922. 

Die  Elastizitäts-Gleichungen  drücken  nun  die  Bedingung 
aus,  dass  die  Längenänderungen  der  Stäbe  Dg  und  Dg  in- 
folge der  Kräfte  X und  Y gleich  den  Aenderungen  der 
Entfernungen  ihrer  System  - Endpunkte  infolge  obiger 
Durchbiegungen  sind,  und  lauten  demnach: 

I.  2,6  X = — 78,749  X -b  340,937  (T—  X)  + 1508,922, 

II.  2,6  Y=  —78,349  T— 246,021— 340, 937(r—X)— 1508,922. 

Hieraus:  X=  + 0,626,  T=  — 3,650,  oder  allgemein: 
X= +0,626 ff,  7= —3,650 ff. 

Die  Biegungsmomente , in  der  Entfernung  = i vom 
Stabende,  sind: 

MÜ2  = X cos  ?)  = + 0,6234  ff, 

Al  Dg  = — Y cos  (f  — 4,4  cos  y ff  ==  + 0,5237  ff, 
jjf  Fg  = (7—  X)  cos  tf  -f  3,4  . ff  = + 0,1151  ff. 


Abbildg.  5. 


Die  Normalkräfte  sind: 
ff  Dg  = — X sin  y = — 0,0567  ff, 
ff  Dg  = — 7 sin  — 4,4  sin  v II  2,7808  ff, 

Fg  = - ( 7 + X)  sin  J'=  + 1,9359  -H". 

Als  Probe  auf  die  Richtigkeit  kann  man  die  Summe 
der  Momente  der  3 Stäbe  Dg,  Dg,  Fg  für  die  Einspannungs- 
stelle bilden: 

2 M = 212,132  (0,6234  + 0,5237)  + 275 . 0,1151  = 274,989  ‘cm 
Statt  275,0  tcm,  wie  es  das  Gleichgewicht  mit  dem  in  durch 
ff=i  hervorgerufenen  Momente  verlangt. 

Eine  weitere  Probe  kann  man  durch  Zusammensetzen 
der  iothrechten  Komponenten  der  Normal-  und  Querkräfte 
an  dem  Schnittpunkte  der  4 Stäbe  Dg,  Dg,  Fg  und  S machen. 
Die  Summe  dieser  Kräfte  muss  natürlich  gleich  Null  sein. 
2.  Zweiter  Belastungsfall,  P im  Knoten  i,  Q im 


Abbildg.  7. 


Knoten  3 (vergl.  Abbildg.  6). 

Bei  5^  entsteht  eine  Auf- 
lagerkraft ^ — -P  + ^ Q- 

Denken  wir  uns  die  linke 
Scheibe  wiederum  herausge- 
schnitten, so  erhalten  wir  das 
Belastungsbild  Abbildg.  7. 
Der  Rechnungsgang  ist  nun 
ganz  genau  entsprechend 
dem  bei  dem  ersten  Be- 
lastungsfall. 

Die  Durchbiegungen  der 
Stäbe  sind: 


f Dg  = 79,4  (X  cos  (p  — Pcos  y)  = 79,074  X—  56,145  P, 
f Dg  = 79,4  [Fcosf/)  + 1,08  (P-0  siny  — (o,iP+  0,9  (J  cos y] 
= 79,074  Y + 55,022  P — 111,166  Q, 
f ^2-^577,7  [(£'— X)  cos<>4-  i,o8(P— Q)J 

---443,801  (r-X)  + 623, 916  (P— 5). 

Die  Projektionen  dieser  Durchbiegungen  auf  den 
Richtungen  von  X und  Y sind: 
f Dg  cos  f =-■  78,749  X — 55,914  P, 
f Dg  cos  (f  — 78,749  7 + 54,795  P — 110,709  Q, 
f FgCoscf  = 340,937(y— X)  + 479,305  ~ 0- 

Die  Elastizitäts-Gleichungen  lauten  dann: 

I.  2,6  X = — 78,749  X + 55,914  p + 340,937  (5^—  X) 

+ 479.305  (-P— Q), 

II.  2,6  7=  — 78,749  K — 54,705  -P  + 110,709  Q 

— 340,937  ( 7 — X)  — 479,305  ( P — ^)  • 

Hieraus : X = + 0,707  P — 0,020  Q, 

7 = — 0,604  P + 1,381  Q- 

Die  Momente  in  der  Entfernung  i vom  Stabende 
sind  dann: 

if  Dg=  —0,00262  p —0,01999  Q, 

Mü^=  — 0,00222  P + 0,02475  Q, 

M Fg  = + 0,00369  (P  — Q). 

Die  Normalkräfte  sind: 

ff  Dg  = — 0,77116  P + 0,00182  Q, 
ff  Dg  =:  — 0,77159  P 0,00224  Ql 
ff  Fg  = — 0,00881  P — 0,87 124  Q. 

Auch  hier  wird  man  zur  Prüfung  der  Richtigkeit  der 
Rechnung  die  beim  ersten  Belastungsfall  angegebenen 
Proben  machen. 

3.  Andere  Belastungsf alle, 
a)  Lasten  Q zwischen  den  Stützen. 

Es  ist  ohne  Weiteres  einleuchtend,  dass  der  Einfluss 
der  Last  Q unmittelbar  proportional  dem  durch  Q an.  der 
Stütze  erzeugten  AuÜagerdruck  ist.  Beispielsweise  wäre 
bei  der  Belastung  Q im  Knoten  4. 

^ = 0,8  ^ und 

X — — 0,020  . — D=  CO  — 0,018  Q, 

0,9 

p=  + 1,38+^  §=+ 1,228 


19.  Juli  1902. 


37^ 


b)  Last  P im  Knotenpunkt  o. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Last  P,  deren  Einfluss 
bei  Verschiebung  auf  dem  Kragarme  durchaus  nicht  pro- 
portional ihrer  Entfernung  von  der  Stutze  bleibt.  Rückt 
nämlich  P nach  links,  so  entstehen  in  den  bisher  spannungs- 
losen Stäben  0^  und  Ui  gleichfalls  Spannkräfte,  die  als  neu 
hinzukoramendes  Kräftepaar  an  der  Stützenscheibe  an- 

Abbildg.  8a.  Abbildg.  8b. 


greifen.  FürPo=i^  erhalten  wir  die  in  Abbildg.  8a  dar- 
gestellte Belastung;  diese  können  wir  uns  aus  den  in  Ab- 
bildg. 8b  u.  c dargestellten  Belastungen  zusammengesetzt 
denken.  Die  Werthe  für  den  Fall  Abbildg.  8b  erhält  man, 
wenn  man  in  den  allgemeinen  Formeln  2Pstatt  Pschreibt; 
die  Werthe  für  den  Fall  Abbildg.  8c  erhält  man,  wenn 
man  sich  die  Abbildg.  umgeklappt  denkt,  also  ZJg  und  Z7g, 
Dg  und  Dg  mit  einander  vertauscht,  und  nun  in  den  Formeln 
für  die  vertauschten  Stäbe  — P statt  0,9  Q,  also  — i,iiip 
statt  Q schreibt. 

Beispielsweise  erhält  man  für  die  Diagonale  D3: 

Dg  = ~ 0,694  ■2  Pq  — 0,020.  — I,III  Po  = 1,366  Pq. 

Bei  den  Momenten  hat  man  hierbei  besonders  genau 
auf  die  Anwendung  des  richtigen  Vorzeichens  zu  achten. 


Die  Ordinaten  der  diesen  Drehungen  entsprechenden 
Biegungslinie  lassen  sich,  von  der  Mitte  ausgehend,  leicht 
berechnen,  wie  folgt: 

Y^  = o, 

Fß  = 0,0448 . 150  — 6,72  cm, 

F5  = (0,0448 . 3 -t-  0,0649)  150  29,90 

F4  :=  (0,0448 . 6 + 0,0649 . 3)  150  = 69,53 

Fg“  (0,0448 . IO  + 0,0649 .6)  150=  125,61 
F2=(o, 0448. 14  + 0, 0649. 9 + 0, 0408  j- 
0,35  150  + 0,0539.275  =207, 92 

Fj— : (0,0448 . 18  + 0,0649  • 12  + 0,0408 . 2 + 
0,353  .2+ 0,0077).  150  + 

0,0539 -425  = 284,65  cm. 

Oder  für  = 

— 76,73-  •23=  + 82,3I,  3'4=I38,39, 
^5=  178,02,  ^Tß  — 201,20,  ^17  = 207,92  cm. 
Infolge  der  Kraft  H’=  i nähern  sich 
die  Stützenfüsse  um  das  Maass  cT.  Das- 
selbe setzt  sich  zusammen  erstens  aus 
dem  Antheil  der  Winkeländerungen, 
zweitens  aus  der  Durchbiegung  von 
■ S (f5=55.5cm)  und  schliesslich  aus  dem 
Einfluss  der  Durchbiegung  von  Die 
Durchbiegung  von  ist  schon  durch  die 
Längenänderung  von  Dg  berücksichtigt.  Wir  erhalten: 

tl=i=  2 1^0,0448 . 4 . 430  + 0,0408 . 425  + (0,064g  • 3 + 0,0352 

+ 0,0539)  550 + 555 + 577,7  • 0,1151:  ■“] = 743,8“. 

Die  Ordinaten  der  Einflusslinie  für  Ff  erhält  man 
dann  zu  also 

7^  — — 0,103,  ’Za^o,  >?3=  + o,iii,  7/4  = + 0,186, 

^5=  + 0,240,  7(J=  + 0,270,  77  = 0,20. 

Die  weitere  Fortsetzung  der  D”- Linie  am  Kragarme 
kann  man  genügend  genau  als  geradlinig  annehmen,  also 
7o  = 2 . 7i  = — 0,206.  In  Abbildg.  II  ist  die  D-Linie  ge- 


IV.  Berechnung  der  Einflusslinie  für  den 
Horinzontalschub  £T. 

Bei  der  Belastung  5”=  i hat  man  die  in  Abbildg.  9 
eingeschriebenen  Spannkräfte;  die  Kräfte  der  Stäbe  Fg  und 
D4  werden  als  unwesenthch  vernachlässigt.  Unter  Berück- 
sichtigung der  durch  diese  Spannkräfte  bei  E — i ent- 
stehenden Längenänderungen  erhält  man  die  in  Abb.  10 

eingeschriebenen  Winkeländerungen,  nämlich  J&  = — . 

(Auf  die  Verwendung  des  Schnittpunktes  von  Dg  mit  dem 
Obergurt  als  idealem  Drehpunkt  wird  aufmerksam  ge- 
macht). Durch  die  Winkeländerungen  erleiden  die  Ober- 
gurtstäbe bestimmte  Drehungen. 


Abbildg.  9. 


Der  Einsturz  des  Campanile  von  San  Marco 

in  Venedig.  (Hierzu  die  Abbildungen  S.  369  und  373.) 
igraim  Vormittag  des  14.  Juli  ist  in  Venedig  der  Glocken- 
thurm  von  San  Marco  in  sich  zusammengestürzt, 
|W»,a|  Ereigniss,  welches  die  Anadyomene  der  Adria 
und  Italien  mit  tiefster  Trauer  erfüllt  und  die  gesammte 
gesittete  Welt  schmerzliche  Theilnahme  für  den  schweren 
Verlust  an  den  Kunstschätzen  Venedigs  empfinden  lässt. 
Aus  den  sich  zumtheil  widersprechenden  Nachrichten  über 
die  kurze  Vorgeschichte  des  Einsturzes  führen  wir  an, 
dass  bereits  am  9.  Juli  oberhalb  der  Loggia  des  Thurmes 
ein  Sprung  bemerkt  und  infolge  dieser  Wahrnehmung 
durch  den  leitenden  technischen  Beamten  der  Basilika 
Pietro  Saccardo  Vorsichtsmaassregeln  angeordnet  wurden. 
Schon  am  folgenden  Tage  zeigte  der  Riss  eine  Erweite- 
rung, die  beständig  zunahm,  sodass  zur  Untersuchung  des 
Bauwerkes  durch  eine  Kommission  geschritten  werden 
musste.  Diese  Untersuchung  der  Ingenieur-Kommission 
der  Provinz  Venedig  fand  am  13.  Juli  statt;  der  Ausspruch 
der  Kommission  war,  wie  verlautet,  eine  Gefahr  sei  nicht 
zu  befürchten.  Als  sich  aber  am  frühen  Morgen  des 
14.  Juli  eine  abermalige  Erweiterung  des  Risses  des  Mauer- 
werkes zeigte,  hielt  man  es  doch  für  gerathen,  Absperrungs- 
maassregeln  vorzunehmen,  Maassregeln,  die  leider  durch 
das  gegen  10  Uhr  Morgens  eingetretene  Ereigniss  eine 
verhängnissvolle  Rechtfertigung  erhalten  haben. 

Um  diese  Zeit  stürzte  der  Thurm  in  sich  derart  zu- 
sammen, dass  die  untere  Hälfte  des  Bauwerkes  barst, 
stetig  auseinanderging  und  die  obere  Hälfte  in  sich  auf- 
nahm, sodass  ein  in  sich  gehäufter  Trümmerhaufen  von 
30  m Höhe  entstand.  Diese  Höhe  der  Trümmer  lässt  sich  nur 
erklären,  wenn  man  annimmt,  dass  der  untere  Theil  des 


Thurmes  noch  aufrecht  steht.  Diese  zentrale  Art  des  Ein- 
sturzes war  auch  die  Ursache,  dass  das  Unglück  nicht  den 
Umfang  annahm,  welchen  es  bei  der  unmittelbaren  Nachbar- 
schaft der  Basilika,  des  Dogenpalastes  und  des  königlichen 
Palastes  sowie  der  Bibliothek  hätte  annehmen  können. 
Gleichwohl  ist  der  Verlust  einer  der  schwersten,  welchen 
die  historische  Kunst  je  erfahren  hat,  denn  die  Trümmer 
des  Thurmes  zerschmetterten  die  ihm  vorgelagerte  Loggietta 
des  Sansovino,  brachen  in  die  benachbarte  Ecke  des  königl. 
Palastes  ein  und  beschädigten  auf  10  ® Läng  e die  alte  Libreria. 

Unter  den  Glockenthürmen  Italiens,  die  italienischem 
Brauch  zufolge  losgelöst  vom  Gotteshause  für  sich  da- 
stehen, war  der  von  San  Marco  weder  der  interessanteste, 
noch  der  künstlerisch  bedeutendste;  die  Glockenthürme 
von  Pisa  und  Florenz,  ja  selbst  die  Glockenthürme  von 
Pistoja,  Sta.  Maria  in  Cosmedin  in  Rom  und  zahlreiche 
andere  sind  architektonisch  vielleicht  interessanter,  wenn 
auch  nicht  eindrucksvoller.  Denn  das  gewaltige  Anwachsen 
des  Thurmes  von  San  Marco  in  einem  Zuge  und  ohne 
Unterbrechung  bis  zur  Loggia  übte  auf  den  Beschauer 
einen  überwältigenden  Eindruck  aus,  weil  ihm  durch  die 
schlichte  und  straffe  Art  der  architektonischen  Gliederung 
der  Maasstab  für  die  Beurtheilung  der  Grössenverhältnisse 
am  Thurme  selbst  verloren  ging.  Der  Thurm  stieg  bis  zur 
Höhe  von  rd.  ggm  an;  der  geschlossene  Baukörper  ent- 
wickelte sich  bis  zu  einer  Höhe  von  54  ihn  krönte  die,  9 

hohe  Loggia,  auf  dieser  erhob  sich  die  9,6“  hohe  Attika, 
welche  die  Basis  bildete  für  die  22,5  m hohe  Pyramide  mit 
dem  sie  krönenden  3,5“  hohen  vergoldeten  Engel.  Die  un- 
tere Seite  des  quadratischen  Thurmes  wird  mit  12,8  an- 
gegeben, ein  Maass,  welches  sich  bis  zur  Loggia  um  i “ 
verringerte.  Begründet  wurde  der  Thurm  von  dem  Dogen 
Pietro  Tribuno  888,  1178  wurde  er  vollendet.  Jedoch  1400 

No.  58. 


372 


uer  L-ampanüe  von  San  Marco  in  Venedig. 


f lieimgesucht  und  1489  zerstörte  der  Bütz  die  alte  Glockenstube. 

n ^ Bartolommeo  ßuon  den  Auftrag,  das  Obergeschoss  in  istrischem  Kalkstein 
zu  erstellen,  1514  war  der  Auftrag  vollendet  und  seit  1517  krönte  der  Engel  die  Spitze. 

Die  in  kleinem  Maasstabe  gehaltene,  mit  einer  verschwenderischen  Fülle  'von  Bild- 
werken ausgestattete  Loggietta  wurde  der  Ostseite  des  Thurmes  gegen  San  Marco  im 
d».  vorgelagert  Die  Kopfabbildung  dieser  Nummer  giebt 

SL®  .■  ^ anmuthlgen  Bauwerkes  wieder.  Da  der  Campanile  fast  unmittelbar  an  die 
Bibliothek  sich  anschliesst,  so  kann  es  selbst  bei  der 
df/s^er  überraschen,  wenn  Theile 

dieser  kostbaren  Bauten  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurden,  Vielleicht  darf  man  hoffen 
dass  von  der  Loggieua  wenn  auch  nicht  die  Architektur,  so  doch  wenigstens  das  BLdwerk 
und  namentlich  die  herrlichen  Bronzegitter,  die  Antonio  Gai  1750  goss,  nicht  so  be- 
schädigt sind,  dass  sie  nicht  wieder  hergestellt  worden  könnten 

WäSr  Einsturzes  gehen  die  Ansichten  noch  sehr  auseinander. 

r 1 ot  “ n"  E'üWirküfgun  der  Ausläufer  des  dalmatinischen  Erdbebens 

zurückführen  woUen,  imU  man  andererseits  in  dem  Architekten  Pietro  Saccardo  den 
Schuldigen  sehen,  welcher  den  Plan  gehabt  haben  soU,  im  Thurme  einen  Aufzug  anzulegen 
und,  wie  man  sagt,  zu  diesem  Zwecke  die  Mauern  angriff.  Indessen  es  sind  aUe  dilse 
Vermuthungen  mit  Vorsicht  aufzunehmen.  Der  Architekt  Fabiani  hat  die  Empfindung 
a^usgesprochen,  dass  überhaupt  vtele  Backsteinbauten  in  Venedig  sich  langsam  eine? 
Epoche  nähern,  die  ihre  Altersgrenze  darstellt.«  Otto  Wagner  in  Wien  befürchtet  den 
Untergang  von  ganz  Venedig,  da  der  Unterbau  der  Stadt  morsch  und  faul  geworden  sei. 

Es  liegt  nun  auf  der  Hand,  dass  der  nächste  Gedanke,  nachdem  man  Überhaupt  wieder 
zi^  Besinnung  gekommen  war,  der  war,  den  Thurm  und  die  Loggietta  wieder  aufzurichten. 
Hierzu  sind  schon  so  reiche  Geldmittel  geflossen,  dass  man  diese  Absicht  als  die  der  All- 
gemeinheit  bezeichnen  darf.  Und  doch  hat  es  nicht  an  Stimmen  gefehlt,  welche  der  Meinung 
sind  dass  der  Markusplatz  ohne  den  Thurm  nur  gewinnen  könne  und  dass  ohne  ihn  das 
herrliche  Portal  des  Dogeupalastes  zu  besserer  Wirkung  käme.  Indessen  die  Bedeutung 
des  Campantle  lag  nicht  m erster  Linie  in  seiner  architektonischen  Gestaltung,  sondern 
in  dem  eigenartigen  Bilde,  welches  der  Markusplatz  und  die  Piazetta  mit  ihm  lewährten 
Dieses  historische  Bild  wieder  herzustellen  ist  möglich  und  erwünscht  und  ist  vom  Rathe 
von  Venedig  auch  einstimmig  beschlossen  worden.  Hier  spielen  andere  Fragen  mit  als 
Erwägungen  über  den  Werth  von  Bauwerken  als  Dokumenten.  — ® 


19  Juli  1902. 


373 


Ausstellungs-Pavillon  der  kgl.  Eisenbahn-Direktionen  Koin-Elberfeld-Essen.  Entworfen  im  kgl.  preuss.  Ministeriuni  der  öffenll.  Arb. 
Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldori  1902, 


zeichnet  für  den  Krfifte-Maasstab  it  = 5o“>n>  mid  Längen- 
Maasstab  1:150. 

Abbüdg.  IO. 


^ 


Hiermit  sind  sämmtlicbe  statisch  unbestimmte  Grössen 
ermittelt  und  es  bleibt  nur  noch  


V.  'Die  Bestimmung  des  Temperaturschubs 
Ist  die  Aenderung  der  Stützweite  des  statisch  be- 
stimmten Haupfsystems  infolge  einer  Temperaturänderung, 
die  Aenderung  infolge  einer  Kraft  IT =-i,  so  ist  bekanntlich: 
JL 

■ 

Jl^  = e .l.t,  wo  ( der  Wärmeausdehnungs  - Koeffizient 
— Gels.,  l = 1500  c™,  ^ = ± 4o*>  Gels., 


= 743iS2  demnach 
2000 


1500  • 0,4 

800 


743.82 


= 00  ±1,5 1. 


E 


Das  angegebene  Verfahren  zeigt,  wie  durch  passende 
Zerlegung  eines  Systems  und  Trennung  der  statisch  un- 
bestimmten Grössen  eine  ungemeine  Vereinfachung  der 
Berechnung  erzielt  werden  kann,  und  wirkt  vielleicht  in 
dieser  Richtung  anregend.  — 

Herrn.  Kuckuck,  Ing. 


Ueber  Luxfer-Prismen  und  deren  Anwendung  im  Bauwesen. 


er  Architekt  wird  öfter  in  die  Lage  versetzt  werden, 
nach  Hilfsmitteln  zu  suchen,  die  es  ihm  gestatten, 
Räumen  auf  künstliche  Weise  Tageslicht  zuzuführen, 
welchewegen  ihrerTiefe  oder  wegen  dicht  davor  stehender 
Mauern  auf  gewöhnlichem  Wege  von  dem  durch  die 
Lichtöffnungen  einfallenden  Tageslicht  nicht  ausreichend 
erhellt  werden  können.  Ein  sehr  geeignetes  Mittel  hier- 
zu ist  die  Anwendung  von  Luxfer-Prismen  (die  von  dem 
deutschen  Luxfer-Prismen-Syndikat,  G.  ra.  b.  H.,  Berlin 
S.,  vertrieben  werden),  die  unmittelbar,  wie  gewöhn- 


liche Fenster  oder  Oberlichte  in  die  Lichtöffnungen  selbst 
eingesetzt,  oder  als  geneigte  Flächen  (Marquisen)  vor  oder 
hinter  den  Lichtöffnungen  angebracht  werden. 

Die  Wirkungsweise  der  Luxfer-Prismen  beruht  auf 
dem  einfachen  Gedanken,  dass  ein  Lichtstrahl,  der  ein 
Prisma  passirt,  in  seiner  Richtung  abgelenkt  wird,  dass  man 
also  infolgedessen  noch  Strahlen  unter  flachem  Neigungs- 
winkel bis  tief  in  einen  Raum  hineinführen  kann,  welche 
durch  die  Lichtöffntmg  in  einem  solchen  Winkel  einfallen, 
dass  sie  an  sich  nur  einen  kleinen  Theil  des  Raumes  er- 

No.  58. 


374 


hellen  würden.  Je  nach  dem  Raume,  den  man  zu  er- 
hellen hat  und  je  nach  dem  Einfallswinkel  der  Lichtstrahlen 
wird  man  einen  anderen  Prismenwinkel  wählen  müssen, 
um  den  Zweck  voll  zu  erreichen. 

In  der  praktischen  Anwendung  tritt  anstelle  eines 
grossen  Prismas  ein  zusammengesetztes,  das  nun  eine 
.sägeförmige  Fläche  aufweist,  vgl.  Alibildg.  ly  in  seiner 
Wirkung  aber  dem  einheitlichen  Prisma  nahe  kommt.  Um 
den  verschiedensten  Fällen  gerecht  werden  zu  können, 
werden  solche  Prismen  mit  30  verschiedenen  Winkeln  ge- 
fertigt. Durch  ein  einfaches  Verfahren  ist  für  jeden  Em- 
zelfall  die  zweckmässigste  Form  bestimmbar.  Die  Prismen- 
tafeln bestehen  aus  weissem  Kry.stallglas  von  joo  zu  100 


mauern  zugelassen.  Derartig  raontirte,  also  gebrauchs- 
fertige Luxfer-Prismen-Scheiben  kosten  für  i q®  85  M. 

Für  Waarenkeiler,  Fabriken,  Krankenhäuser,  Gewächs- 
häuser usw.,  wo  es  nicht  auf  konzentrirte  Beleuchtung  be- 
stimmter Arbeitsplätze,  sondern  nur  auf  gleichmässige  Er- 
hellung ankommt,  kann  statt  der  Prismen  in  Tafeln  von 
80  zu  150 c“  gewalztes  Glas  verwendet  werden,  das  wie 
gewöhnliche  Fensterscheiben  eingesetzt  wird.  Der  Preis 
dieser  Verglasung  stellt  sich  natürlich  erheblich  niedriger, 
als  derjenigeder  einzeln  hergestellten  und  gefasstenPrismen. 

Wie  schon  hervorgehobeu  wurde,  werden  diese  Scheiben 
entweder  unmittelbar  in  die  Lichtöffnungen  eingesetzt,  oder 
als  geneigte  Marquisen  benutzt.  Ein  Beispiel  für  letztere 


Abbildg.  3.  Licht-Marquise. 


Abbildg.  4.  Prismatische^Luxfer-Krystallglas- Fliese. 
(Untere  Ansicht)  ^ 


Abbildg.  7.  Keller-Oberlicht  mit 
Unter-Marquise. 


Abbild^.  6. 
Luxfer-Multiprisma. 


Abbildg.  9. 

Elektro- 

Verglasung. 


Fläche,  4—8  ““  Stärke.  Die  Aussenfläche  ist  glatt  bezw. 
flach  gemustert,  dielnnenfläche  enthält  zoRauten  in  Prismen- 
form. Diese  Platten  werden  nach  Art  des  Elektroglases 
gefasst,  d.  h.  sie  werden  durch  i ““  starke  Kupferstreifen 
getrennt,  auf  welchen  sich  dann  im  galvanischen  Bade 
halbrunde,  3 breite  Wulste  aufsetzen,  die  eine  ausser- 
ordentlich feste  Fassung  erzielen  (Abbildg.  2)  und  solche 
Scheiben,  wie  durch  Brandversuche  und  Brandfälle  nach- 
gewiesen ist,  auch  ge^n  Feuer  ausserordentlich  wider- 
standsfähig machen.  Derartig  gefasstes  Glas  wird  von 
den  Baupolizeibehörden  als  feuersicher  anerkannt.  Elektro- 
glasflächen  (wobei  ausschliesslich  die  Fassungsart  das  Ent- 
scheidende ist)  werden  in  Berlin  zum  Verschluss  kleiner 
Oeffnungen  und  in  Bayern  bis  zu  0,5  q®  Grösse  in  Brand- 


Anwendung  ist  in  Abb.  3 dargestellt.  Es  ist  dies  ein  Fall, 
bei  welchem  an  schmalen  Strassen  oder  Höfen  ausreichende 
Beleuchtung  erzielt  werden  soll.  Bei  Läden  usw.  erfüllen 
diese  Marquisen  zugleich  den  Zweck  eines  Regenschutz- 
daches. Derartige  geneigte  Flächen  sind  ausserdem  na- 
mentlich unter  den  Oberlichten  tieferer  Keller  als  sog. 
Untermarquisen  oft  mit  Vortheil  zu  verwenden. 

Für  die  Abdeckung  von  Kellerlichten  werden  Luxfer- 
Prismen  in  verschiedener  Form  und  Stärke,  je  nachdem 
die  Flächen  nur  begehbar  oder  auch  befahrbar  sein  sollen, 
in  gusseisernen  Rahmen  gefasst,  hergestellt.  Es  kommen 
zur  Anwendung  sogen.  Glasfiiesen,  Abbildg.  4,  Prismen- 
Fliesen,  Abbildg.  5,  und  Multiprismen,  Abbildg.  6 (so  ge- 
nannt, weil  die  Seitenflächen  wieder  vielfach  prismatisch 


19.  Juli  1902. 


375 


gezahnt  sind).  Diese  Materialien  werden  in  Grössen  von 
63 . 6o . 20  bis  360 . 360 . 35  mni  hergestellt.  In  Rahmen  ge- 
fasst stellt  sich  ihr  Preis,  auf  50—85  M.  Das  Glas  wird  in 
den  Rahmen  in  Zementmörtel  eingesetzt.  Die  Multiprismen 
eignen  sich  besonders  für  begehbare  und  befahrbare  Ober- 
lichte. Die  einfallenden  Strahlen  werden  meist  unter  einem 
Winkel  von  35  ^ gegen  die  Wagrechte  abgeleitet.  Die 
Glasfliesen,  welche  eine  fassettenartige  Unterfläche  zeigen, 
zerstreuen  das  von  oben  einfallende  Licht  wenig  und 
eignen  sich  in  Verbindung  mit  Untermarquisen  besonders 
zur  Beleuchtung  sehr  tiefer  Keller.  In  Abbildg.  7 ist  eine 
solche  Verbindung  dargestellt,  während  Abbildg.  8a  u.  b 
Anordnung  und  Schnitt  eines  Multiprismen  - Oberlichtes 
wiedergeben.  (In  Abbildg.  b.  sind  dabei  im  Schnitt  darge- 
stellt das  eine  Mal  Prismen  und  Rahmen  mit  glatter  Ober- 
fläche, das  andere  Mal  mit  Ausbuckelungen  versehen,  um 
beim  Begehen  einen  besseren  Halt  zu  geben.) 

Die  Leistungsfähigkeit  der  Luxfer-Prismen  selbst  bei 
Räumen  sehr  grosser  Tiefe  ist  verschiedentlich  durch 


Vermischtes. 

Die  Halle  des  deutschen  Sängerbundesfestes  ln  Graz, 
welches  in  den  Tagen  vom  26. — 30.  Juli  d.  J.  abgehalten 
wird,  gehört  zu  den  grössten  Anlagen  dieser  Art,  denn 
sie  soll  Raum  bieten  für  7500  Sänger  und  8000  Zuhörer. 
Sie  besitzt  eine  Spannweite  von  50  und  eine  Länge  von 
96“;  ihre  Höhe  beträgt  21,5“.  54  Ausgänge  führen  un- 
mittelbar ins  Freie  und  gewährleisten  die  Sicherheit  der 
grossen  Besucherzahl.  Das  Gebäude  wurde  nach  den 
Entwürfen  der . Architekten  Brth.  F.  Siegmundt  und 
F.  Staerk  durch  Stadt-Zimmermstr.  Otte  und  Brüder 
Fekonja  errichtet.  — 

Architekten  als  Dozenten  für  Kunstgeschichte  an  tech- 
nischen Hochschulen.  Dem  Privatdozenten  für  Geschichte 
der  neueren  Baukunst  und  Stillehre  an  der  Architektur- 
Abtheilung, der  Technischen  Hochschule  in  München,  Hrn. 
Architekten  Dr.  Richard  Streiter,  wurde  der  Auftrag  er- 
theilt,  in  der  allgemeinen  Abtheilung  Vorlesungen  über 
Kunstgeschichte  des  19.  Jahrhunderts  zu  halten.  Wir  be- 
grüssen  diese  Nachricht  mit  um  so  grösserem  Interesse, 
als  sie  eine  Weiterverfolgung  des  immer  mehr  zur  Er- 
kenntniss  gelangenden  Grundsatzes  bedeutet,  dass  für  die 
Kunst-  und  Baugeschichte  an  technischen  Hochschulen, 
die  hier  von  durchaus  anderen  Gesichtspunkten  gelesen 
werden  muss  als  an  Universitäten,  historisch  gebildete 
Architekten  die  geeigneteren  Dozenten  sind.  Im 
vorliegenden  Falle  tritt  noch  hinzu,  dass  der  Technischen 
Hochschule  in  München  in  Streiter  eine  hervorragend  be- 
gabte und  unterrichtete  Kraft  gewonnen  wurde.  — 

Ehrenbezeugung.  Der  I.  Direktor  des  Germanischen 
National-Museums  in  Nürnberg,  Architekt  von  Bezold, 
wurde  aus  Anlass  der  Jubelfeier  des  Museums  von  der 
Universität  Erlangen  zum  Ehrendoktor  ernannt. — 


Preisbewerbungeh. 

Ein  Preisausschreiben  betr.  Fassaden-Eatwürfe  für  die 
neue  Landes-Verslcherungsanstalt  Westpreussen  in  Danzig 
wird  vom  Vorstand  der  Anstalt  für  in  Deutschland  an- 
sässige Architekten  erlassen.  Es  gelangen  3 Preise  von 
1000,  600  und  400  M.  zur  Vertheilung.  Dem  Preisgerichte 
gehören  u.  a.  an  die  Hrn.  Ob.-Brth.  Prof.  K.  Schäfer  in 
Karlsruhe,  Geh.  Brth.  Breidsprecher,  Reg.-  u.  Brth. 
Lehmbeck,  Stdtbrth.  Fehlhaber  und  Brth.  Ehrhardt 
in  Danzig.  Unterlagen,  „so  lange  der  Vorrath  reicht'*, 
kostenfrei  durch  den  Vorstand  der  Landes-Versicherungs- 
anstalt  Westpreussen.  — 

Der  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine  städt.  höhere 
Töchterschule  mit  Seminar  zu  Essen  a.  d.  Rhr.  wird  als 
eine  Art  Ideenwettbewerb  aufgefasst,  weshalb  die  Zeich- 
nungen 1:200  und  eine  perspektivische  Darstellung  auf 
der  Grundlage  dieses  Maasstabes  gefordert  werden.  Der 
Baustil  ist  frei;  Haustein  ist,  wenn  überhaupt,  in  nur 
ganz  bescheidenem  Umfange  zu  verwenden.  Das  Bau- 
programm ist  das  übliche.  Nicht  preisgekrönte  Entwürfe 
können  für  je  500  M.  angekauft  werden.  Die  Preissumme 
kann  auch  in  anderer,  als  der  S.  360  angegebenen  Weise 
verwendet  werden.  Eine  Zusicherung  über  die  Ausführung 
enthalten  die  Bedingungen  nicht.  Im  Preisgerichte  be- 
finden sich  u.  a.  die  Hrn.  Brth.  Schmohl  in  Essen,  Prof. 
Georg  Frentzen  in  Aachen,  Prof.  Theod.  Fischer  in 
Stuttgart  und  Prof.  E.  Beck  in  Karlsruhe.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Eberswalde.  Für  das  in  zwei 
Abschnitten  zur  Ausführung  gelangende  Rathhaus  ist 
ausschi.  der  Gründungsarbeiten  eine  Gesammt-Bausumme 
von  400000  M.  in  Aussicht  genommen.  Der  Stil  ist  frei- 
gestellt, für  die  Architekturtheile  wird  Haustein  gefordert. 

37Ö 


wissenschaftliche  V ersuche  festgestellt  worden , unter  denen 
besonders  diejenigen  des  physikalischen  Staats  - Labora- 
toriums in  Hamburg  zu  nennen  sind  (Untersuchungen h^r 
den  durch  Luxfer-Prismen- Fenster  zu  erreichenden  Hellig- 
keitsgewinn, nach  den  im  phys.  Staatslab.  i.  Hamburg  aus- 
geführten Beobachtungen  von  Dr.  J.  Classen.^'J  Aus  die- 
sen Versuchen,  bei  denen  ein  möglichst;  unmittelbarer 
Vergleich  der  mit  gewöhnlichen  Glasfenstern  und  Lux-fer- 
Prismenfenstern  zu  erzielenden  Helligkeit  angestrebt  wurde, 
geht  hervor,  dass  ihatsächlich  die  Luxfer-Prismen  den 
grössten  Theil  der  einfallenden  Lichtstrahlen  , in  die  Tiefe 
des  Raumes  ablenken.  Demzufolge  ist  in,  unmittelbarer 
Nähe  des  Fensters  die  Fiächen-Beleuchtung  etwas  geringer 
als  bei  gewöhnlichen  Glasfenstern,  fällt'dann  aber  sehr  viel 
langsamer  ab  und  stellt  sich  mit  zunehmender  Entfernung 
vom  Fenster  bedeutend  günstiger  als  bei  gewöhnlicher 
Verglasung.  Bezüglich  bestimmter  Zahlenwerthe  sei  auf 
die  oben  genannte  Schrift  verwiesen.  — 


Die  Zeichnungen  sind  i : 200,  eine  perspektivische  Dar- 
stellung auf  der  Grundlage  des  Maasstabes  i : 100  ge- 
wünscht. Zusicherungen  über  die  Bauausführung  sind 
nicht  gegeben.  Die  Preissumme  kann  auch  in  anderer 
als  der  S.  360  angegebenen  Weise  vertheilt  werden.  Ueber 
die  Rückerstattung  der  3 M.  für  die  Unterlagen  bei  unver- 
sehrter Zurücksendung  der  letzteren  oder  bei  Einiiefe- 
rung  eines  Entwurfes  ist  nichts  gesagt;  vielleicht  beruht 
die  Unterlassung  nur  auf  einem  Versehen.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Kassel.  Unter  118  Entwürfen 
errang  den  I.  Preis  von  9000  M.  der  des  Hrn.  Arch.  Karl 
Roth,  Assistent. an  der  Technischen  Hochschule  in  Darm- 
stadt. Die  beiden  II.  Preise  von  je  5000  M.  fielen  an  die 
Entwürfe  der  Hrn.  F.  Berger  und  F.  Wilde  in  Berlin 
bezw.  Cfaarlottenburg,  sowie  an  die  Hrn.  ■ J.  Kröger, 
Jürgensen  und  Bachmann  in  Wilmersdorf.  Die  beiden 
III.  Preise  von  je  3000  M.  errangen  die  Hrn.  Börnstein 
und  Kopp  in  Friedenau,  sowie  Hr.  Franz  Thyriot  in 
Köln  a.  Rh.  Die  beiden  IV.  Preise  von  je  1000  M.  ge- 
wannen die  Hrn.  Karst  & Fanghänel  in  Kassel,  sowie 
Hr.  Pritsche  in  Bielefeld:  — 


Chronik. 

Die  erste  deutsche  Kolonialbahn  vom  Küstenplatz  Swa- 
kopmund  nach  dem  Sitz  des  Gouverneurs  in  Windhoek  in 
Deutsch-Südwestafrika  ist  am  20.  Juni  d.  J.  in  ihrer  vollen  Länge 
von  380  km  eröffnet  worden.  Sie  durchschneidet  den  mittleren  und 
werthvollsten  Theil  des  Schutzgebietes,  das  zur  Viehzucht  besonders 
geeignete  Damaraland.  Der  Bau  hat  4V2  Jahre  in  Anspruch  ge- 
nommen. (Aussei'dem  besitzen  wir  noch  die  vom  Reich  nach- 
träglich übernommene , aber  noch  unfertige  Usambarababn  in 
Deutsch-Ostafrika ) — 

Die  Errichtung  eines  neuen  Ausstellungs-Gebäudes  der 
Berliner  Sezession  soll  geplant  sein;  die  Entscheidung  darüber  dürfte 
im  Frühherbst  fallen.  — 

Elektrische  Bahn  von  Brüssel  nach  Antwerpen.  Ein 
belgischer  Industrieller  hat  Pläne  für  den  Bau  einer  normalspurigen 
elektrischen  Vollbahn  von  Brüssel  nach  Antwerpen  aufgestellt.  Die 
Linie  soll  auf  Viadukten  von  7 m Höhe  gelegt  werden  und  die  Züge 
sollen  in  Abständen  von  10  zu  10  Minuten  von  einander  verkehren. 
Die  Geschwindigkeit  würde  bis  zu  120  km  in  der  Stunde  gesteigert 
werden  können.  Die  Kosten  werden  auf  etwa25Mill.Frcs.  geschätzt  — 

Wiederaufbau  der  Ordensburg  Busau  in  Mähren.  Die 
seit  i6g6  im  Eigenthum  des  Deutschen  Ritterordens  befindlichen 
Trümmer  der  Burg  Busau  in  Mähren  wurden  seit  1896  nach  den 
Plänen  von  Prof,  von  Hauberrisser  in  München  zu  einer  neuen 
Ordensburg  ausgebaut.  — 

Die  Grundsteinlegung  der  neuen  Sendlinger  Kirche  bei 
München,  die  nach  einem  Entwurf  des  Hrn.  Arch.  M.  Dosch  zur 
Ausführung  gelangt,  hat  Anfang  Juli  stattgefunden.  — 

Die  Wiederherstellung  des  Schlosses  Tirol,  zu  welcher 
das  österr.  Unterrichts-Ministerium  einen  Beitrag  von  10000  Kr. 
leistete,  ist  begonnen  worden.  — 

Für  die  künstlerische  Ausgestaltung  des  Zentral-Fried- 
hofes  In  Wien  ist  eine  Summe  von  5 Mill.  Kr.  zur  Verfügung  ge- 
stellt worden.  Es  handelt  sich  um  Gelände-Erweiterungen,  sowie 
um  die  Errichtung  einer  Begräbnisskirche  mit  Grüften  nach  dem 
preisgekrönten  Entwürfe  des  Arch.  Max  Regele,  um  die  Anlage 
eines  Arkadenhofes  mit  Columbarien,  um  zwei  grosse  Leichenhallen, 
eine  Einsegoungs- Kapelle,  sowie  um  die  Vergrösserung  vorhandener 
Verwaltungs-Gebäude.  — 


*)  Hamburg  1901.  Kommissions-Verlag  der  Verlagsanstalt  A.-G.  vorm. 
J.  F.  Richter. 

Inhalt:  Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine.  — 

Die  statische  Berechnung  des  Normalviaduktes  der  Berliner  elektrischen 
Hochbahn.  — Der  Einsturz  des  Campanile  von  San  Marco  in  Venedig.  — 
Ueber  Luxfer-Prismen  und  deren  Anwendung  im  Baugewerbe.  — Ver- 
mischtes. — Preisbewerbungen.  — Chronik. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Mittelbau  der  Haupt-Industrie- 
Halle  der  Düsseldorfer  Ausstellung. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeituug,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortL  Albert.  Ho fmänn.,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  58. 


ON  DER  .INDUSTRIE-  UND  KUNST -At 
STELLUNG  IN  DÜSSELDORF  * MITTE 
BAU  DER  HAUPT-INDUSTRIE-HALLE 
ARCHITEKT  FÜR  DIE  GESAMMTANLAC 
GEORG  THIELEN  t * ARCHITEKT  DI 
CARL  STOCK  : 

iU  DÜSSELDORF  ******** 

= DEUTSCHE  BAUZEITUNG  XXXVI.  JAHRG.  68  I 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 


XXXVI.  Jahrgang  No.  59.  Berlin,  den  23,  Juli  1902. 


Gesamnitansicht  von  der  Rheinseite. 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


IV.  Die  Ausstellungsbauten  in  künstlerischer 

Hinsicht.  (Hierzu  die  Bildbeilage  in  No.  58  und  die  Abbüdg.  S.  374) 
Von  O.  Vorlaender. 

Hchon  in  füheren  Berichten  wurde  hervorgehoben, 
dass  die  Verwaltung  der  Stadt  Düsseldorf  im  vollen 
Verständniss  des  schon  vor  einigen  Jahren  geplanten 
Ausstellungsunternehmens  und  mit  weitschauendem  Blicke 
für  die  Entwicklungsfähigkeit  und  räumliche  Ausdehnung 
ihres  von  der  Kunst  und  einer  lebhaften  Industrie  ge- 
tragenen Gemeinwesens  keine  Mühen  und  keine  Opfer 
gescheut  hat,  um  in  Verbindung  mit  grossartigen  IJfer- 
anlagen,  neuen  Schienenwegen  für  Güter  und  Personen- 
verkehr usw.  ein  Gelände  zu  schaffen,  wie  es  für  eine 
Ausstellung  mittleren  Umfanges  kaum  Übersichtlicher  und 
bequemer  gedacht  werden  kann.  An  die  Stelle  des  kleinen 
„Sicherheitshafens“  vor  dem  langgestreckten.  Kunstaka- 
demiegebäude sind  hübsche  Anlagen  getreten,  mit  einem 
eigenartigen  kleinen  Aieliergebäude  für  akademische  Frei- 
lichtstudien usw.;  gleich  dahinter  erhebt  sich  die  neue 
Rheinbrücke  mit  ihren  mächtigen  Kopfbauten  und  dem 
lebhaften  elektrischen  Wagenverkehr  nach  den  Nachbar- 
städten auf  dem  linken  Rheinufer.  Vom  Güterbahnhof 
Derendorf  im  Nordosten  der  Stadt  waren  seitens  der 
Königl.  Eisenbahnverwaltung  besondere  Schienenstränge 
nach  dem  Ausstellungsgelände  gelegt  worden  und  ebenso 
eine  Verbindung  mit  den  neuen  Halenanlagen  und  den  an 
der  Rheinwerft  errichteten  grossen  Drehkrahnen  für  das 
Ein-  und  Ausladen  der  auf  den  Wasserweg  gewiesenen 
Güter,  während  ein  besonderer  Bahnhof  mit  grossen 
Warte-  und  Einsteighallen  am  Nordende  des  Ausstellungs- 
geländes für  den  Personenverkehr  geschaffen  wurde. 

Der  Grundriss  ergiebt  annähernd  ein  langgezogenes 
Rechteck  (vergl.  den  Lageplan  in  No.  26),  auf  der  West- 
seite vom  Rheinstrom  berührt,  im  Süden  und  Osten  theil- 
weise  noch  von  dem  herrlichen  „Hofgarten“  umzogen, 
weiterhin  östlich  und  im  Norden  von  dem  wenig  höher 
gelegenen  Friedhof  begrenzt,  der  im  Vergleich  zu  dem 
ausgedehnten  grossen  städtischen  etwas  weiter  nördlich 
gelegenen  Friedhof  am  Tannenwäldchen  nur  noch  wenig 
benutzt  wird.  In  dieses  Gebiet,  das  am  besten  von  den 
oberen  Atelierfenstern  im  Westrisalit  des  königl.  Akademie- 
Gebäudes  überblickt  werden  kann,  münden  von  allen  dem 
Rhein  abgekehrten  Seiten  bequeme  Zugangsstrassen  hin- 
ein, so  zwar,  dass  von  selbst  und  noch  in  genügender 
Entfernung  eine  erwünschte  Vertheilung  des  Menschen- 
stromes geschehen  kann,  je  nachdem  die  Interessenten 
zunächst  in  das  Kunstausstellungsgebäude  im  Süden  oder 
in  die  grosse  Maschinenhalle  an  der  Krefelder  Strasse, 
oder  in  die  „Bureaux  der  Abfertigungs-Räume  für  die 
Aussteller“  an  der  Schäferstrasse  gelangen  wollen. 

Eine  weitere  angenehme  Gelegenheit,  die  Ausstellung 
zu  besuchen,  ohne  zunächst  die  Stadt  betreten  zu  müssen, 
wird  den  Vergnügungsreisenden  auf  dem  Rhein  in  diesem 
Sommer  dadurch  noch  geboten,  dass  Schiffe  der  Köln- 
Düsseldorfer  Dampfschiffabrtsgesellschaft  über  die  End- 
station Köln  hinaus  bis  an  die  Landungsstege  der  Aus- 
stellung fahren.  Andererseits  ist  durch  eine  Brücke  der 
als  Kopfstation  angelegte  oben  erwähnte  Ausstellungs- 
bahnhof von  seiner  Ostseite  aus  mit  der  dem  Ausstellungs- 
gelände parallel  gehenden  Kaiserstrasse  verbunden  worden, 
um  so  den  Verkehr  mit  der  Stadt  zu  vermitteln,  ohne 
dass  es  nöthigwäre,  das  Ausstellungsgelände  zu  betreten. 
Da  die  Rückfahrkarten  für  die  in  diesen  Bahnhof  ein- 
mündenden Sonderzüge  nicht  zur  Abfahrt  vom  Düssel- 


dorfer Hauptbahnhof  berechtigen,  den  Inhabern  aber  doch 
die  Gelegenheit  geboten  werden  sollte,  schnell  mittels 
der  elektrischen  Strassenbahn  von  der  Kaiserstrasse  aus 
die  Verbindung  mit  der  Stadt  zu  gewinnen,  war  jene 
Einrichtung  nothwendig.  Für  den  Verkehr  in  der  schönen 
Düsselstadt,  mit  ihren  breiten  modernen  Strassen,  ist 
durch  den  weiteren  Ausbau  ihres  Strassenbahnnetzes 
bestens  gesorgt. 

Als  die  Hauptzugangsstrassen  zur  Ausstellung  können 
wohl  die  neue  Rheinwerftstrasse,  die  breite  Alleestrasse 
bis  zum  Ratinger  Thor  und  die  Kaiserstrasse  bis  zum 
„Luftballonrestaurant“  angesehen  werden.  Während  die 
erstere  an  der  Brücke  vorbei  unmittelbar  in  das  Rheinthor 
einmündet,  durch  welches  auch  die  meisten  Ausstellungs- 
güter vom  neuen  Hafenbahnhof  bei  Hamm  a.  Rh.  auf 
einer  Vollspurbahn  eingefahren  wurden,  führen  von  den 
beiden  anderen  i;den  stattlichsten  Strassen  der  Stadt)  aus 
schattige  Wege  in  kürzester  Frist  durch  den  westlichen 
Theil  des  Hofgartens  zu  den  verschiedenen  Eingängen  der 
Ausstellung  hin. 

Wir  sind  in  der  Alleestrasse,  an  der  von  Giese  & Weidner 
(Dresden)  erbauten  „städt.  Kunsthalle“,  dem  gegenüber- 
liegenden Stadttheater  (von  denselben  Erbauern),  fer- 
ner am  neuen  Kunstgewerbemuseum  am  Friedrichsplatz 
an  den  Denkmälern  von  Kaiser  Wilhelm  I.  und  v.  Bis- 
marck vorbeigekommen  und  betreten  an  der  Biegung  zur 
„Schöne  Aussicht"  genannten  Landzunge  des  Hofgartens 
mit  dem  Blick  auf  den  Rhein  und  die  Akademie,  an  der 
Südostseite  das  Ausstellungsgelände.  Der  Blick  fällt  bald 
auf  die  schlichte  und  doch  würdige  Fassade  des  schon  in 
No.  22  beschriebenen  und  am  8.  März  d.  J.  seiner  dauern- 
den Bestimmung  übergebenen  Kunstausstellungs-Ge- 
bäudes (Architekt  Rückgauer),  in  dessen  vorzüglich  be- 
leuchteten Räumen  gegenwärtig  die  erste  grosse  Kunst- 
ausstellung, die  sich  mit  Rücksicht  auf  die  weitgezogenen 
Grenzen  eine  „.Deutschnationale“  nennt,  sowie  die  „Kunst- 
historische Ausstellung“,  über  die  noch  besonders  berich- 
tet werden  soll,  ihren  Glanz  und  Reichthum  entfalten. 

Unter  einem  ganz  anderen  aesthetischen  Gesichtswinkel 
müssen  die  zahlreichen  übrigen,  grösstentheils  aus  Eisen 
und  leichtem  Füllmaterial  bestehenden  und  nur  vorüber- 
gehenden Ausstellungszwecken  dienenden  Baulichkeiten 
betrachtet  werden.  Man  darf  für  die  Beurtheilung  vom 
künstlerischen  Standpunkte  aus  den  meisten  dieser  ver- 
schiedenartigen Bauten  gegenüber  freilich  nicht  den  Maass- 
stab anlegen,  den  man  z.  ß.  von  der  letzten  Pariser  Welt- 
ausstellung her  etwa  mitgebracht  hat,  wiewohl  es  nahe 
hegt,  dass  manche  Besucher  mit  noch  frisch  haftenden  Ein- 
drücken von  dort  unwillkürlich  Vergleiche  ziehen  werden. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Aufgaben  war  auch  hier  gross 
genug,  um  reizvolle  eigenartige  Lösungen  schaffen  zu 
können,  und  selbst  bei  einer  gewissen  Gleichartigkeit  des 
Stoffes  geräth  der  Künstler  nicht  leicht  in  Verlegenheit, 
sondern  sucht  dem  oft  behandelten  Thema  immer  wieder 
neue  Seiten  abzugewinnen.  Form  und  Farbe  stehen  ihm  zu 
Gebote,  pb  es  sich  um  grosse,  viel  Raum  beanspruchende 
Ideen  oder  um  scheinbar  geringe  Dinge  handelt. 

In  der  Kunst  giebt  es  bekanntlich  nichts  Kleines,  und 
das  gilt  auch  von  der  dekorativen  Kunst.  Der  Wucht 
und  weltbekannten  Arbeitsleistung  der  rheinisch-west- 
fälischen Eisenindustrie,  ihres  Bergwerks-  und  Hütten- 
betriebes, der  Mannigfaltigkeit  der  Grossindustrie  und  des 
Kleingewerbes  in  beiden  Provinzen  Entsprechendes  im 
künstlerischen  Ausdruck  und  in  einer  ganz  subjektiven 
Verwerthung  der  in  den  Fabrikationserzeugnissen  oder 


377 


in  den  Betriebs-Eigenthümlichkeiten  gegebenen  Motive  et- 
was Neues  zu  schaffen  — wenn  auch  immerhin  in  mehr  oder 
weniger  enger  Anlehnung  an  historische  oder  moderneForm- 
gebung  — war  jedenfalls  für  die  herangezogenen  Archi- 
tekten eine  lohnende,  dankbare  Aufgabe.  Einigen  ist  sie  in 
recht  ansprechender  Weise  gelungen.  Die  Ausstellungs- 
halle der  Firma  Friedr.  Krupp  inEssen(vgl.die  neben- 
stehendeAbbildg.)  zähltunbestritten  zu  den  besten  Lösungen, 
Der  Urheber  des  Entwurfs,  Hr.  Prof.  K.  Hoffacker  in 
Karlsruhe,  hat  für  die  künstle- 
rische Ausgestaltung,  ohne  An- 
lehnung an  frühere  oder  soge- 
nannte moderne  Stilformen  (wie 
es  ausdrücklich  in  der  ihm  ge- 
stellten Aufgabe  hiess)  sich  in 
einem  Formenkreise  gehalten, 
wie  er  von  dem  Inhmt  dieser 
Sonderausstellung  sowie  von 
den  hauptsächlichsten  Fabrika- 
tions-Erzeugnissen und  ihrer 
Verwendung  gegeben  schien: 

Schiffsbau-  und  Kriegsmaterial, 

Walzprodukte  schwersten  Kali- 
bers, Panzerplatten  undKanonen 
usw.  Im  Grundriss,  der  sich 
den  gegebenen  engen  Grenzen 
zwisdien  der  Hauptallee  und 
einem  längs  des  Rheines  geführ- 
ten Eisenbahn-Gleise  anpassen 
musste,  war  nur  eine  Längs- 
entwicklung ungefähr  von  Süd 
nach  Nord  möglich.  Die  hier- 
durch entstehende  Schwierig- 
keit für  eine  günstige  architek- 
tonische Wirkung  wurde  über- 
wunden im  Inneren  durch  zwei 
Brücken,  die  den  Raum  in  drei 
Theile  gliedern,  entsprechend 
<ien  Hauptwerkstätten  derWelt- 
firma,  und  in  der  äusseren  Ar- 
chitektur dadurch,  dass  die  Ein- 
gänge nicht  an  die  Enden  der 
Haupthalle  gelegt,  sondern  von 
diesen  etwas  nach  der  Mitte  ab- 
gerückt und  mit  2 schweren 
Tbürmen  überbaut  worden  sind, 
zwischen  denen  ein  die  Haupt- 
halle erweiternder,  niedrigerer 
Vorbau  liegt.  An  die  südliche 
Stirnseite  der  Halle  legt  sich 
ein  Anbau  in  Apsisform,  der 
im  Inneren  die  Ausstellung  des 
Grusonwerkes  beherbergt,  wäh- 
rend der  Hauptbau  allein  für 
das  Hauptwerk  Essen  bestimmt 
ist  und  der  nördliche  Anbau  bei 
rechteckigem  Grundriss  Erzeug- 
nisse von  der  Germaniawerft 
birgt.  DieganzeLängedes  Baues 
beträgt  rd.  134®,  die  gesammte 
Bodenfläche  4280  qm.  Das  kon- 
struktive Gerüst  der  Halle  ist 
bereits  in  No.  49  beschrieben 
und  dargestellt.  Die  portalarti- 
gen Binder,  aus  vertikalen  Sei- 
tentheilen  und  einem  in  Höhe 
von  12  m ansetzenden  Bogen  be- 
stehend, haben  eine  lichte  Höhe 
von  18,5  m,  eine  Stützweite  von 
24,9  m und  geben  der  Haupt- 
halle eine  Weite  von  26®. 

Die  Längsentfernung  zwischen 
zwei  Portalträgem  beträgt  von 
Mitte  zu  Mitte  10  ®.  Vor  der 
östlichen  Langseite,  den  Vorbau 
flankirend,  der  sich  in  der  Art 
eines  Seitenschiffes  vor  die 
Haupthalle  legt  und  diese  auf 
einer  Länge  von  50®  zu  einer 
Breite  von  rund  35®  erweitert, 
liegen  die  beiden  Thürme,  in  den  äusseren  Winkeln  zwi- 
schen diesen  und  der  Langseite  sind  die  Eingangs-  bezw, 
Ausgangsportale  eingebaut.  Hoch  über  das  Gebäude  hin- 
aus, das  Dach  der  Apsis  durchbrechend,  ragt  ein  Gefechts- 
mast bis  zu  54®  empor,  mit  elektrischem  Scheinwerfer 
und  mit  Salutkanone  ausgerüstet.  Die  unten  quadratischen, 
oben  kreisrunden  schweren  Thürme  geben  nebst  den 
übrigen  massigen  Formen  dem  Ganzen  em  überaus  derbes 


etwas  gemildert  wird.  So  dient  das  Motiv  der  vergoldeten 
Metallbeschläge,  Reifen,  Ringe,  ineinander  gewundener 
Taue,  Scheiben,  Seile  usw.  zur  ornamentalen  Markirung 
der  Stütz- und  Gelenkpunkte  der  Binder.  Die  tiefgrüneFarbe 
der  Regenrinnen  steht  gut  gegenüber  dem  braunrothen 
Anstrich  der  als  Kupfereindeckung  gedachten  Asphaltpapp- 
flächen der  Dächer;  lebhaft  glitzernd  heben  sich  im  Sonnen- 
licht die  Aluminium-Kuppeln  und  die  vergoldeten  breiten 
Streifen  der  Hauptthürme  ab.  Die  Wände  im  seitlichen  öst- 


von  Krupp  in  Essen.  Architekt:  Prof.  Karl  Hoffacker  in  Karlsruhe. 


Pavillon  des  Mörder  Bergwerks-  und  Hüttenvereins.  Architekt:  E.  Marx  in  Dortmund. 


liehen  Vorbau  haben  grosse  Fenster  in  etwas  geschweifter 
Grundform  und  mit  gitterartig  dichter,  rothgestrichener 
Scheibenrahmung  erhalten.  EsraussfürdieBeurtheilung  der 
ganzen  Anordnung  berücksichtigt  werden,  dass  der  geniale 
Architekt  gezwungen  war,  an  eine  der  Idee  nach  bereits 
vorhandene,  später  alsWerkschuppen  wieder  aufzustellende 
Eisenhalle  sich  anzuschliessen,  ferner  auf  die  Ausgestaltung 

w..  .der  Westseite  aus  den  oben  angeführten  Gründen  zu  ver- 

wuchtiges  Gepräge,  das  durch  sparsame  farbige  Zuthaten  .zichten,  und  dass  er  auf  die  Aufstellung  der  Gegenstände 


378 


No.  59. 


im  Inneren  keinen  Einfluss  hatte.  Nach  seinen  Plänen  haben 
übrigens  die  Innenräume  nach  der  Eröffnung  noch  farbigen 
Schmuck,  Vergoldung  der  Stucktheile,  farbige  Friese  in 
den  Eingangshallen  üsw.  erhalten.  Leider  ist  durch  später 
hinzugekommene  andere  kleine  Pavillons  der  nordöstliche 
Anbau  mit  seiner  interessanten  architektonischen  Gruppirung 
und  Durchbildung  fast  vollständig  verdeckt. 

In  nächster  Nähe  der  Krupphalle  am  Rheinufer  be- 
findet  sich,  neben  anderen  vom  „Rheinischen  Verein 
zur  Förderung  des  Arbeitest -Wohnungswesens“ 
aufgestellten  Muster- Arbeiterhäusern  in  sehr  verschiedener 
Charakteristik,  ein  weiteres  von  der  Firma  Krupp'  zur 
Ausstellung  aufgeführtes  Gebäude,  nämlich  ein  Doppel- 
wohnhaus  für  Arbeiter,  nach  einem  der  in  den  Krupp- 
schen Arbeiter -Kolonien  gebräuchlichen  Typen. . Neben 
dem  Rheinthor  am  Süd  ende  der  Ausstellung,  welches  'sich 
wegen  der  darüber  hinwegziehenden  Brücke  nicht  recht 
entwickeln  konnte  und  viel  zu  klein  und  dünn  in  seinen 
Eisenverzierungen  geblieben  ist,  befindet  sich  ein  Panorama 
(Blüchers  Rheinübergang  bei  Gaub  1814  darstellend)  mit 
angegliederten  Wein-  und  Bier-Restaurationen.  Die  grossen 
Flächen,  wie  der  von  zwei  kleinen  Thürmchen  fiankirte 
doppelt  geschweifte  Giebelaufsatz  über  dem  Eingang  sind 
mit  naturalistischem  Blumen-Ornament  in  Relief  und  mit 
massiger  moderner  Dekorationsmalerei  versehen. 

In  der  Nähe  befinden  sich  zahlreiche  von  einzelnen 
Ausstellern  oder  Gewerkschaften  erstellte  Pavillons,  unter 
denen  der  bei  Krupp  eingeschobene,  mit  Kupferkuppeldach 
und  reicher  Vergoldung  ausgestattete  quadratische  Pavillon 
der  „Vereinigten  Rottweiler  Pulverfabriken“  her- 
vorragt. Uebrigens  auch  das  Eingangsthor  an  der  Insel- 
Strasse,  nahe  nni:  Kunstpalaste,  wirkt.. zu  klein. und  dünn; 
seine  in  Schniiedeisen  kunst'voll  getriebenen  Ranken  und 
Blumen  mögen  jedoch  mit  ihren  zahlreichen  aufgesetzten 
farbigen  Leuchtbirnen  Abends  einen  recht  angenehmen 
■Eindruck  machen.  Das  auf  derselben  Seite  rechts  neben 
Krupp  gelegene  Ausstell  ungs -Gebäude  des  „Ho  er  der 
Bergwerks-  und  Hütten.vefeins“  (vergl.  die  Abbildg. 
S.,378)  zeigt  einen. einfachen,  klär  gegliederten  Grundriss 
und  Aufbau:  quadratischen,  kuppelgekrönten  Mittelbau 
von.  grossen  Abmessungen,  die-  Seitenflächen  im  Rund- 
bogen geschlossen  und  mit . mächtigen  durch  aufrechte 
Pfosten  in  je  drei  Flächen  zerlegten  Fenstern.  Nördlich 
und  südlich  erweitert  sich  die  Mittelhalle  durch  breit  im 
Halbkreis  heraustretende  Anbauten,  deren  zahlreiche 
gleichfalls  im  Rundbogen  geschlossene  Fenster  dem 
Inneren  ein  reiches  Licht  zuführen.  Auf  den  vier  Ecken 
des  Mittelbaues  erheben  sich  quadratische,  stark  durch- 
brochene Eckthürme,  die  ihren  Abschluss  finden  in  kleinen 
Aufbauten,  und  mit  dem  geflügelten  Rad  versehenen 
Kuppeln.  Die  Hauptkuppei  trägt  eine  zierliche,  offene 
kreisrunde  Säulenhalle  und  zuletzt  einen  zylindrischen 
Aufsatz  mit  der  Weltkugel  als  Bekrönung.  Das  Ganze, 
in  moderner  recht  ansprechender  Empfindung  nach  den 
Entwürfen  des  Architekten  E.  Marx  in  Dortmund  ge- 
schaffen, hat  eine  sparsame  farbige  Behandlung  durch  Ver- 
goldung an  einzelnen  Stellen,  durch  Metallbedachung  usw. 
erfahren.  Die  drei  Eingänge  sind  durch  kleine  Vorbauten  in 
Holzkonstruktion  überdacht.  Unter  den  Stuckornamenten 
finden  sich  gute  Motive,  unten  Scheiben  und  Rosetten 
usw.  mit  angehängten  Laubkränzen  und  Gehängen,  an 
den  Fenster-Pfosten  Vorgesetzte  Masken  mit  Ketten,  Zahn- 
rädern, mit  Diademen  aus  Tauen,  usw.  — Die  Höhe  des 
Mittelbaues  beträgt  32  “ die  Längsaxe  misst  46“,  die  Quer- 
axe  27“.  Zwei  überlebehsgrosse  „Arbeit“  und  „Segen“ 
symbolisirende  Figuren,  gut  bewegt  und  modellirt,  sitzen  auf 
höhen  Sockeln  vor  dem  Gebäude.  — Es  folgen  die  grossen 
Anlagen  des  „Deutschen  Betonvereins“.  Dieselbenbe- 
stehen  in  der  Hauptsache  aus  einem,  grossen  viereckigen 
Wasserbecken  mit  Wasserfällen  nach  dem  Rhein  zu,  von 
•Balustraden  auf  den  Seiten  und  einem  reichgegliederten, 
ein  zweites  ellyptisches  Brunnenbecken  mit  riesiger. Cen- 
taurengruppe umschliessenden  Arkaden-Vorbau  begrenzt, 
nebst  malerischen  Treppenanlagen,  Br.uekenbauten,  Restäu- 
rations-und  Ausstellungshallen  im  Untergeschoss,  Säulen 
und  Portalen  und'vielen  dekorativenEinzemeiten,  die  einem 


Chronik. 

Der  Neubau  der  kgl.  Akademie  der  Künste  zu  Berlin 
ist  bereits  so  weit  fertiggesteOt,  dass  der  Umzug  der  einzelnen  Ab- 
theilungen  der  bedeutenden  Unterrichtsanstalt  seit  längerer  Zeit 
begonnen  hat.  — 

Das  Sanatorium  der  Münchener  Ortskrankenkasse  VIII 
bei  Kirchseeon,  welches  nach  den  Entwürfen  der  Arch.  Hessemer 
■&’Schmidt  errichtet  und  von.uns  im  Jahrg.  ipor  No.  15  veröffent- 
'licht  wurde,  ist  in  diesen  Tagen  in  Benützung  genommen  worden.  — 

Ein  Bismarckdenkmal  für  Ansbach  soll  nach  dem  Entwurf 
des  Hrn.  Kreisbrtii.  Förster  mit  einer  Summe  von  rd.  15000  M. 
.als  .Thurmbau  errichtet  werden.  — . . . . . f 

•23.  Juli  1902. 


doppelten  Zweck  dienen,  nämlich  einmal:  zu  zeigen,  was 
die  Technik  des  Giessens  und  Stampfens,  des  Abformens 
aus  wohl  vorbereiteten  Holzmodellen  wie  auch  des  feinen 
Modellirens  und  Aufbauens  grösserer  Massen  nach  den 
verschiedenen  Richtungen  zu  leisten  vermag,  andererseits 
aber:  durch  reizvolle  Gruppenbildungen  in  Verbindung 
mit  Wasserkünsten  und  gärtnerischen  Anlagen  der  Aus- 
stellung ein  weiteres  Moment  künstlerischer  Durchbildung 
zuzufügen. 

Die  Verdienste  um  den  Entwurf  gehören  den  Archi- 
tekten A.  Bender  und  W.  Fraenkel  in  Düsseldorf;  die 
Hauptgruppe,  7,5“  hoch,  in  dem  ellyptischen  20  Längs- 
axe messenden  ßrunnenbecken,  sowie  die  Nebenfiguren 
wurden  entworfen  und  modelKrt  von  Bildhauer  Prof. 
C.  Janssen  in  Düsseldorf.  Die  bronze-imitirten  Relief- 
porträts des  Kaisers  und  des  Kronprinzen  in  den  vorderen 
wappengeschmückten  Postamentflächen  der  beiden  insge- 
sammt  35  m hohen  Säulen,  welche  rechts  und  links  die 
Anlage  überragen  und  mit  ihren  vergoldeten  Viktorien 
auf  stark  gerollten  Kapitalen  weithin  das  Gesichtsfeld  be- 
herrschen, sind  von  Prof.  Uphues  in  Berlin  geschaffen; 
betheiligt  sind  im  übrigen  die  bekannten  Firmen  Schwenk 
in  Ulm,  Dyckerhoff  & Widmann  in  Biebrich  a.  Rh., 
Liebold  & Co.  in  Holzminden,  Dücker  & Co.  in  Düssel- 
dorf, Hüser  & Cie.  in  Oberkasse],  Garstanj en  & Cie.  in 
Duisburg  usw.  Die  Brücke  in  etwa  30  “ Sparmungsweite 
wurde  ausgeführt  von  der  anzweiterStelle  genanntenFirma. 

Tiefe,  wohlabgestimmte  Glockentöne,  die  hin  und  wie- 
der über  das  Aussteiiungsfeld  erdröhnen,  — auch  ein 
künstlerisches  Moment  — laden  den  Besucher  ein,  jetzt 
dem  rechts  anschliessenden,  nach  basilikalem  System, 
d.  h.  mit  Haupthalle  (die  Längsaxe  rechtwinklig  zum  Rhein) 
und  niedrigeren  Seitenschiffen,  Querhaus  und  Glocken- 
•thurm,  errichteten  Gebäude  des  „Bochumer  Vereins 
für  Bergbau  und  Gussstahl-Fabrikation“  einen  Be- 
such zu  machen,  von  dem  wir  später  eine  Abbildung  bei- 
geben werden.  Der  für  denselben  ständig  thätige  Archi- 
tekt Schumacher  hat  sich  redlich  bemüht,  den  schweren 
Charakter  der.  grossen  durch  die  Eisenkonstruktion  fest- 
gelegten  Gebäudemassen  zu  mildern  durch  dekorative,  in 
Form  und  Farbe  reich  gehaltene  Ausgestaltung  der  Giebel- 
fronten an  Lang-  und  Querhaus  in  gothischem  Stile.  In  der 
Hauptfassade  nach  Osten  und  in  den  Querhaus -Giebeln 
sind  grosse  Maasswerkfenster,  in  breiten  Spitzbogen  ge- 
schlossen über  durchbrochener  Gallerie  angeordnet;  die 
Eckpfeiler  und  alle  Gliederungen  in  röthlicher  Sandstein- 
nachahmung gehalten.  Strebepfeiler  mit  geschweiften, 
zierlichen,  ziegelrothen  Bedachungen,  zahlreiche  Spitz- 
thürmchen  mit  dem  grünen  Ton  der  oxydirten  Kupfer- 
belme  und  allesammt  in  Goldknäufe  auslaufend,  sechs- 
theilige  Fenster  in  den  Hochwänden  des  Mittelschiffs 
usw.  lieferten  die  Einzelheiten,  die  neben  dem  an  die  Süd- 
ostecke sich  anlehnenden,  etwa  70  ® hohen  und  für  sich 
selbst  mit  seiner  Schieferbekleidung  in  durchaus  anderem, 
mehr  profanem  Charakter  gehaltenen  Glockenthurm  etwas 
kleinlich  und  unruhig  wirken.  Zwei  ruhende  Sphinxgestalten 
in  Bronzefarbe  auf  ungegliedertem  Sockel  bewachen  den 
Haupteingang,  in  dessen  tiefe  Laibung  ein  breiter,  kräftig 
reliefirter  und  ebenfalls  bronzefarben  gehaltener  Wulst  ein- 
gespannt ist.  Das  Innere,  mit  dem  offenen  Dachstuhl  des 
farbig  abgesetzteri  Eisengerüstes  und  dem  mächtigen  Glas- 
dach, macht  zunächst  Eindruck  durch  die  geschickte  Auf- 
stellung der  grandiosen  Ausstellungs-Gegenstände:  Schiffs- 
wellen,- Hintersteven,  Räder,  Reifen,  Schienen,  kolossale 
Stahlrohre,'  Eisenbahnwaggons  (dazu  ein  ganzer  Zug  von 
'mehr  als  15  Achsen  und  einzelneWaggons  von  je  30t  Lade- 
fähigkeit), ferner  Schwungräder,  Lokömotivradsätze,  Low- 
ries,  Krahne  und  Glocken.  Das  Riesenfenster  in  der  West- 
seite zeigt  in  geschickter  Kunstverglasung  eine  glühende 
Lohe  mit  aufzüngelnden  Flammen  in  roth,  gelb  und  dunklen 
Rauchwolken  und  bildet  einen  wirkungsvollen  ernstgestimm- 
•ten  Hintergrund  für  einen  in  der  Form  eines  Orgelgehäuses 
.aufgestellten  „kornplizirtenGiockenstuhl“.  Die  durchgehends 
geschickt  durchgeführte  Malerei  des  Inneren  erstreckt  sich 
-besonders  auf  die  hohe  mit  dem  Wappen  der  deutschen 
•Staaten  und  derW eltreiche  geschmückte  Galleriebrüstung.  — 

(Schluss  folgt.) 

Das  berühmte  Chörlein  von  St.  Sebald  in  Nürnberg, 
dessen  Verwitterung  eine  so  starke  ist,  dass  eine  Wiederherstellung 
sich  als  unmöglich  erwiesen  hat,  wird  im  Germanischen  Museum 
zur  Aufstellung  gelangen,  welchem  es  die  Stadt  Nürnberg  als  Ge- 
schenk überwiesen  hat.  Am  Pfarrhofe  von  St.  Sebald  soll  eine 
-treue  Nachbildung  des  Werkes  Aufstellung  finden.  — 

Der  Umbau  des  Königs-Stiftungshauses  zum-Bibliothek- 
Gebäude  des  Germanischen  Museums  in  Nürnberg  ist  igoi  zum 
Abschluss  gebracht  worden.  Für  den  Lesesaal  konnte  moö  schöne 
Rococo-Stuckdecke  aus  dem  abgebrochenen  alten  Bezirksamts-Ge- 
bäude in  Nürnberg  verwendet  werden.  — 

• Das  Bauprogramm  für  die  neuen  österreichischen'Wasser- 
'-strassen  nimmt  die  erste  Baüperiode  vom  Jahre  1904  bis-  zum 

379 


Ende  des  Jahres  1912  an,  und  es  ist  für  dieselbe  ein  Kredit  von 
250  Mül.  Kr.  in  Aussicht  genommen,  wovon  75  Mill.  Kr.  für  die 
Flussreguürüngen  verwendet  werden  sollen.  Innerhalb  der  ersten 
Bauperiode  sollen  die  folgenden  Bauten  in  Angriff  genommen  und 
durchgeführt  werden:  i.  Der  Donau-Oder-Kanal  von  der  Einmündung 
bei  Wien  bis  Mährisch-Ostrau;  2.  die  Kanalisirung  der  Moldau  im 
Weichbilde  von  Prag  und  ein  Theil  der  Elbe-Regulirung  auf  der 
Strecke  Melnik-Jaromerz;  3.  eine  Theilstrecke  der  geplanten  schifff 
baren  Verbindung  vom  Donau-Oder-Kanal  zum  Stromgebiete  der 
Weichsel.  Der  Bau  soll  auf  allen  diesen  Strecken  gleichzeitig  in 
Angriff  genommen  werden.  Die  Vorarbeiten  sollen  unverzüglich 
begonnen  werden,  damit  mit  dem  Jahre  1904  die  praktische  Durch- 
führung erfolgen  kann.  — 

Aufnahmen  elsässischer  Baudenkmäler  aus  französischem 
Besitz  sind  dem  Denkmalarchiv  für  EIsass-Lothringen  überväesen 
worden.  Die  Aufnahmen  betreffen  die  Zeichnungen  von  Baudenk- 
mälern des  Eisass,  welche  von  der  „Commission  historique  des 
monuments  frangais“  in  Paris  veranlasst  waren  und  beim  Friedens- 
schlüsse im  Jahre  187:  nicht  mit  überwiesen  wurden  — 

Eine  Drahtseilbahn  bei  Bozen  zwischen  Kaltem  und  dem 
Mendelpass  ist  in  Ausführung  begriffen,  die  mit  ihrer  höchsten 
Steigung  von  öq^/o  noch  diejenige  der  bekannten  Stanserhorn-Bahn 
übertrifft.  Sie  hat  {in  der  Steigung  gemessen)  eine  Länge  von 
2,5  km  und  überwindet  850  m Höhe.  Sie  wird  in  einer  Betriebs- 
strecke ohne  Umsteigestation  betrieben  werden,  unterscheidet  sich 
also  auch  darin  von  den  bisherigen  Ausführungen.  Die  Wagen 
sollen  50  Personen  fassen,  der  Antrieb  ist  elektrisch  und  erfolgt 
vom  oberen  Ende  aus.  — 

Die  Errichtung  eines  neuen  Theaters  im  Bezirk  Land- 
strasse in  Wien  erscheint  gesichert. — 

Die  Einführung  des  elektrischen  Betriebes  auf  der  Wiener 
Stadtbahn  ist  durch  Versuche  eingeleitet,  welche  die  Akt.-Ges. 
Siemens;  & Halske,  deren  Vorschläge  bei  einem  seinerzeitigen 
Ausschreibeu  zur  Ei'langung  des  geeignetsten  Systems  gewählt 
wurden,  vornimmt.  — 

Die  kartographische  Aufnahme  des  Khalifenschlosses 
Amra  in  Nordarabien  ist  durch  die  Akademie  der  Wissenschaften 
in  Wien  beschlossen  worden  und  der  Entdecker  des  Schlosses, 
Dr.  Alois  Musil,  mit  einer  für  diesen  und  andere  Forschungs- 
zwecke bestimmten  Expedition  betraut  worden.  — 

Ein  Shakespeare-Denkmal  für  Weimar  wird  nach  den 
Entwürfen  des  Bildhauers  Prof.  Otto  Lessing-Berlin  errichtet.  — 
Der  Bau  der  neuen  Kaisergruft  im  Dome  von  Speyer  soll 
zu  Ende  dieses  Jahres  vollendet  werden.  — 

Die  Einrichtung  des  elektrischen  Betriebes  auf  der  Vor- 
ortstrecke Berlin-Gross-Lichterfelde-Ost  ist  beschlossen  wor- 
den. Das  Betriebssystem  ist  Gleichstrom,  die  Betriebs-Anlagen 
werden  von  der  Elektrizitäts-Gesellschaft  „Union“  ausgeführt.  — 
Ein  Verein  für  Volkskunst  und  Volkskunde  in  München 
hat  sich  unter  dem  Vorsitz  des  Hrn.  Prof.  Aug.  Thiersch  ge- 
bildet. Der  Verein  hat  sich  in  erster  Linie  zur  Aufgabe  gemacht, 
für  das  südliche  Bayern  die  Ueberlieferungen  zu  sammeln,  welche 
im  Hausbau,  io  der  Einrichtung  und  Ausschmückung  des  Hauses 
und  in  dem  Hausgeräthe  des  Volkes  noch  erhalten  sind.  Zu  den 
leitenden  Personen  des  dankenswerthen  Unternehmens  gehören 
u-  a.  noch  die  Hrn.  Hans  Grässel,  Franz  Zell,  Heinr.  Handl, 
Fritz  Jummerspach  usw.  — 

Der  künstlerische  Schmuck  des  Sitzungssaales  des  preussir 
sehen  Abgeordnetenhauses  geht  unter,  der  Leitung  des  Erbauers 
desselben,  Geh.  Brth.  Fr.  Schulze,  seiner  Vollendung  entgegen. 
Der  Schmuck  besteht  in  einem  Gemäldezyklus  des  Prof.  Koch, 
Ansichten  aus  den  Hauptstädten  der  preussischen  Provinzen  dar- 
stellend, und  aus  den  beiden  allegorischen  Standbildern  „Recht“ 
und  „Gesetz“,  von  Prof.  Brütt.  Die  Standbilder  stehen  in  Nischen 
zu  beiden  Seiten  des  Hauptgemäldes  hinter  dem  Präsidentensitz.  — 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Der  Bahnbauinsp.  Hauger.  in  Waldkirch  ist  zur 
Leitung  der  Neubauarb.  der  Murgthalbahn  nach  Gernsbach  versetzt. 
Der  Bahnbauinsp.  Lehmann  in  Freiburg  ist  nach  Kehl  versetzt 
zur  Wahrnehmung  der  Vorst. -Geschäfte  der  Hafenbauinsp.  — der 
Eisenb.-Ing.  Fr.  Wolf f in  Offenburg  ist  landesherrl.  augestellt. 

Preussen.  Verliehen  ist:  Den  Geh.  Brthn.  Grosse  in  Erfurt, 
Koenen  in  Münster  i.  W.  und  Uhlenhuth  in  Hannover  beim 
Uebertritt  in  den  Ruhestand  der  Rothe  Adler-Orden  III.  Kl.  mit 
der  .Schleife;  dem  Kr.-Bauinsp.  F aerber  in'  Neisse  der  Rothe 
Adler-Orden  IV.  KL;  dem  Prof.  Frentzen  in  Aachen  und  beim 
Uebertritt  in  den  Ruhestand  dem  Eisenb.-Dir.  Urban  in  Kassel 
der  kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl. 

Dem  Dir.  der  kontinentalen  Gesellsch.  für  elektrische  Unter- 
nehmungen in  Nürnberg  Stadtbrth.  a.  D.  Köhn  ist  die  Erlaubniss 
zur  Annahme  und  zum  Tragen  des  ihm  verlieh.  Kommandeur- 
kxeuzes  des  kgl.  Italien.  St.  Mauritius-  und  Lazarus-Ordens  ertheilt. 

Dem  Gew.-Insp.-Assist.  Matthiolius  in  Unna  ist  die  Ver- 
waltung der  Gew.-Insp.  das.  übertragen.  — Der  Gew.-Insp.-Assist. 
Bublitz  in  Gumbinnen  ist  nach  Unna  versetzt. 

Den  Gew.-Insp.  Dr.  Isenbeck  in  Osnabrück,  Rübens  in 
Goslar,  Simon  in  Düsseldorf,  T ö p e r t in  Reichenbach  und  U n - 
ruh  in  Stettin  ist  der  Char.  als  Gew.-Rath  mit  dem  persönl.  Range 
als  Rath  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Aug.  Schlott  aus  Mottgers,  William  Wo  1 f f 
aus  Berlin , Otto  B 1 e 1 1 aus  Fischhausen  (Eisenbfeh.),  — Aug. 
S chi  e v e 1 b u s c h aus  Landringhausen,  Paul  Sachs  aus  Katto- 
witz,  -Mart.  Fabian  aus  Graudenz  und  Gg.  C r a y e n aus  Magde- 
burg (Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg-Bmstrn.  ernannt.  “ 

Dem  Reg.-Bmstr.  Hans  Ben  da  in  FrankfurtJ'a.  M.^istjdie 
naebges.  Entlass,  aus  dem  Dienste  der  allgem.  Bauverwaltg. , dem 
Eisenb--Bau-  u.  Betr.-Insp.  Rohlfs  in  Köln  und  den  Reg.-Bmstrn. 
Emil  Schück  iu  Breslau,  Bruno  Volkraann  in  Berlin,  Friedr. 
M i e th  e r in  Krefeld,  Job.  Werner  in  Nürnberg,  Herrn.  M ey, ey 


in  Chärlottenburg  und  Karl  T o 0 p in  Königsberg  i.  Pr.  ist  die 
nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienste  ertheilt. 

Der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  z.  D.  Schwamborn,  früher 
in  Marburg,  ist  in  den  Ruhestand  getreten. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Mathie.s  in  Berlin  ist  [aus  dem  Staats- 
dienst ausgeschieden. 

Sachsen.  Dem  Geh.  Brth.  u.  vortr.  Rath  Weber  in  Dres- 
den ist  die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  des  ihm  verlieh. 
Komthurkreuzes  II.  Kl.  des  herz,  sachsen-ernestinischen  Hausordens 
ertheilt.  — Der  Reg.-Bmstr.  B e s s e r ist  z.  Telegr.-Insp.  ernannt. 

Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  A.  F.  in  Burg  D.  Zu  i.  Die  Entscheidungen 
des  Reichsgerichtes  und  die  des  preuss.  Ober-Verwaltungsgerichtes 
erscheinen  in  amtlichen  Sammelwerken,  welche  sich  auf  alle  Rechts- 
gebiete erstrecken,  über  welche  der  betr.  Gerichtshof  zu  entscheiden 
berufen  ist.  Einen  Auszug  derjenigen  Entscheidungen,  welche  bau- 
rechtliche oder  baupolizeiliche  Fragen  behandeln,  besteht  nicht, 
nachdem  ein  diesbezüglicher  Versuch  eines  Hamburger  Bau-Sach- 
verständigen wegen  Theilnahraslosigkeit  in  den  Kreisen  der  Baüge- 
v^erksmeister  missglückt  ist.  Zu  2.  Das  preuss.  Ober-Verwaltungs- 
gericht  hat  wiederholt  den  Grundsatz  vertreten,  dass  die  Polizei  das 
Ausbrechen  von  Fenstern  oder  Oeffnungen  in  Brandmauern  selbst 
dann  untersagen  darf,  wenn  der  Bauherr  dem  Nachbar  gegenüber 
ein  wohlerworbenes  Recht  besitzt,  Fenster  in  Grenzmauern  anzu- 
bringen.  Da  Grenzmauern  fast  in  allen  Polizeirechten  als  Brand- 
mauern behandelt  werden,  ist  die.  Polizei  befugt,  die  Ausübung  des 
Rechtes  zur  Fensteranlage  thatsächlich  zu  zerstören.  Die  getroffenen 
Entscheidungen  wurzeln  im  wesentlichen  in  dem  Rechtssatze,  dass 
das  öffentliche  Recht  dem  Privatrechte  vorgeht , weshalb  dem 
Schutze  der  Allgemeinheit,  welcher  im  öffentlichen  Rechte  ange- 
strebt wird,  etwaige  Sonderrechte  des  Grundeigenthümers  zu  weichen 
haben.  Da  nun  das  Verbot  der  Fenster  in  Brandmauern  aus  Grüur 
den  der  Feuersicherheit  getroffen  ist,  bewegt  sich  die  Polizei  im 
Rahmen  ihrer  Befugnisse,  seine  Verwirklichung  selbst  dort  zu  for- 
dern, wo  der  Nachbar  gezwungen  sein  würde,  Fenster  nach  seinem 
Grundstücke  zu  dulden.  — K.  H-e. 

Hrn.  B.  K.  ln  Eltville.  Wir  können  Ihnen  nur  rathen,  sich 
wegen  der  Beschädigung  des  Sandsteines  mit  einem  tüchtigen 
Chemiker  in  Verbindung  zu  setzen.  Die  Beschädigung  wird  wahr- 
scheinlich nicht  durch  Salpeter,  sondern  durch  Bildung  von  Glauber- 
salz verursacht  sein.  Es  ist  leider  immer  nur  möglich  gewesen, 
diese  Thatsache  festzusteüen,  nicht  aber  durch  Chemiker  ein  Gegen- 
mittel zu  finden.  Leinöl  ist  bereits  versucht,  doch  nutzte  das  nur 
eine  kurze  Zeit,  selbst  im  Inneren  des  Gebäudes';  Wir  würden 
Ihnen  sehr  dankbar  sein,  wenn  Sie  weitere  Erfahrungen  veröffent- 
lichen oder  wenigstens  uns  .mittheilen  wollten.  — 

Hrn.  K.  H.  in  Mannheim.  Nach  Ihrer  Beschreibung  der 
Schornsteinanordnung  und  der  eingetretenen  Risse  hat  Ihre  An- 
schauung von  ungleichmässiger  Beanspruchung,  bezw.  bei  d.er  Lage 
des  festen  Baugrundes  auch  ungleichmässigen  Widerstandes  des 
letztei'en,  die  "Wahrscheinlichkeit  für  sich,  namentlich  wenn  (was 
Sie  nicht  angeben)  die  Fundaraentplatte  nicht  sehr  stark  sein  sollte. 
Ein  technisch  zutreffendes  Urtheil  können  Sie  sich  aber  nur  durch 
einen  Sachverständigen  geben  lassen,  der  die  Verhältnisse  an  Ort 
und  Stelle  genauer  untersuchen  kann.  — 

Hrn.  Arch.  B.  in  Chemnitz.  Selbstverständlich  giebt  es 
solche  Bestimmungen,  die  aber  nicht  in  allen  Landestheilen  gleich 
sind.  Für  Sachsen  sind  vermuthlich  Angaben  im  Schulgesetz  vom 
3.  April  1873  enthalten.  Die  auf  den  Schüler  entfallende  Fläche 
muss  mindestens  0,6  qm  betragen.  Es  ergiebt  das  aber  sehr  ge- 
ringe Maasse.  Höhe  mindestens  3,2  m.  Nähere  Angaben  finden 
Sie  in  Baukunde  des  Architekten,  Bd.  II,  Th.  4,  2.  Aufl.  1900. 
Verlag  der  Dtschn.  Bztg.  — 

Hrn.  Stadtbmstr.  Z.  in  S.  Zu  der  Beantwortung  in  No.  45 
ist  uns  unter  dem  19.  Juni  d.  J.  nachstehende  Berichtigung  zuge- 
gangen, die  wir  nachträglich  zum  Abdruck  bringen: 

„In  der  Fragebeantwortung  ist  gesagt,  dass  „ein  Sinkkasten- 
Eimer,  der  allen  Ansprüchen  gerecht  wird,  von  Mairich  konstruirt 
sei  und  von  der  Geiger’schen  Fabrik  in  Karlsruhe  geliefert  werde'“; 
dies  ist  insofern  nicht  zutreffend,  als  wir  zwar  Schlamm-Eimer 
fabriziren,  aber  nicht  nach  Mairich’schem,  sondern  nach  bekanntern 
eigenem,  seit  langen  Jahren  bewährtem  und  in  etwa  150  Städten 
eingeführtem  System,  welches  dem  von  Ihrem  Herrn  Referenten 
aufgestellten  Grundsatz,  dass  die  Abdichtung  des  Eimers 
gegen  die  Zylinderwand  des  Sinkkastens  gut  und  dauer- 
haft sein  müsse,  dadurch  vollkommen  entspricht,  dass  die  Dich- 
tung zwischen  Eimer  und  Zylinderwandung  durch  konische  Metall- 
, kränze  gebildet,  wird. 

Bei  dem  Mairich’schen  Eimer  wird  diese  Abdichtung  bekannt- 
lich durch  eine  Gummimanchette  bewirkt,  die  jedenfalls  dem  Ver- 
schleisse  und  der  Beschädigung  in  weit  höherem  Maasse  unterliegt, 
als  unsere  (in  Form  und  Material  unverwüstlichen)  Metallkränze, 
und  deshalb  der  oben  aufgestellten  Forderung  nicht  in  dem  in  Ihrer 
Auskunft  angegebenen  Maasse  genügen  dürfte. 

Geiger'sche  Fabrik  f.  Strassen-  u.  Haus-Entwässerungsartikel 
G.  m.  b.  H.  in  Karlsruhe  i.  B.“ 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Litteratur  giebt  es  über  -Schneeschutzdämme,  Schnee- 
schutzzäune und  hauptsächlich  Schneeschutzhecken  an  Landstrassen 
und  Eisenbahnen?  G.  St.  in  Naila. 

Welche  Decke  bewährt  sich,  am  besten  in  einer  grossen 
Käserei  mit  Dampfbetrieb?  Bekanntlich  giebt  es  daselbst  viele 
■Dunstniederschläge  und  immer 'nasse' Decken. 

P.  A.,  Arch.  in  Oelenberg. 

Inhalt:  Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  190a 
(Fortsetzung).  — Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


-Verlag  .der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H-,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  'Wilh.  Greve,  Berlin. 


380  No.  59. 


EUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
H^BERLIN 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  6o.  ^ 

* 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseidort  1903.  Ausstellungs-Bahnhof. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau  eines  neuen 
Rathhauses  in  Kassel. 


"ler  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  den  Bau  eines  neuen  Rathhauses  in 
Kassel,  welcher  seit  Jahresfrist  zahlreiche 
deutsche  Architekten  beschäftigte  und  die 
■'  Einsendung  der  stattlichen  Anzahl  von  119 
Arbeiten  im  Gefolge  hatte,  ist  in  diesen  Tagen  dahin 
entschieden  worden, 
dass  der  I.  Preis  von 
9000  M.  dem  Entwurf 
mit  dem  Kennworte 
„Stadtbild“  des  Hrn. 

Arch.  Karl  Roth, 

Assistent  an  derT ech- 
nischen  Hochschule 
in  Darmstadt,  die  bei- 
den II.  Preise  von  je 
5000  M.  den  Entwür- 
fen „Mäh  hunns,  mäh 
kunns"  der  Hrn.  F. 

Berger  in  Berlin  in 
Gemeinschaft  mit 
FelixWilde  in  Char- 
lottenburg, und  „Gie- 
bel“ der  Hrn.  Jürgen 
Kröger  in  Gemein- 
schaft mit  Jürgen- 
sen  und  Bach  mann 
in  Wilmersdorf  zu- 
gesprochen wurde, 

Die  beiden  III.  Preise 
von  je  3000  M.  er- 
rangen die  Entwürfe 
„Waldmeister“  der 
Hrn.  Börnstein  & 


Kopp  in  Friedenau,  sowie  „Volkslied“  des  Hrn.  Franz 
riiyriot  in  Köln  a.  Rh.;  die  beiden  IV.  Preise  von 
je  1000  M.  die  Arbeiten  „Roland“  der  Hrn.  Karst  & 
Fanghänel  in  Kassel  und  „Nur  einmal  blüht  im  Jahr 
der  Mai“  des  Hrn.  M.  Fritsche  in  Bielefeld.  Das 
Preisgericht  hat  demnach  von  der  Freiheit  des  Pro- 
grammes, dieSumme 
der  Preise  von  27  000 
M.  auch  in  anderer 
Weise  zur  Verthei- 
lung  zu  bringen,  kei- 
nen Gebrauch  ge- 
macht, was  mit  An- 
erkennung zu  be- 
grüssen  ist ; denn  ein 
Abweichen  von  den 
in  Aussicht  gestellten 
Preisen,  die  doch  nur 
in  der  nun  einmal 
festgesetzten  Höhe 
ihre  Anziehungskraft 
ausüben,  hat  immer 
etwas  Missliches  und 
bereitet  zahlreiche 
Enttäuschungen, 
durch  welche  das 
ohnehin  schon  an 
Enttäuschungen  so 
reiche  Wettbewerbs- 
Verfahren  nicht  noth- 
wendigerweise  noch 
mehr  belastet  zu  wer- 
den braucht.  Die  ört- 
lichen Bedingungen 


381 


für  die  Aufgabe  waren  günstige.  Das  Gebäude,  für 
welches  einschliesslich  der  Heizungs-,  der  Ent-  und  Be- 
wässerungs-Anlagen sowie  der  Beleuchtungs-Anlagen 
eine  Summe  von  i 650000  M.  zur  Verfügung  steht,  in 
welcher  Summe  jedoch  die  Herstellung  der  Umgebung 
des  Rathhauses,  die  nicht  unwesentlich  umzugestalten 
ist,  nicht  einbegriffen  wird,  soll  auf  einem  regelmässig 
begrenzten  rechteckigen  Platze  errichtet  werden,  der  an 
der  oberen  Königsstrasse,  der  Hauptverkehrsader  der 
Stadt,  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  des  alten,  an 
der  oberen  Carlstrasse  gelegenen  Rathhauses  liegt 
und  welchen,  wie  der  umstehende  Lageplan  zeigt,  die 
Königs-,  die  Wilhelms-,  die  Carls-  und  die  Fünffenster- 
Strasse  umziehen.  Es  stand  den  Bewerbern  frei,  den 
in  sich  geschlossenen  mit  AB  CD  bezeichneten  Theil 
zu  bebauen  oder  aber  eine  Anlage  mit  nach  der 
Königsstrassc  vorgezogenen  Seitenflügeln  zu  schaffen. 
Das  Gebäude  war  für  zwei  Bauperioden  zu  planen; 
die  erste  Bauperiode  sollte  für  19  Raumgruppen 
6050  die  zweite  etwa  2400^®  Fläche  umfassen. 
Dem  zunächst  zur  Ausführung  gelangenden  Theil 
war  ein  in  sich  geschlossener  monumentaler  Cha- 
rakter zu  verleihen.  Die  Architektur  sollte  den  Cha- 
rakter des  Bauwerkes  klar  zum  Ausdruck  bringen, 
war  aber  in  ihrer  Stilhaltung  völlig  in  das  freie  Er- 
messen der  Bewerber  gestellt.  Als  Material  für  die 
Aussenansichten.  war  Haustein,  für  die  Hofansichten 
Backstein  zu  wählen. 

Das  Rathhaus  sollte  ein  Kellergeschoss,  ein  Unter-, 
ein  Erd-,  ein  Zwischen-  und  zwei  Obergeschosse  er- 
halten. Sämratliche  Kassen,  sowie  die  Armenverwaltung 
und  das  Gewerbegericht  waren  ira  Erdgeschoss,  die 


Arbeits  - Vermittelungsstellc  und  die  Sparkasse  im 
Sockelgeschoss  unterzubringen.  Die  übrigen  dem  Ver- 
kehr mit  dem  Publikum  dienenden  Geschäftsräume 
sollten  im  Erd-  und  im  Zwischengeschoss  angelegt 
werden.  Die  Sitzungssäle  und  die  Hauptverwaltung 
waren  in  das  als  Hauptgeschoss  zu  betrachtende  erste 
Obergeschoss,  das  Stadtbauamt  in  das  zweite  Ober- 
geschoss, die  übrigen  Verwaltungsräume  in  die  ver- 
schiedenen Geschosse  zu  legen.  Gefordert  waren 
ferner  eine  Rathskellerwirthschaft  mit  Nebenräumen 
und  Wohnung  für  den  Wirth  usw.  Mit  dem  Haupt- 
eingange war  eine  der  Würde  des  Gebäudes  ent- 
sprechende Haupttreppe  zu  verbinden.  Die  Einzel- 
forderungen des  Raumprogrammes  gingen  nicht  über 
die  für  Gebäude  ähnlicher  Art  gebräuchlichen  Er- 
fordernisse hinaus.  Es  war  auch  hier  die  häufig 
wiederkehrende  Forderung  gestellt,  dass  der  Sitzungs- 
saal für  den  Magistrat  mit  100  und  der  Sitzungssaal 
für  die  Stadtverordneten  mit  240  Fläche  unter  Ein- 
schluss eines  Garderoberaumes  so  zusammen  zu  legen 
seien,  dass  sie  leicht  in  Festräume  umgewandelt  wer- 
den können.  Im  Grossen  und  Ganzen  waren  die  Forde- 
rungen klar  und  übersichtlich  aufgestellt,  und  die 
treffliche' Bearbeitung  der  Unterlagen  im  Verein  mit 
der  heute  glücklicherweise  nicht  mehr  so  sehr  seltenen 
Zusage,  dass  hinsichtlich  der  Ausführung  die  Absicht 
bestehe,  einen  der  Preisträger  mit  der  künstlerischen 
Bearbeitung  der  Ausführungs -Entwürfe  zu  betrauen, 
mögen  zusammengewirkt  haben  zu  dem  reichen  Er- 
folge des  Preisausschreibens,  der  nicht  allein  der  ge- 
schäftlichen Stille  unserer  Tage  zuzuschreiben  ist.  — 

(Fürtsetzung  folgt.) 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1002. 


IV.  Die  Aussteliungsbauten  in  künstlerischer 
Hinsicht.  (Schluss.)  Hierzu  die  Abbildg.  S.  381. 

eiterhin  tritt  -die  grosse,  von  dem  Ausstellungs-Ge- 
lände  mit  ihrer  Länge  von  280  “ weit  in  die  Kre- 
IfcSaflll  felderstrasse  hineingebaute  Maschinenhalle  mit 
ihrer  Schmalseite  von  52  “ an  die  Hauptallee  hinan.  Sie 
bedeckt  mit  ihren  Anbauten  für  Dampfkessel,  Pumpen, 
Kondensations-Maschinen  und  Kühlthürmen  eine  Boden- 
fläche von  insgesammt  etwa  20  000  q®.  Die  dreischiffige 
in  Eisen,  Stein  und  Glas  erbaute  Halle  hat  vorn  eine  quer 
vorgelegte  Eingangshalle  und  ist  an  der  Schauseite  ver- 
kleidet mit  einer  von  den  Architekten  Kayser  & v.  Grosz- 
heim in  Berlin  und  Wühler  in  Düsseldorf  entworfenen 
Architektur,  die  mit  ihrer  reichen  Putzfassade  in  einem 
mattgelblichen  Ton,  ohne  weitere  farbige  Zuthaten,  in 
einem  grossen  mittleren  und  zwei  kleineren  Halbkreis- 
bögen zu  den  Seiten  die  riesigen  in  warm  grünlichem 
Glase  schimmernden  Fenster  umschliesst.  (Vergl.  die  Ab- 
bildg. in  der  nächsten  No.  61).  Zu  den  guten  Innenräumen 
der  Ausstellung  gehört  jedenfalls  die  Ausschmückung  der 
Eingangshalle.  Der  Raum  ist  getheilt  durch  offene  Säulen- 
stellungen und  empfängt  sein  warm  gebrochenes  Licht  aus 
einer  Kuppel  mit  naturalistischer  Kunstverglasung  in  vor- 
wiegend grünen  und  gelben  Farben.  Die  kurzen  Pfeiler 
des  Umganges  oben  sind  mit  lebenden  Topfpflanzen  besetzt 
und  durch  würdige  hübsch  durchbrochene  dunkelgrün 
gehaltene  schmiedeiserne  Schranken  verbunden;  in  den 
Interkoluranien  der  Säulen  hängen  die  etwas  schwer  und 
massig  mit  Adlern  und  Eichenzweigen  besetzten,  sonst 
vorzüglich  gearbeiteten  Messingkronleuchter  herab,  und 
die  Mitte  wird  eingenommen  von  einer  schön  bewegten 
Brunnenfigur  über  kreisrundem  von  Pflanzengrün  recht 
geschmackvoll  dekorirtem  Wasserbecken.  Auch  der  Blick 
von  hier  oder  von  den  Emporen  aus  in  die  Maschinen- 
halle selbst,  mit  ihrem  Leben  und  Treiben,  dem  Auf-  und 
Niedergehen  der  Kolben,  dem  Getriebe  der  Räder  und 
Transmissionen,  ist  von  eigenthümlichem  fesselndem  Reiz. 

Ein  einfacherer  Bau  neben  dem  Bochumer  Verein, 
dient  der  Ausstellung  polygraphischer  Gewerbe,  so- 
wie für  die  Vorführung  von  Leistungen  der  zahlreichen 
westdeutschen  Fachschulen.  Es  folgen  in  der  Um- 
gebung einige  kleine  Sonderausstellungen  in  einigen  durch 
den  farbigen  Anstrich  würksam  herausgehobenen  Einzelge- 
bäuden von  geringeren  Abmessungen. 

Hervorragend  wieder,  in  der  Reihe  der  Gross-Industrie- 
paläste, tritt  rechts  neben  dem  Gebäude  für  die  Papier- 
industrie das  von  den  Düsseldorfer  Professoren  Schill 
und  Kleesatte]  entworfene  Gebäude  der  Rheinischen 
I'Ietallwaaren  und  Maschinenfabriken  vor  Augen. 

382 


(Vergl.  die  Abbildg.  S.  385).  Der  Mittelbau  mit  breiten 
Giebelaufsätzen  und  durchbrochener  Bogengallerie  ist  mit 
seiner  Längsaxe  im  rechten  Winkel  zum  Rhein  gerichtet,  die 
Seitenhallen  sind  mit  hübsch  durchbrochenen  Brüstungen 
besetzt.  Prächtig  präsentirt  sich  die  Front  zwischen  den 
starken  Rundthürmen,  die  in  ihrem  oberen  Geschoss  ins 
Achteck  übergehen  und  hier  auf  jeder  Achtecksseite  ge- 
schweifte in  zierliche  Knäufe  auslaufende  Giebel  tragen. 
Die  geschweiften  schiefergedeckten  Kuppeldächer  sind  mit 
schmiedeisernem  Zierrath  versehen,  getriebene  schmied- 
eiserne Wasserspeier  springen  aus  den  8 Ecken  der  Trauf- 
rinne  hervor.  Der  malerische  Eindruck  dieser  Strassen- 
front  wird  gehoben  durch  die  ansprechende  Art,  wie  die 
Treppen  mit  ihren  durchbrochenen  Wangen  der  Vorhalle 
angelegt  und  mit  der  Gesammtwirkung,  wie  auch  mit  der 
Fenstertheilung  im  Halbrund  des  Mittelbaues  in  Einklang 
gebracht  sind.  Die  Thürme  sind  durch  Bogenstellungen 
mit  rother  Ziegelabdeckung  mit  dem  Mittelbau  verbunden. 
Die  Giebelschrägen  der  Front-  wie  auch  der  Seitengiebel 
sind  mit  abgetreppten  Säumen  und  mit  Muschel-  Ornamenten 
besetzt.  Ein  wohlabgewogenes  Verhältniss  ruhiger  Flächen, 
namentlich  bei  den  von  nur  wenigen  gerade  geschlossenen 
zweitheiligen  Fenstern  durchbrochenen  Thürmen,  zu  den 
reicher  gehaltenen  Gesimsen,  Rahmungen  und  oberen 
Endigungen  verleiht  diesem  Gebäude  seine  Vorzüge. 

Der  ganz  in  Eisen  erbaute,  nur  mit  leichten  Füllungen 
unten  geschlossene  mächtige  Bau  der  Gutehoffnung.s- 
hütte  in  Oberhausen  und  der  Gasmotorenfabrik  in 
Deutz,  Architekt  Bruno  Möhring  in  Berlin,  zeigt  an  der 
Vorderseite  ein  langgestrecktes  Rechteck,  mit  einer  von 
zwei  schlanken,  im  offenen  dünnen  Eisengespärre  er- 
scheinenden Thürmen  flankirten  Giebelfront  in  der  Mitte 
und  zwei  kleineren  Giebeln  an  den  Enden  rechts  und 
links;  der  Mittelbau  wird  belebt  von  je  6 auskragenden 
Seiten-Giebeln  auf  der  Süd-  und  Nordseite.  (Vergl.  die 
schon  früher  gegebene  Abbildg.  S.  305).  Dabei  ist  wenig- 
stens der  Eigenart  des  Materials  vollauf  Rechnung  getragen 
und  ein  Versuch  gemacht  worden,  die  Gedanken  des  In- 
genieurs unverkleidet  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Unter  den  kleineren  Bauten  weiter  nördlich,  unter  den 
Pavillons  von  dauerhafterem  Material, , tritt  der  kapellen- 
artige Rundbau  der  Buderuss’schen  Eisenwerke  in 
Wetzlar  hervor.  Er  ist  in  schweren  byzantinisirenden 
Formen  nach  dem  Entwürfe  der  Arch.  vom  Endt  & 
Bauer  in  Düsseldorf  mittels  grauer  Schlackensteine 
aufgeführt,  mit  Maskenaufsätzen  in  den  Scheiteln  der 
Fensterbögen  und  vergoldeten  Laubwerkfriesen  an  den 
Rundsäulen  und  eingesetzten  Thürmen.  Im  ultramodern- 
sten Stil  ist  ein  Werk  von  Schaefer  & Lange  in  Kre- 
feld gehalten,  eine  einfache  rechteckige  Halle  mit  lebhaft 


No.  60. 


bewegter  oberer  Begrenzungslinie,  4-iheilig  an  den  Seiten- 
flächen mit  abwechselnd  gelber  und  orangerother  Tönung 
und  mit  grünpatinirte  Bronzebeschläge  nachahmenden 
naturalistischen  Reliefs.  Zu  den  besten  kleineren  Bauten 
gehört  dann  wieder  das  Sonder-Ausstellungsgebäude  der 
Allgem.  Thermitgesellschaft  in  Essen  in  Firma  Th. 
Goldschmidt.  Es  stellt  sich  dar  als  ein  dorischer  Bau  mit 
Vorgesetztem  Giebelportal,  zwischengestellten  ionischen 
Säulen  und  begrenzt  von  hochaufstrebenden,  durch 
einen  schmalen  Säulengang  verbundenen  Seitenobelisken. 
Eine  vergoldete  Viktoria  krönt  das  Giebelfeld.  Die  Pro- 
fessoren Schill  und  Kleesattel  haben  bei  der  Lösung 
dieser  Aufgabe,  bei  welcher  es  sich  darum  handelte,  dem 
ersten  Theil  des  ganzen,  nämlich  dem  nördlichen  Ende 
der  Ellipse,  in  welche  die  vierreihig  mit  Bäumen  be- 
pflanzte Hauptallee  zunächst  ausraündet,  einen  wirksamen 
Abschluss  zu  geben,  auch  das  Innere  berücksichtigt  und 
gezeigt,  mit  wie  wenigen  Mitteln  eine  wohlabgewogene 
Dekorationsmalerei  den  Raum  vornehm  und  freundlich 
zu  schmücken  vermag.  Der  reichverzierte  Pavillon  für 
die  Ausstellung  von  „Kayserzinn",  für,  die  Firma 
J.  P.  Kayser  & Sohn  in  Krefeld,  von  den  Architekten 
Kayser  & v.  Groszheim  in  Berlin  entworfen,  zeigt 
eine  achteckige  Halle  mit  farbig  verglaster  Kuppel  und 
Vorgesetzten  Säulen  auf  den  8 Ecken,  romanisirende 
Kapitale,  breite  bis  auf  die  Sockelplatte  hinabgehende 
Fenster  mit  reichen  Kunstverglasungen  und  zart  vertieften 
Reliefumrahmungen.  Der  schmale  Fries  ist  mit  akanthus- 
artigem  Laubwerk  und  mit  vergoldeten  Kornährenbündeln 
ausgestattet,  auf  den  Ecken  prangen  vergoldete  Wappen- 
schilde. 

Ein  Werk  des  Ausstellungs-Bureaus,  an  dessen  Spitze 
der  Chef-Architekt  der  Ausstellung  Fischer  steht,  und  ins- 
besondere des  I.  Architekten  dieses  Büreaus,  Carl  Stock, 
ist  die  Festhalle,  die  hier  den  Sammelpunkt  der  aus  der 
vorhin  erwähnten  Prachtstrasse  und  der  weiter  nördlich 
sich  verzweigenden,  namentlich  die  Haupt-Industriehalle 
umgebenden  Strassenzüge  Herankommenden  bildet.-.  Es 
ist  eine  vorn  im  Halbkreise  geschlossene  Halle  mit  einem 
verandenartigen  Umgang  in  leichter  Holzkonstruktion,  nach 
Süden  mit  Vorhalle  und  Empore,  nach  Norden  mit  halb- 
rundem Orchesteranbau  undmitgrossemhalbkreisförmigem 
Fenster.  Die  Holzkonstruktion  im  Inneren  ist  in  blau- 
grauen Tönen  mit  aufschablonirtem  Muster  bemalt,  die 
Gurte  sind  mit  gelblichen  Laubkränzen  besetzt  und  die 
hohen  Wandfriese  zeigen  eine  Malerei  von  grosslaubigem 
naturalistischem,  mit  Thieren  durchsetztem  Rankenorna- 
ment, regelmässig  unterbrochen  von  abwechselnd  rothen 
und  grauen  Wappensctiildern  mit  den  Emblemen  der  ver- 
schiedenen bürgerlichen  Gewerbe.  Im  Aeusseren  wirkt, 
wie  bei  vielen  derartigen  anderen  Bauten,  der  kräftige 
Farbenakkord:  Ziegelroth  {der  Sattel-  und  Walmdächer), 
Kupfergrün  (der  Kuppel-  und  Zwiebeldächer),  Gold 
(der  kleinen  Knäufe  und  Spitzen  und  sonstigen  Zierrathe) 
und  endlich  das  mehr  oder  weniger  abgetönte  reliefirte 
Weiss  der  grossen  Putzflächen. 

Unter  Verwerthung  des  eigenen  Fab rikations-Materiales 
ist  der  grössere  Pavillon  der  „Vereinigten  Zinkwalz- 
werke" mit  verkupferten  Zinkplatten  abgedeckt  worden. 
Es  ist  ein  kleinerer  Längsbau  mit  Mittel-Querbau  und  mit 
höher  gezogenem  Mittel-Giebeldach  in  sehr  bewegter 
Linie.  Der  Entwurf  ist  das  Werk  der  Düsseldorfer  Archi- 
tekten H.  Goerke  und  E.  Roeting. 

Ein  hochaufragendes  eisernes  Fördergerüst  lässt  den 
Besucher  schon  von  weitem  das  Vorhandensein  der  charak- 
teristischen Theile  einer  Zechenanlage  ahnen.  In  Ver- 
bindung damit  erhebt  sich  ein  Gebäude,  das  mit  Recht 
die  Augen  der  Laien,  der  Ingenieure  und  der  Künstler 
auf  sich  zieht,  und  zwar  wegen  der  grossen  Ausdehnung, 
der  klaren  Grundriss-Anordnung  und  Ausschmückung  des 
Inneren  und  der  sinnvollen  Aufstellung  der  Gegenstände. 
Es  ist  die  gewaltige  Ausstellung  des  Vereins  für  berg- 
bauliche Interessen  im  Ober  - Bergamtsbezirk 
Dortmund.  Ob  das  Programm  dafür  von  den  königlichen 
Behörden  oder  von  den  Zechenverwaltungen  ausgegangen, 
oder  ob  es  von  den  betheiligten  Künstlern  und  Ingenieuren 
ersonnen  ist,  gleichviel,  man  kann  hier  wieder  sehen, 
welch’  eigenartige  Reize  in  der  Lösung  einer  solchen  Auf- 
gabe sich  erschliessen  können,  sobald  man  ein  herge- 
brachtes Schema  verlässt  und  das  besondere  Wesen  der 
: Industrie  im  Auge  behält.  (Wir  geben  die  Abbildung  des 
Mitteltheils  dieses  Baues  in  nächster  Nummer). 

Weniger  noch  in  der  äusseren  Architektur  als  viel- 
mehr in  der  Gruppirung  der  Innenräume  und  in  der 
originellen  dekorativen  Ausgestaltung  der  Vorhalle  liegen 
die  Vorzüge  des  in  den  ersten  Entwürfen  vom  verstor- 
benen-Architekten  Thielen  in  Hamburg  und  in  der  weite- 
ren Bearbeitung  vom  Architekten  der  AusstellungFischer 
herrührenden  Gebäudes.  Es  ist  eine  grosse  mit  rothem 

26.  Juli  1902. 


Asphaitpapp- Satteldach  gedeckte  Mittelhalle,  von  Süden 
nach  Norden  hin  sich  erstreckend  und  in  der  ganzen  Länge 
begleitet  von  zwei  niedrigen  Seitenhallen  mit  je  halbkreis- 
förmig geschlossenen  Fenstern.  Ueber  der  Mitte  der 
Haupthalle  erhebt  sich  ein  8 eckiger  Kuppelbau  von  recht 
ansehnlichemUmfange  mit  einer  zierlichen  Arkadenkrönung 
und  kräftig  heraustretenden  Spitzthürmen  auf  den  Ecken. 
In  das  rothe  Kuppeldach  schneiden,  den  einzelnen  Kappen 
entsprechend,  grosse  kreisrunde  Fenster  ein,  ferner  ent- 
hält jede  Seitenfläche  dieses  Zentralbaues  je  zwei  im  Esels- 
rücken geschnittene  Fenster.  Das  Motiv  der  in  vergoldete 
Knäufe  ausgehenden  Eckthürmchen  wiederholt  sich  in  dem 
hübschen,  von  einer  Säulenstellung  durchbrochenen  Auf- 
bau, welcher  die  Kuppel  oben  abschliesst.  Die  Giebel- 
seiten des  Gebäudes  sind  auf  den  Ecken  und  im  Scheitel 
ausgezeichnet  durch  Aufsätze  in  der  Form  mehrfach  ge- 
kuppelter Eckpfeilerchen.  In  der  Hauptfassade  herrscht 
die  grosse  halbkreisförmige  Bogenöffnung,  entsprechend 
der  in  der  mittleren  Queraxe  vorgebauten  Eingangshalle 
mit  breitem  Tonnengewölbe.  Dieser  weit  gespannte  Ein- 
gangsbogen enthält  in  der  Mitte  einen  wappengeschmückten, 
mit  den  Emblemen  des  Bergbaues  in  Ornament  versehenen 
Flächenaufbau  und  wird  rechts  und  links  flankirt  von 
kräftigen,  mit  Zinnenkranz  und  schiankgezogener  Zwiebel- 
kuppel endigenden  Eckthürmen,  die  mit  dem  Vorbau 
bastionartig  vortrelen  und  dem  Ganzen  ein  ernstes  Ge- 
präge verleihen,  In  der  Hallenöffnung  stehen  auf'hohen 
Postamenten  die  wohlgelungenen  Standbilder  eines  Hütten- 
arbeiters und  eines  Bergmannes. 

Das  Bergmannsleben  hat  seine  Poesie.  Der  Zauber 
des  Geheimnissvollen  waltet  in  ihm.  Jeder  fühlende  Mensch 
ist  dafür  empfänglich  und  schenkt  dem  Arbeiter  in  der 
Tiefe  sein  besonderes  Interesse.  So  ist  auch  interessant 
die  Art,  wie  die  Kohle,  der  „schwarze  Diamant“  im 
Inneren  der  Eingangshalle  dekorativ  verwerthet  wird. 
Auf  dem  mit  orangerothen  Fliesen  belegten  Boden 
heben  sich  die  schwarzen  Kohlenblöcke,  wohlgeordiv  t 
und  von  Pflanzengrün  umgeben,  recht  wirkungsvoll  ab. 
In  2 Blendarkaden  und  in  . einem  auf' Lisenen  . ruhenden 
hohen  Fries  sind  auf  mattgelblichem  Putzgrunde  die  Bögen, 
Rahmen  und  Füllungen  aus  schwarzen  Briketts  rriit  gelb- 
lichem Fugenmörtel  ausgeführt,  die  grossen  Scheitel-  und 
Seitenquader  in  den  Blendbögen  aber  aus  roh  gebrochenen 
und  ungeglättetenKohlenstücken  gebildet.  Dießogenfelder 
in  den  Seitenarkaden  vergegenwärtigen  in  ihren  rauh  ge- 
haltenen gelblichen  Felswänden  ein  sogen.  „Gebirge",  d.  h. 
je  einen  Felsen  mit  sogen.  „Querschlag“.  Kohre  und  Koks 
sind  ferner  zu  hübschen  pyramidalen  Aufsätzen  verwen- 
det, während  seitliche  Nischen  an  die  Theergewinnung 
erinnern.  In  der  Gewölbefläche  breitet  sich  wie  ein  grosser 
Gobelin,  schwarz  und  gelb  besäumt,  eine  in  Farbe  und 
Zeichnung  dem  Ganzen  wohl  angepasste  Malerei  von 
Schütz  aus,  welche  Landschaften  aus  der  Steinkohlenzeit 
darstellen.  Auch  der  Mittelbau  zeigt  in  seinen  vier  Bogen- 
öffnungen unter  dem  Kuppelbau,  mit  den  gekuppelten 
Säulenstellungen  in  den  breiten  Laibungen,  den  reichver- 
goldeten Zierstücken  mit  Wappenaufsätzen  und  weiblichen 
zinnengekrönten  Masken,  sowie  nicht  zum  wenigsten  auch 
durch  die  nächtlich  gefärbten  4 Wandgemälde  von  Zieger, 
eine  gute  Wirkung,  Das  Glasdach  der  Kuppel  ist  in 
ruhigen  Tönen  gehalten  und  auf  dem  niedrigen  Tambour 
mit  reichvergoldeten  stilisirten  Fruchtbäumen  und  Festons 
besetzt.  In  einem  Nebenraume,  der  einer  Ausstellung 
von  Dynamit -Sprengstoffen  dienen'  soll,  hat  S.  "Witt- 
schas  eine  allegorische  Darstellung  der  Erdgeister  und 
ihrer  Segnungen  in  lebensgrossen  gut  gezeichneten  Fi- 
guren mit  Kase'infarben  gemalt.  — Vorbei  an  dem  kleinen 
im  romanischen  Stil  aus  Schwemmsteinen,  Stampfbeton, 
und  Tuffstein  erbauten  Gebäude  für  die  „Akt.-Ge- 
sellsch.  Rheinischer  Bergbau  und  Hüttenwesen“ 
kommt  der  Besucher  an  die  Südfront  der  Haupt-In- 
dustriehalle.  Dieses  Gebäude  gewährt  in  seiner  be- 
deutenden Länge  von  etwa  400°»,  trotz  der  naturgemäss 
unvermeidlichen  Eintönigkeit  einer  langen  Flucht  von 
weissen  Flächen,  von  vorn  oder  vom  Rheine  her  gesehen, 
einen  eindrucksvollen  Anblick.  Bedeutungsvoll  tritt  der 
Mittelbau  in  die  Erscheinung.  Auf  achteckigem  mächtigem 
Unterbau  (der  amtliche  Führer  spricht  von  800  Boden- 
fläche allein  für  die  Kuppelhalle)  erhebt  sich  die  gewaltige 
Hauptkuppel,  auf  4 Seiten  von  je  einem  giebelüberdeckten 
grossen  Rundfenster  durchbrochen.  (Vergl.  die  voraus- 
geschickte Bildbeilage  in  Nr.  58).  In  der  Queraxe  tritt  west- 
lich eine  mit  Satteldach  gedeckte  Vorhalle  vor,  die  sich  in 
grossem  Halbkreisbogen  öffnet  und  rechts  und  links  mit 
starken  quadratischen  Eckthürmen  sowie  mit  einem 
Schmuckgiebel  ausgestattet  ist.  Die  Thürme  sind  mit  der 
niedrigeren,  in  der  ganzen  Länge  der  Haupthalle  vorge- 
legten westlichen  Seifenhalle  eingebaut.  Vorn  treten  noch 
zwei  kleine  gleichfalls  im  Halbkreis  geöffnete  Vorbauten 

383 


vor,  welche  von  je  2 in  offenen  Arkaden  durchbrochenen 
und  mit  Halbkuppeln  bedeckten  Thürmen  [flankirt  sind. 
Die  Hauptthürme  sind  im  Obergeschoss  mit  je  3 Bogen- 
öffnungen auf  jeder  Seite,  mit  durchbrochenen  Gallerien 
und  kleinen  kuppelgekrönten  Eckthürmchen  versehen, 
während  zuletzt  die  schwere  Masse  der  Thürme  sich  auf- 


loser Linie  sich  hinziehenden  rothen  Dach  der^iaupthalle 
in  gehörige  organische  Verbindung.  Das  Bild  des  reich- 
gegliederten  Mittelbaues  würde  ein  noch  freundlicheres 
werden,  wenn  Farbe  oder  Vergoldung  noch  mehr  hinzu- 
gezogen wären.  Die  Vorhalle  unter  den  Thürmen  ist  der 
durchgehenden  ersten  Vorhalle  noch  als  zweite  hinzuge- 
fügt. Letztere  mündet  in  einer  Entfernung  von  ungefähr 
der  Breite  des  Mittelbaues  rechts  und  links  von  demselben 
in  je  einem  schweren  ungegliederten  Rundthurm  mit  ein- 
fachem rothem  Kegeldach  und  zwei  kleinen  zylindrischen 
Aufsätzen,  die  wieder  kuppelartig  geschlossen  sind.  Die 
lange  Flucht  ist  über  der  endlosen  Reihe  der  4theiligen 
rechteckigen  Fenster  viermal  unterbrochen  durch  ge- 
schweifte Giebelaufsätze  mit  flachem  antikisirendem  Relief. 
Endlich  sind  die  schmalen  Nord-  und  Südfronten  ausge- 
zeichnet durch  halbkreisförmige  kurze  Vorhallen,  Giebel- 
aufsätze  und  schmale  Rundthürmchen  auf  den  Ecken.  Von 
den  seitlichen  schweren  Ausbauten  in  runder  Grundriss- 
form ist  der  eine  nach  dem  Rhein  zu  gelegene  mit  einem 
Glaskegel  gedeckt  und  trägt  oben  eine  viel  zu  zierliche, 


Abbildg.  5.  Lagcplan  des  Simplon-Massivs. 

Der  Slmplon-Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte 
der  älteren  Alpen-Tunnel. 

Abbildg  6.  LinienfOhrung  des  Tunnels. 


löst  wieder  in  Sseitige  Durchbrechungen  und  dann  endigt 
in  orangefarbenen  schlanken  Kuppelhelmen.  Alle  kleinen 
und  grossen  kuppel-  oder  helmartigen  Bedachungen  laufen 
in  vergoldete  Knäufe  aus.  Der  Hauptkuppelbau  setzt  sich 
mit  dem  höher  über  dem  Längsdach  hinauf  gezogenen 
Satteldach  des  Mittelbaues  und  mit  dem  monoton  in  cnd- 


in  Strebebögen  mit  Fialen  endigende  Bekrönung.  Das 
Innere  des  Mittelbaues  ist  als  kreisrunder  Fest-  und  Re- 
präsentationsraum ringsum  mit  Wandgemälden  von  Prof. 
Fr.  Roeber  geschmückt.  Die  Front  des  Gebäudes  öffnet 
sich  ganz  dem  Rheine  zu  und  hat  gegenüber  nur  die 
Riesenfontainen-Anlage.  Der  erste  Entwurf  des  Gebäudes 

No.  60. 


384 


rührt  noch  vom  Arch.  G.  Thielen  her.  Er  ist  dann  im  wesen,  Gesundheits-  und  Wohlfahrts  - Einrich- 
Ausstellungsbüreau  wiederholt  umgearljeitet  und  verein-  tungen  schiebt  sich  das  malerisch  angelegte  Landschafts- 
facht. Die  Durcharbeitung  des  Mittelbaues  in  seiner  jetzigen  bild  der  Tyroler  Alpen  mit  dem  „SuldenthaT  und  „Ziller- 


Form  ist  das  Werk  des  schon  genannten  Arch.  Stock,  thal",  ein  von  Boswau  & Knauer  in  Berlin  nach  den 
In  den  Blick  zwischen  nördlichem  Ende  des  grossen  Entwürfen  der  Berliner  Arch.  Hochgürtel  und  v Stipp 
Industriepalastes  und  Halle  für  Bau-  und  Ingenieur-  mit  allen  Mitteln  der  Täuschung  geschaffenes  und  wohl- 

26  Juli  1902.  g 


gelungenes  Arrangement,  das  nur  etwas  fremdartig  in  diese 
Welt  der  Industrie  und  der  Technik  dreinschaut.  Dasselbe' 
gilt  von  den  umfangreichen  Bauten  des  auf  deranderenSeite 
näher  am  Rheinstrande  gelegenen  Vergnügungs-Etablisse- 
ments, das  sich  „Kairo“  nennt,  und  denen  gegenüber 
die  schwermüthig  düstere,  aber  malerisch  und  echt  wir- 
kende Fassade  des  als  Weinhaus  benutzten  Alt-Trierer 
Hauses  im  schärfsten  Gegensatz  steht.  — Die  grossen  Aus- 
stellüngs-Gebäude  der  K'önigl.  Staats-Eisenbahn-Di- 
rektionen  urid  der  Vereinigten  Waggon-  und  Loko- 
motiv-Fäbriken  und  des  Ausstellungs-Bahnhofes 
treten  vornehm  zurück,  die  zahlreichenPavillons  undKioske 
beleben  in  bunter  Fülle  den  runden  Platz  ..bei  der  „Ver- 
gnügungsecke“ und  gruppiren  sich,  mehr  oder  weniger 
reich  gehalten, -um  den  farbigen  Musiktempel,' 

Noch  einWort  über  die  zuletzt  genannten  drei  grösseren 
Bauten.  Die  Ausstellung  der  Köhigl.' Staatsbahn-Ver- 
waltungen in  Köln,  Essen  und  Elberfeld  ist  mit  rei- 
chen Mitteln  ins  Werk  gesetzt  worden  (vgl.  die  Abbildg.  in 
No.  58,  S.  374.)  Auf  höher  gelegenem,  mit  niedriger  relief- 
geschmückter  Brüstungsmauer  umgebenem  Hofe,  auf  denn. 
Apparate  für  die  Zeichengebung,  Signals'tangen  usw.  aufge- 
stellt sind,  erhebt  sich  mit  quadratischem  Grundriss  das  Ge- . 
bäude,  bestehend  ausMittelbau  mit  flacher  Kuppel  auf  niedri- 
gem'Tambour,  umgebender  Halle  mit  Pyramidendach- und 
breit  vorgelegtem  weit  nach  vornhinausgezbgenemTreppen- 
bau. -Schön  bewegte  und  drohend  vorgeneigte  Adler  halten 
den  .Tambouransatz  auf  4 Seiten  besetzt,  die  Kuppel  trägt 
eine,  vergoldete  Königskroiie,  die  4 Würfelflächen  des 
Mittelbaues  sind  von  breiten,  durch  dichte  Pfostenstellung 
getheilten  Fenstern  durchbrochen,  und  die  4 Ecken  des 
ganzen  Gebäudes  sind  ausgezeichnet  durch  quadratische 
oben  kurz  verjüngte,  reich;  rnit  Masken  bezw.  Laubge- 
hängen geschmückte  und' zuletzt  von  je  einer  Erdkugel  in 
GlasgekrönteThürme.  Eine.in  deryeriängerungderTreppe 
geführte  Vorhalle,  im' Halbkreis  geöffnet, , mit -Satteldach 
geschlossen,' zeigt  nach  vorn  einen,  hoch  hinaufgezogenen 
BarockgiebeTmit  dem  Symbol  des  Eisenbahndienstes,  dem 
geflügelten  Rad,- als  obeirsten  Abschluss.  Die  weit  vor- 
tretehden  Treppenwängen  endlich  tragen  freistehende 
Rundsäulen  auf  hoheiii  Stuhl.  In  der  Nähe  dieses  Gebäu- 
des tritt  die' grosse  Front  der.  Halle  für ‘die  Vereinigten 


Waggon-  und  Lokoraotiv-Fabriken  Düsseldorf  in 
die  Erscheinung.  Etwas  kalt  wirken  die  grossen  weissen 
Flächen  mit  der  Menge  dünner  Reliefs,  etwas  streng  sind  die 
paarweise  mit  dem  Rücken  zusammenstehenden  Genien 
auf  den  Gipfeln  der  Mittelbauthürme.  Die  Eckrisalite  sind 
ähnlich  dem  Mittelrisalit  von  d.icht  gekuppelten  Säulen 
flankirt,  die  Seitenfassaden  sind  im  flachen  Stichbogen  ge- 
schlossen, imganzen  herrscht  die  Senkrechte  vor.  — An- 
muthig  und  freundlich  wird  dieser  Theil  der  Ausstellung 
begrenzt  von  der  quer  vortretenden  Fassade  des  als  Kopf- 
station am  Nordende  gelegenen  Bahnhofes  (s.  Seite  381). 
Sie  darf  unter  den  nach  malerischen  Grundsätzen  und  als 
Fachwerksbau  komponirten,  wie  auch  gegenüber  den  ver- 
schiedenen althistorischen  Bauten  getreu  nachgeahmten 
Gebäuden,  zu  welch’  ersteren  die  Haupt-Weinwirth- 
schaft  und  Speisehalle  amNordende  und  das  lustig 
aussehende  Cafe  zur  schönen  Aussicht  (dicht  am 
. Rhein  von  den  Düsseldorfer  Professoren  Schill  und  Klee - 
s att  e 1 entworfen),  sowie  andererseits  das  alte  wohlbekannte 
Bacharacher  Haus  gehören,  als  besonders  gelungen  be- 
zeichnet werden.  Das  gilt  von  der  Gruppirung  der  vor-  und 
zurücktretenden,  voh'Thürmen  und  Giebeln  überhöhten 
Theile,  wie  auch  von  der  Farbengebung.  Der  Entwurf 
ist  ebenso  wie  der  des  Ausstellungs-Gebäudes  der  Eisen- 
bahn-Direktionen im  Ministerium  der  öffentl.  Arbeiten  ent- 
standen. Die  künstlerische  Leitung  der  Ausführung  hatte 
Landbauinspektor  Mettegang.  Zu  den  geschmackvollen 
Bauten  in  dieser  Umgebung  ist  auch  die  Ausstellung  der 
Uerdinger  Waggonfabrik  (von  den  Archit.  Bomert 
und  Niebel  in  Krefeld)  zu  rechnen. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Ausführung 
eines  grossen  Theiles  der  Ausstellungsbauten  (vgl.  übrigens 
auch  die  schon  gemachten  Mittheilungen  in  dem  Abschnitt 
über  die  Konstruktionen)  von  der  Firma  Boswau  & 
Knauer  herrührt,  die  auch  die  sämmtlichen  Arbeiten  des 
Ausbaues  und  der  Ausschmückung  übernommen  hat.  Der 
Entwurf  der  Eisen-  bezw.  Holzkonstruktionen  ist  von  ihr, 
wie  schon  erwähnt  wurde,  z.  Th.  dem  Ing.  O.  Leitholf  in 
Berlin  übertragen  worden.  Unter  diesen  Ausführungen 
nennen  wir  da.s  Hauptgebäude,  das  Gebäude  des  Hörder 
und  Büchumer  Vereins,  des  Vereins  für  die  bergbaulichen 
Interessen  usw.  — O.  Vorländer. 


Der  Simplon -Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel. 

(Fortsetzung;  ans. No.  55.) 


4.  Der.  Simplon-Tunnel. 
ie  Vorgeschichte  des  Simplon -Durchstiches  beginnt 
schon  mit  den  Entwürfen,  welche  als  Varianten  zu 
dem  Plane  des  Mont  Cenis  - Tunnels  bearbeitet 
wurden.-  'Alle-  Entwürfe  unterschieden  sich  im  wesent- 
lichen  durch  die  Höhenlage  der  Gradiente,  keiner  derselben 
gelangte' aber  über  die  ersten  Anfänge  hinaus.  Die  Pläne 
mit  hochliegender  Gradiente  und  kurzer  Tunnellänge 
konnten  wegen  der  starken  Gefälle  in  den  Zufahrtsrampen, 
die  einen'  wirksamen  Wettbewerb  mit  den  bestehenden 
Alpen  Uebergängen  ausschlossen,  nicht  infrage  kommen, 
während  die  sog.  Basistunnel -Entwürfe  mit  tiefliegender 
Gradiente  an  den  mit  80—90  Mül.  Frcs'.  berechneten  Kosten 
und  an  den  Zweifeln,  welche  inbezug  auf  ihre  Apsführ- 
barkeit  bei- den  zu  erwartenden  hohen  Gebirgs-Tempe- 
raturen  .mit  -Recht  gehegt-  wurden,  scheiterten. 

Der  Plan  des  Simplon-Durchstiches  gewann  deshalb 
erst  greifbare  Gestalt,  ’ als  Ing.  Alfred  Brandt  mit  dem 
Gedanken  hervortrat,  statt  des  bis  dahin  stets  in  Aussicht 
genommenen  zweigleisigen  Tunnels  zwei  eingleisigeTunnel 
mit  tiefliegender  Gradiente  auszuführen.  Diese  Theilung 
des  Richtstollens  in'a  heben  einander  liegende  Stollen  bot 
vor  allem  den  grossen  Vortheil,  dass  man  den  einen  Stollen 
als  Luftleitung  benutzen , und  dadurch  eine  ausreichende 
Lüftung  ..und  Abkühlung  erreichen  konnte,  uiid  sie  ge- 
stattete ferner,  die  Kosten  dadurch  zu  vermindern,  dass 
zunächst  nur  der  eine  der  beiden  Stollen  zu  einem  ein- 
gleisigen Tunnel  -ausgebaut  zu  werden  brauchte.  Die  tiefe 
Lage,  der  Gradiente  gewährte  ferner  den  Vortheil,  an 
beiden  Portalen  für  die  Betriebs-Einrichtungen  genügende 
Wasserkräfte  zur  Verfügung  zu  haben. 

Aufgrund  der  Vorschläge  von  Brandt  ist  dann  am 
2o.Sept.  1893  der  Verträg  zwischen  der  „Baugesellschait 
Brandt,  Brandau  & Co.“  und  der  Jura-Simplonbahn 
zustande  „gekommen,  nach  welchem  die  Baugesellschaft 
die  Herstellung- des  19  731™  langen  Tunnels  zu  folgenden 


Preisen  übernahm: 

1.  für  Installationen  7000000  Frcs., 

2.  „ ' einen  eingleisigen  Tunnel  mit 

Parallelstolle'n 47  500  000  „ 

3.  „ den  zweiten  eingleis.  Tunnel  15000000  „ 

zus.  69500000  Frcs. 


Der  erste  eingleisige  Tunnel  muss  nach  5^3  Jahren 
nach  der  Aufforderung  zum  Baubeginn  vollendet  sein  bei 
einer  Strafe  von.  5000  Frcs.  für  jeden  Tag  der  Fristüber- 
schreitung und  einer  Prämie  in  gleicher  Höhe  für  jeden 
Tag  der  früheren  Fertigstellung.  Der  Simplon-Durchstich 
wird  seitens  der  Baugesellschaft  auf  eigene  Gefahr  über- 
nommen. Die  im  Vertrage  festgesetzten  Preise  enthalten 
alle  Entschädigungen  für  erschwerte  Durchführung  der 
Arbeit,  sei  es  durch  Wasserzudrang,  hohe  Gesteins-Tempe- 
raturen, schlechtes  Gebirge  oder  irgend  welche  anderen 
Ursachen,  mit  Ausnahme  von  Kriegsfall,  wenn  Italien  oder 
die  Schweiz  dabei  verwickelt  sind,  von  Epidemien  oder 
Generalstreiks  ohne  Verschulden  der  Unternehmung.  Als 
weitere  wichtige  Bestimmung  des  Vertrages  ist  noch  zu 
erwähnen,  dass  die  Unternehmung  verpflichtet  ist,  für 
eine  genügende  Lüftung  mit  einer  Lufterneuerung  bis  zu 
50  cbm  in  I Sek.  zu  sorgen  und  die  Luft  an  den  Arbeits- 
stellen bis  zu  25OC.  abzukühlen. 

a)  Lage,  Höhe  und  Richtungs- Verhältnisse. 

Der  Tunnel  verbindet  das  Thai  der  Rhone  im  Norden 
mit  dem  Thal  der  Diveria  im  Süden.  (Vergl.  den  Lage- 
plan Abbildg.  5 und  die  Skizze  der  Linienführung  Abb.  6.) 
Er  durchbricht  den  Gebirgsstock,  welcher  durch  die,  sich 
zu  Höhen  von  3561,  3255  und  2991m  erhebenden  Spitzen 
des  Monte  Leone,  "Wasen-  und  Furggenbaumhornes  gebildet 
wird,,  und  über  welchen  die  Simplonstrasse,  von  Brig  im 
Rhonethal  ausgehend,  das  Thal  der  Saltine  und  Ganter 
benutzend,  an  dem  Orte  Berisal  vorbei  zwischen  dem 
Monte  Leone  und  dem  Fletschhorn  die  Passhöhe  von 
2008  m überschreitet.  Nach  Süden  senkt  sich  die  Strasse 
in  das  Thal  der  Diveria,  in  welchem  sie  durch  die  hoch- 
romantische Gondoschlucht  bald  hinter  dem  schweize- 
rischen Dorfe  Gondo  die  italienische  Grenze  überschreitet, 
um  dann  im  Tocethal  den  Ausgangspunkt  der  italienischen 
Bahn  nach  Novarra  in  Domodossola  zu  erreichen. 

Die  Lage  der  Tunnelaxe  ist  festgelegt  im  Norden  durch 
die  Lage  des  Bahnhofes  Brig  und  durch  die  Nothwendig- 
keit,  den  200  “ oberhalb  am  linken  Rhöneufer  anstehenden 
Gips  zu  vermeiden.  Im  Süden  war  die  Ausmündung  durch 
die  klimatischen  und  sonstigen  örtlichen  Verhältnisse  des 
sehr  eng  eingeschnittenen  Thaies  der  Diveria  bedingt. 
Erstere  verboten  eine  Lage  des  Tunnel-Portales  oberhalb 

No.  60. 


386 


des  Ortes  Iselle  behufs  Vermeidung  der  dort  noch  häufig 
vorkommenden  Lawinen.  Unterhalb  Iselle  bildet  das  Thal 
dagegen  zwischen  dem  Strassen-Tunnel  von  Iselle  und  der 
Einmündung  des  Cairasca-Baches  eine  Erweiterung,  welche 
die  Anlage  des  Platzes  für  die  Betriebs-Einrichtungen,  so- 
wie die  Anschüttung  eines  Plateaus  für  den  Bahnhof  Iselle 
bestattet.  Die  Abbildg.  auf  S.  333,  sowie  der  später  folgende 
Lageplan  Abbildg.  ii  geben  einen  Ueberblick  über  die 
Anordnung  des  Installations-Platzes.  Die  aus  dem  Lage- 
plan und  aus  der  Photographie  ersichtliche  Lage  der 


Abbildg.  7.  Längsprofil  des  Dlveria-Thales.  Südl.  Zufahrtsrampe. 


die  einen  Vergleich  mit  den  Zufahrtsrampen  am  Gotthard 
im  Rcuss-  und  Tessinthale  wohl  vertragen  kann. 

An  beiden  Enden  des  Tunnels  fallen  die  Anschluss- 
kurven an  die  zu  Tage  liegenden  Bahnstrecken  zum  Theil 
noch  in  den  Tunnel  selbst.  An  der  Nordseite  liegen 
285,4 in  einer  Krümmung  von  Halbmesser,  an  der 
Südseite  173,4“  desgl.  von  300®  Halbmesser.  An  beiden 
Tunnelenden  ist  aber  die  gerade  Linie  des  östlich  gelegenen 
Stollens  I . welcher  auch  zunächst  allein  zu  einem  ein- 
gleisigen Tunnel  ausgebaut  wird,  durch  besondere  Rich- 


Abbildg.  8.  Mündung  des  Richtstollens  mit  Brücke  über  die  Dlveria. 


Simplonstrasse  ist  die  alte,  wie  sie  bisher  bestanden  hat. 
Die  Strasse  wird,  um  für  die  Anlage  des  Bahnhofes  Iselle 
Platz  zu  gewinnen,  bis  dicht  an  das  Bett  der  Diveria  ver- 
legt werden.  Ueber  die  Weiterführung  der  Bahn  bis 
Domodossola  habe  ich  genaue  Angaben  nicht  erhalten 
können  und  war  auf  mündliche  Mittheilungen  angewiesen, 
nach  welchen  die.selbe  in  der  aus  dem  Lageplan,  Abb.  5, 


ersichtlichen  Weise  erfol- 
gen wird.  Aus  dem  in  Ab- 
bild. 7 dargestellten  Längs- 
profil des  Diveriathales 
ist  ersichtlich,  dass  zur 
Gewinnung  der  erforder- 
lichen Wagrechten  für  den 
Bahnhof  in  dem  stark  ab- 
fallendenThal  an  derStelle 
der  Einmündung  des  Cair- 
ascabaches  einKehrtunnel 
zur  Ausführung  gelangt, 
welcher  nachUeberschrei- 
lung  des  Cairasca-Baches 
dicht  oberhalb  der  Brücke 
für  die  Simplon  - Strasse 
am  linken  Ufer  des  Bache.s  beginnt,  diesen  oberhalb  unter- 
fährt und  unterhalb  der  Simplon -Strasse  die  Thalsohle 
des  Diveria-Baches  wieder  erreicht.  Die  Bahn  verfolgt 
dann  noch  das  linke  Diveria-Ufer  bis  unterhalb  des  Ortes 
Varzo,  wo  sie  auf  das  rechte  Ufer  Übertritt,  erreicht  das 
Tocethal  bei  Crevola  und  überwindet  die  bei  der  Ein- 
mündung der  Diveria  in  den  Toce  vorhandene  Thalstufe 
daselbst  dadurch,  dass  sie  am  Gehänge  des  rechten  Toce- 
Thalrandes  mit  einer  Ausbuchtung  in  das  Thal  der  Bogna 
bei  Domodossola  den  Bahnhof  daselbst  erreicht.  Nach 
den  mir  zur  Verfügung  stehenden  schweizerischen  und 
italienischen  Generalstabskarten  kann  auf  diesem  Wege  der 
Höhenunterschied  zwischen  dem  südlichen  Tunnelportal 
(634,2  m über  Meer)  und  dem  Bahnhofe  Domodossola  (etwa 
278  “ über  Meer)  mit  einem  Gefälle  von  i : 50  überwunden 
werden.  Die  Lage  der  Bahn  wird  namentlich  bei  der 
Einmündung  des  Cairasca-Baches  und  bei  Crevola  eine 
landschaftlich  äusserst  malerische  und  interessante  werden, 


tungsstollen  durchgeführt.  Dieser^Richtungsstollen  schneidet 
an  der  Südseite  den  in  die  Krümmung  fallenden  Theil 
des  Stollens  II,  da  die  Kurve  hier  nach  Osten  von  der 
Geraden  abweicht. 

Die  Gradiente  der  Bahn  wird  bedingt  im  Norden  durch 
das  Hochwasser  der  Rhone,  im  Süden  durch  die  Höhen- 
lage der  Simplonstrasse,  auf  der  der  Verkehr  durch  den 


Bau  möglichst  wenig  gestört 
werden  sollte.  Die  Höhenlage 
ist  hier  der  Art  gewählt,  dass 
die  beiden  Tunnelmündungen 
mit  der  Simplonstra.sse  ungefähr 
auf  gleicher  Höhe  liegen,  wäh- 
rend der  Richtungsstollen  die 
hier  stark  ansteigende  Strasse 
unterfährt  und  durch  eine,  aus 
einem  hölzernen  Sprengwerk 
bestehende  Brücke  (vgl.  Abb.8J 
mit  dem  auf  dem  rechten  Ufer 
der  Diveria  belegenen  Ablage- 
rungsplatz des  Tunnelmaterials 
uerprofile.  verbunden  ist.  Es  ergiebt  sich 

hiermit  ein  Höhenunterschied 
beider  Portale  von  53,08  ® um  welchen  das  Südportal  tiefer 
liegt.  Die  Gradiente  steigt  vom  Nordportal  von  der  See- 
höhe 687,10  “ mit  2°/(jo  bis  zur  wagrechten  Scheitelstrecke 
auf  705,20  ® Meereshöhe  und  fällt  von  da  mit  7O/00  bis  zum 
Südportal.  Die  höchste  Gebirgshöhe  über  der  Tunnelsohle 
wird  ungefähr  9^®  vom  Nordportal  beim  Furggenbaurapass 
unterfahren,  wo  dieselbe  2135®  beträgt,  also  rd.  430“ 
mehr  als  beim  Gotthardtunnel  (vergl.  Abbildg.  3,  S.  347). 

Die  angetroffenen,  bezw.  zu  erwartenden  Geb irgs  Ver- 
hältnisse in  geologischer  Beziehung  (vgl.  das  später 
folgende  Profil)  sind  vom  Nordportal  beginnend  folgende: 
Bis  auf  etwa  3700®  Länge  glänzende  graue  und  schwarze 
Schiefer,  durchbrochen  von  nicht  sehr  mächtiger  Dolo- 
mit- bezw.  Gipsschicht,  welche  Getriebe-Zimmerung  und 
Mauerung  mit  Sohlengewölbe  erforderte.  Es  folgt  bis 
etwa  6700  ® das  Becken  der  Ganter  in  welchem  kry.stal- 
linische  Schiefer,  unterbrochen  durch  Schichten'  von 
Glimmerschiefer,  Dolomit,  Marmor  und  Hornblende  zu 


26-  Juli  1902. 


387 


erwarten  sind.  Von  6,7 — 13,5''™  wird  das  Zentraimassiv 
des  Simplon  durchfahren,  welches  aus  Gneiss  und  Glimmer- 
schiefer vom  Monte  Leone  besteht,  im  letzten  Theil 
wechsellasjernd  mit  Dolomit  oder  krystallinischen:  Kalk- 
steinen. Der  ganze  südliche  Theil  des  Tunnels  ist  in  dem 
sehr  -harten  und  sehr  schwer  schiessenden  wagrechte 
Schichtung  zeigenden  Antigoriogneiss  aufzufahren,  welcher 
dem  Fortschritt  des  Stollens  ganz  erhebliche  Schwierig- 
keiten dargeboten  hat,  und  auSserdem  durch  seine  Eigen- 
schaft, .sich  unter  dem  Einfluss  geringerer  Temperatur 
in  schalenförmigen  Platten  von  zum  Theil  beträchtlichen 
Abmessungen  explosionsartig  abzulösen,  dazu  nöthigt,  fast 
den  ganzen  Voltausbruch  und  auch  die  Richtungsstollen 


Vermischtes. 

Ausstellung  des  künstlerischen  Nachlasses  von  Ed. 
Jacobsthal.  Zum  ehrenden  Gedächtniss  des  am  i.  Jan. 
1902  verstorbenen  Geh.  Reg.-Rths.  Prof.  Eduard  Jacobs- 
thal wird  mit  Genehmigung  und  unter  Förderung  des 
Hrn.  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- 
Angelegenheiten  auf  Veranlassung  der  Abtheilung  für 
Architektur  eine  Ausstellung  des  künstlerischen  Nachlasses 
in  der  Aula  der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin,  Char- 
lottenburg,, Berlinerstr.  151,  zum  Beginne  des  nächsten 
Winterhalbjahres  veranstaltet  werden.  Um  ein  vollstän- 
digeres Bild  der  künstlerischen  Leistungen  des  hochbe- 
gabten Meisters  zu  erreichen,  ist  eine  Erweiterung  der 
Ausstellung  auf  besonders  wohlgelungene  Arbeiten  seiner 
einstigen  Schüler  sehr  erwünscht.  Rektor  und  Senat  der 
Hochschule  bitten  daher  die  Herren,  denen  eine  unmittel- 
bare Aufforderung  wegen  unbekannter  Adresse  nicht  zu- 
gehen konnte,  diejenigen  ihrer  Zeichnungen,  die  unter  der 
Leitung  des  Meisters  entstanden'  sind,  für  die  Dauer  der 
Ausstellung  freundlichst  zur  Verfügung  zu  stellen.  Die 
Einlieferung  wird  bis  zum  i.  Okt.  d.  Js.  an  das  Sekretariat 
der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin  erbeten.  — 


auszuzimmern.  Das  Querprofil  des  Tunnels  mit  den  vor- 
geschriebenen Ausmauerungstypen,  deren  Wahl,  entspre- 
chend dem  vorhandenen  Gebirgsdruck,  der  Bauunterneh- 
mung unter  eigener  Verantwortung  überlassen  bleibt,  ist  aus 
Abb.  9 ersichtlich.  Das  Querprofil  der  beiden  Richtstollen 
ist  so  klein  wie  möglich  gewählt;  es  beträgt  bei  2,40“  Breite 
und  2,10“  Höhe  nur  etwa  5^1“,  ist  also  erheblich  kleiner, 
als  bei  den  bisher  besprochenen  Alpentunneln.  Eine  so 
kleine  Querschnittsfläche  für  den  Rtchtstollen  wäre  bei 
einem  Einzel-Stollen  wegen  des  Raumbedarfs  für  die 
Lüftungsleitungen  und  für  die  Lüftung  überhaupt  ganz 
unausführbahr  gewesen.  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  W.  B.  in  Chemnitz.  Nach  § 2 des  seit  r.  Januar  1900 
gütigen  Handelsgesetzbuches  vom  10.  Mai  1897  können  auch  In- 
haber von  Baugeschäften  zur  Eintragung  in  das  Handelsregister 
gezwungen  werden,  wenn  nach  dem  Ermessen  des  Registerrichters 
der  Betrieb  nach  Art  und  Umfang  einen  in  kaufmännischer  Weise 
eingerichteten  Geschäftsbetrieb  erfordert.  Würden  Sie  sich  aus- 
schliesslich mit  dem  Entwerfen  und  der  Leitung  von  Bauten  be- 
schäftigen, so  würde  Ihr  Unternehmen  als  gewerbsmässig  und  kauf- 
männisch nicht  behandelt  werden  können.  Weil  Sie  jedoch  nach 
Ihrer  eigenen  Darstellung  bereits  vereinzelt  Bauten  in  Entreprise 
übernommen  und  in  diesen  Fällen  Ihr  Unternehmen  auf  Geschäfte 
ausgedehnt  haben,  die  nach  Art  und  Umfang  eine  kaufmännische 
Einrichtung  nothwendig  machen  können,  ist  keineswegs  ausge- 
schlossen, dass  der  Registerrichter  die  Ueberzeugung  von  der  Be- 
rechtigung gewinnt,  Ihre  Eintragung  in  das  Register  zu  fordern, 
Zwar  würden  Sie  gegen  seine  Verfügung  vorstellig  werden  oder 
sie  im  Beschwerdewege  anfechten  können.  Doch  haben  Sie  hierzu 
einen  sachkundigen  Juristen  nöthig,  weil  nur  eine  gründliche  Wider- 
legung der  Gründe  des  Registerrichters  einigermaassen  Erfolg  ver- 
spricht. Der  seinerzeit  besprochene  Fall  der  Heranziehung  einer 
Architektenfirraa  zur  Gewerbesteuer  ist  für  Sie  bedeutungslos,  weil 
er  einerseits  ein  preussisebes  Gesetz  zum  Hintergrund  hatte,  anderer- 
seits damals  der  heutige  Handelsgesetzbuch  - Paragraph  2 noch 
nicht  bestand.  K.  H-e. 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Fassaden- 
Entwürfen  zum  Zwecke  der  Erhaltung  des  historischen 
Gepräges  der  Stadt  Bautzen  wird  vom  dortigen  Rathe 
unter  Verheissung  dreier  Preise  von  1200,  900  und  600  M. 
erlassen  werden.  Der  Ankauf  nicht  preisgekrönter  Ent- 
würfe für  je  300  M.  ist  in  Aussicht  genommen.  — 


L.  C.  Bargum 

ra  6.  Juli  wurde  in  seiner  Vaterstadt  Kiel  ein  Ver- 
treter unseres  Faches  zur  letzten  Ruhe  bestattet, 
der  zwar  schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  fern 
von  beruflicher  Thätigkeit  in  stiller  Zurückgezogenheit 
lebte,  dessen  Andenken  aber  bei  vielen  Fachgenossen  in 
lebhafter  und  freundlicher  Erinnerung  steht.  Nur  wenige 
Tage  bevor  er  das  70.  Lebensjahr  vollendet  hätte,  ist 
Ludolph  Conrad  Bargum  in  Wilhelmshöhe,  wo  er  eine 
Heilanstalt  aufgesucht  hatte,  sanft  entschlafen.  Vor  allem 
in  Hamburg,  wo  der  Verstorbene  sowohl  durch  seine 
18jährige  Thätigkeit  als  Baupolizei- Inspektor,  wie  durch 
seine  &rvorragende  Stellung  im  Architekten-  und  In- 
genieur-Verein sich  Anerkennung  und  reiche  Freundschaft 
erworben  hat,  wird  sein  Tod  herzlich  betrauert. 

Bargum  wurde  am  13.  Juli  1832  in  Kiel  geboren,  wo 
er  auch  seine  erste  Jugend  verlebte,  bis  er  1845  das  Glück- 
städter Gymnasium  bezog.  Bei  Ausbruch  des  Krieges  1848 
trat  er  als  Kadett  in  die  schleswig-holsteinische  Marine  ein 
und  bedauerte  lebhaft,  diesem  Berufe,  an  den  er  auch  in 
späteren  Jahren  mit  besonderer  Freude  zurückdachte,  ent- 
sagen zu  müssen,  als  die  Flotte  aufgelöst  wurde;  er  trat 
darauf  mit  einigen  Freunden  zur  Artillerie  über  und  machte 
die  Gefechte  bei  Missunde  und  Neudubenstadt  mit.  Nach 
Beendigung  des  Krieges  1851  zog  Bargum  nach  Hannover 
zum  Studium  an  der  Polytechnischen  Schule,  von  wo  er 
1855  nach  Kiel  zurückkehrte,  um  dort  das  Landmesser- 
Examen  abzulegen.  Er  wurde  dann  zunächst  bei  ver- 
schiedenen Strassen-  und  Brückenbauten  beschäftigt,  bis 
er  1864  von  der  schleswig-holsteinischen  Regierung  als 
Wegebauinspektor  für  das  östliche  Holstein  angestellt  wurde. 
Nachdem  die  Herzogthümer  an  Preussen  gefallen  waren, 
wurde  B.  1871  als  Bauinspektor  nach  Schleswig  an  den  Sitz 
der  Regierung  berufen,  wo  er  sich  namentlich  nach  der 
schweren  SturmfIuthimJahrei872hervorragendeVerdienste 
bei  den  Arbeiten  zur  Wiederherstellung  der  Schäden  an  den 
Küsten  erworben  hat;  1874  er  in  den  bamburgischen 
Staatsdienst  über.  Es  erfüllte  sich  ihm . hierdurch  ein 
Herzenswunsch,"  denn  er  liebte  den:  regen  Verkehr  mit 
Fachgenossen,  der  sich  ihm  in  Hamburg  eröffnete;  auch 
mochte  ihm  die  freiere,  selb^ändigere  Stellung  des  _ham- 
burgischen  Beamten  trotz  des  Mangels  äusserer  Würden 
und  Titel  mehr  Zusagen,  als  die  preussische  Beamten- 


Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau 
eines  neuen  Rathhaitses  in  Kassel.  — Von  der  Industrie-  und  Kunstaus- 
stellung in  Düsseldorf  1902  (IV.  Schluss).  — Der  Simplon-Tunnel,  mit  Rück- 
blicken auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Aipen-Tunnel  (Fortsetzung).  — 
L.  C.  Bargum  +.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief-  und 
Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitimg,  G.  m.  b.  H-,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

laufbahn.  Bargum  war  besonders  veranlagt  für  die  Auf- 
gaben der  Baupolizei;  mit  einer  klaren  Auffassung  der 
technischen  Aufgaben  verband  er  die  scharfe  juristische 
Unterscheidung  der  springenden  Punkte;  so  hat  er  einen 
bestimmenden  Einfluss  auf  die  Ausgestaltung  der  Gesetz- 
gebung in  seiner  amtlichen  Thätigkeit  in  Hamburg  geübt 
und  wurde  häufig  von  den  Behörden  als  Berather  bei 
den  verschiedensten  Fragen  dieses  Gebietes  gehört.  Die 
Entscheidungen  der  Rekursinstanz  des  Senates  in  Bau- 
polizeisachen hat  er  in  einer  Reihe  von  Heften  bearbeitet 
und  für  den  Handgebrauch  herausgegeben;  ebenso^  hat 
er  eine  Textausgabe  des  hamburgischen  Baupolizei-Ge- 
setzes mit  allen  einschlägigen  Entscheidungen  der  Ge- 
richte und  Behörden  veröffentlicht,  die  immer  noch  einen 
werthvollen  Wegweiser  durch  das  Labyrinth  der  Gesetze 
bildet.  Neben  seiner  beruflichen  Thätigkeit  widmete  sich 
Bargum  mit  grossem  Eifer  dem  Arch.-  und  Ing.-Verein, 
in  dessen  Vorstand  er  bald  gewählt  wurde;  an  „Hamburg 
und  seine  Bauten“  hat  er  eifrig  mit  gearbeitet.  Vor 
allem  aber  hat  er  durch  die  trefflichen  Eigenschaften 
seines  Charakters  sich  die  Liebe  und  Verehrung  eines 
grossen  Freundeskreises  erworben.  Als  echter  Sohn  seiner 
Heimath  hatte  er  zwar  nicht  die  leicht  gewinnenden  ein- 
nehmenden Formen  raschen  Entgegenkommens,  sondern 
eher  etwas  Zurückhaltendes,  ja  unter  Umständen  Ab- 
weisendes und  Schroffes  gegen  ihm  unsympathische  Be- 
rührungen. Wo  er  aber  mitklingende  Saiten  im  Verkehr  mit 
anderen  empfand,  da  gab  er  sich  mit  herzlicher  Liebens- 
würdigkeit, die  den  Umgang  mit  ihm  zum  Genuss  machte. 

Im  Jahre  1893  fühlte  sich  B.  nach  einer  überstandenen 
Venen-Entzündung  nicht  mehr  _ kräftig  genug,  seinen  Be- 
ruf mit  gleicher  Hingebung  wie  bisher  zu  erfüllen;  er 
kam  um  seine  Versetzung  in  den  Ruhestand  ein  und  zog 
sich  nach  Wiesbaden  zurück.  Der  Arch.-  und  Ing.-Verein 
ernannte  ihn  beim  Scheiden  in  dankbarer  An^kenming 
seiner  Verdienste  zum  Ehrenmitglied.  Eine  Reihe 
schöner  Jahre  der  Müsse,  die  er  mit  litterarischer  Be- 
schäftigung auszufüllen  wusste,  sind  ihm  an  der  Seite 
seiner  gleichgesinnten  Gattin  noch  zutheil  geworden,  bis 
die  Gebrechen  des  Alters  sich  mehr  und  mehr  fühlbar 
machten.  Als  wir  :uns  anschickten,  ihm  zum  70.  Geburts- 
tag die  Glückwünsche  darzubringen,  traf  uns  die  Nachricht 
seines  am  3.  Juli  erfolgten  Todes  : so  bheb  uns  nur,  den 
Sarg  des  Freundes  mit  Blumen  zu  schmücken.  — CI. 


388 


No.  60. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  6i.  Berlin,  den  30.  Juli  1902. 


Der  Simplon -Tunnel,  mit  Rückblicken  aui  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel. 


Der  Simplon-Tunnel.  (Fortsetzung).  Nähe  des  Ortes  Mörel,  etwa  5,5''™  oberhalb  des 

bllnstallations-Einrinhtiincr^n  Installationsplatzes,  das  Wasser  der  Rhöne  darch  ein  Wehr 

DJ  instaliations  tinrichlnngen.  gefasst  und  von  dort  mittels  eines  Kanales  in  Hennebiqae- 

j ie  schon  ob^en  erwähnt,  hatte  man  infolge  der  tiefen  Konstruktion  von  i zu  l » Querschnitt,  4300m  Länge  und 
Lage  des  Tunnels  grosse  Wasserkräfte  znm  Betrieb  3«U  Gefälle  am  rechten  Thalhang  bis  zum  sog.  Massaboden 
'der  Installationen  zur  Verfügung.  Für  die  tiordseite  geführt,  wo  der  Druckbehälter  755m  aber  Meer  angelegt  ist. 
enthielt  die  Rhöne  mit  einem  Niederschlags-Gebiet  von  Das  Maschinenbaus  auf  dem  Installationsplatz  liegt  6^  m 

Über  Meer.  Die  vom  Druck- 
behälter dorthin  führende  Lei- 
tung hat  einen  Durchmesser  von 
I™.  Bei  diesen  Verhältnissen 
und  einer  Geschwindigkeit  des 
Wassers  von  a™  in  der  Druck- 
leitung ergiebt  sich  am  Ma- 
schinenbaus ein  nutzbares  Ge- 
fälle von  söm,  womit  bei  einer 
Wasserentnahme  von  gewöhn- 
lich 3 cbm  und  4,3  cbm  im  Höchst- 
fälle am  oberen  Einlauf  eine  Lei- 
stung von  gewöhnlich  1680  P.S. 
und  2360  P.S.  im  Höchstfälle 
erzielt  werden  können. 

Mittels  dieser  Wasserkraft 
werden  auf  dem  Installations- 
platze (s.  Abbildg,  to),  welcher 
am  linken  Rhöneufer  so  ange- 
legt ist,  dass  derselbe  später, 
nach  F ertigstellung  desTunnels  I, 
auch  für  den  Ausbau  desTunnels 
II  verwendet  werden  kann,  ohne 
den  Bahnbetriebzu  stören,  durch 
Turbinen  von  zus.  850  P.S,  die 
folgenden  Maschinen  getrieben; 
3 Paare  Brandi'scher  Druck- 
pumpen zu  6 J Wasserlieferung 
in  I Sek.,  2 Paare  Brandt’scher 
Druckpumpen  zu  12 1 Wasserlie- 
ferung in  I Sek.  Ferner  zwei 
Luftkompressoren,  die  zusam- 
men 100  P.S.  erfordern  zur  Er- 
zeugung von  Press-Luh  für  die 
Luftlokomotiven.  Für  den  Be- 
trieb der  Werkstelle  ist  eine 
besondere  Turbine  von  55  P.S. 
aufgestellt.  Eine  weitere  Tur- 
bine von  roo  P.S.  treibt  zwei 
Dynamos  für  die  elektrische 
Beleuchtung  des  Installations- 
platzes, ferner  sind  2 Turbinen 
von  je  30  P.S.  zum  Betrieb 
eines  Steinbrechers  für  die  Her- 
stellung von  Mauersand  und 
Schotter  zur  Kanalmauerung, 
sowie  zum  Betrieb  von  vier 
Zementsteinpressen  und  einer 
Mörtelmisch-Mascbine  vorhan- 
den. Endlich  werden  noch  ein 
Sägegatter  und  eine  Kreissäge 
durch  eine  besondere  Turbine 
angetrieben.  DieAnordnung  die- 
ser verschiedenen  Anlagen  auf 
dem  Betriebsplaize  ergiebt  sich 
aus  dem  Lagepian  in  Abbildg.  10. 

Ganz  neue  Einrichtungen 
sind  hier  mit  Rücksicht  auf  die 
zu  erwartende,  im  Höchstfälle 
auf  40°  C,  geschätzte  Gebirgs- 
temperatur  für  die  Lüftung  ge- 
troffen worden.  Die  anfänglich 
hierfür  vorgesehene  Einrichtung 
hat  Hr.  Professor  Dolezalek  in 
dem  von  ihm  im  Jahrgang  1899 
der  „Deutschen  Bauzeitung“  ge- 
brachten Artikel  über  den  Sim- 
plon-Tunnel  bereits  geschildert. 
Bei  weiterem  Eindringen  in  den  Berg  genügte  diese  Lüftung 
aber  nicht  mehr,  weshalb  zur  Verstärkung  derselben  je  2 be- 
sondere Turbinen  za  je  200  P.S.  zum  Antrieb  von  2 Ven- 
tilatoren zu  3,75“  Flügeldurchmesser  aufgestellt  wurden. 
DieseVentUatoren  liefern  jeder  bei  400  Touren  25  cbm  Luft  in 


Pavillon  des  Vereins  für  bergbauliche  Interessen  im  Ober-Bergamts-Bezirk  Doilmund, 
Architekt:  Fischer  in  Düsseldorf.  (Erster  Entwurf  von  G.  Thielen  f.) 


Maschinenhalle.  Architekten:  Kayser  & v.  Groszhetm  in  Berlin  u.  Wöhler  in  Düsseldorf. 
Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldori  1902.  (Text  siehe  No.  60.) 

570,70  qkm  eine  hinreichende  Wassermenge,  die  oberhalb 
der  Massamündung  mit  einer  Mindest-Abflussmenge  von 
5,5X7cbm  Sek.  festgestelltwurde.  Daneben  kamen  dieSaltine 
bei  Brig,  der  Kelchbach  bei  Naters  und  die  Massa  bei  der 
Massabrücke  infrage,  die  jedoch  sämmtlich  sich  als  nicht 
geeigneterwiesen.  - 


Man  hat  deshalb  bei  der  Gfrischbrücke  i Sek.  von  250““»  Wassersäulen-Druck.  Die  Anordnung  ist 


nun  so  getroffen,  dass  sie  entweder  neben  einander  je  25, 
also  zusammen  50  cbm  Luft  von  250™«  Druck,  oder  hinter 
einander  geschaltet  25  cbm  Luft  von  500  Druck  in  den 
Stollen  II  pressen  können.  Vorläufig  arbeiten  die  Ven- 
tilatoren neben  einander,  da  die  Pressung  von  250 
Wassersäule  reichlich  hoch  ist  und  sogar  im  Stollen  durch 
Oeffnung  von  Traversen  auf  100  ““  zurückgeführt  werden 
muss,  um  den  zu  starken  Zug  im  Tunnel  zu  vermeiden. 
Die  Verbindungsleitung  zwischen  den  Ventilatoren  und 
dem  Stollen  II  ist  durch  einen  Kanal  von  grossem  Quer- 
schnitt in  Monierbauweise  hergestellt.  An  der  Südseite, 
wo  der  Richtungsstollen  in  der  Verlängerung  des  Stollens  I 
den  in  der  Krümmung  belegenen  Theil  des  Stollens  II 
durchschneidet,  war  es  nöthig,  um  den  Richtungsstollen 
für  die  Förderung  frei  zu  halten,  den  Stollen  II  mittels 
eines  Ueberbrechens  über  den  Richtungsstollen  hinweg 
zu  führen,  um  für  die  einzublasende  Luft  auch  an  dieser 
Steile  einen  genügenden  Querschnitt  zu  schaffen.  Im 
Anschluss  hieran  mag  inbetreff  der  Lüftung  der  über  die 
letzte  Traverse  hinaus  vorgetriebenen  Stoilenörter  gleich 
erwähnt  werden,  dass  hierzu  theils  kleine  Ventilatoren 
verwendet  werden,  die  mit  einer  von  dem  Druckwasser 
der  Bohrmaschinen  angetriebenen  Turbine  unmittelbar 
gekuppelt  sind,  oder  Wasserstrahlgebläse,  von  denen 
mehrere  hintereinander  geschaltet  eine  sehr  kräftige  Lüf- 
tung zu  erzeugen  imstande  sind.  Man  scheint  geneigt  zu 


halb  des  Ortes  Iselle  überschreitet  die  Leitung  die  Diveria 
auf  einer  eisernen  Brücke,  vgl.  den  Plan  Abbildg.  11,  von 
wo  sie  auf  einen  Durchmesser  von  1000  erweitert  ist. 
Unmittelbar  vor  dem  Installationsplatze  musste  die  Leitung 
durch  einen  320°^  langen  Tunnel  gelegt  werden.  Mit  dem 
Gefälle  von  170  und  einer  Wasserentnahme  von  1,6  ^bm 
an  der  Fassungsstelle  stellt  sich  die  an  der  Turbinenwelle 
erzeugte  Kraft  auf  etwa  2100  P.S.  Mit  dieser  Wasserkraft 
werden  in  Iselle  6 Pumpenpaare  nämlichj 

I zu  3 J in  der  Sek., 

3 » 6 „ „ „ „ 

I „ 12  „ „ „ „ 

zur  Lieferung  des  Druckwassers  für  die  Bohrmaschinen 
angetrieben.  Für  den  Werkstättenbetrieb  dient  hier  eine 
Turbine  von  30  P.S.  Die  übrigen  Einrichtungen  sind  ähn- 
lich wie  in  Brig,  zu  erwähnen  ist  nur  noch,  dass  in  Iselle 
eine  besondere  Eismaschine  für  den  Bedarf  der  Wirth- 
schaften  und  Spitäler  das  erforderliche  Eis  liefert,  und 
dass  für  beide  Installationen  noch  die  Aufstellung  von 
Zentrifugalpumpen  von  80 1 Wasserlieferung  in  i Sek. 
beabsichtigt  wird  zur  künstlichen  Kühlung  der  zur  Lüf- 
tung dienenden  Luft. 

Die  Leitung  für  das  Druckwasser  vom  Maschinenbaus 
in  den  Tunnel  besteht  aus  Mannesmannrohren  von 
100™“  Durchmesser,  deren  Verbindung  durch  eine  Ueber- 
fallmutter  und  durch  Gummidichtungen  hergestellt  wird 


,1  Restaurant.  6 Jura-Simplon-Büreaux. 

2 Wasch-  und  BaderSume.  7 Pump.- u.  Dampfmasch.-Haus. 

.3. Bureaux.  , 8 Werkstatt. 

4 Bohrschmiede.  9 Wageii-Reparaturhalle. 

5 Ventilatoren.  '10  Dynamo. 

sein,  zur  Lüftung  der  Stollenörter  nur  noch  die  Wasser- 
strahlgebläse  zu  verwenden. 

Für  die  Installation  der  Südseite  war  die  Auswahl 
unter  verschiedenen  zur  Verfügung  stehenden  Wasser- 
kräften zu  treffen.  Man  hat  die  Diveria  unterhalb  Gondo 
mit  1,422  cbm  Wassermenge  in  der  Sek.  gewählt,  dieselbe 
dicht  an  der  Landesgrenze  durch  ein  Wehr  gefasst  und 
von  dort  eine  Druckleitung  bis  zum  Installationsplatze 
grösstentheils  an  der  Simplonstrasse  entlang  gelegt,  .da 
die  Führung  eines  offenen  Kanales  an  den  Thalgehängen 
wegen  der  grossen  Steilheit  und  felsigen  Beschaffenheit 
derselben  ausgeschlossen  erschien.  Die  Fassungsstelle 
iiegt_  hier.  ,79411  über  Meer  oder  etwa  i6om  über  dem' 
Tunnelportal.  Die  Leitung  besteht  auf  eine  Länge  von 
140011  aus  Gussröhren  und  auf  eine  Länge  von  , 2600® 
aus  Biechröhren,.  beide  von  goo““  Lichtweile.'  Dicht  o.ber- 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Ar,ch.-,:u.  Ing.-Verein  für,  Niederrhein  und  Westfalen. 
Vers.,  vom  14,  April,,  Vors.  PIr.  Heimann.,  ,anw'es.  15  Mitgl. 
Der  ,Vorsitzende  eröffnet  die  Sitzung  mit  einem  Nachruf 
an  C..W,  Hase.  Als  einheim.  Mitgl.  wird  aufgen.  Hr. 
Reg.-Bmstr.  Steinmatz. 

Hr.  Wille  berichtet  über  neuere  litterarische 
Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  Architektur.  Zur 
Erläuterung  sind  aus  jedem  der  vorgeführten  Werke  eine 
Anzahl  Blätter  ausgehängt. 


16  Kalk-  und  Zement-Lager. 

17  Stall, 

18  Kantine. 

19  Schlafhaus. 

20  Zerreiss-Maschine.  ^ 

Man  hat  diese  Rohre  später  gegen  solche  von  120  «in  Dur.cfe 
messer  streckenweise  ausgewechselt.  Die  VerbinduhöL 
welche  sich  gut  bewährt  hat,  weil  sie  ein  leichtes  A,uih 
wechseln  der  Rohre,  gestattet,  soll  in  Zukunft  wieddh 
durch  die  alte  Verbindung  mit  zwischengelegten  Kupf^,- 
ringen  und  Muffen  mit  entgegengesetztem  Gewiridd 
ersetzt  werden,  vermuthlich  wegen  der  billigeren  Her- 
stellungskosten derselben.  Die  Druckleitung,  hegt m 
jedem  der  beiden  Stollen  und  in  jeder'  Traverse  ist  eine 
Verbindung  zwischen  beiden  Leitungen  'hergestellt:  mit 
Absperrventilen,  die  es  ermöglichen,  Auswechselungen 
an  den  Leitungen  vorzunehmen,  ohne  den-Betrieb  zu  storep. 

Im  Anschluss  an  die  Betriebseinrichtungen  sei  ..er- 
wähnt, dass  sowohl  für  die  Arbeiter  wie  für  die  Ingenieure- 
Wohlfahrtseinrichtungen  aller  Art  geschaffen  sindj  auf  Bie 
einzugehen  uns  der  Raum  leider  verbietet.  — ' ' ^ 

(Fortsetzung  folgt.)^  . 

Die  Besprechung  berührt:  Deutsche  Fachwerkbauten 
der  Renaissance  mit  einer  Reihe  von  Aufnahmen  wunder- 
schöner Bauten  von  Miltenberg  a.  M.,  namentlich  des 
Marktplatzes,,  des  Rathhauses  in  Gross-Heubach  usw...  Auf 
gleicher  Basis  stehend  zeigt  sich  das  ansprechende  Sammel- 
werk „Deutsche  Landarefiitekturen  aus  alter  Zeit“  von  Rud. 
Kerapff,  Augsburg,  welches  in  sehr  guter  Wiedergabe 
ehrwürdige  Landhäuser  und  Landsitze  alter  Adelsge- 
schlechter im  Bilde  festhält. 

Vom  preiiss.  Plrn.  Minister  für  Kultus  und  öffentl.  Unter- 
richt ist  demVerein  dasWerk  geschenkt  worden:  „Die  Abtei 


11  Giesserci,  Magazin,  Lazareih. 

12  Lokomotivschuppen. 

13  Kohleoschuppeii. 

14  Filter. 

15  Wächter-Wohnhaus.-,. 


390 


No.  61. 


Eberbach  im  Mittelalter"  von  Ob.-Brth.  Schäfer.  Das  Werk 
lässt  in  ausgezeichneter  Weise  in  Bild  und  Wort  dies  leider 
dem  Greuel  der  Verwüstung  anheimgefallene  prächtige 
Cistercienser-Kloster  vor  unseren  Blicken  wieder  aufer- 
stehen und  wird  für  Manchen  Veranlassung  sein,  sich  mit 
dem  Studium  dieser  einen  der  berühmtesten  Weinnamen 
tragenden  Niederlassung  im  herrlichen  Rheinga.u  mehr  zu 
beschäftigen  als  bisher.  Als  Geschenk  des  Hrn.  Min.  für 
öffenti.  Arbeiten  für  den  Verein  liegt  auch  das  Werk  von 
Jasrhund  vor,  welches  zum  50jährigen  Jubiläum  der  Rhein- 
strom-Verwaltung herausgegeben  worden  ist. 

Weiter  sind  noch  ausgehängt  Blätter  aus  dem  Werke: 
Das  deutsche  bürgerliche  Einfamilienhaus  von  Aug.  Exter. 
Das  Werk,  das  Ergebniss  eines  Wettbewerbes,  kann  als 
ein  guter  Erfolg  des  sorgfältig  vorbereiteten  Programmes 
angesehen  werden.  Es  enthält  sehr  viel  Verwerthungs- 
fähiges  auf  dem  Gebiete  des  Bürgerhauses. 

„Nicht  dasselbe“,  sagt  Redner,  „möchte  ich  glauben 
von  dem  Werk:  Moderne  Fassaden,  Wettbewerb  See- 
mann. Man  kann  sich  voll  auf  den  Boden  neuer  An- 
schauung stellen,  sich  freuen  über  das  Ringen  nach  selbst- 
ständigen neuen  Formen,  wird  aber  trotzdem  zugeben 
müssen,  dass  eine  grosse  Reihe  der  veröffentlichten  Blätter 
gelinde  gesagt  vollkommene  Verirrungen  sind.  Wenn 
dieselben,  wie  das  aber  gerade  zu  befürchten  ist,  von 
Händen  benutzt  werden,  die  nicht  gebildet  genug  sind, 
dann  wird  das  Werk  nur  Unheil  schaffen“. 

„Ich  möchte  schliesslich  hierbei  noch  an  das  Werk 
erinnern,  welches  hervorgegangen  ist  aus  dem  Hildes- 
heimer Fassadenwettbewerb.  Dieses  vortrefflich  gelungene 
Werk  fand  in  der  „Deutschen  Bauzeitung“  v.  12.  Dezbr.  1900 
eine  Besprechung,  worin  ebenfalls  die  Befürchtung  aus- 
gesprochen wurde,  dass  ein  künstlerisch  reifer  Entwurf 
bei  Ausführung  von  ungeeigneter  Hand  in’s  Gegentheil 
von  dem  verkehrt  werden  kann,  was  er  ausdrücken 
wollte.  Ein  Abhilfsmittel  dagegen  giebt’s  aber  nicht.  Das 
in  Rede  stehende  Werk  hat  die  vornehme  Bestimmung, 
einzugreifen  in  die  missbräuchliche  Benutzung  von  Licht- 
druckwerken grosstädtischer  Bauwerke  in  kleineren 
Orten.  Es  ist  dabei  auch  weiter  gesagt;  „Hier  einzu- 
greifen ist  ein  dankbares  Gebiet  für  unsere  Baugewerk- 
schulen, wenn  diese  es  verstehen,  die  Ansprüche  ihrer 
Zöglinge  an  die  von  ihnen  zu  bewältigenden  Aufgaben 
auf  ein  der  Umgebung  und  dem  Können  entsprechendes 
Maass  einzudäramen".  Dieser  Satz  enthält  zweifellos  eine 
unumstössliche  Wahrheit.  Aber  selbst,  wenn  zugegeben 
werden  muss,  dass  es  heute  noch  — glücklicherweise 
nur  vereinzelt  — Entgleisungen  auf  dem  Gebiete  des 
Entwerfens  an  den  Baugewerkschulen  giebt,  ist  mit  dem 
nothwendigen  Eindämmen  das  Unheil  noch  lange  nicht 
aus  der  Welt  geschafft.  Die  missbräuchliche  Benutzung 
der  Abiturienten  der  Baugewerkschulen  seitens  derjenigen, 
die  dieselben  anstellen,  ist  der  Krebsschaden,  gegen  den 
anzukämpfen  ist.  Wenn  der  selbstplanende  Bauunter- 
nehmer und  Baugewerksmeister  und  diese  — nicht  die 
Architekten  — sind  die  Urheber  der  meisten  Bauten  und 
zwar  ebensowohl  in  der  kleinen  als  auch  in  der  grossen 
und  grössten  Stadt,  oder  gar  der  Architekt,  den  eben  von 
der  Schulbank  kommenden,  mit  der  nothwendigen  Be- 
scheidenheit erzogenen  Baugewerkschüler  mit  der  selbst- 
ständigen Ausarbeitung  von  Entwürfen  betraut,  so  ist  das 
einfach  als  Unfug  zu  bezeichnen.  Leider  ist  dies  aber 
nicht  die  Ausnahme,  sondern  heute  Regel“-.  — 

Der  Vorsitzende  dankt  Hrn.  Wille  für  die  beifällig 
aufgenommenen  Besprechungen.  — , ' 

Vers,  vom  28.  April  1902.  Vors.  Hr.  Heimann,  an- 
wes. 20  Mitgl.,  r Gast.  Die  Hrn.  Ing.  Ree  und  Brandihstr. 
Prochnow  werden  als  einheim.  Mitgl.  aufgen. 

Hri  Päffgen  berichtet  über  die  Durchsicht  der  Ab- 
rechnungen der  Vereinsjahre  1898— igor.  Hr.  Schreiber 
erläutert  den  Stand  des  Vereinshaushaltes  ünd  Vereins- 
Vermögens  am  Schluss  1901.  Es  schliesst  dasselbe  mit 
einem  Fehlbeträge  von  332,14  M.,  hervorgerufen  durch 
die  Ausgaben  gelegentlich  des  Besuches  der  . belgischen 
Fachgenossen.  Die  Versammlung  ertheilt  Entlastung. 

Hr.  Ing.  Markus  spricht  sodann  über  Propeller- 
Rinnen.  Der  Vortrag  wird  durch  Lichtbilder  und  Zeich- 
nungen erläutert.  Diese  Rinnen  führen  ein  neues  Transport- 
mittel als  Ersatz  für  Transportbänder,  Schnecken,  Schüttel- 
rinnen u.  dergl.  ein.  Sie  bilden  den  Schaufelwurf  nach  und 
fördern  das  Material  in  geschlossener  Masse  ohne  dasselbe 
zu  schütteln  und  zu  stossen.  Wenn  das  System  auch  zu- 
nächst nur  für  Kohle  bestimmt  ist,  so  wird  man  damit  auch 
Steine,  Ziegel,  Kies,  Sand,  Zement  usw.  befördern  können. 

Hr.  Erben  regt  die  Frage  bezüglich  der  gemein- 
schaftlichen Mauern  unter  Wirkung  des  neuen  bürger- 
lichen Gesetzbuches  an.  Es  treten  dabei  heute  Fälle  ein, 
deren  richtige  Lösung  vollkommen  unsicher  erscheint. 
Die  Frage  bleibt  für  weitere  Erwägungen  offen., — 

30.  Juli  1902. 


Vermischtes. 

Eine  Diplomprüfung  für  Architekten  ist  an  der  Tech- 
nischen Hochschule  in  Berlin,  als  nothwendige  Folge  des 
den  Technischen  Hochschulen  verliehenen  Rechtes  der 
Doktorpromotion,  durch  Ministerial-Erlass  vom  16.  Juni 
d.  J.  eingerichtet  worden,  sodass  die  Ausnahmestellung, 
die  Berlin  nach  dieser  Richtung  hin  bisher  auch  unter 
den  preussischen  Hochschulen  einnahm,  aufgehört  hat. 
Es  ist  bekannt,  dass  die  Abtheilung  für  Architektur  früher 
auf  die  Einrichtung  einer  solchen  Prüfung  nicht  nur  keinen 
Werth  legte,  sondern  eine  solche  nicht  wünschte.  Inter- 
essant ist,  dass  im  „Centralbl.  d.  Bvwaltg.“  als  Grund  für 
diese  ablehnende  Haltung  angegeben  wird,  man  habe  das 
freie  Studium,  welchem  durch  die  Staatsprüfungen  bereits 
ziemlich  enge  Grenzen  gezogen  waren,  nicht  noch  mehr 
beschränken  wollen,  da  erfahrungsgemäss  die  Studirenden, 
die  eine  Prüfuug  ablegen  wollten,  sich  zu  einseitig  mit 
den  Prüfungs-Gegenständen  beschäftigten  unter  Vernachr 
lässigung  der  die  allgemeine  Ausbildung  und  Vertiefung 
ihrer  Kenntnisse  bezweckenden  Vorträge,  für  welche  ihnen 
keine  Zeit  übrig  geblieben  sei. ' Es  wird  damit  also  eigent- 
lich der  Vorwurf  zugegeben,  der  unseren  Hoclischulen 
früher  wiederholt  gemacht  worden  ist,  dass  sie  zu  sehr 
auf  die  Erziehung  von  Staatsbeamten  zugeschnitten  seien. 
Daher  auch  die  ausgesprochene  Absicht  der  Technischen 
Hochschulen,  in  den  neuen  Diplom-Prüfungsordnungen  zu 
spezialisiren,  zwar  natürlich  eine  ausreichende  allgemeine 
Kenntniss  des  gesammten  Fachgebietes  des  Examinanden 
zu  verlangen,  im  übrigen  aber  schon  auf  die  Vertiefung 
in  einem  bestimmten  Gebiete  hinzuarbeiten. 

Dem  entspricht  auch  die  neue  Diplom  - Prüfungs- 
ordnung für  Architekten,  indem  sie  der  üblichen  Vor- 
prüfung nach  zweijährigem  Studium  eine  Hauptprüfung 
nach  mindestens  vierjährigem  Studium  folgen  lässt,  die 
nach  3 Hauptrichtungen  abgelegt  werden  kann,  die  in  der 
Hauptsache  betreffen:  das  konstruktive  Gebiet,  die  Bau- 
kunst der  Antike  und  der  Renaissance  und  die  altchrist- 
liche und  mittelalterliche  Baukunst.  Vorbedingung  für  die 
Zulassung  ist  bei  Angehörigen  des  Deutschen  Reiches  der 
Nachweis  des  Reifezeugnisses  eines  Gymnasiums,  Real- 
gymnasiums oder  einer  Oberrealschule  und  die  schon 
Gezeichnete  Studienzeit  an  einer  deutschen  technischen 
Hochschule. 

Die  Vorprüfung  entspricht  der  bisherigen  Vorprüfung 
für  den  Staatsdienst.  Die  Hauptprüfung  zerfällt  in  eine 
dreimonatliche  häusliche  „Diplomarbeit“  aus  der  vom 
Examinanden  gewählten  Fachrichtung,  in  Klausurarbeiten 
und  in  eine  mündliche  Prüfung,  die  sich  in  einigen  Fächern 
von  der  bisher  üblichen  im  Staatsexamen  unterscheidet.  — 

Schaffung  ständiger  Ausstellungsbauten  In  München. 
Durch  die  Erörterungen  über  die  Abhaltung  einer  Kunst- 
gewerbe-Ausstellung in  München  1904  ist  die  schon  frü- 
her angeregte  Schaffung  ständiger  Ausstellungsbauten  in 
München  wieder  in  den  Vordergrund  des  Tagesinteresses 
getreten.  Es  ist  bekannt,  dass  der  Bayerische  Künst- 
gewerbe-Verein  hierfür  die  Kohleninsel  in  Aussicht  ge- 
nommen hatte  und  beabsichtigte,  mit  Ausstellungsräumen 
auch  andere  für  München  nothwendige  Raumgruppen., zu 
schaffen.  Diesem  Verein  steht  eine  andere  Gruppe  gegen- 
über, welche  die  Schaffung  ständiger  Ausstellungs-Gebäude 
für  alle  künftigen  Ausstellungen  auf  der  Theresienhöhe 
anstrebt.  Es  ist  insbesondere  die  verhältnissmässig  hohe 
Summe  von  500000  M.,  welche  der  Kunstgewerbe-Verein 
für  die  Umgestaltung  des  Glaspalastes  für  .die  beabsich- 
tigte Ausstellung  und  für  die  Wiederherstellung  des  alten 
Zustandes  für  nöthig  hält  und  welche  sozusagen  eine  ver- 
lorene Ausgabe  sein  würde,  welche  die  Vertreter  des  anderen 
Gedankens  veranlasst,  diesem  zu  huldigen.  Als  Baustelle 
der  Ausstellungs-Gebäude  sind  die  Alte  Schiesstätte  und 
das  benachbarte  Gelände  in  Aussicht  genommen,  ein.fe 
Fläche  von  etwa  80  Tagwerk  (zu  3400  Q“).  Bereits  1894 
stellte  Prof.  G.  von  Hauberrisser  einen  entsprechenden 
Entwurf  auf,  welcher  auch  den  heuen  Berathuiigen,.  die 
am  10.  Juli  eine  Bürgerversammlung  beschäfpgtep,  .zu- 
grunde gelegt  wurde.  Nachdem  noch  betont  worden  waij, 
dass  die  Pläne  für  dieKohleninsel  und  die  für  die  Theresien- 
höhe keineKonkurr.enzpläneseien,wurdeeineEntsch]iessun,g 
angenommen,  in  der  die  Hoffnung  ausgesprochen  wurde, 
dass  die  Errichtung  ständiger  Ausstellungs- Gebäude  mit 
Park-  und  anderen  Anlagen  bald  in  Berathung- geiiomnien 
werde,  weil  dann  Ausstellungen  auf  allen  Gebieten  Ef- 
spriessliches  leisten  können  und  jedes  Unternehmen  dieser 
Art  nicht  schon  von  Anfang  an  durch  die  Errichtung  kost- 
spieliger Bauten  den  Grundstock  zu  einem  Fehlbeträge 
in  sich  tragen  würde.  — ■, 

Vom  studentischen  Arbeitsamt®  der  Wildenschaft  der 
Technischen  Hochschule  in  Berlin  (vgl.  die  frühere  Notiz 
auf  S.  364  y.  J.)  geht  uns  eine  Mittheilung  über  den  Erfolg 


391 


seiner  Thätigkeit  im  i.  Jahre  seines  Bestehens  zu.  Dasselbe 
hat  auf  561  eingegangene  Meldungen  150  Stellen  vermittelt, 
also  27  % der  Gesuche  berücksichtigen  können.  Meist 
handelt  es  sich  um  technische  Beschäftigung,  wobei  den 
Maschinen-Ingenieuren  der  Hauptantheil  zufiel;  z.  Th.  auch 
umNachhilfestunden,  stenographische  undschriftstellerische 
Arbeiten,  darunter  namentlich  fremdsprachliche  Ueber- 
setzungen.  Die  Einrichtung  des  Arbeitsamtes,  dessen  Ver- 
mittelung unentgeltlich  erfolgt,  hat  sich  also  als  eine  sehr 
zweckmässige  erwiesen,  und  es  ist  zu  erwarten,  dass  der 
Kreis  seiner  Thätigkeit  sich  noch  erweitern  wird.  — 

Beachtenswerthe  Vorschläge  zur  Aenderung  des  Sub- 
missionswesens liegen  der  Stadtverordneten-Versammlung 
von  Charlottenburg  vor.  Die  Vorschläge  lauten  im  wesent- 
lichen wie  folgt;  Bei  Arbeiten  und  Lieferungen  imWerthe 
von  1000  M.  erfolgt  die  Vergebung  aus  freier  Hand  nach 
einer  im  Voraus  testzusiellenden  Liste  der  Bewerber  in 
regelmässiger  Abwechselung.  Soweit  es  möglich  ist,  sind 
die  Preise  für  die  Arbeiten  und  Lieferungen  alljährlich 
im  voraus  festzustellen  und  bei  der  Vergebung  nach  Mög- 
lichkeit festzuhallen.  Ein  weiterer  Vorschlag  bestimmt, 
dass  bei  Arbeiten  bis  zu  5000  M.  der  Zuschlag  dem  er- 
theilt  werden  soll,  dessen  Angebot  dem  aus  der  Summe 
aller  Angebote  sich  ergebenden  Mittelpreise,  nach  unten 
gerechnet,  am  nächsten  kommt.  Angebote,  die  20^0  über 
oder  unter  dem  Kostenanschläge  oder  dem  Mittelpreise 
stehen,  bleiben  unberücksichtigt.  Durch  den  ersten  Vor- 
schlag sollen  die  Handwerker  gegen  schlechtes  Rechnen 
geschützt  werden.  Es  kommt  nur  zu  häufig  vor,  dass 
Handwerker  sich  bei  ihren  Angeboten  verrechnen,  zu 
einem  sehr  niedrigen  Preise  den  Zuschlag  erhalten  und 
bei  Ausführung  der  Arbeit  grossen  Schaden  erleiden. 
Der  zweite  Theil  des  Vorschlages  soll  die  Handwerker 
gegen  die  Konkurrenz  schützen,  die  alles  unterbietet,  nur 
um  die  Arbeit  an  sich  zu  reissen.  Und  damit  diese  Kon- 
kurrenz sich  nicht  an  den  Arbeitern  schadlos  halten  und 
die  Löhne  drücken  kann,  wird  weiterhin  bestimmt,  dass 
die  Ertheilung  eines  Auftrages  davon  abhängig  zu  machen 
ist,  dass  der  Bewerber  die  in  dem  Gewerbe  üblichen 
Arbeits-Bedingungen  erfüllt  und  die  üblichen  Löhne  zahlt. 
Arbeiten  und  Lieferungen  von  grösserem  Umfange  sind, 
soweit  möglich,  in  kleineren  Loosen  auszuschreiben.  Auch 
in  anderen  Städten  (z.  B.  in  Barmen  und  Dresden)  be- 
schäftigt man  sich  z.  Zt.  mit  einer  Neuregelung  des  Sub- 
missionswesens, über  dessen  schwere  Mängel  bei  dem 
heutigen  Verfahren  wohl  nur  eine  Ansicht  herrscht, 
während  man  über  die  Wege,  welche  einzuschlagen  sind, 
um  eine  Gesundung  herbei  zu  führen,  sehr  getheilter 
Meinung  sein  kann.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Erweiterungsbau  Ständehaus  Kassel.  Der 
kurzen  Ankündigung  S.  368  sei  ergänzend  angefügt,  dass 
es  sich  um  die  Erweiterung  eines  am  Ständeplatze  in 
Kassel  gelegenen  historischen  Bauwerkes  handelt,  dessen 
vornehmes  und  edles  Aeussere  nach  dem  Programm 
„thunlichst“  keine  Veränderung  in  seiner  Strassenansicht 
erfahren  soll.  Vielleicht  hätte  man  bei  der  feinen  Haltung 
des  Aufbaues  wünschen  können,  dass  das  Programm  die 
unberührte  Erhaltung  der  Strassenansicht  zur  Bedin- 
gung macht.  Bei  den  Veränderungen  handelt  es  sich  um 
die  Erweiterung  des  Sitzungssaales  und  seine  Verwendung 
als  Repräsentationsraum,  um  die  Anlage  einer  Wohnung  für 
den  Landeshauptmann,  um  die  Schaffung  neuer  Geschäfts- 
räumeusw.  Dem  Bewerberbleibtes  überlassen, die  Schaffung 
dieser  Geschäftsräume  durch  Umbauung  des  bestehenden 
Saales,  durch  Anbauten  an  denselben , durch  Errichtung 
eines  besonderen  Gebäudes  im  hinteren  Theile  des  Gartens 
oder  durch  einen  Erweiterungsbau  im  Anschluss  an  das 
Vorderhaus  unter  Beseitigung  des  Sitzungssaales  zu  er- 
möglichen. Die  Zeichnungen  sind  i : 200  verlangt.  Bei 
der  Preisentscheidung  wird  „der  möglichst  niedrige  Betrag 
der  erforderlichen  Baukosten  nicht  unwesentlich  mit- 
sprechen.“ Die  mit  Preisen  ausgezeichneten  Entwürfe 
gehen  zwar  zur  freien  Benutzung  in  den  Besitz  der  Ver- 
waltung über,  dieselbe  erklärt  aber  in  anerkennenswerther 
Weise,  dass  die  Uebertragung  der  Planverfassung  im  Ein- 
zelnen an  einen  der  Preisträger  nicht  ausgeschlossen  sei, 
wenn  die  Verwaltung  auch  eine  Zusage  zunächst  nicht 
machen  will.  Die  Theilnahme  an  dem  Wettbewerb  sei 
angelegentlichst  empfohlen  — 

Einen  internationalen  Wettbewerb  zur  Erlangung  des 
besten  Originalwerkes  über  spanische  Archäologie  erlässt 
der  Magistrat  von  Barcelona  zum  23.  Okt.  1906.  Zuge- 
lassen werden  handschriftliche  oder  gedruckte  Arbeiten 
spanischer  und  ausländischer  Urheber  in  lateinischer, 
kastilianischer,  katalonischer,  französischer,  italienischer 
oder  portugiesischer  Sprache.  Es  gelangt  ein  Preis  von 


20000  Pesetas  (20  Pesetas  = 26,20  M)  zur  Vertheilung. 
Die  Preiszuerkennung  erfolgt  am  23.  April  1907.  Unter- 
lagen durch  den  Hrn.  kgl.  preuss.  Minister  der  geistl., 
Unterrichts-  und  Medizinal-Angelegenheiten  in  Berlin.  ■ — 


Chronik. 

Technische  Hochschule  in  Nürnberg.  Die  Forderung  der 
bayerischen  Regierung  von  looooM  für  die  Vorbereitungs-Arbeiten 
zur  Errichtung  einer  technischen  Hochschule  in  Nürnberg,  um 
welche  auch  die  Städte  Würzburg  und  Augsburg  sich  beworben 
haben,  wurde  nunmehr  auch  vom  Plenum  der  Kammer  abgelehnt.  — 
Die  Einweihung  der  St.  Josephs-Kirche  InMünchen,  eines 
im  Stile  der  Renaissance  gehaltenen  Werkes  des  Architekten 
Schürer  in  München,  hat  Mitte  Juni  stattgefunden.  ~ 

Die  Errichtung  eines  Denkmals  für  Karl  den  Grossen 
an  der  Peterskirche  in  Wien  mit  einem  Aufwande  von  goooo  Kr., 
an  welchem  Staat,  Land  und  Stadt  theilnehmen  würden,  ist  an- 
gebahnt. — 

Die  Wiederherstellung  des  grossen  Apollotempels  von 
Phigalia  ist  durch  die  griechische  Regierung  beschlossen  worden. 
Der  Tempel  wurde  430  v.  Chr.  durch  Iktinos  errichtet  und  ist 
besser  erhalten,  als  die  übrigen  griechischen  Tempel.  Die  Leitung 
der  Wiederherstellungs-Arbeiten,  von  welchen  nicht  gesagt  ist, 
wie  weit  sie  sich  erstrecken  sollen,  hat  Nikolaus  Balanos.  — 

Die  neue  Kirche  zum  heiligen  Kreuz  zu  Münster  i.  W., 
welche  nach  den  Plänen  und  unter  der  Oberleitung  des  Reg.-Bmstr. 
H.  Hertel  in  Münster  mit  einem  Kostenaufwande  von  300000  M. 
{Thurm  nur  bis  Kirchendachgesims)  bei  1600  Sitzplätzen  erbaut 
wurde,  ist  am  19.  Juli  nach  feierlicher  Einweihung  in  Benutzung 
genommen  worden.  — 

Die  neue  St.  Josefskirche  zu  Münster  i.  W.,  ebenfalls 
nach  Plänen  und  unter  Oberleitueg  des  Hrn.  Reg.-Bmstr.  H Hertel 
in  Münster  vorläufig  zur  Hälfte  erbaut  (250000  M-),  wurde  am 
20.  Juli  dem  Gottesdienste  übergeben.  — 

Die  Kapernaumkirche  in  Berlin,  die  nach  dem  Entwürfe 
des  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Siebold  in  Bielefeld  im  Stile  des  > spät- 
romanischen  Backsteinbaues  errichtet  wurde,  soll^im  August  die' 
Weihe  erhalten.  — 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Der  Bahnbauinsp.  Straub  bei  der  Gen.-Dir.' der 
Staatseiseub.  ist  z.  Kollegial-Mitgl.  ernannt. 

Preussen.  Dem  Geh.  Reg.-Rath  Ziebarth,  Mitgl.  des  kais. 
Patent-Amtes  in  Berlin,  ist  der  Rothe  Adler-Orden  III  Kl.  mit  der 
Schleife,  dem  Kreis-Bmstr.  W o I f f in ’Bitburg  der  Rothe  Adler- ' 
Orden  IV.  KL,  dem  Ing.  u.  Fabrikbes,  Karl  v.  Siemens  in  Berlinif 
der  kgl.  Kronen-Orden  II.  KI.  und  dem  Reg -Rath  Schober,  in 
Kiel  der  kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl.  verliehen. 

Der  Reg  - und  Geh.  Brth.  Böttger  aus  Wiesbaden  ist  z. 
Geh.  Brth.  und  vortr.  Rath  im  Minist,  für  Landwirthschaft,  Domänen 
und  Forsten  ernannt. 

Kgl.  Techn.  Hochschule  in  Aachen.  Der  Senat  für 
das  Jahr  i.  Juli  1902/1903  besteht  aus  dem  Rektor  Prof.  Dr.  Brauer 
(Eisenbahnbau)  als  Vors,  und  den  Vorst  derAbth.;  Prof.  Schup- 
mann  für  1.  Architektur,  Prof.  Holz  für  II.  Bauingenieurwesen, 
Prof.  Köchy  für  III.  Maschinen  - Ingeiiieurwesen , Prof-  Dr. 
Klockmann  für  IV.  Bergbau-  und  Hüttenkunde,  Chemie  und 
Elektrochemie,  Prof.  Dr.  Jürgens  für  V.  Allgemeine  Wissen- 
schaften, sowie  den  Herren  Prof.:  Dr.  Bredt,  Geh.  Bergrath 
Lengemann  und  Geh,  Reg.-Rath  Dr,  W ü 1 1 n e r. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Reinh.  R u 1 f f in  Glogau  und  Heinr.  B r ahl 
in  Berlin  ist  die  nachges.  Entlass,  aus  dem  Dienste  der  allgem. 
Bauverwaltg.  und  Gg.  Hoppe  in  Konstadt  dieselbe  aus  dem 
Staatsdienste  ertheilt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Karl  Blumenthal  aus  Czarlin,  Johs  Müller 
aus  Fingen  u.  Erich  W ulsten  aus  Frankfurt  a.  O.  (Wasser-  u. 
Strassenbfeh.),  — Herrn.  S chäf er  aus  Kassel,  Alfr.  Schlochauer 
aus  Hamburg,  Rieh.  Rothacker  aus  Esslingen,  Friedr.  Kutz- 
b a c h aus  Trier,  Konr.  Hermann  aus  Friedrichsthal,  Jul.  Stroh 
aus  Offenbach  a.  M.  und  Paul  Nathansohn  aus  Berlin  (Hoch- 
bfeh.),  — Hugo  Lippmann  aus  Posen,  Günther  Schoepplenberg 
aus  Berlin  (Eisenbfeh.) , Emil  Oes  er  aus  Berlin,  Karl  Bange 
aus  Hamburg  (Masch.-Bfeh ) sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  C.  Schn,  in  Bautzen.  Den  genannten  Zweck  dürften 
das  bereits  von  Ihnen  genannte  „Repertorium  für  Kunstwissenschaft" 
sowie  das  „Jahrbuch  der  kgl.  preuss.  Kunstsammlungen  in  Berlin“ 
noch  am  ehesten  erfüllen.  Wir  nehmen  an,  dass  die  „Kunstchronik“ 
Ihnen  bekannt  ist.  Besondere  Veröffentlichungen  über  die  genannten 
Zweige  giebt  es  nicht.  — 

Hrn.  J.  H.  K.  ln  Bremen.  Ohne  Angabe  darüber,  um  was 
für  ein  Dach  es  sich  handelt,  sind  wir  leider  nicht  in  der  Lage, 
Hire  Anfrage  zu  beantworten.  Sollte  das  aber  nicht  auch  jeder 
Dachdeckermeister  können? 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Mittel  hat  man,  um  den  Fussboden  in  einem  neuen 
Hause  (vor, 2 Jahren  erbaut),  welcher  so  sehr  eingetrocknet  ist, 
dass  sich  Fugen  von  5mm  gebildet  haben,  auszubessern?  Wie 
bewährt  sich  „Nivellin“,  welches  zum  Ausbessern  bezw.  Ueber- 
ziehen  von  alten  Fussböden  angepriesen  wurde?  Hat  man  sonstige 
Mittel,  in  einer  Kittmasse  oder  dergl.  bestehend,  welche  sich  hier- 
für eignen?  0.  Fl.  in  M. 

Inhalt:  Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902.  — 
Der  feimplon-Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  Älteren 
Alpen-Tunnel  iFortsetzungl.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes. 
— Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin,  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmaun,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  61. 


392 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
H^BERLIN 


s!!g:!g!!»s;ssig:s^s!2:s;s:s!:st 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  62.  ^ 
DEN  2,  AUG.  1902.  ^ 


Entwurf  mit  dem  Kennwort:  „Stadtbild“.  I.  Preis.  Architekt:  Karl  Roth  in  Darmstadt. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau  eines  neuen 
Rathhauses  in  Kassel. 


(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  Seite  396  und  397. 


ie  im  vorangegangenen  Aufsatze  bereits  er- 
wähnte sorgfältige  Bearbeitung  der  Unter- 
lagen, die  augenscheinlich  auf  einen  Vor- 
entwurf des  Stadtbauamtes  zurückgeht,  und 
die  hieraus  abgeleiteten  genauen  Forderun- 
gen inbezug  auf  die  Lage  der  einzelnen  Raumgruppen 
in  den  verschiedenen  Geschossen  sowie  der  einzelnen 
Räume  innerhalb  der  Gruppen  zu  einander  haben  im 
Verein  mit  den  reichen  Erfahrungen,  über  welche  die 
Theilnehmer  des  Wettbewerbes  aus  den  zahlreichen 
Bearbeitungen  der  gleichen  Aufgabe  aus  vergangenen 
Jahren  verfügen  konnten,  kaum  zu  einer  Lösung  ge- 
führt, welche  schlechtweg  abzuweisen  wäre.  Inbezug 
auf  gänzlich  unbrauchbare  Arbeiten  hebt  sich  dieser 
Wettbewerb  auf  das  vortheilhafteste  von  früheren 
Wettbewerben  ab;  völlig  ungenügende  Entwürfe  sind 
freilich  auch  vorhanden,  aber  in  einer  so  geringen 
Minderzahl  — wir  erinnern  uns,  deren  höchstens  zwei 
oder  drei  gesehen  zu  haben  — , dass  sie  den  hohen 
Durchschnittsgehalt  des  Wettbewerbes  nicht  beein- 
flussen können.  Dieser  fast  gleichmässig  hohe  Durch- 
schnittswerth der  Entwürfe  ist  es,  welcher  den  Wett- 
bewerb auszeichnet  und  er  ist  mit  in  erster  Linie  dem 
Umstande  zuzuschreiben,  dass  die-  Theilnehmer  über 
klare  Angaben  verfügen  konnten.  Daher  kommt  es 
auch,  dass  die  Entwürfe  in  der  Lage  [der  Raumgruppen 
und  in  der  Gestaltung  derselben  wenig  grundsätzliche 
Unterschiede  aufweisen;  dieBedingungdesProgramraes 
jedoch,,  welche  wesentlichere  Unterschiede  in  der  An- 
lage hervorgerufen  hat,  war  die,  nach  welcher  das  Ge- 
bäude erweiterungsfähig  sein  sollte,  gleichwohl  aber 
so  zu  planen  war,  dass  auch,  der  jetzt  zu  errichtende 
Theil  ein  in  sich  geschlossenes,  harmonisches  Ganze 


bilden  sollte.  Wie  nun  die  Lageverhältnisse  der  Bau- 
stelle, die  in  den  sie  umziehenden  Strassenzügen  eine 
ziemlich  regelmässige,  wenig  malerische  Bebauung 
zeigt,  ergeben  und  wie  sich  auch  aus  dem  vorherr- 
schenden baulichen  Charakter  der  Neustadt  ableiten 
lässt,  ■«'■ar  ein  symmetrisches  Bauwerk  hier  das  in 
erster  Linie  gegebene  System  der  Anlage,  w'enn  diese 
auch  keineswegs,  wie  der  schöne  Entwurf  von  Franz 
Thyriot  zeigt,  eine  durchaus  malerische  Anlage  aus- 
schloss. Indessen,  es  kam  bei  der  Beurtheilung  dieser' 
Verhältnisse  noch  ein  Umstand  hinzu,  der  auch  für 
die  Entscheidungen  des  Preisgerichtes  bestimmend 
gewesen  sein  dürfte.  Heute  liegt  ein  Theil  des  für 
das  neue  Rathhaus  bestimmten  Geländes  unbebaut  als 
„Messplatz"  da  und  es  mögen  daraus  einzelne  Kon- 
kurrenten die  Berechtigung  abgeleitet  haben,  die  be- 
dingte Erweiterung  in  der  Art  vorzunehmen,  dass  sie 
zunächst  nur  die  nordöstliche  Hälfte  der  Baustelle  be- 
bauten und  die  nordwestliche  der  späteren  Bebauung 
vorbehielten.  Diesem  Standpunkte  gegenüber  machte 
die  Stadtverwaltung  den  berechtigten  Wunsch  geltend, 
es  möge,  um  jede  spätere  Disharmonie  zu  vermeiden, 
da  man  nicht  wissen  könne,  unter  welchen  Verhält- 
nissen nach  20  Jahren  etwa  die  dann  nothwendige 
Erweiterung  durchzuführen  sei,  jetzt  schon  der  Theil 
an  der  oberen  Königsstrasse,  welcher  nach  Lage,  der 
Dinge  als  der  Haupttheil  mit  dem  Haupteingang  zu 
betrachten  ist,  abgeschlossen  bebaut  werden.  Aehn- 
lichen  Erwägungen  gaben  auch  die  grösste  Mehrzahl 
der  Konkurrenten  Raum  und  so  entstanden  denn  eine 
Reihe  von  Vorschlägen,  welche  die  Erweiterung  auf 
dem  rückwärtigen  Theil  des  Geländes' suchten,  wo- 
bei dann  die  vorläufig  unsymmetrische  Gestalt  des 


393 


Grundrisses  beim  vollen  Ausbau  zu  einer  symmetrischen 
wurde.  Die  Anzahl  der  Höfe  des  ausgebauten  Bau- 
werkes wechselte  dabei  zwischen  i und  5.  Einen 
grossen  Innenhof  mit  seinem  unzweifelhaft  etwas  er- 
schwerten Geschäftsverkehr  zeigten  die  Entwürfe  „Fern 
von  Madrid“,  „Roland“,  „Alt-Cassel“,  „Westen“,  „Resi- 
denzstadt“, wobei  die  Erweiterung  des  ursprünglich 

I I-förmig  gestalteten  Grundrisses  durch  Schliessung 

der  vierten  Seite  des  Vierecks  gedacht  war.  Der 
Entwurf  „recte  [faciendo“  giebt  der  ersten  Anlage  eine 


Entwurf  mit  dem  Kennwort 
Architekt:  Franz  Thy 

I — [-Gestalt,  zieht  also,  wie  es  das  Programm  als 
Möglichkeit  andeutete,  die  Seitenflügel  gegen  die 
Königsstrasse  vor  und  nimmt  die  Erweiterung  gleich- 
falls durch  Schluss  der  vierten  Seiten  des  hinteren 
offenen  Hofes  an.  — Anlagen  mit  zwei  Höfen  nach  dem 
Ausbau  bei  mehr  oder  weniger  symmetrischer  oder 
malerischer  Gestaltung  zeigten  die  Entwürfe  „Klar  und 
wahr“,  „Los  vom  Mittelalter“,  „Frühling“,  „Guilielmus 
von  Nassauen“  usw.  Der  Entwurf  „Mai  1902“  bildet 
seine  Anlage  mit  zwei  Höfen  durch  Schliessung  der 


hinteren  Seite  der  ursprünglich  in  der  Form  eines 
liegenden  E LU  gedachten  Baugruppe.  Eine  symme- 
trische Anlage  mit  nur  2 Höfen  schon  vor  der  Erwei- 
terung zeigt  auch  der  Entwurf  „Jung  Deutschland“ ; der 
Grundriss  ist  rechteckig  und  die  Erweiterung  ist  so  ge- 
dacht, dass  aus  dem  Rechteck  später  ein  } — j wird,  d.  h. 
es  werden  die  Seitenflügel  nach  vorne  wie  nach  rück- 
wärts vorgezogen.  Eine  weitereArt zweihöfiger Anlage 
ist  in  dem  Entwurf  „i.  Mai  1902“  vorgeschlagen.  Hier 
reihen  sich  an  ein  geschlossen  umbautes  Rechteck  an 
einer  Seite  Flügel  mit  offenem  Gartenhof.  — Die  drei 
Höfe  des  ausgebauten  Rathhauses  sind  entweder  so  ge- 
wonnen, dass  in  ein  zunächst  ausgebautes  geschlosse- 
nes grosses  Rechteck  zwei  innere  verbindende  Flügel 
eingelegt  wurden,  wie  bei  den  Entwürfen  mit  den 
Kennworten  ,,Carpe  diem“  und  „Mieze“,  oder  dass 
zwei  etwa  quadratische  Baukörper  mit  inneren  Höfen  zu 

einer  □ Q-förmigen  Anordnung  verbunden  wurden 

und  später  die  offene  Seite  geschlossen  wird,  wie  bei 
dem  Entwurf  ,,Nach  der  Gross väter  Weise“  oder  dem 
mit  dem  Monogramm  CR;  oder  dass  die  ursprünglich 
1~  ~i-förmige  Anlage  geschlossen  und  mit  zwei  inneren 
Verbindungsbauten  ausgestattet  wird , wie  bei  den  Ent- 
würfen „Mittelthurm“,  „Schomburgbrunnen“,  „Giebel“; 
oder  aber  dass  ein  |—|- förmiger  Grundriss  an  der  rück- 
wärtigen Seite  geschlossen  und  mit  inneren  Verbin- 
dungsbauten versehen  wird,  wie  beim  Entwurf  „Chasala 
913“,  oder  endlich,  dass  aus  einer  - förmigen  An- 
lage durch  Angliedern  zweier  rückwärtiger  seitlicherHöfe 
eine  dreihöfige  Anlage  wird.  Der  letztere  Fall  ist  der 
häufigste;  er  findet  sich  bei  den  Entwürfen  „Ab  nach 
Kassel“,  dreitheiligesHerzblatt,  „i. Mai-Waidmannsheil“, 
„Ballermännchen“,  „Pfingsten  1902“,  Kleeblatt,  „Simpli- 
cissimus“,  „Waldmeister“,  „Glückspiel“  usw..  Eine  An- 
lage mit  4 Höfen  würden  nach  ihrem  vollen  Ausbau 
die  Entwürfe  „Freitreppe“,  „In  den  Spuren  des  Bru- 
nelleschi“  usw.  zeigen,  während  der  Entwurf  mit  dem 
Kennzeichen  des  getheilten  Doppelkreises,  es  gar  auf 
5 Höfe  bringen  würde.  Un-. 
ter  den  preisgekrönten  Ent- 
würfen sind  sowohl  derT ypus 
mit  nur  einem  Hof  nach  vol- 
lendetem Ausbau  (,, Roland“, 
IV.  Preis),  wie  der  mit  zwei 
Höfen  („Stadtbild“,  I.  Preis; 
,, Volkslied“,  III.  Preis),  wie 
auch  der  mit  drei  Höfen 
(,,Mäh  hunns“,II.  Preis;  ,,Gie- 
bel“,  II. Pr.;  „Waldmeister“, 
III.  Preis)  vertreten.  ^ 

In  stilistischer  Beziehung 
zeigt  der  Wettbewerb  in  in- 
teressanterWeise  den  Kampf 
zwischen  der  deutschen  Re- 
naissance und  dem  Barock- 
stil. Das  Mittelalter  tritt  nur 
ganz  vereinzelt  auf;  roma- 
nische Bestrebungen,  augen- 
scheinlich entstanden  unter 
dem  Einflüsse  der  mittel- 
alterlichenVorbilder,  wie  sie 
Tirol  etwa  bietet,  verräth 
der  etwas  unter  der  Art 
seiner  Darstellung  leidende, 
aber  eigenartige  Bildungen 
zeigende  Entwurf  mit  dem 
charakteristischen  Kenn- 
worte „Neues  aus  Altem 
— Lässt  Vernunft  walten“.  Gothischen  Entwürfen  er- 
innern wir  uns  nicht,  begegnet  zu  sein,  wenn  man 
nicht  etwa  den  mit  einem  II.  Preise  ausgezeichneten 
Entwurf  mit  dem  Kennwort  „Giebel“,  der  in  einer  Art 
persönlich  gefärbter  Neugothik  vorgetragen  ist,  hier- 
her rechnen  will.  Eine  ganz  vereinzelte  Stellung,  die 
auch  schon  in  seinem  Kennworte  angedeutet  ist,  nimmt 
der  Entwurf  „In  den  Spuren  des  Brunelleschi“  ein. 
Der  Verfasser  des  Entwurfes  bemerkt  in  seinem  Er- 
läuterungsberichte, dass  er  den  Namen  des  grossen 


h 

„Volkslied“.  Ein  III.  Preis. 
’ 0 1 in  Köln  a.  Rh. 


394 


No.  62. 


Florentiners  hierbei  als  Gattungsbegriff  angesehen 
haben  wollte,  und  zwar  in  zweifacher  Hinsicht.  Denn 
einerseits  lag  es  ihm  natürlich  fern,  etwa  seinen  Ent- 
wurf durch  die  Gegenüberstellung  eines  übermächtigen 
Vorbildes  von  vornherein  zu  gefährden;  sondern  er 
wollte  durch  die  Wahl  dieses  Namens  vor  allem  zum 
Ausdruck  bringen,  dass  er  aus  dem  Studium  der 
grossen  Paläste  der  toskanischen  Frührenaissance,  der 
Pitti,  Strozzi  usw.  den  Muth  gewonnen  hat,  wenigstens 
bei  der  Komposition  der  Hauptfassade  von  jeder  Zer- 
splitterung der  Kräfte  abzusehen,  in  dieser  vielmehr 
nur  einen  schlichten  Gedanken  mit  möglichst  unge- 
brochener Kraft  auszusprechen.  Zweitens  war  eben- 
sowenig die  Absicht  vorhanden,  in  den  stilistischen 
Einzelheiten  etwa  die  Formensprache  des  Brunelleschi 
und  seiner  Zeit  bis  ins  geringste  Detail  nacfazuahmen 
„wie  er  sich  räuspert  usw.“  — ein  Blick  auf  das  hohe 
Steildach,  auf  die  Breitgestalt  der  Bogenfenster  und 
auf  andere  Einzelheiten  erweist  das  Gegentheil:  der 
Verfasser  ist  durchaus  nicht  gewillt,  auf  das  historische 
Bild  des  deutschen  Rathhauses  zu  verzichten,  denn 
er  glaubt,  dass  man  wohl  auch  ohne  weiter  gehende 
Gliederung  und  sogar  unter  Verzicht  auf  reichen 
Erker-  und  Giebclschmuck  dennoch  gut  deutsch  bauen 
könne  (wie  das  Nürnberger  Rathhaus  und  andere 
echt  deutsche  Bauten  bekunden).  Ja,  das  Streben, 
einen  in  der  Phantasie  klar  erschauten  Eindruck  wieder- 
zugeben, hat  ihn  sogar  stellenweise  zu  direkt  moder- 
nen Anordnungen  geführt,  und  er  glaubt,  dass  dieser 
moderne  Einfluss  bei  einer  etwaigen  Ausführung  das 
Detail  auch  noch  stärker  beeinflussen  würde,  insonder- 
heit den  ornamentalen  Theil.“  Wir  glauben  uns  er- 
innern zu  können,  dem  Verfasser  auch  bei  anderen 
Wettbewerben,  z.  B.  denen  betreffend  die  Rathhäuser  in 
Hannover  und  Leipzig,  begegnet  zu  sein  und  immer 
erregte  er  unser  höchstes  Interesse  durch  die  merk- 
würdig echte  und  malerische  Auffassung,  in  welcher 
er  seine  Entwürfe,  die  infolge  ihrer  etwas  ängstlichen 
und  nichts  weniger  als  auf  bestechende  Wirkung  be- 
rechneten Darstellung  nicht  die  Beachtung  fanden, 
welche  sie  verdienten,  darzubieten  wusste.  Aus  ihnen 
spricht  ein  Künstler  von  feiner  und  tiefer  Empfindung. 

Entwürfe  dieser  und  ähnlicher  Art  jedoch  sind 
Ausnahmen;  der  überwiegende  Theil  der  Arbeiten  zeigt 
entweder  die  Formen  der  deutschen  Renaissance,  die 
Formen  des  Barock  oder  eine  Vermischung  beider 
und  das  Bestreben,  die  Hauptentwicklungs -Perioden 
der  Stadt  durch  eine  Art  Uebergangsstil  zum  Aus- 
druck zu  bringen.  Die  Bewerber,  welche  die  deutsche 
Renaissance  wählten,  knüpften  an  die  Zeiten  der  Re- 
formation an,  an  das  XVI.  Jahrhundert,  in  welchem 
die  Stadt  durch  Philipp  den  Grossmüthigen  und  Wil- 
helm IV.  wesentlichen  baulichen  Veränderungen  unter- 
worfen war.  Im  Hinblick  hierauf  mögen  in  trefflicher 
Stilauffassung  entstanden  sein  die  Entwürfe  mit  den 
Kennworten  „Klar  und  wahr"  (schön  durchgebildete 
Formen),  „Residenzstadt"  (maassvolle  gute  Haltung), 
„Vier  Eckdachreiter“  (mit  eigenartigen  Zügen  dieses 
Stiles  namentlich  in  der  Hauptfassade),  „Recte  faciendo 


usw.“,  „Kurz  und  bündig“,  „Guilielmus  von  Nassauen“, 
„Pfingsten  1902“,  „Es  muss  doch  Frühling  werden“ 
(Verf.,:  Hr.  Arch.  Joh.  Roth  in  Kassel),  der  Entwurf 
mit  deiii  Kennzeichen  des  dreitheiligen  Herzblattes 
usw.  Der  Entwurf  mit  dem  Kennworte  „Wonne- 
mond“ zeigt  eine  gute  Spätrenaissance  und  einen 
schönen  Thurm  und  glaubt  mit  einer  späteren 
Auffassung  der  Renaissance  in  Deutschland  den  histo- 
rischen Ueberlieferungen  der  Stadt  gerecht  werden  zu 
können.  Die  Verfasser  des  mit  einem  II.  Preise  aus- 
gezeichneten Entwurfes  „Mäh  hunn’s  usw.“,  die  Hrn. 
F.  Berger  in  Berlin  und  F.  Wilde  in  Charlottenburg, 
erstrebten  dieses  Ziel  durch  eine  unbefangene  Mischung 
deutscher  Renaissance  und  des  Barockstiles.  Eine 
ähnliche  Mischung,  jedoch  in  etwas  weitergehender 
Verarbeitung,  zeigt  auch  der  Entwurf  „Hercules“, 
dessen  Feinheiten  durch  die  etwas  trockene  Art  der 
Darstellung  nicht  voll  zur  Geltung  kommen. 

Die  meisten  Entwürfe  knüpften  in  ihrer  Stilfassung 
an  die  Periode  der  Stadt  an,  welche  den  Anfang  ihres 
Aufschwunges  zu  der  heutigen  Bedeutung  bildete,  an 
die  Regierungszeit  des  Landgrafen  Karl,  unter  welchem 
die  Aue,  das  Orangerieschloss,  die  grossartigen  An- 
lagen am  Habichtswald  und  durch  die  Aufnahme  der 
aus  Frankreich  vertriebenen  Hugenotten  die  schöne 
Ober-Neustadt  südwestlich  vom  Friedrichsplatz  ent- 
standen. Insbesondere  der  mit  dem  L Preis  gekrönte 
schöne  Entwurf  „Stadtbild“  des  Hrn.  Karl  Roth  in 
Darmstadt  zeigt  die  monumentalen  Formen  des  Barock- 
stiles in  prächtiger  Fassung  und  mit  jenem  glück- 
lichen Anhauch  deutscher  Empfindung,  die  grade  in 
Kassel  dem  Ortscharakter  am  besten  entspricht.  Neben 
diesem  Entwurf  zeichnen  sich  noch  durch  eine  inter- 
essante, theils  maassvollere,  theils  reichere  Auffassung 
dieses  Stiles  aus  die  Entwürfe  „Fern  von  Madrid“, 
„Auch  ein  Rathhaus“  (in  eigenartiger,  selbständiger 
Durchbildung),  „Carpe  diem"  (mit  interessanten  mo- 
dernen Einflüssen),  „Nach  der  Grossväter  Weise“, 
„Hessenland“  (mit  freier  Formensprache);  ein  etwas 
gewaltsam  kraftstrotzendes  Barock  zeigt  der  Entwurf 
„Residenz“.  In  einem  schönen  Barock  mit  deutscher 
Haltung  ist  der  Entwurf  „Simplicissimus“  dargestellt, 
während  der  Entwurf  „Freitreppe“  in  einem  eigen- 
artigenSpätrenaissance-Stii  mit  sehr  strengemDreiecks- 
giebel  vorgetragen  ist.  Unter  dem  bezeichnendenKampf- 
rufe  „Los  vom  Mittelalter“  ist  ein  Entwurf  entstanden, 
welcher  eine  so  schöne  und  intime  Auffassung  des 
Barockstiles  verräth,  dass  derselbe  vielleicht  hätte  in  die 
engste  Wahl  einbezogen  werden  können.  Es  ist  einer 
der  künstlerisch  werthvollsten  Entwürfe  des  Wettbe- 
werbes. Durch  ein  prächtiges  farbiges  Blatt  mit  der 
perspektivischen  Ansicht  der  Vorderfassade,  das  best- 
gemalte des  Wettbewerbes  überhaupt,  sowie  durch 
flotte  Federzeichnungen  ragt  der  Entwurf  mit  dem 
Kennzeichen  eines  Kleeblattes  hervor,  dessen  Archi- 
tektur sich  an  die  Bauten  der  Altstadt  anlehnt,  jedoch 
nicht  ohne  einen  Uebergang  zum  Stil  der  Neustadt 

zu  suchen.  — (Schluss  folgt.) 


Neue  Bestimmungen  für  die  Berechnung  der  Standfestigkeit  von  Schornsteinen. 


Bnter  dem  30.  April  d.  J.  hat  der  preuss.  Minister  d. 

öffentl.  Arbeiten  durch  Rundschreiben  an  die  Reg.- 
1 Präsidenten  usw.  neue  Bestimmungen  für  die  Be- 
rechnung der  Standfestigkeit  von  Schornsteinen  bekannt 
gegeben,  gemäss  Vorschlägen,  welche  die  preuss.  Akademie 
des  Bauwesens  in  Abänderung  bezw.  Ergänzung  ihres  Gut- 
achtens vom  13.  Juli  1889  über  diesen  Gegenstand  jetzt 
gemacht  hat.  Die  von  der  Akademie  des  Bauwesens  aufge- 
stellten Grundsätze  sind  von  den  Staats-Baubeamten  und 
den  Polizei-Behörden  usw.  bei  der  Prüfung  der  Gesuche 
um  Genehmigung  solcher  Schornstein- Anlagen  anzuwen- 
den. Soweit  die  neuen  Bestimmungen  denjenigen  der  Bau- 
polizei-Verordnungen über  die  Beanspruchung  der  Bau- 
materialien und  die  Belastung  des  Baugrundes  entgegen- 
stehen, sind  die  Bauverordnungen  zu  ändern. 

Das  Gutachten  hält  im  allgemeinen  fest  an  der  Be- 
messung des  Winddruckes  auf  125  für  eine  ebene, 

senkrecht  zur  Windrichtung  stehenden  Fläche,  wobei  be- 
reits die  etwaige  Saugwirkung  auf  der  Leeseite  berück- 

2.  August  1902. 


sichtigt  ist.  Die  in  Rechnung  zu  stellende  Angriffsfläche 
des  Windes  ist  der  lothrechte  Schornsteinschnitt  (senkrecht 
zu  zwei  gegenüberliegenden  Seiten  des  Grundrisses  bei 
eckigem  Querschnitt),  dessen  Schwerpunkt  als  der  An- 
griffspunkt des  Windes  anzunehmen  ist;  es  wird  also  eine 
gleichmässige  Vertheilung  des  Druckes  in  der  ganzen 
Schornsteinhöhe  angenommen.  Diese  Fläche  ist  bei  run- 
den Schornsteinen  auf  0,67,  bei  achteckigen  auf  0,71  des 
Werihes  bei  rechteckigem  Querschnitt  (wie  früher)  zu  ver- 
ringern, der  Wind  zur  Ermittelung  der  grössten  Kantenpres- 
sung bei  eckigen  Schornsteinen  aber  übereck  anzunehmen. 

Die  Fugen  dürfen  sich  an  der  Windseite  bei  125 
höchstens  bis  zur  Schwerpunktsaxe  des  Querschnittes 
öffnen.  Die  Zugspannungen  sind  zu  vernachlässigen,  die 
Druckspannungen  sowohl  für  125  wie  für  150 

Winddruck  zu  berechnen.  Zu  dieser  Doppelberechnung 
der  Druckspannungen  giebt  der  Erlass  keine  nähere  Er- 
läuterung. Anscheinend  sollen  die  Höchstwerthe  der  zulässi- 
gen Pressungen  dem  Winddruck  von  entsprechen. 


395 


Entvvmrf  mit  dem  Kennwort  „Stadtbild".  I.  Preis. Architekt:  Karl  Roth  in  Darmstadt. 


Entwurf  mit  dem  Kennwort;  „Waldmeister“.  Ein  III.  Preis.  Hauptgeschoss. 
Architekten:  Börnstein  & Kopp  in  Friedenau. 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathhaus  in  Kassel. 


- - Das  Einheitsgewicht 
der  Materialien  ist  mit 
dem  wirklichen, 
dem  nachzuweisenden 
Werthe  in  die  Berech- 
nungem2ufnhren,wird 
also  im  allgemeinen  für 
dieStaudfestigkeit  gün- 
stiger ins  Gewicht  fal- 
len, Genauer  festgelegt 
und  z.Th.  günstiger  als 
früher  sind  die  Bestim- 
mungen über  die  zu- 
lässigenBeanspruchun- 
^ gen.  Festgehalten  sind 
für  gewöhnliches  Zie- 
gelmauerwerk in  Kalk- 
mörtel (1:3)  7 
als  Höchstwerth,  da- 
gegen festgesetzt  12 
bis  15  kg/qcm  für  Hart- 
brandsteine  (Mindest- 
festigkeit  250  kg/ qcm)  in 

Kalk-Zement-Mörtel  (i 
Raumtheil  Zement,  2 
Kalk,  6—8  Sand).  Bei 
festeren  Steinen  und 
stärkerer  Zement-Bei- 
mischung sind  höhere 
Beanspruchungen  zu- 
lässig, jedoch  ist  stets 
eine  lofache  Sicherheit 
und  als  Höchstwerth 
25  kg/qcm  Pressung  bei 
150  kg/qcia  Winddruck 
festzuhalten  (früher  14 
bis  20 kg/qcm  bei  bestem 
Klinkermauerwerk  in 
reinem  Zementmörtel; 
für  verlängerhZement- 
mörtel  fehlten  Bestim- 
mungen). Allerdings  ist 
der  Nachweis  der  Zu- 
lässigkeit höherer  Be- 
anspruchungen durch 
völlig  einwandfreie 
F estigkeits  - Prüfungen 
anganzenMauerwerks- 
körpernzuführea.  Zu- 
lässige Beanspruchung 
der  Fundamente  bei 
Schüttbeton  6--8kg/qcm^ 
bei  Stampfbeton  ro  bis 
iskg/qcm  (früherfehlten 
Bestimmungen  über 
Beton);  zulässige  Bau- 
grundpressung bei  An- 
nahme eines  Wind- 
druckes  von  125  bis 
150  kg/qcm  in  der  Regel 
bis  3 kg/qcm^  ausnahms- 
weise l?is  4 kg. 

Während  der  Erlass 
also  die  bisherige  Fest- 
setzung der  Wind- 
druckgrössen für  aus- 
reichenderachtet, lässt 
er  eine  günstigere  Aus- 
nutzung besseren  Bau- 
materials  zu  als  bisher. 

Auch  in  Oesterreich 
sind  in  diesem  Jahre 
Vorschriften  über  die 
Berechnung  hoher 
Schornsteine  erlassen 
worden,  von  denen  die 
abweichenden  Punkte 
kurz  angeführt  seien'^). 

")  Technische  - Anleitung 
für  die  gewerbepolizeüiche 
Prüfung  von  Projekten  für 
die  Errichtung  oder  Erhöhung 
der  einen  Be^tandtheil  ge- 
werbl.  Betriebsatilagen  bil- 
denden gemauerten  hohen 
Schornsteine.  Erlass  des 
Minist,  d.  Innern  im  Ein- 
vernehmen! mit  dem  Han- 
dels - Minist,  vom  24..  März 
1902  an  alle  politischen  Lan- 
dessteilen. 


No.  6a. 


Entwurf  mit  dem  Kennwort;  „Volkslied“.  Ein  III.  Preis.  Architekt:  Franz  Thyriot  in  Köln  a.  Rh. 


Entwurf  mit  dem  Kennwort:  „Waldmeister“.  Ein  III.  Preis.  Architekten:  Börnstein  & Kopp  in  Friedenau. 
Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathhaus  in  Kassel. 


2,  August  1902. 


397 


Der  Winddruck  ist  in  der  durch  die  Bauordnungen 
festgesetzten  Höhe,  bezw.  wo  solche  Festsetzungen  fehlen, 
in  der  Regel  mit  150  ^g/q“  in  Rechnung  zu  ziehen,  ge- 
gebenenfalls auch  höher,  wo  entsprechende  Erfahrungen 
vorliegen.  Windstoss  und  Saugwirkung  an  der  Leeseite 
sind  dabei  nicht  zu  berücksichtigen.  Als  Winddruckfläche 
bei  vier-  und  achteckigen  Schornsteinen  ist  die  senkrechte 
Projektion  parallel  zu  einer  Vierecksseite  zu  rechnen. 
Gegen  Umkippen  muss  mindestens  eine  2 fache  Sicherheit 
vorhanden  sein.  Die  grösste  Materialbeanspruchung  ist 
jedoch  nur  bei  Annahme  des  einfachen  Winddruckes,  bei 
eckigen  Schornsteinen  übereck  wehend  anzunehmen.  Der 
Abminderungskoeffizient  des  Winddrucks  für  rechteckige 
und  runde  Schornsteine  entspricht  den  deutschen  Vor- 
schriften. Die  zulässigen  Beanspruchungen  weichen  da- 
gegen nicht  unwesentlich  ab.  Zunächst  werden  bei  Schaft- 
höhen von  nicht  mehr  als  30“  Zugspannungen  bis  i,2%/q°i 
zugelassen,  die  jedoch  für  jeden  Meter  Mehrhöhe  um 
0,05  kg/qcm  2U  Verringern  sind,  ln  der  untersten  Schicht 
des  Fundament-Mauerwerkes  ist  dagegen  Zugspannung 
nicht  zulässig.  Die  Druckbeanspruchung  darf  höchstens 


Vio  der  Festigkeit  der  Steine  und  des  Mörtels  erreichen, 
in  der  Regel  jedoch  nicht  mehr  als  ßkr/qem  bei  gewöhn- 
lichen Mauerziegeln,  12  kg;qcm  bei  gepressten  Maschinen- 
Formziegeln.  Bei  Nachweis  höherer  Festigkeiten  können 
auch  entsprechend  höhere  Belastungen  angenommen  wer- 
den. Für  die  Bodenpressung  werden  zugelassen: 

ijS^g/qcm,  bei  sehr  feuchtem  Lehm  und  Thon,  bei 
Sand  von  mindestens  i “ Mächtigkeit,  jedoch  gegen  seit- 
liches Ausweichen  geschützt ; 2,5  kg/qcm  bei  sandigem,  festem 
Kies  von  geringer  Mächtigkeit  oder  wechselnder  geneigter 
Lagerung,  stehendem  oder  theilweise  stehendem  und  ge- 
gen Ausweichen  geschütztem  Lehm  und  Thon;  3,5 kg/qcm 
schliesslich  bei  festgelagertem,  grobkörnigem  Kies,  bei  gro- 
bem Geschiebe  von  grosser  Mächtigkeit  und  bei  liegendem 
trockenem  Lehm  und  Thon. 

Die  Vorschriften,  die  also  sowohl  bezüglich  des  zu- 
grunde zu  legenden  Winddruckes  wie  auch  hinsichtlich  der 
zulässigen  Beanspruchungen  nicht  unwesentlich  von  den 
deutschen  abweichen,  geben  im  übrigen  noch  eingehende 
Bestimmungen  über  die  Ausführung,  über  die  zu  wäh- 
lenden Materialien  usw.  — 


Der  Simplon-Tunael,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen -Tunnel. 


4.  Der  Simplon-Tunnel.  (Fortsetzung). 

c)  Ausführung  des  Richtungsstollens  und 
Förderung. 

S^^jei  den  hier  inbetracht  kommenden  Arbeiten  und 
IPJ  Einrichtungen  hat  sich,  vermuthlich  infolge  der  Ver- 
• schiedenartigkeit  der  (jebirgsbeschaffenheit,  eine  auf 
beiden  Seiten  in  vielen  Punkten  von  einander  abweichende 
Art  des  Vorgehens  herausgebildet. 

Die  beiden  Stollen  werden  parallel  auf  gleicher  Höhe 
in  einem  Abstande  von  17  m von  einander  vorgetrieben. 
In  Entfernungen  von  je  200 « sind 
beide  Stollen  durch  Querörter,  die 
sog.  Traversen,  mit  einander  verbun- 
den, deren  Richtung  nicht  senkrecht 
zur  Längsaxe  der  Stollen,  sondern 
etwas  dagegen  geneigt  angeordnet  ist. 

In  beiden  Stollen  Hegt  ein  Gleis  von 
80  cm  Spur  auf  eisernen  Querschwellen 
und  in  jeder  Traverse  ist  eine  Weichen- 
verbindung  zwischen  den  beiden  Glei- 
sen hergestellt.  Die  beiden  letzten 
Traversen  vor  Ort  bilden  die  Vorort- 
sta’tion,  während  in  dem  fertig  ausge- 
mauerten Tunnel  I möglichst  nahe  an 
den  Arbeitsstellen  der  Mauerung  die 
Tunnel-Hauptstation  eingerichtet  ist. 

Die  allgemeine  Anordnung  dieser  Sta- 
tionen im  Inneren  des  Tunnels,  wie 
dieselbe  z.  Z.  für  die  Nordseite  gewählt 
ist,  ergiebt  sich  aus  der  Abbildg.  12. 

Die  Einrichtung  der  Förderung  ist  da- 
bei wie  folgt  organisirt:  Die  aus  leeren 
Vorort-  und  Vollausbrucliwagen,  so- 
wie aus  beladenen  Wagen  für  Maurer- 
Materialien,  Holz  und  Gezähe  bestehen- 
den, auf  dem  Installationsplatz  ran- 
girten  Züge  werden  durch  Dampf- 
Lokomotiven  bis  in  die  Tunnel-Hauptstation  gezogen.  Nach 
Ankunft  eines  Zuges  auf  der  Hauptstation  trennt  sich  die 
Lokomotive  von  demselben  und  holt  die  beladenen  Wagen 
aus  den  Arbeitsstellen  des  Tunnels  und  Stollens  I heraus, 
soweit  sie  in  diesen  Stollen  vorzudringen  vermag.  Alle 
diese  Wagen  werden  bis  in  die  Tunnel-Hauptstation  durch 
die  Dampf-Lokomotive  zurückgeschafft,  wobei  dieselbe 
also  die  Arbeitsstellen  der  Mauerung  und  des  Vollaus- 
bruches zu  durchfahren  hat.  Nachdem  so  die  Maurer- 
und Vollausbruchs-ArbeitssteJlen  von  den  Wagen  befreit 
sind,  schiebt,  die  Dampf-Lokomotive  die  leeren  Vorort- 
wagen, sowie  die  beladenen  Mauer-,  Holz-  und  Gezähe- 
wagen  in  die  Vollausbrüche  und  kehrt  dann  in  die 
Tunnel-Hauptstation  zurück.  Für  den  Transport  der  be- 
ladenen Vorortwagen  im  Stollen  II  bis  zur  Weiche  li 
und  von  dort  durch  die  Traverse  in  den  Tunnel  I,  sowie 
zum  Weiterbefördern  der  von  der  Dampf-Lokomotive  bis 
in  die  Vollausbrüche  geschobenen  leeren  Wagen  bis  vor 
Ort  im  Tunnel  I dient  je  eine  Luft-Lokomotive  in  jedem 
Stollen.  Die  auf  die  Tunnel-Hauptstation  zurückgekehrte 
Dampf-Lokomotive  rangirt  dann  auf  dieser  Station  die 
beladenen  Vorortwagen  mit  den  beladenen  Vollausbruch- 
und  leeren  Maurerwagen  zu  einem  Zuge  und  führt  den- 
selben ins  Freie  auf  die  Halde  bezw.  auf  den  Arbeitsplatz. 
Bei  diesem  System  der  Förderung  wird  also  der  Stollen  II 
zwischen  der  Tunnel-Hauptstation  und  der  Vorort-Station 
mit  zur  Förderung  benutzt,  so  dass  die  Traverse  in  der 

398 


Tunnel-Hauptstation  zum  Durchschieben  der  beladenen 
Vorortwagen  gebraucht  wird,  also  zeitweilig  geöffnet  wer- 
den muss.  Dadurch  wird  natürlich  ein  Theil  der  in  den 
Stollen  II  eingeblasenen  frischen  Luft  durch  diese  Traverse 
unmittelbar  in  den  Tunnel  I gelangen,  ohne  erst  die  bei- 
den letzten  Traversen  vor  Ort  durchstreichen  zu  müssen. 
Die  Lüftung  vor  Ort  und  in  den  Arbeitsstellen  im  Tunnel  I 
wird  demnach  durch  dieses  Verfahren  etwas  beeinträchtigt, 
was  sich  aber  nach  der  von  mir  selbst  gemachten  Wahr- 
nehmung kaum  fühlbar  macht,  weil  eben  die  Lüftung  zur- 
zeit überhaupt  eine  überreichliche  ist.  Für  diesen  Förde- 


rungs- und  Rangirdienst  sind  2 Dampf-  und  2 Luft-Loko- 
motiven im  Betrieb  und  es  verkehren  im  Tage  24  Züge, 
also  jede  Stunde  einer  nach  feststehendem  Fahrplan. 

Die  durch  die  Dampf-Lokomotive  in  den  Stollen  I 
vorgeschobenen  leeren  Vorortwagen  werden  von  dort 
durch  die  Luft- Lokomotive  bis  zwischen  die  beiden  letzten 
Traversen  vor  Ort  geschafft.  Nachdem  das  Bohren  und 
Schiessen  im  Stollen  beendigt  ist,  wobei  der  Bohrwagen 
vom  Ort  zurückgezogen  und  auf  einer  im  Stollen  ange- 
ordneten Schiebebühne  auf  die  Seite  gestellt  ist  (Abb.  13 
und  14),  werden  2 leere  Wagen  vor  Ort  geschoben,  von 
denen  aber  der  eine  zunächst  auf  einer  zweiten  Schiebe- 
bühne ebenfalls  zur  Seite  gestellt  wird.  Gleichzeitig  gehen 
2 Schlepper  vor  Ort,  denen  etwa  100  leichte  aus  Bast 
geflochtene  Körbe  über  die  Wagen  hinweg  zugereicht 
werden,  die  sie  aus  dem  unmittelbar  vor  Ort  liegenden 
Material  unter  Zuhilfenahme  von  Hacken  mit  kurzem  Stiel 
füllen.  Während  dieser  Arbeit  wird  der  erste  Wagen, 
wie  Abbildg.  14  zeigt,  von  4 Schleppern  aus  dem  weiter 
zurückliegenden  Material  beladen,  wobei  ein  auf  dem 
Wagen  stehender  Schlepper  dieses  Material  im  Wagen  ver- 
theilt. Nachdem  dieser  Wagen  gefüllt  ist,  wird  er  von 
einem  Pferd  durch  die  erste  Traverse  in  den  Stollen  II 
gezogen  und  dort  zwischen  den  beiden  Traversen  stehen 
gelassen.  Sofort,  nachdem  der  gefüllte  Wagen  an  dem 
inzwischen  auf  der  Schiebebühne  zur  Seite  gestellten 
2.  leeren  Wagen  vorbei  gelangt  ist,  wird  dieser  ins  Gleis 

No.  62. 


gerückt  und  zusammen  mit  einem  weiteren  inzwischen 
dem  Depot  der  leeren  Wagen  im  Stollen  I entnommenen 
Wagen  vor  Ort  geschoben.  Während  dieser  Vorgänge 
sind  die  inzwischen  unmittelbar  vor  Ort  gefüllten  Körbe 
durch  mehrere  eine  Kette  bildende  Schlepper  nach  rück- 
wärts geschafft  und  seitwärts  im  Stollen  niedergesetzt. 
Nach  Ankunft  der  beiden  neuen  leeren  Wagen  erfolgt 
dann  die  Beladung  des  dem  Ort  zunächst  stehenden  in 
der  Weise,  wie  vorher  beschrieben,  während  die  rück- 
wärts abgesetzten  Körbe  von  den  übrigen  Schleppern  in 
den  2.  Wagen  entleert  werden.  Gleichzeitig  füllen  die 
beiden  Schlepper  vor  Ort  die  ihnen  wieder  zugereichten 
oder  dort  noch  vorhandenen  Körbe.  Nach  Beendigung 
des  Schutterns  stehen  also  hier  die  gefüllten  Vorortwagen 
im  Stollen  II,  von  wo  sie  dann  durch  die  Luft-Lokomotive 
bis  zur  Traverse  der  Tunnel-Hauptstation  und  durch  die- 
selbe in  den  Tunnel  I geschafft  werden.  Um  bei  diesem 
Verfahren  die  gefüllten  Vorortwagen  bei  der  Schutterung 
in  jedem  der  beiden  Stollen  vom  Ort  zurückschaffen  zu 
können  ohne  genöthigt  zu  sein,  beim  Durchfahren  der 
Weiche  in  der  Traverse  die  Bewegungsrichtung  zu  ändern, 
ist  die  Lage  der  Traverse  hier  so  angeordnet,  dass  die- 
selbe von  II  nach  I gegen  das  Ort  gerichtet  ist.  Imganzen 
sind  12  Schlepper  vor  jedem  Ort  beschäftigt,  wovon  zeit- 
weilig 2 Ruhepausen  haben. 

Die  Förderwagen  sind  durchweg  Kippwagen,  sie  sind 
mit  federnden  Buffern  und  Zugvorrichtungen  ausgerüstet 
und  haben  einen  Fassungsraum  von  1,6“=^™.  Die  Vorort- 
wagen haben  schmalere  Wagenkasten  von  nur  i “ Breite. 
Die  Tunnel-Hauptstation  wird  durch  Acetylengas  beleuchtet, 
welches  auf  einem  fahrbaren  Apparat  an  Ort  und  Stelle 
erzeugt  wird. 

Von  der  vorstehenden  Schilderung  in  vielen  Punkten 
abweichend  sind  die  Vorortarbeiten  und  die  Förderung  auf 
derSüdseiteder  Anlage  eingerichtet.  Die  Abweichunggegen- 


den  übrigen  Zug  in  das  Gleis  a— b (Abbildg.  i6).  Sie  wird 
dann  vom  Zuge  getrennt  und  fährt  in  die  Arbeitsstellen, 
wo  inzwischen  die  gefüllten  Vollausbruchs-  und  Vorort- 
wagen durch  Pferde  zusammengeschoben  sind.  Diesen 
Zug  holt  die  Lokomotive  und  zieht  ihn  zurück  in  das 
Gleis  c— d;  sie  setzt  sich  dann  vor  die  Gezähe-,  Holz-  und 
gefüllten  Maurerwagen,  zieht  diese  in  das  Gleis  a— b und 
schiebt  von  hier  aus  gleichzeitig  die  leeren  Vorort-  und 
Vollausbruchswagen  vor  sich  her  bis  in  die  Vollausbrüche, 
von  wo  die  leeren  Vorortwagen  mit  Pferden  durch  die 
vorletzte  Traverse  bis  in  den  Stollen  II  der  Vorortstation 
befördert  werden.  Unterwegs  sind  die  Gezähe-,  Holz-  und 
Maurerwagen  in  den  Arbeitsstellen,  für  die  sie  bestimmt 
waren,  abgehängt  und  sofort  entladen  worden,  so  dass  die 
Maschine  bei  ihrer  Rückfahrt  diese  entleerten  Wagen  vor 
sich  her  in  das  Gleis  c— d der  Tunnel-Hauptstation  hinter 
die  dort  stehenden  gefüllten  Vorort-  und  Voilausbruchs- 
wagen  drücken  kann.  Dann  setzt  sich  die  Maschine  durch 
das  jetzt  leere  Gleis  a— b vor  den  Zug  und  befördert  ihn 
auf  den  Arbeitsplatz.  Für  diesen  Betrieb  sind  hier  nur 
2 Dampf-Lokomotiven  und  eine  Luft-Lokomotive  im  Dienst, 
letztere  wurde  aber  zurzeit  meiner  Anwesenheit  auf  der 
Baustelle,  im  Juni  1901,  noch  nicht  im  Tunnel  verwendet. 

Wie  aus  dem  Vorstehenden  hervorgeht,  ist  die  För- 
derung hier  wesentlich  einfacher  eingerichtet  und  wird 
mit  3 Personen-  und  9 Materialzügen  für  den  Tag  nach 
festem  Fahrplane  bewältigt.  Es  wird  hier  ausschliesslich 
der  Stollen  I für  die  Förderung  benutzt,  so  dass  alle  rück- 
wärtigen Traversen  dauernd  geschlossen  gehalten  werden 
können  und  der  Stollen  II  nur  für  die  Luitzuführung  und 
die  Wasserabführung  verwendet  wird. 

Auch  die  Schutterung  vor  Ort  weicht  hier  von  der 
früher  für  die  Nordseite  beschriebenen  Art  und  Weise 
ab;  sie  ist  wie  folgt  eingerichtet;  In  einer  Höchstentfernung 
von  30  ra  vom  Ort  ab  ist  für  das  Auswechseln  der  Wagen 
eine  Schiebebühne  eingebaut 


‘vVwitjiAtW.  I 


(s.  Abbildg.  17).  Nachdem  der 
Raum  vor  Ort  nach  dem  Ab- 


schiessen genügend  gelüftet 
ist,  werden  2 leere  Wagen  vor 
Ort  geschoben,  von  denen 
einer  auf  der  Schiebebühne 
vorläufig  zur  Seite  gerückt 
wird.  Für  den  anderen  leeren 
Wagen  wird  das  Gleis  mög- 
lichst weit  von  Material  ge- 


Abbildg.  .5.  SMseite.  Abbildg.  i6.  reinigt,  so^  dass  der  Wagen 

so  weit  wie  irgend  möglich 


gegen  den  Ort  herangebracht 
werden  kann.  Unmittelbar  vor 
Ort,  wo  das  Material  am 
höchsten  liegt,  arbeiten  drei 
Schlepper,  denen  das  Material 
durch  einen  Mineur  aufgepickt 
wird,  indem  sie  dasselbe  auf 
Bleche  von  50—80^10  im  Qua- 
drat werfen  und  mittels  dieser 
nach  rückwärts  befördern. 
Von  hier  wird  es  von  2 Schlep- 
pern, die  sich  vor  Kopf  des 
Wagens  aufstellen  und  eben- 
falls von  2 Mineuren  durch 


Abbildg.  17. 

über  der  Nordseite  besteht  hier  namentlich  darin,  dass  die 
leeren  Vorortwagen  durch  die  vorletzte  Traverse  in  den 
Stollen  II  geschafft  und  dort  zwischen  den  beiden  letzten 
Traversen  abgesetzt  werden  (s.  Abbildg.  15),  während  die 
gefüllten  Vorortwagen  mit  Pferden  in  den  Stollen  I ge- 
bracht und  dort  zwischen  den  beiden  Traversen  aufge- 
stellt werden.  Damit  nun  sowohl  bei  der  Förderung  aus 
dem  Stollen  II  als  auch  aus  I die  vollen  Wagen  ohne 
Umkehrung  der  Bewegungsrichtung  durch  die  Weichen 
geschoben  werden  können,  hat  man  hier  die  Richtung  der 
Traversen,  wie  Abbildg.  15  zeigt,  umgekehrt  angeordnet 
wie  auf  der  Nordseite,  wodurch  auch  der  im  Stollen  I er- 
folgende Transport  der  leeren  Vorortwagen  bis  in  den 
Stollen  II  zwischen  die  beiden  letzten  Traversen  ohne 
Unterbrechung  möglich  ist.  Für  die  Hauptforderung  ist 
auch  hier  eine  Tunnel-Hauptstation  vor  den  Mauerungs- 
und Vollausbruchs-Arbeitsstellen  angeordnet,  die  aber  nur 
in  einem  Ausweichgleise  besteht  (s.  Abbildg.  16). 

Auf  dem  Arbeitsplätze  im  Freien  werden  die  Züge 
so  geordnet,  dass  die  leeren  Vorortwagen  unmittelbar  an 
die  Maschine  gehängt  werden;  diesen  folgen  die  leeren 
Vollausbruchs-  sowie  die  beladenen  Holz-  und  Gezähe- 
wagen,  während  die  mit  Maurerraaterialien  gefüllten  Wagen 
den  Schluss  bilden.  Bei  Ankunft  auf  der  Station  lässt  die 
Maschine  die  letzteren  vor  der  Weiche  stehen  und  zieht 


Aufpickeln  unterstützt  werden, 
auf  den  Wagen  geladen,  wo  es 
von  einem  in  demWagen  stehenden,  das  Kommando  führen- 
den Schlepper  mit  einer  Kratze  im  Wagen  nach  rückwärts 
vertheilt  wird.  Die  beiden  Schlepper  und  die  Mineure 
vor  demWagen  werden  während  der  Füllung  eines  Wagens 
dreimal  abgelöst,  so  dass  für  diesen  Posten  6 Schlepper 
und  6 Mineure  erforderlich  sind.  Sofort  nach  der  Füllung 
des  Wagens  wird  derselbe  von  einem  Pferde  in  den 
Stollen  I zwischen  die  beiden  letzten  Traversen  gezogen. 
Hinter  der  Schiebebühne  wird  der  dort  stehende  Reserve- 
wagen ins  Gleis  gerückt  und  vor  Ort  geschoben.  Mit  dem 
Auswechseln  der  Wagen  vor  Ort  vergehen  etwa  1—1,5 
Minuten,  die  zur  Reinigung  der  Platten  und  des  Gleises 
benutzt  werden.  Sobald  der  durch  das  Pferd  zurück- 
gezogene volle  Wagen  die  nach  dem  Stollen  il  führende 
Weiche  durchlaufen  hat,  wird  ein  neuer  leerer  Wagen 
aus  Stollen  II  in  die  Schiebebühne  vor  Ort  geschoben. 

Wie  man  sieht,  ist  bei  dieser  Schutterungsmethode 
vor  allem  darauf  Bedacht  genommen,  dass  den  unmittel- 
bar vor  Ort  beschäftigten  Leuten  möglichst  alle  diejenigen 
Arbeiten  abgenommen  werden,  welche  auch  von  den 
weiter  rückwärts  stehenden  Leuten  ausgeführt  werden 
können,  also  namentlich  das' Aufladen  des  Materiales  auf 
den  Wagen;  sie  haben  nur  möglichst  schnell  den  grossen 
Haufen  vor  Ort  zurückzuwerfen,  wobei  sie  sich  gar  nicht 
um  den  Wagen  zu  bekümmern  brauchen.  — (Schluss  folgt). 


2.  August  1902. 


399 


Vermischtes. 

Der  Panama-Kanal.  Neueren  Nachrichten  aus  Amerika 
zufolge  scheint  der  Panama-Kanal  aus  terrestrischen  und 
aus  wirthschaftlichen  Gründen  gesichert.  Prof.  Angelo 
Heilprin  von  der  Universität  in  Philadelphia,  ein. Gut- 
achter in  der  Isthmuskanal-Frage,  leitet  die  ersteren  Gründe 
aus  den  vulkanischen  Ausbrüchen  auf  der  Insel  Martinique 
ab  und  führt  etwa  aus:  „Die  ganz  unzweifelhafte  Ver- 
bindung, welche  zwischen  den  vulkanischen  Eruptionen 
von  Martinique  und  St.  Vincent  besteht,  beweist,  dass  ein 
weiter  vulkanischer  Kreis  sich  gebildet  hat,  der  ein  für 
allemal  dem  Plane  des  Baues  eines  Nicaragua-Kanales  ein 
Ende  machen  sollte.  Diesen  Schluss  begründe  ich  . folgen- 
dermaassen : Die  Zustände  am  Mont  Pelde  und  in  St.  Vincent 
beweisen  unbedingt  eine  Zunahme,  nicht  eine  Abnahme 
der  vulkanischen  Phänomene  in  der  Region  des  karaibischen 
: Golfes.  Die  Zerstörung,  wurde  in  diesem  Falle  auf  ganz 
neue  Art  bewerkstelligt,  nicht  durch  Lava,  Asche  oder  ein 
Erdbeben,  sondern  durch  explosible  Gase  und  Dampf,  die 
alles  in  Atome  zerrissen,  als  würde  es  aus  der  Mündung 
einer  Kanone  geschossen.  Sieben  (englische)  Meilen  weit 
sind  ganze  Dörfer  aus.  solidem' Ziegelbau  eingestürzt  und 
verschüttet.  . Ich  habe  das  90  Meilen  entfernte  St.  Vincent 
besucht  und  finde  dort  ganz  dasselbe  Phänomen.  Ich  hege 
keinen  Zweifel  am  Zusammenhänge  der  Eruptionen.  Es 
wäre  einfach  thöricht,  sieh  beim  Bau  eines  Kanales  durch 
ein  vulkanisches  Land  wie  Nicaragua  auf  die  Lokalisirung 
oder  die  Seltenheit  vulkanischer  Eruptionen  zu  verlassen.“ 

In  anderer  Beziehung  hat  der  Selbstmord  des  gröss- 
ten Terrainspekulanten  in  Nicaragua-Werthen  wegen  der 
Fortschritte  des  Panama-Kanales  die  Lage  hell  beleuchtet. 
SämmtlichePanama-Interessenten  erklärten  sich  solidarisch 
für  das  Zustandekommen  des  grossen  Werkes,  welches  von 
der  nordamerikanischen  Union  lebhafte  Unterstützungfindet. 


Todtenschau. 

Hugo  Mairich  f.  Am  21.  v.  M.  verunglückte  bei  der 
Fahrt  mit  einem  Automobil' der  als  tüchtiger  Fachmann 
■weiten  Kreisen  bekannte  Ingenieur  Hugo  Mairich  aus 
Gotha  in  eben  vollendeten  40.  Lebensjahre.  Mairich  war 
ein  sogen,  self-made-man,  der  es  schon  in  dem  frühen 
Alter  von  24  Jahren  zu  einer  Vertrauensstellung  in  der 
städtischen  Verwaltung  von  Gotha  gebracht  hatte  und  der 
von  einer  ganzen  Anzahl  von  deutschen  Städten  bei  Fragen 
der  Wasserversorgung  und  Kanalisation  zugezogen  wor- 
den ist.  Unbeeinflusst  durch  Schulmeinungen  war  er  im 
doppelten  Sinne  ein  Mann  des  freien  Schaffens,  der  jede 
Aufgabe  ihren  Besonderheiten  entsprechend  anzufassen 
und  zu  lösen  wusste.  Wie  er  in  den  Grundgedanken  der 
Lösung  einer  Aufgabe  immer  eigenartig  war,  so  wandte 
er  auch  allen  Einzelheiten  peinlichste  Sorgfalt  zu  und  Hess 
abweichend  von  manchen  Spezialisten  seiner  Gebiete 
niemals  Pläne  aus  der  Hand  gehen,  welche  den  Stempel 
der  Unreife  an  der  Stirn  trugen.  Für  die  hinterlassene 
Familie,  wie  für  Förderung  der  Technik  des  Kanalisations- 
Wesens  bedeutet  das  frühe  Hinscheiden  Mairichs  einen 
harten  Verlust.  — 


Preisbewerbungen. 

Zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Neubau  eines  Lan- 
deshauses des  Regierungs-Bezirkes  Wiesbaden  erlässt  der  zu- 
ständige Landeshauptmann  für  die  im  Deutschen  Reiche 
ansässigen  Architekten  einen  Wettbewerb  mit  Frist  zum  15. 
Nov.  igo2.  Es  gelangen  3 Preise  von  3000,  2500  und  1000  M. 
zurVertheiliing;  der  Ankauf  zweier  nicht  preisgekrönter  Ent- 
würfe fürjesooM. istvorbehalten.  DemPreisgerichtgehöreu 
als  Architekten,  die  in  der  Mehrzahl  sind,  an  die  Hrn.  Ob.- 
Baudir.  Prof.  Dr.  Jos.  Durm-Karlsruhe,  Stdtbrth.  Ludwig 
Hoffmann- Berlin,  Prof.  Friedr.  von  Thiers  ch -München 
und  Geh.  Brth.  Voiges  in  Wiesbaden.  Unterlagen  gegen 
3 M.,  die  nach  Einsendung  eines  Entwurfes  zurückvergütet 
werden,  durch  den  Landeshauptmann  in  Wiesbaden.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Kassel,  Wir  bitten  die  Hrn. 
Verfasser  der  Entwürfe  mit  den  Kennworten:  „recte 
faciendo“,  „Es  muss  doch  Frühling  werden“,  „Los  vom 
Mittelalter“,  „Hessenland“,  „Simplicissimus“  u.  „Guilielmus 
von  Nassauen“  gestatten  zu  'Wollen,  dass  wir  diese  Ent- 
würfe unter  den  Abbildungen  unseres  Berichtes  über  den 
Wettbewerb  berücksichtigen.  — 


Chronik. 

Das  25jährige  Jubiläum  der  Schleppschiffahrt  auf  dem 
Neckar  voh  Heilbronn  nach  Mannheim  ist  am  25.  Juli  unter  der 
Theilnahme  von  Vertretern  Badens,  Württembergs  und  Hessens  in 
Heilbronn  festlich  begangen  worden.  — 

Das  St.  Paulshaus  in  Stuttgart,  ein  mit  einem  Aufwande 
von  rd.  270000  M.  nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Bihl '& 

400 


Wolt'z  dorten  errichteter  neuer  Kranken-Pavillon  des  Marien- 
Hospitales  wird  im  September  vollendet  werden.  Das  Haus  ent- 
hält irö  Betten.  — ... 

Das  Residenz -Theater  in  Dresden  wird  gegenwärtig  von 
- Hrn.  Arch.  Reuter  einer  Wiederherstellung  unterzogen,  besonders 
durchgreifend  in  malerischer  Beziehung,  durch  G.  G.  Klemm  und 
Paul  Rössler,  frühere  Schüler  aus  dem  Atelier  von  Prof.  Guss- 
.mann.  Von  denselben  Künstlern  wird  das  Theater  auch  einen 
neuen  Vorhang  erhalten.' — ■ - ■ , 

Der  Bau  eines  neuen  städtischen  Krankenhauses  in 
Karlsruhe,  ein  längst  gefühltes  , dringendes  Bedürfuiss,  ist  nunmehr 
gesichert  und  wird  demnächst  in  Angriff  genommen  werden.  Die 
Stadtverwaltung  hat  schon  im  vorigen  Jahre'  ein  im  Nordwesten  der 
Stadt  gelegenes  Waldgelände  von  nahezu  100  000  qm  Flächengehalt 
von  der  grossh.  Zivilliste  hierzu  erworben.  In  der  B.-A.-Sitzung 
V.  22.  Juli  d.  J.  wurde  für  Bau-  und  Mobiliar-Aufwand  nach  den 
Plänen  und  Voranschlägen  des  Stadtbauamtes  für  die  Ausführung 
im  zunächst  vorgesehenen  Umfange  für  6co  Betten  die  Summe  von 
4 MLIl.  M.  genehmigt.  Zur  künftigen  Erweiterung  bis  zu  900  Betten 
ist  reichlich  Platz  vorhanden.  DieVerwaltungs-Gebäude  und  Betriebs- 
Einrichtungen  werden  nach  dem  späteren  vollen  Ausbau  der  Anlage 
bemessen.  Als  Bauzeit  sind,  3 Jahre  in  Aussicht  genommen.  W.  — 
' Das  neue  Chörlein  von  St.  Sebald  in  Nürnberg  schmückt 
seit  Pfingsten  schon  den  Pfarrhof,  dem  es  . eine  neue  schöne 
Zierde  ist.  Die  Arbeiten  fanden  unter  der  sorgfältigen  Leitung  des 
um  die  Wiederherstellung  der  Sebalduskirche  sehr  verdienten  Archi- 
"tekten  Prof.  Jos.  Schmitz  in  Nürnberg  statt.  — 

Ein  Anzengruber-Theater  ln  Meidling  bei  Wien  soll  mit 
einem  Aufwande  von  etwa  600000  Kr.  errichtet  werden.  — 

Thüringisches  Gewerbe -Museum  in  Erfurt.  Nach  dem 
Vorbilde,  des  Bayerischen  Gewerbe-Museums  in  Nürnberg  ist  in 
Erfurt  ein  thüringisches  Gewerbe-Museum  geplant,  zu  welchem 
bereits  ein  Betrag  von  200000  M.  zur  Verfügung  steht.  — 

Das  Stuttgarter  Interims-Theater,  welches  nach  den  Ent- 
würfen der  Architekten  Brthe.  Eisenlohr  & Weigle  in  Stuttgart 
errichtet  wird,  soll  zum  10.  Okt.,  dem  Geburtstage  der  Königin, 
eröffnet  werden.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Geh.  Ob.-Brth.  im  kgl.  preuss.  Kriegs- 
Minist.  Wodrig  ist  als  nichtständ.  Mitgl.  des  Pat.-Amtes  auf 
weitere  5 Jahre  ernannt. 

Bayern.  Dem  i.  Dir.  des  German.  Museums  in  Nürnberg, 
Gustav  V.  Bezold,  ist  die  3.  Kl.  des  Verdienstordens  vom  heil. 
Michael  verliehen,  und  der  Dir.- Assess.  bei  der  Zentr.-Werkstätte 
München  Michael  H a u c k in  seiner  bisherig.  Diensteigenschaft 
zur  Zentr.-Werkstätte  Nürnberg  versetzt.  — Dem  Priv.-Doz.  für 
Geschichte  der  neueren  Baukunst  und  Stillehre  an  der  Arch.-Abth. 
der  Techn.  Hochschule  in  München,  Arch.  Dr.  Richard  Streiter, 
ist  der  Uebertritt  in  die  Allgem.  Abth.  dieser  Hochschule  bewilligt 
und  ihm  zugleich  der  Auftrag  ertheilt  worden,  an  der  Allgem.  Abth. 
Vorlesungen  über  Kunstgeschichte  des  19.  Jahrh.  abzuhalten. 

Preussen.  Dem  bisherig.  Handelsrichter,  Fabr.-DIr.  Brth. 
Grund  in  Breslau  ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  dem  Doz. 
an  der  Techn.  Hochschule  in  Hannover,  Prof.  Friedi'.  K a u l b a c h 
der  kgl.  Kronen-Orden  II.  Kl.  u.  dem  i.  Dir.  des  German,  Museums 
in  Nürnberg  v.  Bezold  ders.  III.  KI.  verliehen. 

Die  Wasser-Bauinsp.  Brth.  Schulze  in  Emden  u.  G r e v e in 
Kassel  sind  zu  Reg  - u.  ßrthn.  ernannt,  die  Wahl  des  Geh.  Reg.-Rth. 
Prof.  Ende  zum  Präs,  der  kgl.  Akademie  der  Künste  in  Berlin 
für  das  Jahr  vom  i.  Okt.  1902  bis  dahin  1903  ist  bestätigt  worden. 
Der  Reg.-  u.  Brth.  Greve  ist  dem  kgl.  Polizei-Präsidium  in  Berlin 
überwiesen  worden.  Der  Wasser-Bauinsp.  Brth.  Millitzer  ist 
von  der  kgl.  Reg.  in  Danzig  an  die  Weichselstrom-Bauverwitg. 
daselbst  versetzt.  — Die  Reg.-Bmstr.  Beneckein  Graudenz  und 
Heintze  in  Breslau  sind  zu  Wasserbauinsp.  ernannt.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Wie  ist  es  möglich,  aus  einem  massiven  Petroleumkeller  den 
anhaftenden  Petroleumgeruch,  sowie  das  durch  Auslaufen  und  Aus- 
schwitzen eingesogene  Petroleum,  abgesehen  vom  Lüften,  zu  ent- 
fernen, sodass  der  Keller  anderen  Wirthschaftszwecken  dauernd 
nutzbar  gemacht  werden  kann?  Der  ganze  Bau  liegt  im  blauen 
Thon  eingeschlossen.  Fachleute,  vielleicht  aus  dem  Auslande,  wo 
schon  seit  Jahren  abgeschlossene  Versuche  mit  grösserem  Erfolge 
vorliegen  dürften,  sind  höflichst  gebeten,  sich  zu  äussern.  Für 
Deutschland  dürfte  diese  Frage  brennend  werden  bei  den  für  den 
Petroleumhandel  einschneidenden  neuen  Maassnahmen  der  „Deutsch- 
Amerik.  Petrol. -Gesellschaft",  die  den  Zwischenhandel  unmöglich 
machen  und  kostspielige  Anlagen  theilweise  entwerthen. 

Sch.  in  Quedlinburg. 

Wie  schützt  man  ein  Holzzementdach,  auf  welchem  sich  Moos 
und  Gras  gebildet  haben,  vor  der  Gefahr,  dass  sich  diese  Schichten 
durch  Feuerfunken  aus  den  Schornsteinen  entzünden?  Eine  Be- 
seitigung der  Moosschicht  ist  wegen  der  Stürme,  denen  das  Dach 
ausgesetzt  ist,  nicht  erwünscht.  K.  in  L. 

Wie  haben  sich  Torfmull-Closets  für  geruchlosen  öffentlichen 
Betrieb  in  Orten  ohne  Kanal  und  Wasserleitung  bewähiü? 

C.  Sch.  in  D. 


Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau 
eines  neuen  Rathhauses  in  Kassel.  (Fortsetzung.)  — Nene  Bestimmungen 
für  die  Berechnung  der  Standfestigkeit  von  Schornsteinen.  — Der  bimplon- 
Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  AJpen-TunneJ. 
(Fortsetzung.)  — Vermischtes.  — Todtenschau.  — Preisbewerbungen,  — 
Chronik.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmänn,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


No.  62. 


Entwurf  „Mäh  hunn’s  usw."  Ein  IL  Preis.  Architekten:  F.  Berger  in  Berlin  und  F.  Wilde  in  Charlottenburg. 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathhaus  in  Kassel. 


Das  Umlegungsgesetz  für  Frankfurt  a.  M. 


er  von  der  königlichen  Staatsregierung  vorgelegte 
Gesetzentwurf  betr.  die  Uralegung  von  Grundstücken 
in  Frankfurt  a.  M.  ist  im  Juni  d.  J.  von  beiden 
Häusern  des  preussischen  Landtages  zum  Beschluss  er- 
hoben worden,  jedoch,  in  einer  Fassung,  welche  von  dem 
Vorschläge  der  Staatsregierung  erheblich  abweicht.  Das 
nunmehrige  Gesetz  besteht  aus  drei  Abschnitten,  von 
denen  der  erste  die  Voraussetzungen  der  Umlegung  und 
das  vorbereitende  Verfahren,  der  zweite  das  Umlegungs- 
Verfahren  selbst  behandelt  und  der  dritte  Schluss -Be- 
stimmungen enthält. 

I. 

Voraussetzung  der  Umlegung  sind  Gründe  des  öffent- 
lichen Wohles;  die  Zwecke  derselben  sind  Erschliessung 
von  Baugelände  und  die  Herbeiführung  baugerechter 
Grundstücksformen.  Die  Umlegung  kann  sich  nur  auf  einen 
zweckmässig  umgrenzten,  vorwiegend  unbebauten  Theii 
des  Gemeindebezirkes  erstrecken,  -und  zwar  ist  dieser 
Theii  nicht  grösser  zu  bemessen  als  nöthig.  Einzelne  be- 
sonders benutzte  Grundstücke  (Gärtnereien,  Parks,  Baum- 
schulen usw.,  staatliche  Grundstücke)  können  oder  müssen 
ausgenommen  werden.  Den  Antrag  auf  Umlegung 
ist  zu  stellen  berechtigt  i.  der  Magistrat  im  Einverständ- 
niss  mit  der  St.adtverordneten-Versammlung,  2.  die  Mehr- 
heit der  Eigenthümer,  welche  zugleich  die  Mehrheit  der 
Grundfläche  besitzt  (qualifizirte  Mehrheit).  Der  Magistrats- 
antrag ist  unwirksam,  wenn  der  überwiegende  Theii  des 
Geländes  von  den  Eigenthümern  zur  gewerblichen  Gärt- 
nerei benutzt  wird;  der  Antrag  der  Eigenthümer-Mehrheit 
bedarf  der  Zustimmung  des  Magistrates,  wenn  mehr  als 
30  % der  Fläche  für  Strassen  und  Plätze  bestimmt  sind  und 
für  dieses  Mehr  von  der  Gemeinde  Zahlung  verlangt  wird. 

Der  Magistrat  hat  den  Lageplan  der  umzuiegenden 
Grundstücke  offen  zu  legen  unter  Angabe  des  für 
Strassen  und  Plätze  abzutretenden  Prozentsatzes  und  der 
Frist  für  den  Strassenbau.  Ueber  Einwendungen  be- 
schliesst,  insoweit  sie  nicht  vom  Magistrat  in  Güte  erledigt 


werden,  der  Bezirksausschuss.  Kommt  eine  Vereinbarung 
zwischen  den  Betheiligten  und  der  Gemeinde  über  die 
Umlegung  zustande , so  unterbleibt  auf  Antrag  beider 
Parteien  das  Umlegungs-Verfahren.  Auch  nach  Erzielung 
einer  Vereinbarung  über  die  Umlegung  eines  Theiles  des 
inbetracht  kommenden  Geländes  kann  das  Umlegungs- 
Verfahren  unterbleiben.  FürsolchefreiwiiligenUmlegungen 
hat  der  Bezirksausschuss  je  nach  Lage  der  Sache  eine 
Frist  zu  bestimmen. 

Die  Abweichungen  vom  Regierungs-Entwurf  be- 
stehen im  wesentlichen  in  der  thunlichsten  Einschränkung 
des  Umlegungs-Gebietes,  in  der  Einführung  der  qualifizir- 
ten  anstatt  der  einfachen  Mehrheit,  in  der  Befreiung  der 
Gärtnereifelder  vom  Umlegungszwange,  ln  der  Angabe 
des  Prozentsatzes  der  Strassenflächen  und  der  Frist  für 
den  Strassenbau,  sowie  in  der  Begünstigung  der  freiwilligen 
Umlegung.  Die  Erfahrung  wird  lehren,  ob  diese  zum 
Schutze  der  Eigenthümer  beschlossenen  Abweichungen 
der  Anwendung  des  Gesetzes  Abbruch  thun. 

II. 

Für  das  Umlegungs- Verfahren  ernennt  der  Re- 
gierungs-Präsident eine  Kommission,  bestehend  aus  zwei 
Regierungs-Kommissaren,  von  welchen  einer  den  Vorsitz 
führt,  und  wenigstens  je  einem  Bauverständigen,  einem 
Rechtsverständigen,  einem  Landmesser  und  einem  Sach- 
verständigen für  die  Bewerthung  der  Grundstücke.  Zur 
Beschlussfähigkeit  bei  Feststellung  des  Umlegungsplanes 
ist  die  Anwesenheit  je  eines  Sachverständigen  der  vier, 
genannten  Fachgebiete  erforderlich.  Von  der  Gesammt- 
masse  sind  zunächst  die  neuen  Strassen-  und  Platzflächen 
auszuscheiden;  sie  bilden  den  Ersatz  der  bisherigen  Wege. 
Die  Restmasse  ist  nach  Zweckmässigkeit  und  Billigkeit 
nach  dem  Verhältniss  zu  vertheilen,  in  welchem  die  Eigen- 
thümer an  der  früheren  Gesammtfläche  betheiligt  waren, 
ünd  zwar  thunlichst  in  der  bisherigen  örtlichen  Lage  und 
senkrecht  zu  den  Baulinien.  Es  verliert  hiernach  jeder 


401 


Eigenthümer  denselben  Prozentsatz  seines  Landes,  gleich- 
viel ob  sein  Grundstück  an  eine  schmale  oder  breite  Strasse 
oder  an  einen  Platz  zu  liegen  kommt.  Werden  zu  den  neuen 
Strassen  und  Plätzen  über  die  bisherigen  Wegflächen  hin- 
aus mehr  als  30  vom  Hundert  der  Grundfläche  vertvendet, 
so  ist  dieses  Mehr,  wenn  nicht  anders  vereinbart  wird,  den 
Eigenthümern  zu  entschädigen.  Ausserdem  erfolgt  Geld- 
entschädigung für  Baulichkeiten,  besondere  Benutzungs- 
arten, Benachtheiligung  der  Pächter  usw.  Zwerggrundstücke 
sind  auf  Wunsch  zur  Bildung  von  Baustellen,  die  in  ge- 
meinsamen Besitz  der  Betheiligten  übergehen,  zusammen- 
zulegen,  anderenfalls  zu  enteignen  und  entweder  den 
Nachbargrundstücken  gegen  Vergütung  zuzutheilen,  oder 
in  die  allgemeine  Vertheilung  aufzunehmen.  Zur  Erleich- 
terung der  Umlegung  kann  die  Kommission  Aenderungen 
des  Bebauungsplanes  zwar  nicht  beschliessen,  aber  bei 
der  Gemeinde  anregen.  Die  Kommission  beschliesst  über 
die  Frist  für  die  Herstellung  der  Strassen;  diese  Frist 
darf,  wenn  der  Umlegungsantrag  vom  Magistrat  ausge- 
gangen ist,  in  der  Regel  4 Jahre  nicht  überschreiten.  Nach 
Ablauf  der  Frist  verliert  das  aus  § 12  des  Fluchtlinien- 
Gesetzes  wegen  Unfertigkeit  der  Strassen  abzuleitende 
Bauverbot  seine  Wirksamkeit.  Wenn  nöthig,  sind  die 
neuen  Grundstücke  durch  vorläufige  Wegeverbindungen 
zugänglich  zu  erhalten.  Umlegungs -Vereinbarungen  der 
Eigenthümer  unter  sich  sind  von  der  Kommission  nach 
Möglichkeit  zu  berücksichtigen.  Die  Bestimmungen  über 
Grunddienstbarkeiten,  Hypotheken  und  sonstige  Rechts- 
verhältnisse usw.  können  hier  übergangen  werden.  Die 
erwachsenden  Unkosten,  auch  die  Kosten  des  Strassen- 
baues,  sind  unter  Berücksichtigung  der  Frontlängen,  In- 
halte, Lagen  und  Bodenwerthe  den  Eigenthümern  inform 
von  Umlegungs-Beiträgen  zur  Last  zu  legen;  die  Zahlung 
ist  auf  Antrag  mit  Verzinsung  bis  zum  Verkauf 

oder  zur  Bebauung  des  Grundstückes  zu  stunden. 

-Ueber  den  Plan  der  neuen  Grundstücks-Vertheilung, 
der  Entschädigungen,  Zuschüsse,  Vergütungen  und  Um- 
legungs-Beiträge hat  die  Kommission  mit  den  Betheiligten 
zu  verhandeln,  über  Abänderungs-Anträge  Beschluss  zu 
fassen,  alsdann  den  Plan  mindestens  vier  Wochen  lang  offen 
zu  legen  und  die  neuen  Grundstücksgrenzen  an  Ort 
und  Stelle  anzuweisen.  Werden  Einwendungen  erhoben, 
so  hat  die  Kommission  deren  Erledigung  durch  Verhandlung 
zu  versuchen;  gelingt  die  Erledigung  nicht,  so  beschliesst 
über  die  Einwendungen  und  den  ganzen  Verth  eilungsplan 
endgiltig  der  Bezirksausschuss.  Bezüglich  der  Geldansprüche 
steht  der  Rechtsweg  offen ; die  Ausführung  des  Vertheilungs- 
planes wird  dadurch  nicht  aufgehalten. 

Abweichend  vom  Regierungs-Entwurfe  ist  nament- 
lich die  Bestimmung,  dass  den  Eigenthümern  für  das  über 
30  Prozent  ihres  Besitzes  hinaus  abzutretende  Land  Ent- 
schädigung gebührt.  Da  aber  in  diesem  Falle  der  Um- 
legungsantrag der  vorherigen  Zustimmung  des  Magistrates 
bedarf,  so  tritt  eine  erhebliche  Erschwerung  ein.  Schon 
hat  der  Ober-Bürgermeister  Dr.  Adickes  im  Herrenhause 
erklärt,  der  Magistrat  werde  für  eine  solche  Zustimmung 
nicht  zu  haben  sein,  diese  vielmehr  abhängig  machen  von 
der  unentgeltlichen  Abtretung  des  gesammten  Platz-  und 
Strassenlandes.  Der  Abgeordnete  vonPappenheim-Liebenau 
machte  in  letzter  Stunde  den  Versuch,  die  Schwierigkeit 
dadurch  zu  mildern,  dass  er  vorschlug,  für  den  Fall  der 
Beantragung  der  Umlegung  durch  die  Eigenthümer  eine 
unentgeltliche  Abtretung  bis  zu  35  Prozent  festzusetzen 
und  das  Erforderniss  der  magistratlichen  Zustimmung  zu 
streichen.  Nachdem  aber  die  hierdurch  herbeigeführte 
ungleiche  Abtretungspflicht  von  mehreren  Seiten  als  nach- 
theilig bezeichnet  worden  war,  wurde  der  Pappenheimsche 
Antrag  zurückgezogen.  Die  Wirkung  bleibt  abzuwarten. 
Erfordern  die  neuen  Strassen-  und  Platzfiächen  ausser 
den  alten  Wegen  weniger  als  30  % des  Grundbesitzes,  so 
kann  das  Verfahren  glatt  durchgeführt  werden;  beträgt 
der  Prozentsatz  mehr,  so  ist  das  Zustandekommen  des 
gütigen  Umlegungs-Antrages  nur  unter  besonders  zwingen- 
den Umständen  zu  erwarten.  Die  Gefahr  liegt  vor,  dass 
für  Theile  des  Bebauungsplanes,  welche  keine  Plätze  ent- 
halten und  geringe  Ansprüche  an  die  Strassenbreiten 


machen,  das  Umlegungsverfahren  eingeleitet  wird,  wäh- 
rend Geländetheile  mit  Plätzen  und  breiten  Strassen  un- 
geregelt bleiben.  Für  den  Strassenbau  und  die  Kosten- 
vertheilung  in  diesen  letzteren  Geländetheilen  bliebe  es 
somit  bei  den  Vorschriften  des  § 15  des  Fluchtlinien-Ge- 
setzes,  d.  h.  die  Gemeinde  kann  mit  „Unternehmern"  freie 
Verträge  schliessen,  kann  aber  auch  das  Strassen-  und 
Platzland  enteignen,  die  Strassen  ohne  Regelung  der  Grund- 
stücksgrenzen hersteilen  und  die  erwachsenden  Kosten 
bis  auf  26  “ Breite  den  Anliegern  zur  Last  legen,  sobald 
sie  bauen.  Der  Satz  von  30%  bildet  vielleicht  für  den 
Planleger  eine  nützliche  Mahnung,  beim  Entwurf  der 
Strassenbreiten  und  Platzanlagen  sich  eine  gewisse  Be- 
schränkung aufzuerlegen,  wo  es  ohne  Nachtheil  möglich 
ist;  andererseits  aber  könnte  jener  Satz  bei  einer  minder 
einsichtigen  Gemeindeverwaltung  unter  Umständen  die 
Folge  haben,  Licht  und  Luft  und  Verkehrsräume  zum 
Nachtheil  der  zukünftigen  Bewohner  zu  beeinträchtigen. 
Jedenfalls  ist  er  für  manche  Umlegungs-Bestrebungen  ein 
unbequemer  Hemmschuh. 

Abweichend  von  der  Regierungsvorlage  ist  auch  die 
Behandlung  der  Zwerg-Grundstücke,  ohne  indessBedenken 
hervorzurufen,  und  ferner  die  Festsetzung  der  Strassen- 
baufrist.  Die  Auferlegung  dieser  Fristbestimmung  er- 
schwert gleichfalls  das  Zustandekommen  von  Umlegungs- 
anträgen wegen  der  Steigerung  der  gemeindlichen,  auf 
die  Eigenthümer  zu  vertheilenden  Aufwendungen,  beför- 
dert aber  den  sozialpolitischen  Zweck,  zahlreichere  Bau- 
gelände für  den  Anbau  zu  erschliessen,  den  Markt  an 
Baustellen  zu  vermehren  und  dem  Antreiben  der  Boden- 
preise entgegenzuwirken.  Bemerkenswerth  ist,  dass  die 
in  den  Umlegungs -Beiträgen  enthaltenen  Strassen- Her- 
stellungskosten nicht  nach  der  einfachen  Frontlänge,  son- 
dern zugleich  nach  dem  Flächeninhalt,  der  Lage  und  dem 
Werthe  der  zugewiesenen  Grundstücke  vertheilt  werden 
sollen,  dass  also  hier  eine  zweite  sozialpolitische  Forde- 
rung Berücksichtigung  gefunden  hat. 

m. 

In  Gemässheit  der  Schlussbestimmungen  kann  der 
Bezirksausschuss  das  Verfahren  auf  Antrag  des  Magistrates 
einstellen,  wenn  sich  herausstellt,  dass  die  Durchführung 
des  Verfahrens  unwirthschaftlich  oder  für  die  Gemeinde 
mit  unverhältnissmässiger  Belastung  verbunden  sein  würde. 
Während  des  Verfahrens  kann  die  Baupolizei-Behörde  die 
Genehmigung  zur  Errichtung  von  Bauten  auf  dem  Um-  ' 
legungs-Gelände,  insoweit  sie  die  Umlegung  erschweren 
würden,  versagen. 

Der  Vorschlag  der  Staatsregierung,  das  Gesetz  solle 
durch  Königliche  Verordnung  auf  andere  Gemeinden  über- 
tragen werden  können,  ist  ;.,cstrichen  worden.  Vielleicht 
ist  diese  Streichung,  welche  anfangs  von  manchen  Seiten 
bedauert  wurde,  als  zweckmässig  zu  begrüssen,  nachdem 
das  Gesetz  so  erhebliche  Aenderungen  erfahren  hat.  In 
Frankfurt  wird  nunmehr  voraussichtlich  erprobt  werden, 
welche  Bestimmungen  des  Gesetzes  sich  bewähren,  weiche 
nicht.  Und  eine  neue  Berathung  der  gesetzgebenden 
Faktoren  wird  dann  hoffentlich  in  nicht  ferner  Zeit  ein 
Umlegungsgesetz  in  derjenigen  Form  uns  bringen,  welche 
für  die  Städte  der  Monarchie  allgemein  geeignet  ist. 

Das  jetzige  unvollkommene,  auch  in  seiner  Fassung 
sehr  verwickelte  Gesetz  ist  nach  unserer  Meinung  ein 
erster,  aber  wichtiger  Schritt  auf  dem  Wege,  den  Adickes 
im  Jahre  1893  mit  seinem  Gesetzes-Vorschlage  zur  Er- 
leichterung der  Stadterweiterung  und  der  Wohnungs-Für- 
sorge betreten  hat.  Es  ist  eine  noch  unausgereifte  Frucht 
jahrzehntelanger  Bemühungen,  an  welchen  auch  der  Ver- 
band deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  thäti- 
gen  Antheil  genommen  hat.  Nach  der  fast  einstimmigen 
Abweisung  der  lex  Adickes  im  Abgeordnetenhause  im 
Jahre  1894  ist  die,  wenn  auch  zögernde  Annahme  des 
Grundgedankens  der  Umlegung  im  Jahre  1902  ein  grosser 
Erfolg.  Die  Erkenntniss  und  Erfahrung  wird  zunehmen 
und  die  keineswegs  abgeschlossene  Gesetzgebung  auf  dem 
Gebiete  des  Städtebaues  wohlthätig  beeinflussen.  — 

J.  Stübben. 


Vermischtes. 

Das  neue  Dienstwohngebäude  für  den  kommandirenden 
General  des III.  Armeekorps  zu  Charlottenburg,  ein  aus  Ha  up  t- 
und  einem  Nebengebäude  bestehender  Neubau, 
liegt  an  der  Hardenbergstrasse  auf  einem  etwa  2500  q“ 
grossen  Gelände.  Für  die  Anordnung  der  Baulichkeiten 
war  einerseits  der  Wunsch  massgebend,  eine  möglichst 
grosse  zusammenhängende  Gartenfläche  zu  gewinnen, 
andererseits  kam  es  darauf  an,  das  Hauptgebäude  thun- 
lichst  von  dem  Östlichen  Nachbargrundstück  abzurücken. 

402 


Die  vordere  Ansicht  des  Gebäudes  wurde  aus  diesem  Grunde 
senkrecht  zur  Strassenrichtung  gestellt.  Aus  polizeilichen 
Vorschriften  ergab  sich  für  den  Gebäudetheil  an  der  Strasse 
ein  Rücksprung  von  6“-  hinter  die  Strassenflucht;  das  ge- 
wonnene Vorland  ist  zur  Anlage  der  Auffahrt  ausgenutzt 
worden.  DasHauptgebäude  enthält  über  einemUntergeschoss 
von  3,25  Höhe,  welches  ausser  zur  Aufnahme  der  Pförtner- 
wohnungWirthschaftszwecken  dient,  ein  5,0°^  hohes  Haupt- 
und  ein  3,8™  hohes  Obergeschoss.  Von  der  Eingangs- 
halle gelangt  man  zunächst  in  eine  durch  beide  Geschosse 
ragende  Diele,  um  welche  sich  im  Erdgeschoss  die  Ge- 

No.  63. 


sellschaftsräüme,  im  Obergeschoss  die  Wohn-  und  Schlaf- 
räume gruppiren.  Durch  die  in  einfachen  Formen  deut- 
scher Renaissance  gehaltene  Aussen  - Architektur  ist  er- 
strebt worden,  eine  ruhige,  malerische  Anlage  zu  schaffen. 
Die  Architekturtheile  sind  aus  weissgelbem  schlesischem 
Sandstein,  die  Flächen  in  hydraulischem  Mörtel  geputzt 
und  mit  reinem  Weisskalk  überfilzt.  Die  Dachflächen 
zeigen  deutsche  Schiefereindeckung.  Die  innere  Aus- 
stattung wurde  einfach,  aber  der  Bedeutung  des  Gebäudes 
entsprechend  gehalten,  Die  Decke  unter  der  Treppen- 
Galierie  in  der  Diele  und  die  unteren  Wandfiächen  dieses 
Raumes,  sowie  die  Decke  des  Speisesaales,  haben  Holztäfe- 
lung erhalten.  Das  gesammte  Gebäude  wird  durch  eine 


gestellt  worden.  Die  Ausführung  erfolgte  unter  Aufsicht 
des  Intendantur-  und  Brths.  Rossteuscher  durch  den 
Garnison-Bauinsp.  Mecke,  mit  der  örtlichen  Bauleitung 
war  der  Reg.-Bmstr., Hausmann,  der  auch  fjei  der  Aus- 
arbeitung des  Bauentwurfes  mitgewirkt  hat,  betraut,  dem 
der  Reg.  - Bfhr.  Lucht  beigegeben  war.  — 


Entwurf  „Mali  hunn’s  usw.“  Ein  II.  Preis.  Arch.':  F.  Berger,  Berlin  und  F.  Wilde,  Charlottenburg. 
Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathhaus  in  Kassel. 

Warmwasserheizung  erwärmt;  die  Beleuchtung  ist  durch- 
weg elektrisch.  Das  an  der  Nordgrenze  errichtete  Stallge- 
bäude ist  ein  Putzbau.  Es  enthält  Stände  für  8 Pferde,  eine 
Remise  für  4 Wagen,  sowie  Räume  für  die  Stabsordonnanz 
und  zur  Unterbringung  der  Geschirre,  ln  einem  beson- 
deren Flügel  sind  in  2 Obergeschossen  Wohnungen  für 
den  Kutscher  und  einen  Diener  eingerichtet.  Die  Ge- 
sammtkosten  der  Anlage  betragen  rd.  330000  M.,  für  das 
Plauptgebäude  rd.  250000  M.  iqm  bebauter  Fläche  stellt 
sich  auf  rd.  320  M.,  i cbm  umbauten  Raumes  auf  etwa 
28  M.  Der  Entwurf  ist  in  der  Bauabtheilung  des  Kriegs- 
ministeriums  durch  den  Geh.  Ob.-Brth.  Schönhals  auf 

6.  August  1902. 


Todtenschau. 

Baudirektor  Karl  von  Sauter  f.  In  Stuttgart  ist  am 
28.  Juli  der  Baudirektor  Karl  von  Sauter,  Kollegial-Mitglied 
der  Domänen-Direktion,  Ehrenbürger  von  Freudenstadt 
und  Ehrenritter  des  Ordens  der  württembergischen  Krone 
im  Alter  von  nur  63  Jahren 
gestorben.  Mit  ihm  ist  einer 
der  bedeutendsten  der  zeit- 
genössischen württember- 
gischen Architekten  dahin- 
gegangen. Sauter  wurde 
am  18.  Juni  1839  in  Aalen 
geboren  und  machte  seine 
fachlichen  Studien  auf  der 
Baugewerkschule,  auf  dem 
Polytechnikum  und  auf  der 
Kunstschule  zu  Stuttgart. 
1857  trat  er  in  das  Atelier 
von  Leins  ein,  machte 
späterhin  eine  Studienreise 
durch  Frankreich  und  Ita- 
lien und  trat,  nachdem  er 
1871  zum  Bauinspektor  er- 
nannt worden  war,  1874  in 
das  Baubüreau  des  von 
Landauer  geleiteten  Justiz- 
palast-Neubaues in  Stuttgart 
ein.  1877  wurde  er  als  tech- 
nisches Mitglied  in 
die  Domänen-Direk- 
tionberufenundstieg 
nun  bis  zum  Range 
eines  Baudirektors 
empor,  der  ihm  1901  ver- 
liehen wurde.  Zu  seinen 
Werken  gehören  u.  a.  das 
evangelische.  Schullehrer- 
seminar in  Nagold,  das 
ständische  Kanzleigebäude 
und_  das  Realgymnasium, 
sowie  die  Neubauten  des 
elektrotechnischen  Instituts 
und  des  chemischen  Labo- 
ratoriums der  Technischen 
Hochschule  inStuttgart,  das 
von  1892  bis  1897  errichtete 
neue  Justizgebäude  in  Ulra 
usw.;  Sauter  war  auch  her- 
vorragend betheiligt  an  den 
Neubauten  für  die  land- 
wirthschaftliche  Akademie 
in  Hohenheim.  Ein  beson- 
ders von  ihm  gepflegtes 
Gebiet  war  das  des  Kirchen- 
baues und  der  Wiederher- 
stellung von  Kirchen.  Die 
Gotteshäuser  von  Sim- 
mersfeld, Unterreichen- 
bach, Liebenzell,  Hörsau 
und  Freudenstadt  sind 
seiner  kunstreichen 
Hand  zu  verdanken.  Für 
den  gross  angelegten  Neu- 
bau einer  Landes-Irrenan- 
stalt  bei  Weinsberg  konnte 
er  noch  die  Entwürfe  fest- 
stellen; vor  Beginn  der  Aus- 
führungs-Arbeiten aber  fiel 
er  aufs  Krankenlager,  von 
welchem  er  sich  nicht  mehr  erheben  sollte.  Am  30.  Juli  hat 
man  ihn  auf  dem  Prag-Friedhofe  bei  Stuttgart  zur  ewigen 
Ruhe  bestattet.  — 

Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Kreishaus  Kolberg.  Unter  40  Entwürfen 
fand  das  Preisgericht  keinen,  der  des  I.  Preises  würdig 
gewesen  wäre;  es  wurde  daher  von  dem  dem  Preisge- 
richte programmgemäss  zustehenden  Rechte  Gebrauch 
gemacht  und  die  Summe  sämmtlicher  Preise  in  zwei 
II.  Preise  von  je  1000  und  zwei  III.  Preise  von  je  500  M. 
getheilt.  Einen  Preis  von  je  1000  M.  erhielten  der  Ent- 


■Wurf  des  Hrn.  Ludw.  Becker  in  Berlin,  welcher  letztere 
mit  einem  ungenannten  Verfasser  zusammen  arbeitete,  so- 
wie der  Entwurf  der  Hrn.  J.  Gartzen  in  Köln  a.  Rh.  und 
J.  Neiander  in  Leipzig.  Je  ein  IIL  Preis  fiel  der  gemein- 
samen Arbeit  der  Hrn.  G.  Milde  in  Berlin  und  F.  Beyer 
in  Charlottenburg,  sowie  dem  Entwurf  des  Hrn.  P.  Baum- 
garten in  Berlin  zu.  Die  Bedingungen  des  Preisaus- 
schreibens enthielten  den  Satz:  „Die  künstlerische  Leitung 
des  Baues  soll  einem  der  Bewerber  übertragen  werden.“ 
Wir  nehmen  an,  dass  damit  ein  Preisträger  gemeint  ist  und 
geben  der  Hoffnung  Raum,  dass  diese  Bedingung  durch 
die  veränderte  Preisvertheilung  nicht  berührt  wird.  — 

In  der  Preisbewerbung  für  ein  Stiftsgebäude  nebst 
Küchen-  und  Gärtnerhaus  der  Elly  Hölterhoff-Böcking- 
Stiftung  in  Honnef  wurden  64  Entwürfe  eingereicht,  von 
denen  14  zur  engeren  und  5 zur  engsten  Wahl  gestellt 
wurden.  Den  I.  Preis  erhielt  der  Entwurf  „Letzte  Rose“ 
von  Hrn.  Arch.  Gust.  Jänicke  in  Schöneberg-Berlin;  den 
II.  Preis  der  Entwurf  „Quod  bonum  usw.“  von  Hrn.  Arch. 
Const.  Wille  in  Köln;  den  III.  Preis  der  Entwurf 
„Friede“  der  Hrn.  Ernst  Rang  und  Arnold  Silbers- 
dorf in  Schöneberg-Berlin.  Der  Entwurf  „Elly“  des 
Hrn.  Joh.  S eiff  ert  in  Köln  wurde  angekauft.  Der  fünfte 
Entwurf  der  engsten  Wahl  hatte  das  Kennwort  „Ehre  dem 
Stifter“.  Die  übrigen  Entwürfe  der  engeren  Wahl  waren 
„Für  Rheinlands  Nizza“  — „Deutsch“  — „Trautes  Heim“ 
~ „A  bissei  sähr  ville  Arbeet“  — „Am  Siebengebirge“ 

— „Nord-  und  Süd-Veranda“  — „Rhein“  — „Am  Rhein“ 

— „Kleeblatt“.  Sämmtliche  Entwürfe  werden  vom  13.  bis 
20.  August  d.  J.  in  der  Universitäts-Aula  öffentlich  ausge- 
stellt. Das  Ergebniss  der  Preisbewerbung  ist  sehr  be- 
friedigend, da  die  in  den  prämiirten  Entwürfen  niederge- 
legten Lösungen  die  Testaments-Bestimmung  des  Stifters 
der  Ausführung  näher  gebracht  haben.  Die  zur  Verfügung 
gestellt  gewesene  hohe  Bausumme  scheint  für  viele 
eine  gefährliche  Klippe  gewesen  zu  sein,  indem  hier- 
durch verleitet,  nicht  nur  höchst  luxuriöse  Bauentwürfe, 
sondern  auch  Bauanlagen  zu  Papier  gebracht  wurden, 
die  weit  eher  Fürstenschlösser,  Klostergebäude,  Rath- 
häuser, Hotels  an  der  See  oder  in  den  Bergen  und  ähn- 
liches mehr  darstellten,  als  ein  Stiftshaus,  welches,  „ohne 
luxuriös  zu  sein,  doch  seiner  äusseren  und  inneren  Ein- 
richtung nach  eine  den  besseren  Ständen  angemessene 
behagliche  Wohnung“  gewährt.  In  der  Beschränkung 
offenbarten  sich  Jnanche  tüchtige  Meister.  Die  Darstellung 
der  Entwürfe  war  meist  mit  grosser  Sorgfalt  und  Meister- 
schaft durchgeführt.  — 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
einen  Bismarckthurm  auf  der  Bornaer  Höhe  bei  Chemnitz 
erlässt  der  Bismarckverein  in  Chemnitz  mit  Frist  zum 
30.  Sept.  d.  J.  Es  gelangen  3 Preise  von  500,  300  und 
200  M.  zur  Vertheilung.  Dem  Preisgerichte  gehören  als 
Fachleute  an  die  Hrn.  Brth.  Canzler,  Brth.  Gottschaidt 
und  Stdtbrth.  Möbius,  sämmtlich  in  Chemnitz.  Unter- 
lagen durch  den  Vereinsvorstand.  — 


Bücherschau. 

Neubauten  der  Stadt  Berlin.  Gesammtansichten  und  Ein- 
zelheiten nach  den  mit  Maassen  versehenen  Original- 
Zeichnungen  der  Fassaden  und  der  Innenräume,  so- 
wie Naturaufnahmen  derbemerkenswerthestenTheile 
der  seit  dem  Jahre  1897  in  Berlin  errichteten  städti- 
schen Bauten.  Mit  beschreibendem  Text  von  Stadt- 
baurath Ludwig  Hoffroann.  — Verlag  von  Bruno 
Hessling,  Berlin  SW. 

Mit  der  vorstehend  genannten  Veröffentlichung,  die 
aus  zwanglosen  Bänden  von  je  12—16  Seiten  Text  und 
50  Tafeln  (Format  40:52^“)  zum  Preise  von  36  M.  be- 
stehen soll,  ist  beabsichtigt,  die  bemerkenswerthesten  der 
seit  dem  Dienstantritt  des  Stadibaurathes  Ludwig  Hoff- 
mann  geschaffenen  oder  noch  zu  schaffenden  städtischen 
Bauten  nach  dem  Zeitpunkte  ihrer  Vollendung  vorzuführen. 
Die  Berechtigung  hierzu  liegt  in  erster  Linie  in  dem  hohen 
künstlerischen  Gehalte,  durch  welchen  die  Bauten  sich 
auszeichnen.  Diesem  künstlerischen  Gehahe  entsprechend 
ist  die  Veröffentlichung  nach  dem  uns  vorliegenden  Probe- 
bogen in  der  Form  eines  vornehmen  Prachtwerkes  ge- 
dacht. Wir  sehen  mit  grösstem  Interesse  dem  Erscheinen 
des  ersten  Bandes  entgegen.  — 

Brockhaus’  Konversations-Lexikon.  14.  vollständig  neube- 
arbeitete Auflage.  Neue  revid.  Jubiläums-Ausgabe. 
F.  A.  Brockhaus  in  Leipzig,  Berlin,  Wien  1902. 
VII.  Bd.  Frankstadt— Gleyre  mit  57  Tafeln,  darunter 
IO  Chromotafeln,  7 Karten  und  Plänen,  324  Text- 
abbildungen. 1040  S.  Text. 

Der  VII.  Band  steht  an  Reichhaltigkeit  hinter  den  frühe- 
ren nicht  zurück.  Unter  den  Artikeln  technischen  und  künst- 
lerischen Inhaltes  sind  hervorzuheben:  Französische  Eisen- 

404 


bahnen,  die  allerdings  nur  vom  historischen  und  statistischen 
Standpunkte,  nicht  nach  ihrer  technischenAnlage  besprochen 
werden,  französische  Kunst,  Funken-Telegraphie,  Gas-Be- 
leuchtung, Gasmotoren  usw.,  Geschoss  und  Geschütz  mit 
besonders  reichem  Abbildungs- Material,  Gesteins-Bohr- 
maschinen, Glas  und  Glasfabrikation,  Glasmalerei  usw* 
Unter  den  Namen  bedeutender  Techniker  fällt  derjenige 
von  Franzius  in  Bremen  auf,  dessen  Bedeutung  für  die 
Entwicklung  des  Bremer  Seehafens  im  besonderen  und 
der  deutschen  Wasserbaukunst  im  allgemeinen  vielleicht 
noch  etwas  schärfer  hätte  zum  Ausdruck  gebracht  werden 
können.  Unter  dem  Abbildungs-Material  treten  namentlich 
die  Tafeln  naturwissenschaftlichen  Inhaltes  vortheilhaft  her- 
vor. Am  schlechtesten  kommen  Kunst  und  Architektur  da- 
bei fort.  Die  bezüglichen  Abbildungen  stehen  zwar  durch- 
weg auf  der  Höhe  gleichartiger  Werke,  hier  wäre  aber 
doch  noch  Besseres  anzustreben.  Jedenfalls  aber  sind  die 
Beispiele  zweckentsprechend  ausgewählt  und  bis  in  die 
neueste  Zeit  hinein  verfolgt.  So  finden  wir  z.  B.  unter 
französischer  Bildhauerkunst  auch  das  wunderbar  stim- 
mungsvolle Monument  der  Todten  auf  dem  Kirchhofe 
Pöre-Lachaise  in  Paris  von  A.  Bartholome,  das  erst  1900 
dort  Aufstellung  fand  und  wohl  bei  jedem  Besucher  der 
interessanten  Begräbnisstätte  einen  nachhaltigen  Eindruck 
gemacht  haben  wird.  — 

Bel  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Mattem,  E.,  Reg.-Bmstr.  Der  Thalsperrenbau  und  die 
deutsche  Wasserwirthschaft.  Eine  technische 
und  wirthschaftliche  Studie  über  die  Frage  der  Niedrig- 
wasservermehrung der  Ströme  aus  gemeinsamen  Sammel- 
becken für  Hocbwasserschutz,  Kraftgewinnung,  landwirth- 
schaftliche  Bewässerung  und  Schiffahrtszwecke.  Berlin  1902. 
Polytechnische  Buchhdig.  A.  Seydel.  Pr.  3,75  M. 

Mende,  Alfred.  Berlin  und  seine  Vororte,  umfassend 
430  qkm , im  Maasstabe  i: 23,500  in  8 Farben  aus- 
geführt, wodurch  jeder  Vorort  sich  von  seinem  Nachbarort 
scharf  abhebt;  enthält  alle  Strassenbahnlinien  und  die  Grenze 
der  Nachbar-Postorte  (5  Pf.-Taxe).  Berlin  1902.  Selbstverlag. 
Pr.  3 M. 

Neumeister,  A.,  Prof.  Deutsche  Konkurrenzen.  XIII.  Bd., 
Heft  II,  No.  155:  Töchterschule  für  Regensburg;  Heft  12, 
No.  156:  Beamtenwohnhäuser  für  Hannover;  XIV.  Bd.,  Heft  3, 
No.  159;  Katholische  Kirche  für  Bonn  und  evang.  Kirche  für 
Frankfurt  a.  M.  Leipzig  1902.  Seemann  & Co.  Pr.  des  Heftes 
1,80  M.;  für  den  Bd.  (12  Hefte  mit  Beiblatt)  15  M. 

Piper,  Otto.  Die  angebliche  Wiederherstellung  der 
Hohkönigsburg.  München  1902.  Carl  Haushalter. 
Pr.  1,50  M. 

V.  Rohrscheidt,  Kurt,  Reg.-Rath.  Gewerbe-Archiv  für 
das  Deutsche  Reich.  Sammlung  der  zur  Reichsge- 
wej  be-Ordnung  ergehenden  Abänderungs-Gesetze  und  Aus- 
führungs-Bestimmungen, der  gerichtlichen  und  verwallüngs- 
gericiitlichen  Entscheidungen  der  Gerichtshöfe  des  Reiches 
und  der  Bundesstaaten,  sowie  der  wichtigsten,  namentlich 
interpretatorischen  Erlasse  und  Verfügungen  der  Zentralbe- 
hörden. 1.  Bd.  3.  Heft.  Berlin  1902.  Franz  Vahlen.  Pr. 
d.  Bd.  (4  Hefte)  12  M. 

Ross,  B.,  Prof.  Einführung  in  das  technische  Zeichnen 
für  Architekten,  Bauingenieure  und  Bautechniker,  Entwick- 
lung der  wichtigsten  Methoden  zeichnerischer  Darstellung 
angewandt  auf  technische  Gegenstände  nebst  Erörterungen 
über  die  hierbei  zur  Verwendung  kommenden  Materialien. 
Wiesbaden  1902.  C.  W.  Kreidel’s  Verlag.  Pr.  12,60  M. 
Schmohl  & Stähelin,  Arch.  Moderne  Bauschreiner- 
Arbeiten.  Neue  Vorlagen  für  die  Praxis  des  Bautischlers 
mit  Grundrissen,  Schnitten  und  detailliiten  Querschnitten. 
Liefrg.  2,  3 und  4.  Ravensburg  1902.  Otto  Maier.  Pr.  d. 
Liefrg.  (vollst.  in  12  Liefrg.)  2 M. 


Personal-Nachrichten. 

Baden.  Versetzt  sind:  Der  Reg.-Bmstr.  Müller  in  Basel 
nach  Freiburg,  der  Bahnbauinsp.  Brentano  in  Villingen  nach 
Basel,  der  Eisenb.-Ing.  Riegl  er  in  Waldshut  nach  Villingen  und 
der  Reg.-Bmstr.  Schlössinger  in  Freiburg  nach  Waldshut. 

Preussen.  Zu  Reg.-Bmstrn.  sind  ernannt:  die  Reg.-Bfhr.  Franz 
Josef  Winkclmann  aus  Recklinghausen,  Richard  Kohnke 
aus  Bütow,  Otto  Keindorff  aus  Ebendo.rf,  Georg  Klinne 
aus  Berlin  (Eisenbfeb.) ; — Otto  Vollmar  aus  Köln  und  Gustav 
Hangarter  aus  Haspe  (Masebbfeh.). 

Den  Reg.-Bmstni.  Richard  Rothacker  in  Bruchsal  und 
Theodor  Hamacher  in  Berlin  ist  die  nachgesuchte  Entlassg.  aus 
dem  Dienste  der  allgem.  Bauverwltg.  und  den  Reg.-Bmstrn,  Nathan 
Broniatowski  in  Berlin,  Karl  Henneking  in  Elberfeld  und 
Abraham  Uli  mann  die  aus  dem  Staatsdienste  ertheilt  worden. 

Sachsen.  Ernannt  sind  zu  etatsmäss.  Reg.-Bmstrn. : die  Reg.- 
Bfhr.  Buddeberg  bei  der  Bauleitung  des  Ständehaus-Neubaues 
in  Dresden  unter  Belassg.  bei  dieser  Bauleifg.,  Z eitler  und 
Z ü r b i g , bisher  bei  der  Bauleitg.  des  Ministerialgeb.  in  Dresden- 
Neustadt,  unter  Versetzg.  zu  den  Landbauämtern  Dresden  i und 
Dresden  2.  — 

Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau 
eines  neuen  Ratlihauses  in  Kassel.  — Das  Umlegungsgesetz  für  Frankfurt 
a.  M.  — Vermischtes.  — Todtenschau.  — Preisbewerbungen.  — Bücher- 
schau. — Personal-Nachrichten. 


Verlag  der  Deutschen  Eauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  .63, 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  64.  ^ 
DEN  g.  AUG.  IQ02. 


Entwurf  mit  dem  Kennwort:  .Roland",  Ein  IV.  Preis.  Architekten;  Karst  & Fanghänel  in  Kassel. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau  eines  neuen 
Rathhauses  in  Kassel. 

^Schluss.)  Hierzu  eine  BildbeHage  und  die  Abbildungen  5.  407,  408  und  409. 


Hiit  der  Walil  des  Stiles  hing  die  Frage  der 
j Eingliederung  eines  Thurmes  in  die  Bau* 

I gruppe  auf  das  engste  zusammen.  DieUeber- 
I lieferungen  des  deutschen  Rathhauses  bis 
' zur  Barockzeit  wollen  meist  auf  einen  macht- 
voll aufstrebenden  Thurmbau  für  das  neben  demGottes- 
hause  das  Stadtbild  beherrschende  Rathhaus  nicht 
verzichten.  Dieser  Ueberlieferung  haben  sich  denn 
auch  fast  alle  die  Bewerber  unterworfen,  welche  für 
ihre  Entwürfe  den  mittelalterlichen  Stil  oder  die  For- 
men der  deutschen  Renaissance  wählten.  Sie  haben 
einen  in  seinen  Verhältnissen  der  Ausdehnung  der 
Baugruppe  angepassten  Thurm  entweder  in  der  Mitte 
der  Hauptfassade,  oder  etwas  aus  der  Mittelaxe  ver- 
schoben, oder  an  einem  Endpunkte  der  Hauptfassade 
oder  auch  an  einer  Seitenfassade  angeordnet.  In 
einzelnenEntwürfen  ist  auch  der  Versuch  unternommen, 
durch  die  Anlage  von  zwei  Thürmen  das  Bild  des 
zukünftigen  Rathhauses  von  Kassel  anziehend  zu  ge- 
stalten. Der  Versuch  ist  theils  geglückt,  theils  miss- 
glückt, je  nachdem  die  Verfasser  es  verstanden  haben,  i 


die  Thürme  an  einer  gut  gewählten  Stelle  anzuordnen 
und  sie  in  ihrer  Massenentwicklung  so  zu  beherrschen, 
dass  sie  die  übrigen  Bautheile  nicht  schlugen. 

Interessant  war  es  zu  beobachten,  welche  Kämpfe 
die  Verfasser  durchkämpften,  die  für  ihre  Entwürfe 
die  Formen  der  späten  Renaissance,  des  Barockstiles, 
gewählt  hatten.  Manche,  wie  die  Verfasser  des  einen 
der  mit  einem  II.  Preise  ausgezeichneten  Entwurfes 
(s.  Nr.  63),  welche  unbefangen  Elemente  deutscher 
Renaissance  mit  denen  des  Barock  miscliten,  haben 
ebenso  unbefangen  einen  traditionellen  Thurm  in  das 
Architektiu-bild  eingefügt.  Andere  haben  geglaubt,  in 
der  vermittelnden  Form  des  Kuppelthurmes  einen 
Ausweg  zu  finden  aus  dem  Gegensatz  zwischen  dem 
Rathhaus  als  mittelalterlichem  Thurmbau  und  zwischen 
dem  schlichten,  höchstens  durch  einen  Dachreiter  aus- 
gezeichneten städtischen  Verwaltungs-Gebäude  der  Ba- 
rockzeit, das  in  seiner  Grundanlage  auf  den  italienischen 
Palastbau  zurückgeht.  Wieder  andere  haben  nicht 
.eigentliche  Thurmbauten  entworfen,  sondern  sich  da- 
mit begnügt,  der  Fassade  an  entsprechenden  Stellen 


405 


kuppelthurraartige  Aufsätze  zu  geben.  Mit  zu  den  her- 
vorragendsten künstlerischen  Lösungen  gehören  die 
Entwürfe,  welche  auf  jede  Auszeichnung  durch  Thürme, 
seien  sie  nun  zu  hochragender  Entwicklung  getrieben 
oder  seien  sie  nur  auf  Andeutungen  von  Thürraen 
beschränkt,  verzichtet  haben  und  für  das  Rathhaus 
das  Vorbild  des  in  Frankreich  umgebildeten  und  mit 
deutschen  Elementen  versetzten  italienischen  Palast- 
baues der  Barockzeit  wählten.  Namentlich  der  mit 
dem  I.  Preise  ausgezeichnete  Entwurf  scheint  seinen 
berechtigten  Erfolg  neben  der  guten  Anlage  des  Grund- 
risses als  Gesammtorganismus  hauptsächlich  der  un- 
gemein  glücklichen  stilistischen  Haltung  des  Aeusse- 
ren  zu  verdanken.  Das  ist  das  Rathhaus  für  die 
Fürstenresidenz  Kassel,  die  in  der  Barockperiode  eine 
Glanzzeit  durchgeraacht  hat,  welche  der  Stadt  heute 
noch  ihre  Bedeutung  verleiht.  Das  Gutachten  des 
Preisgerichtes  erklärt  die  Grundrissanordnung  zwar  als 
etwas  akademisch  und  nicht  ganz  einwandfrei,  in- 
dessen Anlagen,  wie  sie  der  genius  loci  für  Kassel 
fordert,  werden  leicht  etwas  akademisches  annehmen 
und  es  ist  ja  mit  diesem  Worte  keineswegs  auch 
immer  ein  Tadel  verbunden.  Jedenfalls  sind  die  Ein- 
wände gegen  den  Grundriss  nicht  solcher  Art,  dass 
eine  Berücksichtigung  derselben  bei  einer  neuen  Be- 
arbeitung das  organische  Gefüge  der  Anlage,  ihren 
schönen  Grundgedanken,  störte.  Mit  den  höchsten 
Ausdrücken  rühmt  das  Gutachten  mitRecht  die  Aussen- 
gestaltung.  „Der  maassvolle  architektonische  Aufbau 
verdient  alles  Lob.  Durch  mehrfache  Vor-  und  Zu- 
rücksprünge derBaumassenist  eine  herrliche  Gruppirung 
erzielt,  die  in  dem  zurückgeschobenen,  bedeutungsvoll 
charakterisirten  Mitteltrakt  mit  vorgelagerterFreitreppe 
ihrenGlanzpunkterhält(sieheBeilage).  Obwohlzugestan  | 
den  werden  muss,  dass  der  Grundriss  nicht  allenthalberi 
einwandfrei  ist,  so  überwiegt  doch  in  der  vorliegenden 
Arbeit  die  Schönheit  der  Aussenarchitektur  die  aller 
anderen  Konkurrenzarbeiten  in  so  hohem  Maasse,  dass 
dem  Entwurf  eine  hohe  Stelle  eingeräumt  werden 
muss.“  Die  Berichterstattung  kann  sich  diesem  leb- 
haften Urtheile  nur  in  vollem  Maasse  anschliessen.  In 
dem  Entwürfe  des  Hrn.  Karl  Roth  ist  ein  Werk  ge- 
schaffen, welches  sich  nicht  nur  in  glücklichster  Weise 
weit  von  der  bereits  stark  abflachenden  Rathhaus- 
schablone entfernt,  sondern  welches  auch  für  Kassel 
„das“  Rathhaus  ist,  welches  sich  in  das  Bild  dieser  herr- 
lichen Stadt  harmonisch  einfügt  und  ihrer  grossen  bau 
liehen  Vergangenheit  in  der  Gegenwart  eine  ruhmvolle 
Fortsetzung  verleiht.  Im  Preisausschreiben  war  erklärt, 
es  bestehe  die  Absicht,  einen  der  Preisträger  mit  der  künst- 
lerischen Bearbeitung  der  Ausführungs-Entwürfe  zu  be- 
trauen. Da  die  Stadt  vor  kurzem  mit  einem  Preisträger 
in  dem  Wettbewerb  betr.  die  Murhardt-Bibliothek  ein 
ähnliches  Uebereinkommen  abgeschlossen  hat,  so  darf 
man  der  Zuversicht  Raum  geben,  dass  auch  in  diesem 
Falle  ein  Abkommen  mit  einem  Preisträger  getroffen  und 
dass  dieser  Preisträger  Plr.  Karl  Roth  in  Darmstadt  sein 
werde.  Es  geschähe  nur  zum  Ruhme  der  Stadt! 

An  dem  mit  einem  II.  Preise  ausgezeichneten  Ent- 
wurf „Mäh  hunns  usw.“(No.  63) rühmt  das  Gutachten  die 
Grundrissanlage,  die  Erweiterung  lasse  sich  organisch  an- 
gliederii;  der  Entwurf  sei  eine  gut  durchdachte,  reife 
Arbeit.  ,,Dass  die  beherrschende  Baumasse  des  Hauses 
mit  den  Sitzungs-  und  Festsälen  auf  die  höchste  Stelle 
des  Bauplatzes  unter  Verwendung  eines  Theiles  des 
vorderen  Messplatzes  verlegt  wurde  und  dadurch  die 
Front  an  der  oberen  Königsstrasse  in  einem  Zuge 
fertiggestelit  werden  kann,  ist  als  ein  glücklicher  Griff 
zu  bezeichnen“.  Zu  dem  mit  dem  anderen  II.  Preise 
ausgezeichneten  Entwurf  „Giebel“  (S.  408)  bemerkt  das 


Gutachten  u.  a.:  „Sowohl  Grundriss  als  Aufbau  dieses 
vortrefflichen  gothischen  Entwurfes  sind  von  über- 
raschender Klarheit  und  grossartiger  Einfachheit.  Der 
Verfasser  verzichtet  auf  den  nicht  mehr  ungewöhnliche^ 
Rathhausthurra  und  bekrönt  dagegen  das  von  fünf 
Giebeln  eingefasste  Satteldach  seines  Mittelbaues  mit 
einem  prächtigen  Dachreiter“. 

Zu  dem  mit  einem  III.  Preise  ausgezeichneten  Ent- 
wurf ,, Waldmeister“  (S.  396  und 397)  s'ägt  das  Gutachten: 
,, Unter  der  grossen  Zahl  der  vorliegenden  Arbeiten  steht 
der  Verfasser  dieses  Projektes,  was  seine  Aussen-Archi- 
tektur  anbetrifft,  ganz  ausserordentlich  auf  eigenen 
Füssen.  Seine  Hauptfassade  ist  eine  durchaus  selb- 
ständige Leistung,  die  es  verschmäht,  den  ausge- 
tretenen Weg  mancher  schon  oft  bei  Rathhaus-Kon- 
kurrenzen  verwendeter  landläufiger  Motive  zu  gehen“. 

Der  sehr  poetische,  mit  dem  anderen  III.  Preise  aus- 
gpeichnete  Entwurf  „Volkslied“  (S.  394  und  397)  findet 
die  Anerkennung  des  Preisgerichtes  mit  den  folgenden 
Worten:  „In  sehr  eigenartiger  Weise  hat  der  Verfasser 
die  Ausbauten  des  malerisch  gestalteten  Baukörpers  in 
verschiedenen  Dachformen  abzuschliessen  gewusst. 
Es  verdient  der  feine  künstlerische  Sinn,  mit  welchem 
die  Aufgabe  nach  dieser  Seite  hin  gelöst  worden  ist, 
vollste  Anerkennung,  obwohl  man  im  Zweifel  sein 
könnte,  ob  der  Entwurf  für  die  Residenzstadt  Kassel 
gerade  wegen  seiner  Hinneigung  zum  alten  ländlichen 
Bauwesen  geeignet  ist“. 

Ueber  den  Grundriss  des  mit  einem  IV.  Preise 
ausgezeichneten  Entwurfs  „Roland“  urtheilt  das  Gut- 
achten, er  sei  zweckmässig,  ohne  besonders  grossartig 
zu  sein.  „Die  Fassaden  (S.  405)  sind  von  hohem  künst- 
lerischem Reize  und  bringen  den  Charakter  eines 
deutschen  Rathhauses  gut  zum  Ausdruck“.  An  dem 
anderen  mit  einem  IV,  Preise  gekrönten  Entwurf  ,,Nur 
ein  Mal  blüht  im  Jahr  der  Mai“  (siehe  Beilage)  rühmt 
das  Gutachten  die  in  allen  Geschossen  wiederkehrende 
grosse  Halle;  ,,auf  die  praktische  Nutzbarkeit  und  Schön- 
heit eines  solchen  der  Allgemeinheit  dienenden  Innen- 
raumes wird  ausdrücklich  hingewiesen.  — — Die 
Fassaden  sind  von  charakteristischer  Erscheinung  und 
grosser  Schönheit,  Der  malerische  Reiz  derselben 
wird  durch  die  den  Dachgiebeln  zutheil  gewordene 
Ausbildung  und  durch  die  richtige  Anlage  einer  offenen 
Halle  an  der  tiefsten  Stelle  des  Baulandes  mit  einem 
offenen  Balkon  darüber  noch  erhöht“. 

^ I In  der  engeren  Wahl  befanden  sich  noch  die  Ent- 
würfe ,,Klar  und  wahr“  (S.  408,  Verf.  Dr.  ing.  E. 
VetterieininDarmstadt),  getheilter Doppelkreis,  „Fest 
und  unbeweglich“,  „Alt-Cassel“,  Kleeblatt,  „Kurz  und 
bündig“,  „Mai  1902“,  „Nach  der  Grossväter  Weise“, 
„Frühling“  und  „Segen  sei  der  Mühe  Preis“,  welche 
gleichfalls  theilweise  lebhafte  Anerkennung  fanden. 
Wir  geben  im  Bilde  noch  einige  andere  Entwürfe 
wieder,  weil  sie  uns  in  künstlerischer  Hinsicht  eine 
solche  Hervoi'hebung  zu  verdienen  scheinen. 

Alles  in  allem  ist  der  Wettbewerb  ein  sehr  werth- 
voller, was  auch  das  Preisgericht  anerkannt  hat,  indem 
es  ausführte,  es  sei  „eine  grosse  Anzahl  von  Entwürfen 
eingeliefert  worden,  die  künstlerisch  auf  einer  hohen 
Stufe  stehen  und  praktisch  von  bedeutendem  Werthe 
sind“.  Diese  Werthschätzung  des  Wettbewerbes  kommt 
auch  in  der  Art  der  Ausstellung  der  Entwürfe  zum  Aus- 
druck, welche  eine  der  sorgfältigsten  ist,  welcher  wir 
bisher  begegnet  sind.  Die  gleiche  Sorgfalt  durchzieht 
somit  die  Vorarbeiten  wie  die  Schlussarbeiten.  Möge 
diese  Sorgfalt  und  das  in  ihrem  Gefolge  gehende 
Glück  auch  den  endgiltigen  Entschliessungen  der 
Stadtvertretung  zurseite  stehen;  für  diese  hat  der  reiche 
Wettbewerb  deutliche  Hinweise  gegeben,  — 


Vertiefung  des  Fahrwassers  der  Unterelbe. 

p|^lm  14.  Mai  d.  J.  hat  die  Hamburger  Bürgerschaft  Beigabe  von  Plänen  beschriebenen  Korrektions-Arbeiten 
einen  Antrag  des  Senates  betreffend  die  Vertiefung  der  Unterelbe  zwischen  Hamburg  und  Nienstedten, 
des  Fahrwassers  der  Unterelbe  auf  der  Strecke  von  Die  mit  einem  Kostenaufwande  von  über  8 Mill.  M. 
Neuraühlen  bis  Lühersand  einstimmig  angenommen  und  in  den  letzten  Jahren  ausgeführte  Korrektion  zwischen 
hierfür  einen  Geldbetrag  von  zusammen  6500000  M.  be-  Hamburg  und  Nienstedten  hat  den  gehegten  Erwartungen 
willigt;  Diese  in  Aussicht  -genommenen  Arbeiten  werden  vollkommen  entsprochen,  indem  durch  dieselbe  die  seit 
eine  Fortsetzung  sein  von  den  S.  630  Jhrg.  1899  unter  vielen.  Jahren  der  Schiffahrt  äusserst  gefährlichen  Un- 

406  . No.  64. 


tiefen  auf  dieser  Strecke  voll- 
ständigbeseitigt sind.  Aber  schon 
bei  Abschluss  des  Vertrages  zwi- 
schen Preussen  und  Hamburg 
über  jene  Arbeiten,  wurden  Be- 
stimmungen über  technische, 
wirthschaftliche  und  geschäft- 
liche Vorbedingungen  einer  spä- 
ter vorzunehraenden  durchgrei- 
fenden Verbesserung  der  Strom- 
und  Schiffahrts-Verhältnisse  der 
gesummten  Unterelbe  aufgenom- 
men,  welche  durch  die  Hambur- 
ger Strombau-Verwaltung  aus- 

Entwurf  mit  dem  Kennworte: 

„Es  muss  doch  Frühling  werden". 
Architekt:  Johann  Roth  in  Kassel. 

(In  engerer  Wahl.) 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung 
von  Entwürfen  für 
ein  neues  Rathhaus  ln  Kassel. 


aber  ausserordentlich  umfangreiche  und  eingehende  Vor- 
arbeiten erforderlich,  weil  hierbei  nicht  allein  die  Inter- 
essen der  Seeschiffahrtstreibenden,  sondern  auch  die- 
jenigen des  Landwirthschaftsbetriebes  der  Anlieger  des 
Hauptstromes  und  der  in  dem  Fluthgebiete  liegenden 
Nebenströme  und  diejenigen  der  Kleinschiffahrt  berührt 
werden.  Während  z.  B.  das  Interesse  der  ersteren  eine 
möglichst  grosse  Fluthentwickelung  und  ein  weites  Vor- 
dringen der  Fluthwelle  stromaufwärts  behufs  Vertiefung 
und  Tiefhaltung  der  Schiffahrtsrinne  erheischt,  kann  die 
Erhöhung  des  Wasserspie^ls  für  die  Landwirthschaft 
eine  Schädigung  bedeuten.  Es  müssen  also,  um  allen  ein- 
schlägigen Interessen  gerecht  zu  werden,  in  allererster 
Linie  die  Herstellung  verschiedener  Stromkarten,  genaue 
Profilaufnahmen  der  Elbe  und  der  Nebenflüsse  im  Fluth- 
gebiete, ferner  längere  genaue  Beobachtungen  der  Pegel- 
stände, des  Salzgehaltes  des  Wassers  und  dergleichen 
mehr  vorgenommen  werden,  bevor  zu  der  Ausarbeitung 
eines  eigentlichen  Entwurfes  vorgeschritten  werden  kann. 

Diese  nothwendigen  Vorarbeiten  zur  Feststellung  eines 
Arbeitsplanes  hat  nun  der  Ausschuss,  dessen  geschäftliche 
Leitung  in  den  Händen  der  Hamburger  Wasserbau-Tech- 
niker hegt,  soweit  gefördert,  dass  ein  genereller  Ent- 


Entwurl  mit  dem  Kennwort:  „Roland".  Ein  IV.  Pr. 

Architekten:  Karst  & Fanghänel  in  Kassel. 

gearbeitet  und  von  einem  Ausschuss  aus  preussischen  und 
hamburgischen  Beamten  und  Wasserbau-TechnUcern  fest- 
gestellt werden  sollten. 

Für  eine  solche  planmässige,  durchgreifende  Ver- 
besserung des  Fahrwassers  auf  der  ganzen  Unterelbe  sind 


Wurf  für  die  Kor- 
rektion der  Un- 
terelbe zur  Vor- 
lage gelangen 
konnte,  in  wel- 
chem in  ange- 
näherter Weise 
die  Korrekiions- 
Unien,dieSlrom- 
bauwerke,  die 
Fluth  - Becken 
usw.  in  ihrer  all- 
gemeinen An- 
ordnung darge- 
sieht  sind.  Da 
jedoch  bis  zur 
Feststellung,  zur 
Annahme  und 
Verwirklichung 
eines  auf  diesem 
Vorentwurf  auf- 
gebauten endgil- 
ligen  Entwurfes 
noch  Jahre  ver- 
gehen können, 
die  See-Schiff- 
fahrts  - Verhält- 
nisse aber  nach 
einer  baldigen 
Verbesserung 
d es  F ahr  wass  ers 
mehr  und  mehr 
drängen,  wenn 
Hamburg  nicht 
seine  Stellung  als  ein  Seehafenplatz  ersten  Ranges  ver- 
lieren soll,  so  lag  die  Frage  nahe,  ob  nicht  an  der  für 
die  Schiffahrt  ungünstigsten  Stelle  schon  jetzt 
Verbesserungen  angestrebt  werden  können, 
welche  unbeschadet  der  Linienführung  des  künftigen  end- 


9.  August  1902. 


407 


Hi'tiini  r 


Entwurf  mit  dem  Kennwort:  „Giebel“. 
Ein  II.  Preis. 

Architekt;  J.  Kröger,  unter  Mitarbeit 
von  jQrgensen  und  Bachmann  in 
Wilmersdorf  bei  Berlin. 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung 
von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathbaus 
in  Kassel. 


1. OBERGESCHOSS. 

. ,10 20 3|0m 


irlirx 

Xl 'V 

„L. 

■J 

Entwurf  mit  dem  Kennwort;  „Klar  und  wahr“. 
Arclütekt:  Dr.  ing.  E.  Vetterlein  in  Darmstadt.  (In  engster  Wahl.) 


gütigen  Entwurfes  und  im 
Rahmen  des  generellen 
Vor  - Entwurfes  vorzuneh- 
men sind. 

Eine  genaue  Prüfung  der 
einschlägigen  Verhältnisse 
hat  nun  zu  der  Ansicht  ge- 
führt, dass  man  mit  Hilfe 
der  heut  zutage  bedeutend 
verbesserten  maschinellen 
Baggerapparate  im  Stande 
sein  wird,  das  Fahrwasser 
durch  eine  verstärkte 
Baggerung  noch  be- 
deutendzuverbessern. 
Diese  Ansicht  stützte  sich 
einmal  auf  die  in  anderen 
Ländern  und  dann  auch 
auf  die  an  der  Elbe  selbst 
gemachten  Erfahrungen.  So 
wurde  die  grosse  Mersey- 
Barre  vor  Liverpool  von 
1890—1894  nur  durch  mäch- 
tige Baggerung  und  ohne 
Anwendung  von  Stromleit- 
werken um  2,3  “ und  in 
weiteren  Jahren  bis  1900 
um  mehr  als  4 “ vertieft. 
Aehnliche  Ergebnisse  sind 
im  Mississippi  in  Nordame- 
rika und  in  der  Wolga  in 
Russland  erzielt  worden. 
Auch  an  der  Unterelbe  sind 
lediglich  durch  Baggerung 
erfolgreiche  Vertiefungen 
des  Fahrwassers  erreicht. 
Während  1845  vor  Blan- 
kenese bei  gewöhnlichem 
H.-W.  durch  Baggerung 
eine  kleinste  Tiefe  von  4,3“ 
und  im  Jahre  1872  eine 
solche  von  5,15“  vorhan- 
den war,  hat  sich  dieselbe 
durch  weiter  fortgesetzte 
Baggerung  allmählich  so 
weit  vergrössert,  dass  jetzt 
bei  gewöhnlichem  H.-W. 
eine  Wassertiefe  von  8 “> 
der  Seeschiffahrt  zur  Ver- 
fügung steht.  Und  weil  fer- 
ner auf  einzelnen  Strecken 
der  Unterelbe,  wie  2.  B. 
vor  Nienstedten  die  in  An- 
lass der  Beseitigung  eines 
dort  vorhandenen  Steinrif- 
fes ausgeführte  umfassen- 
de Austiefung  sich  schon 
jetzt,  ohne  besondere  Nach- 
hilfe, nicht  allein  gehalten, 
sondern  sogar  vergrössert 
hat,  so  ist  bei  den  Techni- 
kern die  Ueberzeugung  be- 
festigt worden,  dass  es  sich 
unter  Berücksichtigung  der 
örtlichen  Verhältnisse  und 
des  natürlichen  Stromlaufes 
durch  energisches  Baggern 
ermöglichen  lassen  wird, 
die  zwischen  Neumühlen 
und  Lühersand  noch  vor- 
handenen, die  Seeschiffahrt 
jetzt  sehr  behinderndenUn- 
tiefen  zu  beseitigen  und 
hier  auch  eine  Fahrrinne 
von  200“  Breite  und  eine 
Fahrwassertiefe  von  10  “ 
unter  mittlerem  H.  W.  her- 
zustellen und  sie  auch  ohne 
wesentlich  höhere  Kosten 
als  jetzt  erforderlich  dau- 
ernd zu  erhalten. 

Um  aber  einmal  das  in 
einer  Konkave  liegende 
nördliche  Ufer  nach  er- 
folgter Austiefung  vor  wei- 
terem Abbruch  zu  schützen 
und  um  dem  vertieften 
Stromstrich  andererseits 
nicht  Wasser  zu  entziehen, 


No.  64. 


408 


wird  es  aach  nöthig  sein,  hier  aaf  der  ganzen 
Strecke  des  rechten  Elbufers  also  zwischen 
den  Oertern  Mühlenberg oberhalb  und  Witten- 
berge unterhalb  Blankenese,  mit  Stromleit- 
werken zu  versehen.  Diese  jetzt  neu  herzu- 
stellenden Leitwerke  entsprechen  den  Linien 
des  generellen  Vorentwurfes  und  würden 
jedenfalls  bei  Ausführung  des  endgiltigen 
Korrektionsplanes  zum  Schutze  des  rechten 
Ufers  erforderlich  sein. 

Da  die  sämmtlichen  vorzunehmenden 
Arbeiten  auf  preussisches  Gebiet  entfallen, 
so  sind  die  Entwürfe  hierfür  von  dem  Aus- 
schüsse beider  Landesbehörden  geprüft  und 
genehmigt  worden.  Es  ist  ferner  zwischen 
Preussen  und  Hamburg  ein  Vertrag  abge- 
schlossen worden,  dahingehend,  dass  zum 
Uferschutze  an  der  Südseite  gegebenenfalls 
erforderlich  werdende  Parallelwerke,  sowie 
dass  zur  lokalen  Schiffahrt  erforderlich  wer- 


dende Baggerungen  dann  ebenfalls  von  Ham- 
burg ausgeführt  werden  sollen, 

Der  Bauplan  der  jetzt  vorzunehmenden 
Arbeiten  ist  so  aufgestellt,  dass  in  dem  ersten 
Baujahre  die  eben  besprochenen  Leitwerke 
am  rechten  Elbufer  hergestellt  werden  und 
die  erforderlichen  Bagger-Apparate,  welche 
anzuschaffen  sind.  Im  2.  Baujahre  soll  dann 
die  Austiefung  der  einen  Seite  und  im  3.  Bau- 
jahre die  Ausbaggerung  der  anderen  Seite 
des  Stromstriches  folgen. 

Um  nun  diese  bedeutenden  Baggerar- 
beiten voa  etwa  5 Mill.  cbm  Boden  ausführen 
zu  können,  sind  zwei  neue  Bagger  von  je 
300  cbm  stündlicher  Leistung  mit  einer  Greif- 
tiefe von  II — 12®,  2 Pumpenbagger  von  glei- 
cher Leistungsfähigkeit  und  ferner  18  Bagger- 
schuten von  je  150  cbm  Fassungsraum  neu  zu 
beschaffen.  — Ein  für  den  stetigen  und 
raschen  Baggerbetrieb  günstig  gelegener 


Entwurf  mit  dem  Kennwort:  „Guilielmus  von  Nassauen”. 
(In  engerer  Wahl.) 


Architekt:  Alfred  Meyer 
in  Charlottenburg. 


Entwurf  mit  dem  Kennwort: 


.Hessenland*.  Architekt:  Regierungs-Baumeister  H.  Hausmann 


in  Berlin. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathhaus  ln  Kassel. 


9.  August  1902. 


409 


Löschplatz  ist  in  der  dem  preuss.  Fiskus  gehörenden  und 
ungefähr  166^^  umfassenden  Elbinsel  Hahnöfersand  ge- 
funden worden,  dessen  Verkauf  an  Hamburg  für  den 
Preis  von  250000  M.  die  beiderseitige  Genehmigung  der 
betr.  Landesbehörden  erhalten  hat. 

Die,  wie  eingangs  erwähnt,  nunmehr  von  den  Ham- 
burger Behörden  bewilligten  Baugelder  von  6500000  M 


vertheilen  sich  folgendermaassen: 

für  Beschaffung  der  Bagger-  und  Lösch- 

geräthe  2326000  M., 

II  Ba-gger-  und  Löscharbeiten  ....  2640000  „ 

„ Herstellung  der  erforderlichen  Korrek- 
tionswerke   760  000  „ 

„ Ankauf  der  Insel  Hahnöfersand  . . 250  000  „ 

„ Insgemein  und  Unvorhergesehenes  . 574000  „ 


Nach  Fertigstellung  dieser  gesammten  Arbeiten  werden 


mit  Rücksicht  auf  noch  vorhandene  anderweitige  Untiefen 
bei  gewöhnlichem  Hochwasser  immerhin  Dampfer  mit 
einem  Tiefgänge  von  reichlich  9 ohne  leichtern  zu  müssen, 
nach  Hamburg  aufwärts  fahren  können,  was  für  die  I-Iam- 
burger  Seeschiffahrt  von  um  so  grösserem  Nutzen  sein 
wird,  als  die  Anforderungen  an  das  Fahrwasser  durch  den 
in  den  letzten  10  Jahren  so  mächtig  vergrösserten  Tief- 
gang der  Seeschiffe  in  einem  kaum  vorausgesehenen  Maasse 
gestiegen  sind  und  weil  man  in  den  englischen  Hafen,  wie 
London  und  Liverpool,  auch  schon  begonnen  hat,  neue 
Dockhäfen  mit  einer  Wassertiefe  von  ao“  zu  erbauen. 

Um  aber  die  Kosten  dieser  Verbesserung  des  Fahr- 
wassers möglichst  zu  verzinsen  und  zu  amortisiren,  soll 
später  nach  Fertigstellung  dieser  Arbeiten  die  Frage  er- 
örtert werden,  ob  und  nach  welchen  Grundsätzen  die  Er- 
hebung einer  Schiffahrts- Abgabe  einzuführen  sein  würde. — 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


V.  Die  Architektur-Ausstellung. 

■ it  einem  Gefühl  der  Genugthuung  ist  zu  bemerken, 
dass  in  der'allgemeinen  Werthschätzung  der  Bau- 
kunst gegen  früher  ein  Fortschritt  eingetreten  ist 
und  dass  in  den  grossen  Kunstausstellungen  neben  der 
Malerei  und  Bildhauerei  auch  den  Leistungen  der  Archi- 
tektur ein  gebührender  Raum  zugewiesen  zu  werden  pflegt. 
Es  kam  leider  früher  viel  zu  oft  vor,  dass  der  strengen 
Führerin  aller  bildenden  Künste  schliesslich  nur  kleinere  ab- 
seits gelegene  Räume  und  Verbindungsgänge  übrig  blieben. 
Die  grosse  Masse  der  Besucher  fluthet  zudem  zumeist 
in  den  Gemäldesälen  hin  und  her  und  beachtet  in  der 
Architektur- Ausstellung  die  Werke  vielleicht  nur  dann, 
wenn  sie  als  gemaltes  Schaubild  oder  sonst  in  der  Form 
und  Grösse  besonders  auffallend  hervortreten.  Das  ver- 
schlägt nun  freilich  wenig.  Die  Architektur  aber,  mit  allen 
ihren  Nebenkünsten  der  Dekoration  und  des  Kunstge- 
werbes, ist  mehr  als  jede  andere  Kunst  auf  eine  ein- 
gehende liebevolle  Betrachtung  angewiesen,  auf  die  nicht 
so  sehr  verbreitete  Fähigkeit,  das  augenblicklich  in  der 
bloss  bildlichen  Darstellung  Gesehene  sich  räumlich  in  der 
entsprechenden  Grösse  und  Wirkung  gehörig  vorzustellen. 
Und  wie  in  dem  rechten  Baukünstler  poetisches  Empfin- 
den undpraktisch-nüchterneVerstandesthätigkeitsichgegen 
seitig  durchdringen,  so  fordert  ja  auch  sein  Entwurf  die 
ganze  Summe  der  beim  gebildeten  Laien  vorausgesetzten 
ästhetischen  Begriffe  und  anerzogenen  Anschauungen 
heraus,  vor  allem  aber  dessen  warmherziges  Gefühl  für 
Raumlösungen  im  Sinne  der  rechten  Verbindung  von 
Schönheit  und  Zweckmässigkeit.  Es  sind  daher  immer 
nur  Einzelne,  die  sich  an  eine  nähere  Betrachtung  von 
Grundrissen  und  Schnitten,  von  Ansichten  und  Perspek- 
tiven heranmachen,  aber  hier  ist  es  dann  wirklicher  An- 
trieb zur  Prüfung,  ein  gewinnreiches  Sichversenken  in  die 
Eigenthümlichkeit  der  Aufgabe  und  ihrer  Lösung. 

Auch  in  Düsseldorf  giebt  es  diesmal  eine  Architektur- 
Ausstellung;  sie  ist  in  die  „Deutschnationale  Kunst- 
ausstellung“ eingegliedert.  Eine  Berichterstattung  über  die- 
selbe ist  insofern  eingeengt  auf  eine  blosse  Besprechung 
von  malerischen  Gesichtspunkten  der  Darstellung  aus,  als 
die  Vorführung  von  Grundrissen  und  Schnitten  ausge- 
schlossen bleiben  sollte;  es  sind  die  meisten  Blätter  in 
Aquarellmanier  gegeben.  Im  Verhältniss  zu  der  ansehn- 
lichen Beschickung  der  anderen  Gruppen  der  Kunstaus- 
stellung aus  dem  deutschen  Sprachgebiet  tritt  die  Bau- 
kunst nach  Zahl  der  Aussteller  sehr  zurück. 

Wohl  weist  der  Katalog  eine  Reihe  bestens  bekannter 
Namen  auf,  wohl  sind  Leistungen  ersten  Ranges  in  der 
Fassaden-Durchbiidung  und  entsprechend  den  verschieden- 
artigen Problemen  wie  Kirchen,  Theater,  Landhäuser  und 
Nutzbauten,  vorhanden,  aber  dennoch  bleibt  das  reiche  Bild 
baukünstlerischer  Leistungsfähigkeit  im  heutigen  Deutsch- 
l^d  auf  dieser  Ausstellung  ein  recht  lückenhaftes.  Wieviel 
eindrudcsvolLer  und  förderhcher  wäre  es  gewesen,  wenn 
man  •—  ähnlich  dem  geschlossenen  Auftreten  der  einzelnen 
Künstlerschaften  von  Wien,  Berlin,  München,  Düsseldorf 
usw.  in  der  Malerei  — hier  Gelegenheit  genommen  hätte, 
die  Eigenart  der  mehr  oder  minder  scharf  ausgeprägten 
einzelnen  Architekturschulen,  wie  z.  B.  der  Münchener 
der  Berliner,  der  Stuttgarter,  der  Darmstädter  oder  der 
Hannoverschen  Schule  zu  zeigen,  , wenn  auch  nur  in 
wenigen  gut  zusammengearbeiteten  Beiträgen.  Eine  um- 
fassende Vertretung  hat  eigentlich  nur  Düsseldorf  aufzu- 
weisen. Unter  den  240  Nummern,  die  ausser  der  33  Blatt 
zählenden  Sonder  - Ausstellung  des  preussischen  Mini- 
steriums der  öffentlichen  Arbeiten  hier  hängen,  sind  allem, 
von  Düsseldorfer  Architekten'  etwa  iio  Nummern  beige- 
bracht, also  beinahe  die  Hälfte.  Vielleicht  hat  auch  dieser 


Umstand  auf  die  Anordnung  der  eingesandten  Werke 
Einfluss  gehabt.  Den  Düsseldorfern  ist  ein  schöner  Raum 
am  Ende  der  südlichen,  der  Düsseldorfer  Kunst  überhaupt 
gewidmeten  Saalreihe,  und  mit  besonderem  Eingang  im 
Endrisalit  des  Gebäudes,  zugefallen,  während  von  hier  aus 
erst  ein  Treppenaufgang  zur  Fortsetzung  der  Architektur- 
Ausstellung  in  der  südhchen  Hälfte  des  Korridors  führt. 
Im  Folgenden  soll  nur  eine  kurze  Uebersicht  über  das 
Dargebotene  gegeben  werden,  da  die  hervorragendsten 
Werke  bereits  früher  an  anderer  Stelle  und  in  anderem 
Zusammenhänge  besprochen  wurden. 

Der  etwas  über  30  “ lange  und  etwa  6 — 8 breite 
Flur  mit  7 Fenstern  in  der  Front  ist  in  eine  grössere 
Mittel-  und  2 kleinere  Seitenkojen  abgetheilt.  Beim  Auf- 
gang fallen  zunächst  einige  grössere  Arbeiten  zur  Ehrung 
des  grossen  Reichskanzlers  ins  Auge:  Der  aquarellirte 
Ausführungs-Entwurf  zur  Bismarckwarte  auf  den  Müggel- 
bergen  bei  Berlin  von  Otto  Rietz  (Berlin);  weiterhin  ein 
Kohle-Entwurf  zur  Bismarcksäule  für  Köln,  von  A.  Hart- 
mann, und  der  grosse  Konkurrenz-Entwurf  für  das  Bis- 
marck-Denkmal in  Hamburg,  von  Erdm.Hartig  (Barmen), 
der  bekanntlich  bei  der  Preisvertheilung  in  der  engeren 
Wahl  war.  Von  demselben  Künstler  sind  ausgestellt:  der 
preisgekrönte  Entwurf  zür  „Ruhmeshalle“  in  Barmen 
(Fassade),  sowie  eine  Innenansicht  (Treppenhaus),  und 
mehrere  Einzelheiten  in  photographischen  Wiedergaben, 
die  in  einem  geschlossenen  Werke  bei  Ernst  Wasmuth 
in  Berlin  erschienen  sind.  Der  Monumentalbau  Hartigs, 
aus  freiwilligen  Beiträgen  reicher  Patrioten  und  in  edlem 
Material  errichtet,  dient  einem  doppelten  Zweck:  der  Ver- 
herrlichung Kaiser  Wilhelm  I.  und  des  Kaisers  Friedrich  III. 
in  der  eigentlichen  Ehrenhalle,  sodann  aber  auch  der  Ver- 
anstaltung von  Ausstellungen  des  Barmer  Kunstvereins, 
des  Bergischen  Geschichts-Vereins  usw.  in  den  unteren 
und  oberen  Sälen.  Er  wurde  im  Oktober  1900  eingeweiht. 

Bemerkenswerth  sind  die  in  der  Nähe  hängenden 
6 aquarellirten  Entwürfe  zu  Villen  und  Wohnhäusern  von 
Prof.  G.  Wickop  (Darmstadt).  In  derselben  Koje  sind 
ferner  5 Arbeiten  des  bei  den  Düsseldorfer  Ausstellungs- 
bauten vortheilhaft  betheiligten  Dortmunder  Architekten 
Ernst  Marx  ausgestellt,  darunter  das  Schaubild  seines 
grossen  Pavillons  für  den  Hörder  Bergwerks-  und  Hütten- 
verein, der  Saalbau  zum  Freischütz  im  Stadtwalde 
bei  Schwerte  in  einem  malerisch  und  virtuos  behandelten 
Aquarell,  seine  Umbauten  des  alten  „Gildehauses“  zu 
Dortmund  (Photographien)  sowie  das  in  moderner 
Auffassung  gehaltene  Olympia -Theater  daselbst.  Eine 
hübsche  Ansicht  des  alten  Rathhauses  zu  Dortmund,  nach 
dem  von  der  westfälischen  Provinzial-Denkmalpflege  be- 
günstigten und  von  dem  dortigen  Stadtbrth.  Kullrich 
durchgeführten  Wiederherstellungsbau,  giebt  uns  derselbe 
in  einem  flotten  Aquarell  dazu  photographische  Innen- 
ansichten des  Festsaales.  Es  folgen  3 Aquarelle  von 
dem  Kölner  Architekten  K.  Schauppmeyer,  das 
erste  eine  ausgeführte  Kirche  daselbst,  wälirend  die 
beiden  anderen  „Heiligthum“  und  „Studie“  benannten, 
einem  gewissen  modernen  Mystizismus  ihren  Tribut  brin- 
gen. Die  Architekten  Zeisel  & Friedrich  (Köln)  stellten 
sehr  farbig  und  in  moderner  Technik  gehaltene  Pastell- 
Zeichnungen  zu  einem  Landhause  und  für  ein  Grabdenkmal 
aus.  In  der  zweiten  Koje  sieht  man  von  Fritz  Gottlob 
(Berlin)  einige  von  seinen  durch  die  bei  Baumgärtner 

- (Leipzig)  erschienene.Publikation  und  unsere  Zeitung  schon 
bekannt  gewordenen  Architektur-Studien  im  Stile  der  nord- 
deutschen Backsteingothik  in  grösseren  Aquarellen  hängen. 

' I Berlin  ist  verhältnissmässig  nur  sehr  schwach  vertreten ; 

I aus  Hannover,  Wien,  München  sirjd  nur  je  2 Architekten 

1 (bezw.  Firmen)  erschienen  und  aus  Stuttgart  gar  nur  einer. 

1 Cremer  & Wolffenstein haben  ihre  schöne  Fassade  der 

Nb.  64; 


410 


PropsteiSt.HedwigzuBerlin  in  gescilickter  Aquarallbehand-  der  Beethoven-Aue  mit  dem  Realschul  - Neubau  in  der 
lung  gebracht  und  ebenso  einige  Photographien  vom  Inneren  Mitte  der  Häusergruppe.  Die  freundlich  und  abwechslungs- 
einiger ihrer  Villenbauten.  Viel  Gefühl  für  landschaftliche  reich  geplante  Strassenfront  ist  hier  in  einem  grösseren 
Stimmungsmaierei  giebt  sich  in  den  flott  und  kräftig  gegen  Aquarell  Zusehen.  Endlich  befindet  sich  in  demselben 
den  leuchtend  hellen  oder  tiefroten  Abendhimmel  vor-  Saal  von  Schneck  in  Quedlinburg  eine  Erziehungsanstalt, 
getragenen  Aquarell-Perspektiven  einer  Villa  in  Fulda  von  sowie  ein  grosser  mit  reichen  Mitteln  ausgestatteter  Gutshof, 
Reg.-Bmstr.  A.  Menken  (Berlin)  kund,  der  ausserdem  sein  der  ausser  der  Federzeichnung  noch  durch  ein  grosses  Gips- 
Vereinshaus  „Treviris"  in  gleicher  Behandlung  vorführt,  modell  von  Köhler  & Schräder  in  Halberstadt  illustrirt  wird. 
Gleichfalls  in  Aquarellbehandlung  stellten  die  Architekten  Im  Balkonsaal  des  Mittelbaues,  der  durch  ausgestellte 
Erdmann  & Spindler  (Berlin)  die  Ansichten  einer  1893  Kolossalbüsten  von  der  Hand  Siemerings,  sowie  durch 
erbauten  Villa  in  Wannsee,  das  1897  errichtete  Schloss  dekorative  Aufsätze  mit  dem  Reichsadler  u.  A.  eine  vor- 
Dammsmühle  bei  Berlin  aus,  sowie  in  Federmanier  die  nehraere  Ausstattung  erhalten  hat,  ist  die  Architektur- 
grossen  Aussen- und  Innenansichten  der  Saalbau-Brauerei  Ausstellung  des  Kgl.  preuss.  Ministeriums  der 
in  Moabit.  Sonst  ist  von  Berlinern,  ausser  Janssen  & öffentlichen  Arbeiten  untergebracht.  Es  sind  farbige 
Müller,  die  mit  ihrem  in  der  Behandlungsweise  sehr  ein-  Perspektiven  vonKirchen, Rathhäusern, Empfangsgebäuden 
fach  gehaltenen,  mit  einem  Il.Preise  gekröntenKonkurrenz-  usw.,  unter  welchen  das  neue  Empfan^sgebäude  auf 
Entwurf  für  das  Hamburger  Bismarck-Denkmal  und  mit  dem  Rheinbahnhof  in  Koblenz,  die  Schifferbörse  in 
verschiedenen  anderen  kleineren  Arbeiten  für  Wilmers-  Ruhrort  (Aussen- und  Innen-Ansicht),  das  Oberbergamt 
dorf,  Mainz  und  Aachen  erschienen  sind,  noch  der  in  -in  Bonn  und  das  kleine  malerische  Empfangsgebäude  in 
neuerer  Zeit  durch  seine  Studien  über  mittelalterliche  Cochem  a.d.M.  ammeistenAufmerksamkeitaufsichziehen. 
Burgenbauten  usw.  bekannt  gewordene  Wiederhersteller  Zum  Schluss  soll  noch  den  Düsseldorfern  im  Erdge- 
der  „Hohkönigsburg“  1.  Eis.  Bodo  Ebhardt  anzutreffen,  schoss  ein  kurzer  Besuch  gemacht  werden.  Unter  diesen 
Seine  prächtig  in  rotbraunem  Ton,  mit  spärlich  aufge-  befinden  sich  auch  Kayser  & v.  Groszheim,  wohl  durch 
setzten  Lichtern  aquarellirten  grossen  Entwürfe  zur  Wieder-  ihre  geschäftliche  Verbindung  mit  dem  Architekten  Wöhler 
herstehung  der  trutzigen  Vogesenveste  werden  gegen-  in  Düsseldorf.  Neben  Federzeichnungen  zu  reicheren 
wärtig,  nachdem  die  Zeitungen  von  dem  wiederholter  Wohnhausbauten  und  zu  einem  Jagdhaus  in  der  Eifel 
Aufenthalt  des  Kaisers  auf  dem  hohen  Bergkegel  so  viel  haben  dieselben  ihr  neuerbautes  Park-Hotel  zu  Düsseldorf 
gemeldet  haben,  mit  besonderem  Interesse  betrachtet,  in  einem  grossen  prächtig  aquarellirten  Schaubild,  mit 
Daneben  sind  von  demselben  Urheber  zu  erwähnen  zwei  dem  Blick  auf  das  Stadttheater,  das  Cornelius-Denkmal  im 
landschaftlich  ganz  reizvoll  behandelte  Entwürfe  zur  Hofgarten  und  in  die  angrenzenden  Strassen  ausgestellt. 
Wiederherstellung  der  Salzburg  in  Franken  (v.'^J.  1900)  Als  ein  vorzüglicher  Aquarellist  zeigt  sich  Prof.  J.  Klee- 
und  für  die  Schauenburg  im  Schwarzwald  (v.  J.  1901). — sattel.  Seine  Innen-Ansicht  vom  Chor  der  St. Rochus- 
H.  A.  Krause  (Berlin)  tritt  hier  auf  mit  seinen  grossen  kirche  ist  virtuos  in  Licht  und  Farbe  behandelt.  Fünf 
Kaufhäusern  in  Berlin  in  zwei  Aquarellen  und  einer  Photographien  vom  Inneren  dieser  Kirche  lassen  ihn  auch 
grossen  wirkungsvollen  Schwarzzeichnung,  sowie  mit  als  Meister  des  Details  erkennen.  Ausserdem  sind  von 
seinem  interessanten  Hause  Mattschass  in  Charlottenburg,  ihm  in  je  2 Aquarellen  die  Pfarrkirche  in  Krefeld  und  die 
Die  dritte  Koje  der  Gallerie  wird  eingenommen  von  der  Pfarrkirche  zu  Düsseldorf  vorhanden.  Von  demDirektor  der 
„Ausstellung  des  Fachverbandes  der  Dresdener  Kunstgewerbeschule,  die  ihre  hervorragenden  Leistungen 
Kunstgenossenschaft".  Wir  finden  hier  Pietsch  mit  auchauf deraArchitekturgebiet(Dekoratives)indemSonder- 
seinem  Künstlerhaus  in  Loschwitz  (derb  vorgetragenes  bau  für  rheinische  und  westfälische  Fachschulen  ausge- 
Aquarell),  Reuter  mit  eigenartigen  Federzeichnungen  stellt  hat,  von  Prof.  H.  Stiller,  sind  Entwürfe  zu  den 
und  einem  merkwürdigen  Interieur.  Ferner  Lehnert  & Kopf-  und  Mittelbauten  der  neuen  Rheinbrücke  zu  Düssei- 
Mayenburg  mitWohnhaus-Entwürfenundkleinerenlnnen-  dorf  sowie  in  einem  grossen  Fassadenmodell  sein  Anbau 
räumen,  Schilling  & Graebner  mit  ihrer  eigenartigen  zur  Westdeutschen  Bodenkreditanstalt  in  Köln  vorgeführt. 
Zionskirche  in  Dresden  (Modell)  usw.,  und  Schefer  mit  Ein  anderer  bekannter  Düsseldorfer  Architekt,  L.  von 
einer  Zeichnung  zu  einem  Dampf-  und  Heissluftbad.  F.  R.  Abbema,  brachte  seinen  in  die  engere  Wahl  gekomme- 
Vor  etzsch  ist  vertreten  mit  sechs  Arbeiten,  darunter  eine  nen  Konkurrenz-Entwurf  zum  Leipziger  Rathhaus,  sowie  — 
flotte  Bleistiftzeichnung  zum  Rathhausportal  für  Gotha,  in  Wasserfarben  gemalt — den  Konkurrenz-Entwurf  zu  einer 
ein  Wohnhausentwurf  in  neuzeitlichen  Formen  für  Frau  Pfarrkirche  in  München,  nebst  zwei  anderen  Kirchen, 
v.  Nostiz-Wallwitz  usw.  Alwin  L.  C.  Anger  ist  mit  treff-  Aus  der  Konkurrenz  für  ein  Rathhaus  in  Neheim  ging 
lieh  aquarellirten  Arbeiten  erschienen,  darunter  der  mit  der  Architekt  F.  Hofmeister  mit  einem  HI.  Preise  her- 
dem  III.  Preise  ausgezeichnete  Konkurrenz-Entwurf  zu  vor.  Diese  Arbeit  hat  er  hier  umgeben  mit  reizvoll  be- 
einem  Provinzial -Museum  in  Hannover,  eine  Sandstein-  handelten  farbigen  Innen- Ansichten  für  Diele  und  Speise- 
kirche in  spätromanischem  Stile,  ein  Rathhaus  und  meh-  zimmer  einer  Villa  in  Helmstedt  und  mit  einem  reich 
rere  Villenbauten.  ausgestatteten  Aquarell  der  Gesammt- Ansicht,  Kraemer 

Die  Emporen  über  demKuppeisaal  des  Mittelbaues  wur-  & Herold  brachten  ihre  verschiedenen  Rathbaus-  und 
den  gleichfalls  zu  Ausstellungssälen  hergerichtet  und  zwar  Kreishaus-Entwürfe  sowie  den  grossen  Entwurf  zu  einer 
auf  der  Südseite  für  den  Verband  deutscher  Illustratoren  Elektr.  Centrale  des  Fürsten  Pless  in  Waldenburg  (Feder- 
und  auf  der  Nordseite  wieder  für  Architekten.  In  diesem  Zeichnung  für  Backsteiagothik)  zur  Ausstellung.  Sein  Talent 
Saal  ist  vornehmlich  Wiener  und  Münchener  Architektur  für  vornehme  Innen -Ausstattungen  bekundet  Reg.-Bmstr. 
in  einigen  hervorragenden  Arbeiten  vertreten.  Von  Fellner  W.Schleicher  durch  die  fein  gemalten  Aquarelle;  „Fest- 
& Helmer  in  Wien  werden  die  Entwürfe  zu  ihrem  saal-Dekoration  im  sog.  Thurm  Karls  des  Grossen  in  der 
in  Berlin  erbauten  Monopoltheater  (Federzeichnung),  zum  StolbergerBurg“,  „Lesezimmer  im  Düsseldorfer  Malkasten“ 
Königl.  Hoftheäter  in  Wiesbaden  (Photographien),  für  die  und  vor  allem  durch  die  prächtige  Diele  im  Hause  des 
Tonhalle  in  Zürich  (in  photogr.  Aussen-  und  Innen-  Kaufmanns  O.  Schleicher  in  Düren.  In  noch  höherem 
ansichten),  sowie  Entwürfe  für  das  Etablissement  So-  Grade  gilt  dies  von  den  Arbeiten  von  Prof.  A.  Schill, 
mossy  in  Budapest  usw.  und  3 grosse  Tafeln  mit  zahl-  Der  Künstler  für  die  Dekoration  dieses  Ausstellungs- 
reichen Grundrissen  von  Theaterbauten  vorgeführt.  Von  Saales,  auf  die  noch  ein  Blick  geworfen  werden  soll, 
den  Münchenern  hat  Arch.  Martin  Dülfer  sein  Theater  in  Arch.  Peter  Paul  Fuchs,  scheint  Hotel- und  Restaurations- 
Meran  ausgestellt.  In  noch  frischer  Erinnerung  sind  allen  Bauten  zu  einem  besonderen  Zweige  seiner  Thätigkeit 
Fachgenossen  die  Abbildungen  und  Besprechungen  des  gemacht  zu  haben;  er  ist  mit  10  Arbeiten  gut  vertreten, 
neuen  Prinz-Regenten-Theaters  in  München,  dessen  Bau-  während  Herrn.  vomEndt  sein  Apollotheater  zu  Düssel- 
künstler  Heilmann  & Littmann  (nebst  ihrem  begabten  dorf,  ferner  seine  Arbeiten  für  die  Düsseldorfer  Handels- 
Mitarbeiter  Habich)  3 Rahmen  mit  Federzeichnungen  und  kammer  gebracht  hat.  Die  Arch.  Dahmen,  Fr.  Deckers, 
Photographien  beigesteuert  haben.  Diesen  Süddeutschen  L.  H.  Fettweis,  Frankel,  Fürthmann,  Klein  & Dör- 
schliesst  sich  der  Hannoveraner  F.  Usadel  mit  seinem  schel,  M-  Korn,  Salzmann,  Thyriot,  Vehling  und 
Tempera-Entwurf  in  der  Hamburger  Bismarck-Konkurrenz,  Victor  Wolff  haben  theils  ausgeführte  Wohnhausbauten, 
mitseinerPastellzeichnungzurBismarcksäulebeiHannover,.  theils  kleinere  Rathhäüser  und  kirchliche  Bauwerke  auf 
und  der  aquarellirten  Gesammtansicht  dafür  (im  Hinter-  dem  Lande  in  Federzeichnungen  oder  in  farbigen  Dar- 
grunde das  Deistergebirge),  sowie  mit  seinem  farbigen  Ent-  Steilungen  ausgestellt,  meist  Arbeiten  von  lokalem  Interesse, 
wurf  zum  neuenRealgymnasial-Gebäude  in  Uelzen  an.  Von  Endlich  seien  erwähnt  die  Architekten  Ernst  Roeting 
seinen  vielen  und  begabten  Kollegen  in  Hannover  ist  auf-  mit  12  Bl.  Photogr.  u.  Federzeichng.,  Rieh.  Genschmer, 
fallenderweise  nur  noch  einer  erschienen:  Carl  Arend.  Die  mit  Rathhaus-  und  Schulentwürfen,  Stadthalle  in  Gladbach, 
derb  und  flott  mit  der  Feder  gezeichnete  Perspektive  der  , Badeanstalt  in  Düsseldorf  usw.,  dann  Reg.-Bmstr.  C.  Peiff- 
Villa  Osmers  am  Lindener  Berg  verleugnet  in  der  hübschen  /^hoven  mit  einem  grossen  aquarellirten  Entwurf  zu  einem 
Gruppirung  mit  Mittelthurm  und  malerischen  Anbauten.,;  Zeughaus  (Hauptansicht  und  Detail  der  Seitenfront),  sowie 
nichtdieörtlicheUeberlieferung.  EinAuftragdesMagistrates||namentlich  der  Reg.-Bmstr.  Friedrich  Ostendorf.  Von 
der  Stadt  Linden  b.  Hannover  führte  zur  Bearbeitung  eines  Mdiesem  sind  seine  mit  dem  I.  Preis  ausgezeichneten  Kon- 
gressen Entwurfs  für  die  Bebauung  der  westlichen  Seite  gkurrenz-Entwürfe  für  ein  Rathhaus  in  Dresden  und  für 

9.  August  1902.  41 1 


Häuser  in  Breinen’s  Altstadt,  ferner  der  angekaufte  Ent- 
wurf für  eine  Volksbank  in  Mainz  und  anderes  ausgestellt. 

Man  kann  von  dem  Architektursaale  nicht  scheiden, 
ohne  die  Dekoration  und  einige  hier  passend  aufgestellte 
Gegenstände  der  „kunsthistorischen  Ausstellung“,  für 
welche  ein  eigener  Katalog  herausgegeben  ist,  besonders 
betrachtet  zu  haben.  Der  Saal  empfängt  eine  (bei  dunk- 
lem Wetter  für  gezeichnete  Blätter  unzureichende)  Be- 
leuchtung durch  ein  mittels  Leinen-Tuchspannung  ge- 
dämpftes Oberlicht.  Die  Dachbinder  und  Riegel  sind  be- 
malt, ein  breiter  hoher  Fries  mit  scharf  umrändertem  ge- 
maltem Rankengewinde,  an  nordisch-keltische  Linienfüh- 
rung erinnernd  und  mit  streng  stilisirten,  schwach  abge- 
tönten Löwenfiguren  auf  rothem  Grunde  und  in  schreiten- 
der Stellung,  begleitet  oben  die.  Längswände,  die  unten 
in  3/4  Höhe  mit  Grobleinwand  in  dumpfer  Färbung  be- 
spannt sind.  Die  Decke  der  Stirnseiten  ist  blau  ge- 
halten, mit  zartem  Goldlinienwerk,  der  Fussboden  ist  mit 


Vermischtes. 

Der  elektrische  Versuchsbetrieb  auf  der  Wannseebahn 
bei  Berlin  ist  am  30.  Juni  d.  J.  vorläufig  eingestellt  worden, 
wie  wir  einer  Mittheilung  der  Ztschrft.'  d.  V.  d.  E.-V.  ent- 
nehmen. Der  Versuchsbetrieb,  welchen  die  Firma  Sie  m e ns 
& Halske  eingerichtet  und  ausgeübt  hat,  erstreckte  sich 
über  die  Dauer  von  fast  2 Jahren  und  hat  in  technischer 
Beziehung  durchaus  günstige  Ergebnisse  gehabt,  da  sich 
der  Stromverbrauch  wesentlich  geringer  stellte,  als  er- 
wartet wurde.  Nicht  in  demselben  Maasse  ist  das  wirth- 
schafüiche  Ergebniss  als  günstig  zu  bezeichnen,  wobei 
aber  die  besonderen  Verhältnisse  zu  berücksichtigen  sind, 
namentlich  auch,  dass-  es  sich  um  einen  einzigen  ge- 
wöhnlichen, aus  II  Wagen  bestehenden  Eisenbahnzug 
handelte,  der  sich  fahrplanmässig  in  den  Lokomotivbetrieb 
einzupassen  hatte.-  Ob  und  wann  die  Versuche  wieder 
aufgenommen  werden,  ob  sie  das  Ergebniss  der  Einführung 
elektrischen  Betriebes  überhaupt  zur  Folge  haben  werden, 
ist  noch  unbestimmt.  — 

Gebührenordnung  für  die  Arbeiten  des  Gartenkünstlers. 
Nach  dem  Vorgänge  anderer  Berufszweige  hat  nun  auch 
der  „Verein  Deutscher  Gartenkünstler“  eine  Gebühren- 
ordnung für  die  einschlägigen  Arbeiten  aufgestellt,  welche 
auf  der  XV.  Hauptversammlung  des  Vereins  in  Breslau 
am  25.  August  d.  J.  berathen  werden  soll.  Der  Entwurf 
hierzu  ist  der  No.  8 der  „Gartenkunst“  (Verlag  von  Gebr. 
Borntraeger  in  Berlin  S.W.  46,  Dessauerstr.  29)  beigelegt.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Kolleglen-Gebäude  Freiburg  1.  Br.  Wie 
uns  von  zuständiger  Seite  ’ mitgetheilt  wird,  beruht  die 
Notiz  in  No.  103  der  „Konkurrenz-Nachrichten“,  dass  der 
Einlieferungstermin  für  die  Wettbewerbs-Entwürfe  zu  dem 
neuen  Kollegien-Gebäude  in  Freiburg  i.  B.  der  15.  Sept. 
d.  J.  sei,  auf  Irrthum.  Die  Entwurfsskizzen  sind  vielmehr 
bis  spätestens  i.  Sept.  d.  J.  Abends  6 Uhr  bei  dem  Gr. 
Ministerium  der  Justiz,  des  Kultus  und  Unterrichts  in  Karls- 
ruhe einzureichen.  — 

Wettbewerb  Landeshaus  Wiesbaden.  Für  das  auf  einer 
Eckbaustelle  der  Moritzstrasse  und  des  Kaiser  Friedrich- 
Ringes  zu  errichtende  Gebäude  stehen  860  000  M.  zur  Ver- 
fügung. Für  den.  Aufbau  ist  ein  Stil  nicht  vorgeschrieben; 
Ziege&ohbau  ist  ausgeschlossen.  Die  Architekturtheile 
sind  in  Haustein  zu  erstellen;  an  der  Fassade  sollen  Putz- 
fiächen  thunlichst  vermieden  werden.  Das  Gebäude  soll 
ausser  dem  Sockel-  und  dem  Dachgeschoss  3 Hauptge- 
schosse  erhalten.  Die  Zeichnungen  sind  i : 200  verlangt. 
Es  bleibt  ausdrücklich  Vorbehalten,  dass  Abweichungen 
von  der  S.  400  mitgetheiiten  Art  der  Vertheilung  der  Preise 
auf  einstimmigen  Beschluss  der  Preisrichter  vorge- 
nommen werden  dürfen.  Die  Uebertragung  der  Aus- 
führung an  einen  (preisgekrönten?)  Bewerber 
ist  nicht  ausgeschlossen,  wenn  auch  in  dieser  Be- 
ziehung alle  Vorbehalte  gemacht  sind.  Das  Raumprogramm 
sieht  Raumgruppen  vor  für  den  Kommunal-Landtag,  für 
den  Landesausschuss,  für  dieLandesdirektion,  sowie  Dienst- 
wohnungen für  den  Landeshauptmann,  den  Hausmeister, 
Schreiber  und  Diener.  Es  giebt  zu  besonderen  Erwäh- 
nungen keinen  Anlass.  Wir  glauben  die  Theilnahme  an 
dem  interessanten  Wettbewerbe  empfehlen  zu  können.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Stadtbauamt  inN.  Bei  der  Steigerung  des  Wasserverbrauches, 
den  die  Einführung  einer  zentralen  Wasserversorgung  nach  sich  zu 
ziehen  pflegt,  zeigt  sich  fast  immer  die  Erfahrung,  dass  ohne  Hin- 
zufügung einer  Schrautzwasser-Kanalisation  auf  die  Dauer  nicht 
auszukommen  ist.  Immerhin  lässt  sich  der  Zeitpunkt  zur  Einführung 
letzterer  dadurch  oft  beträchtlich  hinausschieben,  dass  man  den 
Wasserverbrauch  so  -weit  als  möglich  einschränkt.  Dazu  giebt  es 


rothem  Teppich  und  mit  kleineren  gut  imitirten  • orienta- . 
lischen  Fussteppichen  bedeckt  und  mit  Topfpflanzen  und. 
Lorbeerbäumen  bestellt.  Die  östliche  Schmalwand  ist  von 
einem  4theiligen  gothischen  Fenster  mit  Glasmalereien 
nach  B.  Ehrich  von  Gasser  & Blaschke  durchbrochen. 
Gleich  daneben,  in  der  südöstlichen  Ecke,  ist  das  zur  oben- 
erwähnten Abtheilung  gehörige  Grabmal  des  Pfalzgrafen. 
Heinrich  aus  der  AbteiMariaLaach  in  einemGipsabguss  auf- 
gestellt, das  mit  seinem  sechssäuligen  kapellenartigen  Ober-' 
Bau  hier  eine  ganz  vorzügliche  Wirkung  macht,  und  gegen-, 
über  öffnet  sich  der  Raum  durch  das  ebenfalls  in  getöntem 
Gipsabguss  vorhandene,  hier  geschickt  eingebaute  Rund-. 
bogen-Portal  der  Pfarrkirche  zu  Coesfeld  in  Westfalen, 
welches  mit  seinen  tiefen  Laibungen,  seinen  4fachen 
Zwischensäulen,  reichornamentirten  Kehlen  und  Wülsten 
gleichsam  wie  ein  altkirchliches  Präludium  zu  den  Kunst- 
genüssen anklingt,  die  dem  Eintretenden  in  den  folgenden 
Sälen  geboten  werden.  — — r. 


verschiedene  Mittel,  -wie  z.  B.  Einrichtung  von  Zapfstellen  nur  in 
den  Erdgeschossen  der  Gebäude,  Abgabe  und  Bezahlung  des  Wassers 
nach  dem  Wassermesser,  Verbot  der  Zuführung  von  Schmutz-wassern 
zu  den  Strasscnrinnsteinen , bezw.  Forderung,  dass  zum  Sammeln- 
derselben  sogen,  nasse  Gruben  angelegt  werden.  Wo  ein  grösse- 
res Gewässer  oder  mehrere  kleinere  Wasserläufe  die  Stadt  durch- 
ziehen, oder  wo  zu  den  meisten  Grundstücken  Gärten  gehören,  in 
welchen  man  sich  der  Schmutzwasser  entledigen  kann,  mag  das 
Fehlen  einer  unterirdischen  Schniutzwasser-Ableitung  lange  Zeit 
erträglich  sein,  und  es  sind  uns  auch  einige  Städte  bekannt,  in 
welchen  die  eine  oder  andere  Voraussetzung  erfüllt  ist.  Aber  ein 
gewisser  Zwang,  früher  oder  später  zur  Kanalisation  zu  schreiten, 
lastet  auf  allen  Städten  von  dem  Tage  an,  wo  sie  zentrale  Wasserr 
Versorgung  besitzen,  wenn  das  Wasser  der  Bewohnerschaft  bequem 
zugänglich  ist  und  für  geringen  Preis  abgegeben  wird.  — 

Stadtbauamt  in  S.  Es  ist  nicht  undenkbar,  doch  wenig  wahr- 
scheinlich, dass  die  Pappestreifen  mit  Stoffen  getränkt  gewesen 
sind,  welche  die  Bindekraft  des  Zementes  geschädigt  haben;  das 
würde  nur  durch  chemische  Untersuchung  der  Pappe  oder  leicht 
anzustcllende  Probeversuche  klar  zu  legen  sein.  Viel  wahrschein- 
licher ist  es  uns  nach  der  Form,  welche  die  Schäden  zeigen,  dass, 
der  Beton  zu  nass  angefertigt  wurde  und  infolge  davon  beim, 
Stampfen  desselben  nach  dem  Umfange  hin  viel  Wasser  gedrängt 
wurde,  das  den  frei  liegenden  Mörtel  ersäuft  hat.  — 

Hrn.  Arch.  W.  B.  in  Iserlohn.  Ihren  Anfragen  fehlt  zu-' 
nächst  der  Nachweis  des  Bezuges  unserer  Zeitung,  auf  welchem 
wir  bei  den  zahlreichen  auf  uns  cindringenden  Anfragen  bestehen 
müssen.  Sodann  entziehen  sich  Dire  Anfragen  unserem  Arbeits- 
gebiete und  werden  schliesslich  am  zweckniässigsten  zum  Gegen- 
stände einer  Anzeige  gemacht.  — 

Hrn.  Reg.-Bmstr.  Sch.  in.  Sommerfeld.  Ein  Imprägnirungs- 
mittel,ura  als  stark  begangenen  Fussboden  verwendete  weiche  Sand- 
steinplatten dauernd  widerstandsfähiger  zu  machen,  giebt  es  u.  W. 
nicht.  Die  vermehrte  Staubentwickelung  könnte  höchstens  durch 
Tränken  mit  heisseni  Leinöl  gemildert  werden.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Litteratur  giebt  es  über  die  Anlage  von  Polizei  Ge- 
fängnissen, Aicbämtern  und  Spritzenhäusern  mit  Angabe  der  ein- 
schlägigen gesetzlichen  Bestimmungen?  — B.,  Stdtbmstr.  in  A. 

Man  bittet  um  Angabe  von  Firmen,  die  sich  mit  der  Herstellung 
von  Lehrmitteln  für  B aumat erialienlehr e zum  Anschauungs- 
unterrichte befassen.  — F.  F.  in  Bamberg. 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 
Hrn.  O.  Fl.  in  M.  Jede  Verkittung  löst  sich  in  den  meisten 
Fällen  durch  die  Bewegung  in  dem  Fussboden  von  den  Fussboden- 
bretteni  wieder  los,  fällt  durch  die  Fugen  oder  quillt  wieder  heraus. 
Ich  habe  daher,  wie  allgemein  üblich,  in  derartigen  Fällen  mit  Er- 
folg Plolzleisten  aus  möglichst  gleicher  Holzart  wie  der  vorhan- 
dene Fussboden  angewandt.  Die  Fugen  werden  zuerst  von  Schmutz 
und  Staub  gereinigt,  dann  die  dünnen  Holzleisten  in  die  Fugen 
möglichst  fest  getrieben,  mit  ganz  dünnen  Stiften  gegen  das  Auf- 
springen befestigt  und,  wo  erforderlich,  wird  mit  gewöhnlichem 
braunen  Fussbodenkitt  nachgekittet.  Das  Verfahren  ist  das  bekannte 
Ausspänen  oder  Ausfedern.  Wenn  dieses  sorgfältig  ausgeführt 
wird,  bewährt  es  sich  sehr  gut.  — • J.  H.  Timm. 

Zur  Anfrage  an  den  Leserkreis  in  No.  59  können  wir  ange- 
legentlichst Decken  von  unseren  sehr  harten  und  tragfähigen  Hohl- 
dielen aus  Gips  empfehlen,  die  jede  Feuchtigkeit  aufsaugen  und  selbst 
bei  den  bedeutendsten  Dunstentwickelungen  niemals  tropfen. 

Walkenrieder  Gipsfabrik,  Albrecht  Meier  & Co. 
Desgl.  Für  Käserei  mit  Dampfbetrieb  sind  unsere  Betondecken  zu 
empfehlen,  die  durch  Haltbarkeit  und  Sauberkeit  ausgezeichnet  sich 
besonders  in  Räumen,  iu  welchen  niit'Wasser  gearbeitet  wird  oder  in 
denen  Damp ^ und  Dunst  unvermeidlich  sind,  vorzüglich  bewährt  haben. 
Aktien-Gc  .;ellschaft  für  Betonbau,  Diss  & Co.,  Düsseldorf, 
Zu  der  Anfrage  C.  St.  in  Naila  in  No.  59.  Ergiebige  Auskunft 
giebt  der  Aufsatz  „Schneewehen  und  Schneewehren  im  Eisenbahn- 
betriebe, mit  bes.  Bezugnahme  auf  Sachsen",  vom  Finanzrath  Ludw. 
Neumann-Dresden.  — 

Inhalt : Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau 
eines  neuen  Ratbhauses'in  Kassel  (Schluss).  — Vertiefung  des  Fahrwassers 
der  Ünter-Elbe.  — Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf 
1902.  V.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Der  .Wettbewerb  um  Entwürfe 
für  ein  neues  Rathhaus  in  Kassel.  

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  BerUn.  Für  die  Redaktion 
verantwort].  Albert  Hofinann,  Berlin.  Druck  von  WiUi.  Greve,  Berlin. 

No.  64. 


412 


Zur  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und 
Ingenieur-Vereine  in  Augsburg. 


vor  zwei  Jahren  nicht  zum  wenigsten 
nahe  Meer  dazu  bei,  dass  Hunderte  von 
hgenossen  die  Wanderung  nach  der 
zen  Hansastadt  Bremen  zur  Theilnahme 
au.  der  XIV.  Wanderversammlung  des  Ver- 
bandes deutscher  Archit.-  und  Ingcn.-Vereine  antraten, 
so  wird  gewiss  auch  heuer  der  Zauber  der  erhabenen 
Alpenwelt  seine  Wirkung  nicht  verfehlen,  die  Fach- 
genossen nach  dem  Süden  Deutschlands  zu  locken, 
zur  XV.  Wanderversammlung  in  Augsburg.  Von  den 
dortigen  Kollegen  wird  fleissig  gearbeitet,  den  zu  er- 
wartenden Gästen  den  Aufenthalt  so  angenehm  als 
möglich  zu  gestalten;  auch  das  nahe  München  wird 
in  vielen  die  Sehnsucht  nach  dem  Süden  rege  machen 
und  dieses  wird  nach  den  Augsburger  Festtagen  das 
Reiseziel  umsomehr  bilden,  als  nicht  lange  später  dort 
auch  der  „Deutsche  Verein  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege“ tagt.  Die  Zwischenzeit  lässt  sich  leicht  durch 
einen  Aufenthalt  in  den  bayerischen  Bergen  mit  ihren 
prächtigen  Gebirgsseen  ausfüllen. 

Aber  auch  Augsburg  selbst  dürfte  bei  manchem 
Fachgenossen  den  Wunsch  rege  machen,  der  Wander- 
versamralung  beizuwohnen,  gehört  es  doch  zu  den- 


jenigen Städten,  die  noch  ein  gut  Stück  altes  deutsches 
Wesen  zeigen  und  weist  es  doch  Bilder  auf,  um  die  es 
viele  andere  Städte  beneiden  können.  Die  alten  Stadt- 
bilder können  sich  kühn  neben  denen  Nürnbergs  und 
Rothenburgs  sehen  lassen. 

Augsburg,  das  einst  gross  und  mächtig  dastand, 
ein  Juwel  des  deutschen  Reiches  alter  Ordnung,  ist  ja 
heute  nicht  mehr  das,  was  es  einst  war.  Erfasst  vom 
ewigen  Wechsel,  ist  es  aus  einer  beherrschenden  eine 
beherrschte  Stadt  geworden.  Doch  es  sind  nicht  blos 
bedeutende  Spuren  vorhanden  aus  der  Zeit,  da  Michael 
de  Montaigne,  der  1580  hier  weilte,  Augsburg  die  herr- 
lichste Stadt  im  Deutschen  Reiche  nannte:  auch  dem 
Geiste  der  Neuzeit  wird  Augsburg  mehr  und  mehr  ge- 
recht, und  wen  auf  der  Reise  der  Weg  in  diese  Rich- 
tung lenkt,  der  darf  an  Augsburg  nicht  vorbeiziehen. 

Wir  lassen  aus  seiner  Geschichte  rasch  an  uns 
vorüberziehen  die  Gestalten  des  armen  Opfers  be- 
rechnender Politik  — des  Engels  von  Augsburg  — 
Agnes  Bernauer,  der  Stammmutter  des  Hauses  Löwen- 
stein, Klara  Tett,  der  schönen  Gemahlin  des  Erz- 
herzogs Ferdinand,  Philippine  Welser;  wir  sehen  das 
Aufblühen  der  Häuser  Welser  und  Fugger,  andere 


413 


alte  Geschlechter  gehen  auf  und  nieder,  neue  steigen 
empor,  von  denen  manche  bald  wieder  versinken, 
andere  den  Lauf  der  Zeiten  überdauern. 

Der  heilige  Ulrich,  der  Vater  des  mittelalterlichen 
Augsburg,  machte  unsere  Stadt  zu  einer  Festung; 
Martin  Luther  weilte  hier  zur  Rechtfertigung  seiner 
Thesen,  die  Augsburger  Konfession  giebt  die  Grund- 
lage für  seine  Lehre.  Auf  dem  Frohnhofe,  wo  einst 
Johannes  Capistranus  durch  die  Macht  seiner  Rede 
das  Volk  zur  Entäusserung  der  kostbarsten  Schätze 
hinriss,  erhebt  sich  heute  das  Sieges-  und  Friedens- 
Denkmal,  von  Meister  Kaspar  Zumbusch  entworfen. 

Auf  der  Stätte  des  römischen  Forum  steht  der 
994 — 1006  frühromanisch  erbaute,  dann  gothisirte  und 
vielfach  veränderte  Dom  mit  den  hochinteressanten 
Glasgemälden  aus  dem  ii.  Jahrh.  im  Mittelschiff.  Aus 
der  zweiten  Hälfte  des  gleichen  Jahrhunderts  stammt 
das  Prachterzeugniss  des  Erzgusses,  die  Bronzethüre, 
deren  biblische  und  mythologische  Figuren  den  Kunst- 
historiker immer  wieder  zu  neuer  Deutung  reizen. 
Wo  einst  ein  Tempel  des  Jupiter  stand,  steht  heute 
St.  Ulrichs-Gotteshaus,  in  das  schon  1012  St.  Benedikts 
Jünger  einzogen,  bis  der  Sturm  der  Reformation  und 
die  Säkularisation  sie  und  die  Bewohner  anderer  Klö- 
ster vertrieben. 

Hoch  ragen  vie- 
ler Kirchen  und 
Klöster  Thürme 
in  die  Luft,  da- 
runter das  alte 
Wahrzeichen 
ifinserer  Stadt, 

1 der  Perlach- 
tihurm.  Von  hier 
führt  uns  nur 
$in  Schritt  zum 
' Stolze  Augs- 
burgs , zu  dem 
Prachtbau  Elias 
Holl’s,  dem  schö- 
nen Rathhause 
mit  seinem  herr- 
lichen goldenen 
$aale  und  seinen 
reichen  Fürsten- 
zimmern. Noch 
andere  Bauten, 
von  denen  wir 
das  Bäcker-,  das 
Metzger-  u.  das 
Zeughaus  nen- 
nen, sowie  alte 
Thore  geben 


Untere  Maximilians-Strasse. 
(Photographische  Aufnahme  von  Kutscher  & Gehr 


verleihen  unsererSammlungbesonderenGlanz.Leonardo 

da  Vinci,  Tizian,  Tintoretto  und  andere  Meister  aus 
Italien,  sowie  solche  aus  Frankreich,  lassen  uns  ihre 
Werke  schauen.  Peter  Brueghel  der  Jüngere,  genannt 
der  Höllenbrueghel,  und  Jean  Brueghel  der  Aeltere,  der 
Sammet-Brueghel,  treten  uns  als  Vorläufer  des  ebenfalls 
vertretenen  grossen  Rubens  entgegen,  ihnen  schliesscn 
sich  des  letzteren  Schüler  Anton  van  Dyck  und 
andere  an.  So  lohnt  unsere  Gallerie  allein  schon  den 
Besuch  der  Stadt.  Und  hat  der  Fremdling  sich  genug 
gesehen  an  den  Werken  der  alten  Meister,  so  erfreue 
er  sich  an  der  Betrachtung  des  Theaters,  dieses  Schatz- 
kästleins  moderner  Baukunst.  Von  da  lenke  er  seine 
Schritte  zur  reich  ausgestatteten  Halle  der  Wissenschaft, 
der  neuerbauten  Bibliothek,  die  etwa  200000  Bände 
in  sich  birgt,  und  in  einem  freundlichen  und  geräumigen 
Lesesaale  ausserdem  Gelegenheit  giebt,  sich  mit  den 
neuesten  Tagesfragen  zu  beschäftigen.  Im  Maximilians- 
Museum,  dem  Fugger-Museum,  dem  bischöflichen  Mu- 
seum und  in  sonstigen  Sammlungen  sind  Kleinodien 
und  Schätze  aus  alter  und  neuer  Zeit  angehäuft  — gleich 
tauglich  zum  ernsten  Studium  wie  lediglich  zur  geistigen 
Anregung.  — Wer  hätte  ferner  noch  nicht  gehört  von 
der  Augsburger  Industrie,  von  den  grossen,  den 

modernsten  An- 
forderungen ent- 
sprechenden Fa- 
briken mit  ihren 
Wohlfahrts -Ein- 
richtungen, die 
dem  fleissigen 
Arbeiter  ein  si- 
cheres und  ge- 
sundesHeim  bie- 
ten? Wir  mögen 
einenBegriff  von 
der  Ausdehnung 
der  hiesigen  In- 
dustrie erhalten, 
wenn  wir  beden- 
ken, dass  473000 
Spindeln  und 
5400  WebstOhle, 
von  etwa  8500 
Arbeitern  be- 
sorgt, in  ihnen 
aufgestellt  sind; 
von  besonderer 
Bedeutung  sind 
ferner  die  Ma- 
schinen - Indu- 
strie und  das 
Kunstgewerbe. 


1 Augsburg.) 


Zeugniss  von  der  Kunst  des  Begründers  der  Renais-  Auch  der  Ingenieur  wird  ba  Besichtigung  dieser 
sance  in  Augsburg.  Werke,  welche  das  Wasser  in  Tausenden  von  Pferde- 

VordenTzweithürmigenRathhause  lässt  der  schöne  kräften  ausnutzen,  auf  seine  Rechnung  kommen. 
Augustusbrunnen  von  Hubert  Gerhard  mit  dem  Gitter  So  ist  Augsburg  auch  heute  noch  wohl  werth,  dass 
von  Georg  Schelf  seine  Strahlen  in  den  verschieden-  man  hier  Einkehr  halte  und  einige  Zeit  verbringe, 
sten  Formen  springen  (siehe  die  Abbildg.  Seite  413),  aber  auch  werth,  als  eigenes  Ziel  der  Reise  m Aus- 
weiter voran  in  der  schönen  Maxiniiliansstrasse  der  sicht  genommen  zu  werden,  das  Jeden  befriedigen  wird. 
Neptuns-,  und  ganz  oben  in  der  gleichen  Richtung  der  Für  die  Theilnehmer  an  der  Wandervei  Sammlung 
herrliche  Herkulesbrunnen  mit  den  wunderschönen  haben  die  Augsburger  Fachgenossen  3 Werke  vor- 
Najaden  von  Adrian  de  Vries,  wohl  das  hervorragendste  bereitet,  die  jedem  eine  werthvolle  Erinnerung  an  Augs- 
Brunnendenkmal  der  Renaissance  in  Deutschland.  bürg  sein  werden;  sie  geben  ein  treues  Bild  von  Ver- 
Von  da  wandern  wir  weiter  nach  unserer  reichen  gangenheit  und  Gegenwart  der  Stadt.  Wn  kommen 
Gemäldegallerie , die  so  W^enige  kennen!  Und  doch  ausführlicher  auf  sie  zurück. 

ist  sie  voll  von  Schätzen  der  herrlichsten  Art,  vor  Den  Schluss  der  Wanderversamnüung  bildet  ein 
allem  an  solchen  der  altschwäbischen  Schule.  Wir  gemeinsamer  Ausflug  m die  schöne  Bergwelt,  nach 
erblicken  eine  Reihe  von  Werken  Hans  Holbein’s  des  dem  alten  Füssen  und  nach  dem  stolzen  Königs- 


Aelteren,  darunter  die  Marien-Basilika  von  1499  und 
die  berühmte  Paulus-Basilika  von  1504-,  Hans  Burgk- 
mair  fesselt  uns  durch  seine  Peters-Basilika  von  1501, 
die  Lateran-Basilika  von  1502,  die  Basilika  S.  Croce 
von  1504,  um  nur  diese  hervorzuheben.  Beide  Künstler 
sind  hervorragendste  Vertreter  der  Augsburger  Schule. 

Bartholomäus  Zeitblom  und  Martin  Schaffner  sind 
würdige  Vertreter  der  Ulmer  Schule,  wie  des  Ersteren 
Schüler  Bernhard  Strigel  ein  solcher  der  Memminger 
Schule.  Albrecht  Dürer  und  Lukas  Kranach  der  Aeltere 


schlosse  Neuschwanstein,  in  dem  sich  1886  die  tra- 
gische Königs-Katastrophe  einleitete.  In  dem  idylli- 
schen Hohenschwangau  mit  seinen  3 guten  Gasthöfen 
ist  in  frischer  Bergesluft  eine  Reihe  von  1 agen  gut 
auszuruhen,  wenn  nicht  der  eine  oder  andere  es  vor- 
zieht, seine  Wanderung  durch  Tyrol  oder  nach  Schloss 
Linderhof  fortzusetzen,  oder  auch  dem  Bodensee  und 
der  Schweiz  einen  Besuch  abzustatten.  Mögen  die 
Fachgenossen  die  Mühen  der  Augsburger  Kollegen 
durch  einen  starken  Besuch  lohnen!  — — r. 


414 


No.  65. 


Der  Simplon -Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren  Alpen-Tunnel. 


4.  Der  Simplon-Tunnel.  (Schluss), 
enn  im  Vorstehenden  die  am  Simplon  jetzt  angewen- 
deten Methoden  der  Schutterung  etwas  ausführlicher 
beschrieben  sind,  so  ist  das  geschehen  um  zu  zeigen, 
wie  man  dort  bemüht  gewesen  ist,  diesen  wichtigen  Theil 
des  ganzen  Betriebes  nach  Möglichkeit  so  auszubilden, 
dass  mit  demselben  die  grösstmöglichen  f'ortschritte  er- 
zielt werden.  Auch  bei  diesem  Tunnelbau  hat  man  nicht 
gleich  das  Richtige  gefunden,  ist  vielmehr  nach  mannich- 
fachen  Versuchen  erst  auf  das  jetzt  angewendete  System 
gekommen.  Aus  dem  im  Jahre  1899  in  der  „Deutschen 
Bauzeitung“  erschienenen  Artikel  über  den  Simplontunnel 
von  Hrn.  Prof.  Dolezalek  ist  zu  ersehen,  wie  man  sich 
damals  an  der  Nordseite  den  Vortheil,  den  die  Beweglich- 
keit kleiner  Stollenhunde  für  die  Schutterung  vor  Ort 
zweifellos  mit  sich  bringt,  zu  sichern  versucht  hat,  indem 
diese  kleinen  Gefässe  zum  Transport  nach  der  Halde  auf 
grössere  Wagen  gestellt  wurden.  Man  ist  von  diesem 
System  der  Schutterung  später  zurückgekomraen,  da  der 
Transport  der  kleinen  Wagen  auf  den  Plattwagen  zu 
mannichfachen  Unfällen  Veranlassung  gegeben  hat.  Ehe 
aber  das  jetzt  an  der  Nordseite  in  Anwendung  befindliche 
System  Eingang  gefunden  hat,  ist  dort  noch  versucht 
worden,  eine  Anzahl  der  grösseren  Tunnel-Transport- 
wagen dadurch  unmittelbar  vor  Ort  zu  beladen,  dass  man 
über  dieselben  eine  kleine  Bahn  auf  Schwellen  legte,  nach- 
dem der  Zug  vor  Ort  geschoben  war.  Auf  dieser  kleinen 
Bahn  liefen  ganz  kleine  Hunde,  die  vor  Ort  beladen,  dann 
zurückgezogen  und  hierauf  jeweils  in  den  letzten  leeren 

13.  August  1902. 


Wagen  ausgeleert  wurden.  Aber  auch  dieses  System 
hat  sich,  weil  in  seiner  Anwendung  zu  unbequem,  nicht 
bewährt.  Es  hat  sich  dabei  vielmehr  herausgestellt,  dass 
nur  ein  System  der  Schutterung  praktisch  verwerthbar 
ist,  welches  bei  grösster  Einfachheit  der  Hilfsmittel  eine 
möglichst  weitgehende  Ausnutzung  der  menschlichen  Ar- 
beitskraft der  vor  Ort  Platz  findenden  Leute  gestattet. 

Da  aber  der  für  den  Simplon-Tunnel  von  vornherein 
in  Aussicht  zu  nehmende  Stollen-Fortschritt  eine  ausser- 
gewöhnliche  Leistung  auf  dem  Gebiete  der  Schutterung 
zur  gebieterischen  Nothwendigkeit  machte,  hat  auch  Brandt 
schon  vor  Beginn  der  Arbeiten  diesem  Gegenstände  seine 
besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Er  glaubte  die 
Lösung  der  schwierigen  Aufgabe  in  der  Einführung  der 
hydraulischen  Schutterung  mit  Zuhilfenahme  des  unter 
der  Bezeichnung  „Schutterkanone“  bekannt  gewordenen 
Apparates  zu  finden.  Als  mir  Brandt  zuerst,  lange  vor 
Beginn  der  Arbeiten,  von  seinen  Plänen  für  den  Simplon- 
Durchstich  erzählte  und  mir  dabei  die  Zahlen  nannte, 
welche  er  seinem  Angebote  inbezug  auf  den  zu  gewähr- 
leistenden Fortschritt  zugrunde  legen  wollte,  sprach  ich 
ihm  mein  Erstaunen  aus,  da  es  mir  unmöglich  erscheinen 
wollte,  schon  mit  Rücksicht  auf  die  erforderliche  Zeit  zum 
Schuttern  noch  genügend  Zeit  zum  Bohren  und  für  sonstige 
Nebenarbeiten  zu  erübrigen.  Brandt  erwiderte  mir,  dass 
er  jetzt  endlich  die  Methode  gefunden  habe,  um  auch  die 
Schutterzeit  entsprechend  allen  anderen  Arbeiten  vor  Ort 
abzukürzen  und  machte  mir  Andeutungen  über  die  von 
ihm  erdachte  Schutterkanone.  Als  ich  dann  vor  zwei 
Jahren  die  Baustelle  in  Brig  besuchte,  hatte  Hr.  Ing.  G ay  en 

415 


dieLiebenswürdigkeit,  mir  den  damals  aaf  demlnstallations-  Meinung,  dass  das  Stadium  der  Versuche  am  Simplon 
platze  liegenden  Apparat  zu  zeigen,  dessen  Ausbildung  jetzt  als  abgeschlossen  zu  gelten  habe,  da  jeder  Versuch 
in  dem  vorerwähnten  Artikel  des  Hrn.  Prof.  Dolezalek  Geld,  und  was  noch  wichtiger  sei,  Zeit  koste,  die  man 
beschrieben  ist.  Leider  ist  dieser  Apparat  nicht  über  den  dort  jetzt  nicht  mehr  opfern  dürfe.  Ob  es  deshalb  ge- 
ersten  Versuch  hinausgekommen.  Ib:.  Ob.-lng.  v.  Kager  lingen  wird,  diesen  Plan  Brandt’s  nochmals  zu  neuem 


gab  mh'  die  Auskunft,  dass;das  Urtheil  über  die  Wirkung  Leben  zu  erwecken  und*/ür  den  Bau  des  Simplon-Tunnels 
der  Schutterkanone  nach  den  damit  vorgenommenen  Ver-  nutzbringend  zu  machen,  erscheint  recht  zweifelhaft.  Es 
suchen  dahin  gelautet  habe,  dass  die  Idee  bei  weiterer  wird  sich  deshalb  empfehlen,  bei  der  später  anzustellen- 
Vervollkommnung  des  Apparates  wohl  noch  gute  Ergeb*  den  Untersuchung  über  die  Möglichkeit  der  Einhaltung 
nisse  zeitigen  könne.  Er  war  aber  wohl  mit  Recht  der  des  gewährleisteten  Voilendungs-Termines  nicht  damit  zu 


416 


No.  65. 


rechnen,  dass  die  jetzt  erreichten  Schutterzeiten  noch 
wesentliche  Abkürzungen  erfahren  werden.  — 

Bezüglich  der  sonstigen  Tunnelarbeiten,  insbesondere 
der  Ausführung  des  Vollausbruches  und  der  Mauerung, 
kann  im  allgemeinen  auf  den  mehrfach  erwähnten  Artikel 
ipi  Jhrg.  1899  der  „Dtschn.  Bztg.“  verwiesen  werden.  Zu  be- 
merken ist  dazu  nur,  dass  wegen  der  Verschiedenartigkeit 
des  an  beiden, Arbeitstellen_ anstehenden  Gebirges  auch  bei 


nähme  der  Traversen,  welche  auch  mit  der  Maschine  auf- 
gefahren werden.  Für  den  Einbau  wird  auf  der  Nord- 
seite das  Wandruthensystem  mit  Abstützung  derselben 
auf  eine  Mittelschwelle  bevorzugt,  während  auf  der  Süd- 
seite das  Langständersystem  vorwiegt.  Die  Mauerung  der 
Widerlager  erfolgt  in  grösseren  Längen  im  Verband, 
während  die  Gewölbe  in  Ringen  mit  stumpfem  Stoss  auf 
eisernen  Lehrbögen  hergestellt  werden.  Die  Mörtel- 


diesen  Arbeiten  abweichende  Ausführungsweisen  an  den 
beiden  Seiten  angewendet  worden  sind.  Auf  der  Nordseite 
bevorzugt  man  wegen  des  querschlägig  zu  durchfahrenden 
Gebirges  die  Vorkopfarbeit,  während  auf  der  Südseite, 
bei  dem  wagrecht  gelagerten  Antigoriengneiss,  die  Schiess- 
arbeit in  den  Vollausbrüchen  nach  Möglichkeit  von  unten 
nach  oben  erfolgt.  Die  ganze  Schiessarbeit  in  den  Voll- 
ausbrüchen wird  von  Hand  ausgeführt  mit  alleiniger  Aus- 


mischung erfolgt  im  Tunnel  im  Verhältniss  von  i : 3 von 
hydraulischem  Kalk  und  Sand.  ~ 

^.v^Um  ein  abschliessendes  Bild  zu  gewinnen,  erübrigt 
nun  noch,  eine  Untersuchung  über  die  Möglichkeit  der 
Einhaltung  des  gewährleisteten  Vollendungstermines  an- 
zustellen. Bei  dieser  Untersuchung  ist  inbezug  auf  die 
Südseite  ein  Unterschied  zu  machen  zwischen  den  Arbeiten 
bis  zum  30.  September  1901  und  denjenigen  nach  diesem 


13.  August  1902. 


417 


Zeitpunkt,  da  von  diesem  Tage  an  durch  Wassereinbrüche, 
wie  sie  in  diesem  Umfange  bei  anderen  Tunnelbauten 
bisher  noch  nie  vorgekomraen  waren,  die  Arbeiten  zeit- 
weilig völlig  zum  Stilliegen  gekommen  sind.  Die  zur  Be-- 
wältigung  dieser  aussergewöhnlichen  Schwierigkeiten  ge- 
troffenen Maassregeln  werden  später  besonders  besprochen. 

Dass  es  aber  bis  zum  30.  September  1901  gelungen 
war,  den  vertraglich  übernommenen  Verpflichtungen  nach- 
zukommen, zeigt  ein  Blick  auf  das  in  Abbildg.  18  darge- 
stellte Fortschrittsprofil.  In  diesem  Profil  ist  ebenso  wie 
bei  den  früherenTunnelbauten  durch  eine — • — • — Linie 
das  dem  Bauvertrag  zugrunde  liegende  Bauprogramm  dar-, 
gestellt,  bei  welchem  für  das  letzte  Baujahr  ein  beider- 
seitiger Stollenfortschritt  von  je  7“  für  den  Tag  ange- 
nommen wurde.  Aus  dem  Profil  ist  zu  erkennen,  dass 
der  Stand  der  Richtstollenörter  damals  auf  der  Nordseite 
gegenüber  dem.  Programm  um  etwa  iioom  vorausgeeilt, 
auf  der  Südseite  um  etwa  180“  zurückgeblieben  war. 

Dann  trat  an  der  Südseite  der  Wassereinbruch  ein, 
der  mit  einer  Menge  von  rd.  1501/Sek.  beginnend  allmäh- 
lich bis  zu  95o>/Sek.  anwuchs  und  wegen  des  starken 
Druckes,  unter  dem  das  Wasser  in  den  Stollen  eintrat, 
zunächst  ein  weiteres  Fortschreiten  des  Richtstollens  an 
dieser  Stelle  unmöglich  machte.  Der  starke  Druck  und 
die  niedrige  .Temperatur  dieses 
Wasserzuflusses  (14,5  Cels.)  liess 
erkennen,  dass  man  ein  aus  grosser 
Höhe  gespeistes  unterirdischesSara- 
melbecken  angeschnitten  habe, 
welches  Schwierigkeiten  bereiten 
musste,  deren  Ueberwindung  noch 
nicht  ganz  gelungen  ist.*)  Ob  trotz- 
dem Aussicht  auch  vorhanden  ist, 
den  gewährleisteten  Vollendungs- 
termin einzuhalten,  wird  wesentlich 
von  der  Beschaffenheit  des  noch  zu 
durchfahrenden  Gebirges  abhängen. 

Seit  dem  i.  Januar  1901  sind  auf 
der  Nordseite  im  Glimmreschiefer 
des  Beckens  derGanter  2202“Stolien 
aufgefahren,  was  für  den  Tag  einen 
Fortschritt  von  6,05»»  ergiebt,  oder 
richtiger  6,3®  mit  Rücksicht  darauf, 
dass  in  diese  Zeit  ein  i4tägiger 
Streik  gefallen  ist.  Bezüglich  der 
Südseite  kann  man  vielleicht  an- 
nehmen, dass  wenn  die  Ueber- 
windung der  Quellenregion  und 
Durchfahrung  des  dort  anstehenden 
stark  drückenden  Kalkglimmer- 
Schiefers  gelungen  sein  wird,  dann 
der  zu  erreichende  Fortschritt 
grösser  sein  wird,  als  er  vorher  im 
Äntigoriengneiss  gewesen  ist.  Durch 
die  seit  dem  i.  September  1901 
im  Südstollen  angetroffenen  Ge- 
birgsschichten  scheintnämlich  nach- 
gewiesen, dass  im  geologischen 
Längenprofil  hier  die  Grenze  zwi- 
schen Äntigoriengneiss  und^den  dolo* 
mitischen  und  kristallinischen  Kalk- 
steinen, welche  denUebergangzum 
Zentralmassiv  des  Simplen  bilden 
sollen,  unrichtig  angegeben  ist. 

Es  vergrössert  sich  dadurch  die  in  dem  aus  Gneiss  und 
Glimmerschiefer  vom  Monte  Leone  bestehenden  Zentral- 
massiv  des  Simplon  zu  durchfahrende  Strecke  auf  8986“. 
Dass  der  tägliche  Fortschritt  in  diesem  Gebirge  jedoch 
liicht  das  im  Arbeitsprogramm  für  das  letzte  Baujahr  vor- 
gesehene Maass  von  7“  für  den  Tag  erreichen  wird,  scheint 
jetzt  schon  mit  ziemlicher  Gewissheit  festzustehen- 

Es  mag  aber  für  die  weitere  Berechnung  angenommen 
werden,  dass  der  m Becken  der  Ganter  erreichte  Fort- 
schritt von  6,3“  auch  im  Zentralmassiv  des  Simplon  bei- 
behalten werden  kann.  Seit  dem  Beginn  der  Maschinen- 
bohrung an  der  Nordseite,  vom  i.  Februar  1899  bis  zum 
31.  Dezember  1901,  sind  imganzen  5851  “ hergestellt,  was 
für  I Tag  im  Durchschnitt  eine  Leistung  von  5,5  “ er- 
giebt. Danach  erscheint  die  Annahme  der  Beibehaltung 
der  erreichten  Leistung  von  6,3“  für  1 Tag  gewiss  nicht 
zu  ungünstig  gerechnet.  Andererseits  ist  aber  diese  An- 
nahme auch  wohl  nicht  zu  günstig,  denn  wenn  auch  bei 
dem  Eindringen  des  nördlichen  Stollens  in  die  älteren 
.und  härteren  Gebirgsschichten  eine  gewisse  Erschwerung 
der  Bohr-  nnd  Schiessarbeit  daselbst  wahrscheinlich  ist, 
so  kann  doch  zugunsten  des  Fortschrittes  damit  gerechnet 


werden,  dass  die  Leute  sich  besser  eingearbeitet  haben, 
als  es  in  der  ersten  Zeit  der  Maschinenbohrung  der  Fall 
war.  Rechnet  man  unter  diesen  Annahmen  rückwärts 
vom  II.  Mai  1904,  dem  Vollendungstermin  des  Tunnels, 
4 Monate  für  die  Fertigstellung  von  Vollausbruch  und 
Mauerung  nach  dem  Durchschlag  des  Richtstollens , so 
müsste  dieser  Durchschlag  am  ii.  Januar  1904  erfolgen 
und  es  ständen  danach  für  die  Fertigstellung  des  Richt- 
stollens vom  I.  Januar  1902  an  noch  741  Tage  zur  Ver- 
fügung. Mit  dem  täglichen  Fortschritt  von  6,3“  könnten 
in  dieser  Zeit  von  der  Nordseite  4668  ® aufgefahren  wer- 
den, so  dass  zur  Erreichung  des  Durchschlages  im  süd- 
lichen Stollen  noch  4318  “ zu  leisten  wären.  Hierzu  sind, 
wenn  hier  ebenfalls  ein  Fortschritt  von  6,3“  für  i Tag 
angenommen  wird,  686  Tage  erforderlich;  es  müsste  also 
etwa  am  24.  Februar  1902  spätestens  auch  im  südlichen 
Stollen  der  normale  Fortschritt  wieder  beginnen.*) 

Die  Störung  des  normalen  Fortschrittes  auf  der  Südseite 
begann  in  Iselle  schon  Mitte  Mai  vorigen  Jahres,  als  sich  vor 
Ort  ein  starkerWasserzudrang  einstellte,  der  damals  aufetwa 
150— 2ooVSek.  geschätzt  wurde  und  aus  einer  der  Tunnel- 
axe  scheinbar  parallel  verlaufenden  Gebirgsspalte  herzu- ^ 
rühren  schien.  Dieser  Wasserandrang  erschwerte  die 
Arbeit  des  Schutterns  in  hohem  Maasse  und  hatte  zur 


Anmerkung  der  Redaktion.  Man  berücksichtige,  dass  die 
vorliegende  Arbeit  aus  dem  Anfang  dieses  Jahres  stammt. 

418 


Folge,  dass  die  Arbeitszeit  für  x “ Stollen,  welche  in  den 
ersten  4 Monaten  des  Jahres  durchschnittlich  4 St.  38  M. 
betragen  hatte,  auf  5 St.  25  M.  anwuchs,  indem  sich  die 
Schutterzeit  von  i St.  14  M.  auf  2 St.  3 M.  erhöhte  (s.  die 
Tabelle  der  Ergebnisse).  Diese  Erschwerung  der  Schutte- 
rung  bei  dem  starken  Wasserzufluss  nahm  aber  in  den 
folgenden  Monaten  bis  zum  September,  wo  nur  noch 
I St.  29  M.  Schutterzeit  für  i “ Stollen  erforderlich  war, 
wieder  ab  und  nachdem  der  Stollenort  aus  dem  Antigörien- 
gneiss  in  Kalkschiefer  und  weiche  Marmorschichten  ein- 
getreten war,  trat  ausserdem  eine  Verminderung  der 
Bohrzeit  von  durchschnittlich  2 St.  23  M.  in  den  Monaten 
Januar  bis  August,  auf  i St.  43  M.  im  Monat  September 
ein,  so  dass  im  September  die  Gesammt-Arbeitszeit  für 
1“  Stollen  auf  4 St.  15  M.  gesunken  war.  In  diesem 
günstigen  Stadium  der  Arbeit  wurde  am  30.  September 
beim  Bohren  im  Stollen  I plötzlich  ein  erneuter  starker 
Wasserzufluss  angetroffen,  der  aus  dem  in  der  betreffen- 
den Attacke  zuletzt  am  linken  Stoss  gebohrten  Sohlloche 
unter  so  hohem  Druck  und  in  solcher  Menge  in  den 
Stollen  eindrang,  dass  nicht  allein  das  Bohren  unterbrochen, 

*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Diese  Voraussetzung  ist  that- 
sächlich  nicht  zugetroffen.  Es  war  aber  dem  Verfasser  augenblicklich 
nicht  möglich,  die  ergähizenden  Zahletiangaben  beizubringen.  Er  behält 
sich  daher  einen  kurzen  Nachtrag  nach  dem  derzeitigen  Stande  vor. 

No.  65. 


13-  August  1902. 


sondern  auch  der  Bohrwagen  mit  Maschinen  und  Zubehör 
im  Stich  gelassen  werden  musste. 

Man  hat  dann  zunächst,  allerdings  erfolglos,  versucht, 
durch  Herstellung  eines  am  rechten  Stoss  angesetzten  Bohr- 
loches von  130  mm  Durchm.,  welches  bis  auf  eine  Tiefe 
von  9,2  m schräg  gegen  den  Ort  vorgetrieben  wurde,  die 
wasserführende  Kluft  zu  erreichen,  um  dadurch  das  Wasser 
vom  Ort  abzuziehen.  Nach  vielen  weiteren  Bemühungen 
ist  es  unter  Herstellung  einer  vorläufigen  Installation  für 
elektrische  Beleuchtung  mit  Hilfe  einer  Akkumulatoren- 
Batterie  gelungen,  wenigstens  den  Bohrwagen  mit  den 
Maschinen  vom  Ort  zurückzuziehen  und  einige  der  dort 
vorhandenen  Bohrlöcher  zu  laden.  Das  Abschiessen  hatte 
aber  ebenfalls  keinen  Erfolg,  so  dass  man  sich  genöthigt 
sah,  die  Arbeiten  im  Stollen  I vorerst  einzust eilen.  ■ - 

Um  das  Wasser  aus  dem  Stollen  I nach  dem  Stollen 
II  hinüberleiten  zu  können,  stellte  man  etwa  30“  vom 
Ort  entfernt  eine  Traverse  her.  Ein  Versuch,  von  dieser 
Traverse  aus  einen  Parallelstollen  vorzutreiben,  um  durch 
diesen  das  Wasser  von  der  Brust  des  Stollens  I abzu- 
ziehen, müsste  ebenfalls  wegen  zu  starkenWasserandranges 
nach  der  ersten  Attacke  aufgegeben  werden.  Inzwischen 
war  man  im  Stollen  II,  unter  starker  Behinderung  durch 
den  Wasserzudrang,  theils  mit  Maschinen-,-  theils  mit  -Hand- 
bohrung  etwa  12  m über  die  Brust  des  Stollens  I vorge- 
drungen, musste  aber  auch  hier  die  Arbeit  vorerst  ein- 
stellen, als  am  7.  November  offenbar  dieselbe  Wasserader 
wie  im  Stollen  I angetroffen  wurde.  Die  Menge  des  hier 
ebenfalls  aTas  der  Sohle  zuströmenden  Wassers  betrug 
950  ySek.  und  die  Temperatur  desselben  wurde  zu  14,5 
Cels.  gemessen. 

Die  weiteren  Bemühungen,  der  unerwartet  grossen 
Schwierigkeiten  Herr  zu  werden,  hatten  erst  Erfolg,  als 
man  nach  Herstellung  eines  Querdammes  im  Stollen  I 
dort  vor  Ort  einWasserbecken  hergestellt  hatte,  in  welchem 
der  in  den  Stollen  eintretende  Wasserstrahl  gebrochen 
und  damit  die  Möglichkeit  geschaffen  wurde,  mittels  eines 
am  rechten  Stoss  angesetzten  Ueberbrechens  auf  er- 
höhter Sohle  über , die  Brust  des  Stollens  I hinaus  vor- 
zudringen. Nachdem  man  so  auf  der  höheren  Sohle 
etwas  weiter  gekommen  war,  öffnete  man  dem  Wasser 
durch  Nachschiessen  der  Sohle  einen  grösseren  Quer- 
schnitt, wodurch  es  gelang,  den  Druck  so  herabzumindern, 
dass  am  15.  November  im  Stollen  I und  am  19.  November 
im  Stollen  II  der  Bohrmaschinen -Betrieb  wieder  aufge- 
nommen werden  konnte.  In  der  Zwischenzeit  wurde  ira 
Tunnel  I eifrig  an  der  Nachführung  des  Voilausbruches 
und  der  Mauerung  gearbeitet  und  auch  in  beiden  Stollen 
die  Sohle  nachgenommen,  welche  an  einzelnen  Stellen 
bis  zu  2“  zu  hoch  angelegt  war,  um  nur  erst  einmal  über 
die  Wassereinbruchstelle  hinaus  zu  kommen. 

Am  22.  November  traf  man  im  Stollen  I bei  St.  15321 
auf  einen  plastisch  weichen  Kalk-Glimmerschiefer,  in  dem 
mit  Handbetrieb  und  starkem  HoLzeinbait  bis  zum  i.Dezbr. 
etwa  5“  Stollen  aufgefahren  werden  konnten.  Auf  dieser 
Strecke  stellte  sich  aber  alsbald  ein  Gebirgsdruck  von 
bisher  nie  wahrgenommener  Stärke  ein,  der  dazu  nöthigte, 
die  Lichtabmessungen  des  Stollens  auf  2 zu  2“  einzu- 
schränken und  zum  Einbau  Hölzer  von  40C“  und  mehr 
zu  verwenden.  Die  Konstruktion  des  theils  aus  Lärchen-, 
grösstentheils  aber  aus  Eichenholz  bestehenden  Einbaues 
und  das  Verfahren  bei  dem  Auswechseln  der  Brust  ist 
aus  der  Abbildg.  19  ersichtlich.  Während  des  ganzen 
Monates  Dezember  konnte  man  auf  diese  Weise  nur  7,5“ 
Stollen  herstellen  und  war  genöthigt,  auf  dieser  Strecke 
15  Thürstöcke  einzubauen.  Anfang  Januar  bot  das  Ge- 
stein einen  , etwas  günstigeren  Anblick  und  schien  allmäh- 
lich in  einen  gesunden,  nicht  mehr  erweichten  Kalk- 
Glimmerschiefer  überzugehen,  so  dass  man  hoffen  durfte, 
der  in  so  unerwartet  heftiger  Weise  aufgetretenen 
Schwierigkeiten  Herr  geworden  zu  sein.  — 

Aus  der  vorstehenden  Darstellung  des  Baues  des 
Simplon  -Tunnels  und  aus  dem  Vergleich  mit  den  vor- 
geführten 3 grossen  früheren  Alpen-Tunnelbauten,  nament- 
lich auch  aus  den  in  Abbildg.  20  wiedergegebenen  Ver- 
gleichen des  Stollenfortschrittes  der  3 Tunnel  bezw.  aus 
der  beigegebenen  Tabelle,  in  welcher  noch  2 weitere 
Ausführungen  einbezogen  sind,  ist  zu  erkennen,  dass 
abgesehen  von  der  Einführung  und  Vervollkommnung 
der  Bohrmaschinen,  vor  Allem  das  Bausystem,  die  Organi- 
sation der  Arbeit  vor  Ort  und  die  Einrichtung  der  För- 
derung den  Fortschritt  des  Stollenortes  beeinflussen. 
Deshalb  kann,  da  weitere  Verbesserungen  der  Bohr- 
maschinen während  des  Simplon-Tunnelbaues  kaum  zu 
erwarten  sind,  die  für'  die  Einhaltung  des  Vollendungs- 
termines noch  erforderliche  Steigerung  des  Fortschrittes, 
abgesehen  von  dem  Einfluss  der  Gebirgsbeschaffenheit, 
nur  von  der  Vervollkommnung  der  Vorortsarbeiten  er- 


-419 


wartet  werden.  Daraus  ergiebt  sich  aber  die  Schwierig- 
keit der  Aufgabe,  deren  Lösung  den  Männern  obliegt, 
welchen  die  Leitung  der  Arbeiten  anvertraut  ist.  Diese 
Aufgabe  wird  noch  dadurch  erschwert,  dass  die  Qualität 
des  Arbeiterpersonals  am  Simplon  derjenigen  bei  den 
früheren  grossen  Alpen -Tunneln  erheblich  nachsteht. 

Wenn  wir  trotzdem  sehen,  dass  am  Simplon  Leistun- 
gen erzielt  worden  sind,  welche  vorher  kaum  für  möglich 
gehalten  wurden,  so  ist  das  vor  Allem  der  vorzüglichen 
Lüftung  zu  verdanken,  die  allein  durch  das  System  des 
Doppelstollens  ermöglicht  worden  ist.  Jeder,  der  die 
Arbeiten  an  Ort  und  Stelle  besichtigt'  und  die  Verhältnisse 
eines  beschleunigten  Stollenbetriebes  bei  knapper  Luftzu- 
führung an  anderen  Stellen  kennen  gelernt  hat/wird  den 
Eindruck  gewinnen,  dass  durch  das  System  des  Doppel- 
stollens die  Möglichkeit  eröffnet  ist,  im  Tunnelbau  an  Auf- 
gaben heranzutreten,  welche  bisher  als  unlösbar  galten.  — 

Aber  nicht  allein  für  die  Einrichtung  der  Lüftung  er- 
weist, sich  der  Doppelstollen  als  ein  überaus  wirksames 
Hilfsmittel,  auch  die  Einrichtung  der  Förderung  wird  durch 


Preisbewerbungen.  ; 

Zu  einem  internationalen  Wettbewerb  betr.  den  Ent- 
wurf eines  Wahrzeichens  der  Weltausstellung  von  St.  Louis 
1904  ladet  das  Direktorium  unter  Verheissung  eines  Preises 
von  20oo  DolIars  ein.  Dem  Preisgerichte  gehören  2 Maler, 
2 Bildhauer,  2 Architekten  und  i Historiker  an.  Der 
späteste  Ablieferungstermin  für  New-York  ist  der  5.  Nov. 
d.  J.  Unterlagen  sind  durch  das  Berliner  Bureau  der 
Ausstellung,  Hrn.  Jos.  Brückner  im  Equitable-Gebäude, 
zu  beziehen. — 

Ein  Wettbewerb  des  Arch.-  und  Ing.-Vereins  in  München 
für  seine  Mitglieder  betraf  Entwürfe  zu  einem  Schulge- 
gebäude  für  Wiseth.  Es  liefen  9 Arbeiten  ein, . unter 
welchen  die  des  Hrn.  Arch.  Karl  jäger  in  München  den 
I,. Preis  und  die  des  Hrn.  Bauamtsassessor  Schachner 
in  Freising  den  II.  Preis  erhielt.  — 

Wettbewerb  Elly-Hölterhoff-Boecklng-Stiftung  Honnef. 
Es  nennen  sich  uns  mehrere  Verfasser  von.'in'  die  engere 
. Wahl  gelangten  Entwürfen  und  zwar  für  den  Entwurf 
„am  Rhein“  Hr.  Walter  Solbach  in  Elberfeld;  für  den 
Entwurf  „A  bissei  sähr  ville  Arbeet“  Hr.  Fritz  Epstein 
in  Kassel;  für  die  Arbeit  „Trautes  Heim“  die  Hrn.  Müller 
& Weise  in  Dresden.  — . 

Wettbewerb  Rathhaus  Kassel.  Verfasser  des  Entwurfes 
mit  dem  Kennwort  „In  den  Spuren  des  Brunelleschi“  ist 
;Hr.  Hans  Freude  in  Görlitz.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Schiffbmstr.  Harry  Schmidt 
ist  z.  I.  Okt.  1903  -von  ‘Wilhelmshaven  nach  Danzig,  der  Mar.- 
Schiffbrastr.  Wellenkamp  z.  i.  Okt.  1902  von  Wilhelmshaven 
nach  Kiel  und  der  Mar.-Schiflbmstr.  Eugen  Schmidt  vom  1.  Okt. 
1902  von  Kiel  nach  Danzig  versetzt  und  der  kais  Werft  das.  zugetheilt. 

Baden.  Der  Bahn-Bauinsp.,  Ob.-Ing.  Richard  Hergt  in  Offen- 
burg ist  zum  ‘Vorst,  der  Eisenb.-Bauinsp.  das.,  der  Zentr.-Insp., 
Ob.-Ing.  Otto  Hardung  m Karlsruhe  z.  Vorst,  der  Eisenb.-Bau- 
insp. das.  und  der  Zentr.-Insp-,  Bahn-Bauinsp.  Otto  Hauger  in 
Gernsbach  z.  Vorst,  der  Eisenb.-Bauinsp.  das.  ernannt. 

Der  Eisenb.-Ing.  Friedrich  Wolff  in  Offenburg  ist  landes- 
herrlich angestellt  und  dem  Prorektor  der  Techn.  Hochschule  Karls- 
ruhe Prof.  Dr.  Otto  Lehmann  ist  der  Char.  als-  Geh.  Hofrath  verlieh. 

Dem  Reg.-Bmstr.,  Bahn-Bauinsp.  Christian  Lehmann  in  Kehl 
ist  die  etatmäss.  Amtsstelle  des  Bahn-Bauinsp,  das.,  dem  Reg.- 
Bmstr.,  Bahn-Bauinsp.  Johann  Ri  egg  er  bei  der  Gen.-Dir.  der 
Staatseisenb.  unt.  Belassung  des  Titels  Bahn-Bauinsp.,  dem  Reg.- 
Bmstr.  Heinrich  Abele  in  Durlach  unter  Verleihg.  des  Titels 
Bahn-Bauinsp.  und  Belassg.  in  seiner  bish.  Verwendg.  und  dem 
Reg.-Bmstr.  Hermann  Hemberger  bei  der  Gen.-Dir.  der  Staats- 
Eisenb.  unter  Verleihg.  des  Titels  Hoch-Bauinsp.  je  die  etatmäss. 
Stelle  eines  Zentr.-Insp.  übertragen. 

Dem  Vorst,  des  masch.-techn.  Bür.,  Reg.-Bmstr.  Karl  Schmidt 
in  Kehl  ist  unt.  Verleihg.  des  Titels  Masch.-Insp.  die  etatmäss. 
Amtsstelle  des  Masch.-Insp.  in  Offenburg  und  dem  Masch.-Insp.  der 
Main-Neckar-Bahn,  Ob.-Ing.  Johann  Gugler  in  Darmstadt  unt. 
Belassg.  des  Titels  Ob.-Ing.  die  etatmäss..  Amtsstelle  eines  Zentr.- 
Insp.  bei  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  übertragen.  — Der  Telegr.- 
Verwalter  der  Main-Neckar-Bahn,  Telegr.-Insp.  Heinrich  Zimmer- 
mann  in  Darmstadt  ist  unt.  Belassg.  des  Titels  Telegr.-Insp.  zum 
Eisenb.-Ing.  der  Gehaltskl.  i der  bad.  Staatsver-wltg.  ernannt  und 
ist  derselbe  der  Gen. -Dir.,  der  Eisenb.-Ing.  Friedrich  Wolff  in 
Offenburg  dem  Masch.-Insp.  das.  und  der  Eisenb.-Ing.,  Bahn-Bauinsp. 
Wilhelm  Fesslet  beim  Bahn-Bauinsp.  i in  Offenburg  der  Eisenb.- 
Bauinsp,  das.  zugetheilt. 

PreUSSen.  Die  Erlaubniss  zur.Annahme  und  Anleg.  der  ihnen 
verlieh,  fremdl.  Orden  wurde  erth.  und  zwar:  des  kais.  persischen 
Sonnen-  u.  Löwen-Ordens  II.  KI.  dem  Geh.  Ob.-Brth.  Schneider, 
vortr.  Rath  im  Minist,  der  öffentl.  Arb.,  des  Ritterkreuzes  I.  Kl.  des 
herz,  sachsen-ernestinischen  Haus-Ordens  dem  Ob.-Brth.  bei  der 
kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Erfurt  Wilde,  des  Ritterkreuzes  II  KL  des 
herz,  braunschweigischen  Haus-Ordens  Heinrichs  des  Löwen  dem 
Geh.  Brth.  Breidsprecher,  betr.-leitend.  Dir.  der  Marienburg- 


denselben vereinfacht  und  wesentlich  leistungsfähiger  ge- 
staltet. Die  alte  Streitfrage,  ob  es  zweckmässig  ist,  einen 
Tunnelbau  mit  einem  Doppelfördergleis  auch  im  Richt- 
stollen  auszurüsten,  wird  hier  ganz  naturgemäss  gelöst 
und  bietet  keinerlei  Schwierigkeiten  mehr;  turz,  wir  sehen, 
dass  mit  dem  jetzt  so  einfach  und  natürlich  scheinenden 
Gedanken,  2 Stollen  nebeneinander  zu  treiben,  eine  ganze 
Reihe  von  Schwierigkeiten  beseitigt  ist,  deren  Ueberwin- 
dung  nach  der  alten  Methode  unmöglich  war. 

■ Das  Verdienst,  dies  erkannt  und  mit  Energie  allen 
entgegenstehenden  Ansichten  gegenüber  durchgeführt  zu 
haben,  gebührt  aber  vor  allem  dem  leider  so  früh  ver- 
storbenen Ing.  Alfred  Brandt  aus  Hamburg,  dessen  Bild- 
niss  in  No.  52  beigefügt  war. , Es  muss  uUs  deshalb  mit 
tiefer  Betrübniss  erfüllen,  dass  es  ihm  niicht  mehr  ver- 
gönnt gewesen  ist,  sein  grosses  Werk  vollendet  zu  sehen. 
Sein  Name  wird  aber  für  alle  Zeiten  mit  ^diesem;  Werke 
unlösbar  verbünden  bleiben.  Möge  es  gelingen,  dies  Werk 
Brandt’s,  so,  wie  es  von  ihm  geplant  war,  glücklich  zu 
vollenden!  - Hinjmellieber. 


Mlawkaer  Eisenb.  in  Danzig,  des  kais.  chinesisthen  Ordens  des 
dopp.  Drachen  II.  Kl.  3.  Stufe  dem  Brth.  Hildebrand,  Betr.- 
Dir.  der  Schantung-Eisenb.-Ges.  in  Tsingtau  (China),  sowie  des 
Offizier-Kreuzes  des  kgl.  siamesisch.  Ordens  vom  weissen  Eleplianten 
deniBetr.-Leiter  der  kgl.  siamesischen  Staat-sb.S  c h n e r r in  Bangkok. 

Versetzt  sind:  Die  Eisenb. -Bau-  u.  Betr.-Insp.  S a n n o w in 
Halle  a.  S.,  als  Mitgl.  (auftrw.)  an-  die  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Erfurt, 
Weise  in  Nakel,  als  Vorst,  der  Betr.-Insp.  nach  Heilsberg  und 
Mahler  in  Heilsberg,  als  Vorst,  der  Betr.-Insp.  nach  Nakel,  die 
Eisenb.-Bauinsp.  Kohlhardt  in  Schneidemühl,  als  Vorst,  der 
Masch.-Insp.  nach  Glückstadt,  und  Althüser  in  Düsseldorf,  als 
Vorst,  (auftrw.)  der  Masch.-Insp.  nach  Schneidemühl;  ferner  die 
Wasser-Bauinsp.,  Brth.  Thomas  von  Königsberg  nach  Minden 
Brth.  Thiele  von  Minden  nach  Kassel,  S enger  von  Emden 
nach  Leer,  Scherpenbach  von  Ruhrort  nach  Düsseldorf  und 
Ott  mann  von  Düsseldorf  nach  Ruhrort. 

Dem  früh.  Reg.-Bmsh-.,  jetz.  kais.  Hoch-Bauinsp.  Julius  Franz 
in  Strassburg  i.  Eis.  ist  die  nachges.  Entlassg.  aus  dem  Staats- 
dienste ertheilt. 

Der  Reg.-Bmstr.  Phil.  Katzen  in  eier  in  Hannover  ist  gestorben. 

Württemberg.  Befördert  auf  die  Stelle  des  Vorst,  der  Masch.- 
Insp.  Stuttgart  ist  der  Masch.-Ing.  Jörg  bei  dem  masch.-techn. 
Bür.  der  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  O.  St.  in  Friedrichshagen.  Ihre  Sachdarstellung  giebt 
kein  klares  .Bild  der  thatsächlichen  Verhältnisse.  Scheinbar  hat  D. 
von  seinem  Grundstück  zwei  Theile  abgezweigt,  deren  einer  vor 
7 Jahren  an  Pr.  und  deren  zweiter  an  Chr.  verkauft  wurde.  Beide 
Trennstücke  befanden  sich  bei  der  Veräusserung  in  dem  heutigen 
baulichen  Zustande,  was  namentlich  die  Stallung  und  die  Grube, 
sowie  die  Umfassungs-  bezw.  Trennungs-Mauer  anlangt.  Ob  Chr. 
sein  Grundstück  früher  als  Pr.  das  scinige  erworben  hat,  ver- 
schweigt die  Darstellung,  ist  jedoch  wesentlich.  War  er  bereits 
Besitzer,  als  D.  noch  das  jetzt  Pr.’sche  Grundstück  besass,  so 
musste  er  wegen  Aenderung  des  unvorschriftsmässigen  Zustandes 
der  Mauer  sich  an  D.  halten,  der  den  sachwidrigen  Zustand  ge- 
schaffen hat.  Erwarb  er  erst  nach  Pr.,  so  fand  er  einen  säch- 
widrigen  Zustand  vor,  den  er  nicht  zu  übernehmen  brauchte;  that 
er  solches  gleichwohl,  so  muss  er  jetzt  dessen  Folgen  tragen. 
Gegen  Pr.  hat  er  kein  Klagerecht,  weil  er  durch  dessen  Handlung 
nicht  geschädigt  ist.  Uebrigens  würde  erst  bei  Vorlage  der  Er- 
werbsverträge das  bestehende  Rechtsverhältniss  völlig  klar  zu  über- 
sehen sein  und  sicher  beurtheilt  werden  können,  welche  gegen- 
seitigen Rechte  und  Verbindlichkeiten  wirklich  bestehen.  Wir 
rathen  Ihnen  unter  Vorlegung  der  Erwerbsverträge  das  Einholen 
eines  Rechtsgutachtens.  — K.  H-e. 

Hrn.  R.  & O.  in  Köln.  Die  beim  Unterfangen  eingestürzte 
Mauer  bildete  scheinbar  die  Scheidewand  zwischen  den  benach- 
barten Grundstücken,  auf  deren  jedem  sie  zur  Hälfte  stand.  Han- 
delt es  sich  nur  um  ihre  Wiederherstellung,  so  darf  sie  auf  der 
bisherigen  Stelle  wieder  errichtet  werden.  Soll  sie  jedoch  Jetzt 
zum  Abschluss  eines  Gebäudes  dienen,  also  zur  Giebelwand  wer- 
den, so  brauchen  Sie  dies  nicht  zu  dulden  und  können  verlangen, 
dass  der  Nachbar  mit  seiner  Giebelwand  auf  seinem  Grundstücke 
bleibt,  weil  das  heutige  bürgerliche  Recht  die  Errichtung  neuer 
Gemeinschaften  nicht  begünstigt.  Würde  jedoch  die  eingesttirzte 
Mauer  gegen  die  obige  Annahme  schon  früher  zu  einem  Gebäude- 
abschluss verwendet  worden  sein,  so  stände  ihrer  Wiedererrichtung 
zu  gleichem  Zwecke  das  neue  Recht  nicht  entgegen.  — K.  H-e. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Mittel  giebt  es,  die  Niederschläge  an  Küchen-Haupt- 
umfassungsmauern  einer  Villa  im  Winter,  die  hauptsächlich  durch 
den  Umstand,  erfolgen,  weil  die  Küche  an  einer  Ecke  und  so  liegt, 
dass  neben,  unter  und  über  derselben  nicht  geheizt  wird,  zu  ver- 
hindern? Diese  Umfassungsmauern  sind  0,45  m stark.  V.  in  M. 

Inhalt:  Zur  XV.  Wauderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Archi- 
tekten- und  Ingenieur-Vereine  in  Augsburg,  — Der  Wettbewerb  zur  Er- 
langung von  Entwürfen  für  den  Bau  eines  neuen  Rathhauses  in  Kassel.  — 
Der  Simplon-Tunnel,  mit  Rückblicken  auf  die  Baugeschichte  der  älteren 
Alpen-Tunnel  (Schluss).  — Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — 
Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort].  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  65. 


420 


lEUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  * 
«rarststftssstsrftssa: 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2.-  66.  * 
DEN  i6.  AUG.IQ02. 
«Ästararstssststsatars: 


Berliner  Neubauten. 

No.  104,  Wohnhaus  Müller,  Bellevue -Strasse  13. 

Arch. : Cremer  & Wolffenstein  in  Berlin. 


(Hierzu  «ine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  Seite  433  und  435.) 

it  zu  den  hervor-  besteht,  die  unter  sich  im  Erdgeschoss  durch  einen 
ragends^en  und  fein-  breiten  Gang  mit  erkerartigera  Ausbau  verbunden 
sind.  Es  liegen  im  Erdgeschoss  nach  vorne  die 
durch  zwei  Geschosse  reichende,  auf  grosse  Repräsen- 
tation angelegte  Diele;  vor  ihr,  an  der  Strasse,  das 
Arbeits-  und  das  Wohnzimmer  des  Hausherrn,  nach 
rückwärts  der  Speisesaal  mit  geschlossenem  Pflanzen- 
hause. Die  Diele  ist  so  geräumig  angelegt,  dass  sie 

C oll  TYl  'l  iV.*-  -1  — 1. 


sten  Schöpfungen 
der  neueren  Berliner 
Wohnhaus-Architek- 
tur, insbesondere  des 
Einzel  -Wohnhauses , 
gehört  das  vornehme 


5 1 e i n in  der  Bellevue- 
Strasse  13,  einer  der 
schönsten  Alleestras- 
sen der  Reichshaupt- 


iai  bu  geräumig  angelegt,  dass  sie 
Haus,  welches  in  die-  mit  einem  schmalen,  ihr  vorgelagerten  gangartigen 
sem  Jahre  nach  den  Vorräum  die  ganze  Breite  des  Grundstückes  einnimmt, 
tntwürfen  der  Arch.  Im  Obergeschoss  liegen  nach  vorne  drei  weitere 
Cremer&Wolffen-  reicher  ausgestattete  Wohnzimmer,  nach  dem  Garten 
Schlaf-  und  Ankleide-Zimmer.  Die  Nebenräume,  wie 
Näh-  und  Dienerzimmer,  Anrichte  usw,  sind  in’  den 
Zwischentheilen  der  Anlage  passend  untergebracht. 
Das  hohe  Untergeschoss  enthält  nach  vorne  eine 
Stadt  einer  Strasse,  Wohnung  des  Hausdieners  und  Pförtners,  eine  Küche 
welche  vom  Potsda-  mit  Nebenräumen,  eine  Weinkneipe,  Kellerräume  usw. 
Hier  Platz  zum  1 hier-  Im  mittleren  Theile  des  Grundrisses  befinden  sich 
garten  geht  und  zu  von  der  Strasse  durch  eine  Einfahrt  zugänglich,  eiri 
dem  feinsten  Wohn-  Wagenraura,  sowie  Pferdestallungen,  Futter-  und  Ge- 
Berlin,  schirr-Kammern  usw.  Das  Dachgeschoss  enthält  eine 
geräumiger  Zimmer  für  Dienstboten  und  für 
tel  führt,  vollendet  untergeordnete  Zwecke.  Der  Hauptraum  und  Mittel- 
Punkt  des  Hauses  ist  naturgemäss  die  Diele;  in  ihr 
und  in  der  Fassade  schlägt  die  architektonische  Aus- 
stattung reichere  Akkorde  an.  Die  Stilfassnng  des  in 
weissem  Sandstein  mit  reichem,  aber  nicht  aufdring- 
lichem bildnerischen  Schmuck  errichteten  Aeusseren  ist 
die  einer  frei  aufgefassten  französischen  Renaissance 
mit  gothisirenden  Einflüssen.  Das  Vorbild  ist  offen- 
des  Hrn.  Geh.  Ob.-  bar  die  Gruppe  von  Bauwerken  der  frühen  Renaissance 
binanzrathesa.D.W.  in  Frankreich  gewesen,  welcher  das  Schloss  von  Blois 
Müller,  eines  unyer  als  hervorragendstes  Denkmal  angehört.  Mit  dieserStil- 
mählten  Kunstlieb-  wähl  folgten  die  Architekten  einer  alten  Neigung  die 
habers,  nach  dessen  sich  bei  einerReihe  früherer  Bauten  dergleichenGeeend 
persönlichen  Wün-  — -i--  — t . • v,  „ » . 

sehen  es  angelegt  ist, 
wenn  auch  die  An- 
lagesich nichtwesent- 
lich von  den  Anlagen  tiagtii.  J./1C  oiciumuLzarueiien  Hatten  wimmel&Go. 
unterscheidet,  die  bei  übernommen;  der  plastische  künstlerische  Schmuck 
dem  feineren  Fami-  des  Aeusseren  rührt  von  Hrn.  BDdh.  E.  Westphal  in 
lienhause  beobach-  Berlin  her.  An  dem  inneren  Ausbau  waren  betheiligt 
tet  werden.  Die  ver-  Tischlermeister  Bilecki,  Schlossermeister  G.  Franke 


wurde  und  welches 
wir  in  den  beistehen- 
den Abbildungen  so 
wie  auf  einer  Bild- 
beilage zur  Darstel- 
lung bringen.  Das 
Haus  ist  Eigenthum 


..  uci  glClCUCllOCgCIJU 

findet,  es  sei  an  das  Haus  Löwe  in  der  Bellevue*  und 
an  Haus  Pintsch  in  der  Thiergarten-Strasse  erinnert.  — 
Die  gesammten  Bauarbeiten  waren  der  „Aktien- 
gesellschaft für  Bauausführungen“  inBerlin  über- 
tragen. Die  Steinmetzarbeiten  hatten  Wimmel  & Co. 


....  X i3k.uicimcisLci  uiiccKi,  ocniossermeister  Lf.  t rank 

hältnissmässig  nicht  Glasermeister  J Schmidt,  die  Kunstschmiede  P Ma 
grosse  Breiten  - Ent-  rn«:  nnrl  Cl/'hiiU  Vt  1 j;_  TT- z_t__ 


grosse  Breiten -Ent 
Wicklung  des  Grund- 
stückes, die  nach 
rückwärts  sich  noch 


' vci  mujuci  1,,  nai  zu 

einer  interessanten  Grundrissanlage  geführt,  die  aus 
zwei  durch  einen  inneren  Hof  getrennten  Raumgruppen 


j Xi  in  XU  t , uxi_  xvuliaiaUiliiiJcUC  r.  IVi. 

cus  und  Schulz  & Holdefleiss  und  die  Kunstglaser 
Oetken  & Eissing.  Die  Diele  hatten  Flatow  & 
Prieraer,  das  Speisezimmer  Kimbel  & Friederich- 
sen, das  Herrenzimmer  Sichert  & Aschenbach 


-_.xx  XXUGII  aeu,  uas  nerrenzimmer  äiebert  & Aschenbach 

vermindert,  hat  zu  übernommen;  dieKunstmalereienstammenvonBoden- 

stein,  die  letzteren  auch  sämmtlich  in  Berlin. 

Die  Baukosten  haben  rd.  aöo  ooo  M.  betragen.  — 

Von  der  Industrie-  und  KunstaussteUung  in  Düsseldorf  1902. 

deutscher  Port-  Eindruck  uuf  den  Laien  nicht  verfehlen,  so  ist  damit  ihre 
fand-Cement-Fabrikanten  und  des  „Deutschen  Bedeutung  doch  keineswegs  erschöpft.  Allerdings  kommt 
llrH  ät.  B ij  I-  A 1,  ti'^'denAusstellnngenderMehrzahlderanderenlndustrie- 

Düsseldorfer  Ausstellung,  zweige  dem  kritischen  Beschauer  trotz  des  hohen  Standes 
übhchen  Provinzial-  der  Durchschnitts-Leistungen  und  trotz  aUer  Vortrefflichkeit 
Ausstellungenhmanshebt.vorwiegendbest.mmtdurch  emzelner  Vorführungen  doch  bald  zum  Bewusstsein  dass 

dte  Letstnngen  auf  dem  Gebiete  der  Eisen-,  Hütten-  und  er  es  eben  nur  mit  den  Leistnngerzwete?  Provi'nze^^ 
die  nnd  des  Maschinenbaues,  Leistungen,  wenn  auch  der  industriereichsten,  zu  thun  hat,  und  dass 

die  durch  die  Grossarügkeit  der  Vorführungen  auch  ihren  hiernach  eine  Bewerihung  der  deutschen  Industrie  über- 


421 


haupt  auf  den  betreffenden  Gebieten  niclit  wohl  möglich  ik.si 
Als  eine  Veranstaltung  der  deutschen  Industrie  und  als^ 
ein  Maasstab  ihrer  Leistungsfähigkeit  darf  jedoch  die  vom 
deutschen  Beton-Verein  in  Gemeinschaft  mit  dem  Ver- 
ein deutscher  Portland-Cement-Fabrikanten  ge- 
schaffene, in  sich  abgeschlossene  SonderaussteUung  be- 
trachtet werden,  die  eines  näheren  Studiums  werth  ist. 

„Die  Ausstellung  soll  Zeugniss  ablegen  von  der  Sorg^ 
fält,  mit -der  deutscher  Portland-Cement  hergestellt  und 
geprüft  wird,  sowie  von  der  Leistungsfähigkeit  der  deut- 
schen Cement-  und  Betonbau-Industrie;  sie  soll  den  Beweis 
liefern,  dass  Beton- undKunststeinbauten  in  der  Vielseitigkeit 
derKonstruktions-MöglichkeitendenBautenausNatursteinen. 
und  andererri  Materi^  mindestens  ebenbürtig  sind,  ohne  da- 
bei in  ästhetischer  Beziehung  hinter  jenen  zurückzustehen. " 
Das  ist  nach  den  Worten  des  trefflichen' Sonder-Kataloges, 
der  nicht  nur  die  Ausstellung  selbst  in  Wort  und  Bild  vor- 
führt, sondern  gleichzeitig  eine  knappe  aber  vollständige 
Uebersicht  über  die  Entwicklung  der  Fabrikation  des 
Portlandzementes,  seine  Prüfung  und  Verwerthung  in  den 
verschiedensten  Zweigen  des  Bauwesens  und  über  die 
Ausbildung  des  Betonbaues  in  Deutschland  giebt,  das  Ziel, 
das  man  sich  gesteckt  hatte.  Dass  man  in  sehr  geschickter 
Weise  an  die  Lösung  dieser  Aufgabe  herangetreten  ist, 
indem  man  eine  monumentale  Anlage  von  z.Th.  bleibendem 
Werthe  und  zwar  unter  ausschliesslicher  Verwendung  des 
Betons  als  Baumaterial  schuf  (abgesehen  von  den  Vikto- 
rien auf  den  Säulen)  und  diese  gleichzeitig  als  eine  Aus- 
stellungshalle für  die  Aufnahme  von  Apparaten,  Modellen, 
Zeichnungen,  Photographien  und  kleineren  Probestücken 
ausgestaltete,  haben  wir  bereits  bei  Besprechung  der 
Architektur  der  Gesammtausstellung  erwähnt  (vgl.  S.  379)- 
Wir  fügen  dem  Worte  nun  noch  das  Bild  hinzu  _(S.  424) 
indem  wir  in  Abbildg.  i einen  Ueberblick  über  die  ganze 
Anlage  (im  Hintergrund  die  Halle  des  Bochumer  Vereins) 
und  in  Abbildg.  2 eine  Ansicht  der  grossen  Fahrbrücke 
über  das  untere  Wasserbecken  wiedergeben.  (Im  Hinter- 
grund links  die  Kuppel  des  Kunstausstellungs- Palastes, 
rechts  der  Pavillon  des  Hörder  Bergwerks-Vereins). 

Nicht  weniger  als  16  verschiedene  Zement-Baufirmen 
haben  zusammengewirkt,  um  das  Bauwerk  erstehen  zulassen. 
Der  Kern  der  Anlage  ist  in  den  seitlichen  Hallenbauten 
von  Hüser  & Cie.  in  Oberkassel,  im  Mittelbau  einschl.  der 
Kaskaden  von  Dücker  & Co.  in  Düsseldorf  hergesteilt. 
Die  Hinterwandungen  sind  dabei  als  Stützmauern  ausge- 
biidet,  die  Fassaden  einschl.  aller  Gliederungen  und  Ver- 
zierungen in  der  Schalung  eingestampft  und  dann  vom 
Steinmetzen  und  Bildhauer  nachgearbeitet.  Die  Decken  der 
Hallen  hat  W ayss&Freytag,  A.-G.,Neustadt  a.  d.  Haardt,  in 
12  verschiedenen  Formen  in  Stampfbeton  meist  mit  z.Th.  auch 
ohne  Eiseneinlage  erstellt  (Modelle  erläutern  die  Ausführung). 
Sie  tragen  in  rd.  8 “Länge  ohne  Unterstützung  frei.  Als 
Belastung  einschliesslich  Abgleichung  und  Aufschüttung  sind 
850  kg/q“  angenommen.  Es  ergaben  sich  dabei  Höchstfjres- 
sungen  von  3okg/qcni  für  den  Beton,  loookg/qcm  für  das  Eisen. 
DieFreitreppen  vom  oberen  Plateau  zu  den  unteren  Wandel- 
gängen sind  in  Granitnachahmung  von  J.  S i m 0 n i s , Köln,  die 
8“  breiten  zum  Rheinufer  herabführenden  Treppen  von 
Ostermann  & Co.  in  Rotthausen  in  sehr  hartem  Zement- 
Quarzstein  gebildet.  In  beiden  Fällen  hat  eine  Nach- 


arbeit äurch  den  Steinmetzen  stattgefunden.  Treppenstufen 
sind  .ausserdem  von  Schulte- Oes  tri  chinHochlarb.R-e  ck- 
linghausen  geliefert,  desgl  für  den  Säulenunterbau  von  Neu- 
bau s & L amb  a r t in  Hagen.  Ueber  das  untere  W asserbecken 
führt  eine  von  Dyckerhoff  & Widmannin  Biebrich  a.Rh. 
hergestellte  Fahrbrücke  von  30“  Spannweite,  auf  die  wir 
noch  später  zurückkommen,  während  dicht  an  den  Kas- 
kaden von  der  A.-G.  für  Beton-  und  Monierbau  in 
Berlin,  eine  aus  Koenen’schen  Voutenplatten  von  3,  4 und 
3“  Stützweite  gebildete  Fussgängerbrücke  errichtet  ist. 
Die  Platten  sind  10  cm  stark,  auf  ihnen  ruht  ein  3 «“  star- 
ker Zementestrich  als  Gehbelag.  Die  Belastung  ist  zu 
400  kg/qm  angenommen.  Die  Fahrbrücke  ist  mit  Zement- 
makadam  auf  dem  13,5  “ breiten  Fahrdamm  durch  die 
Grabower  Cementstein-Fabrik  „Comet"  in  Stettin 
abgedeckt.  Auf  15  cm  starker  Betonunterlage  ruht  der 
6 c“  starke  Zementmakadam,  der  nach  dem  verbesserten 
Jantzen’schen  Verfahren  durch  seitliches  Anstampfen  her- 
gestellt  ist.  Die  Bürgersteige  sind  mit  Granitoi'dplatten 
derselben  Fabrik  belegt.  Die  25/25  cm  grossen,  5 cm  star- 
ken Platten,  die  aus  Beton  unter  Beimischung  von  Granit- 
brocken unter  hohem  Druck  hergestellt  werden,  haben 
sich  an  anderen  Orten  (z.  B.  in  Berlin  am  Leipziger 
Platz)  als  dauerhaft  und  wetterbeständig  gut  bewährt. 
Erwähnt  sei  hier  gleich,  dass  Fussbodenbeläge  in  ver- 
schiedener Ausführung  in  den  Hallenbauten  zu  finden 
sind.  Zementfliesen  sind  von  H.  Reinarz  in  Heerdt  bei 
Neuss,  von  der  Leipziger  Zementindustrie  Dr.  Gas- 
pary  & Co.  und  auch  von  Hüser  & Cie.  hergestellt. 

Besondere  Beachtung  verdient  der  Aufbau  der  beiden, 
von  Viktorien  (von  Fecht  in  Oberhausen  getrieben)  be- 
krönten Säulen  mit  einer  Gesammthöhe  von  35“,  die 
auch  später  erhalten  bleiben  sollen.  Bei  der  exponirten 
Stellung  dieser  Säulen  ist  ein  Winddruck  von  150  kg, qm 
(also  mehr  als  im  aUgeraeinen  bei  Schornsteinen  verlangt 
wird)  zugrumie  gelegt.  Sie  ruhen  auf  mächtigen,  mit  einem 
Rost  aus  I-Trägern  verstärkten  Betonplatten  von  13“  im 
Quadrat  und  1,40“  Stärke,  die  durch  den  aufgeschütteten 
Kies  bis  5,5“  herabgeführt  werden  mussten.  Der  Bau- 
grund erhielt  dabei  eine  Pressung  von  nur  1,5  kg/qcm.  Auf 
dem  Fundament  erhebt  sich  bis  8“  über  dem  Hochufer 
der  unten  quadratische,  oben  8-eckige  Sockel,  durch  den 
man  in  die  besteigbaren  Hohlsäulen  eintreten  kann.  Diese 
haben  eine  Schaftlänge  von  rd.  16“,  sind  unten  2,15, 
oben  1,80  “ im‘  äusseren  Durchmesser  stark  und  tragen 
ein  5,5“  hohes  bis  1,10“  ausladendes  Kapitäl.  Die  An- 
griffsfläche des  Windes  ist  also  eine  sehr  erhebliche,  da- 
her auch  die  Vorsicht  bei  der  Berechnung.  Für  das  Ma- 
terial des  Sockels  und  des  unteren,  mit  ihm  zusammen 
gestampften  Schaftes  ist  ein  Mischungsverhältniss  von 
I Zement  auf  7I/2  Rheinsand  bezw.  Kies  gewählt.  Die 
Schäfte  selbst  sind  aus  10  <=“  starken,  in  Formen  herge- 
stellten, mit  Eisen  armirten  und  i “ hohen  Ringen  gebildet, 
die  im  Inneren  die  Mischung  1:5,  an  der  2 cm  starken 
Haut  von  i : 2 aufweisen.  Die  .Ringe  sind  30  c“  stark 
hinterstampft  im  Mischungsverhältniss  i : 10.  Auch  hier 
ist  Eisen  eingelegt.  Gegen  Ausblühen  infolge  der  nach- 
träglichen Einbringung  der  feuchten  Hinterstampfung  sind 
die  Hinterflächen  der  Ringe  mit  Goudronanstrich  versehen. 
Die  Pressung  in  den  Säulenschäften  übersteigt  10  kg/qcm 


Augsburg  in  kunstgeschicbtlicher,  baulicher, 
industrieller  und  hygienischer  Beziehung. 

(Festschriften  den  Theilnehraern  an  der  15.  Wanderversammlung  des 
Verbandes  deutscher  Arch.- und  Ing.-Vereine  gewidmet  von  der  Stadt 
Augsburg,  den  dortigen  Fachgenossen  und  der  Grossindustrie.) 

ffl,ie  jedes  2.  Jahr  wiederkehrenden  Wanderversamm- 
lungen des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und 
Ingenieur-Vereine  haben  den  schönen  Brauch  ge- 
zeitigt, den  Theilnehmern  als  bleibende  Erinnerung  eine 
von  dem  ortsansässigen  Vereine  der  Stadt,  welche  der 
Versammlung  gastlich  ihre  Thore  öffnet,  verfasste  Fest- 
schrift zu  überreichen.  Diese  Festschrift  giebt  eine  Dar- 
stellung von  der  Entwicklung  des  Bauwesens  der  betr. 
Stadtgemeinde,  in . geschichtlicher  und  technischer  Bezie- 
hung, ihres  Verkehrswesens,  ihrer  Industrie,  kurz  ein  ab- 
gerundetes Bild  von  den  Leistungen  der  Stadt  auf  tech- 
nischem und  künstlerischem  Gebiete,  wie  es  durch  einen 
Aussenstehenden  sonst  nur  durch  eingehendes,  mühsames 
Studium  gewonnen  werden  kann.  Diese  Werke  bilden 
daher  ein  ausserordentlich  werthvolles  Material  für  die 
Kenntniss  der  Entwicklung  unserer  deutschen  Städte ; 
ihre  auf  der  freiwilligen  Thätigkeit  der  Mitglieder  beru- 
hende,Bearbeitung  stellt  aber  so  hohe  Anforderungen  nach 
verschiedener  Richtung  an  die  Vereine,  dass  sie  nur  noch 
durch  grössere  Vereinigungen  geleistet  werden  kann.  Um 
so  erfreulicher  ist  es  daher,  dass  auch  in  Augsburg  die 
Festschrift  nicht  fehlen  wird.  Die  Stadtgemeihde  selbst 

422 


ist  in  diesem  Falle  in  hochanerkennenswerther  Weise  in 
erster  Linie  für  den  Verein  eingetreten,  ein  Beweis  einer- 
seits für  die  Werthschätzung,  welche  das  Bauwesen  und 
seine  Vertreter  in  Augsburg  gemessen,  ein  Zeugniss  ande- 
rerseits von  dem  guten  Einvernehmen  zwischen  Verein 
und  Stadtgemeinde.  Mitglieder  des  Vereins  sind  es  aller- 
dings wieder,  welche  die  Hauptarbeit  geleistet  haben,  und 
zwar  an  erster  Stelle  der  städtische  Oberbaurath,  Fritz 
Steinhäusser,  mit  seinen  städtischen  Ingenieuren. 

Das  vornehm  ausgestattete,  in  deutschen  Lettern  vor- 
trefflich gedruckte  Werk^  enthält  139  Grossquart-Seiten 
Text,  6 Pläne  und  Karten  ^)  und  eine  Anzahl  guter  Ab- 
bildungen von  ausgeführten  Bauwerken,  theils  Autotypien, 
theils  Strichätzungen. 

Eine  frische  DarsteUung  über  „Augsburgs  Stellung 
in  der  Kunstgeschichte  von  seiner  Gründung  bis 
Ende  des  18.  Jahrhunderts"  aus  der  Feder  Stein- 
häussers  eröffnet  das  Werk.  Ein  Bild  glänzender  Ver- 
gangenheit , reichen  künstlerischen  Schaffens  wird  vor 
uns  entrollt.  Von  der  Römerzeit,  als  Tacitus  die  „Augusta 
Vindelicorum"  'als  die  „splendissima  colonia  Rhaetiae“  be- 
zeichnen konnte,,  einer  Zeit,  der  Augsburg  neben  seiner 
günstigen  Lage  seine  trefflichen  Strassenverbindungen  nach 
dem  Norden  und  Süden,  dem  Osten  und  Westen  und  da- 


1) '  „Augsburg  in  kuQStgescbichtUcIier,  baulicher  und  hygienischer  Be- 
ziehung“. Druck  der  Kgl,  Bayerischen  Hofbuchdruckerei  von  Gehr.  Reichel 
in  Augsbu^. 

2)  Z.Th;  aus  der  lithographischen  Anstalt' von  G.Stempfle  -in  Augsburg. 

No.  66. 


nicht.  Die  Kapitale  sind  tlieils  aus  Ringen,  theils  aus 
4 Theilen  zusammengesetzt.  Der  gesammte  Säulenaufbau 
stammt  von  der  Firma  L i e b o 1 d & C i e.,  A.-G.  in  Holzminden. 

Es  erübrigt  noch,  auf  die  architektonische  Behandlung 
des  Ganzen  einzugehen.  Die  Ballustraden,  welche  auf  den 
Hallenfronten  errichtet  sind,  stellte  die  Firma  Carstanjen 
& Co.  in  Duisburg  in  einer  dem  Zementkunststein  ähn- 
lichen Ausführung  her,  während  die  grosse  Centauren- 
gruppe, der  architektonische  Unterbau  der  beiden  Säulen 
nebst  den  Aufbauten  über  den  Halleneingängen  ein  Werk 


werthe  und  lehrreiche  Vorführung  handelt,  die  für  die 
Portlandzement-Industrie  und  die  • ausführenden  Firmen 
ein  Zeugniss  hoher  Leistungsfähigkeit  ablegt.  — 

' Nun  zu  dem  Inhalt  der  Ausstellung  selbst.  Sie  zählt 
neben  dem  Verein  deutscher  Portland-Cement-Fabrilcanten, 
der  eine  reichhaltige  Sammlung  von  Prüfungsapparaten 
verschiedenster  Art  ausstellt,  noch  17  Zementbaufirmen, 
von  denen  ein  Theil  zu  den  oben  genannten  gehört. 

Wir  beginnen  mit  der  Ausstellung  der  Firma  Dycker- 
hoff & Widmann  in  Biebrich  am  Rhein,  als  der  ältesten 


der  Firma  E.  S ch  wenk  in  Ulm  a.  D.  sind.  Die  täuschende  Firma,  die  zuerst  den  Betonbau  m grösserem  Maasstabe 
Nachahmung  natürlichen  Gesteins,  Sandstein-  und  Marmor-  aufnahm.  Sie  wurde  1865  in  Karlsruhe  gegründet  und 
Imitationen,  beruht  auf  der  Verwendung  aus  natürlichen,  besitzt  jetzt  ausserdem  selbständige  Fabriken  in  Biebrich, 
wetterbeständigen  Gesteinen  hergestellter  Sande,  welche  Dresden-Cossebaude  und  Nürnberg.  Sie  beschäftigte  im 
der  oberen  Haut,  zugesetzt  werden.  Das  etwas  zu  gross  Jahre  1900  eine  Zahl  von  2500  Arbeitern.  Das  Gebiet  der 
hergestellte  Stück  wird  dann  vom  Steinmetzen  wie  Werk-  Firma  ist  die  Anfertigung  von  Zementwaaren  aller  Art,  Aus- 
stein überarbeitet.  Ein  anderes,  billigeres  Verfahren  wen-  führung.  von  Hochbauten,  vorwiegend  aber  von  Ingenieur- 
det  die  Firma  Brenzinger  & Co.  in  Freiburg  an,  welche  Bauten.  Sie  theilt  mit  dem  Verein  deutscher  Portland- 
verschiedene Figuren  und  Ornamente  an  dem  Bauwerk  Cement-Fabrikanten  die  vom  Rhein  her  gesehen  rechts 
herstellte.  Sie  behandelt  die  geformten  Stücke  nach-  liegende  Halle.  Ausserdem  hat  sie  einige  grössere  Aus- 
träglich  mit  Salzsäure,  um  der  Oberfläche  den  Anschein  stellungs- Gegenstände  im  Freien  untergebracht.  Einen 
des  Sandsteins  zu  geben.  hervorragenden  Theil  ihrer  Ausstellung  bildet  schliesslich 

Es  geht  aus  dieser  Schilderung  der  Anlage  und  der  die  das  Wasserbecken  überspannende  kühn  gewölbte 
bei  ihrer  Herstellung  angewendeten  Ausführungs -Ver-  Fahrbrücke  (Abb.  2,  S.  424).  Die  etwas  schiefe  Brücke  be- 
fahren hervor,  dass  es  sich  um  eine  sehr  bemerkens-  sitzt  eine  Lichtweite  von  30,13  “ zwischen  den  Wider- 
lagern. Das  Gewölbe  enthält  Schei- 
tel- und  Kämpfergelenke  von  Granit. 

KELLER.  ERDGESCHOSS^  ^.OBERGESCHOSS.  Spannweite  zwischen  den 

^^3  Kämpfergelenken  stellt  sich  auf 

1 BALKON  1 ' 1 28,022  “,  sodass  bei  2“  Pfeil  das 

1 ' 1 1 . 1 Pfeilverhältniss  nur  Vu  beträgt, 

wEiM-  I [ I PFLAN-  siTZPL.  I 1 das Bauwcrk  steht  ulso  hierin  Unter 

KNEIPE  |s™l  I 1 scH^LAF  , ' dcH  neuzeitlichen  Ausführungen 

___  ' 1 ] . r ■ ' j unerreicht  da.  (Die  1805  vollendete 

WEIN  Küche  I I . I ankl.-|  schl.-  I Brücke  über  denLoing  beiNemours 

I I SPEISE-SAAL  I y ; I hatte  ein  Pfeilverhältniss  von  nur 

B■  I [ II  I p j — k1  1 : 17,  die  1772  erbaute  von  Pontoise 

■ j -jj  L I • 13,5-  Beide  haben  nicht  lange 

J ’ bestanden.  Seitdem  ist  ein  Ver- 

; I 'i  i hältniss  von  1 : 10  bis  höchstens 

''■■-'-''M  ^ 'I  1 : II  nicht  mehr  überschritten 

' = [ ^51  I worden.)  Das  Gewölbe  hat  eine 

\ I hll  DiE-l  Scheitelstärke  von  0,65,  eine  Kämp- 

'u<  1 fiUn  NER  „ 1 ferstärke  von  0,70“  und  eine  grösste 

Stärke  der  nach  der  Stutzlinie  ge- 

r’  n ' I I formten  Bogenhälften  von  0,85 

= J I I I Das  Mischungsverhältniss  war  i Th. 

K DIELE  I 1 DIELE  1 Zement  auf  4 Kiessand,  4 Stein- 

o J I =1  I schlag.  Die  grösste  Beanspruchung 

^ J 1 bei  ungünstigster  Laststellung  stellt 

slch  rechnensch  auf  47  Da 

I ^ I I Q die  Druckfestigkeit  der  Gewölbe- 

ÄooriT  t\  n I Betonmasse  nach  V?  Jahr  -zu 

^=|  U I H 1-1  278'^g/‘i‘^“  festgesteUt  wurde,  so  ist 

' I 1 I ^ also  im  ungünstigsten  Falle  noch 

r ' ^ 1 "!' ■ nahezu  6 fache  Sicherheit  vorhan- 

li.  # \ / den.  Bei  dem  kleinen  Pfeil  und 

y , , . , ^ , -ip dem  tiefliegenden  tragfähigen  Bau- 

grunde (5  “ unter  Uferstrasse)  ha- 

, Wohnhaus  Müller,.  Bellevuestr.  in  Berlin.  Arch.:  Cremer  & Wolffenstein  in  Berlin.  Widerlager  eine  erhebliche 


-mit  z.  Th.  die  Grundlage  seiner  späteren  Bedeutung  als 
Handelsempore  Süddeutschlands  verdankte,  werden  wir 
durch  die  Wirren  der  Völkerwanderung,  die  Kämpfe  mit 
den  Hunnen,  die  hier  im  Jahre.  955  endgiltig  aufs  Haupt 
geschlagen  wurden,  durch  das  frühe  Mittelalter  in  die 
Glanzzeit  Augsburgs  geführt,  in  die  Zeit  der  Fugger  und 
•Welser,  als  alle  -Künste  herangezogen  wurden,  um  die 
Prachtliebe  des  reichen  Kaufmannes  zu.  befriedigen,  als 
sich  die  Fassadem  der  öffentlichen  Gebäude  und  der  Häuser 
der  Bürger  mit  Fxesken  bedeckten:  und  der  Ruf  des  „gol- 
denen“ Augsburg  von  wenigen  anderen  Städten  erreicht 
wurde.  Diese  Prachtliebe  Klommt  auch  noch  zum  Aus- 
druck zu- einer  Zeit,  als  Augsburg  nur  noch,  an  dem  Ruhme 
seines  Reichthums  zehrte,  als  Elias  Holl  auch  in  der  Archi- 
-tektur  der  Renaissance,  die  das  Kunstgewerbe  schon  längst 
beherrschte,  deii  Weg  öffnete  und  das  Rathhaus®)  mit 
•seinem  „goldenen  Saal“,  den  Fürstenzimmern  schuf,  als 
der  Augustusbrunnen-^),  der  Merkur-  und  Herkules-Brunnen 
durcb  Adrian-  de  Vries  errichtet  wurden.  Eine  letzte  Nach- 
blüthe  erhielt  dann  Augsburg  in  der  Zeit  des  Bafock.; 
wieder  findet  eine  weitgehende  Umgestaltung  der  Bau- 
werkestatt, die  schon  einmal  eine  solche  erfahren  mussten, 
-als  die  Renaissance  ihren  Siegeslauf  nahm,  und  so  kommt 
es,  dass  die  wichtigsten  Strassen  der  Stadt  jetzt  noch  Vor- 
wiegend den  Charakter  dieser  letzteren  bedeutenden  Bau- 
periode tragen.  In  den  Rahmen  der  Betrachtungen  sind  aber 

8^  Vei^L  Abbildung  in  No.  52.  *)  Vergi.  Abbildung  in  No.  65. 

16.  August  1902. 


neben  der  Baukunst  auch  die  Malerei,  die  Bildhauerkunst 
und  das  Kunstgewerbe,  das  in  Augsburg  im  Mittelalter  in 
besonders  hoher  Blüthe  stand,  einbezogen.  Abbildungen 
älterer  Bauten,  an  denen  Augsburg,  trotzdem  es  jetzt  vor- 
wiegend den  Charakter  einer  modernen  Industriestadt  an- 
genommen hat,  keinen  Mangel  besitzt,  sind,  abgesehen  von 
einem  Bilde  des  Rathhauses,  nicht  aufgenommen.  Es  ist 
das  wohl  geschehen,  weil  der  Augsburger  Verein  seiner- 
seits den  Gästen,  ein  Lichtdruckalbum  mit  Aufnahmen  der 
hervorragenden  Bauten  stiften  wird,  auf  das  weiterhin 
noch  näher  eingegangen  wird.®) 

Die  weiteren  Abschnitte  des  Werkes  geben  ein  Bild 
des  neuzeitlichen  Augsburg.  Vorangeschickt  ist  eine  kurze 
Darstellung  der  Oberflächengestaltung  und  derUntergrund- 
Verhältnissevomstädt.  Vermessungsingenieur  Zech  und  der 
hydrographischen  V erhältnisse  vom  städt.  Ob. -Ing.  M a i c hl  e. 
interessant  sind  die  Angaben  über  die  Wasserkräfte-der 
Stadt,  die  zumeist  dem  Lech  und  der  Wertach,  z.  Th. 
kleineren  Bächen  entnommen  werden  und  durch  ein  weit 
verzweigtes  Netz, von  Kanälen,  welche  die  bedeutende 
Länge  von  60,8  ^“  besitzen,  den  Triebwerken  zugefühft 
werden;  Insgesammt  werden  so  12.581  effektive  P.  S.  ge- 
wonnen. Diesen  billigen  Wasserkräften  verdankt  Augs- 
burg zum  nicht  geringen  Theile  den  Aufschwung-  seiner 
Industrie. 

.Einen  weiteren  Abschnitt  bilden  die  städtischen  Ver- 

})  Öea  Aufaahmen  zu  dieser  Festfafae  sind  die  Abbildungen  io 
No.  65 'nachgebildet.  ’ - 

'423 


Abbildg.  3 u.  4.  Chemnitzthal- Viadukt.' 


Länge  erhalten  müs- 
sen>  nämlich  13“  in 
Höhe  der  Fundament- 
sohle. Sie  sind  in  einem 
Mischungs-Verhältniss 
von  I Z.  zu  7 K.  zu 
7 Kiessteinen  herge- 
stellt, während  die 
durchbrochenen  Ge- 
wölbezwickel 1:6:6 
Mischung  aufweisen. 

Die  Druckflächen  an 
den  Gelenkquadern 
sind  in  fetter  Mischung 
I Z.  zu  3 K.  zu  3 fei- 
nem Steinschlag  aus- 
geführt. Die  Gelenk- 
fugen sind  offen  ge- 
lassen und  mit  losen 
Zinkblechstreifen  und 
doppelter  AspbaUfilz- 
Jage  überdeckt.  Bei  der 
Probebelastung  durch 
Erdschüttung,  die  der 
ungünstigsten  Belas- 
tung durch  eine  27  * 
schwere  Dampfwalze 
und  450  kgyqm  Men- 
sch en  ge  drän  ge  ent- 
sprach, wurde  nur  eine 
Scheitelsenkung  von 
1,235  ““  wag-  Abbildg. 

rechte  Verschiebung 
der  Widerlager  von 
0,6775““!  mit  Bauschinger’schenMessinstrumenten,  die  Ab- 
lesungen bis  zu  Vöoo“®  gestatten,  durch  Prof.  Rudeloff 
in  Charlottenburg  lestgesteilt. 

Aus  dem  Gebiete  des  Brückenbaues  hat  die  Firma 
ferner  ausgestellt  in  Modellen,  Zeichnungen  und  Photo- 


graphien den  Fluth- 
viadukt  der  Eisenbahn- 
Elbbrücke  in  Dresden, 
den  Chemnitzthal- Via- 
dukt und  die  Vestner- 
thorbrücke  i.Nürnberg. 
Die  erstgenannte  Aus- 
führung ist  1894/96  für 
die  königl.  sächsische 
Sta'atseisenbahn  - Ver- 
waltung bewirkt  und 
steht  seit  1900  in  Be- 
trieb. Der  200“  lange, 
4-gleisige,  18,6  “ breite 
Viadukt,  der  in  einer 
Krümmung  von  350  “ 
Halbmesser  liegt,  ist 
vollständig  in  Stampf- 
beton hergestellt,  in 
den  Stirnen  jedoch  mit 
Sandstein  verkleidet. 
Der  Viadukt  besitzt  5 
Oeffnungen  zuje3i,5®, 
I zu  1^6  “ Spw.  mit 
einem  Pfeilverhältniss 
von  etwa  Vs-  Die  Lai- 
bung ist  nach  einem 
Korbbogen  gekrümmt, 
in  der  Ansicht  jedoch 
durch  Kuhhörner  in 
einen  Stichbogen'über- 
geführt.  Die  Bögen 
besitzen  3 Gelenke 
Köpcke’scher  Ausfüh- 
rung, d.  h.  mit  konvexen  bezw.  konkaven  Druckflächen  der 
Gelenk-  und  Auflagerquader,  die  hier  übrigens  ebenfalls  in 
Stamplbeton  hergestellt  sind.  Diese  Gelenkquader,  deren 
Zulässigkeit  durch  längere  Versuche  in  der  Versuchsanstalt  in 
Charlottenburg  festgestellt  wurde,  sind  in  besonders  sorg- 


1.  Gesammt-Uebersicht  der  Beton-Ausstellung. 
Architekt:  A.  Bender  in  Düsseldorf. 


424 


No.  66. 


fälüger.WeisemFormenundimMiscliunesverhältmssiZ.zu  der  Gewölbemischung  ist  durch  Probekörper  auf  172,  197 
2V2  Kiessand  zu  2^/2  Steinschlag  ausgeführt.  Die  Gelenke  272,  290  kg/qcm  nach  4 bezw.  13  Wochen  und  i bezw’ 
besitzen  Berührungsflächen  von  14— 20 cm  Breite  und  er-  3 Jahren  ermittelt  worden,  sodass  also  von  Anfang  an 
halten  auf  denselben  Pressungen,  die  für  iqcm  zwischen  fast  8-fache,  schliesslich  fast  13-fache  Sicherheit  vorhan- 
T43  bis  204  schwanken.  Die  Gewölbe  selbst  sind  in  den  war.  Die  Pfeiler  sind  in  einem  Mischungsverhältniss 

von  1:6:8,  die  Funda- 
mente schliesslich  in  i : 7 : 9 
ausgeführt. 

Die  Vestnerthor- 
B rücke  in  Nürnberg  ist 
insofernbemerkenswerth, 
als  es  sich  hier  um  Her- 
stellung von  kegelförmi- 

fen  Gewölben  handelte. 

ür  solche  in  Haustein 
nur  sehr  schwierig,  in 
Ziegeln  überhaupt  nicht 
auszuführende  Gewölbe- 
formen, ebenso  wie  bei 
den  schiefen  Brücken 
zeigt  sich  der  Stampfbeton 
den  anderen  Materialien 
ganz  besonders  überlegen. 
EinebedeutendeBrücken- 
ausführung  war  die  1898 
bis  99  bewirkte  Herstell- 
ung des  Chemnitzthal- 
Viaduktes,  einer  Eisen- 
bahnbrücke im  Zuge  der 
Linie  Kieritzsch  - Chem- 
nitz, die  in  370,5  Länge 
und  17m  Höhe  das  Thal 
mit  4 Oeffnungen  von  je 
27,9,  mitöOeffnungen  von 
je  26,65  tmd  mit  i Oeffnung 
von  43,10“  Spw.  über- 
schreitet. Nach  je  3 Wöl- 
bungen ist  ein  Gruppen- 
pfeiler eingeschaltet.  Die 
ßogenform  ist  der  Korb- 
bogen. Der  grosse  Mittel- 
bogen  hat  eine  Scheitel- 
stärke  von  1,10,  eine 
Kämpferstärke  von  1,25, 
und  eine  grösste  Stärke 
im  gefähriichsten  Quer- 
schnitt von  1,5m.  Alle  Bö- 
gen haben  3 Gelenke  aus 
Granitquadern,  die  auf 
der  II— 12  cm  breiten  Ge- 
lenkflächePressungen  von 
rd.  3ookg/qcm  aufzuneh- 
men haben.  Die  Press- 
ungen im  Gewölbe  kamen 
auf  höchstens  28,5 
bei  einer  Mischung  von 
I Zement  auf  4 Kiessand 
und  4,5  Steinschlag.  Probe- 
würfel von  40  c“  Kanten- 
länge  zeigten  nach  13 
Wochen  eine  Druckfestig- 
keit von  2^kgyqcm  bei  Ein- 
tritt von  Kissebildungen, 
während  sie  nach  i Jahr 
selbst  bei  311  kg/qcm  Be- 
lastung rissefrei  blieben. 
Unsere  Abbildg.  3 zeigt 
die  Ausbildung  der  Lehr- 
gerüste und  der  Laufge- 
rüste für  eine  der  gros- 
sen Seitenöffnungen,  wäh- 
rend Abbildg.  4 die  im 
Juni  igor  vorgenommene 
Probebelastung  mit  5 Lo- 
komotiven von  42  t Ge- 
wicht zeigt.  Bei  dieser 
Belastung  wurde  in  der 
Ruhe  im  Scheitel  des  gros- 
sen Gewölbes  eine  Sen- 
kung von  0,8““,  bei  lang- 
samer Fahrt  eine  solche 

Wohnhaus  Müller,  Belleyuestr.  13  ln  Berlin.  Arehitekten:  Cremer  S Wolffenstein  in  Berlin  ™n 0,2-0, 6»«  gemessen, 

■ uei  schneiJer  rahrt  der 
5 Maschinen  ergaben  sich 
Seitenschwankungen  am  Scheitel  und  Kämpfer  von  je 
0,25  “m  nach  beiden  Richtungen.  Imganzen  hat  die  Firma 
von  1880 — 1901  für  Strassen-  und  Eisenbahnbau  24  Brücken 
in  Deutschland  und  Hollapd  ausgeführt.  Die  mittlere  Span- 
nung des  Chemnitzthal -ViaduKtes  ist  dabei  die  grösste. 


einer  ziemlich  mageren  Mischung  von  1:5: 6^U  ausgeführt 
und  erhalten  dementsprechend  nur  eine  verhMtnissmässig 
geringe  grösste  Pressung  von  23  kg/qcm.  Die  Bogenform 
ist  dabei  wieder  der  Siützlinie  angepasst,  sodass  keine 
Zugspannungen  entstehen  können.  Die  Druckfestigkeit 


16.  August  1902. 


425 


Ein  reiches  Feld'der  Anwendung  Hat'sich  der  Beton- 
bau in  der  Ueberwölbung  von  Wasserläufen  inner- 
halb von  Stadtgebieten  erobert.  Von  12.  Bachüberwölbun- 
gen, die  in  dem  oben  genannten  Zeiträume  mit  fast  6^“ 
Gesammt -Länge  hergestellt  wurden,  sind  einige  Zeichnungen 
und  Modelle  vorgeführt. 

Die  Herstellung  von  grossen  wasserdichten  Stampf- 
beton-Behältern ohne  jede  äussere  Dichtung  für 
Wasserwerke  ist  in  Deutschland  zuerst  von  der  Firma 
mit  dem  Bau  des  4500  cbm  fassenden  Hochbehälters  der 
Stadt  Wiesbaden  im  Jahre  1882  eingeführt  worden.  Eine 
solche  Ausführung  erschien  damals  noch  als  ein  Wagniss. 
Ihre  Bewährung  hat  Veranlassung  zu  zahlreichen  Aus- 
führungen dieses  Gebietes  gegeben.  Als  grösste  und 
reichste  Ausführung  dieser  Art  ist  der  1900/1901  für  die 
städtischen  Wasserwerke  von  Berlin  zu  Lichtenberg  mit 
iSsoQcbin  Inhalt  errichtete  Behälter  hervorzuheben.  Die 
Betonmischung  der  50  cm  starken  Sohle  und  der  Wände 
ist  sehr  sparsam,  i Zement,  7 Kiessand,  9 Steinschlag, 
trotzdem  ist  vollkommene  Wasserdichtigkeit  erzielt. 

Die  Einfachheit  der  Herstellung  hat  den  in  Stampf- 
beton ausgeführten  Gasbehälter-Becken,  seitdem  Ende 
der  70  er  Jahre  die  erste  Ausführung  dieser  Art  von  der 
Heübronner  Baugesellschaft  bewirkt  worden  war,  mehr 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin.  Die  unter  Vors, 
des  Oberstleut.  a.  D.  Buchholtz  abgehaltene  Maisitzung 
wurde  mit  einer  Gedächtnissrede  auf  Wirkl.  Geh.  Ob.-Brth., 
Streckert  eröffnet.  Aus  der  darauf  folgenden  Neuwahl 
eines  i.  Vorsitzenden  ging  der  bisherige  2.  Vorsitzende 
des  Vereins,  Oberbau-  und  Ministerialdir.  Schroeder,  als 
einstimmig  Gewählter  hervor.  Dann  folgte  ein  durch 
zahlreiche  Lichtbilder  erläuterter  Vortrag  des  Hauptmanns 
Engels  über  Selbstfahrwes.en.  Hierunter  wollte  der 
Vortragende  alles  verstanden  wissen,  was  mit.  dem 
mechanischen  Betrieb  unmittelbar  auf  der  Strasse  laufen- 
der Fahrzeuge  zusamraenhängt.  Er  schilderte  nach  Kenn- 
zeichnung der  Hauptunterschiede  zwischen  Strassen-  und 
Eisenbahn-Betrieben  die  Eigenart  der  Gasselbstfahrer  im. 
•Vm-gleich  zu  derjenigen  von  Dampf-Selbstfahrern.  Elek- 
trische Selbstfahrer  wurden  nur  kurz  erwähnt.  Selbst- 
fahrer-Omnibusse (Gas-  oder  Dampf-Selbstfahrer)  und 
Selbstfahrer -Züge  (Dampf -Selbstfahrer  mit  einigen  An- 
hängewagen) hält  der  Vortragende  auf  Grund  der  mit 
ihnen  während  der  letzten  2 Jahre  gemachten  Erfahrungen 
in  ihren  neuesten  Konstruktionen  für  geeignet,  in  solchen 
Fällen  ziir  Einrichtung  von  Personen-  und  Güterverkehrs- 
Betrieben  zu  dienen,  in  welchen  th-ierischer  Betrieb  un- 
wirthschaftlich  oder  undurchführbar,  Kleinbahn-  oder 
Eisenbahn-Betrieb  noch  nicht  lohnend,  ist. 

Nach  den  Ausführungen  des  Vortragenden-  müssen 
solche  Selbstfahrer-Betriebe,  welche-  auch  militärische  Be- 
deutung besitzen,  vortreffliche  und  nur  geringem  Wagniss 
unterworfene  Vorläufer  für  Kleinbahnen  oder  Eisenbahnen 
namentlich  in  unseren  der  Aufschliessung-  harrenden  Kolo- 
nien abgeben.  Sie  erfordern  keinen-  grossen  erstmaligen 
Kapitalaufwand,  lassen  sich  den  vorhandenen  Verkehrs- 
grössen leicht  anschmiegen  und  ermöglichen,  das  Auf- 
schliessen  ganzer  Flächen  im  Gegensatz  zu  den  an  ihre 


und  mehr'  den  Vorzug  vor  den  gemauerten  gegeben.  'Von 
den  verschiedenen  ausgestellten  Plänen  seien  nur  die  von 
-der  Stadt.  Gasanstalt  II  zu  Charlottenburg  genannt.  Der 
1896  erbaute  Behälter  hat  57  “ Durchmesser  bei  8,85“» 
Höhe  der  Beckenwandung.  Die  Sohle  besteht  hier -aus 
einer  Mischung  1:7:9,  die  Wand  aus  1:6:8.  Die  Sohle 
ist.  als  umgekehrtes  Gewölbe  ausgeführt,  um  dem  Druck 
des  Grundwassers  bei  leerem  Behälter  zu  begegnen. 

Es  würde  zu  weit  führen,,  auf  alle  ausgestellten  Ge- 

fenstände  der  Firma  einzugehen.  Es  sei  daher  nur  noch 
ingewiesen  auf  die  ausgedehnte  Anwendung  des  Stampf- 
betons in  der  Kanalisation  zur  Herstellung  von  Rohren 
und  Kanälen  kleinen  Querschnittes,  die  in  Formen  in  der 
Fabrik  fertig  gestellt  werden  und  denen  grösseren  und 
grössten  Querschnittes,  die  schliesslich  die  Gestalt  der 
Bachüberwölbungen  annehmen,  die  in  der  Baugrube  an 
Ort  und  Stelle  eingestampft  werden.  Auf  dem  ersteren 
Gebiete  hat  die  Firma  seiner  Zeit  das  heutige  Verfahren 
geschaffen,  in  dem  sie.  die  Einstampfung  der  halbfeuchten 
Masse  anstelle  der  Ausfüllung  der  Form  mit  breiiger 
Mischung  setzte.  Erst  durch  dieses  Verfahren  ist  es  der 
Zementwaaren-Industrie  möglich  geworden,  sich  ein  so 
ausgedehntes  Absatzgebiet  zu  erwerben.  — 

(Schluss  folgt.) 


Linie  gebundenen  Eisenbahnen.  Vereinzelt  liegende,  ver- 
kehrsarme Kulturstätten,  sowie  natürliche  oder  künstliche 
Produktionsgebiete,  welche  entweder  nur  auf  kurze  Zeit, 
oder  alljährlich  wiederkehrend,  jedesmal  höchstens  einige 
Monate  lang  und  in  bescheidenen  Grenzen  verkehrsbe- 
dürftig sind,  lassen  sich  durch  derartige  Betriebe  am 
besten  an  den  Weltverkehr  anschliessen.  — 


Vermischtes. 

Die  Form  der  Verzeichnisse  der  Kunstdenkmäler  der 
preuss.  Provinzen  war  Gegenstand  einer  zweimaligen  Be- 
rathung,  welche  auf  Anregung,  des  Hrn.  Geh.  Reg.-Rath 
Hans  Lutsch  im  preuss.  Kultusministerium  stattfand  und  an 
welcher  ausser  dem  Genannten  als  Vorsitzenden  theil- 
nahmen  die  Hrn.  Reg.-Bmstr.  E.  Blunck,  Prof.  R.  Borr- 
mann,  Prov.-Konserv.  Büttner,  Privatdoz.  Dr.  Gold- 
schmidt, Brth.  P.  Graef,  Privatdoz.  Dr.  Haseloff, 
Arch.  Albert  Hofraann,  Prof.  G.  A.  Meyer,  Prof.  Pallat, 
Brth.  Fr.  Schultze,  Stadtbauinsp.  Stiehl,  Prof.  P.  Walle, 
Oberpfarrer  D.  Wernicke,  Prof.  Wölfflin,  Prof.  Dr. 
Clemen  und  Prof.  G.  Voss.  Die  Berathungen  erstreckten 
sich  auf  die  zeitlichen  Grenzen  der  zu  verzeichnenden 
Gegenstände,  als  welche  die  vorgeschichtliche  Zeit  einer- 
seits, andererseits  das  Jahr  1870  angenommen  wurde.  Hin- 
sichtlich der  Be  sitz  Verhältnisse  der  Gegenstände  wurde 
beschlossen,  dass  das  Verzeichniss  alle  grösseren  und 
kleineren  öffentlichen  und  privaten  Sammlungen  sowie 
den  Einzelbesitz  von  anerkanntem  künstlerischem  Werthe 
zu  berücksichtigen  habe.  Die  Berathungen  berührten 
ferner  die  Stoffsammlung,  die  Denkmäler  - Be- 
schreibung, die  zusammenfassenden  geschichtlichen 
Darstellungen,  die  Art  der  bildlichen  Wiedergabe 
der  Gegenstände,  die  Behandlung  der  Karten  und  der 
Inhaltsverzeichnisse,  sowie  in  buchtechnischer  Be- 
ziehung das  Format  der  Verzeichnisse,  die  Wahl  der 


kehrsanlagen.  Strassen  und  Plätze,  Brü.ckenbauten,  Garten- 
anlagen und  Alleen,  Entwässerung.,  elektrische  Strassen- 
bahn  und  öffentliche  Beleuchtung  werden  hier  besprochen. 
Die  Bearbeiter  sind  die  Ingenieure  Brückner  & Groos, 
kgl.  Bauamtmann  Berling  und  Ob-.-Ing.  Ma-ich-le,  Garten- 
Insp.  Jung,  Stadt.  Kontrolleur  Floss.  Die  Brücken  über 
den  Lech  und  die  Werfach  sind  vom  Staate  ausgeführt. 
Unter  den  ersteren  ist  namentlich  interessant  die  Brücke 
bei  Hochzoll,  ein  stattliches  Bauwerk  von.  81,6  “ Stützweite 
(über  der  Fahrbahn  liegender  Bogen-  mit  Scheitelgelenk 
und  wagrechtem  Versteifungsträger).  Bemerkenswerth 
sind  die  von  der  Stadt  geschaffenen  öffentlichen  Anlagen, 
zumeist  erst  Schöpfungen  der  letzten  2.  Jahrzehnte,  die 
einen  Ersatz  bieten  für  die  mehr  und  mehr  verschwindenden, 
einst  so  berühmten  Gärten  und  Parks  der  alten  Patrizier- 
Geschlechter. 

Stadterweiterung,  Wohnungswesen  und  Baupolizei  ist 
wiederum  von  Ob.-Brth.  Steinhäusser  in  Gemeinschaft 
mit  Ob.-Kontrolleur  Spangenberger  bearbeitet.  Hier 
werden  einige  schöne  Beispiele  alter  noch  erhaltener  Haus- 
anlagen aus  der  Renaissancezeit  mit  ihren  -weiträumigen 
Höfen  und  vornehmen  Treppenfiuren  vorgeführt  und 
einige  typische  Grundrisse  moderner  Miethhäuser,  der  fast 
ausschliesslichen  Form  des  Wohnhausbaues  in  Augsburg, 
da  das  Einfamilienhaus  selbst  bei  der  wohlhabenden  Be- 
völkerung keinen  Anklang  findet.  Es  ist  das  übrigens  die 
einzige  Stelle,  an  welcher  der  Privatbau  berührt  wird.  Es 

426 


besteht  also  hier  eine  Lücke  in  dem  Bilde  der  städtischen 
Entwicklung,  die  allerdings  durch  die  Entstehungsart  des 
Werkes  erklärlich  wird. 

Der  Fürsorge  der  Stadtgemeinde  für  Kunst  und  Wissen- 
schaft ist  die  Anlage  des  1875—77  errichteten  Stadttheaters, 
ein  stattlicher  Bau  der  Arch.  Fellner  & Helmer,  wohl 
einer  der  ersten  ihrer  in  Deutschland  ausgeführten  zahl- 
reichen Theaterbauten  (besprochen  von  Theatermeister 
Schütz),  die  Kreis-  und  Stadtbibliothek,®)  in  Barockformen 
nach  dem  Entwürfe  von  Stadtbrth.  Steinhäusser  (unter 
Mitwirkung  von  Martin  Dülfer  bei  der  Detaillirung  der 
Fassade)  erbaut,  usw.  zu  verdanken.  Unter  den  Ver- 
waltungs-Gebäuden ist  das  erst  kürzlich  erbaute  neue.Foli- 
zeigebäude  hervorzuheben,  das  ebenfalls  von  Stadtbrth. 
Steinhäusser  unter  theilweiser  Benutzung  eines  Fassaden- 
Entw-ur/es  von  Friedrich  v.  Thiersch  und  unter  dessen 
künstlerischem  Beirath  entstanden  ist-  und  sich  als  Er- 
gänzungsbau des  Rathhauses i.  in  dessen  Nähe  es  ausser- 
dem liegt,  in  ähnlicher  Stilfassung  bewegt  wie  dieses. 

Ein  grösserer  Abschnitt  ist  der  allgemeinen  Ge- 
sundheitspflege und'  den  Wohlfahrts  - Einrich- 
tungen gewidmet.  Die  städtische  Wasserversorgung,  die 
öffentl.  Schwiihm-  und  Badeanstalten,  die  Beseitigung  der 
Abfallstoffe  nebst  den  Bedürfnissanstalten,  der  Schlacht- 
ünd  Viehhofsneubau,  die  Nahrungsmittel-Märkte  und  die 


*)  Vergl.  Dtsche.  Bauztg.  1894,  S.  233. 


No.  66. 


Druckart,  den  Druck  der  Abbildungen  und  den  Vertrieb. 
Die  Berathungen  waren  sehr  eingehend  und  sachlich  und 
dürften  viel  dazu  beigetragen  haben,  die  grossen  Ver- 
schiedenheiten in  den  preussischen  Denkmäler-Verzeich- 
nissen  zu  mildern.  Sie  haben  aber  bei  manchen  Theil- 
nehmern  auch  den  Wunsch  hervorgerufen,  dass  unbe- 
schadet der  verschiedenen  Verhältnisse  der  einzelnen 
Provinzen  es  als  -am  erwünschtesten  erscheint,  die  Her- 
ausgabe der  Verzeichnisse  einheitlich  unter  Redaktion 
von  einer  Zentralstelle,  z.  B.  dem  Ministerium  aus,  zu 
leiten.  Und  nicht  zum  geringsten  erschien  es  manchen 
Theilnehmern  im  Gegensatz  zu  dem  bisher  geübten  Brauch 
wünschenswert!!,  die  Wahl  der  Abbildungen  und  die  Art 
ihrer  Wiedergabe  von  Gesichtspunkten  aus  anzuordnen, 
welche  ihre  Verwendung  als  Vorbilder  für  das  künst- 
lerische Schaffen  mehr  als  bisher  ermöglichen,  denn  in 
erster  Linie  in  dieser  Eigenschaft  werden  die  alten  Denk 
mäler  erhalten  und  verzeichnet,  erst  in  zweiter  Linie  ihres 
historischen  oder  wissenschaftlichen  Werthes  halber. 

Eine  Tagegelder-  und  Gebührenordnung  der  Vereinigung 
selbständiger,  in  Preussen  vereideter  Landmesser  zu  Berlin 
ist  erschienen.  Nach  derselben  werden  unter  Voraus- 
Setzung  einer  wenigstens  3-jährigen  Praxis  nach  abge-. 
legtem  Staatsexamen  als  Mindestsätze  gefordert:  20  M. 
Tagegelder  für  den  8-  stündigen  Arbeitstag  bezw.  mindestens 
4-stündigen  Reisetag,  eine  Feldzulage  von  5 M.  beim  Ar- 
beiten ausserhalb  der  Geschäftsräume  und  für  Reisetage, 
IO  M.  Uebernachtungs-Zulage.  Bei  besonders  schwierigen 
Arbeiten  ist  eine  Erhöhung  der  Sätze  bis  50O/0  zulässig. 
Nach  den  gleichen  Sätzen  sollen  auswärtige  Arbeitstage, 
an  denen  die  Witterung  ein  Arbeiten  verhindert,  und  Sonn-  • 
und  Festtage  bei  einer  Arbeit  von  mehr  als  8 Tagen  rechnen. ; 

Die  Gebührenordnung  enthält  ausserdem  noch  Sätze 
für  Reisekosten  und  Auslagen,  eingehende  Erläuterungen  zu 
den  neuen  Annahmen  von  besonderem  Interesse  und  einen 
Anhang  mit  den  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen. 
NachMittheilung  derVereinigung  ist  der  deutsche  Geometer- 
Verein  in  seiner  diesjährigen  Hauptversammlung  in  Düssel- 
dorf, im  Juli  zu  den  gleichen  Sätzen  gekommen. 

Wir  entnehmen  den  Erläuterungen  noch,  dass  zur- 
zeit in  Preussen  etwa  350  selbständige,  vereidete  und 
öffentlich  angestellte  Landmesser  den  freien  Gewerbe- 
betrieb ausüben.  Die  Zahl  der  sämmtlichen  Landmesser 
in  Preussen  stellt  sich  auf  über  3000.  — 


Bücherschau. 

Jahrbuch,  der  bildenden  Kunst  190a.  Unter  Mitwirkung  von 
Dr.  Woldemar  von  Seidlitz-Dresden  herausgegeben 
von  Max  Martersteig.  Verlag  der  Deutschen  Jahr- 
buch-Gesellschaft m.  b.  H.,  Berlin  SW.  1902.  Pr.  8 M. 
In  der  Form  eines  handlichen  Prachtwerkes  von  an- 
ziehender Ausstattung  ist  der  frühere  „Almanach  für  bildende 
Kunst  und  Kunstgewerbe"  als  „Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst"  mit  einem  reichen  Inhalte  erschienen.  Die  eigen- 
artige Zeichnung  des  Deckeis  entwarf  Emil  Döpler  d.  J. 
Der  Text  wird  eröffnet  mit  einer  schwungvollen  Huldigung 
an  Arnold  Böcklin  von  Emil  Schoenaich-Carolath.  Es 
folgen  dann  Berichte  über  die  Kunstausstellungen  des 
Jahres  in  Berlin,  Dresden,  München,  Flensburg,  Wien, 
Venedig,  Frankreich,  Belgien  und  Holland,  England  und 


Skandinavien.  Ein  werthvoller  Bestandtheil  des  Jahr- 
Tuches  sind  die  in  sich  abgeschlossenen  Einzelaufsätze 
über  die  verschiedenen  Zweige  der  bildenden  Kunst  und 
über  einige  Künstler-Individualitäten.  Es  schreibt  Hugo 

V.  Tschudi  über  den  spanischen  Maler  Ignacio  Zuloaga; 
es  werden  durch  A.  G.  Meyer  (Reinhold  Begas),  A.  de 
St.  Hubert  fConstantin  Meunier)  und  Herrn.  Kienzle 
(Ernst  Stückelberg)  drei  Siebzigjährige  geschildert.  Die 
Denkmäler  des  Jahres  bespricht  Fritz  Schumacher,  die 
Ausstellung  der  DarmstädterKünstlerkolonieHans  Sc  hliep- 
mann.  Die  Kunst  im  Handwerk  ist  Gegenstand  von  Ein- 
zeldarstellungen von  H.  Obrist,  V.  Merk,  J.  Folnesics, 

W.  Gensei  usw.  Die  Erziehung  zur  Kunst  behandelt 
M.  M.,  die  graphischen  Künste  im  Jahre  1901  Max  Lehrs. 
Die  Baukunst  erfuhr  in  diesem  Jahre  eine  eingehende 
Berücksichtigung.  Es  berichtet  Alb.  Hof  mann  über  die 
deutsche  Baukunst  an  der  Wende  des  Jahrhunderts,  eine 
Betrachtung  in  vorgeschriebenen  engsten  Grenzen,  die 
aus  einem  Aufträge  betr.  die  Architektur-Ausstellung  der 
Stadt  Berlin  herausgewachsen  ist.  Die  Denkmalpflege 
bespricht  A.  von  Oechelhäuser;  in  die  Besprechung 
der  reproduzirenden  Künste  theilen  sieh  W.  v.  Seidlitz, 
Rudolf  Kautzsch  und  Rieh.  Graul.  Einen  gedrängten 
Entwicklungsgang  über  Arnold  Böcklin  giebt  H.  A.  S ch  m i d, 
ihr  schliesst  sich  eine  Huldigung  für  den  dahingegangenen 
Grossherzog  Carl  Alexander  von  Sachsen-Weimar  von 
M.  M.  an.  In  besonderen  Abschnitten  des  schönen  Werkes 
werden  die  Todten  des  Jahres  1901  und  die  Litteratur 
über  moderne  Kunst  behandelt;  es  schildert  ferner  A. 
Osterrieth  das  Recht  des  bildenden  Künstlers.  Diesen 

lEinzelaufsätzen,  die  ihren  Werth  namentlich  auch  in  ihrer 
-^kurzen  Fassung  finden,  sind  die  nahezu  die  Hälfte  des 
Umfanges  des  Buches  einnehmenden  Verzeichnisse 
angeschlossen,  welche  I.  die  Museen,  Galerien  und  Privat- 
saramlungen,  II.  die  Akademien,  Kunst-  und  Kunstge- 
werbeschulen,  III.  die  ausübenden  Künstler,  IV.  Künstler-, 
Kunst-  und  Kunstgewerbe-Verbände,  V.  Ausstellungen  und 
Kunstsalons,  VI.  Kunstzeitschriften  und  Publikationen, 
VII.  Kunstverlage  und  Kunsthandlungen,  VIII.  Graphische 
Anstalten  und  IX.  die  Kunstwerkstätten  für  die  Gebiete 
von  Deutschland,  Oesterreich  und  die  Schweiz  umfassen. 

Wir  glaubten  dem  auf  das  reichste  mit  Abbildungen 
und  Kunstbeilagen  ausgestatteten  Werke  am  meisten  zu 
nützen,  wenn  wir  vorstehend  einen  Ueberblick  über  seinen 
vielseitigen  Inhalt  gaben.  Es  ist  für  das  Gebiet  der  bilden- 
den Kunst  eines  der  werthvollsten  Nachschlagewerke,  für  die 
Büchersammlung  ein  nicht  minder  werthvolles  Kunstwerk.— 


Preisbewerbungen. 

Zu  dem  internationalen  Wettbewerb  betr,  Entwürfe  für 
ein  Sanatorium  für  Tuberkulose  in  England,  welchen  wir 
S.  56  ankündigten  und  welcher  hier  sowie  S.  71  von 
anderer  Seite  besprochen  wurde,  sind  180  Arbeiten  ein- 
gelaufen. Der  I.  Preis  von  10000  M.  wurde  Dr.  Arthur 
Latham  in  London  (Arch.:  William  West  in  London) 
zuerkannt,  den  II.  Preis  von  4000  M.  erhielt  Dr.  F.  J.  W e t h e r e d 
in  London  (Arch. : Lau  und  Allen  in  London);  denllL  Preis 
von  2000  M.  gewann  Dr.  E.  C.  Morland  in  Croydon  (Arch.: 
G.  Morland  in  Croydon).  Eine  ehrenvolle  Erwähnung 
wurde  den  Arbeiten  von  Dr.  P.S.Hichens  in  Northampton 


Friedhöfe  werden  hier  behandelt.  (Bearbeiter:  Ob.-Ing. 
Maichle,  Architekt  Stein,  Ob. -Kontrolleur  Spangen- 
berger, Ob.-Brth.  Steinhäusser,  Ing.  Niederreiter.) 

Eine  Wasserversorgung  besass  Augsburg  schon  im 
Mittelalter  in  ausgedehnter  Weise.  Schon  sehr  frühzeitig 
waren  nicht  nur  öffentliche  Brunnen  vorhanden,  sondern 
es  wurde  das  Wasser  auch  mit  Rohrleitungen  den  Privat- 
Grundstücken  zugeführt.  (Schon  1412  war  ein  Netz  guss- 
eiserner Rohre  angelegt.)  Ein  den  modernen  Anforde- 
rungen entsprechendes  Wasserwerk  auf  dem  Hochablass, 
das  sein  Wasser  dem  grossen  zum  Lech  fliessenden 
Grundwasserstrora  entnimmt,  ist  erst,  in  der  2.  Hälfte  der 
70  er  Jahre  erbaut  worden. 

Schwimm-  und  Badeanstalten  besitzt  Augsburg  im 
Lech  und  in  der  Wertach,  sowie  in  den  Lechkanäleii,  ausser 
dem  Brausebäder  und  nunmehr  auch  ein  grösseres  Volks- 
bad mit  grossem  Schwimmbecken,  das  hauptsächlich,  aus 
den  Mitteln  einer  Schenkung  der  Familie  Förster  durch 
Stadtbrth.  Steinhäusser  unter  Mitwirkung  des  Arch, 
Stein  entworfen  und  ausgeführt  ist.  Eine  besonders  ein- 
gehende Besprechung  unter  Beigabe  zahlreicher  Abbildun- 
gen ist  dem  Schlacht-  und  Viehhof  gewidmet,  eine  nicht 
unbedeutende  Anlage,  die  mit  einem  Kostenaufwand^  von 
fast  3 Mill.  M.  nach  den  Plänen  des  Stadtbaurathes  unter 
Mitwirkung  des  Arch.  Stein  ausgeführt  und  erst  Ende  1900 
fertig  gestellt  ist. 

Den  Schluss  des  Werkes  bilden  Mittheilungen  über 


das  Feuerlöschwesen,  die  Entwicklung  der  Schulbauten, 
über  das  Armenwesen,  die  Krankenpflege,  Wohlthätigkeits- 
Anstalten  und  Stiftungen,  zumeist  besprochen  von  städt. 
Ing.  Niederreiter  bezw.  Ing.  Müller.  Die  Ausführun- 
gen, auf  die  wir  im  Einzelnen  nicht  näher  eingehen  können, 
zeigen,  dass  die  Stadt  auch  auf  diesem  Gebiete  Schritt  ge- 
halten hat  mit  den  Anforderungen  unserer  modernen  Zeit. 

Als  interessanter  Anhang  ist  dem  Werke  noch  eine 
kurze  Besprechung  einiger  privater  Wohlthätigkeits-An- 
stalten  beigegeben,  unter  denen  vor  allem  die  sogen. 
„Fuggerei“  herv.orzuheben  ist,  eine  Gruppe  kleiner  Häuser, 
die  in  dem  3.  Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts  von  Jakob 
Fugger  zur  Aufnahme  von  Tagelöhnern  und  bedürftigen 
Handwerkern  und  Bürgern  eingerichtet  wurde,  also  als 
ein  frühzeitiger  Vorläufer  unserer  heutigen  Bestrebungen 
zur  Schaffung  billiger  Arbeiterwohnungen  anzusehen  ist. 
Die  Anlage  dient  mit  ihren  allerdings  etwas  patriarchalisch 
anmuthenden  Hausgesetzen  noch  jetzt  ihrem  alten  Zwecke. 

Aus  der  kurzen  Uebersicht  des  Inhaltes  geht  hervor, 
dass  die  Festschrift  einen  reichen  Stoff  bringt,  der  übersicht- 
lich gegliedert  und  gefällig  vorgetragen  Zeugniss  ablegt  von 
dem  fortschrittlichen  Geiste  der  städtischen  Verwaltung 
und  der  Tüchtigkeit  ihrer  bautechnischen  und  künstle- 
rischen Kräfte. 

Wie  schon  hervorgehoben,  zeigt  die  Festschrift  Lücken 
insofern,  als  sie  das  alte  Augsburg,  bezw.  das,  was  auf 
uns  davon  überkommen  ist,'  nicht  im  Bilde  darstellt  und 


16.  August  1902.  427 


(Arch.:  K,  W.  Schnetz  in  London),  Dr.  Turban  in  Davos  - 
(Arch.;  J.  Gros  in  Zürich),  Dr.  Jane  Walker  in  London^J 
^Arch. : Smith  und  B r e v e r in  London)  und  Dr.  ■ J.  P.  Wi  1 1 : ' 
in  Bexhill  (Arch.:  Wills  in  London)  zutheil.  Wer  ' die' 
Reihe  der  durch  Preise  oder  durch  ehrenvolle  Erwähnungen 
ausgezeichneten  Bearbeiter^.,  durchgeht,  wird  erkennen, 
dass  unsere  Vorhersage,  dass  deutsche  Bewerber  wenig 
Aussicht  auf  eine  Auszeichnung  hegen  konnten,  zutraf.; 
Die  Schwierigkeit  lag  in  der  Forderung  nur  der  englischen 
Sprache  für  die  wissenschaftlichen  Abhandlungen.  Man 
hätte  gewiss  wünschen  können,  dass  neben  der  englischen 
auch  die  deutsche  und  die  französische  Sprache  zugelassen 
worden  wären;  das  Ergebniss  wäre  dann  zweifellos  nicht 
ein  nahezu  einseitig  national  englisches  geworden,  sondern 
es  hätte  ein  internationales  werden  können,  was  ja  der 
Wettbewerb  eigentlich  auch  anstrebte.  — 

Das  Reisestipendium  der  Lpuis  Boissonnet-Sfiftung  ist 
in  diesem  Jahre  an  einen  Bauingenieur  zu  vergeben,  dem 
als  Aufgabe  das  Studium  der'  bisher  wenig  bekannten 
Eisenhochbau- Konstruktion  neuerer  Stadtbahnen,  moder- 
ner .industrieller  Anlagen  und  hoher  Wohngebäude  Nord- 
amerikas, und  zwar  vornehmlich  in  New-York,  den  Staaten 
Pennsylvanien,  Ohio  und  in  Chicago  gestellt  ist.  Bewer- 
bungen sind  bis  zum  20.  August  d.  J.  mit  Lebenslauf, 
Nachweis  über  praktische  und  litterarische  Thätigkeit  und 
unter  Vorlegung  von  Entwürfen  an  das  Rektorat  der  Techn. 
Hochschule  Berlin  zu  richten.  Das  Stipendium  besteht  in 
einem  Geldbeträge  von  2900  M.,  ausserdem  sind  1000  M.  für 
die  Veröffentlichung  des  Studienmaterials  ausgeworfen.  — 
Wettbewerb  Erweiterungsbau  Rathhaus  Nienburg  a.  W. 
Unter  53  Entwürfen  errang  den  I.  Preis  von  600  M.  der 
Entwurf  „Tilly''  des  Hrn.  Arch.  Oberlehrer  Gebhardt 
in  Nienburg;  den  II.  Preis  von  400  M.  der  Entwurf  „Roland" 
der  Hrn.  H.  Schaedtler  & K.  Müller  in  Hannover;  den 
III.  Preis  von  300  M.  der  Entwurf  „Weser"  der  Hrn.  Max 
& Hans  Köhler  in  Berlin.  Der  Entwurf  „Mit  Verlaub" 
der  Hrn.  K.  & A.  Siebrecht  in  Hannover  wurde  zum 
Ankauf  empfohlen.  Sämmtliche  Entwürfe  sind  bis  19.  Aug. 
in  der  Aula  der  kgl.  Baugewerkschule  in  Nienburg  öffent- 
lich ausgestellt.  — 


Chronik. 

Die  Wiederherstellung  der  Kirche  zum  Heiligen  Geist 
in  Nürnberg,  die  unter  der  Leitung  der  Professoren  Konr.  ‘Walther 
und  F.  Wanderer  in  Nürnberg  stattfihdet,  hat  unter  der  Tünche 
und  dem  Stückwerk  der  Barockdekorationen  werthvolle  Funde  von 
Bildwerken  des  XIV.  und  Malereien  des  XV.  Jahrhunderts  ergeben. 
Die  Fresken  werden  durch  Hrn.  Kunstmaler  P f leiderer  aus  München 
wieder  hergestellt.  — 

Die  neue  St.  Josefskirche  zu  Münster  i.  W.  Zu  dieser 
uns  aus  Münster  zugegangenen  Nachricht  der  „Chronik“  S.  392  er- 
halten wir  die  Mittheilung,  dass  der  Entwurf  zu  der  St.  Josefs- 
kirche in  Münster  i.  W:  abgesehen  von  einer  kleinen  Aenderung 
an  dem  Sakristei-Neubau,  welche  durch  spätere  Umgestaltung  des 
Bauplatzes  erforderlich  wurde,  vom  Hrn.  kgl.  Landbauinsp.  B. 
Hertel  in  Berlin  aufgestellt  wurde.  Der  bis  jetzt  fertig  gestellte 
Theil  der  Kirche  ist  genau  nach;  den  vom  Genannten  gefertigten 
Planzeichnungen  ausgeführt  worden  und  ebenso  soll  der  weitere 
Ausbau  der  Kirche  nach  seinen  Entwürfen  erfolgen.  Der  Reg.-Bau- 
meister  H.  Flertel  zu  Münster  i.  W.  hat  nur  die  Leitung  der  Bau- 
ausführung übernommen.  — 

Die  Bayerische  Landesausstellung  in  Nürnberg  1906  wird 
im  Luitpoldhain,  gegebeoenfalls  unter  Einbeziehung  des  Dutzend- 


als  sie  die  Privat-Bauthätigkeit  nicht  berührt.  Das  gleiche 
gilt  auch  hinsichtlich  der  Industrie.  Die  erstere  und  die 
letztere  Lücke  wirden  aber  geschlossen  einerseits  durch 
ein  werthvolles  Album  mit  50  Lichtdrucktafeln®)  nach  Auf 
nahmen  alter  und  neuer  Bauten  der  Stadt,  gewidmet  von 
den  Augsburger  Fachgenossen,  und  durch  eine  selbst 
ständige  Schrift , welche  die  Grossindustrie  Augsburgs 
den  Festtheilnehraern  der  Wander-Versammlung  widmet. 

Eine  Fülle  malerischer  Strassenbilder,  vornehmer 
Innenräume,  reizvoller  Einzelheiten  lassen  erkennen,  wie- 
viel doch  noch  von  der  Kunst  des  alten  Augsburg  in  die 
Gegenwart  herübergerettet  ist,  weiche  Anregung,  welchen 
unschätzbaren  Stoff  hier  der  Künstler,  der  Architekt  noch 
allenthalben  finden  kann.  Dem  Alten  reiht  sich  das  Neue 
würdig  an,  wie  einige  Aufnahmen  öffentlicher  Gebäude, 
WohnhausgruppenundGeschäftshäuser  zeigen.  Wir  nennen 
von  den  ausführenden  Architekten:  Fellner  & Helmer, 
Wien,  mit  dem  Theaterbau,  Ob.-Brth.  Steinhäusser  mit 
Arch.  Dülfer  für  die  Stadtbibliothek,  Arch.  Jean  Keller, 
Walther  Krauss,  Jack  &Wanner  namentlich  für  zahl- 
reiche Wohnhausbauten  und  Geschäftshäuser,  Prof.  Alb. 
Schmidt  in  München  für  die  kgl.  Filialbank,  Bauamtmann 
Schildhauer  in  Kempten  Ing.  Müller  für  ein  städt.  Schul- 
haus, Prof.  Studerus,  schliesslich  die  Arch..Wehl-Stipp- 
Dülfer  für  das  Hotel  Kaiserhof.  Die  Sammlung  bildet 


Verlag  von  Kutscher  & Gdir  in  Augsburg. 


teiches,  stattfindeh.  Es  steht  hier  ein  Gelände  von  etwa  500  000  qm 
gegen  nur  300  000  qm  des  Maxfeldes,  auf  welchem  die  früheren 
Ausstellungen  stattfanden,  zur  Verfügung.  Es  soll  von  der  früheren 
Eintheiiung  nach 'Kreisen  abgesehen' und  eine  Eintheilung  nach' 
Industriezweigen  gewählt  werden.  — 

Der  Neubau  der  Kurhaus-Anlagen  in  Wiesbaden  ist  dem- 
Architekten  Prof.  Friedr.  von  Thiersch  in  München  übertragen' 
worden.  — : 

-.  Die  Umgestaltung  des  Rathhauses  in  Emden;  erfordert 
einen  Kostenaufwand  von  rd.  190000  M.  — 

Die  Arbeiten  zur  Tieferleguhg  des  Chiemsees  haben  in. 
diese’m  Frühjahr  begonnen;  sie  werden  von  der  Firma  Säger.  & 
Wörner  ausgeführt.  — - 

. Die  Aufdeckung  einer  kanaanitischen  Stadt  in  Palästina 
ist  dem  Professor  der  alttestamentarischen  Exegese  an  der  evan- 
gelisch-theologischen Fakultät  der  Universität  in  Wien,  Dr.  E.  S ellin 
gelungen..  Die  Ueberfeste  liegen  auf  dem  Hügel  Taanak  in  Lande 
Kanaan  und  werden  ihrer  baulichen  Struktur  nach  als  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  v.  Chr.  stammend  geschätzt.  — 

Die  Wiederherstellung  des  Rathhaussaales  in  Nürnberg, 
welcher  die  Fresken  Albrecht  Dürers  enthält,  ist  mit  einem  Auf- 
wande  von  rd.  200  000  M.  durch  den  Magistrat  von  Nürnberg  be- 
schlossen worden.  — ; 

Eine  verkürzte  Bahnverbindung  zwischen  München  und 
Innsbruck  wird  schon  seit  langen  Jahren  erstrebt.  Nachdem  vor 
einiger  Zeit  die  österreichische  Regierung  die  Vorarbeiten  für  einen 
Bahnbau  nach  Scharnitz  eingeleitet  hat,  ist  nunmehr  auch  die 
bayerische  Regierung  in  die  Vorarbeiten  für  eine  Vpllbahn  Garmisch- 
Mittenwalde-Landesgrenze  eingetreten.  — 

Ein  neues  Vlncentinum  in  München,  ein  Heim  des  Vinzentius- . 
Vereins  zur  Aufnahme  von  Pfründnerinnen  und  von  besser  be- 
mittelten weiblichen  Personen,  ist  nach' den  Entwürfen  des  Arch, 
Prof.  Gabriel  von  Seidl  in  München  an  der  Oettingenstrasse  gegen- 
über dem  Nationalmuseum  in  der  Errichtung  begriffen.'  — 

Ein  Wiesbadener  Ozonwasserwerk  in  Schierstein  ist 
kürzlich  dem  Betriebe  übergeben  wörden.  Die  Anlage  beruht  auf 
dem  von  der  Firma  Siemens  & Halske  in  Berlin  erfundenen 
Verfahren,  Wasser  durch  Einführung  von  Ozon  keimfrei  z.u  machen. 
Die  Erzeugung  des  Ozons  erfolgt,  auf  elektrischem  Wege.  — • 

Das  looojährige  Bestehen  der  Stadt  Ravensburg  an  der 
Linie  Ulm-Frledrichshafen  soll  in  diesem  Sommer  gefeiert  wer- 
den. Graf  Isenbard,  Stammvater  der  schwäbischen  Welfen,  ein 
Vasall  Karls  des  Grossen,  erscheint  als  erster  Graf  von  Ravens- 
burg; Welf  II.  nahm  ständigen  Aufenthalt  auf  der  Burg  und  gab 
dem  Burgflecken  städtisches  Aussehen.  1100  wird  er  mit  Mauern 
umgeben  und  1191  fällt  er  an  die  Hohenstaufen.  12^6  wurde  die 
Stadt  Reichsstadt.  — 

Die  neue  Kriegsschule  In  Potsdam,  nach  den  Entwürfen 
des  Hrn.  Brth.  Franz  Schwechten  in  Berlin  als  gruppirter  Bau 
unter  theilweiser  Verwendung  von  Fachwerkeh  errichtet,  ist  in 
den  letzten  Tagen  ihrer  Bestimmung  übergeben  worden.  — 

Die  Anlage  eines  gemeinschaftlichen  Wasserwerkes  der 
Landkreise  Bochum,  Gelsenkirchen,  Hattingen  mit  einem 
Kostenaufwande  von  2V2  Mill.  M.  ist  beschlossen.  Dasselbe  ist 
zunächst  für  130000  Einwohner  berechnet.  Die  Jahresleistung  be- 
trägt dabei  6,5  Mill.  cbm.  Entwurf  und  Ausführung  wird  von  der 
Firma  H.  Scheven  in  Bochum  bewirkt.  — 

Die  Einweihung  des  neuen  Wasserwerkes  von  Memel 
hat  am  2.  Aug.  d.  J.  stattgefunden.  — 


Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  104.  Wohnhaus  Müller,  Bellevue- 
Strasse  13.  — Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902.  VI. 

— Augsbmg  in  kunstgeschichtlicher,  baulicher,  industrieller  und  hj’gienischer 
Beziehung.  — Mitiheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Bücherschau. 

— Preisbewerbuagen.  — Chronik. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Wohnhaus  Müller  in  . Berlin, 
Bellevue-Strasse  13.  , 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort].  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


also  eine  werthvolle  Ergänzung  der  Festschrift  und  der 
Augsburger  Arch.-  und  Ing. -Verein  hat  sich  durch  ihre 
Herausgabe  ein  besonderes  Verdienst  erworben. 

Schätzenswerthes  Material  enthält  auch  die  Festgabe 
der'  Augsburger  Industrie.  Aufgrund  von  Mittheilungen 
der  Industriellen  ist  diese  Schrift  zusammengestellt  von 
Direktor  J.  Horn,  Professor  W.  Miller,  Direkt-Assessor 
P.  Reisser  und  Ingenieur  Kraus.  Sie  enthält  lithogra- 
phirte  Pläne  und  Ansichten’^),  sowie  kurze  Notizen  über 
34  Betriebe,  unter  denen  Maschinenfabriken  und  Spinner 
reien  die  erste  Stelle  einnehmen.  Ausser  den  schon  er- 
wähnten 12600  P.S.  Wasserkräften  erfordert  der  . Betrieb 
noch  27000  P.S.  Dampfkraft.  Die  zumeist  an  der  Stadt- 
peripherie liegenden  Fabriken  sind  durch  eine,  als  privates 
Unternehmen  hergesteUte,  aber  von  der  Staatsbahn  be-, 
triebene  Ringbahn  an  den  Hauptbahnhof  angeschlossen. 
Von  den  90  000  Einwohnern  Augsburgs  sind  33  000  Ar- 
beiter und  Gewerbetreibende,  die  mit  ihren  Familienange- 
hörigen auf  etwa  50000  Personen  geschätzt  werden  können, 
also  mehr  als  die  Hälfte  der  Gesammtbevölkerung  aus- 
machen. Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  ein  grösserer 
Theil  der  Arbeiter  ausserhalb  wohnt.  Aus  der  ehemaligen 
Handelsempore  ist  also  eine  Industriestadt  geworden,  die 
manchen  Namen  von  gutem  Klang  zu  den  ihren  rechnet  und 
die  wieder  ihre  Erzeugnisse  in  alle  Welt  hinaus  sendet. 
— : Fr.  E.  . 

Druck  von  Job.  Walch  in  Aug.sburg.  _ ' 

No.  66, 


42B 


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III  X 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  67.  Berlin,  den  20.  August  1902. 


Der  Strassenbahnverkehr  in  Berlin  und  seinen  Vororten. 


mer  Strassenbahnverkehr  in  Berlin  und  seinen  Vor- 
orten liegt  zurzeit  in  den  Händen  von  8 Gesell- 
schaften, und  zwar:  i.  der  Grossen  Berliner  Strassen- 
bahn  A.-G.,  2.  der  Ber- 
lin - Charlottenburger 
Strassenbahn  A.-G.,  3. 
der  Westlichen  Berli- 
ner Vorortbahn  A.-G., 

4.  der  Südlichen  Ber- 
liner Vorortbahn  A.-G., 

5.  der  Städtischen  Ber- 
liner Elektr.  Strassen- 
bahnen  A.-G.,  6.  der 
Berl.  Ostbahnen  A.-G. 
tSchles.Bhf. -Treptow), 

7.  derContinentalenGe- 
sellschaftfürelektr.Un- 
ternehmungen  (Berlin- 
Hohen  - Schönhausen), 

8.  der  Ges.  für  elektr. 

Hoch-  u.  Untergrund- 
bahnen (Warschauer 
Brücke  - Z entral  - Vieh- 
hof). Das  diesen  Ge- 
sellschaften gehörige 
Strassenbahnnetz  um- 
fasst insgesammt  rd. 

345 Bahnlänge  (d.  i. 
etwa  die  Entfernung 


Berlin-Breslau).  Im  Betriebe  wurden  im  Jahre  1901  nahe- 
zu 82  Millionen  Wagenkilometer  zurückgelegt  und  dabei 
mehr  als  330  Millionen  Personen  befördert.  Wie  sich 
diese  Verkehrsziffern 
auf  die  einzelnenStras- 
senbahn-Betriebe  ver- 
theilen, zeigtTabelle  I. 

Die  Zunahme  des 
Personenverkehrs  ge- 
genüber dem  Jahre 
1900  betrug  etwa  18  %. 

Wie  sich  die  Ver- 
kehrsverhältnisse der 
Strassenbahnen  inBer- 
lin  und  anderen grösse- 
I ren  deutschen  Städten 
I zur  Grösse  der  Bevöl- 
I kerung  verhalten,  zeigt 
Tabellen.  Wenn  hier- 
nach die  durchschnittl. 
Bahnbenutzung  in  Ber- 
lin mit  129  Fahrten  auf 
den  Einwohner  gerin- 
ger erscheint,  als  in 
Dresden  undauch  nicht 
wesentlich  verschieden 
ist  von  der  in  Leip- 
zig, so  darf  doch  nicht 
ausseracht  gelassen 


Tabelle  I.  Die  Verkehr 

sziffern  der  Be 
im  Jahre  1901 

rliner  Str 

issenbahnen 

Rahn- 

km 

Znrflck- 

gelegte 

Wagen- 

kilometer 

Befflrderte 

Personen 

Bemerkungen 

Grosse  Berl.  Strassenbahn 
Berlin-Charlottenb.  Str.-B. 
Westliche  Berl.  Vorortbahn 
Südliche  Berl.  Vorortbahn 
Berliner  Elektr.  Str.-B,  . . 
Berliner  Ostbahnen  .... 
Berlin  - HoheoschOuhausen 
Warschauer  Br.  - Zentral- 
Viehhof 

334,0 

»7,0 

33.0 

30.0 
18,4 

4,8 

6,6 

65663351 

4796415 

4435216 

1949163 

4130  035 

408680 

.53657 

383600000 
14788315 
13230000 
3241  OOD 

13036453 

1526033 

1353899 
135  9P9 

Seit  Oktober 
1901  in  Betrieb 

Im  Jahre  iqoi  Sa. . . . 
Gegen  im  Jahre  1900  . 

345.0 
33», 0 

8i8^6s6 

70698166 

330111589 

söo  739378 

TabeUe  II.  Die  Verkehrsbewegung  einiger  grosstadtischer 
Strassenbahnen  im  VerhSltniss  zur  Einwohnerzahl  i.  J.  1901. 


Einwohner- 

zahl 

Bahalängel  Wagcn- 
m kilometer 

Fahrten 

auf  den  Kopf  der  Bevölkerung 

Berlin  und  Vororte  . . . 
Hamburg  und  Vororte  ■ . 

München  „ „ . . 

Leipzig  „ „ 

Dresden  „ „ . . 

Frankfurt  a.  M.  und  Vororte 

3550000 
1 000000 
550000 
500000 
500000 
390000 

0.135 

o,>54 

0,084 

0,196 

0,218 

0,126 

32.1 
33>4 
20,3 
41,6 

47.2 

25.2 

II 

j; 

werden,  dass  letztgenannte  Städte  ausser  den  Strassen- 
bahnen  andere  Verkehrsmittel  von  grösserer  Bedeutung 
nicht  besitzen,  wogegen  in  Berlin  die  Stadt-  und  Ring- 


429 


bahn,  die  Wannseebahn,  zahlreiche  Omnibuslinien  und 
Droschken  und  neuerdings  noch  die  elektrische  Hochbahn 
für  die  Beurtheilung  des  Verkehres  in  Rücksicht  gezogen 
werden  müssen. 

Ueber  den  Antheil  des  Strassenbahnverkehres  an  dem 
Gesammtverkehr  der  Bewohner  der  Reichshauptstadt  giebt 
die  Tabelle  III  einige  Angaben. 


Tabelle  III.  Die  Entwicklung  des  Personenverkehrs  in  Berlin 
seit  1870. 


11870 

.%s| 

1880 

1885 

1890 

1895 

1900  1 

1901  1 

Strassenbahnea  . . . 

1)5' 

18,3 

5L6 

87.3 

143.0 

1 164,2 

q8o,4 

330,1 

Mül. 

Pers. 

Stadt-  und  Rinsbahn 

— 1 

— 1 

13.2 

38,2 

100,0 

Omnibusliniea  .... 

10,5 

15,0 

10,8 

16,2 

27,8 

37,4 

80,3 

80,7 

„ 

In  Sa.  . . 

12,0 

33.3 

116,7 

2og,o 

510,8^ 

Das  ist  bei  einer  Be- 
völkerung von  Berlin 
einschl.  Vororte  von 

o.<?l 

j.  j 

1 62.4 

^)35 

1,8 

1 2,55 

Fahrten  für  i Kopf 
und  Jabr ( 

13  ' 

1 

30 ! 

48  ■ 

75 

116  1 

132  1 

183 ! 

»ol 

Berücksichtigt  man  überdies  noch  den  Droschkenver- 
kehr sowie  den  Eisenbahnverkehr  nach  den  nächstgelegenen 
Vororten  Friedenau,  Steglitz,  Pankow,  Lichtenberg  usw., 
so  wird  man  kaum  fehlgehen, 
wenn  man  die  Grösse  des  ge- 
sammten  Personenverkehrs 
im  Jahre  1901  auf  etwa  540 
Millionen  Personen  ver- 
anschlagt, was  einer  Ver- 
kehrs-Häufigkeit von  212 
Fahrten  auf  den  Ein- 
wohner und  das  Jahr  ent- 
spricht. Von  diesemGesammt- 
verkehr  entfallen  mehr  als 
^/5  auf  die  Strassenbahnen. 

Das  nebenstehende  Dia- 
gramm giebt  ein  graphisches 
Bild  von  der  Entwicklung 
des  Berliner  Verkehres  seit 
dem  Jahre  1870.  Es  ist  inter- 
essant, an  Hand  dieser  Dar- 
stellung festzustellen,  wie 
vom  Jahre  1870  bis  1890  der 
Verkehr  auf  den  Pferde- 
bahnen sich  andauernd  stei- 
gerte, dann  vom  Jahre  1890 
bis  iSpsdieVerkehrszunahme 
wesentlich  geringer  wurde, 
da  sich  für  den  Pferdebetrieb 
allmählich  die  Grenze  der 
Leistungsfähigkeit  heraus- 
stellte, wogegen  dann  mit  der 
Einführung  des  elektrischen 
Betriebes  die  Leistungsfähig- 
keit der  Strassenbahnen  dank 
dem  schnellerenVerkehr  und 
der  grösseren  Wagenzahl 
ganz  erheblich  zunahra.  Ins- 
besondere ist  seit  dem  Jahre  ' = ' ^ '' 

1900  infolge  Einführung  des  10  Pfg.-Tarifes  ein  rapides 
Steigen  des  Personen-Verkehres  zu  verzeichnen. 

Im  Verkehr  der  Stadt-  und  Ringbahn  zeigt  sich  vom 
Jahre  1890  ab  gegenüber  der  abnehmenden  Leistungs- 
fähigkeit der  Pferdebahnen  ein  stetiges  Anwachsen  der 
Personenbeförderung,  indessen  dürfte  entsprechend  der 
geringeren  Verkehrszunahme  seit  dem  Jahre  1895  die  Auf- 
nahmefähigkeit derselben  sich  allmählich  dem  Stillstände 
nähern.  Vielleicht  entschhesst  man  sich,  auch  hier  den 
elektrischen  Betrieb  einzuführen,  der  vermöge  der  Steige- 
rung der  Fahrgeschwindigkeit  und  Verringerung  des  Zeit- 
abstandes für  die  Zugfolge  die  Leistungsfähigkeit  und  damit 
die  Personenzunahrae  wesentlich  erhöhen  würde. 

Der  Omnibusverkehr  in  Berlin  ist  scheinbar  in  erster 
Linie  vom  Tarif  und  der  Fahrgeschwindigkeit  abhängig. 
Solange  die  Pferdebahnen  höhere  Tarife  und  nahezu 
gleiche  Fahrgeschwindigkeit  gegenüber  den  Omnibussen 
aufwiesen,  hat  sich  der  Omnibusverkehr  bis  zum  Jahr  1895 
ziemlich  stetig  entwickelt.  Als  dann  der  elektrische  Betrieb 
der  Strassenbahnen  mit  seiner  höheren  Fahrgeschwindig- 
keit für  die  Omnibusse  eine  gefährlichere  Konkurrenz  zu 
werden  drohte,  gelang  es  den  Ömnibusgesellschaften,  durch 
Einführung  von  sPfg.-Linien,  bezw.  Theilstrecken,  eine 
erhebliche  Zunahme  des  Personenverkehrs  zu  erzielen. 
Mit  der  Durchführung  des  einheitlichen  loPfg.-Tarifes  Und 
der  weitestgehenden  Steigerung  der  Fahrgeschwindigkeit 
haben  aber  die  Strassenbahnen  seit  dem  Jahr  1900  einen 
grossen  Theil  der  Fahrgäste  dem  Omnibusverkehr  ent- 
zogen, sodass  die  Verkehrszunahme  der  Omnibusse  sich 
seitdem  wesentlich  verringert  hat. 


Aus  der  Tabelle  III  ist  ersichtlich,  dass  der  Personen- 
verkehr Berlins  und  seiner  Vororte  seit  1870  auf  etwa 
das  42  fache,  unter  Berücksichtigung  des  Droschken-  und 
Eisenbahnvorortverkehrs  sogar  auf  das  45  fache  gewachsen 
ist,  und  dass  die  Benutzung  der  Verkehrsmittel  auf  den 
Kopf  der  Bevölkerung  innerhalb  dieser  Zeit  auf  mehr  als 
das  15 fache  (bezw.  16 fache)  zugenommen  hat,  während 
die  Einwohnerzahl  von  Berlin  und  seiner  Vororte  auf  das 
2,8  fache  angewachsen  ist. 

Wenn  in  der  Tabelle  IT  die  verhältnissmässig  geringe 
Bahnlänge  der  Berliner  Strassenbahnen  gegenüber  Städten 
wie  Hamburg,  Leipzig  und  Dresden  auffällt,  so  findet  dies 
seine  Erklärung  in  der  weitestgehenden  Ausnutzung  der 
Bahngleise  für  die  Ueberführung  der  verschiedenen  Bahn- 
linien. 

Die  Tab.  IV.  giebt  Aufschluss  über  die  Vertheilung 
der  Bahnlinien  bei  den  einzelnen  Berliner  Strassenbahn- 
betrieben  nach  dem  Stande  vom  Sommer  1902. 


Tab.  IV.  Die  Linien  und  ihre  Bahn-Ausautzung  bei  den 
Berliner  Strassenbahnen, 


Die  gesammte  Länge  der  Berliner  Strassenbahnlinien 
beträgt  demnach  864,9 (d.  i.  etwa  die  Entfernung: 
Berlin — Zürich). 

Die  längsteStrassenbahnlinie  ist  dieRinglinie„Rixdorf— 
Blücherplatz  — Schöneberg  — T empelhof — Britz  — Rixdorf " 
mit  21,7  ä^tn^  die  kürzeste  die  Pendellinie  „Badstrasse— 
Bellermannstrasse“  mit  0,3  km  wogegen  die  durchschnitt- 
liche Länge  sämmtlicher  Berliner  Strassenbahnlinien 
8,83  km  beträgt. 

Das  Verhältniss  der  Linienlänge  zur  Bahnlänge  stellt 
sich  auf  2,51,  d.  h.  mit  anderen  Worten;  die  vom  Strassen* 
bahnverkehr  benutzten  Strassen  werden  im  Durchschnitt 
von  2^2  Linien  befahren. 

Wie  gross  die  Verkehrsdichtigkeit  auf  einzelnen  Strassen 
ist,  darüber  giebt  Tab.V  Auskunft. 


TabelleV,  Die  Wagenfolge  der  S tras  s eub  ahnen  auf  einigen 
Hauptstrassen  Berlins. 


Länge  der 
® Strecke 

Zahl  der  Linien 

Zahld.p. Stunde 
aufeinand.  folg. 
Motorwagen. 

, 

Sek,  1 

Durchschn. 
2 Wageu- 

abstand 

Potsdaraerstr.  (zwischen  Pots- 
damer Platz  u.  Lützowstr.) 

980 

18 

126 

28,6 

Spandauerstr.  (zwisch.  Molken- 
markt  und  Königstr.).  . . 

240 

18 

80 

Mühlendarnm  (zwisch.  Molken- 
markt und  Breitestr.)  . . . 

80 

Leipzigerstr.  (zwisch.  Leipziger 
Platz  und  Mauerstr.)  . . . 

16 

HO 

8s 

, S cLüd 

f .iS  . ha 

Königstr.  Izwischen  Ratlihaus 
und  Alexanderplatz)  . . . 

16 

T07 

84 

Leipzigerstr.  (zwischen  Spittel- 
markt und  jerusalemerstr.)  . 

16 

104 

86 

Gertraudtenstr.  (zwisch.  Spittel- 
markt und  Breitestr.) . . 

16 

104 

34,6 

86 

1 

Es  zeigt  sich  darnach,  dass  die  grösste  Dichtigkeit  des 
Strassenbahnverkehrs  in  dem  inneren  Theil  der  Potsdamer- 
strasse mit  126  im  Laufe  einer  Stunde  aufeinander  fol- 
genden Motorwagen  erreicht  wird,  ungeachtet  der  zahl- 
reichen Anhängewagen.  Die  Wagenfolge  beträgt  dabei 
weniger  als  eine  halbe  Minute  und  der  durchschnittliche 
Wagenabstand  nur  71 

Entsprechend  der  z.  Th.  sehr  grossen  Verkehrshäufigkeit 
der  Strassenbahnen  auf  einzelnen  Strassenzügen  ergeben 
sich  auch  für  einige  Strassenkreuzungen  und  Plätze  recht 
bedeutende  Verkehrsziffern,  wie  aus  Tab.  VI  ersichtlich 
ist,  worin  für  einige  wichtigere  Verkehrsknotenpunkte  die 
Zahl  der  kreuzenden  Linien  und  der  in  der  Stunde  durch- 
laufenden Motorwagen  ermittelt  ist.  Zum  Vergleich  wurden 
dieVerkehrshäufigkeit  der  Omnibusse  und  der  übrigen  Fuhr- 
werke, wie  auch  derFussgängerverk ehr  daneben  angegeben. 

Die  Zahl  der  Strassenbahnwagen  und  Omnibusse 
wurde  aus  den  für  den  Sommer  3902  gütigen  Fahrplänen 

No.  67. 


430 


des  normalen  Wochentagsverkehres  berechnet,  während 
die  Verkehrsziffern  der  übrigen  Fuhrwerke  und  der  Fuss- 


Tabelle  VI.  Der  stündliche  Verlcehr  an  e inl  gen  Haup  t- 
Verkehrspunkten  Berlins. 


j Strasseu- 
1 bahnen 

Omi 

aibusse 

Sonstige  Fuhr-  j 
werke  (einschl.  | 
Radfahrer)  I 

Fussgänger 

1^" 

Motorwagen 
jn  beiden 
Richtungen 

i 

Omnibusse 
in  beiden 
Richtungen 

Alexandeiplatz 

24 

8 

1 136 

Spittelmarkt 

22 

284 

TfSo 

Potsdamerstr.-LOlzo-vvstr.  , . , 

20 

284 

Leipzigerstr.-Jerusalemerstr.  . 

20 

264 

Morifzplatz 

264 

Leipzigerstr.-Cliarlottenstr  . . 

0 

II6 

Moikenmarkt  

62 

Potsdamer  Br-ficke 

18 

TTO 

Königstr.-Spandauerstr 

2t 

84 

Leipzigerstr.-Mauerstr 

18  1 

b 1 

1 ^28 

Rosenthaler  Thor  

1 T 

Leipzigerstr.-WiHielmstr.  . . , 

ib 

220 

7 

142 

558 

Gertraudten-Brücke 

16 

208 

62 

Hackescher  Markt 

198 

-n 

Blücher-Platz 

176 

8 

264 

Leipzigerstr.-Friedrichstr. . . . 

12 

276 

Belle-Alliauce-Brücke 

156 

0 

184 

488 

5290 

Vermischtes. 

Eine  Abtheilung  für  Tiefbau  an  der  kgl.  Baugewerk- 
schule in  Erfurt  wird,  wie  dies  schon  an  einigen  anderen 
preuss.  Baugewerkschulen  geschehen  ist,  in  diesem  Winter- 
halbjahr eröffnet.  Die  Tiefbau-Abtheilung,  welche  sich 
die  Ausbildung  im  Strassen-,  Wasser-  und  Eisenbahn- 
bau zur  Aufgabe  stellt,  hat  4 aufsteigende  Klassen,  von 
denen  jedoch  die  beiden  unteren  denselben  Lehrplan  be- 
sitzen wie  bisher,  sodass  sich  die  Schüler  erst  nach  Zu- 
rücklegung der  3.  Klasse  zu  entscheiden  brauchen,  welcher 
Abtheilung  sie  angehören  wollen.  — 

Auszeichnungen  an  Künstler.  Hr.  städt.  Baurath  Hans 
Grässel  in  München  erhielt  die  kleine  goldene 
Medaille  der  „Grossen  Berliner  Kunstausstellung  1902“.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  einen  Skatbrunnen  für  Altenburg  i.  S.  erlässt  der  dortige 
Stadtrath  zum  15.  Nov.  d.  J.  für  in  Deutschland  geborene 
Künstler.  Zur  Errichtung  des  Brunnens  steht  eine  Stiftung 
von  16  000  M.  zur  Verfügung.  Der  Brunnen  heisst  „Skat- 
brtinnen“,  weil  er  das  Andenken  an  die  Erfindung  des 
Skatspieles,  das  aus  dem  Altenburger  Lande  stammt  und 
nach  der  allgemeinen  Angabe  im  Jahre  1817  von  dem 
Altenburger  Advokaten  Hempel  erdacht  worden  sein  soll, 
bewahren  soll.  Dem  Preisgerichte  stehen  1000  M.  zur 
Vertheiiung  in  3 Preisen  zur  Verfügung.  Unterlagen  gegen 
2 M,,  die  zurückerstattet  werden,  durch  das  Stadtbauamt 
in  Altenburg.  — 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  Smyrna-Teppiche  erlassen  die  Wurzener  Teppich-  und 
Velours-Fabriken  zu  Wurzen  zum  10.  Sept.  d.  J.  Es  ge- 
langen 3 Preise  von  1000,  500  und  300  M.  zur  Vertheiiung. 
Unterlagen  durch  die  Kanzlei  der  kgl.  Kunstgewerbeschule 
in  Dresden.  — 

Wettbewerb  Elly-Hölterhoff-Böcklng-Stiftung  Honnef. 
Verfasser  des  zur  engeren  Wahl  gelangten  Entwurfes 
„Deutsch“  sind  die  Hrn.  Himmel  & Abels  in  Honnef.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Kassel.  Wir  bitten  den  Ver- 
fasser des  Entwurfes  „recte  faciendo  usw.“  gestatten  zu 
wollen,  dass  wir  seine  schöne  perspektivische  Darstellung 
wiedergeben.  Verfasser  des  Entwurfes  „Segen  sei  der  Mühe 
Preis“  ist  Hr.  Arch.  Rieh.  Michel  in  Frankfurt  a.  0.  — - 


Chronik. 

Der  Bau  eines  drittengrossenKrankenhauses  in  Schwabing 

bei  München  soll  demnächst  begonnen  -werden.  Das  durch  Hrn. 
städt.  Bauamtmann  Eggers  geplante  Gebäude  wird. einen  Kosten- 
aufwand von  rd.  10  Mül.  M.  bedingen  und  1200  Betten  enthalten.  — 
Die  alte  Stadtkirche  St.  Georg  in  Eisenach,  deren  Innen- 
raum vor  2 Jahren  urogestaltet  und  erneuert  worden  ist,  hat  nun- 
mehr einen  neuen  Thurra  und  Portikus  erhalten,  wodurch  das  Stadt- 
mid  Landschaftsbild  wesentlich  bereichert  ist.  Die  Leitung  der 
Bauausführung,  welche  nach  den  Plänen  des  Hrn.  Brths. . Otto 
March  in  Charlottenburg  erfolgte,  lag  in  den  Händen  des  PIrn. 
Arch.  Herrn.  Hahn  in  Eisenach.  — 

Ein  Kriegerdenkmal  in  der  Sachsenklemme  im  Eisackthal 
wurde  am  15.  Aug.  enthüllt.  Es  ist  ein  8 m hoher  Granitobelisk  mit 
dem  österreichischen  und  dem  Tiroler  Adler,  sowie  den  Wappen 
Sachsens  und  Bayerns.  Das  Denkmal  soll  an  die  Kämpfe  vom 
5.  Aug.  1809  erinnern.  — . 

20.  August  1902. 


gänger  aus  den  amtlichen  Zählungsergebnissen  des  Ber- 
liner Polizeipräsidiums  vom  Oktober  1900  auf  den  Stunden- 
durchschnitt ermittelt  worden  sind.  Letztere  Zahlen  können 
daher  nur  annäherungsweise  in  Vergleich  gebracht  werden. 

Eine  viel  weiter  gehende  Steigerung  des  Wagenverkehrs 
im  lnneren  der  Stadt  erscheint  mit  Rücksicht  auf  die  Sicher- 
heit des  Strassenverkehres  ausgeschlossen,  und  es  dürfte 
der  Zeitpunkt  nicht  mehr  fern  sein,  dass,-  wenn  auf  den 
Hauptstrassen  die  schon  jetzt  zeitweilig  voll  besetzten 
Strassenbahnen  dem  Verkehrsbedürfnisse  nicht  mehr  ge- 
nügen können,  die  Entlastung  der  Hauptstrassen  zur  unab- 
weisbaren Nothwendigkeit  wird.  Hierfür  kommt  einerseits 
die  Herstellung  neuer  Strassenbahnen  in  Parailelstrassen, 
andererseits  der  Bau  von  Unterpflasterbahnen  infrage. 

Wenn  man  sich  die  Entwicklung  des  Berliner  Ver- 
kehres während  der  letzten  Jahrzehnte  vergegenwärtigt 
und  insbesondere  die  sich  fortdauernd  steigernde  Zunahme 
des  Verkehres  in  den  Hauptstrassen  Berlins  ins  Auge 
fasst,  dann  kann  es  kaum  zweifelhaft  erscheinen,  dass  die 
Schaffung  neuer  Massen-Beförderungsmittel  in  Gestalt  von 
Unterpflasterbahnen  in  erster  Linie  geeignet  ist,  hier  Ab- 
hilfe  zu  schaffen,  und  man  kann  im  Interesse  des  gross- 
städtischen  Verkehres  nur  wünschen,  dass  die  von  der 
Stadt  Berlin  sowie  von  Siemens  & Halske  geplanten  Unter- 
grundbahnen bald  zur  Ausführung  gelangen.  — 

M.  Dietrich,  Städt.  Strassenbahn-Ingenieur. 


Ein  neuer  Themsetunnel  bei  London  zwischen  Greenwich 
und  Millwall  ist  vor  kurzem  eröffnet  worden.  Der  rd.  375  m lange 
Tunnel,  der  durch  den  Londoner  Grafschaftsrath  in  sVajähriger 
Bauzeit  erstellt  wurde,  kostete  etwa  2,5  Mill.  M.  Der  Querschnitt 
hat  3,4  m inneren  Durchmesser.  Der  Tunnel  Hegt  etwa  19  m unter 
dem  höchsten  Wasserstande.  — 

Das  Bismarck- Gymnasium  zu  Wilmersdorf  bei  Berlin, 
mit  einem  Aufwande  von  rd.  570000  M.  nach  dem  Entwurf  der 
Hrn.  Gemeinde-Brth,  Herrnring  und  Reg.-Bmstr.  Albr.  Becker 
in  Wilmersdorf  errichtet,  besteht  aus  dem  au  der  Strasse  gelegenen 
Kiassengebäude  mit  Aula,  26  Klassenräume  für  1150  Schüler  ent- 
haltend, aus  der  Turnhalle  und  dem  Direktor-Wohnhause.  Die 
Baugruppen  sind  durch  bedeckte  hölzerne  Wandelhallen  mit  ein- 
ander verbunden.  — 

Die  Entwürfe  für  den  Neubau  der  kgl.  Bibliothek  in 
Berlin,  die  auf  dem  Gelände  der  alten  Akademie  errichtet  werden 
soll,  sind  durch  den  Hrn.  Geh.  Hofbrth.  E.  Ihne  fertiggestellt 
worden.  Das  neue  Gebäude  ist  für  etwa  5 Mill.  Bände  berechnet.  — 
Die  neue  Max-Josefs-Brücke  in  München  wird  zum  Oktober 
d.  J.  dem  Verkehr  übergeben,  Die  Bauarbeiten  hatte  die  Firma 
Säger  & Wörner  übernommen,  während  die  architektonische 
Ausgestaltung  Hrn.  Prof.  Th.  F i s c h e r in  Stuttgart  übertragen  war.  — 
Ein  neues  Postgebäude  in  München  soll  auf  dem  Maffei- 
Anger,  einem  von  der  Arnulf-,  Hopfen-,  Mars-  und  I-Iasenstrasse 
umgrenzten  Gelände  errichtet  werden,  welches  für  4,5  Mill.  M.  er- 
worben wurde.  — 

Die  Anlage  einer  Rheinuferbahn  zwischen  Köln  und  Bonn 
als  normalspurige  Bahn  im  Anschluss  an  die  Staatsbahnhöfe  Köln 
und  Bonn  und  in  Verbindung  mit  der  städtischen  Hafenbahn  in 
Köln  ist  geplant.  — ■ 

Thalsperren  im  Schwarzwald.  Das  Wiesenthal  bei  Todtnau 
und  das  kleine  Wiesenthal  bei  Maulburg  im  badischen  Schwarzwald 
sollen  durch  Thalspcrren  abgeschlossen  werden.  Die  Baukosten  der 
erstgenannten  Thalsperre  sind  mit  rd.  5 Mill.  M.  veranschlagt.  — 
Die  Eisenbahnen  von  Transvaal,  die  in  dem  kurzen  Zeit- 
räume von  10  Jahren  entstanden  sind,  besassen  im  Jahre  1898  eine 
Länge  von  1147  km,  darunter  ist  die  bedeutendste  Linie  diejenige 
von  der  Delagoa-Bai  nach  Pretoria  und  Johannesburg.  1899  ist  die 
300  km  lange  Strecke  Pretoria -Pietersburg  eröffnet  worden.  Bei 
Ausbruch  des  Krieges  im  Bau  begriffen  war  die  115  km  lange 
Strecke  Machadodorp-Karolina-Ermelo.  Das  gleiche  gilt  von  der 
350  km  langen  Strecke  Komati  Poort  (Grenzstation  der  Delagoa- 
bahn)  nach  Leydsdorp,  von  der  _z.  Zt.  114  km  ausgeführt  sind.  — 
Die  Errichtung  einer  Bismarcksäule  bei  Heidelberg  ist 
durch  Sammlungen  eingeleitet,  die  nunmehr  zu  einem  befriedigen 
den  Abschluss  gekommen  sind.  Das  Denkmal  wird  am  West- 
abhange  des  Heiligenberges  errichtet.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Bfhr.  J a b o r g ist  z.  Mar.-Masch.- 
Ptnstr.  ernannt.  — Die  Reg.-Bmstr.  Fr.  Heinrich  und  Paul 
Grub  eck,  die  Ing.  Treptow  und  Gent  sch  sind  zu  kais. 
Reg.-Rätben  und  Mitgl.  des  Pat.-Amtes  ernannt. 

Preussen.  Dem  Prof.  Kämmerer  an  der  Techn.  Hoch- 
schule in  Berlin  ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  und  dem  Ing. 
Brth.  Th.  Holz  mann  in  Frankfnrt  a.  M.  der  kgl.  Kroneo-Örden 
III.  KL,  den  Landesbauinsp.  W e y 1 a n d in.  Bonn  und  Müsset  in 
Düsselorf  ist  der  Chan  als  Brth.  verliehen. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Herrn.  Werner  in  Schmiedeberg,  Jos. 
Höven  er  in  Beverungen,  Wilh.  Brandes  in  Lübeck,  Emil 
Friedrich  in  Breslau,  Arth,  Przygode  in  Charlottenburg, 
Erich  Metzeltin  in  Hannover,  Karl  Kühne  in  Westend-Berlin, 
Rieh.  Albrecht  in  Berlin,  Hans  Bauer  in  Halle  a.  S.,  Walter 
Hö  lisch  in  Breslau,  Erich  Bogatsch  in  Nürnberg  und  Paul 
Schmidt  in  Münster  i.  W.  ist  die  nachges.  Entlass,  aus  dem 
Staatsdienste,  dem  Re^.-Bmstr.  Max  Benetsch  in  Droyssig  die 
Entlass,  aus  dem  Dienste  der  aUgem.  Bauverwaltg.  ertheilt. 

Der  Eisenb.-Dir.  R o h d e in  Glückstadt  und  der  Reg.-Bfhr. 
Stamm  er  in  Hamburg  sind  gestorben. 


431 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anmerkung  der  Redaktion.  Die  Anfragen  für  unseren  Brief- 
und  Fragekasten  häufen  sich  in  der  letzten  Zeit  in  einer  solchen 
Weise,  dass  die  Beantwortung  derselben  bei  dem  bescheidenen' 
Raum,  den  wir  dieser  nur  zur  Verfügung  stellen  können,  sich  gegen 
unseren  Willen  vielfach  verzögert.  Wir  sehen  uns  daher  zu  der 
Bemerkung  genöthigt,  dass  wir  nur  noch  die  Anfragen  von  all- 
gemeinem Interesse  berücksichtigen  können,  welchen  der 
Nachweis  des  Bezuges  unseres  Blattes  beigefügt  ist. 
Wenig  Aussicht  auf  Beantwortung  haben  ausserdem  die  Anfragen, 
deren  Erledigung  auf  dem  Wege  der  Anzeige  möglich  ist,  Grund- 
sätzlich sollte  der  Briefkasten  nur  dann  in  Anspruch  genommen 
werden,  wenn  andere  Wege  versagen.  — 

Hrn.  B.  in  C.  Bis  zum  gegenwärtigen  Zeitpunkt  ist  die  Ab- 
wasser-Reinigung durch  Rieselung  anerkanntermaasen  das  voll- 
kommenste Verfahren  sowohl  bei  Beurtheilung  vom  hygienischen, 
als  vom  wirthschaftlichen  Standpunkte  aus.  Ausnahmen,  welche 
voriiegen  und  auf  Besonderheiten  der  Verhältnisse  beruhen,  ändern 
an  dieser  Thatsache  nichts.  Voraussetzung  f'ür  günstigen  Erfolg 
der  Rieselung  ist  die  Möglichkeit  des  Erwerbes  von  geeignetem 


dem  Vorzüge  nicht  Uebelstände  besonderer  Art  eintreten; 
zu  letzteren  gehört  namentlich  die  Erzeugung  und  Anhäufung  grosser 
unverwerthbarer  oder  lästig  werdender  Schlammassen. 

Die  bisher  am  meisten  angewendete  chemisch-mechanische 
Klärung  benutzt  Aetzkalk,  zuweilen  für  sich  allein,  zuweilen  unter 
Mitbenutzung  von  schwefelsaurer  Thonerde  und  noch  anderen 
Stoffen.  Diesem  Klärverfahren  haften  zwei  grosse  Uebelstände  an: 
Vermehrung  der  Schlammengen  und  Schwierigkeiten  der  Be- 
handlung und  Beseitigung  derselben,  ferner  Zuführung  grosser 
Mengen  von  ungelöstem  Aetzkalk  zu  dem  als  Vorfluth  benutzten 
offenen  Gewässer.  Wenn  dieses  klein  ist,  können  daraus  un- 
leidliche Zustände  entstehen.  Entsprechend  hat  das  Verfahren 
der  Klärung  mit  Aetzkalk  an  Ansehen  sehr  eingebüsst  und  ist, 
nachdem  ihm  neuerdings  andere,  bessere  Verfahi'en  zurseite  getreten 
sind,  heute  im  Absterben  begriffen. 

Ausser  durch  da.s  Auftauchen  der  biologischen  Reinigungs- 
verfahren, die  sich  noch  ini  Entwicklungsstadium  befinden,  aber 
inbezug  auf  die  Befreiung  der  Schmutzwasser  von  Keimen  nichts 
leisten,  ist  eine  Wandlung  in  der  Lösung  der  Abwasserreinigungs- 
Aufgabe  auch  insofern  eingetreten,  als  die  Gesundheits-Behörde  von 
dem  früheren  strengen  Standpunkte:  dass  nur  desinfizirte  Wasser 


Entwürfe  zu  schmiedeisernen  Mauerzierankern  von  Architekt  Otto  Schulze-Köln  in  Darmstadt. 


Riesellaod  in  nicht  zu  grosser  Entfernung  und  Sicherung  aus- 
reichender Vorfluth;  beide  Ansprüche  müssen  auch  mit  massigen 
Geldmitteln  erfüllbar  sein.  Zahlreiche  Nebenansprüche,  welche  bei 
Einrichtung  von  Rieselung  auftreten,  können  füglich  auf  sich  be- 
ruhen bleiben. 

Die  Reinigung  der  Abwässer  durch  Klärung  kann  entweder 
eine  blos  mechanische  oder  eine  mechanisch-chemische 
sein.  Bei  ersterer  handelt  es  sich  um  Entfernung  der  in  den  Ab- 
wässern im  ungelösten  Zustande  vorhandenen  Fremdstoffe,  während 
Einwirkung  auf  die  gelösten  Stoffe  und  auf  den  Keimgehalt  des 
Wassers  nicht,  oder  nur  in  geringem  Maasse  stattfi'ndet.  Die 
mechanische  Klärung  leistet  daher  im  hygienischen  Sinne  Minder- 
werthiges;  sie  befriedigt  gewissermaassen  nur  das  Auge,  doch  auch 
die  Ansprüche,  welche  mit  Bezug  auf  den  Schutz  der  zur  Vorfluth 
zu  benutzenden  Gewässer  gegen  sichtbare  — grobe  — Verun- 
reinigungen zu  erheben  sind.  — Das  chemisch-mechanische 
Klärverfahren  geht  darauf  hinaus,  ausser  den  ungelösten  auch  die 
gelösten  Fremdstoffe  und  dazu  die  Keime,,  welche  die  Abwässer 
enthalten,  in  möglichst  weitgehendem  Maasse  zu  entfernen.  Wo 
dieser  Zweck  hinreichend  erfüllt  wird,  steht  die  chemisch-mecha- 
nische Klärung  der  mechanischen  in  dem  Falle  voran,  daös  neben 


in  offene  Gewässer  eingeleitet  werden  dürften,  mehr  und  mehr 
aufgiebt  und  heute  sich  vielfach  schon  mit  der  blos  mechanischen 
Klärung  begnügt.  Wenigstens  geschieht  dies  Städten  gegenüber, 
die  ein  einigermaassen  grosses  offenes  Gewässer  mit  nicht  zu  ge- 
ringer Wassergeschwindigkeit  zur  Verfügung  haben.  Marburg, 
Kassel,  Hannover,  Köln,  Karlsruhe,  Mannheim  usw.  bilden  bekannt 
gewordene  Beispiele. 

Einerseits  hieraus,  andererseits  aus  der  zu  erwartenden  Ver- 
vollkommnung der  neueren  Klärverfahren  ist  die  Auffassung  be- 
gründbar, dass  die  Städte  von  der  Zukunft  eine  Erleichterung  der 
Wasserreioigungs- Aufgabe  zu  erwarten  haben,  und  dass  die  bisherige 
Minderwerthigkeit,  welche  die  Klärverfahren  gegenüber  der  Rieselung 
besassen,  mehr  und  mehr  schwinden  wird.  — 

Inhalt:  Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  den  Bau 
eines  neuen  Rathhauses  in  Kassel.  — Der  Strassenbahnverkebr  in  Berlin 
und  seinen  Vororten.  — Vermischtes.  — Preisbewerbtmgea.  — Chronik.  — 
Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten.  — . Entwürfe  zu  schmied- 
eisernea  Mauerzierankern  von  Architekt  Otto  Schulze-Köln  in  Darmstadt. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitun^  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greye,  Berlin, 

No.  67. 


433 


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EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  ^ 
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««rsrSKStst^ststsssrstat* 

AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2;  68.  ^ 
DEN23.AUG.1g02.  * 


Das  „Haus  des  Baumeisters“ 
in  Rothenburg  o.  T.  eine  deutsche 
Baumeister-Herberge.*) 

nter  den  deutschen  Städten  hat  wohl 
keine  den  alten  Charakter  so  treu  er- 
halten, bietet  wohl  keine  andere  auf 
engem  Raume  eine  solche  Fülle  male- 
rischer Durchblicke,  reizvoller  Archi- 
tekturbilder, wie  das  kleine  Landstädtchen  Rothen- 
burg im  idyllischen  T aubergrunde.  Manche  Kämpfe 
hat  die  einstige  freie  Reichsstadt  ausfechten,  manche 
Stürme  im  30jährigen  Kriege  über  sich  ergehen 
lassen  müssen,  während  dessen  sie  mehrfach  be- 
lagert und  genommen  wurde.  Der  „Meistertrunk“ 
ihres  Bürgermeisters  soll  die  Stadt  1631  von  der 
Zerstörung  durch  Tilly  errettet  haben,  ln  späterer 
Zeit  hat  die  Lage  des  Städtchens  abseits  von  der 

(grossen  Heerstrassc  des  Verkehres  ihm  seine  be- 
schauliche Ruhe  erhalten  und  es  davor  bewahrt, 
sein  vielleicht  etwas  enges,  aber  behagliches  und 
nur  ihm  eigenthümliches  Gewand  einzutauschen 
gegen  ein  bequemeres,  aber  weniger  charakte- 
ristisches modernes  Kleid.  Als  dann  der  Sinn 
für  volksthümliche  Kunst  wieder  geweckt  war, 
als  Maler  und  Architekten  auszogen,  „Motive“  zu 
sammeln  und  hierbei  Rothenburg g^ewissermaassen 
neu  entdeckten,  da  hat  kunstverständiger,  an  der 
lleimath  hängender  Bürgersinn  die  Erhaltung  des 
alten  Städtebildes,  die  Pflege  des  von  den  Vätern 
überkommenen  Erbtheiles  sich  zur  Aufgabe  ge- 
macht, und  die  Stadt  Rothenburg,  der  von  Bür- 
gern gegründete  Verein  „Alt-Rothenburg“  haben 
gethan,  was  in  ihren  Kräften  stand.  So  ist  vieles 
geschehen  und  an  die  Opfcrwilligkeit  der  Bürger 
des  Städtchens,  das  jetzt  kaum  8000  Einwohner 
zählt,  sind  hohe  Anforderungen  gestellt  worden, 
da  dieses  bisher  in  der  Hauptsache  auf  eigene 
Kraft  angewiesen  war  und  ihm  namentlich  eine 
Beihilfe  durch  den  bayerischen  Staat  nicht  ge- 
währt worden  ist. 

Auf  die  Dauer  ist  aber  die  Stadt  dieser  Auf- 
gabe nicht  gewachsen  und  gerade  jetzt  droht 
Gefahr,  dass  vielleicht  unter  dem  Zwange  der 
wirthschaftlichen  Lage  eine  Lücke  gerissen  wird 
in  das  bisher  pietätvoll  Erhaltene,  dass  eines  der 
schönsten  Rothenburger  Bürgerhäuser,  das  be- 
kannte „Haus  des  Baumeisters“  in  der  oberen 
Schmiedgasse  No.  343,  dessen  bisheriger  Besitzer 
verstorben  ist,  zwecks  besserer  VenA'erthung 
modernisirt,  d.  h.  also  seines  besonderen  Reizes 
beraubt  wird.  Denn  gerade  in  diesen  behaglichen, 
nur  als  Wohnung  für  eine  Familie  dienenden 
Bürgerhäusern,  von  denen  das  wahrscheinlich 
im  Jahre  1596  entstandene  Baumeisterhaus  das 
schönste  und  in  seiner  gesammten  Raumein theilung 
des  Inneren  best  erhaltene  ist,  liegt  das  Eigen- 
thümliche  der  Stadt  Rothenburg  im  Gegensätze 
zu  anderen  alterthümlichen  Städten,  wie  Nürnberg, 
Augsburg  usw.,  in  denen  von  den  Profanbauten 
namentlich  die  vornehmen  Häuser  der  reichen 

*)  Die  Ansichten  des  Aeusseren  und  voin  Hofe  des  Hauses 
sind  dem  schönen,  soTafeln  umfassenden  Bildwerke  „Malerische 
Architekturstudien  von  Rothenburg  ob  der  Tauber*,  photogra- 
phische Original-Aufnahmen  nach  der  Natur,  in  Lichtdruck 
herausgegeben  von  Hofphotograph  Arch.  Hermann  ROckwardt 
in  Berlin,  Verlag  von  P.  Schimmelwitz  in  Leipzig,  Preis  40  M., 
entnommen.  Die  Grundrisse  und  Schnitte  sind  den  Aufnahmen 
des  bekannten  Werkes  von  A.  Ortwein,  die  Deutsche  Re- 
naissance, nacbgcbildct. 


433 


Kaufherren  mit  ihren  Kontoren  und  geräumigenWaaren- 
kellem  auf  uns  überkommen  sind. 

Um  dieses  Haus  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt 
zu  erhalten  und  zwar  so,  dass  es  der  Allgemeinheit 
zugänglich  bleibt,  hat  der  bayerische  Architekten-  und 
Ingenieur-Verein  die  Anregung  gegeben,  der  „Verband 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine“  möge 
hier  helfend  eintreten  und  das  „Haus  des  Baumeisters“ 
erwerben,  um  es  als  Verbands-  und  im  weiteren  Sinne 
vielleicht  als  Architekten-  und  Künstler-Herberge  her- 
zurichten. Die  Abgeordneten-Versammlung  des  Ver- 
bandes, die  Ende  August  in  Augsburg  tagt,  wird  sich 
mit  dieser  Frage  zu  beschäftigen  haben.  Wohl  be- 
sitzt  '.der  Verband  kein  nennenswerthes  Vermögen, 
aber ' sollten  seine  fast  7200  Mitglieder  nicht  in  der 
Lage  sein,  für  einen  solchen  Zweck  durch  eine  frei- 
willige Beisteuer  die  Mittel  aufzubringen? 

Gefordertwerden  für  dasHaus  32000  M.,  von  denen 
jedoch  nur  die  Hälfte  baar  zu  zahlen  ist,  während  der 
Rest  alsHypothek  einzutragen  seinwürde.  Die  nothwen- 
dige  gründlicheHerstellung  desBaues  (der Giebelaufbau 


Zur  Angelegenheit  des  Heidelberger  Schlosses. 


(FortsetzuDg  statt  Schluss  aus  No.  54.)  Hierzu_die  Abb.  S.  436,  438  u.  43g. 
|aupt  giebt  zunächst  den  Wortlaut  des  berühmten 
Kontraktes,  des  „Dreh-  und  Angelpunktes  der  ge- 
sammten  Baugeschichte  des  Otto  Heinrichsbaues" 
wieder,  welcher  am  7.  März  1558  mit  dem  Bildhauer 
Alexander  Colins  aus  Mecheln  abgeschlossen  wurde  und 
geht  dann  zum  Otto  Heinrichsbau  selbst  über.  Das 
Werk  des  Schlossbaubureaus  nennt  er  mit  Recht  „eine 
künstlerische  und  kunsthistorische  That  ersten  Ranges; 
wie  mich  dünkt,  eine  der  vorzüglichsten  und  gewissen- 
haftesten zeichnerischen  Veröffentlichungen,  welche  je 
über  historische  Bauwerke  erschienen  sein  mögen;  ich 
betrachte  es  sogar  als  das  Grösste  in  erhaltendem  und 
erkennendem  Sinne,  was  bisher  für  das  Heidelberger 
Schloss  geschehen  ist“.  Die  Untersuchung  über  den  Otto 
Heinrichsbau  wird  in  sehr  eingehender  historischer  und 
stilistischer  Weise  geführt  und  sie  gipfelt  in  dem  Ergeb- 
niss  (S.  68):  „Die  nach  völlig  italienischem  Vorbild  kom- 
ponirte  Fassade  ist  von  einem  italienischen  Bildhauer  aus- 
geführt, von  einem  vlämischen  umgeformt  und  bereichert; 
von  Deutschem  ist  an  ihr  kaum  eine  Spur,  nur  die  herr- 
liche Lage  und  Umgebung,  das  wunderschöne  Material, 
die  Bestimmung,  die  mithelfenden  Handwerker,  vor  Allem 
aber  die  echt  deutsche  Gestalt  seines  Bauherrn  und 


ist  1901  vom  Verein  Alt-Rothenburg  wiederhergestellt), 
die  etwa  8 — loooo  M.  erfordert,  würde  die  Stadtge- 
meinde voraussichtlich  selbst  übernehmen,  der  ausser- 
dem Staatshilfe  in  Aussicht  steht,  wenn  das  Haus  in 
sichere  Hände  kommt.  Die  unteren  Räume  würden 
zu  vermiethen  sein  und  es  könnten  hieraus  die  Kosten 
für  die  laufende  Unterhaltung,  die  Abgaben  usw.  be- 
stritten werden,  sodass  also  nur  die  Verzinsung  noch 
weiterhin  vom  Verbände  aufzubringen  wäre,  während 
die  Einnahmen  aus  den  oberen  Räumen  der  Einrich- 
tung des  Hauses  zugute  kommen  würden.  — 

Das  „Haus  des  Baumeisters“  durch  deutsche 
Baumeister  und  für  deutscheBaumcister  erhalten ! Möge 
dieser  schöne  Gedanke  zur  That  werden!  — -Fr.  E. 


Schöpfers  mit  seiner  ebenso  deutschen  Sehnsucht  nach 
dem  sonnigen  Süden,  dem  goethe’schen  Heimweh  nach 
Italien,  welches  wohl  erst  mit  dem  letzten  Deutschen 
sterben  wird.  Dieser  Sehnsucht  echtestes  sichtbares  Er- 
innerungsmal bleibt  der  Otto  Heinrichsbau  für  immer; 
eine  Blume,  herübergeweht  aus  dem  Garten  der  Este,  wo 
der  Dichter  des  befreiten  Jerusalem  wandelte:  Goethes 
Tasso  in  Stein.“  Um  diesen  italienischen  Ursprung  des 
Baues  nachzuweisen,  giebt  Haupt  einmal  die  Seite  438 
wiedergegebene  zweigeschossige  Fassade  des  Palazzo 
Roverella  zu  Ferrara,  stellt  ihr  den  dreigeschossigen  Otto 
Heinrichsbau  gegenüber,  wie  er  nach  seiner  Meinung  nach 
dem  ältesten  Entwurf  ausgesehen  haben  würde  (Seite  439), 
und  bezeichnet  zum  anderenden  1502  geborenen  Pfalzgraten 
bei  Rhein  Otto  Heinrich  als  einen  „echten  Renaissance- 
Fürsten  (s.  oben),  einen  leidenschaftlichen  Anhänger 
des  Humanismus,  einen  ausserordentlichen  Freund  der 
bildenden  Künste,  vor  allem  der  Baukunst,  und  einen 
Förderer  der  erwachenden  Renaissance“  (S.  14).  Nun  ist 
aber  schon  aus  dem  rhetorischen  Schwung  der  vorhin  ange- 
führten Stelle  ohne  alle  Zweifel  zu  erkennen,  dass  Haupt, 
wie  es  in  den  geschichtlichen  und  kunstgeschichtlichen 
Untersuchungen  hier  und  da  vorkommt,  bei  seinen  Nach- 
forschungen von  einem  Lieblingsgedanken  geleitet  wird  und 
dass  er  zugunsten  dieses  Lieblingsgedankens,  sicher  unbe- 
wusst, sein  Material  sucht  und  gruppirt.  Der  beste  Beweis 

No.  68. 


434 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


VI.  Die  Ausstellung  des  „Vereins  deutscher  Port- 
land* Cement-Fabrikanten“  und  des  „Deutschen 

Beton-Vereins."  *)  {Fortsetzung  statt  Schluss.) 

Is  vor  etwa  20  Jahren  die  ersten  Betonbrücken  in 
Deutschland  ausgeführt  wurden**),  da  handelte  es 
sich  im  wesentlichen  um  Bauten  kleineren  Umfanges 
und  namentlich  um  schiefe  Brücken,  bei  denen  die  Einfach- 
heit der  Herstellung,  wie  schon  erwähnt,  gegenüber  der 
Schwierigkeit  der  Steinschnittlösung  bei  gewölbten  Brücken 
aus  Haustein  oder  Ziegeln  den  Betonbau  besonders  vor- 
theilhaft  erscheinen  liess.  Seitdem  ist  aber  mit  dem  Fort- 
schritt in  der  Portlandzement-Erzeugung,  welcher  die  Her- 
stellung eines  feingemahlenen,  ganz  gleichmässigen  Mate- 
rials und  damit  auch  eines  Betons  von  grösserer  Zuver- 
lässigkeit und  höherer  Festigkeit  ermöglichte,  der  An- 
wendung des  Betons  im  Brückenbau  ein  weites  Feld  er- 
öffnet worden,  wobei  in  gleicherweise  die  Kostenfrage 
und  die  Bauzeit  zu  Gunsten  des  Betons  häufig  den  Ausschlag 
gegeben  haben.  Dazu  kam  später  die  Einführung  der 
Maschinen-Arbeit  zur  Betonbereitung,  die  wiederum  ein 
gleichmässigeres  Baumaterial  gewährleistet;  ferner  die 
bessere  Erkenntniss  von  den  Eigenschaften  des  Betons  und 
der  Betongewölbe,  wie  sie  durch  die  Versuche  von  Hartig, 
Bauschinger  und  namentlich  Bach,  sowie  durch  die 
verdienstvollen  Arbeiten  des  Gewölbe-Ausschusses 
des  österreichischen  Ing.-  und  Arch.-Vereins  ge- 
wonnen wurde. 

Während  man  anfänglich  sich  hinsichtlich  der  Pressun- 
gen in  den  Grenzen  der  Beanspruchung  eines  guten  Klin- 

•)  Zu  unseren  AusfQhrungen  in  No.  66  sei  bemerkt,  dass  sich  die 
Arbeiten  der  Grabower  Zementstein-Fabrik  „Comet“  nicht  auf  der  Fahr- 
bahn der  Ausstellangsbrftcke,  sondern  auf  dem  von  der  Firma  Dycker- 
hoff & Widmann  besonders  ansfestellten  Strassenquerschnitt  befinden.  Die 
Brückenbahn  ist  von  letzterer  Firma  selbst  hergestellL  — Das  Mischimgsver- 
baltniss  1:7:9,  das  für  den  Lichteoberger  Wasserbehälter  angegeben  wurde, 
bezieht  sich  nur  anf  die  Sohle.  Wände  und  Decken  sind  in  1 : 6 : 6 erstellt.  — 

**)  Die  erste  Betonbrücke  Oberhaupt  ist  1816  in  Romanzementbeton 
bei  Souillac  Ober  die  Dordogne  hergesteUt  worden. 


Abbildg.  7.  EisenbahnbrQcke  über  den  Braunaubach.  (Spw.  12  m.) 


dafür  ist  die  merkwürdige  Stelle  S.  47  seiner  Schrift,  wo  er 
die  Berechtigung  des  von  ihm  herrührenden  Fassaden- 
Entwurfes,  den  wir  S.  439  wiedergeben,  gewissermaassen 
als  Dokument  für  die  frühesten  Bauabsichten  am  Otto 
Heinrichsbau,  mit  den  Worten  belegt;  „Fassen  wir  nun 
alle  die  Theile,  welche  dem  ersten  Arbeitsplan  angehörig, 
meist  fertig  Vorlagen,  nochmals  zusammen,  ergänzen  wii 
dazu  die  unentbehrlichen  glatten  Profile,  nämlich  ganz 
einfache  Fenstergewände  und  horizontale  Fensterver- 
dachungen, die  dorischen  Kapitale  des  Erdgeschosses  und 
alle  Pilasterfüsse,  nehmen  wir  an,  dass  das  Portal  nur 
zwei  Karyatiden  an  den  Seiten  haben  sollte  (denn  vier 
hatten  ja  ursprünglich  nicht  Platz,  und  um  sie  anbringen 
zu  können,  drängte  man  die  flankirenden  Pilaster  im  Erd- 
geschoss auseinander),  geben  wir  diesem  Portal  den  noth- 
wendigen  Bogen  und  glattes  Gebälk  mit  Kropf  über  jeder 
Karyatide,  so  ergiebt  dies  merkwürdiger  Weise,  zu- 
sammengesetzt unter  Beibehaltung  der  Stockwerkshöhen, 
eine  ganz  vollständige  und  wohlabgewogene  Fassade  — 
aber  zu  unserem  Erstaunen  in  ausgeprägter  italienischer 
Frührenaissance.“  Mit  kurzen  Worten  ist  hier  der  fol- 
gende Vorgang  festzustellen:  Der  Verfasser  scheidet  aus 
einer  nach  unserer  Meinung  ganz  unzweifelhaft  unter 
dem  Einfluss  des  nordischen  gothischen  (vlämischen  oder 
deutschen)  Vertikalismus  entstandenen  Fassade  alles  nor- 
dische aus  und  ergänzt  die  Fassade  durch  italienische  Ein- 

23.  August  1902. 


kers  hielt,  sind  später  Brücken  ausgeführt  worden,  bei  denen 
die  Beanspruchung  fast  4o^&/qc™  erreicht  (Neckarbrücke 
bei  Neckarhausen,  bei  der  Ausstellungsbrücke  von  Düssel- 
dorf sogar  47*'g/qc“i),  also  derjenigen  besten  Werksteins 
gleich  kommt.  Und  aus  den  kleinen  Spannweiten  sind  Weiten 
bis  zu  50“  geworden,  bei  denen  gleichzeitig  das  Pfeil- 
verhältniss  bis  unter  Vio  (Donaubrücke  Munderkingen  Vio. 
Neckarbrücke  Neckarhausen  i/iu  Ausstellungsbrücke  1/14,5) 
heruntergedrückt  worden  ist.  Die  höhere  Beanspruchung 
des  Betons  bedingt  allerdings  auch  einen  höheren  Zement- 
zusatz, sodass  dadurch  die  Kosten  wieder  erhöht  werden. 
Während  Dyckerhoff  etwa  ein  Mischungsverhältniss  von 
I Theil  Zement  auf  5 — 6 Theile  Kiessand  und  5 — 6 Theile 
Kiessteine  bezw.  festen  Steinschlag  vorschlägt  (wobei  für 
die  Festigkeit  in  erster  Linie  das  Mischungsverhältniss  des 
Zementes  zum  Sande  maassgebend  ist),  hat  das  Gewölbe 
der  Brücke  von  Munderkingen  z.  B.  ein  Mischungsverhält- 
niss von  1:21/20  erhalten.  Man  wird  also  in  jedem  Ein- 
zelfalle über  das  zweckmässigste  Mischungsverhältniss  be- 
sondere Erwägungen  anstellen  müssen. 

Schliesslich  hat  der  Betonbrückenbau  auch  an  den 
Fortschritten  der  Ausführung  der  gewölbten  Brücken  über- 
haimt,  wie  sie  namentlich  dem  verstorbenen  Präs.  Leibbrand 
in  Stuttgart  zu  verdanken  sind,  theilgenommen.  Die  flach- 
gespannten Brücken  sind  dementsprechend  zumeist  mit 
Gelenken  am  Kämpfer  und  dem  Scneitel  ausgestattet  und 
es  sind  dann  die  Querschnitte  genau  der  Beanspruchung 
entsprechend  gestaltet,  sodass  die  von  den  Steingewölben 
abweichende  Form  entstand  mit  der  grössten  Querschnitts- 
stärke an  der  Bruchfuge,  also  mit  einer  Schwellung  jedes 
Gewölbeschenkels  zwischen  Scheitel  und  Kämpfer. 

Neben  der  schon  genannten  Firma  Dyckerhoff  & 
Widmann  in  Biebrich  a,  Rh.  pflegen  den  feetonbrücken- 
bau  in  Deutschland  namentlich  Liebold  & Co.  in  Holz- 
minden (1873  gegründet),  Way  SS  & Frey  tag  (früher  Frey- 
tag & Heidschuch,  gegründet  1875)  in  Neustadt  a.  d.  Haardt 
und  die  A.-G.  für  Beton-  und  Monierbau  in  Berlin. 


Abbildg.  8.  Strassenbrücke  bei  Krapina.  (Spvsr.  19,3111.) 


zelheiten;  dadurch  erhält  er  eine  italienische  Fassade. 
Nichts  ist  natürlicher  als  das;  wo  bleiben  aber  bei  so 
starken  subjektiven  Unternehmungen  die  objektiven  That- 
bestände?  Unseres  Erachtens  ist  es  nicht  ohne  Gefahr, 
an  so  schwierige  Untersuchungen  mit  einem  so  entwickelten 
Subjektivismus  heranzutreten.  Das  bezieht  sich  auch  auf 
die  Charakterisirung  des  Trägers  des  Baugedankens,  'des 
Pfalzgrafen  Otto  Heinrich.  Er  machte  Tn  den  Jahren 
1519— 1520  seine  erste  grosse^Reise  nach  Italien.  „i5[9 
war  der  Palast  Roverella  aber  noch  neu  und  stand  ohne 
Zweifel  im  Mittelpunkt  des  Interesses“  (S.  50).  Ist  es  nun 
menschlich  denkbar^  dass  ein  i7jähriger  Prinz,  der  den 
Kopf  mit  anderen  Dingen  voll  hatte  und  der  zudem  „durch 
des  Kaisers  Majestät  zum  künftigen  Vizekönig  von  Neapel 
bestimmt  wurde  und  sich  zunächst  auf  diesenBerufvor- 
bereitete"  (S.  51),  sich  schon  mit  so  schwerwiegenden 
Baugedanken  wie  die  Errichtung  des  Otto  Heinrichsbaues 
in  dem  ihm  vom  nationalen  Standpunkte  immerhin  fremden 
italienischen  Stil  getragen  haben  könnte? 

Vielmehr  möchten  wir  da  einer  interessanten  Anregung 
folgen,  die  Haupt  auf  S.89  seines  Werkes  giebt.  Er  fragt  hier, 
„ist  historisch  irgend  ein  Anhaltspunkt  dafür  gegeben,  dass 
Otto  Heinrich  den  nach  ihm  genannten  Bau  auch  wirklich 
von  Anfang  an  erdacht  und  begonnen  habe?  — Es 
findet  sich  nirgends  auch  nur  ein  Schimmer  da- 
von. Vielmehr  trägt  der  Bau  seinen  berühmten  Namen 


435 


Besonders  reichhaltig  ist  auf  diesem  Gebiete  die  Aus- 
stellung der  Firma  Wayss  & Freytag.  Wir  führen  in 
Abbildg.  6 die  schon  melirfach  erwähnte  Neckarbrücke 
bei  Neckarhausen  vor,  die  bei  50“  Spannweite  nur 
4,5  “ Stich,  also  ein  PfeUverhältniss  von  Vn  aufweist.  Sie 
kommt  demnach  der  Donau-Brücke  bei  Munderkingen,*) 
die  1893  erste  derartig  weit  gespannte  Stampfbeton- 
brücke von  Leibbrand  erbaut  wurde,  an  Spannweite  gleich, 
übertrifft  sie  aber  noch  an  Kühnheit  des  rfeilverhältnisses. 
Sie  zeigt  ausserdem  offene  Stahlgelenke  (wie  die  Donau- 

*)  Vgi  Dtscbe.  Bztg.  1894  S.  4^. 


Brücke  von  Inzigkofen  von  Leibbrand-Sigmaringen),  wäh- 
rend die  Gelenke  der  Brücke  von  Munderkingen  nach- 
träglich vergossen  wurden. 

Eine  grössere  Stampfbetonbrücke  mit  Granitgelenken, 
die  Volme-Brücke  bei  Hagen,  von  25“  Sp.-W.,  stellt  im  Modell 
die  Firma  Hüser  & Cie.  in  Oberkassel  aus,  desgl.  Zeich- 
nungen und  Photographien  Liebold  & Co.  in  Holzminden. 
Diese  Firma  hat  ausserdem,  seiner  Zeit  als  erste  in  Deutsch- 
land, eine  Sonderheit  der  Ausführung  aufgenommen,  die 
man  als  ein  Mittelding  zwischen  dem  Steinbau  und  der 
Stampfbeton-Herstellung  betrachten  kann,  die  Ausführung 


nach  dem  Thesaurus  picturarum  u.  nach  Haupt. 


Gestalt  der  Giebel  aes 


allein  und  ausschliesslich  wegen  der  Inschrift  über 
dem  Portal'*  (S.  89}.  Dagegen  trieb  Otto  Heinrichs  Vor- 
gänger das  Bauen  im  Uebermaass  bis  zur  gänzlichen  Er- 
schöpfung seiner  Mittel. 

Ein  Umstand  von  grösster  Wichtigkeit,  auf  den  aufmerk- 
sam gemacht  zu  haben,  wir  Haupt  allen  Dank  wissen,  ist  in 
diesem  Zusammenhang  die  Bedeutung  des  gläsernen  Saal- 
baues für  die  Urheberschaft  des  O tto  Heinrichsbaues.  „Dieser 
Bau  empfängt  sein  gesammtes  Licht  nicht  erst  seit  dem  letz- 
ten Umbau,  sondern  ganz  ursprünglich,  von  der  Nord-  und 
Ostseite.  Die  Südseite  wird  durch  den  Treppenthurm,  der 
gleichzeitig  auch  für  den  Otto  Heinrichsbau  zur  Zugänglich- 
machung der  oberen  Stockwerke  dient,  in  zwei  ziemlich 
gleiche  Theile  zerschnitten,  von  denen  der  westliche  mit 
seinem  malerischen  Giebel  und  seiner  dreigeschossigen 
Halle  als  eine  prächtige  Schauseite  ausgebildet  ist".  Der 
östliche  Theil  dagegen  ist  so  unansehnlich  wie  möglich, 
nur  in  verputztem  Bruchsteingemäuer  hergestellt  und 
„sichtlich  nicht  darauf  eingerichtet,  auf  die  Dauer  mit  dem 
wunderbar  malerischen  westlichen  Theile  zusammen  ge- 
sehen zu  werden“.  Es  bestehen  also  die  beiden  Möglich- 
keiten, dass  der  gläserne  Saalbau  von  Anfang  an  durch 
den  Ludwigsbau  verdeckt  war,  „was  nicht  recht  wahr- 
scheinlich ist  und  bestritten  wird“,  oder  dass  hier  ein  vor- 
läufiger Zustand  nur  bestand  und  der  gläserne  Saalbau 
bestimmt  war,  nur  zur  Hälfte  sichtbar  die  Ecke  auszu- 
füllen und  „als  vorspringende  Flankirung  zu  dienen  für  den 
Otto  Heinrichsbau“.  Aus  dieser  Sachlage  zieht  Haupt  im 
Widerspruch  zu  einer  früheren  Annahme  eine  durchaus 
einleuchtende  Schlussfolgerung,  indem  er  sagt  (S.  89): 
„Zusammengehalten  mit  der  eigenthümlichen  Anlage  des 
gläsernen  Saalbaues  und  damit,  dass  Friedrich  II.  in  ganz 
gleicherweise,  wie  sein  Neffe  und  Nachfolger  Otto  Heinrich 
nicht  nur  baulustig  im  höchsten  Grade,  sondern  auch  weit- 
gereist und  gewandert  war,  dass  er  Spanien  und  Italien 
auf  das  Genaueste  kannte  und  zwar  bereits  lange  Jahr- 
zehnte, dass  er  am  Hofe  Kaiser  Karls  V.  in  Granada  und 


in  Toledo  sich  öfters  aufgehalten,  führen  die  Umstände  noth- 
wendig  auf  den  Schluss  hin,  dass  bereits  Friedrich  II. 
den  nach  Otto  Heinrich  genannten  Palast  ge- 
wollt, geplant  und  begonnen  habe.  Mangelte  es 
doch  sehr  diesem  prachtliebenden  Fürsten  an  emer  re- 
präsentativen Wohnung,  und  hatte  er  sich  sofort  als  Kur- 
fürst den  engen  und  düsteren  Ruprechtsbau  für  diesen 
Zweck  einigermaassen  ausgestattei“. 

Lässt  sich  nun  diese  nichts  Unwahrscheinliches  be- 
sitzende Annahme  Haupts  begründen,  dann  braucht  man 
nicht  mehr  so  zwangvolle  Gründe  herbeizuziehen,  um  die 
Thatsache  des  italienischen  Urgedankens  der  Fassade 
des  Otto  Heinrichsbaues  mit  dem  — wir  wiederholen  es  — 
unzweifelhaft  nordischen  (vlämisch  oder  deutsch)  Charakter 
der  heutigen  Ausführung  zusammenzubringen.  Denn  Haupt 
schliesst  mit  Recht,  wenn  schon  Friedrich  II.  des  Otto 
Heinrichsbaues  als  Wohnpalast  bedurfte  und  ihn  begann, 
dann  läge  ein  längerer  Zeitraum  zwischen  dem  Stillstände 
der  Arbeiten  Friedrichs  II.  und  ihrer  Wiederaufnahme 
durch  Otto  Heinrich.  Es  hätte  der  gläserne  Saalbau 
7 — 8 Jahre  lang  an  der  Stelle,  wo  der  Palastbau  sich  an- 
schliessen  sollte,  jene  nothdürftige  Form  gezeigt.  „Auch 
ist  es  dann  erst  klar,  weshalb  der  neue  Meister  den  früheren 
so  ganz  und  gar  nicht  mehr  verstand,  wenn  dessen 
Thätigkeit  Jahre  zurück  lag“  (S.  91).  Mit  anderen  Worten; 
wenn  es  zutreffend  ist,  dass  der  Fassade  ursprünglich  ein 
Entwurf  italienischen  Charakters  zugrunde  lag,  so  kam  nun 
in  die  Ausführung  ein  anderer,  ein  nordischer  Charakter, 
der  Charakter,  den  die  heutige  Fassade  zeigt,  der,  wie  ein 
Vergleich  der  obenstehenden  Abbildung  mit  den  Abbildgn. 
S.  438  u.  439  zeigt,  völlig  verschieden  ist  von  dem  Charakter 
der  italienischen  Palast-Fassaden,  und  der  nicht  mehr 
italienisch  ist,  als  der  Charakter  hundert  anderer  Bauten  der 
deutschen  Renaissance.  Wenn  auch  z.  B.  dieVerkröpfungen 
des  Friedrichsbaues  fehlen,  so  ist  die  Fassade  durch  die  Art 
der  Fenster-  und  Nischen- Anordnungen  usw.  doch  vom  aus- 
gesprochensten Vertikalismus  beherrscht.  — (Sciiiuss  folgt) 


436 


No.  68. 


AbbiWg.  6.  Neckar  brücke  bei  Neckarhausen  (50  m Spw.;  Stampfbeton). 


in  „Bruchs tein-Füllraauer werk“.  Da  ein  regelrechter 
Verband  der  kleinen  Bruchsteine  hierbei  nicht  ntehr  be- 
steht, so  beruht  die  Festigkeit  solcher  Konstruktionen  vor- 
wiegend auf  derjenigen  des  Zementmörtels. 

Ausserdem  stellt  diese  Firma  noch  ein  grösseres  Modell 
der  von  ihr  in  Meiningen  ausgeführtenHerzog  Georg-Brücke 
aus,  die  bei  40  “ Sp.-W.  3,7  “ Pfeil,  also  ein  Pfeilverhältniss 
zwischen  und  besitzt.  Der  Scheitel  ist  nur  0,7 


düng  des  Walzeiscns  zu  Baukonsftniktionen  veranlasste. 
In  Deutschland  hat  der  Betoneisenbau  in  seiner  Grund- 
form, der  Monierbauweise,  erst  nach  1887  festen  Boden 
gefasst,  nachdem  Ing.  G.  A.  Wayss  in  Gemeinschaft  mit 
der  schon  genannten  Firma  Freytag  & Heidschach 
Sowie  der  Firma  Martenstein  & Josseaux  In  Offen- 
bach a,  M.,  welche  zuerst  die  Monier-Patente  für  Deutsch- 
land erwarben,  in  Berlin  umfangreiche  Belastungsproben 


Abbildg.  5.  Zeller  Hochbrücke  über  die  Ybbs  (44m  Spw.;  mit_ Eiseneinlage). 


der  Kämpfer  0,9  stark.  Das  ohne  Gelenke  ausgeführte 
Gewölbe  enthält  aber  in  den  Beton  eingebettet  eiserne  Fach- 
werktr^er,  ist  also  nach  Art  der  Melan-Konstruktionen 
ausgebildet.  Dieses  Bauwerk  führt  uns  somit  auf  das  Gebiet 
der  Betoneisen-Konstruktionen,  deren  Einführung 
auf  allen  Gebieten  des  Bauwesens  eine  Umwälzung  hervor- 
gebracht  hat  bezw.  noch  hervorbringen  wird,  die  nur 
durch  diejenige  übertroffen  wird,  welche  die  Verwen- 

23.  August  1902. 


veranlasst  und  die  Broschüre  „Das  System  Monier. 
EisengerippemitZement-Umhüllung“  veröffentlicht 
hatte,  zu  welcher  der  damalige  Reg.-Bmstr.  Koenen,  der 
spätere  Direktor  der  Monierbau-Gesellschaft  in  Berlin,  die 
theoretischen  Grundlagen  geliefert  hatte. 

Wir  müssen  es  uns  bei  diesen  kurzen  Betrachtun- 
gen versagen,  näher  auf  die  Eigenschaften  der  Beton- 
eisen-Konstruktionen einzugehen.  Ihre  ausserordentliche 


437 


Leistungsfähigkeit  beruht  bekanntlich  darauf,  dass  Beton- 
körper  mit  Eiseneinlagen  im  Stande  sind  l5ei  Zugbean- 
spruchungen Dehnungen  auszuhalten,  die  der  vollen  Aus- 
nützung der  Zugfestigkeit  des  eingelegten  Eisens  ent- 
sprechen, Erst  wenn  die  Zugspannungen  im  Eisen  dessen 
Elastizitätsgrenze  erreichen,  treten  Risse  im  Beton  auf.  Die 
Eiseneinlage  befähigt  also  den  Beton  selbst,  weit  grössere 
Dehnungen  ohne  Schaden  auszuhalten,  als  er  für  sich  allein 
in  der  Lage  wäre.  Während  man  daher  bei  reiner  Beton- 
konstruktion derartige  Abmessungen  geben  muss,  dass 
keine  oder  nur  sehr  geringe  Zugspannungen  auf- 
treten:  können,  fällt  diese  Rücksicht  bei  den  Beton- 
eisen-Konstruktionen fort,  sie  lassen  sich  also  mit 
sehr  viel  kleineren  Querschnitten  ausführen.  Sie 
sind  demnach  wirthschaftlicher  als  reine  Steinkon- 
struktion und  haben  gegenüber  dem  Holz  und 
Eisen  den  Vorzug  der  Feuersicherheit. 

Im  Brückenbau  hat  man  von  dieser  Eigen- 
schaft derBetoneisen-Konstruktionen  Vortheii  ge- 
zogen,  indem  man  die  Abmessungen  der  Gewölbe 
nun  nicht  mehr  so  stark  zu  nehmen  brauchte,  dass 
die  Dfucklinie  im  inneren  Drittel  verläuft.  Es  wird 
daher  ^an  Konstruktionshöhe  gespart,  ausserdern 
wird  das  Eigengewicht  verringert.  Bei  ganz  weit 
gespannten  Konstruktionen  erfordert  die  Dfuckber 
ansprüchung  schon  solche  Querschnitte,  dass  die 
Eiseneinlagen  keinen  so  grossen  Vortheil  mehr 
bringen;  ihre  Anwendung  beschränkt  sich  daher 
in_  Deutschland  im  allgemeinen  auf  kleinere  und 
mittlere  Spannweiten,  während  die  ganz  grossen 
Bauwerke  fast  sämmtlich  in  reiner  Stampfbeton- 
Konstruktion- erstellt  wurden.*)  Durch  Ausführung 
der  Fahrbahnplatte  und  der  ihre  Last  auf  das  Ge- 
wölbe übertragenden  Pfeiler  in  ßetoneisenbau,  wie 
dies  z.  B.  bei  dem  Viadukt  der  Strassenbrücke  über 
den  Rhein  bei  Worms**)  geschehen  ist  und  in  hoch 
höherem-  Maasse  für  die  loo  “ weit  gespannte, 
bei  Mannheim  geplant  gewesene  massive  Neckar- 
brücke***) vorgeschlagen  war,  wird  jedoch  eine 
erhebliche  Verringerung  der  Belastung  des  Ge- 
wölbesweit gespannter  Brücken  durch  die  Eigenlast 
des  Aufbaues  erzielt  werden  können. 

Neben  der  Monier-Gesellschaft,  die. sich 
darauf  beschränkt  hat,  Photographien  ausgeführter 
Brücken  in  einem  kleinen  Pavillon  auszustellen, 
pflegt  die  Firma.Way&s  & Freytag  in  Deutsch- 
land besonders  den  Bau  von  Betonbrücken  mit 
Eiseneinlage.  Wir  geben  von  den  verschiedenen 
ausgestellten  Werken  in  Abbildg,  5 eines  -der  be- 
deutendsten Beispiele,  die  Zeller  Hochbrücke 
über  die  Ybbs,  und  zwar  ihre  mittlere,  44“ 
weit  gespannte  Oeffnung  wieder,  an  die  sich  noch 
eine  Oeffnung  von  21  “ Spannweite  anschliesst. 

In  einer  unserer  nächsten  Nummern  geben  wir 
als  Gegensatz  zu  dieser  Hochbrücke  mit  grossem 
Pfeil  die  ganz  flach  gespannte  Brücke  über  den 
Nymphenburger  Kanal  bei  Gern  wieder,  die 
bei  17,30  m Sp.-W.  zwar  noch  1,85  “ Pfeil  besitzt, 
also  etwas  weniger  als  1/9  Pfeilverhältniss  hat,  im 
mittleren  Theile  des  Korbbogens  aber  einen  Halb- 
messer von  40“  aufweist,  sodass  also  dieser  Theil 
ausserordentlich  flach  ist.  Die  Scheitelstärke  be- 
trug nur  0,35  m. 

Die  beiden  genannten  Brucken-Konstruktionen 
haben  eine  Eiseneinlage  nach  dem  System  Monier, 
d.  h.  also  ein  Netz  gekreuzter  Eisenstäbe  und  zwar 
parallel  zu  den  beiden  Laibungen  erhalten,  die  in 
den  Widerlagern  verankert  sind.  Der  Bogen  ist 
also  fest  eingespännt. 

_ Während  bei  diesen  Ausführungen  dem  Eisen 
lediglich  die  Uebernahme  von  Zugspannungen  zu- 
gewiesen ist  und  der  Beton  allem  die  Druck- 
spannungen aufnehmen  soll,  werden  nach  dem 
System  Melan  (bezw.  Wünsch)  ganze  Rippen  aus 
eisernen  Bogenträgern  (Walzträger  oder  Fachwerk) 
in  grösseren  Abständen  eingelegt,  die  zwar  nicht 
stark  genug  sind,  um  allein  die  Lasten  aufzunehmen, 
an  der  Tragfähigkeit  der  Gesammt-Konstruktion  - 
aber  einen  wesentlichen  Amheil  nehmen.  Ein  Beispiel  ist 
die  schon  genannte  H e rz o g G e o r g-  B r ü ck e in  Meiningen, 
ausgeführt  von  der  Firma  Liebold&Co.  in  Holzminden. 


EineNachahmung  der  eisernenBalkenbrückenmit  obeii- 
liegender  Fahrbahntafel  sind  die  geraden  Plattenbalken  in  ' 
Betoneisen-Konstruktion.  Sie  bestehen  aus  einzelnen  Be- 
tonbalken, die  mit  Eiseneinlagen  in  geeigneter  Weise 
armirt  sind,  welche  die; Zugspannungen  aufnehmen  (vor- 
wiegend also  am  Untergurt),  über  welche  sich  die  Fahr.^. 
bahn  als  Betonplatte  mit  Eiseneinlagen  quer  zu  deii  Haüpt-r; 
trägem  erstreckt.  Träger  und  Platte  bilden  ein  einheitliches 
Ganze.  Derartige  Brückenbauten  hat  namentlich  wiederum 
die  Firma  Wayss  & Freytag  ausgeführt.  Wir  geben  in 


*)’-In  Betoneisen-Konstruktion  tesitzt  wohl  die  1899  über  die  Vienne 
bei  ChäteUerault  ausgeführte  Brücke  die  grösste  Sp  -W.  mit  50  m.  Sie 
kann,  aber  kamn  mehr  als  massiv  ge-wölbte  Konstruktion  betrachtet  wer- 
den, da  sie  wie  eine-Eisenbrücke  aufgelöst  ist  in  ein  Sj'stem  von  Haupt- 
trägern in  Betoneisen-KonStruktion  nach  System  Hennebique  mit  Quer- 
verbindungen. Derartige  Konstruktionen  können  in  ihrer  Dauerhaftigkeit 
den  Stein-  bezw.  Stampfbeton-Konstruktionen  wohl  kaum  als  gleichwerthie 
erachtet  werden.  “ 

Vgl.  1900,  S.  573:  ***)  Vgl..  1901,  S.  277  u.  295.  - 

438 


Abbildg.  7 und  8 die  12“  weit  gespannte  Brücke  über" den 
Braunaubach  der  niederösterreichischen  Waldviertel- 
bahn und  die  mit,  Aussparungen  im  Steg  der  Hauptträger 
versehene  Strassenbrücke  bei  Krapina  (Oesterreich)  von 
I9i3  Sp.-W.  wieder.  Diese  Konstruktionen  zeigen  iii  den 
Balken  Ründeisen-Einlagen  sowohl  parallel  zur  Oberkante, 
wie  zur  _ Unterkante,  ausserdem  eine  3,  Einlage,  die  in 
Trägermitte  unten  liegt,  nach  den  Enden  nach  oben  steigt.. 
Durch  uragelegte  Bügel,  welche  die  Querkräfte  aufnehmen 
sollen,  werden  die  3 Eiseneinlagen  in  der  senkrechten 
Ebene  mit  einander  verbunden.  — • - -(Schhiss  folgt.)  • • 

No.  68.  - 


Zur  Angelegenheit  des  Heidelberger  Schlosses.  Pallazzo  Roverella^ zu  Eerrara.  (Aus:  Haupt,  „Zur  Baugeschichte  des  Heidelberger^Schrosses".] 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arc^-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  i8.  April 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes.  io4Pers.;  aüfgen. 
a.  Mitgl.  Hr.  Alb.  Erbe,  Bmstr.  bei  der  Baudeputation. 

Der  Vorsitzende  macht  Mittheilung  von  einer  Ab- 
handlung über  „Santorinerde“  und  ihrer  Verwendung. 
Verfasser,  ist  Ing.  M.  E.  Ferber  in  Hamburg,  Importeur: 
C.  Suksberg  jun.  Hamburg,  Dovenhof.  Die  Erde  stammt 
von  der  Insel  Santorin,  einer  der  grössten  der  Cykladen- 
gruppe,  benannt  nach  der  heiligen^Irene,  der  sie  geweiht 


|!'.l 


war.. Santorinerde  ist  ein  vulkanisches  Produkt,  eine  natür- 
liche Wzzolane  von  hervorragenden  hydraulischen  Eigen- 
schaften und  giebt  in  Verbindung  mit  Portland -Zement 
einen  äusserst  festen  Mörtel  auch  für  Wasserbauten  im 
Meere.  Seit  184g  sind  es  die  Hafenbauten  von  Fiume, 
Triest,  Pola,  Spalatio,  Zara,Chios,  Kreta  und  alle  griechischen 
Häfen,  welche  mit  vollkommenem  Erfolge  in  Santorin-Mörtel 
ausgeführt  sind;  zuletzt  ist  der  eben  vollendete  Hafen  von 
Constanza  am  Schwarzen  Meere  mit  Santorinmörtel  erbaut. 

Gemäss  Tagesordnung  hielt  Hr.  Prof.  Dr.  Kenssmann, 
Hamburg,  Wilhelm  - Gymnasium , über  die  „Römische 

23.  August  1902. 


Campagna“  unter  Vorführung  v6n  Lichtbildern  einen 
fesselnden  Vortrag.  So  sehr  die  Zahl  der  Romfahrer  in- 
folge der  grossen  Erleichterungen  und  Ermässigungen, 
welche  die  Eisenbahn-Verwaltungen  gewähren,  gestiegen 
ist,  wird  die  nächste  Umgebung  der  „ewigen  Stadt“  trotz 
ihrer  grossen  landschaftlichen  Schönheiten  und  der  Fülle 
ihrer  historischen  Erinnerungen  meist  nur  auf  der  An- 
fangsstrecke der  via  Appia  bis  zum  Grabe  der  Caecilia 
Metella  besucht.  Aber  selbst  für  den  Geologen  ist  die 
Campagna,  welche  vulkanischen  Kräften  ihre  Entstehung 
verdankt,  einzigartig.  Der  einst  vom  Monte  Cavo  ausge- 
gangene Lavästrom,  der  die  ersten 
I Meilen  der  via  Appia  trägt,  ist  der  läng- 

— — 1 ] I ste  Europa’ s;  der  peperino  (Pfeffer- 

o stein)kommtnirgendssonstinEuropa 

3 vor.  Neben  der  Lava,  deren  Blöcke 

(o  man  schon  im  Alterthum  als  Pflaster- 

£ steine  benutzte,  und  dem  Pfefferstein, 

-o  mit  dem  die  meisten  Bögen  der  Aquä- 

« dukte  verkleidet  sind,  herrscht  der 

„ Tuff  in  den  verschiedensten  Härten 

undTekturen  vor;  in  dem  aschgrauen 
Bröckeltuff  sind  die  Katakomben  an- 
i^-'.r:=.=afr||j . ^ gclcgt.  Der  bedeutendste  der  einsti- 

PYYYYrrrtifl  u)  gen  Vulkane  ist  das  grosse  Massiv 

UJJJiiijl  IM  J des  Albaner-Gebirges;  ihm  gehören 

1 ™ die  beiden  Kraterseen,  der  Albaner- 
in und  Nemisee  an,  reich  an  historischen 

= Erinnerungen  — er  trug  einst  Alba- 

. D.  longa,  die  Mutterstadt  Roms,  und  den 

■ S Tempel  des  Jupiter  Latiaris,  des  lati- 

j - I ® nischen  Bundesgottes  — bietet  es, 

^^^^1  g mitten  in  der  Campagna  gelegen, 

! ^ nebenseinengrossenlandschaftlichen 

' . w Reizen,  von  denen  der  Nemisee  die 

' §>  g meisten  vereinigt, denweitestenRund- 

a ° blicküberdie  CampagnaandemFusse 

rrrrrTTTTÄl  01  5 ’S  des  Apennins  bis  zum  Meeresgestade 

UlMll  M ^ “ und  zu  den  Ponzinseln. 

1 S w Der  Vortragende  schildert  einen 
_ 1 3 g Ausflug  auf  den  Monte  Cavo  und 
c 5 als  Gegenstück  einen  zweiten  nach 
^ ^ Tivoli,  wo  der  Travertin  gebrochen 
g o wird,  aus  welchem  die  monumen- 
- . J ® „taisten  Bauten  Roms,  u.  a.  das  Ko^ 
c g losseum  und  die  Peterskirche,  erbaut 
feinkörniger,  wetter- 
^ fester  Kalkstein,  den  der  Anio  ausge- 

, I ! ■’='  -5  schieden  hat.  Der  245“  hohe  Hügel, 

I J J 'S  S auf  dem  Tivoli'  liegt,  ist  aus  diesen 

[TiTrnTiill  H ^ ^ Niederschlagen  des  kalkhaltigen  Amo- 

g Wassers  gebildet.  Die  natürlichen 
.Q  a Cascatellis , welche  Tivoli  durch- 
I 'S  ^ rauschen,  und  noch  mehr  der  100“ 

||  '§  3 aus  dem  Traforio  Gregoriano  nieder- 

I ^ stürzende  grosse  Aniofall  gehören 

" I ® zu  den  schönsten  Punkten  der  Um- 

■ |j  £5  gegend  Roms.  —.  Den  auffälligsten 

' ,n4j  I ® Schmuck  der  Campagna  bilden  die 

j|  I S Trümmer  der  Aquädukte.  Die  erste 

I Wasserleitung  hat  der  Erbauer  der 

I B via  Appia,  der  Censor  Appius,  an- 

■ ''4 y gelegt;  dieser  einfachen  und  kurzen 

Tirrnrnill  B Anlage  folgten  rasch  grössere,  seit- 

-g  dem  Rom  sich  zur  Grosstadt  ent- 
— — ^'“'1  ^ wickelte  und  das  Wasser  auch  auf 

. ■ I .H  die  Höhe  der  7 Hügel  hinaufgeleitet 

I li  - werden  musste.  Die  grösste  aller  An- 

- ^1  ^ lagen  ist  die  Aqua  Claudia,  deren  Bau 

i I Ö volle  14  Jahre  in  Anspruch  nahm.  Im 

^ Gebirge  wurde  das  Wasser  in  grossen 
w Becken  gefasst  und  lief  anfangs  unter- 
1!  irdisch,  ehe  £S.  auf  die  Höhe  der 

Aquädukte  kam.  Beim  7.  Meilenstein 
Ö VOX  Rom  lagen  die  ersten  Klärungs- 

_i J [S  bocken  und  in  der  Nähe  des  Stadt- 

■f^L.|  ^ ■ gebietes  vollzog  sich  in  grossen,  über- 

wölbten Reservoiren  eine  zeitweise 
Klärung,  ehe  es  in  Bleiröhren  über  die  14  städtischen  Bezirke 
vertheiltwurde.DieCampagnavorRom  gehört  zu  den  wasser- 
reichsten Theilen  Italiens;  und  doch  hatte  das  Fieber  im 
Alterthum  in  der  Umgebung  der  Hauptstadt  nicht  die  er- 
schreckende Ausdehnung  wie  heute  erreicht,  denn  die 
Alten  hatten  weitverzweigte  Dräinagenetze  oft  in  vier 
Reihen  übereinander  und  bis  zu  einer  Tiefe  von  17“  an- 
gelegt. Heute  sind  die  Röhren  verschlammt,  ihre  Wirkung 
ist  vernichtet.  Das  Uebel  der  Malaria  vergrösserte  sich 
mit  dem  Eindringen  der  Latifundien-Wirthschaft,  welche 
an  Stelle  des  Kleinbauernthums  das  Sklavehwesen  setzte, 


439 


die  Ackerflure^n  in Weidegrüode  verwandelte.  Latifundien- 
Wirt-hSchaft  besteht  heute  noch  in  der  Gampag.na,  soviel 
auch  die  rdmischen  Kaiser  Und  Päpste,  sowie  die  junge' 
italienische  Regierung  sich  bemüht  haben,  diesem  Un-, 
wesen  zu  steuern.  , Der  grösste  Theil  der  Campagna  ge- 
hört dem  römischen  Adel,-  der  seinen  Besitz  an  römische 
Grosskäufieute,  die - sogen,  „mercanti  di  Campagna“,  ver- 
pachtet hat;  diese  haben  gewaltige  Gebiete  in  ihrer  Hand 
. vereinigt.  Der  Ackerbau  wird  von  ihnen  mehr  und  mehr 
trotz  der  grossen  Ertragfähigkeit  des  Bodens  eingeschränkt, 
weil  es  bequemer  und  sicherer  ist,  die  Pachtsumme  von 
den  Besitzern  der  grossen  Schafheerden  einzuziehen, 
welche  in  den  Sommermonaten  in  den  Triften  des  Apennins 
weiden  und  im  September  in-  die  Ebene  hinabgetrieben 
werden.  Neben  diesen  Schafheerden  treten  Pferde-  und 
Rinderheerden  mehr  und  mehr,  zurück;  der  Büffel  ist  auf 
die  Sum.pfzone  von  Ostia  beschränkt.  Die  Zahl  der  zur  Be- 
wirths<tiiaftung  der  grossen  Güterkomplexe  in  der  Cam- 
pagna ständig  ansässigen  Menschen  ist  verschwindend 
gering;  die  Bevölkerungs- Dichtigkeit  in  der  Umgebung 
Roms  ist  gleich  der  in  den  Einöden  der  Pampas.  Denn 
die  .Arbeiter  kommen  aus  der  Ferne,  aus  den  armen 
Dörfern  der  Sabina,  der  Mark  Umbriens;  und  für  sie  sind 
von  den  Arbeitgebern  keine  festen  Wohnungen  errichtet. 
Sie  erbauen  sich:  gebrechliche  Hütten  aus  Maisstroh  am 
Rande  'der  Tuffhügel  oder  nisten  sich,  so  gut  es  geht,  in 
den  feuchten  ungesunden  Tuffhöhlen  ein.  Schlechte  Er- 
nährung und  dünne  Kleidung  nehmen  dem  Körper  den 
letzten  Rest  von  Widerstandsfähigkeit.  Die  Feuer,  welche 
man  anzündet,  um  die  schlechte  Luft,  welche  nach  ihrem 
Glauben  das  Fieber  bringt,  zu  vertreiben,  locken  die  Mos- 
quitos,  die  Träger  der  Krankheitsstoffe,  in  Schwärmen 
herbei.  Die  sanitäre  Pflege  ist  völlig  unzureichend,  weil 
nur  i8  Aerzte  für  die  ganze  Campagna  angestellt  sind; 
und  so  geht  das  Gespenst  der  Malaria  unter  den  Sandalen- 
trägern, wie  der  Stadtbewohner  die  armen  Wanderarbeiter 
nennt,  furchtbar  umher.  Ihr  schweres  Loos  wird  erst 
gebessert  werden,  wenn  es  gelingt,  die  Pläne  des  Major 
von  Donat  die  pontinischen  Sümpfe  zu  entwässern  — 
zu  verwirklichen  und  dann  die  vielen  Arbeitskräfte,  welche 
der  Mangel  in  fremde  Länder  und  Erdtheile  treibt,  in 
der  Heimath  auf  gesunder  raid  ertragfähiger  Scholle  fest 
zu.  halten.  — Lebhafter  Dank-  belohnt,  den  Vortragenden. 

, Hr.  Bauinsp.  Merckel  beleuchtet  die  Frage  des 
höheren  technischen  Verwaltungsdienstes  in  Hamburg  in 
der  Hoffnung,  dass  sich  der  Verein  der  glücklichen  Lösung 
'derselben  energisch  annehm.en  werde.  Es  handelt  sich 
um  'die  Stellung  derjenigen  Baumeister  des  Hamburger 
Staatswesen^,  welche  trotz  ihrer  akademischen  Bildung 
und  entgegen  dem  Anträge  des  Senates  infolge  von  Be- 
rathungen der  Bürgerschaft  nicht  zu ' den  Beamten  des 
•höheren  Verwaltungsfaches  gerechnet  werden  sollen.  Das 
bedarf  dringend  der  Abhilfe  und  erfordert  jetzt  schnell- 
stens energischen  Einspruch,  weil  zur  Zeit  in  der  Bürger- 
schaft erneut  darüber  herathen  werden  soll, 

Nach  eingehenden  Klarstellungen  und  Begründungen, 
denen  sich  sämmtliche  Anwesende  in  allen  Punkten  an- 
schliessen,  stellt- Hr.  Merckel  den  Antrag,  dass  der  A.-V. 
beschliessen  möge,  die  Bürgerschafts -Mitglieder  bezw. 
■den  betr.  Ausschuss  von  dem  in  einen  Antrag  zusammen- 
.gefassten  Inhalt  seines  Vortrages  in  Kenntniss  zu  setzen. 
Der  Verein  stirnrnt..  dem  vohzählig  zu  und  überlässt  es 
dem  Vorstände,  den  Antrag  in  geeignetster  Form  an  die 
maassgebende  Stelle  zu  bringen.  — Gbl. 


..  Vermischtes. 

Die  27.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffent- 
liche Gesundheitspflege  findet  in  den  Tagen  vom  17.  bis 
20.  Sept.  d.  J.  in,  München  statt.  Aus  der  Tagesordnung 
heben  wir  für  unser  Arbeitsgebiet  die  folgenden  Gegen- 
stände hervor ; „Die  hygienischeUeberwachung  der  Wasser- 
läufe“  (Berichterstatter:  Geh.  Hofrlh.  Prof.  Dr.  Gärtner 
in  Jena  und  Wasserbauinsp.  Schümann  in  Berlin);  „die 
Fürsorge  für  bestehende  und  die  Besch^fung  neuer  Weiner 
Wohnungen“  (Berichterstatter:  Ob.-Brgrmstr.  Dr.  Ebeling 
in  Dessau);  „Feuchte.  Wohnungen:  Ursache,  Einfluss  auf 
die  Gesundheit  und  Mittel  zur  Abhilfe“  (Berichterstatter: 
Reg.‘  u.  Medizinalrth.  Dr.  Abel  in  Berlin,  Baupolizeiinsp. 
H.  Olshausen  in  Hamburg).  — 


Preishewerbungen. 

Im  Wettbewerb  Wasserwerk  Kolberg  (vergl.  No.  20) 
ist  ein  l.  Preis  nicht  zur  Vertheilung  gelangt.  Einen  II.  Preis 
hat  der  Entwurf  „DerWille“  der  Ingenieurfirma  A.  Unna 
in  Köln  a.  Rh.  (Makowski)  errungen,  je  ein.lll.  Preis  ist  den 
Arbeiten  mit  den  Kennworten  „Nordstern“,  Verfasser 
Licht--,  Kunst*  und  Wasserwerk  Neumünster,  bezw. 


„Hoffnung“  des  Hrn.  Ing.P.Hoffmann  inBerlin  zuge- 
fallen. Die  Entwürfe  ‘ d!nd  im  Strandsdhloss  zu  Kolberg 
vom  20.  d.  M.  bis  3.  Sept.  täglich  von  ,10— 3 Uhr  Öffent- 
lich ausgestellt..  Die  Verfasser,  der  nicht  preisgekrönten 
Arbeiten  werden  um  Adressennennung  bis  5.  Sept,  ersucht.  — 


Personal-Nachrichten.  , 

Baden.  Der  Vorst,  der  Wasser- u.  StraSsen-Bäuinsp.  Wagner 
in  Bonndorf  ist  in'  ,gl.  Eigenschaft  nach  Mosbach  -und  der  Reg.- 
Bmstr.  -G  r elf  f in  Offenbiirg  zur  Wasser-  u.  'Str.-Bauinsp.  in  Karls- 
ruhe mit  dem  Wohnsitz  in.  Pforzheim  versetzt. -.^-  Der.Wasser- 
und  Str.-Bauinsp.  M e e s s in  Pforzheim  ist  z.  Vorst,  in  Bonndorf 
ernannt.  • 

Bayern.  Dem  kais.  Ob.-Reg.-Rath  Franken  in  Strassbuxg 
ist  die  lil.  KI.  des'  Verdienstordens  vom  hl;  Michael  verliehen. 

Elsass-Lothringen.  Dem  Mel.-Bauinsp.  Berger  in  Saar- 
gemünd ist  der  Char  als  kais.  Brth.  mit  dem  Range  der  Räthe 
iV.  Kl.  verliehen.  . , 

Sachsen.  Der  Bauinsp.  F r a n z e ist  z.  Strassen-  und  Wasser- 
Bauinsp.  ernannt  und  ist  demselben  die  Verwaltg.  des  Bauinsp.-Bez. 
Plauen  i.  V.  übertragen.  — Der  Str.-  u.  Wasser-Bauinsp  Lin'Öig 
in  Plauen  i.  V.  ist  der  Wasser-Baudir.  in  Dresden  beigegeben. 

Die  Reg.-Bfhr.  E h m ig  im  hocbbautechn.  Bür.  des  Fin. -Minist., 
Merz  beim  Landbauamte  Plauen  i.  V.  und  Can  zier  beim  Land- 
bauarate  Leipzig  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Württemberg.  Dem  techn.  Leiter  der  Maschinen-Baugesell- 
schaft  Heilbronn,  Dir.  Leiter  in  Darmstadt  ist  der  Tit.  u.  Rang 
eines  Brths.  verliehen. 

Dem  Reg.-Bmstr.  F a u s e r in  Lud'wigsburg  ist  die  etatm.  Stelle 
eines  solchen  bei  der  Strassen-  u.  Wasser-Bauverwitg.  übertragen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Brth.  W.  Sch.  in  Hirschberg.  Nach  der  Sachdar- 
stellung scheint  es  sich  um  zAvei  verschiedene  Stauanlagen  zu 
handeln,  nämlich  um  Stau'werke  für  eine  Mühle  und  für  eine  Fabrik. 
Das  ei'stere  ist  neuerdings  in  dem  verordneten  Verfahren  genehmigt 
•worden,  durch  welches  drei  erhobene  Einsprüche  beseitigt  sind 
und  in  welchem  ein  solcher  der  Stadtverwaltung  wegen  ihres 
Rechtes  zur  Anlage  einer  Wasserleitung  ausgeblieben  ist.  Im  ande- 
ren Falle  wird  die  Erweiterung  eines  bereits  genehmigten  und  im 
Gange  befindlichen  Wassertriebwerkes  angestrebt.  Es  fragt  sich, 
ob  demnach  die  beiden  Triebwerk-Besitzer  Anspruch  auf  Schadlos- 
haltung haben,  wenn  ihnen  durch  Anlage  einer  städtischen  Wasser- 
leitung Wasserkraft  verloren  geht,  auf  deren  unverminderte  Zufuhr 
sie  rechneten,  als  sie  die  gewerbepolizeiliche  Genehmigung  für  ihr 
Triebwerk  erhalten  bezw.  nachgesucht  haben.  Eine  endgiltige  Be- 
antwortung ist  aufgrund  der  gebotenen  Sachlage  ausgeschlossen, 
weil  sie  kein  vollständiges  Bild  der  thatsächlichen  Verhältnisse 
liefert.  Scheinbar  ist  die  im  Arnsberger  Gutsbezirk  ent.springende 
Quelle  und  der  aus  ihr  entstehende  "Wasserlauf  bis  zu  seiner  Ein- 
mündung in 'die  Eglitz  ein  Privatgewässer.  Bejahendenfalls  ist  ihr 
Eigenthünier  (die  kgl.  Forstkammer)  zu  ihrer  Benutzung  berechtigt. 
Diese  Benutzung  soll  aus  Gründen  des  Gemeinwohles  der  Stadt 
überlassen  werden,  was  an  sich  zulässig  sein  würde.  Für  die  ;ge- 
werbepolizeUiche  Genehmigung  zur  Errichtung  oder  Erweiterung 
eines  Staues  erlangt  man  keineswegs  schon  ohne  weiteres  das 
Recht,  jeder  Störung  im  Bezüge  der  benöthigten  Wasserkraft  .zu 
widersprechen.  Der  Einspruch  muss  vielmehr  auf  einen  besonderen 
Rechtstitel  gestützt  werden  können.  Woher  die  Besitzer  der  Stau- 
werke ihr  vermeintliches  Recht  auf  Wassernutzung  ableiten,  ob 
z.  B.  aus  der  Anlieger-Eigenschaft  am  Flussbett  oder  aus  Einräumung 
seitens  des  Berechtigten  oder  auf  Verjährung  usw.,  blieb  ungesagt. 
Nun  giebt  zwar  die  im  geordneten  Verfahren  erlangte  Genehmigung 
eine  Befugniss,  ohne  Störung  durch  die  l?^zei  das  Triebwerk  zu 
gebrauchen;  ..  diese  Befugniss  ist  jedoch  ritir  polizeilicher  und  nicht 
rechtlicher  Natur.  Hat  Jemand  ein  wohlerworbenes  Recht  .zum 
Abschneiden' 'des  Wassers  oder  zu  seiner  den  Triebwerken  nach- 
theiligen anderweiten  Verwendung,  so  bleibt  es  ihm  trotz  der  polizei- 
lichen Anlage-Genehmigung  erhalten.  Nun  ist  keineswegs  ausge- 
schlossen, dass  der  Besitzer  der  Quellen  zu  deren  Benutzung  allein 
befugt  ist  und  dass  den  Anliegern  der  Eglitz  ein  Anspruch  auf  die 
Wassermenge  durch -den  Zuflussbach  fehlt.  Es  würde  also  zunächst 
noch  der  Rechtsgrund  festzustellen  sein,  aus  welchem  die  Trieb- 
werks-Besitzer ihr  Recht  auf  Wassergebrauch  ableiten.  -Endlich 
ist  zu  berückrichtigen,  dass  die  Wassernutzung,  welche  aus  Gründen 
des  Gemeinwohles  nothwendig  wird,  sogar  zur  Einschränkung  'des 
Rechtes  von  Triebwerk-Besitzern  führen  darf.  Das  Maäss  dessen 
bestimmt  die  Regierung  bezw.  der  Bezirksausschuss  aufgrund  einer 
vorgängigen  Erörterung  des  Sachverhaltes  unter  Zuziehung  sämmt- 
licher  Betheiligten.  — K.  H-e. 

Stadtbauamt  L.  Wir  kennen  kein  anderes  brauchbares 
Mittel  als  das  bei  Baumpflanzungen,  wenn  die  Wurzeln  sich  unter 
gepflasterten  Flächen  erstrecken,  oft  angewendete:  dass  man  zur 
Bewässerung  in  der  Umgebung  des  Stammes  senkrecht  in  den 
Grund  Drainrohre,  oder  besser  glasirte  Thonrohre  mit  durchlochter 
Wand  einführt.  In  Ihrem  Falle  würden  die  Rohre  an  den  tiefer 
liegenden  Stellen  des  Weges  einzusetzen  sein..  Welche  Tiefe  die 
Rohre  erreichen  müssen,  damit  sie  das  Wasser  sicher  wegnebmen, 
muss  sich  ganz  näc-h  der  Durchlässigkeit  des  Bodens  richten.  — 


Inhalt  : Das  „Haus  des  Baumeisters''  in  Rpthenburg  'o.  T.  eine  deutsche 
BaumeisteriHerberge.  — Zur  Angelegenheit  des  .Heidelberger.  Schlosses 
(Fortsetzung  statt  Schluss).  — Von  der  Industrie-  und  Künsfaasstellung  in 
Düsseldorf  1902.  VI.  (Fortsetzung  statt  Schluss).  — Mitlheilungea  aus  Ver- 
einen. — Vermischtes.  — Preisbewerbungen-.  — Personal-Nachrichten-,  — 
Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  De-utschen  Bauzeitnng,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  , Eü?  ' die  Redaktion 
verantwort],.  Albert  Ho.fmann,. 'Berlin.  Druck  von  WiÖi.  Gr-eve,  Bwlin. 

...  , :.No.:48. 


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DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  69.  Berlin,  den  27.  August  1902. 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine. 

XV.  Wanderversammlung  in  Augsburg  vom  31.  August  bis  3.  September. 

(Programm  in  No.  52.) 

Verbands-Mitglieder,  die  sich  noch  in  letzter  Stunde  zur  Theilnahme  an  der  Versammlung  entschliesscn, 
werden  dringend  gebeten,  sich  noch  vor  derselben  bei  Hm.  Stadt.  Ing.  Niederreiter,  Stadtbauamt  hi 
Augsburg,  anmelden  zu  wollen,  da  die  Wohnungs-Beschaffung  erst  am  Tage  der  Ankunft  mit  Schwierig- 
keiten verbunden  ist, 

Augsburg,  den  20.  August  1902. 

Der  Vorsitzende  des  Ortsausschusses:  Stcinhäusser,  städt.  Oberbaurath. 


Die  Geburtsstätte  der  Renaissance  in  Deutschland. 


Henn  zu  Ende  der  Augusttage  die  deutschen  Architekten  Zunftmeister  Hans  Engelberg  die  Klosterkirche  zu  St.  Kathe- 
und  Ingenieure  in  den  Mauern  der  alten  Augusta  rinen  (jetzt  Bildergalerie)  erbaute,  für  welche  Hans  Holbein 
Vindelicorum,  der  Stadt  Elias  HoU’s  sich  versammeln,  der  Jüngere  vorseinemWegzuge  nach  Basel  den  St.  Sebasti- 
um  über  ihre  allgemeinen  Berufsfragen  Berathungen  zu  anus- Altar  zu  malen  beauftragt  war.  2)  Die  Verbindung  mit 
.pflegen,  die  berühmten  Bauwerke  alter  Zeit  zu  beschauen,  dem  städtischen  Zunftmeister  dürfte  wohl  darauf  schliessen 
.sowie  die  hochbedeutsame  gewerbliche 
Entwicklung  der  Stadt  seit  Neugrün- 
dung des  Deutschen  Reiches  staunend 
zu  bewundern,  wird  es  an  erklärenden 
Führern,  persönlichen  sowohl  als  in 
Buchform,  nicht  mangeln.  Alle  werden 
sie  Hinweisen  können  auf  die  frühere 
Blüthe  der  reichen  Handelsstadt  und 
deren  nahe  Beziehungen  zu  dem  Haupt- 
.stapelplatz  des  Orienthandels,  dem  in 
den  letzten  Wochen  vielgenannten  Ve- 
nedig, sowie  auf  den  späteren  Rück- 
gang der  alten  Reichsstadt  infolge  des 
Wechsels  derHandelswegeund  der  kläg- 
lichen Verhältnisse  des  altersschwachen 
Reiches  Auch  über  die  stattlichen 
Werke  des  genialen  Elias  Holl,  welcher 
der  Stadt  auf  Jahrhunderte  sein  Ge- 
präge geben  konnte,  so  dass  dessen 
Bauten  auch  heute  noch  unsere  Be- 
achtung beanspruchen,  kann  dank  sei- 
ner eigenen  Aufzeichnungen  und  der 
Nachrichten  in  den  Chroniken  der  Stadt 
kaum  ein  Zweifel  herrschen. 

Dagegen  fehlen  uns  aus  einer  frühe- 
ren Zeit  jener  wichtigen  Uebergangs- 
periode  vom  Mittelalter  zur  Reforma- 
tions-  und  Renaissancezeit  noch  manche 
Anhaltspunkte,  sowohl  über  die  leiten- 
den Kräfte  beim  Aufbau,  wie  auch 
bei  der  Ausschmückung  bedeutsamer 
Werke.  Sind  es  doch  kaum  20  Jahre 
her,  dass  ein  für  die  deutsche  Kunst 
bahnbrechendes  Bauwerk  erst  als  sol- 
ches gefunden  und  der  Fachwelt  be- 
kannt gegeben  wurde.  Es  ist  dies  die 
Grabkapelle  der  Fugger  bei  der 
St.  Annakirche,  gestiftet  von  dem 
Haupte  der  Familie  Jakob  Fugger  im 
Jahre  1509  und  nach  kurzer  Bauzeit 
vollendet  1512.  Bei  jener  Veröffent- 
lichungi)  konnte  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  der  von  dem  weitgereisten 
und  hochgebildeten  Bauherrn  erwählte 
Baumeister  vermuthlich  ein  geborener 
Augsburger  war,  ein  Meister  Hier oni- 
mus,  welcher  kurz  zuvor  in  Venedig 
einen  bedeutenden  Bau,  den  Fondaco 
dei  Tedeschi,  das  Kaufhaus  der  Deut- 
schen, zur  Ausführung  gebracht  hatte. 

Bei  dem  Mangel  an  Belegen  gerade 
über  jene  Zeiten,  sowohl  in  dem  städti- 
schen als  dem  fürstlich  Fugger’schen 
Familien- Archive,  konnte  bis  jetzt  über 
diesen  Baumeister  leider  Näheres  nicht 
festgestellt  werden;  auch  nicht,  ob  es 
derselbe  Hieronimus  Imhof  sei,  welcher 
wenige  Jahre  nachher  (1515)  mit  dem 


Entwürfe  und  Aufnabmen  von  Bauscholera 
der  Technischen  Hochschule  zu  Karlsruhe,  Text 
von  Prof.  Weinbrenner,  1884, 

^ A.  WoUmann,  Holbein  und  seine  Zeit. 


. Fugger-Kapelle  bei  SL  Anna  in  Augsburg. 


lassen,  dass  der  auswärtige  Architekt  sich  2ur  Ausführung 
des  Beistandes  eines  städtischen  Meisters  bediente.  Das- 
selbe konnte  auch  bei  der  Fugger-Kapelle  der  Fall  sein, 
wo  der  spätgoihische  Gewölbeabschluss  eine  solche  Mit- 
wirkung ebenfalls  nahe  legt.  Wie  sehr  übrigens  dieses 
reizende  Motiv  der  Gewölberippen  mit  einer  Durchdringung 
von  2 mal  4 Kreisen  gefiel,  zeigt  die  mehrfache  Anwendung, 
welche  es  in  der  Folge  gefunden  hat.  Wir  sehen  es  in 
der  Thurmhalle  des  Münsters  zu  Konstanz  (1518,  wohl 
gleichzeitig  mit  der  dortigen  Welser-Kapelle) , aber  auch 
noch  7 Jahrzehnte  später  bei  einem  herrlichen  Beispiele 
hochentwickelter  deutscher  Renaissance,  in  Chor  und 
Seitenkapelle  der  Klosterkirche  zuSt.Lucen  beiFIechingen.^) 

Wie  planvoll  aber  der  kunstsinnige  reiche  Kaufherr 
verging,  um  der  neuen  Kunstrichtung  in  seiner  Vaterstadt 
und  damit  in  Deutschland  die  Wege  zu  bahnen  und  sie 
so  ihrem  Siegeslauf  entgegenzuführen  — der  ja  leider  in 
kurzem  durch  die  Zeitverhältnisse  unterbrochen  werden 
sollte  — ersehen  wir  an  den  weitschauenden  Aufträgen, 
womit  er  alle  damaligen  hervorragenden  Künstler  be- 
dachte, welche  in  den  blühenden  süddeutschen  Reichs- 
städten Nürnberg  und  Augsburg  ihren  Wohnsitz  hatten. 
Nicht  allein  die  bedeutendsten  Meister  Albrecht  Dürer  und 
Peter  Vischer,  Hans  Burgkmair  und  Hans  Holbein  der 
ältere,  auch,  wie  wir  später  nachweisen  möchten,  des 
letzteren  Sohn  Hans  Holbein  der  jüngere  wurden  für  dieses 
Familiendenkmal  in  Thätigkeit  gesetzt;  und  auch  noch 
andere,  weniger  bekannte  Künstler  werden  in  späteren 
Chroniken  der  Stadt^)  genannt,  wie  Lucas  Cromberger 
und  Gumbolt  Gültlinger. 

Die  Thätigkeit  Albrecht  Dürer’s  bestand  in  Entwürfen 
zu  den  herrlichen  Grabplatten,  welche,  nach  jenen  in 
Marmor  ausgeführt,  die  ganze  Rückwand  der  Grabkapelle 
einnehmen  und  so  den  Unterbau  für  ein  zu  jener  Zeit 
berühmtes,  prächtiges  Orgelwerk  bilden.  Es  ist  das  Ver- 
dienst des  Hrn.  Prof.  Rudolf  Vischer  in  seinen  „Studien 
zur  Kunstgeschichte"  (Stuttgart  1886),  den  Zusammenhang 
der  Dürer’schen  Entwürfe  mit  unserem  Baudenkmal  nach- 
gewiesen  zu  haben. 

Von  noch  grösserer  Bedeutung  sollte  die  Wirksamkeit 
des  Meisters  Peter  Vischer  für  die  Grabkapelle  werden. 
Leider  aber  wurde  durch  die  störenden  Zeitverhältnisse 
das  beabsichtigte  Ziel  nicht  erreicht,  die  Kapelle  erhielt 
eine  ihrer  höchsten  Zierden  nicht  und  es  musste  für  die 
erst  später  vollendete  Arbeit  eine  andere  Bestimmung 
gefunden  werden.  Die  dem  Meister  Peter  Vischer  über- 
tragene Arbeit  bestand  in  der  Anfertigung  eines  aus  Erz 
zu  giessenden  Prachtgitters,  welches  die  Kapelle  gegen 
die  St.  Annakirche  abzuschliessen  bestimmt  war.  Nach 
jahrelangen  Arbeiten  an  diesem  grossartig  angelegten 
Werke,  wurde  nach  dem  Tode  der  Stifter  die  Annahme 


3;  Kunstdenkmälcr  in  den  hohenzollernschen  Landen  wn  Dr.  Zingeier 
und  Architekt  W.  Laur. 

*)  Paul  von  Stettens  d.  jr.  Geschichte  der  freyen  Stadt  Augspurg, 
Frankfurt  und  Leipzig  1743-  Desselben  Erläuterungen  der  Voi Stellungen 
aus  der  Geschichte  der  Reichsstadt  Augspurg  1765. 


desselben  durch  die  Erben  des  Auftraggebers  verweigert. 
Ueber  die  mannigfachen  Schicksale  dieses  Werkes,  das  den 
höchsten  Leistungen  des  berühmten  Künstlers  und  seiner 
W erkstätte  beizuzählen  ist , konnte  in  einer  unter  dem  gleichen 
Titel  wie  der  vorliegend  erschienenen  Schrift^)  näheres 
berichtet  werden;  dort  sind  auch  weitere  Quellen®)  über 
das  Prachtgitter,  welches  in  der  Folge  seine  Aufstellung  in 
dem  grossen  Saale  des  Rathhauses  zu  Nürnberg  gefunden 
hatte,  seit  hundert  Jahren  aber  verschollen  ist,  erwähnt. 

Die  Arbeiten  Hans  Burgkmair’s  werden  zunächst  in 
der  Ausmalung  der  Wände  und  Deckenfelder  der  Kapelle 
bestanden  haben,  wovon  aber  heute  Spuren  nicht  mehr 
vorhanden  sind.  Doch  wurde  hierüber  schon  in  der  oben 
angeführten  Beschreibung  und  Veröffentlichung  des  Bau- 
werkes eine  Ansicht  ausgesprochen,  welche  alle  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  hat,  und  durch  eine  Schrift  des 
Hrn.  Dr.  Heinr.  GröscheU)  „Die  ersten  Renaissance-Bauten 
in  Deutschland“  nur  an  Glaubwürdigkeit  gewonnen  haben 
kann.  Ob  aber  der  Wirksamkeit  Hans  Burgkmairs,  der 
von  den  Augsburger  Künstlern  wohl  am  meisten  befähigt 
war,  den  Zielen  Jakob  Fuggers  Verständniss  entgegen- 
zubringen, noch  weitere  Aufgaben  gestellt  wurden,  könnte 
aus  dem  folgenden  erhellen. 

Ueber  das  in  den  Chroniken  Augsburgs  öfter  erwähnte 
Orgelwerk  der  Kapelle  waren  bis  jetzt  ausser  dem  Kosten- 
betrag auch  einige  Malernamen,  hierunter  der  des  älteren 
Hans  Holbein,  sowie  des  Orgelmachers  Ihan  Doubrav, 
welcher  sich  übrigens  auf  dem  Orgelgehäuse  selber  nennt, 
bekannt.  In  letzter  Zeit  ist  es  nun  auch  gelungen,  durch 
Vergleichung  die  Zeichnung  des  Entwurfes  für  das  Gehäuse 
der  Orgel  festzustellen.  Solche  fand  sich  in  Georg  Hirth's 
„Formenschatz  der  Renaissance“,  Jahrgang  1878,  auf  Blatt 
No.  X43,  die  äussere  Ansicht  einer  Orgel  in  2 verschie- 
denen Lösungen  darstellend,  wovon  die  rechts  gezeichnete 
der  Ausführung  entspricht.  Letztere  zeigt  dann  noch 
manches  schmückende  Beiwerk,  so  besonders  einen  zier- 
lichen Rankenschmuck  (in  Metallguss  mit  Vergoldung), 
welcher  die  aufsteigenden  Flächen  der  Hauptstützen  des 
Gehäuses  ganz  bedeckt  und  auf  den  Blättern  g— 11  der 
oben  angeführten  Aufnahmen  der  Grabkapelle  sich  aufge- 
zeichnet findet. 

Das  Urbild  des  Blattes  No.  143  befindet  sich  unter 
den  „Goldschmiede-Rissen“  im  Kupferstich-Kabinet  des 
Museums  der  Stadt  Basel,  einer  Sammlung  höchst  werth- 
voller Handzeichnungen,  die  mit  der  Feder  und  Tusche 
auf  grauem  Papiere  aufgerissen,  nach  dem  Ausgange  des 
XV.  Jahrh-  entstanden  sein  müssen  und  auf  etwa  150 
Blättern  in  der  Hauptsache  Entwürfe  zu  Altären  und 
Monstranzen  spätgothischenStils,  sodann  Pokale  und  Sockel- 
bildungen u.  dergl.  mehr  darstellen.  Diesen  Blättern, 
welche  erst  im  Laufe  des  vorigen  Jahrhunderts  in  3 mo- 


®)  Festgabe  der  Technischen  Hochschule  Karlsruhe  zum  40jährigen 
Jubiläum  Sr.  Kgl.  Hoheit  des  Grossherzogs  Friedrich  von  Baden.  Karls- 
ruhe 1892. 

Ernst  Mummenhof,  Das  Rathhaus  zu  Nürnberg.  i8gi. 

Repertorium  für  Kunstwissenschaft.  XI.  Band,  3 Heft.  Stuttgart  1888. 


Zur  Angelegenheit  des  Heidelberger  Schlosses. 

(Schluss.) 

er  Gesichtspunkt  nun,  welchen  wir  bei  unserer  bis- 
herigen Stellungnahme  zur  Angelegenheit  des  Heidel- 
berger Schlosses  nicht  aus  dem  Auge  verlieren  dür- 
fen, lässt  sich  zunächst  in  der  Frage  zum  Ausdruck  bringen : 
i,Wie  stellen  sich  die  beiden  Verfasser,  Kossmann  und 
Haupt,  zu  dem  Ausbau  des  Otto  Heinrichsbaues,  bezw. 
zu  dem  Aufbau  von  neuen  Giebeln  auf  denselben,  falls 
ein  solcher  Aus-  und  Aufbau  als  zur  Erhaltung  dieses 
Schlosstheiles  unumgänglich  nöthig  erachtet  würde?“  Beide 
Verfasser  wenden  sich  nicht  gegen  den  Ausbau,  wenn 
'sie  auch  über  die  Form  desselben  weit  auseinander  gehende 
Meinungen  haben.  Flaupt  hat  unter  Anlehnung  an  die  An- 
sicht des  Otto  Heinrichsbaues  aus  dem  thesaurus  pictu- 
rarum  in  Darmstadt  und  mit  Bezugnahme  auf  die  Giebel- 
spitze am  „Ritter“  in  Heidelberg  den  Wiederherstellungs- 
. Versuch  aufgestellt,  welchen  wir  S.  436  nochmals  abgebildet 
haben.  Er  bemerkt  dazu  (S. 66):  „Dass  derGiebel(seiner  An- 
[nahme)  sehr  schön  war,  will  ich  nicht  behaupten;  der 
;Kenner  und  Freund  des  Echten  wird  ihn  dennoch  ohne 
■-Weiteres  dem  überladenen  Werke  von  Seitz-Schäfer  vor- 
Sziehen“.  Vielleicht  kann  man  darüber  doch  auch  anderer 
(Meinung  sein,  ln  diesem  Falle,  in  welchem  die  Thatsachen 
;S0  sehr  fehlen  — denn  die  Zeichnung  des  thesaurus  pic- 
•turarum  steht  z.  B.  der  Zeichnung  Merians  in  völliger 
[yerschiedenheit 'gegenüber, kommt  in  der  Hauptsache 
das  persönliche  künstlerische  Empfinden  inbetracht,  und 
wo  nur  dieses  mitspricht,  da  muss  die  Aeusserung  einer 
Ansicht,  wie  wir  glauben,  auf  diese  schwankende  Grund- 
lage Rücksicht  nehmen.  Keinesfalls  aber  darf  sie  bei  so  un- 

442 


sicheren  Anhaltspunkten  und  bei  so  mangelhaften  Grund- 
lagen, wie  sie  bei  den  technischen  Untersuchungen  über  das 
Heidelberger  Schloss  nur  zur  Verfügung  stehen,  in  den 
sicheren  Ton  verfallen,  den  Kossmann  ohne  Grund  seiner 
Broschüre  gegeben  hat.  Es  ist  unmöglich,  will  man  nicht 
eine  Arbeit  von  dem  dreifachen  Umfang  der  beiden 
Broschüren  schreiben,  auf  alles  einzugehen.  Auf  Ein- 
zelnes sei  aber  bei  Kossmann  doch  hingewiesen,  um 
die  Art  der  Beweisführung  anzudeuten.  S.  g sagt  er: 
„Oder  sollte  wirklich  ein  Nichtfachmann  glauben,  man 
könne  von  vorne  herein  beabsichtigt  haben,  auf  solche 
Brüstungen  (von  55  Stärke),  zumal  an  der  Ostfassade, 
gegen  12™-  hohe  bteingiebel  zu  setzen?!“  Ein  Nichtfach- 
mann kann  das  allerdings  nicht  glauben,  ein  Fachmann 
aber  hat,  wie  einige  Seiten  weiter  (S  15)  berichtet  wird, 
später  Giebel  aufgesetzt,  die  nach  S.  17  „grosse“  waren.  Eine 
Reihe  anderer  Ausführungen  Kossmanns  hat  schon  Haupt 
treffend  widerlegt.  Welche  Stimmung  das  Werkchen  in  sei- 
nen im  Einzelnen  immerhin  interessanten  Untersuchungen 
hat,  zeige  auch  die  Stelle  S.  17:  „Jedenfalls  ist  die 
Thatsache  der  viel  stärkeren  Mauern  an  dem  später  er- 
richteten Friedrichsbau  ein  für  etwaige  Neubelastung  der 
Mauern  am  Otto  Heinrichsbau  nicht  zu  vernachlässigendes 
Moment.“  Diese  Sorge  kann  man  aber  wohl  füglich  dem 
Architekten  überlassen,  welcher  die  Neubelastung  über- 
nimmt, umsomehr,  als  die  Mauern  des  Otto  Heinrichs- 
baues doch  durch  „grosse“  Giebel  bereits  belastet  waren. 
S,  22  heisst  es,  für  eine  Ueberdachung  des  Otto  Heinrichs- 
baues könne  „nur  ein  Walmdach“  inbetracht  kommen. 
Diese  apodiktische  Ausschliesslichkeit  aber  lässt  sich  in 
keiner  Weise  begründen;  im  Gegentheil  hat  Kossmann 
selbst  in  einer  recht  wenig  glücklichen  Annahme  den 

No.  69. 


dernen  Einbänden  2usammengefasst  worden  sind,  wurde 
noch  eine  Anzahl  anderer  Risse,  die  sog.  „Augsburger 
Handzeichnungen“  beigebunden,  und  hier  finden  wir  den 
obengenannten  Orgel -Entwurf,  sowie  andere  Entwürfe 
in  frühestem  Renaissancestil,  wovon  laut  Ueberlieferung 
etwa  12  Blatt  dem  jüngeren  Hans  Holbein  zugeschrieben 
werden;  mit  welchem  Rechte,  soll  hier,  soweit  thunlich, 
näher  beleuchtet  werden. 

Zunächst  ist  es  die  Herkunft  dieser  Handzeichnungen, 
welche  auf  diesen  Künstler  als  vermuthlichen  Urheber 
hinweist.  Alle  diese  Handzeichnungen  bilden  nämlich 
einen  Theil  jener  bedeutsamen  Sammlung  des  gelehrten 
Baslers  Bonifacius  Ambach,  welche  in  späterer  Zeit  für 
die  Stadt  erworben  wurde  und  mit  den  Arbeiten  aus  Hol- 
beins Meisterhand  die  wichtigste  Grundlage  des  Museums 
der  Stadt  Basel  darstellt.  Diese  verdankt  dem  Kunstver- 
ständniss  und  Sammeleifer  ihres  Bürgers,  eines  Freundes 
Holbeins,  dass  der  grösste  Theil  der  vielen  auf  dem  Boden 
seiner  neuen  Heimath  entstandenen,  und  auch  vieler  älterer 
der  so  vielseitigen  Arbeiten  des  herangereiften  Künstlers  er- 
halten wurden,  dessen  Nachlass  sonst  wohl  verschleudert 
worden  und  dadurch  der  Kunst  verloren  gegangen  wäre. 

Nun  befinden  sich  aber  in  demselben  Bande  mit  dem 
Orgel-Entwurf  noch  2 weitere  Blätter  (No.  212  u.  213  und 
No.  214  des  Formenschatzes,  Jahrg.  1878),  welche  bisher 
irrthüralich  als  „Skizzen  zu  einem  grossen  Ofen“  bezeich- 
net waren.  Nach  reiflicher  Prüfung  dürfen  wir  hierin  wohl 
den  Entwurf  für  das  verlorene  Chorgestühl  der  Fugger- 
Kapelle  erkennen,  für  welche  Annahme  wir  folgendes 
als  Beleg  beitragen  möchten. 

Ueber  das  früher  vorhandene  Chorgestühl  konnte  die 
fürstlich  und  gräflich  Fugger’sche  Stiftungs-Administration 
Augsburg  auf  dahin  gestellte  Anfragen  nach  ihren  Akten 
folgende  Auskunft  ertheilen:  Die  Chorstühle  wurden  im 
Jahre  1832  bei  Gelegenheit  einer  Orgel- Reparatur,  weil 
sie  schon  lange  der  Kirchen- Verwaltung  von  St.  Anna  im 
Wege  gestanden  hatten,  weggenommen  und  der  Fugger- 
schen  Stiftungs-Verwaltung  zur  Verfügung  gestellt.  Wegen 
ihrer  Grösse  und  Stärke  anderwärts  zu  ähnlichen  Zwecken 
nicht  ver werthbar,  wurden  sie,  soweit  nicht  vom  Wurme 
zerstört,  zu  Bau -Reparaturen  in  den  Stiftsgebäuden  ver- 
wendet. Einzelne  hieran  befindlich  gewesene  „Porträte“ 
sollen  von  einem  Alterthurasfreunde  gerettet  worden  sein 
und  den  Weg  in  ein  Museum  nach  Berlin  gefunden  haben. 

Paul  von  Stetten  erzählt  in  seiner  oben  angeführten 
Chronik  (S.  145)  von  einem  Augsburger  Bildschnitzer 
Hans,  Schwarz,  der  bald  nach  dem  Jahre  1500  sehr 
artige  Porträte  in  Holz  geschnitten  hat,  nicht  nur  in  Me- 
daillenform, sondern  auch  solche  in  Lebensgrösse,  und 
stellt  die  Frage:  „Wer  weiss,  ob  nicht  dieser  Schwarz 
auch  die  Bilder  in  dein  Fugger’.schen  Chore  bei  St.  Anna 
gemacht  hat?“  Hierunter  konnten  nur  Bildnisse  in  Holz 
gemeint  sein  und  nicht  etwa  die  oben  erwähnten  Marmor- 
tafeln unter  der  Orgel. 

Die  bezüglichen  Entwurfs -Skizzen  bei  den  sogen. 
Augsburger  Handzeichnungen'  zeigen  uns  verschiedene 


Nachweis  geführt,  dass  der  Bau  einmal  senkrecht  zur 
Fassade  laufende  Satteldächer  hatte.  Und  was  ist,  hat  ein 
Recht  zu  sein,  sagt  ungefähr  der  Philosoph. 

Diese  recht  wenig  glückliche  Annahme  betrifft  den 
Versuch  des  Verfassers  zur  Wiederherstellung  der  beiden 
grossen  Giebel  vor  den  Querdächern  im  Gegensatz  zu  dem 
Zwülingsgiebel  des  Seitz-Schäfer’schen  Entwurfes.  Man 
begegnet  gerade  zurzeit  der  deutschen  Renaissance  in 
deutschen  Landen  recht  häufig  Ausführungen,  deren  künst- 
lerische Beweggründe  nicht  immer  sofort  oder  überhaupt 
nicht  zu  ergründen  sind.  Gänzlich  ausgeschlossen  aber 
ist  es,  dass  man  zu  einem  so  bedeutenden  Bau  wie  den 
Otto  Pleinrichsbau  einen  Baumeister  zugelassen  hätte,  der 
es  hätte  wagen  können,  auf  die  Fassade  ungleichschenk- 
lige Giebel  zu  setzen.  Kossmann  kritisirt  aber  denn  auch 
selbst  seine  Annahme,  indem  er  sagt,  die  Giebel,  die  er 
übrigens  nicht  kennt,  seien  abgesehen  von  vielleicht 
einigen  Einzelheiten  augenscheinlich  keine  erfreulichen 
Leistungen  gewesen.  Bei  dieser  Annahme  muss  Koss- 
mann in  seinen  Untersuchungen,  deren  Gewissenhaftigkeit 
im  Grossen  und  Ganzen  nicdit  angezweifelt  werden  soll, 
ein  wichtiger  Umstand  entgangen  sein. 

Doch  genug  von  all  dem  unerquicklichen  Streit  über 
nicht  beweisbare  Dinge  und  dem  willkürlichen  Ballspiel 
mit  Hypothesen  und  subjektiven  Anschauungen.  Wenn 
-etwas  durch  alle  diese  Untersuchungen  bewiesen  worden 
ist,  so  ist  es  die  Richtigkeit . der  Anschauung  Schäfers,  die 
ungefähr  lauten  dürfte:  „Wir  wissen  nichts.“  Und  wenn 
Kössmanh  S. -22  die  Meinung  ausgesprochen  hat,  es  müsse 
bei  einer  Wiederherstellung  „wie  allgemein  (?)  angenommen 
werde“,,  das  Historische  als  Richtschnur  dienen,  so  kann 
diese  Forderung  doch  nur  dann  gfestellt  werden,  wenn  man 

•27.  August  1902. 


Motive  von  Feldertheilungen,  oben  z.  Th.  mit  Brustbildern 
geziert;  sie  alle  erheben  sich  über  einer  sich  gleichbleiben- 
den unteren  Wandtheilung,  welche  mit  Stützen  auf  einem 
stufenförmigen  Podium  aufsteht.  Dieser  untere  Theil  stellt 
nun  aber  nimmermehr  einen  Ofensockel  dar,  sondern 
entspricht  in  seinen  Maassen  und  Verhältnissen  ganz  den 
Sitzen  eines  Chorgestühles  mit  den  Rück-  und  Seitenlehnen, 
dem  Sitzbrett  zumAufklappen;  das  schwach  herabhängende 
Band  am  Rücken  haben  wir  uns  ebenso  flach  nach  hinten 
als  eine  bequeme  Lehne  ausgeschnitten  zu  denken.  An 
den  Enden  sehen  wir  Säulen  mit  korinthischen  Kapitellen 
und  reichgeschnitzten  Schäften  angeordnet,  welche  oben 
durch  ein  vorgekröpftes  Gebälk  abgeschlossen  werden. 
Darüber  erheben  sich  antikisirende  Krieger  (jenen  auf 
den  Grabplatten  ähnlich),  welche  Schilde  mit  denFugger- 
schen  Lilien  halten.  Ueber  dem  fortlaufenden  Gesims 
ziehen  reichgeschnitzte  Bekrönungen  hin,  mit  Putten,  Del- 
phinen, Vasen  und  daraus  aufsteigenden  Ranken.  Die  dar- 
gestellten Porträte  in  den  Wandflächen  aber  zeigen  uns: 
Rex  Maximilian,  Hertzog  Gottfried,  Gross  Alexander  und 
Josua,  also  lauter  Fürsten  und  Heerführer  aus  den  ver- 
schiedensten Zeiten. 

Bei  Zugrundelegung  eines  Maasstabes  von  i : 15  für 
die  Risse  im  Hirth’schen  Formenschatze  (das  Basler  Original 
ist  etwa  von  doppelter  Grösse)  hat  sich  ergeben,  dass  in 
einem  Seitenschitfbogen  der  Kapelle  genau  10  Sitze  Platz 
finden  und  so  den  Raum  aufs  schönste  abschliessen.  Eine 
würdigere,  zum  ganzen  Charakter  der  Kapelle  besser 
passende  Lösung  des  seitlichen  Abschlusses  könnte  kaum 
gefunden  werden.  Wie  schmerzlich  ist  daher  zu  bedauern, 
dass  ein  solches  Werk  für  immer  verloren  gehen  konnte. 

Gehen  wir  zum  Schlüsse  näher  darauf  ein,  den  Cha- 
rakter der  beiden  Entwürfe  und  einzelne  ihrer  Theile 
einer  Prüfung  zu  unterwerfen,  so  drängt  sich  zunächst 
die  nahe  Verwandtschaft  derselben  auf,  so  dass  sie  wohl 
dem  gleichen  Meister  oder  der  gleichen  Werkstätte  zu- 
zuschreiben sind.  Von  den  heute  noch  so  gut  erhaltenen, 
in  Metall  gegossenen  Rankenverzierungen  des  Orgelge- 
häuses können  wir  zurückschliessen  auf  die  Pilaster-Orna- 
raentfe  des  Chorgestühles.  Wir  sehen  denselben  leichten 
Fluss  der  Ranken  und  das  gefällige  reizvolle  Spiel  der 
Kindergruppen,  überhaupt  jene  gewandte  Ausdrucksweise, 
welche  uns  an  allen  späteren  Arbeiten  Holbeins  so  vollen- 
det entgegentritt.  In  der  Gestalt  des  Kriegers  und  den 
Bildnissen  der  Wandfelder  erscheint  uns  mehr  die  Burgk- 
mair’sche  Art  der  Formgebung  wiedergegeben. 

Wir  möchten  daher  in  diesen  Entwürfen  gemeinsame 
Arbeiten  der  beiden  Künstler  erkennen,  an  welchen  der 
jugendliche  Holbein  in  der  Werkstätte  seines  Oheims 
Burgkraair  sich  heranbildet,  und  denken  an  ein  Verhält- 
niss,  wie  jenes  von  Rafael  und  seinem  Lehrer  Perugino. 
So  sind  die  Entwürfe  entstanden  unter  dem  Fugger’schen 
Einfluss  und  deren  Sammlungen,  in  der  Nachbildung  ober- 
italienischer Formgebung,  worin  sich  Hans  Burgkmair  am 
frühesten  auf  deutschem  Boden  hervorgethan  und  damit 
glänzende  Leistungen  vollbracht  hat.  Dieser  Einwirkung 


weiss,  wie  dieses  „Historische“  ausgesehen  hat.  Von  Haupt 
aber  erfahren  wir,  dass  es  nicht  anders  sein  könne,  als 
dass  der  Otto  Heinrichsbau  bereits  eine  Planung  seines 
Vorgängers  Friedrichs  II.  gewesen  ist  (S.  88);  ferner,  dass 
am  Otto  Heinrichsbau  zwei  Perioden  zu  unterscheiden 
sind,  die  so  lange  auseinander  liegen,  „dass  der  neue 
Meister  den  früheren  so  ganz  und  gar  nicht  mehr  ver- 
stand“ (S.  91).  Lagen  also  dem  ersten  Baugedanken  wirk- 
lich italienische  Grundzüge  zugrunde,  so  sind  diese  augen- 
scheinlich später  verlassen  worden  und  die  Fassade  hat 
nordischen  Charakter  angenommen.  Unter  dieser  An- 
nahme kann  der  Bau  einen  horizontalen  Abschluss  gehabt 
haben,  er  muss  ihn  aber  nicht  gehabt  haben.  Tn  der 
Folgezeit  hat  der  Bau  dann  ein  Walmdach  mit  Zwerch- 
giebeln und  er  hat  Querdächer  mit  Stirngiebeln  gehabt, 
für  die  Kossmann  eine  so  durchaus  unkunstlerische  Form 
glaubt  annehmen  zu  müssen.  Alles  das  ist  historisch.  Was 
kommt  aber  davon  für  eine  Wiederherstellung  inbetracht? 

Ist  es  bei  dieser  Sachlage  nicht  zum  mindesten  ein 
Standpunkt,  welcher  der  Vertretung  werth  erscheint,  dass 
da,  wo  die  Unterlagen  für  eine  Beurtheilung  des  That- 
bestandes  so  lückenhafte  sind  und  das  „historische“  Bild 
ein  so  veränderliches  und  im  Einzelnen  so  wenig  be- 
glaubigtes ist,  das  Recht  der  künstlerischen  Freiheit  zur 
Geltung  komme?  Die  alten  Meister  haben  sich  nicht  ge- 
scheut, Neues  auf  und  neben  Altes  zu  setzen  und  der 
Schatz  der  Kunstwerke  hat  eine  unendliche  Bereicherung 
dadurch  erfahren.  Und  haben  wir  nicht  jüngst,  nach  dem 
Einstürze  des  St.  Markusthurmes  in  Venedig,  das  inter- 
essante Schauspiel  gehabt,  dass,  obwohl  man  den  Thurm 
bis  in  alle  Einzelheiten  genau  besass,  man  doch  die  Wieder- 
errichtung eines  modernen  Thurmes  befürwortete  und  mit 


443 


ist  es  wohl  zu  danken,  dass  in  dem  jüngeren  Holbein  die 
schlummernden  Kräfte  geweckt  wurden,  welche  ihn  dann 
später  befähigten,  in  den  verschiedenartigsten  Kunstzweigen 
Ausserordentliches  zu  leisten  und  sich  zur  vollen  Höhe 
seiner  künstlerischen  Leistungsfähigkeit  zu  erheben.  So- 
nach bildet  auch  für  Holbein  die  Fugger’sche  Grabkapelle 
den  Ausgangspunkt,  an  welchem  sich  sein  Können  übte, 
um  dann  dn  seinen  späteren  Wirkungskreisen,  der  Stadt 
Basel  und  an  Englands  Königshof  sich  zu  den  herrlichsten 
Meisterwerken  aufzuschwingen.  Mit  diesem  ersten  Bau- 


werke auf  dem  Boden  der  süddeutschen  Reichsstadt  ging 
aus  demSchoosse  deutschen  Bürgerthums  eine  neue  Kultur- 
blüthe  hervor,  lebenskräftiger  und  naturwüchsiger,  als 
spätere  Versuche. 

Mögen  meine  Darlegungen  die  Fachgenossen  anregen, 
in  dieser  Frage  weiter  zu  forschen,  und  die  noch  immer 
übrig  bleibenden  dunkeln  Punkte  in  der  Geschichte  des 
ersten  Renaissancebaues  in  Deutschland  einer  Aufhellung 
entgegenzuführen!  — 

Karlsruhe,  im  August  1902.  Weinbrenner. 


Todtenschau. 

Oberingenieur  Karl  Jolas  •('.  Am  21.  d.  M.  starb  in 
Ludwigshafen  a.  Rh.  nach  längerem  Leiden  der  Ober- 
ingenieur der  Pfälzischen  Eisenbahnen  Karl  Jolas,  ein 
durch  seine  hervorragenden  Kenntnisse  und  durch  treueste 
Pflichterfüllung  ausgezeichneter  Beamte,  dessen  Verlust 
nicht  allein  von  der  Bahnverwaltung,  sondern  auch  von 
seinen  Kollegen  und  Freunden  auf  das  tiefste  beklagt  wird. 
Am  16.  Sept.  1846  zu  Ludwigshafen  a.  Rh.  als  eines  der 
ersten  Bürgerkinder  der  damals  im  Entstehen  begriffenen 
Stadt  geboren,  machte  er  seine  technischen  Studien  auf 
dem  Polytechnikum  in  München,  welches  er  im  Jahre  1868 
absolvirte.  Am  i.  Aug.  1868  trat  er  in  den  Dienst  der 
Pfälzischen  Eisenbahnen  als  Ingenieur  ein,  nachdem  er 
schon  während  der  Herbstferien  1866  und  1867  beim  Bau 
der  Rheinbrücke, Ludwigshafen-Mannheim  verwendet  war. 
Zunächst  wurde  Jolas  bei  der  Planung  und  dem  Bau  der 
Bahnlinie  Dürkheim-Monsheim  beschäftigt,  von  wo  er  am 
I.  Dez.  1872  in  das  Hochbaubureau  der  Direktion  in  Lud- 
wigshafen einberufen  wurde.  Seine  Thätigkeit  daselbst 
erstreckte  sich  bis  zum  i.  April  1880,  an  welchem  Tage 
er  als  Bezirksingenieur  in  Ludwigshafen  zum  Bahnbetrieb 
versetzt  wurde.  Am  16.  Mai  1884  wurde  er  wieder  in  die 
Direktion  einberufen,  wo  er  als  Hilfsarbeiter  beim  inge- 
nieurtechnischen Referate  seine  umfassenden  theoretischen 
und  praktischen  Kenntnisse  zu  verwerthen  Gelegenheit 
hatte.  In  dieser  Stellung  verblieb  er  bis  zu  seinem  so 
früh  erfolgten  Tode,  nachdem  er  noch  am  i.  Juli  3895 
zum  Obenngenieur  befördert  und  in  Anerkennung  seiner 
erspriesslichen  Dienstleistungen  am  i.  Jan.  1893  ^lit  dem 
bayerischen  Michaels-Orden  IV.  KI.  dekorirt  wurde. 

Nicht  allein  die  Bahnverwaltung  beklagt  aufs  schmerz- 
lichste das  Hinscheiden  des  so  verdienstvollen  Ingenieurs, 
sondern  auch  die  Pfälzische  Kreisgesellschaft  des  baye- 
rischen Arch.-  und  Ing.-Vereins  verliert  in  dem  Ver- 
storbenen seinen  langjährigen  i.  Vorsitzenden,  unter  wel- 
chem das  Vereinsleben  in  so  hoher  Blüthe  stand.  Auch 
seine  Vaterstadt  Ludwigshafen,  in  welcher  Jolas  als  Sladt- 
rath  und  Mitglied  des  Bauausschusses  längere  Zeit  hin- 
durch seine  technischen  Kenntnisse  zum  Nutzen  der- 
selben zu  verwerthen  Gelegenheit  hatte,  blickt  trauernd 
auf  den  Dahingeschiedenen.  — 


Bücherschau. 

Anlässlich  der  vom  30.  Aug.  bis  3.  Sept.  d.  Js.  in  Augs- 
burg stattfindenden  XXXI.  Abgeordneten -Versammlung 
und  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher 
Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  ist  für  den  31.  Aug. 
ein  Ausflug  nach  Landsberg  und  für  den  3.  Sept.  ein  Aus- 


Gründen,  über  die  man  sprechen  kann?  Man  kann  über 
den  Seitz-Schäfer’schen  Entwurf  im  Einzelnen  denken  wie 
man  will:  imganzen  wird  man  ihm  die  Anerkennung  nicht 
versagen  können,  dass  er  eine  hervorragende  künst- 
lerische Arbeit  ist  und  dass  er  sich  harmonisch  in  das 
schöne  Bild  der  Heidelberger  Schlossgruppe  einfügt  und 
dieses  unzweifelhaft  bereichert. 

Nun  hat  man  mit  Recht  für  das  Heidelberger  Schloss 
wie  für  alle  alten  Bauten  von  Kunstwerth  die  Bedeutung 
eines  künstlerischen  Dokumentes  in  Anspruch  genommen 
und  man  fordert  für  Dokumente  mit  nicht  minderem 
Rechte,  dass  sie  mit  allen  erreichbaren  Mitteln  unver- 
ändert erhalten  werden.  Was  ist  nun  aber  ein  grösserer 
Verlust:  ein  erhabenes,  dem  Kunstbesitz  der  ganzen  ge- 
sitteten Welt  angehöriges  Kunstwerk  untergehen  zu  sehen, 
nur  um  es  unberührt  zu  lassen,  oder  es  mit  Mitteln  zu 
erhalten  zu  suchen,  die,  wenn  sie  auch  seinen  künstle- 
rischen Zustand  antasten,  immerhin  aber  doch  seine  Er- 
haltung auf  eine  längere  Dauer  hinaus  gewährleisten?  Man 
hat  den  sehr  beachtenswerthen  Vorschlag  gemacht  und 
auch  schon  ausgeführt,  die  der  Gefahr  des  Verlustes  aus- 
gesetzten Theile  des  Schlosses  im  geschlossenen  Raume 
aufzubewahren  und  sie  am  Gebäude  selbst  durch  neue 
zu  ersetzen.  Gewiss,  wir  würden  auf  diesem  Wege  all- 
mählich eine  Art  Abschrift  des  ursprünglichen  Doku- 
mentes erhalten.  Aber  man  erinnere  sich  doch,  wie  herz- 
lich dankbar  wir  heute  dem  Schicksal  sind,  welches  uns, 


flug  mittels  Sonderzuges  nach  Füssen  zur  Besichtigung 
des  Schlosses  Neuschwanstein  geplant.  Für  die  Theil- 
nehmer  an  diesen  Ausflügen  wurde  vom  Arch,-  und  Ing.- 
Verein  Augsburg  ein  Führer  herausgegeben.  Das  bei 
Lampart  in  Augsburg  gedruckte  Büchlein  ist  ein  geschmack- 
volles, mit  hübschen  Bildern  und  einem  Gebirgspanorama 
geschmücktes  Werkchen,  welches  jedem, Theilnehmer  an 
den  Ausflügen  die  gewünschten  Aufschlüsse  geben  und 
eine  schöne  Erinnerung  sein  wird.  — 


Preisbewerbungen. 

An  dem  Wettbewerb  betr.  den  Geschwindigkeitsmesser 
der  Grossen  Berliner  Strassenbahn  waren  127  Bewerber 
betheiligt.  Das  Preisgericht  hat  entschieden,  dass  die  aus- 
gesetzten Preise  keinem  der  Bewerber  zuerkannt  werden 
könnten.  Als  Anerkennung  für  einzelne  tüchtige  Aus- 
führungen wurde  jedoch  die  für  Preise  ausgesetzte  Summe 
von  4500  M.  mit  2500  M.  an  die  Firma  F.  Schuchhardt, 
Teiegraphenbau-Anstalt  in  Berlin;  mit  500  M.  an  Hrn.  Ing. 
E.  Gramer  in  Berlin;  mit  weiteren  500  M.  an  Hrn.  Ing. 
H.  W.  Hellmann  in  Berlin;  wieder  mit  500  M.  an  Hrn. 
Ob.-Ing.  K.  Wilkens  in  Berlin  und  mit  den  übrigen  500  M. 
an  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Georg  M e y e r in  Dresden N.  vertheilt.  — 

Ein  internationaler  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein 
Mc.  Kinley-Denkmal  in  Philadelphia  wird  zum  2.  März  1903 
erlassen.  Die  für  eine  Statue  mit  architektonischer  Um- 
gebung zur  Verfügung  stehende  Summe  beträgt  30000 
Dollars.  Es  gelangen  5 Preise  von  je  500  Dollars  zur 
Vertheilung.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  P.  B.  in  Essen.  Für  das  Durchschlagen  von 
Feuchtigkeit  an  der  Wetterseite  der  Gebäude  bis  auf  die  Tapete 
ist  keineswegs  der  Verputzer  der  Flächen,  sondern  der  Architekt 
verantwortlich  zu  machen.  Denn  es  bedarf  in  solchen  Fällen  be- 
sonderer konstruktiver  Anordnungen,  um  zu  verhindern,  dass  das 
unter  dem  Einflüsse  der  Treibkraft  der  Weststürme  aufschlagende 
Wasser  nicht  in  das  Innere  der  Mauer  eindringe.  Zementputz  mit 
Oelfarbenanstrich  ist  lediglich  ein  Auskunftsraittel  von  vorüber- 
gehendem Werth,  ein  dauerndes  Abhilfsmittel  ist  es  nicht.  — 

Hrn.  Arch.  H.  R.  in  Braunschweig.  Ihre  Anfrage  ist  zu 
allgemein  gehalten.  Meinen  Sie  weissen  Zementmörtel,  weissen 
Mörtel  lediglich  zum  Ausfugen  oder  wollen  Sie  zum  Mauern 
,, weissen  Mörtel“  verwenden?  — 

Inhalt:  Verband  deutscher  Arch.-  und  Ing.-Vereine.  — Die  Geburts- 
stttte  der  Renaissance  in  Deutschland.  — Zur  Aneelegeuheit  des  Heidel- 
berger Schlosses  (Schluss).  — Todtenschau.  — Bücherschau.  — Preis- 
bewerbungen. — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlm.  Für  die  Redaktion 
verantwortL  Albert  Hofmaun,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


da  wir  gerade  von  Dokumenten  sprechen,  in  den  Kloster- 
bibliotheken des  Mittelalters  Abschriften  der  antiken  Dicht- 
werke hinterlassen  hat.  Freilich,  das  Original  wäre  inter- 
essanter; aber  sind  der  Geist,  der  grosse  Gedanke  nicht  auch 
in  der  Abschrift  erhalten?  Und  man  denke  doch  ferner  dar- 
an, welche  wichtige  Rolle  bei  den  Untersuchungen  über 
das  Schloss  die  kümmerlichsten  Abbildungen,  die  wider- 
sprechendsten bildlichen  Wiedergaben  aus  vergangener 
Zeit  spielen!  Mit  welcher  Begierde  werden  nicht  Zeich- 
nungen zur  Beweisführung  herangezogen,  die  grob  ge- 
arbeitet, radirt  und  übermalt  sind  (Haupt  S.  65)?  Hätte 
man  alles  das  nöthig,  wenn  es  gelungen  wäre,  den  Otto 
Heinrichsbau  auch  nur  einigermaassen  besser  zu  erhalten? 
Ist  es  deshalb  nicht  richtiger,  das  Erreichbare  anzustreben, 
als  dem  Untergänge  des  Unersetzbaren  fatalistisch  und 
mit  verschränkten  Armen  zuzusehen?  Und  dieses  Er- 
reichbare, das  nach  unserem  Dafürhalten  einzige  künst- 
lerische Mittel  der  Erhaltung  des  Bestehenden 
am  Heidelberger  Schloss  ist  die  Fortsetzung  des 
Ausbaues.  So  sehr  man  auch  die  Gründe,  die  gegen 
diesen  Vorschlag  gemacht  werden  können,  würdigen  mag, 
sie  können  doch  in  keiner  Weise  den  Verlust  eines  der 
erhabensten  Werke  der  alten  Kunst  aufwiegen.  Erhaltung 
oder  Verlust,  das  ist  somit  die  ernste  Frage,  vor  der 
die  badische  Regieruhg  steht.  Ihre  Beantwortung  sollte 
nicht  zweifelhaft  sein.  — Pt.  


*144 


No.  69. 


Das  Müller’sche  Volksbad  in  München. 

Arch.;  Prof.  Karl  Hocheder  in  München. 

(Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Grundrisse  auf  Seite  447.) 

n den  Anlagen  längs  der  Isar,  un- 
mittelbar unterhalb  der  Ludwigs- 
brücke, ragen  über  die  Kronen  der 
umgebenden  Bäume  die  stark  ge- 
gliederten Baumassen  des  MüUer- 
schen  Volksbades  heraus.  Mit  dem 
Besitz  dieser  gross  angelegten  Bade- 
anstalt, den  es  der  hochherzigen 
Schenkung  eines  seiner  Bürger,  des 
Ingenieurs  Karl  v.  Müller,  zu  danken  hat,  schloss 
sich  München  einer  Reihe  von  deutschen  Städten  an, 
in  denen  dem  Volkswohl  dienende  Badeanstalten  grösse- 
ren oder  geringeren  Umfanges,  durch  städtische  Mittel 
oder  durch  private  Stiftungen  hervorgerufen,  schon 
länger  bestehen. 

Das  Gebäude  bedeckt  ohne  den  eingeschlossenen 
Hof,  jedoch  einschliesslich  eines  künftigen  Wohn- 
hauses, das  die  Ueberleitung  der  Baumassen  des  be- 
stehenden südlichen  Häuserblocks  der  Zweibrücken- 
strasse zum  Badehause  bilden  soll,  eine  Grundfläche 
von  nahezu  4000  q“.  Für  die  Lage  wurde  darauf  Be- 
dacht genommen,  die  alte,  auf  das  Innere  der  Insel 
sich  hinziehende  Allee  schöner  Kastanienbäume,  die 
nun  über  einen  einspringenden  Hof  zum  Eingang  des 
Bades  führt,  soviel  als  möglich  zu  erhalten,  Ueber- 
haupt  waren  für  die  weitere  architektonische  Durch- 
bildung des  Baues  die  ungezwungene  Einfügung  in  das 
Stadt-  und  das  Landschaftsbild,  eine  klare,  mderisclie 
Gruppirung  und  angenehme  Umrisslinie  der  Baumassen 
ein  wichtiges  Erfprderniss,  das  die  freie  Lage  des  dicht 
am  Wasser  sich  erhebenden  und  aus  grösserer  Ent- 
fernung ungehindert  sichtbaren  Gebäudes  bedingte. 
Um  die  nöthige  Breite  des  Bauplatzes  zu  gewinnen, 


445 


wurde  die  ehemalige  Zufahrtstrasse  zur  Baumschule 
nach  Osten  verlegt,  wo  sie  nun  künftig  durch  einen 
Bogen  von  6 Spannweite  unter  dem  geplanten  Wohn- 
gebäude hindurch  zum  städtischen  Elektrizitätswerk 
und  zur  Baumschule  führt. 

Für  die  Grundrissgestaltung  in  ihren  Hauptzügen 
galt  es  bei  einer  derartigen  Anlage  vor  allem,  darauf 
Rücksicht  zu  nehmen,  gleich  von  der  Kasse  ab  die 
Trennung  der  Geschlechter  durchzuführen.  Nur  das 
Dampf-  und  römisch-irische  Bad,  das  von  beiden  Ge- 
schlechtern zu  verschiedener  Zeit  abwechselnd  benutzt 
werden  soll,  und  der  Erfrischungsraum  erhielten  neu- 
trale Zugänge,  die  ausserhalb  der  Geschlechter-Ab- 
theilungen  erreichbar  sind.  Eine  weitere  Nothwendig- 
keit,  nämlich  die  langgestreckten  Schwimmbäder  in 
den  rückwärtigen  Theil  des  Gebäudes  zu  verlegen,  er- 
gab sich  aus  der  Forderung  möglichster  Abkürzung  der 
Wege  zudenverschiedenenAbtheilungen  des  Gebäudes. 


vom  Vestibül  aus  geraden  Weges  erreichbar,  der 
Raum  für  die  Kasse  und  für  die  Wäscheabgabe.  Daran 
schliesst  sich  zu  beiden  Seiten  je  ein  Warteraum  mit 
Oberlicht  an,  rechts  für  die  Männer,  links  für  die 
Frauen,  von  wo  aus  die  betreffenden  Einzelbäder  und 
Schwimmhallen  zugänglich  sind.  DieMänner-Schwimm- 
halle  ist  hinter  dem  Thurme  in  der  Hauptaxe  gelagert 
und  fast  unmittelbar  vom  Warteraum  aus  erreichbar. 
Das  seitlich  und  etwas  weiter  rückwärts  gelegene 
Frauenbad  ist  durch  einen  kurzen  Gang  mit  dem 
Warteplatz  verbunden.  Auf  der  Männerseite  befinden 
sich  ausserdem  noch  13  Wannenbäder,  i Jourzimmer, 
I Requisitenraum  und  ein  Friseurladen,  während  die 
Frauen-Abtheilung  nur  6 Wannenzellen  Aufnahme 
gewähren  konnte,  da  der  übrige  Raum  dieser  Ab- 
theilung von  der  ausgedehnten  Einrichtung  des 
Dampf-  und  römisch-irischen  Bades  und  von  einem 
geräumigen  Erfrischungs-Raum  eingenommen  wird. 


Die  neue  Anstalt  enthält  ein  Schwimmbad  für 
Männer,  ein  solches  für  Frauen,  das  Dampf-  und  rö- 
misch-irische Bad,  ferner  86  Wannenbäder,  zur  einen 
Hälfte  für  Männer,  zur  anderen  für  Frauen  bestimmt, 
das  Brausebad,  das  mit  eigenem  Zugang  ins  Unter- 
geschoss verlegt  ist,  endlich  ein  Hundebad,  gleichfalls 
im  Untergeschoss  und  mit  besonderem  Eingang;  hier- 
zu treten  die  erforderlichen  Wirthschafts-  und  Bedie- 
nungsräume. Auf  die  einzelnen  Stockwerke  vertheilen 
sich  die  zu  den  verschiedenen  Abtheilungen  gehörigen 
Räume  folgendermaassen: 

Im  Untergeschoss  haben  ausser  dem  schon  er- 
wähnten Männer-Brausebad  für  15  Personen  und  einem 
Hundebad,  3 Brausebäder  für  Frauen,  i Wannenbad  und 
I Moorbad  mit  zugehöriger  besonderer  Kasse  und 
Wäscheabgabe  sowie  Abortanlage,  dann  die  aus  Wasch- 
küche, Trockenapparat,  Bügel-  und  Mangelraum  be- 
stehende Wasch-  und  Trockenanstalt  und  die  Be- 
dienungsräume für  den  Gesammtbetrieb  Platz  gefun- 
den; ferner  sind  hier  der  Maschinenraum  sowie  eine 
Anzahl  verfügbarer  Räume  untergebracht.  Der  ge- 
schlossene Hof  liegt  auf  Kellersohle. 

Im  Erdgeschoss  (Abbildg.  S.  447)  befindet  sich  zu- 
nächst, in  derHauptaxe  des  Gebäudes,  unter  demThurme, 

446 


Im  ersten  Obergeschoss  (Abbildg.  S.  447)  sind 
hauptsächlich  die  Wannenbäder  untergebracht,  und 
zwar  auf  der  Männerseite  19,  auf  der  Frauenseite  29 
Badezellen  nebst  Aborten  und  Requisitenräumen. 
Ausserdem  sind  14  Zellen  so  angeordnet,  dass  sie  von 
Männern  oder  Frauen  benutzt  werden  können,  je  nach- 
dem auf  der  einen  oder  anderen  Seite  ein  Mehrbedarf 
für  Wannenbäder  sich  einstellt  Das  zweite  Ober- 
geschoss, das  nur  zu  einem  kleinen  Theile  ausgebaut 
ist,  enthält  die  Verwalterwohnung,  die  aus  4 Zimmern, 
Garderobe,  Magdkammer,  Abort  und  Küche  besteht, 
ferner  das  Verwaltungsbüreau,  i Depotraum  für  Re- 
servewäsche und  zwei  vorläufig  noch  unbenutzte  Re- 
serveräume für  beliebige  spätere  Verwendung. 

In  den  verschiedenen  Geschossen  des  Thurmes 
befinden  sich  noch  kleine  Wohnungen  für  Bedienstete, 
ein  Raum  für  zwei  grosse  Wasserbehälter  und  das 
Triebwerk  der  mit4  grossen  Zifferblättern  ausgestatteten 
Thurmuhr.  In  der  Höhe  von  etwa  35"*  über  dem 
Fussboden  des  Erdgeschosses  ist  eine  bequem  zugäng- 
liche, freie  Aussicht  geschaffen.  Auch  die  mit  Fenstern 
geschlossene  Laterne  des  Thurmhelmes  dient  dem  an- 
genehmen Zwecke  einer  schönen  Rundsicht  über  die 
Stadt  und  das  Isarthal  — (Fortsetzung  folgt) 

No.  70. 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


VI.  Die  Ausstellung  des  „Vereins  deutscher  Port- 
land-Gement  - Fabrikanten"  und  des  „Deutschen 
Beton-Vereins."  (Schluss.) 

ielleicht  den  weitgehendsten  Einfluss  auf  die  Umge- 
staltung der  Bauweise  haben  die  Anwendung  des 
Zementmörtels^  des  Betons  und  insbesondere  der 
Betoneisen-Konstruktionen  im  Hochbauwesen  zur  Folge  ge- 
habt. Zur  Herstellung  eines  besonders  starken  Pressungen 
ausgesetzten  Mauerwerkes,  zur  Ausführung  wasserdichter 


liehen  porösen  bezw.Hohlziegeln,  oder  in  besonderenForm- 
steinen  mit  Zementmörtel.. mit  und  ohne  Eiseneinlage,  in 
reinem  Stampfbeton  zwischen  eisernen  Trägern  und  in 
Stampfbeton  mit  Eiseneinlage  hergestellt  werden.  In  den 
neuesten  Formen  erscheinen  sie  schliesslich  derart,  dass  auch 
der  eiserne  Deckenträger  verschwindet  und  an  seine  Stelle 
ein  Betonbalken  tritt,  ip.  welchem  die  Zugspannungen  durch 
Eiseneiniagen  aufgenommeri  werden.  Ebenso  ist  der  massiv 
gewölbten  Decke  in  der  geringere  Höhe  beanspruchenden, 
leichteren  und  daher  weniger  Schub  ausübenden  Beton- 


Kellersohlen  bis  zu  beträchtlicher  Tiefe  unter  dem  Grund- 
wasserspiegel, zu  Gründungen  aller  Art  sind  Zement  und 
Beton  unentbehrliche  Hilfsmittel  für  uns  geworden.  Ze- 
ment-Kunststein zu  Treppenstufen,  sowie  zur  Verkleidung 
ganzer  Fassaden,  letzteres  namentlich,  seit  man  durch  die 
neueren  Verfahren  dem  Kunststein  eine  täuschende  Aehn- 
lichkeit  mit  natürlichem  Sandstein  zu  geben  vermag,  haben 
eine  weite  Verbreitung  gefunden. 

Eine  vollständige  Umgestaltung  hat  der  Deckenbau 
erfahren.  Anstelle  der  Holzdecken  sind  die  flachen,  feuer- 
sicheren Massivdecken  getreten,  die  entweder  in  gewöhn- 

30.  August  1902. 


decke  mitEiseneinlage  ein  lebhafterWettbewerb  erwachsen, 
besonders  auch  in  solchen  Fällen,  in  welchen  es  sich  darum 
handelt,  reichgegliederte, nichttragendeDeckenherzustellen. 
Die  Anwendung  des  Betons  zum  Bau  der  Gebäuderaauern 
hat  im  Norden  Bedeutung  im  wesentlichen  nur  für  Fabrik- 
anlagen und  Nutzbauten  ähnlichen  Charakters  gefunden,  da 
Betonmauern  infolge  der  physikalischen  Eigenschaften  des 
Baustoffes  fürWohnhausbauten  vom  Standpunkte  der  Hygi- 
ene und  der  Ansprüche  an  Behaglichkeit  des  Wohnens  hier 
fürweniger  geeignetgehalten  werden,  als  Ziegelmauern.  Ein 
weitesFeld  derAnwendung  kommt  dagegen  demBetoneisen- 

447 


Fachwerkbau  zu,  bei  welchem  die  Wände  aufgelöst  sind  in  träger  aufgelegt  sind,  an  welche  eine  zugleich  als  Putzträger 
ein  System  von  Betoneisenstützen,  die  in  Gemeinschaft  mit  dienende  Rohrmatte  aufgehängt  ist.  Es  wird  dadurch  die 
den  Innenstützen  die  Decken  nebst  Belastung  tragen,  wäh-  Schalung  erspart.  Abbildg.  na  (S.  450)  zeigt  das  System  der 
rend  die  Mauern  je  nach  Decke  fertig  ausgeführt. 


der  Zweckbestimmung  des 
Gebäudes  entweder  aus 
leichten  Zwischen  • Kon- 
struktionen ebenfalls  in 
Betond.en-Bauweise  aus- 
geführt werden,  oder  als 
äussere,  nicht  tragende, 
daher  schwach  zu  haltende 
Steinhülle  das  konstruktive 
Gerast  umgeben.  Diese 
Anordnung  entspricht  also 
im  Grunde  dem  Eisenfach- 
werkbau, besitzt  vor  ihm 
aber,  abgesehen  von  dem 
Vorzüge  der  Feuersicher- 
heit, den  weiteren  Vorzug, 
dass  dieStützenundDecken 
nach  Art  ihrer  Herstellung 
ein  einheitliches  Ganze 
bilden,  daher  auch  stoss- 
weise  auftretenden  Kräften 
einen  hohen  Widerstand 
entgegen  setzen.  Allerdings 
erfordert  die  Ausführung 
von  Bauten  in  Betoneisen- 
Konstruktion  ein  hohes 
Maass  von  Sorgfalt  und 
Sachkenntniss,  sowohl  in 
der  Auswahl  der  Materi- 
alien, wie  in  der  Herstellung 
und  der  Festsetzung  der 
Abmessungen  aufgrund  der 
statischen  Untersuchungen. 
Eine  Bauweise,  die  unge- 
straft Jeder  ausüben  darf, 
ist  sie  daher  nicht. 

Als  Beispiel  für  die 
vorbeschriebene  Art  [|der 
Ausführung  ist  in  Abb. 
loa — c (S.  450)  eine 
Decken-  und  Stützen- 
Konstruktion  nach  dem 
System  „Hennebique“ 
im  Ganzen  und  in  den 
Einzelheiten  gezeigt. 
Ausserdem  vergl.  die 
Abbildg.  17,  18  u.  19. 

An  dem  Bau  der  Be- 
ton-Ausstellung selbst 
ist  die  Anwendung  der 
Betoneisen  - Konstruk- 
tionen, wie  schon  er- 
wähnt, einerseits  an 
den  monumentalen 
Säulen,  andererseits  an 
den  Decken  der  unte- 
ren Ausstellungshallen 
vorgeführt.  Um  die 
Konstruktion  der  letz- 
teren, die  sämmtlich 
von  der  Firma Wayss 
& Frey  tag  ausgeführt 
sind,  zur  Anschauung 
zu  bringen,  sind  beson- 
dere Probestücke  aus- 

festellt,  welche  die 
inzelheiten  der  An- 
ordnung deutlich  er- 
kennen lassen. 

Zwei  der  Decken 
sind  gerade  bezw.  ge- 
wölbt als  einfache 
Stampfbeton  - Ausfüh- 
rungen ohne  Eisenein- 
lage zwischen  eisernen 
I-Trägern  hergestellt, 
zwei  weitere  als  gerade 
bezw.  gewölbte  Mauer- 
decken.  Zwei  Aus- 
führungen zeigen  die 
Holzer’sche  Decke, 
die  namentlich  für 


Abbildg.  19. 


Betoneisenbau  der  Fabrik~von  Ensslin  & I.aiblin 
in  Reutlingen. 


Abbildg.  18.  Lagerhaus  in  Strassbarg  I.  E.  Decken  und  Stützen. 


Abbildg.  II  b vor  Aufbrin- 
gung des  Betons. 

In  einer  weiteren  Probe 
wird  die  Wayss'sche 
Spanndecke,  oder  auch 
Gelenkeisen-Decke  ge- 
nannt, (D.R.P.  109964)  ge- 
zeigt. Sie  weicht  von  der 
Koenen’schen  Vout  en- 
platte  (Abbildg.  12),  mit 
der  sie  die  Verstärkung 
des  Betonquerschnittes  an 
den  Auflagern  gemein  hat, 
und  von  allen  anderen  ähn- 
lichen Konstruktionen  da- 
durch ab,  dass  die  aus 
Flacheisen  bestehenden 
Eiseneinlagen  an  den  Null- 
punkten der  Momente  (die 
Decke  ist  als  kontinuir- 
licher  Träger  mit  Einspan- 
nung an  den  Trägern  zu 
betrachten)  gelenkartig  ver- 
bunden sind.  Der  Eisen- 
querschnitt braucht  also 
nicht  auf  die  ganze  Länge 
der  gleiche  zu  sein,  son- 
dern kann  entsprechend 
der  wechselnden  Grösse 
der  Biegungsmomente  ver- 
schieden gewählt  werden; 
vgl.  hierzu  die  Abbildg.  13. 
Die  Decke  kann  in  Spann- 
weiten bis  zu  7 “ ausge- 
führt werden,  ist  bei  3.5 
bis  4 m aber  am  vortheil- 
haftesten  bezüglich  der 
Kosten.  Wie  alle  Vouten- 
decken , gestattet  sie 
eine  sehr  geringe  Stär- 
ke in  der  Deckenplatte 
selbst,  in  welcher  die 
Druckfestigkeit  des  Be- 
tons ausgenutzt  wird, 
während  die  Verstär- 
kungen an  den  Trä- 
gern die  entsprechend 
dem  höheren  Stützen- 
moment nothwendige 
Querschnitts-  Vergrös- 
serung  ergeben. 

Bemerkt  sei,  dass 
die  A.-G.  für  Beton- 
und  Monierbau  in 
Berlin,  abgesehen  von 
der  Anwendung  der 
Koenen’schen  Vouten- 
platte  als  Fussgänger- 
steg  über  dem  Wasser- 
becken an  derKaskade, 
diese  Decke  auch  noch 
im  Freien  in  einem  Bau- 
werk vorführt,  das  aus 
einem  6 “ freitragen- 
den Mittelfelde  mit  2 
Seitenfeldern  von  je 
4,5“  auf  Betonmauem 
besteht.  Die  Platten- 
stärke beträgt  16 
Pavillonartige  Aufbau- 
ten von  etwa  80  ‘ Ge- 
sammtgewicht,inBeton 
hergestellt,  stehen  auf 
den  Seitenöffnungen 
und  sind,  mitKoenen’- 
scher  Plan  decke  ge- 
schlossen, zur  Aufnah- 
me von  Photographien 
ausgeführter  Beton- 
bauten der  Firma  her- 
gerichtet. 

Eine  weitere'*  Aus- 


Wohnhäuser  geeignet  ist  und  sich  von  den  geraden  Monier-  bildung  der  Wayss’schen  Decken  zeigt  Abbildung  14. 
decken  dadurch  unterscheidet,  dass  statt  der  Rundeisen-  Um  die  Decke  bei  einseitiger  beweglicher  Belastung, 
Einlage  kleine  I-Eisen  auf  den  Unterflansch  der  Decken-  beziehungsweise  bei  verschieden  weiten  Spannungen 


4^8 


No.  70 


entsprechend  den  auftretenden  Kräften  noch  sicherer  aus- 
zubilden, als  dies  bei  der  Voutenplatte  mit  einfacher  Eisen- 
einlage der  Fall  ist,  ist  hier  eine  zweite  Einlage  vorge- 
sehen, welche  die  untere  Laibung  der  Vouten  begleitet. 

Einige  andere  Deckenbeispiele  sind  vollkommen  iii 
Betoneisen-Bauweise  hergestellt,  wobei  also  auch  die  Bal- 


decke entsprechenden  Eiseneinlagen  sind  noch  neben  den- 
selben wagrechte  Stäbe  hinzugefügt.  Zur  Aufnahme  der 
Scheerkräfte  dienen  die  wie  bei  System  Hennebique  um- 
gelegten Bügel,  deren  Dichte  entsprechend  der  Veriheilung 
der  Querkräfte  nach  den  Enden  zunimmt.  Durch  Ein 
fügung  von  Blindbalken  lässt  sich  die  Decke  architektonisch 


Abbildg,  I7.  Lagerhaus  in  Eisenbeton  in  Strassburg  i.  E.  wahrend  der  AusfQhrung  durchAVayss  & FreytagJ 


Abbildg.  9.  Brücke  über  den  Nymphenburger  Kanal  bei  Gern-München  (Ausführung:  Wayss  & Freytag.) 


ken,  welche  die  Deckenplatte  tragen  (mit  der  sie  übrigens 
als  (^nzes  zusammen  hergestellt  werden),  in  Stampfbeton 
mit  Eiseneinlage  ausgeführt  sind.  Abbildg.  15  stellt  eine 
derartige  Decke  Wayss’scher  Anordnung  in  ihrer  voll- 
ständigen Ausführung  dar.  Ausser  den  der  Gelenkeisen- 


ausgestallen.  Wird  dagegen  statt  der  Blindbalken  eine 
zweite,  die  ersten  Balken  kreuzende  Schaar  von  Beton- 
eisenbalken der  vorbeschriebenen  Konstruktion  eingelegt, 
so  entsteht  eine  Kassettendecke  von  hoher  Tragfähigkeit 
da  die  Deckenplatte  in  jedem  Felde  auf  aUen  4 Seiten 


30.  August  1902. 


449 


aufiiegt.  Die  Balken,  welche  in  nicht  Sehr  grossen  Ab- 
ständen von  einander  liegen,  können  niedrig  werden  und 
erfordern  wenig  Eisen,  sodass  die  Decke  billig  wird,  trotz- 
dem sie  sich  besonders  zum  Tragen  grosser  Lasten  eignet. 

Schliesslich  ist  als  eine  besondere  Form  der  Deckenaus- 
stellung der  Firma  Wayss  &Fre3'-tag  noch  die  Zöllner 'sehe 
Zellendecke  zu  erwähnen,  die  in  Abb.  i6  in  einer  Skizze 
dargestellt-  ist,  weiche  ihre  Grundzüge  zeigt.  Die  Decke  be- 


steht aus  zwei  getrennten  Betonschichten,  von  denen  die 
obere  in  der  Druck-,  die  zweite  in  der  Zugzone  liegt.  Beide 
sind  durch  Betonstege  mit  einander  verbunden.  Die  untere 
Betonschicht  und  die  Stege  haben  etwa  4 cm  Stärke,  wäh- 
rend die  obere  entsprechend  der  Druckbeanspruchung  zu 
bemessen  ist;-  In  den  Stegeri  liegen  Eiseneinlägen.  Die 
Hohlräume  werden  hergestellt,  indem  auf  der  unteren 
Betonschicht  Hohlsteine  aus  gebranntem  Thon  in  Ab- 


Abbildg.  13.  Spanndecke  bezw.  Gelenkeisendecke  von  Wayss; 


Abbildg.  14.  Betondecke  mit  voutenförmiger  Unteransicht  und 
zweifacher  Eiseneinlage. 


Abbildg.  15.  Betonbalkeodecke,  System  Wayss. 


Abbildg.  16.  Zöllner’sche  Decke. 


Zum  Ausbau  der  Meissner  Domthürme. 

ie  Frage'  des  Ausbaues  der  Meissner  Domthürme 
Und  der  Wiederherstellung'  des  Gotteshauses  auf 
dem  Schlossberge  von  Meissen  hat,  wenn  auch  in 
engeren  Grenzen,  keinen  geringeren  Kampf  gezeitigt,  wie 
die  Frage-  des  Ausbaues  des  Otto  Heinrichsbaues  des 
Heidelberger  Schlosses!  Wir,  haben  darüber  bereits  in 
den  längeren  Ausführungen  S.  356  ff.  berichtet.  Bei  der 
Heftigkeit,  des  Kampfes  ist  die  eigentliche  Sachlage  viel- 
fach getrübt  worden,  weshalb  sich  der  Vorsitzende  des 
Meissner  Dombau-Vereins,  Geheimrath  Prof.  Dr.  Wach  in 
Leipzig,  veranlasst  gesehen  hat,  in  einer  längeren-  Aus- 
führung den  Stand  der  Angelegenheit  klar  zu  legen. 
Wir  entnehmen  dieser  Ausführung  im  wesentlichen  das 
Folgende 

Der  Dombau-Verein  in  Meissen  wurde  am  28.  März 
1896  mindern  satzungsgem.ässen  Zweck  gegründet,  „die 
Erhaltung,  bezw.  den  Ausbau  des  Meissner  Domes“ 
herbeizUführen.  Ein  von  sämmtlichen  Mitgliedern  des' 
Vorstandes-  Unterzeichneter  Aufruf  vom  27.  Oktbr.  1896 
bezeichnete- u.- a.  als  Ziel  des  Vereines,  den  Dom  „im 
Geiste:;d6r  alten  Meister  äuszubauen“!  Diese  Feststellung 
erfolgtv  gegenüber  , deh  Bestrebungen,  einen  Ausbau  zu 
verhindern-  und'  die  für'diesen  Zweck  gesammelte  Summe 
anderen  Zwecken  dienstbar  zu  machen.  Das  wäre  also 
statutarisch  unzulässig.  Der  Bericht  gedenkt  ferner  des 
Vorwurfes,  „der  Verein  stelle  sich  mit  der  Betonung 
seines  grundsätzlichen  Zweckes  auf  einen  formalen  Stand- 

gunkt,  während  es  sich  doch  da.rum  handle,  dem  Dom 
Utes  ZU!  erweisen,  und,  was  eben  fraglich  sei,  ob  ein 
Ausbau:  dazu;  diene“'.  „Das  ist  uns  nicht  fraglich“,  ent- 
gegnet der  Bericht;  „der  Dombauverein  ist  gegründet 


auf  die  Ueberzeugung  von  der  inneren  Berechtigung  des 
■Wunsches,  das  herrliche  Bauwerk  zu  erhalten  und  aus 
dem  Zustand  des  Torso  zur  Vollendung  zu  führen“.  Die 
Bauherren  sind  das  Domkapitel,  das  sächsische  .Kultus- 
ünd  das  Finanzministerium.  An  diese  Stellen  hat  der 
Dombau- Verein  seine  Vorschläge  gerichtet.  Folgende 
Vorschläge  fanden  die  grundsätzliche  Billigung:  i.  Ver- 
setzung der  Grabplatten  ah  die  Wände  nnd  .die  Erneue- 
rung des  gesammten  Plattenbelages,  sowie  Ausbesserung 
und  Reinigung  des  Kircheninneren..  2.  Erneuerung  sämmt- 
licher  Fenster  und  Ausbesserung  der  Fenstergewände  und 
des  Maasswerkes.  3.  Erneuerung  des  Daches  und  stärkere 
Befestigung  des  Dachstuhles.  4 Aufbau  des  Nordthüfmes 
und  der  beiden  Westlhürme  unter  Verstärkung  der  Füri- 
daraente  der  letzteren.  Erhaltung  und  Ausbau  des  Domes 
■waren  also  gleichmässig  zu  planen.  Die  Erhaltungs-Ar- 
beiten erforderten  keine  weitere  Vorbereitung,  wohl  aber 
die  Ausbau-Arbeiten.  Für  diese  wurde  zunächst  durch 
Messbild- Aufnahmen  vom  ganzen  Gebäude  durchMey  den- 
bauer  eine  Grundlage  geschaffen.  Man  forderte  dann 
A.  Beyer  in  Ulm,  A.  Linnemann  in  Frankfurt  a.  M., 
Karl  Schäfer  in  Karlsruhe,  Gabr.  v., Seidl  in  München, 
K.  Steinbrecht  in'Marienburg  und  P.  T or  n o w in  Metz  auf, 
Entwürfe  für  den  Ausbau  zu  machen.-  Linnemann,  Schäfer 
und  Seidl  entsprachen  dem  Ansuchen.  Dass  Westthürme 
zur  Vollendung  des  Bauwerkes  und,  wie  Seidl  sagte,  zum 
„Abschluss  einer  so  aussergewöhnlichen,  grossartigen 
Gruppirung  von  Landschaft  und  Baukunst“  geboten  seien, 
darin  stimmten  die  Gutachten  überein.  Sie  gingen  aus- 
. einander  hinsichtlich  der  Art  des  Ausbaues.  Seidl  und 
Schäfer  schlugen  einen  z weithürmigen,  Linnemann  einen 
dreithürmigen  Ausbau  vor  (siehe  die  Abbildungen  S.  229). 
Der  Dombauverein  entschied  sich  in  seiner  Generalver- 

No.  70. 


450- 


Ständen  verlegt  werden,  welche  der  Stegdicke  entsprechen. 
Die  Decke  ist  daher  sehr  leicht.  Ist  die  Decke  kontinuir- 
lich  oder  an  den  Wänden  eingespannt,  so  sind  die  Eisen- 
einlagen so  anzuordnen,  dass  sie  auch  die  aus  den.  ne- 
gativen Momenten  entstehenden  Spannungen  aufnehmen 
können.  Soll  , die  Decke  nicht  kontinuirlich  wirken,  so 
werden  die  Eiseneinlägen  auf  den  Unterflanschen  der 
Deckenträger  aufgelegt.  Die  Stege  nehmen’ dann  mit  ihren 
Eiseneinlagen  die  ganze  Zugspannung  auf,'  die  untere 
Betonschicht  kann  ganz  fortfallen.  Bei  Berechnung  der 
Tragfähigkeit  kann  man  sich  aus  der  Decke  Streifen  her- 
ausgeschnitten denken,  die  einen  Steg  mit  der  Hälfte  der 
beiden  anschliessenden  Felder  enthalten.  Diese  Streifen 
besitzen  dann  also  I-  oder  T-förmigen  Querschnitt.  Die 
Decke  wird  in  verschiedenen,  von  einander  etwas  ab- 
weichenden Formen  hergestelU. 

Um  das  Bild  der  Deckenausstellungen  zu  vervoll- 
ständigen, sei  noch  eine  Ausführung  der  Eggert-Decke 
erwähnt,  die  Dyckerhoff  & Widmann  im  Freien  vor- 
führen. Sie  besteht  aus  einer  unteren  Schicht  in  Zement- 
mörtel mit  Eiseneinlagen  versetzter  Formsteiiie,  die  be- 
deckt sind  durch  eine  obere  Betonschicht,  welche  den 
Druck  aufzunehmen  hat. 

Als  ein  Beispiel  vollständig  in  Betoneisenbau  ausge- 
führter Fabrikgebäude  nach  dem  System  des  Fachwerkbaues 
mit  nur  umhüllender,  nicht  tragender  Aussenwand,  ist  in 
den  Abbildungen  17  und  18  das  von  der  Firma  Wayss  & 
Freytag  ausgeführte  Lagerhaus  in  Strassburg  i.  E.  wäh- 
rend der  Ausführung  zur  Darstellung  gebracht,  ausserdem 
in  Abbildg.  19  das  Innere  eines  von  derselben  Firma  für 
die  Hrn.  Ensslin  & Laiblin  in  Reutlingen  hergestellten 
Fabrikbaues.  Aus  beiden  ist  ersichtlich,  wie  durch  diese 
Bauweise  die  Gewinnung  grosser  Lichtöffnungen  in  den 
nicht  tragenden  Aussenwänden  möglich  ist. 

Die  Ausstellung  bringt  auch  in  den  von  anderen  Firmen 
ausgestellten  Modellen,  Zeichnungen  und  Photographien 
manches  werthvolle  Material,  es  würde  uns  aber  zu  weit 
führen,  auf  alles  im  Einzelnen  einzugehen.  Ausser  den 
schon  bei  der  Ausführung  des  Aussteliungsbaues  genannten 
Firmen  seien  noch  erwähnt  A.  Thormann  & J.  Stiefel 
in  Augsburg  mit  interessanten  Entwürfen  zu  Wasserkraft- 
Anlagen, Aquädukten, Joh.  Odorico  in  Dresden  namentlich 
••■mit  Hochbau-Ausführungen  System  Hennebique,  ferner 
Carl  Brandt  in  Düsseldorf  usw.  Ausserdem  haben  ver- 


schiedene der  schon  genannten  Firmen  Kunststeine,  Beton- 
rohre, Zementwaaren  verschiedener  Art  ausgestellt,  wäh- 
rend die  Firmen:  Masch.-Fabr.  „Rhein  und  Lahn“  Gauhe, 
Gockel  & Cie.  in  Oberlahnstein  a.  Rh.,  Alfred  Kunz  in 
Kempten,  Beyer  & Zetzsche,  Masch.-Fabrik,  Plauen 
i.  Voigtl.,  F riedrich  Krupp,  Grusonwerk  Magdeburg-Buckau, 
hauptsächlich  Beton -Mischmaschinen  verschiedener  Kon- 
struktionen vorführen. 

Zu  erwähnen  ist  noch  als  bemerkenswerth  eine  Samm- 
lung von  Hölzern,  die  5 Jahre  lang  in  Beton  eingeschlossen 
waren  und  sich  darin  gut  erhalten  haben;  sie  ist  von  Hrn. 
Prof.  M.  Möller  in  Braunschweig  ausgestellt. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  einer  sehr  interessanten  Ver- 
anstaltung, der  Sonderausstellung  des  „Vereins  deut- 
scher Portland-Cement-Fabrikanten“  gedacht,  guf 
welche  näher  einzugehen,  wir  uns  leider  versagen  müssdn. 
Sie  enthält  alle  zur  Prüfung  des  Zementes  Üblichen  Apparate 
und  Proben,  welche  das  Prüfungs-Ergebniss  zeigen.  Es 
finden  sich  dort  die  Apparate  zur  Prüfung  der  'Bmdezeit, 
der  Raumbeständigkeit,  zur  Ermittelung  der  Feinheit  , der 
Mahlung,  zur  Prüfung  der  Zug-  bezw.  Druckfestigkeit. ' Die 
Apparate  umfassen  also  ein  vollständiges  Zement- Labo- 
ratorium. Sie  sind  grösstentheils  geliefert  von  dem  che- 
mischen Laboratorium  für  Thonindustrie  in  Berlin. 
Hieran  schliessen  sich  noch  eine  Reihe  besonderer  Prüfungs- 
apparate, ferner  die  in  No.  50  mit  Abbildungen  dargeslelite 
Betonpresse ■'=)  des  deutschen  Betonvereins,  endlich 
eine  neue  Röhr  en-Prüfungspresse  von  Koenen.  Eine 
Zusammenstellung  feiner  Messinstrumente  zu  wissenschaft- 
lichen Untersuchungen  haben  schliesslich  die  kgl.  preuss. 
mechanische  Versuchsanstalt  in  Charlottenburg 
und  die  Materiai-Prüfungsanstalt  an  der  kgl.  tech- 
nischen Hochschule  zu  Stuttgart  beigesteuert. 

Wir  müssen  bezüglich  dieser  Einzelheiten  unsere  Leser 
auf  den  trefflichen  Sonder-Katalog  der  beiden  Vereinigun- 
gen verweisen,  deren  Zusammenarbeiten  wir  diese  Aus- 
stellung verdanken.  Dieser  Katalog;  „Die  deutschePort- 
land-Cement-undBeton-IndustrieaufderDüssel- 
dorf er  Ausstellung  1902“,  giebtin  historischer,  baulicher 
und  theoretischer  Beziehung  eine  klare,  durch  gut  gewählte 
Illustrationen  erläuterte  Darstellung  über  die  Entwicklung 
der  Zementindustrie  und  der  Betonanwendung  in  Deutsch- 
land und  bildet  eine  werthvolle  Ergänzung  des  verdienst 
vollen  Ausstellungs-Unternehmens.  — Fr.  E. — 


Preisbewerbungea. 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
einen  Erweiterungsbau  des  Restaurations-Gebäudes  auf  dem 
Steinberge  in  Lauban  erlässt  der  Magistrat  zum  31.  Dez. 
d.  J.  unter  Verheissung  zweier  Preise  von  1200  und  800  M. 
und  mit  der  Absicht  des  Ankaufes  nicht  preisgekrönter 
Entwürfe  für  je  500  M.  — 

Ein  Wettbewerb  des  Oesterr.  Ing.-  und  Arch.-Vereins 
ln  'Wien  für  seine  Mitglieder  betrifft  die  Frage : „Auf  welche 


Sammlung  vom  28.  Dez.  igoi  „mit  einer  an  Einstimmig- 
keit grenzenden  Majorität“  für  den  überarbeiteten  zwei- 
Äürmigen  Schäferschen  Entwurf.  Es  werden  nun  eine 
■Reihe  von  Aeusserungen  angeführt,  die  in  zumtheil  über- 
. , schwänglichen  Worten  sich  zugunsten  des  letzteren  Ent- 
^..yrurfes  aussprechen. 

Wir  haben  bereits  S.  358  ausgeführt,  dass  wir  uns 
den  Vertheidigern  des  Schäfer’schen  Entwurfes  leider  nicht 
anschliessen  können,  sondern  aus  künstlerischen 
Gründen  einer  dreithürmigen  Anlage  den  Vorzug  geben 
würden.’  Dass  diese  ein  ungleich  reicheres  und  für 
den  Schlosshügel  harmonischeres  Bild  gewähren  und 
sich  auch,  historisch  begründen  lassen  würde,  haben 
Gurlitt  mit  seiner  Schrift  und  Linnemann  mit  seinem 
Entwurf  für  viele  überzeugend  dargethan.  Der  Dombau- 
verein sieht  aber  in  dem  Magdeburger  Dom  das  Vorbild  für 
den  Ausbau  der  Domthürme  in  Meissen:  ,,das  Anlehnen 
an  die  Proportionirung  des  Magdeburger  Domes  ist  un- 
zweifelhaft richtig“.  Doch  wohl  nicht  so  unzweifelhaft, 
denn  sonst  könnten  die  Ausführungen  Wach’s  nicht  un 
mittelbar  darauf  sagen:  „Wenn  sie  (die  Proportionirung 
des  Magdeburger  Domes)  unserem  Geschmacke  nicht  ent- 
spricht, so  ist  zu  bedenken,  dass. das  Gefühl  mit  den  Zeiten 
stark  wechselt,  wir  deshalb  keineswegs  sicher  sind,  ob 
wir  auf  immer  Recht  behalten,  werden,  und  dass  wir 
wohl  besser  daran  ihun,  im  Falle  wir  eine  wirkliche 
Restauration  beabsichtigen,  einem' so  charaktervollen  Bau- 
werk des,  Mittelalters  unseren  heutigen  Geschmack  nicht 
aufzudrängen,  sondern  es  der  Nachwelt  so  gut  wir  können, 
auch  mit  den  charakteristischen  Fehlern  seiner  Entstehungs- 
zeit, ganz  echt  hinzustellen  und  es  ihr  zu  überlassen,  sieh 
ein  Urtheil  zu  bilden,  statt  es  vorweg  zu  nehmen:  Auf 
solche  Fehler  in  so  unbefangener  und  natürlichen  Weise 

,30.  August  1902. 


Art  und  durch  welche  bautechnischen  Vorkehrungen  kann 
die  Feuchtigkeit  von  Mauern  behoben,  dem  Eindringen 
von  Feuchtigkeit  in  dieselben  von  aussen  hervorgebeugt, 
bezw.  der  durch  dieselbe  verursachte  Schaden  bekämpft 
werden?"  Arbeiten,  die  nur  als  Ergebnisse  von  Sammel- 
fleiss  zu  betrachten  sind,  werden  von  der  Preisbewerbung 


*)  Die  in  No.  50  gemachte  Preisangabe  ist  nicht  mehr  zutreffend.  Um  die 
Betonpresse  in  möglichst  -weite  Kreise  dringen  zu  lassen,  ist  ihr  Preis  vom 
„Beton-Verein“  auf  2060  M.  ohne  und  2340  M.  mit  Fahreinrichtung  herabgesetzt. 


einzugehen,  ist  an  und  für  sich  schon  nur  Sache  eines 
Meisters,  der  in  die  Gefühlsanschauung  des  Mittelalters 
ganz  aufgegangen  ist.  Mit  der  Ausführung  des  Schäfer- 
schen Entwurfes  überliefern  wir  unseren  Nachkommen 
ein  vollkommen  getreues  Bild  dessen,  was  der  Meissner 
Dom  geworden  wäre,  wenn  das  Mittelalter  selbst  ihn 
vollendet  hätte.“  So  wenig  wir  uns  leider  der  hier  ge- 
gebenen Beweisführung  anschliessen  können,  so  bestimmt 
müssen  wir  auch  den  Schlussfolgerungen  entgegen  treten. 
Indessen  die  Zeit  ist  noch  nicht  gekommen,  zu  einem 
abschliessenden  Urtheil  zu  schreiten,  denn  der  Bericht 
Wach’s  erklärt,  „dass  auch  jetzt  nur  die  grundsätzliche 
Billigung“  der  Bauherren  für  den  Schäferschen  Entwurf 
erbeten  ist  und  nach  allgemeiner  Zustimmung  des  Dom- 
kapitels eine  weitere  Vervollkommnung  „so  weit  solche 
in  den  Kräften  des  Autors  steht“,  erstrebt  wird. 

Wir  haben  ferner  als  Rechtfertigung  eine  Denkschrift 
mit  dem  Arbeitsplan  und  wir  haben  ein  Modell  des  Burg- 
berges mit  seinem  gesammten  Aufbau  zu  erwarten.  Wenn 
alles  dieses  vorliegt  — es  wird  bis  dahin  wohl  noch  einige 
Zeit  verstreichen  — dann  wird  man  mit  ruhigerer  Stimmung 
an  die  abschliessende  Beurtheilung  der  Angelegenheit  gehen 
können.  Sollten  aber  die  Westthürme  einstweilen  nicht 
zur  Ausführung  kommen,  so  ist  Schäfer  vertragsmässig 
als  Dombaumeister  für  die  Erhaltungsarbeiten  bestellt. 
,, Diese  Arbeit  wird  allen  Anforderungen  der  wissenschaft- 
lichen, kunstgeschichtlichen  Kritik  zu  entsprechen  haben, 
fernbleibend  von  jedem  Verschönerungsstreben,  streng 
pietätvoll  das  Bauwerk  in  seiner  überlieferten  Gestalt  be- 
wahren, die  edle  Patina,  welche  die  Jahrhunderte  dein 
Dom  aufgeprägt  haben,  unberührt  lassen.  Noch' ist  kein 
Stein  am  Dom  bewegt  und  doch  werden  die  Sturmglocken 
bereits  gegen  uns  geläutet.  Dabei  mag  bestimmend  sein 

'451 


ausgeschlossen. ' Es  gelangen  2 Preise  von  600  und  300  Kr. 
zur  Vertheilung.  Das  Preisgericht  besteht  aus  den  Hrn. 
3c.  k.  Brth.  Franz  Berger,  k.  k.  Hofrth.  Fr.  von  Gruber 
und  Betr.-Dir.  Franz  Kapaun,  sämmtlich  in  Wien.  — 

Wettbewerb  Elly-Hölterhoff- Stiftung  Honnef.  Verfasser 
des  zur  engsten  Wahl  gestellten  Entwurfes  „Ehre  dem 
Stifter"  ist  Hr.  Arthur  Werner  in  Leipzig  - Connewitz. 
Verfasser  des  zur  engeren  Wahl  gelangten  Entwurfes  „Für 
Rheinlands  Nizza"  sind  die  Hrn.  Heinr.  Möller  und  Paul 
Opitz  in  Frankfurt  a.  M.  Verfasser  des  zur  engeren  Wahl 
gestellten  Entwurfes  „Trautes  Heim"  sind  nicht  die  Hrn. 
Müller  & Weise  in  Dresden,  es  rührt  vielmehr  der  Ent- 
wurf von  Hrn.  Carl  von  Hövel  in  Düsseldorf  her.  Es 
waren  zwei  Entwürfe  mit  dem  gleichen  Kennwort  ein- 
gegangen. — 

Wettbewerb  Rathhaus  Nienburg.  Das  Preisgericht  hatte 
neben  dem  Entwurf  „Mit  Verlaub“  auch  den  Entwurf 
„Heimatskiänge“  des  Hrn.  Arch.  H.  Minetti  in  Hamburg 
zum  Ankauf  empfohlen.  Von  dem  Ankauf  aber  musste 
mangels  weiterer  Mittel  abgesehen  werden.  — 

Wettbewerb  des  Vereins  deutscher  Verblendstein-  und 
Terrakotten-Fabrikantcn.  'Eine  öffentliche  Ausstellung  der 
Entwürfe  zu  einem  Wohn-  und  Geschäftshause  in  einer 
Mittelstadt  findet  vom  17. — 30.  Sept.  in  der  Aula  der  kgl. 
Techn.  Hochschule  in  Charlottenburg  statt.  — 


Chronik. 

Ein  romanisches  Prachtportal  an  St.  Dionys  in  Esslingen 
ist  in  diesen  Tagen  aufgedeckt  worden.  Es  fand  sich  unter  dem 
Nordthumi , und  wird  als  eine  spätromanische  Pforte  von  einer 
Grossartigkeit  der  Anlage  und  einem  Reichthum  der  Schmuck- 
formen bezeichnet,  wie  in  Württemberg  keine  zweite  und  in  Deutsch- 
land mir  wenige  andere  vorhanden  seien.  Die  Freilegung  wird  von 
der  Bauleitung  aus  konstruktiven  Gründen  leider  als  unmöglich 
bezeichnet.  — 

Der  Neubau  des  bayerischen  Armee-Museums  in  Mün- 
chen, welches  nach  den  Entwürfen  des  kgl.  Geh.  Ob.-Brths. 
von  Mellinger  in  der  Errichtung  begriffen  ist,  soll  zu  Beginn  des 
Jalues  1904  fertig  gestellt  werden.  Die  Maurerarbeiten  hat  die 
L'iima  Heilmann  & Littmann  in  München,  die  Steinhauerarbeiteu 
C.  Vetter  in  Eltmann  a.  M.  übernommen.  — 

Der  Minerva-Brunnen  des  Parlaments-Gebäudes  in  Wien 
ist  in  den  letzten  Wochen  zur  Aufstellung  gelangt.  Die  Plauptgestalt 
ist  eine  Athena  Parthenos  aus  weissem  Laaser  Marmor,  mit  goldener 
Panzerung  und  mit  goldener  Nike  auf  der  Rechten;  sie  ist  ein  Werk 
Kundmänns.  Zu  ihren  Füssen  sitzen  die  symbolischen  Gestalten 
der  „Gesetzgebung"  und  der  „Gerechtigkeit“  von  Tautenhayn; 
an  dem  Granitbecken  lagern  die  allegorischen  Gestalten  der  Donau, 
des  Inn,  der  Moldau  und  der  Elbe  von  Härdtl.  — 

Die  Schaffung  einer  schweizerischen  Kunstakademie  ist 
durch  eine  aus  Malern,  Bildhauern  und  Architekten  gebildete  eid- 
genössische Kunstkommission  in  Anregung  gebracht  worden.  — 
Das  Museum  von  Kairo,  die  aus  dem  Museum  von  Gizeh 
hervorgegangene  Sammlung  ägyptischer  Alterthümer,  befindet  sich 


■ ehrliche  Fürsorge  für  dieses  Heiligthum  unserer  sächsi- 
schen und  deutschen  Geschichte.  Aber  dass  in  solcher 
der  Dombauverein  hinter  Niemanden  zurückstehen  wird, 
dafür  bürgt  seine  Vergangenheit,  seine  Tendenz  und  die 
durch  die  Rechtslage  gebotenen  Garantien." 

Wir  haben  gewiss  in  diesenAusführungen  den  Ausdruck 
aufrichtiger  Gesinnung  und  sorgfältigster  Absichten,  soweit 
diese  überhaupt  in  der  Menschen  Möglichkeit  stehen,  zu  er- 
kennen und  die  Arbeiten  Schäfers  an  Jung  St.  Peter  in  Strass- 
burg sowie  am  Friedrichsbau  am  Schlossabhang  in  Heidel- 
berg berechtigen  zu  der  Hoffnung,  dass  auch  die  Erhaltungs- 
arbeiten am  Dom  von  Meissen  mit  tiefstem  künstlerischem 
Verständniss  und  mit  pietätsvollstem  Sinn  für  die  Ver- 
gangenheit des  Bauwerkes  ausgeführt  werden.  Wir  stim- 
men in  dieser  Beziehung  durchaus  mit  einer  Ausführung 
überein,  die  Hr.  Reg.-Bmstr.  L.  Dihm  in  Friedenau  im 
Anschluss  an  unsere  Ausführungen  S.  356  ff.  an  uns  richtete 
und  welche  lautet:  „Wer  das  Glück  hat,  Schäfer  so  intim 
zu  kennen,  wie  es  mir  beschieden  ist,  weiss,  dass  es  auf 
der  ganzen  Welt  Niemand  giebt,  der  mit  grösserer  Ge- 
wissenhaftigkeit auf  wissenschaftlichem  und  künstlerischem 
Gebiete  thätig  ist,  als  er.  Stimmungen  bei  ihm  für  mög- 
lich zu  halten,  die  auf  Kosten  der  Sache  zu  dem  Entschluss 
führten:  „Eh  köpf  ab,  als  von  der  lehr  abstehn“,  dagegen 
spricht  für  einen  genauen  Kenner  seiner  Persönlichkeit 
Alles.  Es  wäre  von  Herzen  zu  wünschen,  dass  wir  recht 
viele  Männer  seiner  Art  unter  uns  hätten,  denen  ihre  Be- 
thätigung  in  Kunst  und  Wissenschaft  nicht  zur  eigenen 
Verherruchung  dient,  sondern  die  sich  ohne  Rücksicht 
auf  ihren  eigenen  Vortheil  ganz  und  ausschliesslich  in  den 
Dienst  dessen  stellen,  was  sie  aufgrund  tiefen  Wissens 
und  grossen  Könnens  für  Recht  erkannt  haben.“  Auch 
Dihm  räth,  die  Denkschrift  Schäfers  abzuwarten.  „Fällt 
diese  so  aus,  dass  ein  Vorurlheilsfreier  Schäfer  Recht 
geben  muss,  so  wird  Hr.  Gurhtt  hoffentlich  nicht  zögern, 
I zu  bekennen,  dass  er  geirrt  hat.  Er  liefe  sonst  Gefahr, 

452 


seit  einiger  Zeit  schon  io  einem  Neubau  auf  der  rechten  Nilseite. 
Wie  man  sich  erinnern  wird,  war  für  diesen  Neubau  ein  inter- 
nationaler Wettbewerb  ausgeschrieben  (s.  lahrg.  1894  No.  64).  — 
Einführung  des  elektrischen  Betriebes  auf  englischen 
Eisenbahnen.  Die  englische  Nordost-Eisenbahn-Gesellschaft  in 
York  beabsichtigt,  auf  einer  37  engl.  Meilen  langen  Strecke  bei 
Newcastle-on-Tyne  anstelle  des  Dampfbetriebes  den  elektrischen 
Betrieb  einzuführen.  — 

Die  Errichtung  von  Standbildern  des  Kurfürsten  Karl 
Ludwig  und  des  Grossherzogs  Karl  Friedrich  auf  den  beiden 
äusseren  Plätzen  vor  dem  Schloss  in  Mannheim  soll  im  Spätjahr 
begonnen  werden.  — 

Die  Erbauung  von  Thalsperren  an  der  Schwarzen  Neisse 
und  am  Harzdorfer  Bache  bei  Reichenberg  in  Böhmen  ist 
durch  die  Wasser-Genossenschaft  zur  Regulirung  der  Wasserläufe 
und  Erbauung  von  Thalsperren  im  Flussgebiete  der  Görlitzer  Neisse 
durch  Ausschreibung  der  Arbeiten  eingeleitet.  — 

Die  Einweihung  des  neuen  Stadttheaters  in  Köln  a.  Rh. 
(Architekt  Reg.-Bmstr.  K.  Moritz  in  Köln),  wird  am  6.  Sept.  d.  J. 
stattfinden.  — 

Ein  Kaiserthurm  auf  der  Alteburg  bei  Arnstadt  wurde 
nach  den  Entwürfen  des  Architekten  Prof.  Hugo  Hartung  in 
Dresden  errichtet  und  am  9.  August  der  Oeffentlichkeit  übergeben. 
Der  Thurm  erhebt  sich  zu  einer  Höhe  von  23,5  m.  — 

Zwischen  Vertretern  der  österreichischen,  preussischen 
und  russischen  Wasserbauverwaltung  haben  kürzlich  Verhand- 
lungen stattgefunden,  welche  die  Einrichtung  eines  geregelten  Hoch- 
wasser-Meldedienstes und  die  Ausführung  von  Flussregulirungs- 
Arbeiten  betraf.  Die  russische  Regierung  wirft  jetzt  Mittel  für 
diese  Zwecke  auf  der  russischen  Sti'ecke  des  Stromlaufes  aus.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  M.  H.  in  Halle.  Nach  unserer  Ansicht  bedeutet 
der  Depeschenwechsel  zwischen  Ihnen  und  der  Direktion  der  ge- 
nannten Fachschule  den  Abschluss  eines  Vertrags-Verhältnisses, 
kratt  dessen  Sie  am  i.  Okt.  d.  J.  eine  Fachlehrerstelle  in  St.  an- 
zutreten gehabt  hätten.  Nachdem  Ihr  Antwort-Telegramm  vor 
dem  Abgang  des  letzten  Telegrammes  der  Direktion  bei  dieser  ein- 
getroffen ist,  wie  Sie  belichten,  hatte  die  Direktion  nicht  mehr  das 
Recht,  Ihnen  abzutelegraphiren.  Wir  würden  Ihnen  nun  Vor- 
schlägen, der  Direktion  mittels  eingeschriebenen  Briefes  den  Sach- 
verhalt auseinander  zu  setzen  und,  falls  das  wirkungslos  bleibt,  den 
Rechtsweg  zu  beschreiten.  Das  weitere  wird  Ihnen  der  Rechts- 
anwalt schon  sagen.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Giebt  es  Beizen,  welche  alten  Oelfarbenanstrich  auf  äusseren 
Putzflächen  so  entfernen,  dass  die  letzteren  dann  mit  dauerhaftem 
Kalkfarbenanstrich  versehen  werden  können?  — M.  K.  in  Borna. 


Inhalt:  Das  Müller’sche  Volksbad  in  München.  — Von  der  Industrie- 
und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902.  VI.  (Schluss).  — Zum  Ausbau 
der  Meissner  DomthUrme.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Brief- 
und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Das  Müller'sche  Volksbad 
in  München. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wüh.  Greve,  Berlin. 


dass  man  auf  ihn  mit  Recht  den  Spruch  wiederholte:  „Eh 
köpf  ab,  als  von  der  lehr  abstehn.“  Wir  wünschen  und 
hoffen  das  und  dürfen  es  von  der  Unbefangenheit  Gurlitts 
sicher  erwarten,  schon  damit  diejenigen  nicht  Recht  be- 
halten, die  in  der  Heidelberger  und  der  Meissner  Ange- 
legenheit nicht  mehr  sachliche  Erörterungen,  sondern  per- 
sönliche Kraftproben  erblicken  wollen. 

Noch  ein  kurzes  Wort.  In  FI.  A.  Lier  in  Dresden 
ist  Gurlitt  ein  Gegner  erstanden,  welcher  sich  gegen  dessen 
Broschüre:  „Die  Westthürme  des  Meissner  Doms“  wendet. 
Wir  wollen  nur  den  Schlussatz  des  Aufsatzes  anführen, 
in  welchem  Lier  sagt:  „Es  ist  ohne  weiteres  zuzugeben, 
dass  die  von  Gurlitt  (und  auch  von  uns  S.  357.  Die  Red.) 
reproduzirten  Löwener  Pläne  imponirex“d  erscheinen;  aber 
welche  Unsummen  würde  ein  Thurmbau  nach  diesen 
Mustern  verschlingen,  und  was  würde  von  dem  alten 
Meissner  Dom  übrig  bleiben,  wenn  ein  Künstler  auf  den 
Einfall  kommen  sollte,  in  Meissen  auch  nur  entfernt  Aehn- 
liches  zu  versuchen!“  Nun,  von  dem  „alten  Meissner 
Dom“  würde  voraussichtlich  genau  dasselbe  übrig  bleiben, 
was  heute  noch  steht  und  was  auch  nach  Aufsetz'üng 'der 
Schäfer’schen  Thürme  übrig  bleiben  würde,  denn  auch 
für  diese  wäre  die  Erhaltung  des  architektonischen  Be- 
standes die  Vorbedingung.  Dagegen  würde  der  Dom  nach 
dem  eigenen  Urtheile  des  Verfassers  eine  „imponirende“ 
Bereicherung  gewinnen.  Was  die  Kosten  anbelangt,  so 
würden  diese  vermuthheh  nicht  wesentlich  höher  sein, 
wie  die  Kosten,  für  die  zweithürmige  Schaf er’sche  Anlage; 
gegebenenfalles  aber  müsste  der  Dombauverein  seine 
Sammlungen  fortsetzen,  wenn  sie,  was  nicht  anzunehmen 
ist,  überhaupt  ‘schon  eingestellt  sind.  Wo  ein  Wille  ist, 
da  ist  auch  ein  Weg.  Und'eine  ganze  künstlerische  That 
zu  th'un,  das  ist  nach  allem,  was  bisher  von  seiner  Thätig- 
keit  verlautet  hat,  auch'  das  Bestreben  des  Meissner  Dom- 
bauvereins. Nur  über /das  ,;Wie“  gehen  e'instvjeilen  die 
Ansichten  noch  auseinander.  — — H.  — 

No.  70. 


AS  MÜLLER^SCHE  , VOLKSBAD  IN 
MÜNCHEN  * ARCHIT.:  PROF.  KARL 
HOCHEDER-MÜNCHEN  * ANSICHT 
DER  GROSSEN  SCHWIMMHALLE  * 
^DEUTSCHE  BAUZEITUNG^ 
* XXXVI.  JAHRGANG  1902  - NO.  70  * 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  71.  Berlin,  den  3.  September  1902. 


Das  Müller’sche  Volksbad  in  München. 


(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  S.  435. 


s möge  nun  noch  eine  kurze  Be- 
schreibung der  einzelnen  Badc-Ab- 
theilungen  folgen.  Für  das  Brause- 
bad ergab  sich  die  Einrichtung  im 
Untergeschoss  an  der  Wasserseite 
in  zweckmässiger  Weise  dadurch, 
dass  die  hier  freiliegenden  Unter- 

£eschoss-Mauern  eine  ausreichende 
ichtzufuhr  bequem  ermöglichten. 
Den  besonderen  Eingang  zu  diesem  Bade  vermittelt 
eine  Treppe,  die  in  einer  seitlichen  Erweiterung  der  Ein- 
gangshalle angeordnet  ist  und  zu  einem  Warteraum 
führt,  von  dem  aus  ein  besonderer  Kassen-  und  Wäsche- 
raum,  die  schon  erwähnten  3 Brausebäder  für  Frauen, 
2 Medizinalbäder,  sowie  das  Männer-Brausebad  mit 
15  Zellen  erreicht  werden.  Die  Brausezellen,  die  je  aus 
einer  Auskleide-  und  einer  Brause-Abtheilung  bestehen, 
sind  in  einer  langen  Reihe  so  aufgestellt,  dass  vorne 
ein  breiter  zürn  Warten  geeigneter  Raum  und  hinter 
ihnen  noch  ein  schmaler  Bedienungsgang  verbleibt. 
Um  eine  gute  Reinhaltung  zu  ermöglichen,  sind  die 
Brause- Abtheilungen  mit  Marmorplatten  hergestellt 
und  das  Abwasser  wird  in  eine  im  ßedienungsgang 
offen  daliegende  Rinne  geleitet,  von  welcher  es  an 
entsprechenden  Einläufen  in  den  Kanal  abfliesst. 

Das  Schwimmbad  für  Männer  ist  eine  ge- 
räumige, oblonge  Halle,  die  von  einem  Tonnengewölbe 
mit  Stichkappen  in  Rabitzbauweise  überspannt  ist. 
Grosse  Fensteröffnungen  erhellen  den  weiss  verputzten 
Raum  in  ausreichendem  Maasse.  Das  12,26“  breite 
und  30,60  “ lange  Schwimmbecken,  dessen  Fläche 
demnach  3751“  misst,  ist  an  der  seichtesten  Stelle 
0,80“,  an  der  tiefsten  2,50“  tief.  Fussboden  und 
Seitenwände  erhielten  einen  Belag  von  glasirten  Mett- 


Die  Kunst  an  der  Brennerstrasse. 

er  in  den  Tagen  vom  8.  bis  12.  Sept.  in  Innsbruck 
stattfindende  kunsthistorische  Kongress  wird 
für  zahlreiche  Theilnehmer  aus  dem  Norden  die 
tirolische  Residenzstadt  am  Aufgange  zur  Brennerstrasse 
zum  Ausgangspunkte  von  kunsthistorischen  Ausflügen  über 
die  Brennerstrasse  und  in  ihre  Seitenthäler  hinein  ver- 
locken, die  eine  reiche  Ausbeute  versprechen.  Und  nach- 
dem die  Hitze  der  Sommerlage  geflohen  und  der  Herbst 
heraufgezogen  ist,  wird  auch  das  südliche  Tirol  seine  alte 
Anziehungskraft  bewähren  und  einen  Strom  kunstdürstiger 
Reisenden  über  den  Brenner  zu  seinen  gesegneten  Thälern 
ziehen.  Ihnen  allen  wird  ein  Büchlein  willkommen  sein, 
das  zwar  nicht  mehr  neu  ist,  aber  über  das  zu  berichten 
wir  nicht  unterlassen  möchten,  weil  es  in  handlicher  und 
übersichtlicher  Form  dem  Wanderer  ein  trefflicher  Be- 
gleiter ist.  Im  Jahre  1898  schon  veröffentlichte  der  Kunst- 
historiker Berthold  Riehl  in  München,  Professor  an  der 
Universität,  das  Werkchen:  „Die  Kunst  an  der  Brenner- 
strasse“*), womit  im  allgemeinen  die KunstTirols  gemeint  ist. 

Die  Kunst  Tirols  besitzt  einen  durch  die  lebhaften 
Wechselbeziehungen  zwischen  Italien  und  Deutschland 
beeinflussten  einheitlichen  Charakter,  eine  Beurtheilung, 
die  sich  in  gleicher  Weise  auf  Malerei  und  Bildhauerei, 
wie  auf  die  Architektur  erstrecken  lässt.  Mit  diesem  in  sich 
geschlossenen  Charakter  scheidet  sich  die  Kunst  der 
Brennerstrasse  und  ihrer  Seitenthäler  wahrnehmbar  von 
der  Kunst  der  Nachbargebiete  Schwaben,  Bayern,  Schweiz 
und  Oesterreich  ab.  Nichtsdestoweniger  entwickelte  sich 
die  Kunst  selbst  in  nahe  bei  einander  gelegenen  Orlen  des- 
selben Thaies  infolge  der  verschiedenen  Lebensverhältnisse 
doch  wieder  durchaus  verschieden ; „in  Schwaz  und  Hall,  den 
Städten  der  Bergleute,  entfaltet  sie  sich  anders,  als  in  der 
Residenzstadt  Innsbruck,  in  dem  Landstädtchen  Sterzing 
anders  als  in  der  deutschen  Bischofsstadt  Brixen  und  der 
Handelsstadt  Bozen  oder  gar  in  der  italienischen  Bischofs- 
stadt Trient“.  Aus  diesem  Grunde  erfordert  die  Kunst  in 
Tirol  vielleicht  mehr  wie  die  anderer  Landestheile  ein  sorg- 

*>  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  Breilkopf  & Härtel.  i6  Boeen  8 « 
mit  loo  Abbildungen.  1898.  Preis  5 M.  — 


lacher  Plättchen.  Die  sich  unter  dem  Beckenraum  rings 
herumziehenden  eisernen  Geländerstangen,  die  den 
Badenden  zum  Anhalten  dienen  sollen,  werden  von 
den  Randsteinen  des  Beckens  überragt,  so  dass  die 
Gefahr  des  I längenbleibens  mit  den  Füssen  beim  Ab- 
springen völlig  ausgeschlossen  ist.  Zur  Reinhaltung 
des  Beckens  dienen  sogenannte  Spucklöchcr,  die  gleich- 
zeitig auch  den  Ueberlauf  des  Beckens  bilden.  Die 
Einführung  des  Badewassers  in  der  richtigen  Wärme, 
sowie  die  Erhaltung  derselben  und  die  Bewegung  des 
Wassers  w’erden  durch  Pulsometer  besorgt.  Ausser- 
dem findet  ein  ständiger,  langsamer  Zu-  und  Ablauf 
des  Wassers  statt.  Zweimal  wöchentlich  wird  das 
Becken  ganz  entleert  und  frisch  gefüllt.  Die  Ankleide- 
zellen sind  nach  modernen  Anforderungen  so  ange- 
legt, dass  der  Besucher  beschuht  nur  durch  einen 
äusseren  Gang  in  die  Zelle  und  nur  ausgekleidet  zum 
Schwimmbecken  gelangen  kann.  Auf  diese  Weise  soll 
die  Verunreinigung  des  Wassers  möglichst  lange 
verhindert  werden.  Die  Zellen  sind  in  z Geschossen 
übereinander,  im  Erdgeschosse  44  und  auf  der  Gallerie 


453 


40,  an  den  beiden  Langseiten  des  Bades  angeordnet; 
sie  sind  von  Holz  konstruirt;  die  äussere  Thüre  wird 
nach  Betreten  der  Zelle  durch  Niederklappen  der  Sitz- 
bank geschlossen.  Ausser  den  Zellen  ist  oben  noch 
ein  grosser  offener  Auskleideplatz  mit  einer  grösseren 
Anzahl  schmaler  Kleiderkästen,  die  hinter  den  Sitzen 
angeordnet  sind,  eingerichtet.  Unter  diesem  befindet 
sich  im  Erdgeschoss  der  Reinigungsraum,  der  für 
Männer  und  Knaben  gesonderte  Abtheilungen  enthält. 
Vor  Benutzung  des  Beckens  soll  hier  jeder  Badende 
eine  Vorreinigung  vornehmen  und  sich  der  zu  diesem 
Zwecke  angebrachten  Brausen  und  Fusswannen  be- 
dienen. Den  äusseren  Zugang  nach  oben  vermittelt 
eine  einarmige  Treppe;  von  den  inneren  Gängen  des 
Obergeschosses,  die  dicht  hinter  den  gewölbetragenden 
Pfeilern  liegen,  führen  zwei  innere  Treppen  zum  Bassin 
hinab.  Aborte  und  Pissoirs  sind  von  beiden  Stock- 
werken des  Männerbades  aus  leicht  zu  erreichen;  über- 
dies befinden  sich  Aborte  im  Bassinraume  selbst  neben 
der  grossen  Nische  an  der  Stirnseite  der  Halle  und 
2 Requisitenräume  beim  Reinigungsraum. 

Das  Frauen-Schwimrabad  ist  als  Kuppelraum 
mit  einfallendem  hohen  Seitenlicht  durchgebildet.  Die 
Gewölbe  sind  auch  hier  aus  Rabitz  hergestellt.  Die 
Ausstattung  des  Frauenbades,  die  Anordnung  der 
Zellen,  sowie  die  Art  des  Zuganges  ist  die  gleiche 
oder  ganz  ähnliche  wie  beim  Männerbade.  Im  Erd- 
geschoss sind  32,  im  Obergeschoss  36  Zellen  nebst 
offenen  Auskleidepiätzen  mit  Kleiderkästen  wie  in  der 
Männer-Schwimmhalle  angeordnet.  Unter  den  letzteren 
zu  beiden  Seiten  der  inneren  Treppe  sind  im  Erdge- 
schoss die  Vorreinigungsräume  nebst  i Einzel-Reini- 
gungszelle,  ferner  die  Aborte  und  1 Vorwärmeraum 
angelegt.  Die  Abmessungen  des  Beckens  sind  10,70 
zu  17,60“,  wms  einen  Flächeninhalt  von  188 ‘i“  ergiebt. 

Die  Zellen  für  die  Wannenbäder,  deren  jede 
behufs  selbständiger  Heizung  und  Lüftung  als  voll- 
kommen abgeschlossener  Raum  gebildet  ist,  erhielten 


in  Monier-Systera  hergestellte,  mit  Mettlacher  Fliesen 
ausgekleidete  Wannen,  die  auf  ein  Drittel  in  den  Fuss- 
boden  versenkt  sind,  um  das  Einsteigen  zu  erleichtern. 
Die  Fussböden  sind  in  Eisen  und  Beton  konstruirt  und 
mit  Mettlacher  Plättchen  belegt.  Ebenso  erhielten  die 
Wände  in  der  Umgebung  der  Wanne  eine  Fliesen- 
Bekleidung  bis  auf  1,80®  Höhe. 

Für  das  Dampf-  und  römisch-irische  Bad 
sind  in  den  Auskleide-  und  Ruheräumen  29  Ruhezellen 
eingerichtet.  Von  hier  aus  ist  durch  einen  kleinen 
Vorraum  entweder  das  Warmluftbad,  an  das  sich  das 
Heissluftbad  anschliesst,  oder  das  Dampfluftbad  zu 
erreichen.  Während  die  beiden  ersteren  Räume  mehr 
ziramerartiges  Gepräge  tragen,  erwies  sich  für  das 
Dampfbad,  wegen  der  sich  entwickelnden  Feuchtigkeit, 
eine  besondere  sorgfältige  Ausstattung  als  erforderlich, 
Wände  und  Gewölbe  wurden  daher  vollständig  mit 
Fliesen  belegt.  Das  Dampfbad  ist  so  eingerichtet,  dass 
die  Entstehung  des  für  manchen  Badegast  unange- 
nehmen Nebels  verhindert  ist  und  zwar  durch  Ein- 
führung von  zunächst  trockener  heisser  Luft,  die  sich 
aber  an  über  einer  Fontaine  herabträufelndem  heissem 
Wasser  sofort  mit  Feuchtigkeit  sättigt.  Der  am  an- 
sehnlichsten ausgestattete  Raum  des  römisch-irischen 
Bades  ist  der  Douche-  und  Bassinraum,  der  von  den 
an  die  beiden  Bade-Abtheilungen  angereihten  Massage- 
räumen aus  betreten  wird.  In  der  Mitte  desselben 
befindet  sich  das  kreisrunde,  lauwarme  Becken,  wäh- 
rend in  drei  umgebenden  Nischen  die  verschiedenen 
Douchen  und  ein  Kaltwasserbecken  untergebracht  sind. 
Der  Fussböden  und  die  Wände  bis  auf  4“  Höhe  er- 
hielten einen  Belag  von  bräunlich-gelben  Jurakalkstein- 
platten — die  an  der  Wand  befindlichen  sind  polirt, 
zu  denen  zwei  Säulen  aus  dunkelrothem  Veroneser 
Marmor  in  schönem  Farbenkontrast  stehen.  Der  obere 
Theil  der  Wand  wurde  mit  Stuckmarmor  verkleidet. 
Der  Raum  ist  von  einer  Kuppel  überwölbt.' — 

(Schluss  folgt) 


faltiges  Einzelstudium  in  Stadt  und  Land,  „denn  oft  er- 
gänzen die  Schlösser  der  Umgegend  und  die  Dorfkirchen 
gar  wichtig  das  Bild  der  künstlerischen  Thätigkeit  der  Stadt, 
und  wer  nicht  das  abgelegene  Herrenhaus  mit  seiner 
hübschen  Vertäfelung,  die  kleine  Kirche  auf  steiler  Höhe 
mit  interessantem,  romanischem  Portal,  die  stille  Wald- 
kapelle mit  ein  paar  gut  geschnitzten  mittelalterlichen  Figu- 
ren oder  einem  anmuthigen  Rokokoaltar  kennt,  der  weiss 
nicht,  wie  innig  die  deutsche  Kunst  mit  dem  deutschen 
Volksleben  verwachsen  ist“. 

Auf  zahlreichen  Wanderungen,  auf  welchen  der  Künst- 
ler ihm  gerne.  foigen  wird,  hat  Riehl  diese  Kunst  siudirt. 
Jeder,  der  in  seinen  Spuren  geht,  wird  es  ihm  nachfühlen 
können,  wenn  er  befriedigt  ausruft:  „Das  waren  herrliche 
Wandertage,  in  denen  durch  die  grossartige,  oft  auch  wieder 
so  trauliche  Landschaft,  durch  das  gemüthliche  Leben  und 
nicht  zum  wenigsten  durch  die  so  vielfach  interessante 
Kunst  Tirols  die  ernste  Arbeit  zu  wahrer  Freude  wurde, 
zu  frohem  Geniessen  führte".  Das  Werkchen  theilt  sich 
in  2 Abschnitte,  welche  der  natürlichen  Eintheilung  des 
Landes  entsprechen:  in  Nord-  und  in  Südtirol.  Es  be- 
trachtet zunächst  das  Unter-Innthal  von  Fischbach  bis 
Schwaz.  Der  Grabstein  Baumgartners  in  Kufstein  lässt 
den  Verfasser  darauf  hinweisen,  dass  das  spezifische  Feld 
der  Nordtiroler  Kunst  die  Steinplas'tik  nicht  ist,  da  di^se 
grössere  Mittelpunkte  fordert,  „wie  sie  etwa  für  die  be- 
deutende Grabsteinplastik  Bayerns  im  14.  Jahrhundert 
Regensburg,  ferner  Salzburg  und-  die  damals  wichtigen 
Inn-  und  Salzachstädte,  zu  Ende  des  Mittelalters  auch 
München  boten,  oder  wie  wir  sie  jenseits  des  Brenners 
in  Brixen,  namentlich  aber  Trient  und  Verona  treffen“. 

Ein  Gang  durch  Rattenberg,  führt  zur  Erörterung  der 
Besonderheiten  des  Tiroler  Stadthauses,  die  .auf  der  Strasse 
nach  Italien  in  einer  eigenthümlichen  Verbindung  des 
deutschen  und  des  italienischen  Hauses  liegen.  Dieser 
Einfluss  -findet  sich  natürlich  nicht  nur  in  Tirol,  sondern 
auch  in'üen  bayerischen  und  österreichischen  Gegenden, 
deren  Kunst  durch  den  Verkehr  mit' ‘Italien  „eigenartig 
schattirt  wird“.  Das  städtische  Haus'  in  Tirol  bildet  seinen 
Charakter  in  innigster  Fühlung  mit  Schloss  und  Bauern- 
haus. jjDas  Schloss  und  das  stattliche  Herrenhaus,  das 
vor  der  Stadt  in  den  Gütern  lag,  später  oft  in  die  Stadt 
verlegt  wurde,  waren  es  vielmehr  in  erster  Linie,  die  jene 
italienischen  Einflüsse  aufgriifen,  von  denen  sie  auf  die 
Stadthäuser  übergingen,  die  dann  wieder  vielfach  Einfluss 


auf  die  eigenartige  Gestalt  des  Tiroler  Bauernhauses  Übten". 
Das  Tiroler  Haus  ist  ein  stattlicher  S'teinbau,  ganz  nach 
Laune  undBedürfniss  gebildet  und  hierdurch  echt 'deutsch. 
Es'Hegt-'mit  einer  breiten  Front  an  der  Strasse;  sein  Dach 
steigt  nur  massig  an  und  ist  durch  Zinnen,  Attiken  usw. 
meist  verdeckt.  Das^ewölbte  Erdgeschoss  dient  zu  Lä<Jep^ 
Remisen '.und  Vörräthsraumeh.  :Gäüge  üiid  Vorplätze  sihd,'‘ 
je  weiter  hach.Südpn,  urn.  s'O;  statilichW*'  Die  ' Zimmer 
münden  oft  auf  ^inen  grossen  Sääl,  in  dem  sich  das  Haupt-* 
leben  abspielt.  Den  Hof  umzieht  eine  offene  Bogenstellung; 
an  den  Strassen  ziehen  unter,  dem  Huuse  me  Lauben  - 
gänge  hin.  , ” ' ; ' ' ' 

Ein  echt  deutscher,  Schmuck  des  tiroler  Hauses -ist 
der  Erker.  „Es  giebt  wohl  kaum  eine  zweite  Gegend  in 
deutschen  Landen,  die  sich  so  an  dem  Erker  freute,  wo 
er  so  volksthümlich  war,  wie  in  Deutsch-Tirol.  Nicht  nur 
an  den  Stadthäusern  und  in  d'en  Märkten,  sondern  auch 
am  einsamen  Bauernhaus  finden  wir  ihn,  von  den  statt- 
lichen Häusern  mit  drei  oder  gar  vier  Erkern  bis  zu  den 
bescheidensten  Versuchen,  einem  armen  Haus  den  Erker- 
schmuck  zu  geben,  indem  einfach  auf  einer  Konsole  zwei 
Fenster  schief  gegen  einander  gestellt  werden".  Der  Erker 
geht  auf  das  Chörlein  der  Schloss-  und  HauskapeUe  zu- 
rück, wie  das  Nassauerhaus  und  der  Pfarrhof  zu  St.  Se- 
bald in  Nürnberg  zeigen*  Beispiele  aus  Tirol  sind  Schloss 
Täufers  und  Schloss  Reifenstein.  „Dieses  Herausschieben 
des  Chores  führten  kirchliche  Vorschriften  herbei,  die 
über  dem  Altar  die  Anlage  von  Wohnräumen  nicht  ge- 
statten“. Das  italienische  Haus  kennt  den  Erker  nicht. 
„Er  vor  allem  trägt  deshalb  dazu  bei,  den  Tiroler  Städten 
bis  zur  Grenze  des  italienischen  Kunstgebietes  trotz  aller 
italienischen  Züge  doch  einen  so  echt  deutschen  Charakter 
zu  wahren,  und  wenn  wir  nach  dem  Ueberschreiten  des 
Brenners  in  die  Hauptstrasse  Sterzings  treten,  wo  fast 
jedes  Haus  sich  eines  Erkers  erfreut,  wenn  wir  in  der 
Gegend  von  Brixen  und  Bozen  noch  manches  stattliche 
Bauernhaus  mit  hübschem  Erker  sehen,  so  ist  es,  als  ob 
gerade  beim  Nahen  der  Grenze  sich  deutsche  Art  noch 
einmal  recht  ihrer  selbst  bewusst  würde“. 

Wir  haben  mit  dieser  auszugsweisen  Wiedergabe  über 
das  Tiroler  Haus  zeigen  wollen,  wie  Riehl  seinen  Stoff 
behandelt  und  mit  wie  zutreffenden  Wahrnehmungen  er 
seine  Ausführungen  zu  schmücken  weiss.  Es  bezieht  sich 
das  auf  einen  einzelnen  Zweig,  die  Baukunst,  Malerei  und 
Bildhauerei  aber  erfreuen  sich  einer  ähnlichen  Behand- 


454 


No.  71. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Sächsischer  Ingenieur-  und  Architekten-Verein.  Den 
Anfang  der  Besichtigungen,  die  während  des  Sommers 
anstelle  der  Wpchenversammlungen  die  in  und  um  Dresden 
wohnenden  Mitglieder  ab  und  zu  vereinigen,  machte  am 


zuerst  das  Maschinen-Laboratohum  besichtigt,  wo  die  z.  Th. 
fertige  Anlage  von  4 Turbinen  als  erstes  betriebsfähiges 
Versuchsobjekt  vorgeführt  wurde.  Dazu  gehört  ein  85  m 
langer,  etwa  6“  hoher  Kanal,  der  in  seinem  oberen  Geschoss 
das  von  2 Pumpen  gehobene  Wasser  (i  in  der  Sek.) 
zu  deren  Betrieb  liefert;  in  der  unteren  Abtheilung  fliesst 


i?'  Juli  die  Besichtigung  eines  Theiles  der  Neubauten,  die 
z-Zt.für  die  Technische  Hochschule,  im  Südwesten 
der  Stadt  nahe  der  Flürgrenze  mit  Räcknitz  gelegen,  ausge- 
fühit  werden.  Unter  Führung  des  Hrn.  Geh.  Hofrath  Prof. 
Lewicki  und  des  den  Bau  nach  Entwürfen  des  Hrn.  Prof. 
Weissbach  leitenden  Hrn.  Landbauinsp.  Lang  wurde 


das  Wasser  zu  den  Pumpen,  zurück.  Auch  das  im  Rohbau 
fertige  Gebäude  für  die  mechanisch-technische  Versuchs-- 
anstalt  wurde  besichtigt.  Eine  Besichtigung  der  ge- 
summten Anlage  nach  ihrer  Fertigstellung  blieb  Vorbe- 
halten; die  diesmalige  Betheiligung  betrug  etwa  soPersonen. 
— Die  zweite  Besichtigung  fand  am  6.  August  statt  und 


3.  September  1902. 


455 


führte  etwa  30  Mitglieder  nach  dem  Glashüttenwerke 
Adlerhütte  in  Deuberi,  im  Plauenschen  Grunde.  Einer 
der  Besitzer,  Hr.  Sievert,  unterzog  sich  in  liebenswürdig- 
sterWeise  selbst  der  Mühe  des  Führens  und  Erklärens. 
Zuerst  wurde  die  Herstellung  der  auf  der  Rückseite  bunt 
gemusterten  grossen  Glasplatten  (Fensterverschlüsse  aus 
einem  Stück  u,  dergl.)  gezeigt.  Das  bunte  Muster  besteht 
aus  verschiedenfarbigem,  mit  Dextrin  auf  die  papierene 
Vbrzeichnung  aufgeklebtem  gepulvertem  Glas;  über  den 
.Papierbogen  wird  die  zähflüssige  Glasmasse  hinweg  ge- 
walzt, wobei  dieser  natürlich  verbrennt  und  das  bunte  Glas- 
muster an  die  entstehende  Glasplatte  anschmilzt.  Sodann 
wurde  vor  den  Anwesenden  eine  jener  grossen  gläsernen 
Badewannen  aus  einem  Stück  erzeugt.  Das  Verfahren,  bei 
dem  das  Einsacken  des  an  den  Rändern  eingeklemmten 
bildsamen  Glaskuchens  durch  das  eigene  Gewicht,  die  in 
den  Hohlkörper  eingeführte  Pressluft,  manuelle  Geschick- 
lichkeit und  untergesetzte  Hohlformen  gleichmässig  zur 
Entstehung  des  enormen  Glasgefässes  beitragen,  lässt  sich 
in  Kürze  und  ohne  Abbildungen  nicht  beschreiben,  aber 
es  wirkt  verblüffend.  Die  Glaswannen  erhalten  entweder 
auf  galvanolytischem  Wege  einen  äusseren  Schutzmantel 
aus  Kupfer  (namentlich  wegen  der  Wärmeverhältnisse), 
oder  einen  äusseren  Anstrich  mit  Zoncafarbe,  oder  auch 
nur  ein  aus  Flacheisen  bestehendes  Schutzgitter;  wegen 
ihrer  unübertrefflichen  Reinhaltung  haben  sie  in  öffent- 
lichen Anstalten  schon  starke  "Verwendung  gefunden. 
(Preis  etwa  150  M.) 

Mittels  derselben  Maschine,  auf  der  die  Badewanne 
entstand,  wurde  dann  noch  ein  anderes  Hohlgefäss  ge- 
blasen, ohne  bestimmten  Zweck,  etwa  eine  Riesenbowle 
zu  dem  bekannten  Heine’schen  Lied,  in  Abmessungen,  wie 
sie  für  Lungenbläser  nach  dem  alten  Verfahren  niemals 
erreichbar  gewesen  wären.  Leider  musste  es  in  Scherben 
geschlagen  werden,  ehe  es,  ohne  die  erforderliche  sorg- 
fältige Abkühlung,  in  Atome  zerstäubte.  Endlich  führte 
Hr.  Sievert  noch  das  von  ihm  erfundene  Verfahren  vor, 
bei  dem  der  Dampf  sowohl  die  menschliche  Lunge  als 
auch  die  Pressluft  ersetzt.  Auf  einer  Unterlage  aus 
Asbestgewebe,  die  sehr  stark  angenässt  worden  ist,  wird 
ein  Klumpen  Glasteig  aufgelegt  und  durch  rüttelnde 
Bewegungen  der  Unterlage  und  Aufdrücken  eines  Asbest- 
deckels möglichst  rasch  bezw.  gleichmässig  dick  ausge- 
breitet. Sodann  wird  die  eiserne  Matrize  irgend  einer 
Hohlform  darüber  gestülpt  und  das  Ganze  umgekehrt, 
sodass  nun  der  Glaskuchen,  der  an  den  Rändern  fest- 
gehalten wird,  über  dem  Hohlraum  liegt.  Durch  sein 
eigenes  Gewicht  und  durch  die  aus  der  nassen  Unter- 
lage entwickelten  Wasserdämpfe  schmiegt  er  sich  aufs 
genaueste  der  Matrize  an  und  giebt  die  Hohlformen 


als  Gefäss  wieder;  die  Luft  entweicht  natürlich  durch 
Löcher  in  der  Matrize.  Auf  diese  Weise  sahen  die  Be- 
sucher jene  bekannten  viereckigen  Glasbecken  entstehen, 
die  zum  Wässern  photographischer  Bilder  gebraucht  wer- 
den; auch  sehr  saubere  Waschschüsseln  entstanden  vor 
ihren  Augen,  während  sich  in  dem'  Lager,  das  ihnen  ge- 
zeigt wurde,  noch  eine  grosse  Menge  anderer  Glasgefässe, 
z.  B.  Futtertröge,  Konservenlässer  usw.  vorfanden.  Selbst- 
gefertigte Keramo-Platten  (aus  gesintertem.  Glasgrus)  hat 
Hie  Fabrik  im  eigenen  Gebrauch  als  Fussbodenbelag.  Alle 
Theilnehraer  verliessen  die  Adlerhütte  mit  dem  Gefühl, 
Zeugen  wunderbarer  Fortschritte  auf  dem  Gebiet  der  Glas- 
industrie gewesen  zu  sein.'  Auf  die  sonstigen  Verbesse- 
rungen im  Betrieb,  z.  B.  das  Zwei-Ofensystem  einzugehen, 
fühlt  sich  der  Berichterstatter  nicht  berufen.  — 

O., Grüner. 

Personal-Nachrichten. 

Baden.  Der  Wasser-Bauinsp.  Meythaler  bei  der  Ob.-Dir. 
des  Wasser-  u.  Strassenbaues  ist  z.  Zentralinsp.  ernannt.  — Der 
Bauing.  Hausmann  in  Donaueschingen  ist  landeshcrrl.  angestellt. 

, Der  Reg.-Bmstr.  R.  Sprenger  ist  gestorben. 

Hessen.  Der  Reg.-Bmstr.  Berth  aus  Bessungen  ist  z.  Bau- 
assessor ernannt. 

Dem  Stadtbmstr.  Thiel  in  Biebrich  a.  Rh.  ist  das  Ritterkreuz 
des  herz,  nassauischen  Militär-  und  Zivil-Verdienstordens  Adolph 
von  Nassau  verliehen. 

Preussen.  Den  Brthn.  Elze  in  Eberswalde,  Hildebrandt 
In  Spandau  und  Mertins  in  Potsdam  ist  der  Rothe  Adler-Orden 
IV.  KL,  dem  Reg.-Bmstr.  Hertel  in  Münster  i.  W.  der  kgl.  Kronen- 
Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

DieWahl  des  bish.  Wasser-Bauinsp.  H.en  t ri  c h zum  besold. 
Beigeordneten  der  Stadt  Krefeld  ist  für  die  gesetzl.  Aratsdauer  von 
12  Jahren  bestätigt. 

Dem  Gew.-Insp.  Böhmer  in  Oppeln  ist  der  Char.  als  Gew. 
Rath  und  dem  Telegr.-Insp.  Tormin  in  Münster  i.  W.  der  Char. 
als  Eisenb.-Dir.  mit  dem  Range  der  Räthe  IV.  Kl.  verliehen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

1.  Ist  es  zweckmässiger,  Muffen-  oder  Flanschenschieber  in  die 

Grundleitungen  einzubauen?  Legt  man  besser  den  Privathaupthahn 
unmittelbar  hinter  die  Anbohrschelle,  oder  in  das  Trottoir  unmittel- 
bar vor  die  Grundstücksgrenze?  — M.  in  C. 

2.  Welche  Beleuchtungsart  empfiehlt  sich  für  grosse  Landkirchen 
in  Orten,  die  eine  Gasbeleuchtung  nicht  haben?  — 

T.  F.  K.  in  Dortmund. 


Inhalt:  Das  Mttller’sche  Volksbad  ia  München.  Die  Kunst,  an  der 
Brennerstrasse.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Personal-Nachrichten.  — 
Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


lung.  Nach  Rattenberg  werden  Brixlegg,  Strass,  Jenbach, 
und  Schloss  Tratzberg  betrachtet.  Letzteres  erscheint  be- 
merkenswerth  vor  allem  dadurch,  dass  der  Bau  „so  ge- 
schickt die  herrliche  Lage  des  Schlosses  nutzt,  uns  da 
durch  offene  Bogen  in  das  schöne  Thal  sehen  läs.st,  wo 
das  Mittelalter  durch  hohe  Mauern  den  Ausblick  verwehrt 
hätte“.  Es  folgen  der  Markt  Schwaz  mit  seiner  merk- 
würdigen Kirche,  Kloster  Volders  und  die  schöne  Salinen- 
stadt Hall.  Innsbruck  mit  seinen  herrlichen  Schätzen 
nimmt  den  Raum  in  der  Darstellung  ein,  der  seiner  Be- 
deutung zukommt  und  schliesst  die  Buchhälfte,  die  sich 
mit  Nordtirol  beschäftigt., 

„Nun  aber  steigen  wir  munter  zur  Passhöhe  des 
Brenners,  zur  Wasserscheide  zwischen  Donau  und  Etsch 
empor,  die  trotz  aller  Uebergänge,  die  gerade  an  der 
Brennerstrasse  für  den  Kunsthistoriker  so  charakteristisch 
sind,  doch  eine  wichtige  Grenze  bezeichnet“.  Der  Ab- 
stieg berührt  zunächst  Gossensass  und  Sterzing,  welche 
die  Mittel  für  ihre  Kunst  gleich  so  vielen  Tiroler  Orten 
aus  der  Blüthe  des  Bergbaues  zogen.  Die  Wiederher- 
stellung der  Pfarrkirche  in  Sterzing  entreisst  dem  Ver- 
fasser einen  Schmerzensschrei:  „Wo  die  Bürgerhäuser 
von  der  Geschichte  der  Stadt  und  von  der  manches  ein- 
zelnen Bürgers  berichten,  der  hier  gebaut  und  sich  des 
Lebens  gefreut  hat,  bis  er  hinausgetragen  wurde  zur  Pfarr- 
kirche, wo  wir  noch  seinen  Grabstein  finden,  so,  aber 
noch  feiner  und  bedeutender,  würde  uns  auch  die  Pfarr- 
kirche, in  der  ja  all’  dies  Leben  wiederklingen  soll,  von 
der  Stadt  und  ihren  Bürgern  erzählen,  wäre  sie  nicht 
1859  restaurirt,  d.  h.  ausgeräumt  und  in  einer  jämmer- 
lichen Gothik  umgestaltet  worden.  Es  ist  merkwürdig, 
dass  man  bei  solchen  Restaurationen,  die  be- 
ständig den  historischen  und  künstlerischen  Reiz 
unserer  Kirchen  schädigen,  nicht  bedenkt,  wie 
durch  das  geschmacklose  Umgestalten  und  Ent- 
fernen von  Kunstwerken  aus  jener  Chronik  der 
Stadt,  welche  die  Kirche  bilden  soll,  dieBlätter 
herausgerissenywerden“.  Schloss  Reifenstein,  eine 

436 


Stunde  südlich  von  Sterzing,  hatte  „das  seltene  Glück, 
von  einer  wohlgemeinten  Restauration  verschont  zu  blei- 
ben“. Mit  Franzensfeste  beginnt  dann  ein  neuer  Ab- 
schnitt der  Brennerstrasse.  Er  bringt  Kloster  Neustift, 
Vahrn  und  Schalders.  Hier  begrüssen  uns  einige  Bild- 
stöckel, fast  immer  gute  Arbeiten,  oft  sogar  feine  Kunst- 
werke. „Setzt  man  sie,  was  ja  zu  ihrer  Erhaltung  manch- 
mal leider  nöthig  ist,  in  ein  Museum,  so  beraubt  man  die 
Gegend  um  einen  feinen  poetischen  Zug,  und  das  Bild- 
stöckel sieht  uns  dort  fast  so  traurig  an,  wie  ein  Gems- 
bpck  in  einem  Zoologischen  Garten“. 

Ein  von  Sterzing  völlig  verschiedenes  Bild  bietet 
Brixen  dar;  ist  ersteres  die  Stadt  des  behaghchen,  wohl- 
habenden Bürgerthumes,  so  ist  Brixen  der  reiche  Bischofs- 
sitz; Dom  und  bischöfliches  Palais  beherrschen  das  Stadt- 
bild. Auf  dem  Wege  nach  Bozen  folgt  das  malerische 
Klausen,  dann  Bozen  selbst.  Allen  diesen  Städten  „ver- 
leihen die  verschiedenen  Charaktere  einen  eigenen  Reiz, 
sowie  die  Steigerung,  die  in  ihnen  liegt,  und  die  fort 
schreitende  Annäherung  an  Italien.“  Schloss  Runkelstein 
ist  der  vornehmsteSitz  mittelalterlicher  Monumental- Malerei. 
Ueber  Kaltem  und  Neuraarkt  .geht  dann  die  Führung  nach 
Trient;  es  nähert  sich  italienisches  Gebiet.  Die  Dorfkirchen 
bleiben  noch  deutsch,  aber  das  deutsche  Bauernhaus  findet 
sich  schon  seit  Bozen  nicht  mehr.  „An  seiner  Stelle  sehen 
wir  den  fest  umschlossenen  Hof  mit  den  grossen,  gemauer- 
ten VorrathshaUen,  seiner  schlechten,  dürftigen  Einrichtung 
des  Hauses,  reich  aber  an  grossen,  zumal  offenen  Räumen.“ 
Die  Landschaft  ist  bereits  die  italienische,  in  ihr  liegt  Trient. 
Das  Reich  der  italienischen  Kunst  ist  angebrocheri.  „Wer 
aber  die  deutsche  Kunst  kennen  lernen  wiU,  als  die  Kunst 
des  deutschen  Volkes,  in  dem  Reichthum  ihrer  Indivi- 
dualitäten, in  der  Mannigfaltigkeit  gerade  ihrer  Lebens- 
äusserüngen",  der  besuche  diese  schönen  Alpenthäler  an 
der  Brennerstrasse  und.  lasse  sich  durch  das  treffliche,  mit 
warmer  persönlicher  Antheilnahme  geschriebene  Werkchen 
Riehls  führen  und  belehren.  — __  tt  


No.  71. 


(Nach : R.  Kemp 


* N2:  72.  * 

Die  XV.  Wandelversammlung  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine 
zu  Augsburg  vom  1.— 3.  September  1902. 

I.  Der  äussere  Verlauf  der  Versammlung. 

eit  vor  nunmehr  28  Jahren  die  1.  Wanderver- 
sammlung des  Verbandes  nach  seiner  1871  in 
Berlin  erfolgten  Gründung  ln  München  getagt 
hat,  ist  bayerischer  Boden  bei  einer  solchen  Ge- 
legenheit nicht  wieder  betreten  worden.  Den 
bayerischen  Fachgenossen  schien  es  daher  an  der  Zeit,  als 
in  Bremen  der  Ort^  für  die  Wanderversaminlung  1902  zu 
bestimmen  war,  die  deutschen  Fachgenossen  zu  einem 
zweiten  Besuche  einzuladen  und  zwar  war  es  die  Nachbarin 
der  Landeshauptstadt,  die  einst  so  glänzende  freie  Reichs- 
stadt Augsburg,  die  sich  erbot,  der  Versammlung  deutscher 
Architekten  und  Ingenieure  gastlich  ihre  Thore  zu  öffnen, 
war  es  die  schwäbische  Kreisgesellschaft  des  grossen 
bayerischen  Architekten-  und  Ingenieur-Vereins,  welche  trotz 
der  verhältnissmässig  geringen  Zahl  ihrer  Mitglieder  freudig 
die  Mühen  und  Opfer  übernahm,  welche  eine  solche  Ver- 
anstaltung in  immer  gesteigertem  Maasse  fordert.  Gern 
folgte  man  diesem  Rufe  und  so  hatte  sich  denn  auch  zu 
dieser  Versammlung  eine  recht  stattliche  Anzahl  von  Facli- 
gcnossen  aus  allen  Kreisen  Deutschlands,  z.  Th.  begleitet 
von  ihren  Frauen  und  Töchtern,  eingefunden,  waren  Gäste 
aus  den  befreundeten  Vereinen  Oesterreichs  und  der  Schweiz 
herbeigeeilt,  um  an  den  Verhandlungen  und  festlichen  Ver- 
anstaltungen theilzunehmen.  Für  die  norddeutschen  Fach- 
genossen, die  den  grösseren  Theil  der  Erschienenen  aus- 
machten, wird  dabei  neben  der  Antheilnahme  an  den  Ver- 
haüdiungen,  neben  der  Freude  an  den  hervorragenden 
Werken  der  Baukunst  aus  Augsburgs  glänzender  Ver- 
gangenheit, neben  dem  Interesse  an  den  ausgedehnten  ge- 
werblichen Anlagen,  welche  Augsburg  jetzt  in  die  Reihe 
der  bedeutenden  Industriestädte  Deutschlands  stellt,  wohl 
auch  die  Aussicht,  bei  dieser  Gelegenheit  einen  wenn  auch 
nur  kurzen  Einblick  in  die  herrliche  Natur  des  bayerischen 
Hochlandes  zu  gewinnen,  bestimmend  gewesen  sein  für  die 
Theilnahme  an  dieser  Versammlung. 

Die  offizielle  2.  Theilnehmerliste,  die  aber  wahrschein- 
lich nicht  ganz  vollständig  sein  dürfte,  zählt  323  Verbands- 
mitghederbezw.  Gäste,  dazu  noch  einige  80  Danien.  Die  Zahl 
der  Festtheilnehmer  dürfte  jedoch,  bei  der  rfcen  Antheil- 
nahme, welche  die  ganze  Bevölkerung  den  Veranstaltungen 
entgegenbrachte,  erheblich  über  500  betragen  haben.  Bei 
der  oben  genannten  Zahl  finden  sich  130  Vertreter  aus 
Bayern,  35  aus  Baden  und  Württemberg.  Von  den  übri- 
gen entfallen  auf  Sachsen  36,  auf  Berlin  22,  auf  Hamburg, 
Bremen,  Lübeck  25^  auf  Rheinland-Westfalen  u.  Eisass  25. 

Wie  üblich,  ging  der  Wanderversammlung  eine  Ab- 
geordneten-Versammlung  am  30.  September  vorauf,  auf 
welcher  fast  die  vollzählige  Stimmenzahl  aller  Verbands- 
vereine vertreten  war,  ein  erfreuliches  Zeichen  von  dem 
Interesse,  das  den  Arbeiten  des  Verbandes  aus  den  Vereinen 
ent^gengebracht  wird.  Zu  den  Sitzungen  dieser  einige 
60  Personen  zählenden  Versammlung  war  dankenswerther 
Weise  von  der  kgl.  Regierung  der  schöne  Landrathssaal 
JP  Regierungsgebäude,  einst  ein  Theil  der  bischöflichen 
Residenz,  zur  Verfügung  gestellt.  Ueber  das  Ergebniss  der 
Verhandlungen  giebt  der  an  anderer  Stelle  (s.  S.  459) 
abgedruckte  offizielle  Sitzungsbericht  entsprechende  Aus- 
Ein  gemeinsames  Mahl  schloss  den  Sitzungstag  ab, 
während  am  Sonntag  ein  gemeinsamer  Ausflug  nach  dem 
schön  gelegenen,  malerischen  und  durch  mancherlei  inter- 
essante Bauwerke  ausgezeichneten  alten  Städtchen  Lands- 
berg am  Lech  unternommen  wurde.  Die  prunkvolle,  aus 
der  2.  Hälfte  des  i8.  Jahrhunderts  stammende  Maltheser- 

KlfPn^  oiif  aI.  » E.  _ . 


Herkulesbrunnea  io  Augsburg.  2.  ttaiite  des  i8.  Jahrhunderts  Stammende  Maltheser- 

, Alt- Augsburg“.  Verlag  Kanter  & Mohr,  Berlin.)  Kirche  auf  der  Bcrgeshöhe,  die  soeben  einer  Restaurirung 


4S7 


im  Inneren  unterzogene  bemerkenswerthe  Stadtpfarr- 
kirche, die  in  ihrer  ersten  Anlage  bis  auf  1458  zurückgeht, 
das  alte  Rathhaiis  wurden  mit  Interesse  besichtigt. 
Das  aus  der  Rokokozeit  stammende,  mit  reicher  Stuck- 
fassade ausgestattete  Gebäude  ist  im  oberen  Saale 
mit  Fresko-Gemälden  aus  der  Geschichte  der  Stadt 
von  Ferdinand  v..  Piloty  und  von  Schwoiser  ge- 
schmückt, während  der  untere  Saal  in  jüngster  Zeit 
mit  Gemälden  Hubert  Herkomers  ausgestattet  wor- 
den ist,  der  seine  Vaterstadt  Landsberg,  die  er  alljähr- 
lich besucht,  mit  Darstellungen  von  Sitzungen  des 
Magistrats  und  des  Gemeinde-Kollegiums  beschenkt, 
sowie  das  Stadtbild  mit  einem  eigenartigen,  dem  An- 
denken seiner  Mutter,  gewidmeten  Thurmbauwerke  be- 
reichert hat.  Auch  'äeser,  zeitweilig  dem  Künstler 
.als  Wohnung  und  Atelier  dienende  Thurm  wurde  be- 
sichtigt und  erregte  besondere  Aufmerksamkeit, 

Am  Abend  kehrte  man  rechtzeitig  nach  Augsburg 
zurück,  um  an  dem  in  üblicher  Weise  am  Vorabend 
der  Wanderversammlung  veranstalteten  Begrüssungs- 
abend  theilnehmen  zu  können:  Dicht  gefüllt  war  der 
geräumige,  von Hrn. Ob, -Ing.  Schempff  geschmackvoll 
ausgeschmückte  Festsaalder  Schiessgraben- Gesell- 
schaft. Auch  die  Herren  Bürgermeister  und  Vorsteher 
der  Gemeinde-Bevollmächtigten  hatten  sich  bereits 
zu  diesem  Abend  als  Gäste  des  Augsburger  Vereins 
eingefunden.  Neben  Vorträgen  einer  Musik-Kapelle, 
die  leider  ein  lebhafteres  Gespräch  nur  schwer  auf- 
kommen  Hessen,  beschränkten  sich  die  Veranstaltungen 
des  Abends  auf  einige  kurze  aber  herzliche  Begrüssungs- 
„worte  des  Vorsitzenden  der  schwäbischen  Kreisge- 
sellschaft, Hrn.  Stadt.  Ob.-Brth.  Steinhäusser  in 
Augsburg  und  auf  die  Vorführung  eines  lebenden 
Bildes.  Redner  führte  aus,  dass  ihm  die  Einladung  des 
Verbandes  nach  Augsburg,  nachdem  er  die  grossartigen 
Veranstaltungen  in  Bremen  gesehen  habe,  fast  wie  ein 
Wagniss  erschienen  sei  und  er  habe  sich  fragen  müssen. 


was  Augsburg  als  bescheidene  Provinzialstadt  seinen 
Gästen  bieten  könne.  Um  so  mehr  freue  er  sich,  dass 
doch  so  Viele  herbeigeeilt  seien  aus  allen  Theilen 
Deutschlands  und  er  hoffe,  dass  sie,  dank  dem  weit- 
gehendsten Entgegenkommen  der  Stadtgemeinde  und 
dank  der  Beihilfe  des  bayerischen  Vereins  später  auch 
zufrieden  wieder  scheiden  würden,  wenn  sie  das  Ge- 
botene nicht  immer  mit  dem  Maasstabe  der  Grosstadt, 
sondern  mehr  nach  der  Freudigkeit  und  Herzlichkeit, 
mit  der  es  geboten  werde,  messen  wollten.  Sowohl 
dieFachgenossen,  wie  dieBewohner  Augsburgs,  hiessen 
ihre  Gäste  herzlich  willkommen. 

Das  lebende  Bild  wurde  eingeleitet  durch  einen 
kurzen,  von  Hrn.  Lehrer  und  Schriftsteller  Nagel  in 
Augsburg  verfassten  und  trefflich  vorgetragenenProlog ; 
dann  öffnete  sich  der  Vorhang  und  es  erschien  die 
Verkörperung  Augsburgs  „Augusta“,  umgeben  von 
den  Personen,  deren  Namen  unzertrennlich  verbunden 
sind  mit  der  grossen  Vergangenheit,  der  Glanzzeit  der 
Stadt,  als  ihre  Kaufleute  den  Welthandel  beherrschten 
und  Fürstensöhne  ihre  Bürgerstöchter  zum  Weibe 
nahmen;  Konrad  Peutinger,  Elias  Holl,  Fugger, 
Schertlinv.Burtenb  ach,  Welser,Philippine  Welser, 
Erzherzog  Ferdinand  und  andere  waren  in  diesem 
Büde  vereint. 

Den  deutschen  Architekten  und  Ingenieuren  den 
Gruss  der  Stadt  entbietend,  trat  dann  Augusta  vor 
(Frl.  J.  Stella  vom  Kurhaus-Theater  in  Göggingen),  ein 
gutes  Gelingen  der  ernsten  Arbeit,  einen  frohen  Ver- 
lauf des  Festes  wünschend.  Rauschender  Beifall  be- 
lohnte diese  von  dem  Mitgliede  des  Augsburger  Ver- 
eins Hrn.  Architekt  Müllegger-Augsburg  geleitete 
Szene,  die  sich  vor  einem  Gesammtbild  der  Stadt  Augs- 
burg, gemalt  vom  Hoftheater-Maler  Ammann-Augs- 
burg, abspielte,  das  wir  in  einer  späterenNr. wiedergeben. 

Von  der  Reise  ermüdet,  begaben  sich  die  meisten 
der  Gäste  an  diesem  Tage  schon  frühzeitig  zur  Ruhe.  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


Das  Müller’sche  Volksbad  in  München. 

(Schluss.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  S.  460,  461  u.  463. 


as  Volksbad  wird  mit  einer  Zentral-Dampf- 
heizuDg  und  Lüftung  versehen,  für  welche, 
gleichwie  für  den  gesammten  Badebetrieb, 
der  nöthige  Dampf  von  dem  nahen  Muffat- 
werk  bezogen  wird,  was  leicht  ermöglicht 
werden  konnte,  da  der  Hauptbetrieb  des  .Elektrizitäts- 
werkes in  den  Winter,  der  des  Bades  aber  in  den 
Sommer  fällt.  Die  künstliche  Beleuchtung  des  Ge- 
bäudes geschieht  mittels  elektrischen  Lichtes.  Die 
Wasserversorgung  des  Volksbades  verrichtet  die  städti- 
sche Hochdruckleitung  sowie  eine  ältere,  eine  Zeit  lang 
aufgegebene  Leitung,  die  sogen.  Hofbrunnen-Leitung, 
welche  etwa  go^/Sek.  Wasser  liefert.  Für  den  Noth- 
fall  dienen  ein  gegrabener  Brunnen  in  Zusammenhang 
mit  denzweiWasserreseryoiren  imThurme  zur  Aushilfe. 
Die  Zentrale  für  die  Warmw.asser-Versorgung  befindet 
sich  im  Untergeschoss.  Die  Entwässerung  der  Bade- 
anstalt bot  keinerlei  Schwierigkeiten,  da  ein  städtischer 
Abwasserkanal  unter  dem  Bau  selbst  hindurchführt. 

Soweit  die  technische  Schilderung  des  schönen 
Gebäudes  nach  Anlage  und  Einrichtung.  Es  geht 
ein  grosser,  ein  monumentaler,  ein  des  edlen  Sinnes 
des  Stifters  und  der  Bedeutung  der  Stadt  München 
würdiger  Zug  durch  das  Werk.  .Das  Volksbad  reiht 
sich  durch  die  hohe  Künstlerschaft  seines  Erbauers 
unter  die  ersten  Monumentalbauten  der  bayerischen 
Hauptstadt  ein.  ,ln  seiner  Stilfassung  verbindet  es  in 
künstlerischer  Verschmelzung  die  Formen  heimischer 
Bauweise  mit  frei  angewendeten  dekorativen  Elemen- 
ten italienischer  Herkunft.  Inbezug  auf  die  ökonomische 
Verwendung  der  Architektur-  und  der  Zierformen  ist 
d.ss  Werk  ein  nachahmenswerthes  Vorbild.  Es  ist 
überraschend  zu  bemerken,  wie  durch  eine  wohlbe- 
.rechnete  Anwendung  des  künstlerischen  Gegensatzes 
der  über  die  eigentliche  Raumgestaltung  hinausgehende 
.architektonische  Aufwand  und  der  künstlerische 


Schmuck  auf  ein  Mindestmaass  beschränkt  sind,  ohne 
dass  dem  Werke  an  irgend  einer  Stelle  der  Charakter 
der  Entbehrung  anhaftete.  Nicht  zum  geringsten  auch 
in  diesem  zurückhaltenden  Abwägen  bekundet  sich 
die  hohe  Meisterschaft  seines  Urhebers. 

Die  Bauausführung  fiel  zumtheil  in  eine  Zeit,  in. 
welcher  PIr.  Prof.  Hocheder  durch  seine  Berufung  an 
die  Technische  Hochschule  nicht  mehr  dem  Stadtbau- 
amte in  München  angehörte;  man  hat  es  aber  für 
selbstverständlich  gehalten,  die  künstlerische  Ober- 
leitung in  seiner  bewährten  Hand  zu  lassen,  während 
die  amtliche  Oberleitung  durch  den  Vorstand  des 
Stadtbauamtes,  Hrn.  Ob.-Brth.  A.  Schwiening  und 
durch  Hrn.  Brth.  R.  Rehlen  ausgeübt  wurde.  Die 
Bauleitung  an  Ort  und  Stelle  war  Hrn.  Ob. -Ing. 
G.  Rottmann  anvertraut.  Der  Leiter  der  technischen 
Einrichtungen  des  Gebäudes  war  FIr.  Ing.  J.  S c hn eid er, 
während  die  elektrischen  Anlagen  durch  das  städt. 
Beleuchtungsamt  geleitet  wurden. 

Die  Erd-  und  Maurerarbeiten  wurden  durch  Gehr. 
Grassel  & Krauss  (Max  Krauss),  die  Betonirung 
der  Wannenkörper  durch  Edwards  & Hummel  aus- 
geführt. Die  Steinmetzarbeiten  waren  an  die  Firmen 
Zwisler  & Baumeister,  Granitwerk  Blauberg 
und  Gebr.  Pfister,  die  Zimmerarbeiten  an  L.  Ehren- 
gut und  M.  Weiss  übertragen.  Die  Kupferschmied- 
und  die  Blitzableiter- Arbeiten  besorgten  Fr.  Krasser ’s 
Nachfolger  und  Th.  Holländer;  die  Eisenkonstruktion 
das  Eisenwerk  München.  Die  Eisenlieferung  und 
die  Erstellung  der  eisernen  Dachstühle  hatte  F.  S. 
Kustermann  übernommen.  In  die  Schreinerarbeiten 
theilten  sich  J.  Hartmann,  M.  Weiss,  PI.  Eybl 
und  P.  Pietsch;  in  die  gewöhnlichen  Schlosserarbeiten 
Jos.  Blab  und  Fr.  Blab;  in  die  Kunstschlosser-Arbeiten 
D.  Bussmann  und  R.  Kirsch;  in  die  übrigen  Metail- 
arbeiten  Steinicken  & Lohr,  Ad.  Roth  und  Heck 
&Sohn.  Die  Glaserarbeiten  waren  an  M.  Waiger- 

No.  72. 


leitner  und  L.  Möller,  die  Maler-  und  Anstreicher- 
Arbeiten  an  E.  Consee,  R.  Reents,  M.  Lang  und 

O.  Embacher,  die  Tapezierer-Arbeiten  an  H.  Koller, 
CI.  Pschorr,  J.  Joanni,  L.  Hauslohner  und  J.  Bino 
übertragen.  Die  Stofflieferung  hatten  C.  M.  Rosipal 
und  Roman  Mayr,  die  Lieferung  der  Plattenbeläge 
des  Bodens  M.  Niggl  und  Zwisler  & Baumeister, 
die  Lieferung  der  Wandbeläge  und  der  Wannenver- 
kleidung K.  Hausmann  (L.  Aufschläger’s  Nachfolger). 
Monier-  und  Rabitzgewölbe  führten  M.  Steinmetz  & 
Sohn  aus.  Die  badetechnischen  Einrichtungen  wur- 
den durch  Fr.  Mieddelmann  & Sohn  in  Barmen, 
die  Wäscherei-Einrichtung  durch  E.  Martin  in  Duis- 
burg erstellt.  Die  Entwässerung  legte  Joh.  Gedon 
an,  während  die  elektrischen  Anlagen  die  Allgemeine 
Elektrizitäts  - Gesellschaft  und  A.  Neumüller 
machten.  Die  elektrischen  Uhren  lieferte  F.  Mann- 


hardt {Inh.  Hartmann).  — Bei  der  dekorativen  Aus- 
schmückung des  Gebäudes  waren  betheiligt  Dekorations- 
maler M.  F enk  und  die  Firmen  für  plastischen  Schmuck 
Maile  & Blersch  und  Fischer's  Wwe.  In  künstle- 
rischer Beziehung  standen  dem  Architekten  zurseite 
die  Hrn.  Bildh.  Prof.  J.  Flossmann,  Prof.  E.  Pfeifer, 
Prof.  H.  Hahn,  Jos.  Rauch  und  L.  Gamp; 

Ira  Mai  1901  erfolgte  unter  Anwesenheit  der 
Spitzen  der  Behörden  und  des  80jährigen  Stifters  die 
feierliche  Uebergabe  des  Baues,  an  welche  sich  eine 
auf  mehrere  Tage  ausgedehnte  Besichtigung  durch 
das  Publikum  anschloss  und  nach  welcher  der  Betrieb 
des  Bades  seinen  eigentlichen  Anfang  nahm. 

Die  Kosten  des  Baues  haben  etwa  i 650  000  M. 
betragen,  eine  bescheidene  Summe  im  Vergleich  zur 
Grösse  des  Gebäudes  und  seinen  hervorragenden  bade- 
technischen Einrichtungen.  — 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Sitzungsbericht  der  XXXI.  Abgeordneten-Versammlung  in  Augsburg  vom  30.  August  1902. 
(Vergleiche  die  Tagesordnuog  in  No.  52,  Seite  330.) 


ii'g^  ie  XXXI.  Abgeordneten-Versammlung  des  Verbandes 
tioJ  wurde  im  Landrathssaale  des  kgl.  Regierungs -Ge- 
bäudes  am  30.  August  1902,  Vormittags  9V4  Uhr,  durch 
den  Verbands -Vorsitzenden  mit  einer  kurzen  Ansprache 
eröffnet,  in  welcher  er  zunächst  der  Freude  Ausdruck 
gab,  den  „Verein  der  Architekten  und  Bauingenieure  zu 
Dortmund“  als  ein  neues  Mitglied  des  Verbandes  begrüssen 
zu  können,  andererseits  aber  derer  gedachte,  welche  der 
Verband  im  verflossenen  Jahre  aus  der  Zahl  seiner  Mit- 
glieder durch  den  Tod  verloren  hat;  die  Versammlung 
ehrt  deren  Andenken  durch  Erheben  von  den  Sitzen. 

Durch  Aufruf  wird  sodann  die  Anwesenheit  von 
63  Abgeordneten  mit  zusammen  100  Stimmen  festgestellt. 
Der  Vorstand  ist  vollzählig  vertreten  durch  den  Vorsitzen- 
den Hrn.  Geh.  Brth.  Waldow,  Dresden,  vortrag.  Rath  im 
sächs.  Finanz-Ministerium,  den  2.  Vorsitzenden  Hrn.  Geh. 
Brth.  Prof.  Bubendey,  Berlin,  die  Beisitzer  Hrn.  Prof. 
Frhr.  v.  Schmidt,  München,  und  Hrn.  Arch.  b^eher, 
Frankfurt  a.  M.,  den  Vertreter  des  Augsburger  Vereins, 
Hrn.  Stadt.  Ob.-Brth. Stein h äuss  er,  Augsburg,  und  schliess- 
lich durch  den  Geschäftsführer  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Eiselen, 
Berlin,  zusammen  also  mit  6 Stimmen. 

Es  sind  ferner  vertreten  die  Vereine  in  folgender  Weise: 

1.  Architekten-Verein  zu  Berlin  mit  20  Stimmen  durch 
die  Hrn.:  M.  Boettcher,  Reg.-  und  Brth.,  Bürckner, 
Brth.,  Gramer,  Brth.,  Knoblauch,  Bmstr.,  Fr.Körte, 
Reg.-Bmstr., Laun er,  Geh.  Brth.,  Sarrazin,  Geh.  Ob.- 
Brth,,  Schulze,  Geh.  Brth.,  Solf,  Prof.,  Walle,  Prof. 

2.  Württembergischer  Verein  für  Baukunde  zu  Stuttgart 
mit  4 Stimmen  durch  die  Hrn.:  E.  Mayer,  Stadtbrth., 
Zügel,  Brth. 

3.  Sächsischer  Ingenieur-  und  Architekten-Verein  zuDres- 
den  mit  6 Stimmen  durch  die  Hrn.:  Andrae,  Ob.- 
Brth.,  Poppe,  Geh.  Brth.,  Rachel,  Finanz-  u.  Brth. 

4.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Hannover  mit 
6 Stimmen  durch  die  Hrn.:  Unger,  Brth.,  Nessenius, 
Landesbrth,  Lammers,  Stadtbauinsp. 

5.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Hamburg  mit 
6 Stimmen  durch  die  Hrn.:  Zimmermann,  Baudir., 
C.  O.  Gleim,  Ing.,  H.  Olshausen,  Bauinsp. 

6.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Cassel  mit  i 
Stimme  durch  Hrn.;  Woernhoff,  Ing. 

7.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Lübeck  mit  i 
Stimme  durch  Hrn.:  Schürer,Wasserbau-Masch.-Mstr. 

8.  Schleswig-Holsteinischer  Architekten-  und  Ingenieur- 
Verein  zu  Kiel  mit  i Stimme  durch  Hrn.:  Radloff. 
Kreis-Bauinsp. 

9.  Bayerischer  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu 
München  mit  10  Stimmen  durch  die  Hrn.:  K.  Lutz, 
Gen.-Direkiions-Rth.,  Ebert,  Reg.-Rth.,  Hecht,  Arch  , 
Gemeinde-Bevollmächtigter,  Littmann,  Prof.,  Miller, 
Prof.,  Ing. 

10.  Badischer  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Karls- 
ruhe mit  4 Stimmen  durch  die  Hrn.:  Lang,  Ob.- 
Bauinsp.,  Nestle,  Prof.,  Reg.-Bmstr. 

11.  Ostpreussischer  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu 
Königsberg  i.  Pr.  mit  2 Stimmen  durch  Hrn.:  Grosse, 
Eisenb.-Dir. 

12.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Frankfurt  a.  M. 
mit  2 Stimmen  durch  Hrn.:  R.  Schmick,  Ob.-Brth. 

13.  Westpreussischer  Architekten-  und  Ingenieur- Verein 
zu  Danzig  mit  2 Stimmen  durch  Hrn.:  Lehmbeck, 
Reg.-  u.  Brth. 

6.  September  1902. 


14.  Architekten-  und  Ingenieur- Verein  für  Eisass -Loth- 
ringen zu  Strassburg  i.  Eis.  mit  2 Stimmen  durch  Hrn. : 
Bettcher,  Post-Brth. 

15.  Mittelrheinischer  Architekten-  und  Ingenieur-Verein 
zu  Darmstadt  mit  4 Stimmen  durch  die  Hrn.: 
V.  Weltzien,  Geh.  Ob.-Brth.,  v.  Willmann,  Prof. 

16.  Architekten-Verein  zu  Dresden  mit  2 Stimmen  durch 
Hrn.:  Seitler,  Prof. 

17.  Architekten-  und  Ingenieur- Verein  für  Niederrhein  und 
Westfalen  zu  Köln  mit  4 Stimmen  durch  die  Hrn.: 
Stübben,  Geh.  Brth.,  Kaaf,  Arch.  (In  Vertretung 
für  Hrn.  Kaaf  zeitweilig  Hr.  Schott,  Ing.) 

18.  Verein  Leipziger  Architekten  zu  Leipzig  mit  i Stimme 
durch  Hrn.:  Bruno  Eelbo,  Brth. 

19.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Magdeburg  mit 
2 Stimmen  durch  Hrn.:  Beer,  Brth,,  Stadtbauinsp. 

20.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Bremen  mit 
2 St.  durch  die  Hrn.:  Bücking,  Brth.,  Gräpel,  Brth. 

21.  Architekten-,  und  .Ingenieur-Verein  zu  Aachen  mit 
I Stimme  durch  Hrn.:  Sieben,  Reg.-Bmstr. 

22.  Polytechnischer  Verein  zu  Metz  mit  i Stimme  durch 
Hrn.:  Heidegger,  Geh.  Brth. 

23.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  Mannheim-Ludwigs- 
hafen zu  Mannheim  mit  i Stimme  durch  Hrn.:  Hauser 
Stadtbauinsp. 

24.  Mecklenburgischer  Architekten-  und  Ingenieur- Verein 
zu  Schwerin  i.  M.  mit  1 Stimme  durch  Hrn.:  Wohl- 
brück, Postbrth. 

25.  Vereinigung  Berliner  Architekten  zu  Berlin  mit.  2 St. 
durch  die  Hrn. : v.  d.  H ud  e , Geh.  Brth.,  Herzberg, Brth. 

26.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Düsseldorf  mit 
I Stimme  durch  Hrn.:  Korn,  Arch. 

27.  Bromberger  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  mit 
I Stimme  durch  Hrn.:  Voss,  Reg.-  u.  Brth. 

28.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Münster  i.  W. 
mit  I Stimme  durch  firn.:  Friedrichsen,  Eisenb.-Dir. 

29.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Potsdam  mit 
I Stimme  durch  Hrn.:  Wever,  Brth. 

30.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Stettin  mit 
I Stimme  durch  Hrn.:  Heinrich,  Geh.  Brth. 

3t.  Verein  der  Architekten  und  Bauingenieure  zu  Dort- 
mund mit  1 Stimme  durch  Hrn.:  Marx,  Brth. 

Nicht  vertreten  waren  folgende  Vereine : 

1.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Osnabrück, 

2.  Architekten-  und  Ingenieur -Verein  zu  Breslau, 

3.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Oldenburg, 

4.  Architekten-  und  Ingenieur -Verein  für  das  Herzog- 
thum Braunschweig  zu  Braunschweig, 

5.  Technischer  Verein  zu  Görlitz, 

6.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Posen, 

7.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Erfurt, 

Es  wird  nunmehr  in  die  Verhandlungen  eingetreten. 

I.  Geschäftlicher  Theil. 

Um  die  Verhandlungen  abzukürzen,  werden  nach  dem 
Geschäftsbericht  die  einzelnen  Punkte  der  Tagesordnung 
durch  den  Geschäftsführer  aufgerufen  und  soweit  noch 
erforderlich  durch  ihn  erläutert.  Falls  sich  kein  Ab- 
geordneter zum  Wort  meldet,  wird  sofort  zum  nächsten 
Punkt  übergegangen. 

Zu  I der  Tagesordnung:  Vorlage  des  Geschäfts- 
berichtes. Die  Herren  Abgeordneten  werden  nochmals 


459 


ausdrücklich  gebeten,  in  ihren  Vereinen  darauf  hinzu-  um  Unterstützung,  falls  sich  bei  der  Jury- Bildung  noch 
wirken,  dass  die  Geschäftsstelle  des  Verbandes  möglichst  Schwierigkeiten  ergeben  sollten.  Hr.  Korn  sagt  zu,  dass 
umgehend  von  dem  Ableben  hervorragender  Mitglieder  der  Düsseldorfer  Verein  in  dieser  Frage  die  Interessen 
der  Einzelvereine  in  Kenntniss  gesetzt  wird.  der  Architekten  mit  Nachdruck  wahrnenmen  werde. 

Zu  2 der  Tagesordnung:  Vorlage  der  Abrech-  Zu  ii  der  Tagesordnung:  Neuauflage  des  deutschen 

nungfürigoi.  Hr.  Grosse  erstattet  namens  des  in  Königs-  Normalprofilbuches  für  Walzeisen.  Die  Versammlung  er- 
berg  i.  Pr.  gewählten  Ausschusses  Bericht  über  die  Rech-  klärt  sich  mit  den  Vorschlägen  des  Vorstandes  einver- 
nungslegung.  Anstände  von  wesentlicher  Bedeutung  haben  standen,  namentlich  auch  damit,  dass  bei  der  Bearbeitung 
sich  nicht  gefunden.  Es  wird  dem  Vorstande  Entlastung  der  neuen,  in  2 Hefte  zu  trennenden  Auflage  (Heft  1. 
ertheilt.  Als  Rechnungsp 


für  1902  werden  gewählt:  der 
Bayerische  Arch.- u.  Ing.- Verein, 
der  Magdeburger  Aren.-  u.  Ing.- 
Verein  und  der  Sächs.  Ing.-  u. 

Arch.-Verein. 

Zu  3 der  Tagesordnung: 

Vorlage  des  Voranschlages  für 
1902.  Der  mit  11500M.  in  der 
Ausgabe  abschliessende  Voran- 
schlag wird  angenommen. 

Zu  4 der  Tagesordnung: 

Wahl  des  Ortes  für  die  Abge- 
ordneten - Versammlung  1903. 

Auf  Vorschlag  der  sächs.  Ver- 
treter wird  die  Stadt  Meissen 
gewählt. 

Zu  5 der  Tagesordnung: 

Wahl  des  Ortes  der  Wander- 
versammlung 1904.  Hr.  Korn 
läd  namens  des  Düsseldorfer 
Vereins  nach  der  Stadt  Düssel- 
dorf ein.  Dieser  Vorschlag  wird 
angenommen.  Hr.  Lang  bittet 
namens  des  badischen  Vereins, 
schon  jetzt  für  1906  die  Stadt 
Mannheim  in  Aussicht  nehmen 
zu  wollen. 

Zu  6 der  Tagesordnung; 

Wahl  zweier  Vorstands-Mitglie- 
der für  die  Jahre  1903  und  1904. 

Die  Hrn.  Bubendey  und 
v.  Schmidt,  welche  satzungs- 
gemäss  wieder  wählbar  sind, 
werden  durch  Zuruf  auf  wei- 
tere 2 Jahre  als  Mitglieder  des 
Vorstandes  bestätigt. 

Zu  7 der  Tagesordnung: 

Denkschrift  über  die  Stellung 
der  höheren  städtischen  Bau- 
beamten. 

In  Ergänzung  des  im  Ge- 
schäfts • Bericht  abgedruckten 
Schriftwechsels  macht  der  Ge- 
schäftsführer Mittheilung  von 
den  Schreiben,  welche  in  die- 
ser Sache  noch  an  das  General- 
sekretariat des  bayerischenMini- 
steriums  des  Inneren,  sowie  an 
die  Städte  München,  Nürnberg, 

Augsburg,  Würzburg,  Regens- 
burg versandt  worden  sind. 

Zu  8 der  Tagesordnung: 

Bericht  über  den  Fortgang  des 
Werkes  „Das  Bauernhaus  im 
deutschen  Reiche  und  in  seinen 
Grenzgebieten".  Es  wird  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  die 
VI.  und  VII.  Lieferung  des  deut- 
schen Werkes,  sowie  die  beiden 
ersten  Lieferungen  des  öster- 
reichischen und  des  schweize- 
rischen Werkes  ausliegen.  Zum 
Titelblatt-Wettbewerb  sind  10 
deutsche  Arbeiten  eingegangen, 
die  derBeurtheilung  des  Bauern- 
haus - Ausschusses  unterliegen. 

Die  Hrn.  Abgeordneten  wer- 
den ersucht,  noch  weiterhin 
in  ihren  Vereinen  auf  einen 

mögÜchst  regen  Bezug  der  3 Werke  hinzuwirken. 

Zu  9 der  Tagesordnung:  Bericht  über  die  Thätig- 
keit  des  Ausschusses  zur  Wahrnehmung  der  Wettbewerbs- 
Grundsätze.  Die  Versammlung  nimmt  Kenntniss  von  den 
Mittheilungen. 

Zu  IO  der  Tagesordnung:  Bericht  über  die  Be- 
theiligung des  Verbandes  an  der  mit  der  Industrie-  und 
Kunstausstellung  1902  in  Düsseldorf  verbundenen  Archi- 
tektur-Ausstellung. Auch  hiervon  nimmt  die  Versamm- 
lung Kenntniss.  Hr.  Kaaf  bittet  den  Verbands-Vorstand 


Ansicht  aus  dem  Vömisch-irischen  Bad. 


Ansicht  des  Frauen-Schw’irnmbades. 

Das  Müller’sche  Volksbad  in  München.  Architekt:  Prof.  Karl  Hocheder  in  Manchen. 

Walzeisen  für  Bauzwecke,  Heft  If.  desgl.  für  Schiffbau- 
zwecke) dem  Schiffbau  gleiche  Vertretung  und  gleiche 
Rechte  gewährt  werden,  wie  den  bisher  betheiligten  3 
Vereinigungen. 

ZuiaderTagesordnung:  Genehmigung  des  mit  dem 
Verein  deutscher  Ingenieure  und  dem  Verein  deutscher 
Eisenhüttenleute  getroffenen  Abkommens  über  die  gemein- 
same Herausgabe  eines  Musterbuches  für  den  Feuerschutz 
von  Eisenkonstruktionen.  Die  Versammlung  billigt  die 
bisher  vom  Vorstande  unternommenen  Schritte,  ermächtigt 


No.  72. 


denselben,  den  Vertrag  mit  dem  Verfasser  des  Werkes 
zu  vollziehen  und  bewilligt  die  Mittel  in  der  beantragten 
Höhe  und  Art  der  Verrechnung. 

Zu  13  der  Tagesordnung:  Theilnahme  des  Ver- 
bands-Geschäftsführers an  den  Sitzungen  der  Verbands- 
Ausschüsse.  Die  Versammlung  stimmt  dem  Vorschläge 
des  Vorstandes  zu.  Der  Geschäftsführer  hat  demnach  das 
Recht,  allen  Ausschüssen  anzugehören;  er  besitzt  in  den- 
selben berathende  Stimme  in  allen  Fragen  und  volles 
Stimmrecht  in  rein  finanziellen  Fragen. 

Zu  14  der  Tagesordnung:  Abschluss  gemeinschaft- 
licher Versicherungsanträge  für  die  Verbands-Mitglieder. 
Die  Versammlung  hält  es  nicht  für  Aufgabe  des  Verbandes, 


Zu  16  der  Tagesordnung:  Antrag  des  Bayerischen 
Architekten-  und  Ingenieur-Vereins,  das  „Haus  des  Bau- 
meisters“ in  Rothenburg  0.  T.  durch  den  Verband  zu  er- 
werben. Der  Antrag  ist  kurz  vor  der  Versammlung  durch 
Schreiben  des  Vorstandes  des  bayerischen  Vereines  zu- 
rückgezogen worden , mit  Rücksicht  auf  Schwierigkeiten, 
welche  sich  nachträglich  hinsichtlich  der  Beschaffung  der 
bedeutenden  Mittel  für  die  erstmalige  Wiederherstellung 
des  Hauses  ergeben  haben. 

II.  Technisch-wissenschaftlicher  Thell. 

Zu  17  der  Tagesordnung:  Bericht  über  die  Aus- 
führung der  auf  der  Abgeordneten-Versammlung  in  Königs- 


Das  Müller’sche  Volksbad  in  München.  Ansicht  des  Haupt-Einganges.  — Architekt:  Prof.  Karl  Hocheder  in  Mönchen. 


sondern  für  Sache  der  Einzel-Vereine,  derartige  Verträge 
abzuschliessen. 

Zu  15  der  Tagesordnung:  Antrag  des  Mittelrheini- 
schen Arch.-  u.  Ing.-Vereins  auf  eine  Umgestaltung  des 
Verbands -Verzeichnisses.  Die  Versammlung  hält  den 
Vorschlag  an  sich  für  zweckmässig,  es  bedarf  jedoch  zu- 
vor einer  sehr  sorgfältigen  Ermittelung  der  Kosten  für 
diese  Umgestaltung  und  hinsichtlich  der  Art  der  Aufbrin- 
gung dieser  Kosten.  Der  Vorstand  wird  beauftragt,  die  nöthi- 
gen  Ermittelungen  anzustellen  und  der  nächsten  Abgeord- 
neten-Versaramlung  eine  entsprechendeVorlage  zu  machen. 

6.  September  1902. 


berg  gefassten  Beschlüsse  durch  den  Verbandsvorstand: 
a)  Antrag  auf  Einstellung  ständiger  Mittel  für  die 
Denkmalpflege  in  den  Reichshaushalt,  zunächst  für  die 
Erhaltung  des  Strassburger  Münsters.  Es  liegt  hierzu  ein 
Antrag  des  Berliner  Architekten- Vereins  vor,  den  Hr. 
Solf  vertritt.  Da  jedoch  Hr.  Bettcher  mittheilt,  dass  in 
Strassburg  sich  infolge  des  Vorgehens  des  Verbandes  jetzt 
ein  Münster- Verein  gebildet  habe,  welchem  die 
rnaassgebenden  Persönlichkeiten  angehören,  und  dass  es 
nicht  zweckmässig  sei  den  vorliegenden  Antrag  zurzeit 
einzubringen,  wird  der  Vorstand  beauftragt,  sofort  unter 

461 


Zuziehung  einiger  der  Redner  eine  Resolution  aufzustellen. 
Diese  wird  in  der  Nachmittags-Sitzung  in  folgender  Fassung 
angenommen: 

„Die  Abgeordneten  - Versammlung  des  Verbandes 
•deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  hat  von  der 
ablehnenden  Haltung  des  Deutschen  Reichstages  zu  seiner, 
die  Einstellung  von  Mitteln  für  Denkmalpflege  — zunächst 
zugunsten  des  Strassburger  Münsters  — betreffenden  Ein- 
gabe mit  Bedauern  Kenntniss  genommen  und  hält  es  nach 
wie  vor  für  eine  Pflicht  des  Verbandes,  für  den  Schutz 
deutscher  Baudenkmale  einzutreten.  Sie  ermächtigt  des- 
halb den  Vorstand,  unter  sachlicher  Widerlegung  der  von 
dem  Ec  richterstatter  der  Budget-Kommission  in  der  Reichs- 
tags-Si'-Zung  vom  6.  Febr.  1Q02  vorgebrachten  Bedenken, 
den  Antrag  vom  22.  Jan.  d.  J.  zu  geeigneter  Zeit  in  er- 
neuter P'assung  nochmals  einzugeben. 

Die  Abgeordneten- Versammlung  spricht  ferner  ihre 
besondere  Genugthuung  über  die  Gründung  des  „Strass- 
burger Münster-Vereins'*  aus  und  versichert' ihn 
ihrer  Unterstützung.'* 

b)  Kundgebung  des  Verbandes  in  Sachen  der  Doktor- 
Promoiionsfrage. 

Es  liegt  ein  Antrag  des  Berliner  Architekten-Vereins 
vor, zu  welchem  dieHrn.Walld,  Stübben  undBubendey 
das  Wort  ergreifen.  Der  Antrag  wird  sodann  in  folgender, 
etwas  abgeänderter  Form  einstimmig  angenommen: 

Die  31.  Abgeordneten-Versammlung  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg 
beschiiesst: 

Es  wird  Sache  des  Verbands-Vorstandes  sein,  erneut 
dahin  zu  wirken,  dass; 

1.  die  staatlich  geprüften  Architekten  und  Ingenieure 
hinsichtlich  der  Zulassung  zur  Prüfung  des  Doktor-Inge- 
nieurs mit  den  Diplom-Ingenieuren  der  technischen  Hoch- 
schulen vollkommen  gleichgestellt, 

2.  überall  da,  wo  Vorschriften  hierüber  noch  fehlen, 
im  Interesse  des  gesummten  höheren  Baufaches  schleunigst 
Uebergangs-Bestimmungen  erlassen  werden, 

3.  die  einheitliche  Regelung  dieser  wichtigen  Frage 
an  allen  deutschen  Hochschulen  angestrebt  werde. 

c)  Kundgebung  des  Verbandes  in  Sachen  eines  neuen 
Urheberrechtes  an.  Werken  der  bildenden  Kunst.  Die 
Versammlung  erklärt  sich  mit  dem  Vorgehen  des  Vor- 
standes einverstanden.  Hr.  Wall6  lenkt  die  Aufmerk- 

' samkeit  noch  auf  den  augenblicklich  vorliegenden  Gesetz- 
Entwurf  betr.  den  Schutz  von  Photographien  usw. 

Zu  18  der  Tagesordnung:  Antrag  des  Vorstandes 
auf  Nachprüfung  der  „Normalien  für  Hausentwässerungs- 
Leitungen“  mit  Rücksicht  auf  Schwierigkeiten,  welche  sich 
der  Einführung  derselben  entgegengestellt  haben.  Erledi- 
gung damit  zusammenhängender  Fragen. 

Der  Geschäftsführer  ergänzt  zunächst  die  Mittheilungen 
des  Geschäftsberichtes  durch  eine  schriftliche  Aeusserung 
des  Hrn.  Brth.  Bindley  in  Frankfurt  a.  M.  und  des  Hrn. 
Ob.-Brth.  Niedermayer  in  München. 

An  der  Besprechung  betheiligen  sich  die  Hrn.:  Schott, 
Ilerzberg,  Stubben.  Letzterer  betont  ausdrücklich, 
dass  sich  der  Verband  und  besonders  der  frühere  Aus- 
schuss zweifellos  durch  die  Aufstellung  der  Normalien  ein 
Verdienst  erworben  habe,  giebt  jedoch  zu,  dass  der  Ver- 
band sich  einer  „Prüfung  der  erhobenen  Bedenken“  nicht 
entziehen  könne. 

Die  Versammlung  verkennt  nicht  die  Schwierigkeiten, 
welche  nach  verschiedenen  Seiten  hin  aus  der  noch- 
maligen Berathung  dieser  Frage,  welche  den  Verein  so 
lange  beschäftigt  hat,  eswachsen  werden,  hält  es  aber 
doch  für  Pflicht  des  Verbandes,  zur  nochmaligen  Be- 
rathung einen  Ausschuss  zu  wählen,  der  aus  den  5 Hrn.: 
Bindley,  Frankfurt  a.  M,,  Herzberg,  Berlin,  Schott, 
Köln  a.  Rh.,  Richter,  Hamburg,  Schmick"  Frankfurt 
a.  M.  (Darmstadt)  bestehen  wird. 

Der  Ausschuss  wird  beauftragt,  mit  thunlichster  Be- 
schleunigung unter  Zuziehung  aller  infrage  kommenden 
Interessenten,  die  erhobenen  Bedenken  gegen  die  Nor- 
malien zu  prüfen  und  der  nächsten  Abgeordneten-Ver- 
sammlung soweit  möglich  schon  eine  entsprechende  Vor- 
lage zu  machen. 

Die  Sitzung  wird  von  12V2— 3 Uhr  unterbrochen.  Zu 
Beginn  der  Nachmittags-Sitzung  wird  der  Sitzungsbericht 
der  Vormittags-Verhandlungen  durch  den  Geschäftsführer 
verlesen  und  durch  die  Versammlung  angenommen. 

Es  kommt  sodann  die  Resolution  zu  Punkt  17  a.  zur 
Verlesung  und  Annahme. 

Die  Verhandlungen  werden  darauf  bei  Punkt  18 
wieder  aufgenommen. 

Der  gewählte  Ausschuss  wird  in  der  Voraussetzung, 
dass  es  zu  einer  befriedigenden  Lösung  in  dieser  Frage 
kommen  wird,  sogleich  mit  der  weiteren  Bearbeitung  der 

462 


ganzen  Sache,  d.  h.  auch  mit  Theil  IL,  „Verlegungs-Ar- 
beiten“, betraut. 

Von  dem  Abkommen  des  Vorstandes  mit  Hrn.  Bin  dley 
wird  Kenntniss  genommen. 

Zu  19  der  Tagesordnung:  Bericht  über  die  Thätig- 
keit  der  Ausschüsse  bei  der  Ausführung  der  in  Königs- 
berg durch  die  Abgeordneten  ■ Versammlung  gefassten 
Beschlüsse. 

a)  Aufstellung  von  Grundsätzen  für  Bauordnungen. 

b)  Zivilrechtliche  Haftbarkeit  der  Architekten  und 
Ingenieure. 

c)  Gebühren  der  Architekten  und  Ingenieure  als  ge- 
richtliche Sachverständige. 

Da  sämmtliche  Anträge  seinerzeit  von  Hannover  ge- 
stellt wurden,  erhält  zunächst  Hr.  Unger  das  Wort  zur 
Berichterstattung.  Er  beginnt  mit  der  am  meisten  geför- 
derten Frage  c,  zu  welcher  ein  reiches  Material  aus 
den  Einzelvereinen  vorliegt.  Auch  seitens  des  Vereins 
deutscher  Ingenieure  sind  bereits  Schritte  in  dieser  Sache 
gethan.  An  der  Besprechung  betheiligen  sich  namentlich 
die  Hrn.  Schmick,  Hecht,  Herzberg,  Wever,  Unger. 

Es  wird  folgender  Beschluss  gefasst: 

1.  Es  soll  in  dieser  Frage  ein  gemeinsames  Zusammen- 
gehen mit  dem  Verein  deutscher  Ingenieure  angestrebt 
werden.  Zu  diesem  Zwecke  wird  die  Bildung  eines  ge- 
meinsamen Ausschusses  von  je  3 Mitgliedern  vorgeschlagen. 

2,  Seitens  des  Vorstandes  werden  für  diesen  Ausschuss 
gewählt  die  Hrn.  Unger,  Hecht,  Hagn. 

Zu  19b.  theik  Hr.  Zimm’ermann,  als  Vorsitzender 
des  Ausschusses  mit,  dass  dessen  Arbeiten  bisher  noch 
nicht  abgeschlossen  seien.  Er  wird  an  den  Vorstand  be- 
richten, ob  die  Einholung  eines  juristischen  Gutachtens 
noch  erwünscht  erscheint.  Der  Geschäftsführer  macht  dar- 
auf aufmerksam,  dass  gegebenenfalls  Mittel  zu  diesem 
Zwecke  in  Titel  V.  des  Voranschlages  für  1903  vorhan- 
den sind. 

Zu  19a.  berichtet  Hr.  Unger  auch  namens  des  badi- 
schen Vereins,  dass  die  Frage  als  eine  solche  erscheint, 
die  sich  zur  Bearbeitung  im  Verbände  zurzeit  nicht  em- 
pfiehlt. Es  wird  daher  beschlossen,  sie  bis  auf  Weiteres 
vom  Arbeitspläne  abzusetzen. 

Zu  20  der  Tagesordnung:  Neue  Anträge  aus  den 
Vereinen. 

Antrag  des  Vereins  der  Architekten  und  Bauingenieure 
zu  Dortmund,  betr.  die  Aufstellung  eines  Werkvertrages 
zwischen  Bauherrn  und  Architekt  nebst  allgemeinen  Be- 
dingungen unter  Berücksichtigung  des  bürgerlichen  Ge- 
setzbuches. 

Der  Vertreter  des  Vereins  in  Dortmund,  Hr.  Marx, 
bittet  die  Sache  einem  Ausschüsse  zu  überweisen. 

Da  die  Frage  noch  nicht  genug  geklärt  erscheint, 
macht  der  PIr.  Vorsitzende  dagegen  den  Vorschlag,  es  möge 
der  Dortmunder  Verein  erst  noch  weiter  Material  sammeln 
und  dann  gegebenenfalls  den  Antrag  aufs  Neue  stellen.  Der 
Antrag  wird  von  dem  Dortmunder  Vertreter  daher  vor- 
läufig zurückgezogen. 

Zu  21  der  Tagesordnung:  Anträge  der  Ver- 
sammlung, die  nicht  auf  der  Tagesordnung  stehen. 

Hr.  Sieben-Aachen  stellt  namens  seines  Vereins  den 
Antrag,  einen  Ausschuss  zur  Aufstellung  einheitlicher  Be- 
stimmungen zur  Berechnung  und  Ausführung  von  Beton- 
eisen-Konstruktionen zu  bilden  bezw.  den  antragstellenden 
Verein  mit  einer  die  Vorfragen  erledigenden  Vorlage  für 
die  nächste  Abgeordneten-Versammlung  zu  betrauen.  Hr. 
Stübben  stimmt  dem  2.  Theile  durchaus  zu,  hält  da- 
gegen die  Bildung  eines  Ausschusses  für  verfrüht.  Der 
Aachener  Verein  wird  beauftragt,  eine  vorbereitende  Vor- 
lage zu  machen. 

Hiermit  sind  die  Verhandlungen  erledigt.  Auf  An- 
regung des  Vorsitzenden  beschiiesst  die  Versammlung, 
dass  der  Rest  des  Sitzungsberichtes  durch  den  Vorstand 
und  einige  Herren  der  Versammlung  genehmigt  werden  soll. 
Beauftragt  werden  hiermit  die  Hrn.  Solf,  Nessenius, 
Hecht,  Sieben. 

Mit  einem  Dank  an  den  Hrn.  Regierungs-Präsidenten 
für  Ueberlassung  des  schönen  Verhandlungs-Saales,  sowie 
an  die  Schriftführer  für  die  schnelle  Erledigung  des 
Sitzungsberichtes  schliesst  der  Vorsitzende  die  Versamm- 
lung um  5V4  Uhr  Nachmittags,  worauf  PIr.  Lutz  namens 
der  Abgeordneten  dem  Vorsitzenden  den  Dank  für  die 
Leitung  der  Geschäfte  ausspricht.  — 

Augsburg,  den  30.  August  1902. 

Der  Geschäftsführer;  , Die  Schriftführer: 

F.  Eiselen.  Kirchbauer.  Schnell. 

Genehmigt  Augsburg,  den  30.  August  1902. 

Waldow.  Bubendey.-  v.  Schmidt.  L.  Neher. 

Hecht.  Nessenius.  Sieben.  Solf. 


No.  72. 


Vermischtes. 

Landwlrthschaftllches  Bauwesen  ln  Bayern.  Auf  der 
Ende  August  in  Mühldorf  abgehaltenen  Kreisversamm- 
lutig  des  „Landwirthschafilichen  Vereins  von  Oberbayern“ 
sprach  Hr.  Prof.  Jummersbach  aus  München  über  land- 
wirthschaftliches  Bauwesen,  namentlich  die  Bauart  der 
Mehrzahl  der  bäuerlichen  Stallhaltungen  in  ihrer  meist 
übermässigen  Raumausdehnung,  bei  deren  Erstellung  man 
fort  und  fort  einer  alten  Gewohnheit  zu  folgen  scheine, 
.und  empfahl  kleinere  Stallungen  mit  getrennten  Feldstädeln 
zur  Futter-Aufbewahrung,  trat  für  Schaffung  geeigneter 
Futtertransportmittel  und  Wasserzufuhr  ein  und  empfahl, 
man  möge  von  Fall  zu  Fall  prüfen,  ob  die  bisher  geübte 
Bauweise  praktisch  sei  und  in  welcher  Weise  zweck- 
mässige Verbesserungen  erreicht  werden  könnten. 

In  der  folgenden  Besprechung  beklagte  Graf  Spretie 
(Weilbach)  die  nachlässige  Bauweise  auf  dem  Lande,  die 
sich  namentlich  in  neuerer  Zeit  geltend  mache,  und  gab 
drastische  Beispiele  davon.  Oekonomierath  Steinböck 
(Rosenheim)  schob  die  Schuld  hierfür  auf  den  Mangel 


alle  Gesellschaften  rüsteten  sich  schon  jetzt,  um  einen 
entsprechenden  Antheil  an  diesen  Arbeiten  zu  erlangen. 
Am  weitesten  voran  und  wohl  auch  mit  der  grössten 
praktischen  Erfahrung  ausgestattet  sei  die  Firma  Siemens 
& Halske,  die  schon  einen  fertigen  Entwurf  für  den  Donau- 
Oder-Kanal  besitzt.  Die  Gesellschaft  habe  sich  mit  einer 
Gruppe  Prager  Maschinenfabriken  verbunden,  an  deren 
Spitze  die  Maschinenfabrik  Daniek  steht.  Der  Entwurf 
beruhe  auf  der  einschienigen  Lokomotive  für  den  Zug 
und  der  schiefen  Ebene  zur  Ueberwindung  der  Höhen- 
unterschiede. Die  Grundzüge  ersteren  Gedankens  seien 
auch  bei  dem  Entwurf  der  Firma  Siemens  & HaLke 
für  den  Teltow-Kanal  in  Anwendung  gebracht  worden. 
In  zweiter  Linie  komme  die  Oesterreichische  Union- 
Elektrizitäts-Gesellschaftin  Betracht,welche  mit  einer 
Gruppe  mährischer  und  niederösterreichischer  Maschinen- 
fabriken in  Verbindung  getreten  sei;  hier  stehe  dieBrÜnner 
Maschinenfabrik  an  der  Spitze.  Zur  Ausarbeitung  eines 
Entwurfes  wurde  in  Wien  ein  eigenes  Wasserstrassen- 
Bureau  errichtet.  Auch  die  Vereinigte  Elektrizitäts- 
Aktien-Gesellschafi  beabsichtige  einen  selbstständigen 


Das  Müller’sche  Volksbad  ln  München.  Ansicht  der  Eingangshal’e  mit  Kasse.  — Architekt:  Prof.  Karl  Hocheder  in  München. 


ausreichender  Baukontrolle.  Wanderlehrer  Maier  gab  zu 
bedenken,  man  möge  nie  versäumen,  bei  neuen  StallbaiUen 
die  Wände  durch  Isolirschichten  gegen  aufsteigende  Boden- 
feuchtigkeit zu  schützen.  In  seinem  Schlusswort  empfahl 
Prof.JummersbachdembauendenPublikum  gegen  schlechte 
Bauausführung  Selbstschutz  in  der  Weise,  dass  cs  die 
Pläne  bei  einem  erfahrenen  Architekten  machen 
lasse,  der  dann  zugleich  gewissermaassen  der  technische 
Anwalt  dem  Bauausführenden  gegenüber  sei.  — 

Die  Wasserstrassen  und  die  österreichischen  Elektrizi- 
täts-Gesellschaften. In  einem  in  der  „Volkswirthschaftlichen 
Wochenschrift“  enthaltenen  Artikel  werden  die  Aussichten 
der  elektrotechnischen  Industrie  in  Oesterreich  als  günstig 
geschildert.  Die  meisten  Vorlheile  werde  der  Bau  der 
Wasserstrassen  bieten.  Es  sei  bei  dem  heutigen  Stande 
der  technischen  Entwicklung  kein  Zweifel,  dass  sowohl 
für  den  Zug  der  Kähne,  als  auch  für  die  Ueberwindung 
der  Höhenunterschiede  die  elektrische  Kraft  zur  An- 
wendung kommen  werde,  gleichgiliig  ob  man  sich  für  das 
Schleusensystem  oder  das  System  der  schiefen  Ebene  ent- 
schliesse.  Hier  winke  der  elektrotechnischen  Industrie 
ein  grosses  Feld  jahrelanger  Bethätigung,  und  so  ziemlich 

6.  September  1902. 


Entwurf  einzureichen,  und  zwar  in  Verbindung  mit  einem 
Konsortium  Wiener  Maschinenfabriken,  und  die  Oester- 
reichischen  Schuckert-W’^erke  sowie  die  Firma  vorm. 
Kolben  & Comp,  in  Prag  hatten  gleichfalls  die  Absicht, 
bei  dem  Bau  der  Wasserstrassen  in  Wettbewerb  zu  treten. 
Aehnliche  Verhältnisse  würden  in  Deutschland  nach 
Genehmigung  des  Mittellandkanales  im  Norden  und  der 
bayerischen  Kanalpläce  im  Süden  eintreten  können.  — 
Kachel-Oefen  der  Fabrik  „Saxonia“  ln  Meissen.  Wie 
in  vielen  anderen  Zweigen  der  Technik,  so  sind  auch  in- 
bezug  auf  die  Beheizung  unserer  Wohn-  und  Geschäfts- 
räume bedeutende  Fortschritte  erzielt.  Besonders  gross 
ist  die  Zahl  der  aus  Metall  gefertigten  Heizkörper,  die 
zumeist  als  Dauerbrandöfen  ausgeführt  werden  und  manche 
Vorzüge  besitzen.  Allein  sie  haben  es  nicht  erreicht,  den 
von  Alters  her  beliebten  Kachelofen  zu  verdrängen,  er 
hat  sich  stets  als  ein  werthvolles  Ausstattungsstück  in  der 
einfachen  wie  in  der  besseren  Behausung  zu  behaupten  ge- 
wusst. Wir  sind  überzeugt,  dass  er  niemals  ganz  aus  ihnen 
verschwinden  wird,  namentlich  seitdem  die  Kacheln  aus 
feuerfestem  Thon  und  Chamotte  hergestellt  werden,  wie  es 
2.  B.  bei  den  Meissener  Ofenfabriken  seit  Jahren  mit  Erfolg 

463 


geschieht.  . Während  die  ' gewöhnlichen  Thonkachelöfen, 
• welche  bis  vor  kurzem  fast  ausschliessl.  in  Gebrauch  waren, 
einer  sehr  starken  Ausfütterung  bedürfen,  um  die  Kacheln 
vor  dem  Zerspringen  zu  bewahren,  sich  nur  sehr  langsam 
erwärmen  und  dabei  grosse  Mengen  Brennmaterial  bean- 
spruchen, vereinigt  der  feuerfeste  Meissener  Chamotteofen 
die  Vorzüge  der  Kachelöfen  mit  denen  der  eisernen  bezw. 
Dauerbrandöfen.  Vermöge  der  feuerfesten  Eigenschaft 
des  Rohmaterials  kann  der  innere  Schutz  durch  Ziegel- 
steine fast  ganz  fortfallen.  Derartige  Oefen  brauchen  nur 
wenig  Brennmaterial  und  erwärmen  schnell;  eine  Stunde 
nach  dem  Anheizen  ist  das  Zimmer  durchwärmt.  Dabei 
ist  die  Wärme  eine  angenehme  und  anhaltende.  — 


Chronik. 

Eine  III.  Realschule  in  Hannover  ist  nach  den  Plänen  des 
Hrn.  Stadtbauinsp.  Ruprecht  in  Hannover  mit  einem  Kostenauf- 
wande  von  rd.  400  coo  M.  errichtet  worden.  — 

Ein  neues  Reichsbankgebäude  für  Dortmund  wird  nach 
den  Entwürfen  der  Architekten  Kayser  & von  Groszheim  in 
Berlin  mit  einer  Bausumme  von  550  000  M.  auf  dem  Hiltrop-Wall 
errichtet  werden.  — 

Schutz  der  Goldenen  Pforte  am  Dome  zu  Freiberg  i.  S. 
Die  Bestrebungen  zum  Schutze  der  Goldenen  Pforte  am  Dome  zu 
Freiberg  (s.  Jahrg.  1894  S.  169)  haben  zu  dem  Beschluss  der  Er- 
richtung eines  Sebutzbaues  geführt,  welcher  nach  dem  Entwurf  des 
Architekten  Brth.  Jul.  Gräbner  in  Dresden  zur  Ausführunggelangt.  — 

Für  die  Errichtung  einer  Musikhalle  in  Hamburg  steht 
durch  ein  Laeisz’sches  Vermächtniss  eine  Summe  von  lacocooM. 
zur  Verfügung.  Ein  ausgearbeiteter  Entwurf  liegt  der  Bürgerschaft 
zur  Genehmigung  vor.  — 

Die  Aufdeckung  eines  römischen  Amphitheaters  in  Metz 
bei  Niederlegung  der  Festungswälle  beschäftigt  die  Gesellschaft  für 
lothringische  Geschichte  und  Alterthümer,  die  eine  Erhaltung  des 
grossen,  ein  Oval  von  126:  150  m bildenden  Gebäudes  anstrebt.  — 

Eine  Festhalle  für  10  000  Personen  in  Frankfurt  a.  M. 
soll  aus  Anlass  des  Sängerwettstreites  1903  an  der  Forsthaus- 
strasse errichtet  werden  — 

Das  Kaiserin  Elisabeth-Denkmal  in  Wien,  für  welches 
schon  seit  längerer  Zeit  ergebnissreiche  Sammlungen  eingeleitet 
sind,  soll  nach  einem  endgilligen  Beschluss  des  Denkmal-Comites 
im  k.  k.  Volksgarten,  im  Zuge  der  Löwelstrasse,  zur  Aufstellung 
gefangen.  Die  Entwürfe  werden  auf  dem  Wege  des  Wettbewerbes 
beschafft.  — 

Der  hundertste  Geburtstag  Schwanthalers  ist  am  26.  Aug. 
in  München  festlich  begangen  worden.  — 

Für  die  Erbauung  eines  neuen  Heiliggelstspitales  in 
München  liegen  zwei  Entwürfe  des  Hrn.  städt.  Bxth,  Hans  Grässel 
vor,  welche  einen  Kostenaufwand  von  1500000  bezw.  1650  000  M. 
erfordern.  Man  entschied  sich  für  den  erstgenannten  Entwurf.  Das 
neue  Gebäude  soll  in  der  Nähe  des  Dom-Pedro-Platzes  in  Neuhausen 
errichtet  werden;  es  ist  für  300  Pfründner  beiderlei  Geschlechtes 
bestimmt.  — 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Der  Reg.-  und  Kr.-Brth.  Hensel  ist  z.  Ob.-Brth. 
beim  Hydrotechn.  Bür.,  der  Bauamtm.  Ruttmann  z.  Reg.-  u.  Kr.- 
Brth.  bei  der  Obersten  Baubehörde  und  der  Bauamtsass.  Hof  in 
München  auf  die  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.-Stelle  für  das  Landbfch.  bei 
der  Reg.  der  Pfalz  befördert:  der  Bauamtsass.  Bestelmayer 
in  Regensburg  ist  an  das  Landbauamt  München  versetzt. 

Der  Reg.-  u.  Kr.-Brth.  Kremer  in  Ansbach  ist  auf  die  II.  Stelle 
eines  solchen  für  das  Landbfch.  bei  der  Reg.  von  Oberbayern  ver- 
setzt; dem  Reg.'  u.  Kr.-Brth.  Förster  in  Ansbach  ist  die  Stelle 
bei  der  Reg.  von  Mittelfranken  verliehen. 

Der  Bauamtm.  B e r 1 i n g in  Augsburg  ist  auf  die  II.  Reg.-  u. 
Kr.-Brths-Stelle  für  das  ingfeh.  bei  der  Reg.  von  Oberbayern  be- 
fördert; der  Bauamtm.  Berger  in  Bayreuth  ist,  nach  Augsburg 
versetzt;  dem  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.  Becker  in  Würzburg  ist  die 
Bauamtm.-Stelle  in  Bayreuth  verliehen;  der  Bauamtsass.  Raithel 
in  Deggendorf  ist  auf  die  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.-Stelle  für  das  Ingfeh. 
bei  der  Reg.  von  Uuterfranken  befördert;  der  Bauamtsass.  Miller 
in  Nürnberg  ist  nach  Deggendorf  versetzt;  der  Staatsbauassist. 
Köpp  el  in  Trannstein  ist  z.  Ass.  bei  dem  Strassen-  u.  Flussbau- 
amt Nürnberg  ernannt. 

Der  Bauamtm.  Wöhrle  in  Rosenheim  ist  z.  Reg.-  u.  Kr.- 
Brth.  u.  Vorst,  der  neuerricht.  Wildbach-Verbauungs-Sekt.  das.  be- 
fördert; der  Bauamtm.  Rapp  in  Ingolstadt  ist  nach  Rosenheim 
versetzt;  der  Reg.-  u.  Kr -Bauass.  Hartmann  io  München  ist  z. 
Bauamtm.  beim  Strassen-  u.  Flussbauamt  Ingolstadt  berufen;  der 
Bauamtsass.  Arnold  in  Traunstein  ist  z.  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.  bei 
der  Obersten  Baubehörde  befördert,  der  Staats bauassist.  Vilbig 
in  Bamberg  ist  zum  Ass.  beim  Str.-  und  Flussbauamt  Traunstein 
ernannt. 

Der  Bauamtsass.  Schreitmüller  in  München  ist  auf  die  I. 
und  der  Bauamtsass.  Kurz  in  Weiden  auf  die  II.  Ass.-Stelle  bei 
der-Wildbach-Verbauungs-Sekt.  Rosenheim  versetzt;  der  Staatsbau- 
assist. Eichenmayer  in  Schweinfurt  ist  z.  Ass.  beim  Str.-  u. 
Flussbauamt  Weiden  ernannt. 

Der  Bauamtm.  Stengler  in  Kempten  ist  z.  Reg,-  u,  Kr.-Brth. 
u.  Vorst,  der  Wildbach-Verbauungs-Sekt.  das.  befördert;  der  Bau- 
amtm.  v.  Leistner.in  Ansbach. ist  nach  Kempten  versetzt;  dem 
Bauamtm.  Reisser  in  Kempten  ist  die  Stelle  eines  solchen  in 
Ansbach  verliehen;  dem  Bauamtsass.  Sommer  in  Kempten  ist 
die  Stelle  bei  der  Wildb.-Verbauungs-Sekt.  das.  übertragen;  der 
.Bäuamtsass.  Dr.  Cassimir  in  München  ist  an  das  Str.-  u.  Fluss- 
bauatüt  Kempten  versetzt,  der  Staatsbauassist.  Schwabe  in 
Kempten  ist  z.  Ass.  ernannt. 


Der  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.  S t a u f f e r ist  z.  Bauamtm.  des 
neuerricht.  Landbauamtes  Rosenheim  berufen;  der  Bauamtsass. 
Huber  in  Eichstädt  ist  nach  Rosenheim  versetzt;  der  Staats- 
bauussist.  Rhien  in  Freising  ist  z.  Ass.  in  Eichstädt  ernannt.  . 

Der  Bauamtm.  R a 1 1 1 e r in  Kaiserslautern  ist  z.  Landbauamte 
Straubing  versetzt;  der  Bauamtsass.  P r ei  s s e r in  Traunstein  ist  z. 
Bauamtm.  in  Kaiserslautern  beförd.;  der  Staatsbauassist.  Schnizlein 
in  München  ist  z.  Ass.  beim  Landbauamte  Straubing  ernannt. 

Der  Bauamtm.  Laun  in  Wiodsheim  ist  z.  neuerricht.  Land- 
bauamte Weiden  versetzt,  der  Bäuamtsass.  R o th  in  Nürnberg  ist 
z.  Bauamtm.  in  Windsheim  befördert;  der  Staatsbauassist.  U 1 1 m a n n 
in  Speyer  ist  z,  Ass.  in  Nürnberg  und  der  Staatsbauassist.  Anding 
in  München  z.  Ass.  in  Weiden  ernannt;  dem  Staatsbauassist.  Bühl- 
mann in  Würzburg  ist  die  II.  Ass.-Stelle  beim  Landbauamte  Eich- 
städt verliehen. 

Sachsen.  Dem  Brth.  Friedrich  in  Dresden  ist  die  Er- 
laubniss  zur  Annahme  und  z.  Tragen  des  ihm  verlieh.  Kommandeur- 
kreuzes des  pers.  Sonnen-  und  Löwen-Ordens  ertheilt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Flachs  in  Freiberg,  Junge  und  Puruckherr 
in  Leipzig,  Schlechte  in  Chemnitz,  Krüger  in  Dresden-A,, 
Schellenberg  in  Zwickau,  Seidel  in  Dresden-Fr.  und  Uhl- 
felder in  Chemnitz  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  bei  den  Staatseisenb. 
ernannt, 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  R.  B.  in  M.  Es  ist  bei  der  üblichen  Art  der  Beförde- 
rung der  postalischen  Kreuzbandsendungen  im  Briefbeutel  nicht  zu 
vermeiden,  dass  unsere  Zeitung  bisweilen  in  etwas  zerknittertem 
Zustande  in  die  Hände  der  Abonnenten  gelangt,  welche  dieselbe 
unmittelbar  bei  unserer  Expedition  als  Kreuzbandsendung  bestellt 
haben.  Um  die  Beschädigung  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu 
vermeiden,  empfiehlt  sich  der  Versuch  einer  Bestellung  nach 
der  Postzeitungsliste  unmittelbar  bei  dem  zuständigen 
Postamte  des  Wohnortes  des  Bestellers.  Die  Zeitung  wird 
dann  im  Zeitungsballen  befördert,  leidet  weniger,  kommt  zur 
gleichen  Zeit  an  und  es  tritt  für  den  Besteller  noch  eine  kleine 
Ersparniss  durch  den  Fortfall  des  Betrages  für  die  Postanweisung  ein. 

Hrn.  Stadtbmstr.  in  Trier.  In  den  preuss.  Städten  mit 
Magistrats-Verfassung  steht  dem  leitenden  Baubeamten  der  Amts- 
titel „Stadtbaurath"  ohne  Weiteres  zu.  Den  rheinischen  Städten 
mit  Bürgermeister-Verfassung  ist  durch  gemeinschaftl.  Erlass  der 
Hrn.  Minist,  d.  öffenÜ.  Arb.  u.  d.  Inneren  vom  16.  Juni  1889  (vgl. 
Dtsche.  Bztg.  1889  S.  517)  das  Recht,  diesen  Amtstitel  ihren  Stadt- 
baumeistern zu  verleihen,  ausdrücklich  zugestanden.  Ein  Unter- 
schied nach  der  Grösse  der  Stadt  ist  dabei  nicht  gemacht.  Vergl. 
ausserdem  die  Mittheilungen  über  diese  Frage  1895  S.  563,  581, 

634,  649-  — 

Hrn.  E.  in  Meuselwitz.  Wir  empfehlen  Ihnen  das  Werk  von 
J.  Stübben  „Der  Städtebau“,  Verlag  von  A.  Bergsträsser,  Stuttgart.  — 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 

Hrn.  V.  in  M.  Zur  Anfrage  in  No.  65  sind  uns  verschiedene 
Zuschriften  zugegangen,  aus  denen  wir  das  Wesentliche  wieder- 
geben. Hr.  Arch.  A.  N.  in  Strassburg  i,  E.  schlägt  die  Verkleidung 
der  Küchenwände  im  Inneren  mit  i cm  starken  Korkplatten  auf 
Gips  oder  Dachlatten  unter  Offenhaltung  eines  Hohiraumes  vor. 
Ges.-Stärke  der  Verkleidung  knapp  3 cm.  Auch  die  Verschalung  der 
Mauern  von  aussen  und  Bekleidung  mit  Holz-  bezw.  Blechschindeln 
bezw.  Schiefer  hat  sich  bei  Ausführungen  im  Hochgebirge  bewährt. 
— Hr.  Arch.  Alex.  Koch  in  London  schlägt  Verwendung  eines 
französischen  Kochherdes,  bei  dem  Steinkohle  gebrannt  und  die 
ganze  Platte  heiss  wird,  ev.  Tapeziren  bezw.  Täfeln  der  Wände,  als 
durchgreifendstes  Mittel  schliesslich  die  Anbringung  einer  Luftheizung 
vor  mit  ausgiebiger  Ventilation,  bei  welcher  die  frische  Luft  un- 
mittelbar von  aussen  zu  nehmen  ist  und  die  Erwärmung  derselben 
am  billigsten  und  besten  durch  die  Abgangsgase  des  Kochherdes 
besorgt  wird.  — Hr.  Arch.  P.  Breuckel  in  Düsseldorf  schliesslich 
empfiehlt  Goudronanstrich  der  Umfassungswände,  nach  Trocknung 
Anstrich  mit  der  früheren  Putzfarbe;  falls  die  Wandfläche  aus 
Verblendsteinen  gebildet  ist,  statt  des  Goudrons  Oelfarbenanstrich. 
Als  Radikalmittel  wäre  eine  Ummauerung  von  aussen  mit  Luft- 
schicht auszuführen,  die  mit  kleinen  Thurmziegeln  in  gefälliger 
Weise  abgedeckt  werden  kann.  — 

Zu  der  .Anfrage  .C.  St.  in  Naila  in  No,  59.  Ergiebige  Aus- 
kunft giebt  der  Aufsatz  „Schneewehen  und  Schneewehren  im  Eisen- 
bahnbetriebe, mit  bes.  Bezugnahme  auf  Sachsen“,  vom  Finanzrath 
Ludw.  Neumann-Dresden.  (Civilingenieur,  Jahrg.  1887  S.  158.) 

J a k s t e i n - Charlottenburg. 

Man  entfernt  Petroleumgeruch  aus  Kellern  und  Räumlich- 
keiten durch  öfters  wiederholtes  Ausweissen  mit  Kalkmilch.  Wie  oft 
dies  wiederholt  werden  muss,  hängt  davon  ab,  wie  tief  das  Pe- 
troleum in  Wände  und  Fussboden  eingedrungen  ist.  Auch  starkes 
Heizen  der  Räume,  starke  Erwärmung  der  Wände  und  Böden  ist 
geeignet,  das  Petroleum  zu  verflüchtigen. 

Siry,  kgl.  Oberingenieur  in  München. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

1.  Wo  finden  sich  in  der  Litteratur  Angaben  über  Feuerungs- 
anlagen, Brennmaterialien  usw.  für  Bismarck-Säulen? 

C.  K.  in  Ch.  und  K.  & H.  in  D. 

2.  Wo  ist  in  der  Fachlitteratur  etwas  über  die  Einflüsse  von 

Gottesäckern  auf  die  Beschaffenheit  des  Grundwassers  bezw.  auf 
Brunnen  zu  finden?  — Baurath  B.  in  A. 


Inhalt:  Die  XV.  Waaderversamtnlung  des  Verbandes  .deutscher  Archi- 
tekten- uud  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg  vom  i.— 3.  September  1902.  — 
Das  Müller’sche  Volksbad  in  München  (Schluss).  — Verband  deutscher 
Arch,-  und  lug. -Vereine.  Sitzungsbericht  der  XXXI.  Abgeordneten-Ver- 
sammlungin  Augsburg.  — Vermischtes.  — Chronik.  — Personal-Nachrichten. 

— Brief-  und  Pragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  i.  V.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


1464  No  72. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVL  Jahrgang  No.  73.  Berlin,  den  10,  September  1902. 


Stadtbild  von  Augsburg. 

Nach  dem  Htalergraed  zu  dem  lebenden  Bilde  am  EegrOssungs-Abend,  gemalt  vom  Theatermaler  Ammann  in  Augsburg. 

Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ingen.- Vereine 
zu  Augsburg  vom  i.  — 3.  September  1902. 

(Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  469.) 


I.  Der  äussere  Verlauf  der  Versammlung. 

(Schluss.) 

!m  Montag,  dem  i.  September,  wurde  vor- 
mittags  9V2Ühr  die  erste  Sitzung  derWander- 
versaramlung  im  Schiessgrabensaale  durch 
den  Vorsitzenden  des  Verbandes  Hrn.  Geh. 
ßrth.  Waldow-Dresden  eröffnet.  Wenn  wir 
vor  a Jahren,  so  begann  Redner  seine  Eröffnungsrede, 
in  der  alten  Hansastadt  Bremen,  nahe  der  deutschen 
Meeresküste  und  am  Sitze  des  Welthandels,  unsere 
Versammlung  abhieiten,  so  finden  wir  uns  heute  mitten 
im  deutschen  Vaterlande  wieder  zusammen  in  einer 
Stadt,  die  einst  eine  grosse  Rolle  in  der  deutschen 
Geschichte  spielte,  einer  Stadt,  die  sich  durch  den 
Gewerbefleiss  ihrer  Bürger  nach  langem  Niedergang 
wieder  einen  hervorragenden  Platz  erobert  hat.  Es 
ist  ein  eigener  Zauber,  der  die  alte  Reichsstadt  um- 
weht, und  wir  freuen  uns  herzlich,  dass  wir  hier 
unsere  Versammlung  abhalten  dürfen.  Zunächst  be- 
grüssen  wir  in  Ehrfurcht  und  Liebe  den  hohen  Herrn, 
des  Bayerlandes  Fürst'  und  Vater,  die  treue  Stütze 
des  Reiches.  Wir  danken  den  Vätern  der  Stadt,  dem 
bayerischen  Verein  und  den  Augsburger  Fachgenossen 
für  den  herzlichen  Empfang,  den  Vertretern  der  be- 
freundeten Verbände  aus  Oesterreich  und  der  Schweiz 
für  ihr  Erscheinen,  mit  dem  sie  bekunden,  wie  fest 
die  freundschaftlichen  Beziehungen  sind,  welche  uns 
verbinden.  Um  einen  Rückblick  auf  die  Errungen- 
schaften seit  der  letzten  Versammlung  zu  werfen,  ist 
die  Zeit  eigentlich  zu  kurz.  Sie  ist  aber  doch  lang 
genug,  um  zu  zeigen,  dass  kein  Rückschritt,  auch 
kein  Stillstand,  sondern  ein  Fortschritt  stattgefunden 
hat.  Wir  verdanken  der  Initiative  Kaiser  Wilhelms  il. 
die  nunmehr  in  den  meisten  Bundesstaaten  durchge- 
führtc  Gleichstellung  der  höheren  Schulen,  ein  Ziel, 
das  von  den  Vertretern  der  Technik  schon  lange  an- 
gestrebt  wurde,  wir  verdanken  ihm  eine  weitere 
Hebung  des  Ansehens  des  technischen  Berufes,  die 
uns  nun  aber  auch  mehr  denn  je  die  Aufgabe  und 
die  Pflicht  zuweist,  uns  nicht  zu  beschränken  auf  unser 
engeres  Fachgebiet,  sondern  mitzuwirken  bei  der 
Lösung  allgemeiner,  wirthschaftlicher  und  sozialer 
Fragen.  Auch  der  Verband  als  Solcher  kann  und 
wird  an  diesen  Fragen  mitarbeiten 

In  Vertretung  des  z.  Zt.  im  Urlaub  weilenden 
Hrn.  Staatsministers  des  Inneren,  Excellenz  v.  Crails- 
heim, der  daher  zu  seinem  Bedauern  verhindert  sei, 
selbst  zu  erscheinen,  betonte  Hr.  Ob.-Brth.  v.  Soergel] 
dass  die  kgl.  Staatsregierung  mit  grossem  Interesse 
die  Bestrebungen  des  Verbandes  auf  technischem  Ge- 
biete verfolge  und  seinen  Arbeiten  besten  Erfolg,  der 
Versammlung  selbst  einen  erfreulichen  Verlauf  im 


schönen  Schwabenlande  wünsche,  das  nicht  nur  dem 
Architekten  manch  reizvolles  Bauwerk,  sondern  auch 
dem  Ingenieur  tüchtige  Werke  seiner  Kunst  vor- 
führen könne. 

Seitens  des  ebenfalls  im  Urlaub  befindlichen  Reg.- 
Präsidenten  Excellenz  v.  Lermann  war  ein  Tele- 
gramm eingegangen,  das  der  Wanderversammlung 
einen  guten  Verlauf  wünschte  und  ein  herzliches  Will- 
kommen im  Reg.-Bczirk  Schwaben  zurief.  Als  Ver- 
treter der  Bezirks-Regierung  war  ausserdem  Hr.  Reg.- 
und  Kreisbrth.  Hohenner  anwesend. 

Sodann  ergriff  der  i.  Bürgermeister  der  Stadt 
Augsburg,  Hr.  Hofrath  Wolfram,  neben  dem  auch 
der  2.  Bürgermeister  Hr.  Gentner  und  die  beiden 
Vorstände  des  Gemeinde-Kollegiums  die  Hrn.  Krauss 
und  Stolz  erschienen  waren,  das  Wort,  um  zunächst 
der  Versammlung  den  Gruss  und  Willkommen  der  Stadt 
Augsburg  zu  entbieten  und  demVerbands- Vorsitzenden 
für  seine  freundlichen  Worte  zu  danken.  Wenn  auch 
die  anderen  Theilnehmer  so  dächten,  so  dürfe  man 
hoffen,  dass  die  Wahl  Augsburgs  als  Ort  der  Ver- 
sammlung nicht  bereut  werde.  Einst  habe  die  Stadt 
der  ein  Elias  Holl  den  Stempel  aufgedrückt  habe[ 
ein  glänzendes  Bild  geboten,  von  dem  noch  manch 
herrlicher  Ueberrest  zeuge,  hätten  ihre  Kaufleute  die 
Welt  beherrscht,  hätten  Kaiser  und  Könige  in  ihren 
Mauern  geweilt.  Diese  Blüthezeit  sei  freilich  unwieder- 
bringlich verloren,  aber  aus  eigener  Kraft  habe  die 
Stadt  auf  anderem  Gebiete  eine  neue  Blüthe  getrieben. 
Eine  kraftvolle  Industrie  habe  sich  entwickelt,  ein 
gewaltiger  Kranz  von  Fabriken  umziehe  die  Stadt 
die  nun  wieder  auf  dem  Weltmarkt  in  den  Wettbewerb 
mit  eintreten  könne.  Hierin  liege  jetzt  der  Stolz  der 
Stadt  und  die  Zuversicht  für  die  Zukunft.  Einen 
Vorzug  besitze  ausserdem  Augsburg,  dass  ihre  Fabrik- 
schlote eingebettet  seien  in  dem  schönen  Grün  aus- 
gedehnter Gärten,  dass  in  nicht  zn  weiter  Ferne  die 
Schönheit  der  Gebirgsnatur  locke. 

Die  Stadt  habe  es  sich  nicht  nehmen  lassen,  der 
Versammlung  eine  Festschrift*)  zu  widmen,  die  er 
freundlich  entgegenzunehmen  bitte  und  von  der  er 
hoffe,  dass  sie,  wie  die  städtischen  Werke  auf  dem 
Gebiete  der  Architektur  und  des  Ingenieurwesens,  die 
in  den  nächsten  Tagen  den  kritischen  Blicken  so  vieler 
Fachmänner  ausgesetzt  seien,  vor  diesen  in  Ehren 
bestehen  möge. 

Schliesslich  ergriff  nochHr.  Prof.Frhr.v. Schmidt, 
München,  als  Vertreter  des  bayerischen  Vereins,  das 
Wort.  Er  wies  darauf  hin,  dass  wenn  in  den  fast 
30  Jahren,  die  der  Verband  Bayern  nicht  mehr  be- 
sucht habe,  auch  manches  verändert  sei,  doch  mit 


*)  Vergl.  die  Besprechung  in  No.  66,  Seite  422. 


465 


Stolz  darauf  hingewiesen  werden  könne,  dass  der  Auch  von  dem  schönen  Feste  auf  dem  „Hoch- 
Ehrenschild  der  Kunst,  den  Ludwig  L Bayern  ver-  ablass“,  dem  am  Ufer  des  Lech  reizvoll  gelegenen 
liehen  und  den  Prinzregent  Luitpold  mit  starker  Ausflugspunkte,  gleichzeitig  der  Sammelpunkt  der  von 
Hand  führe,  bis  zur  Stunde  hochgehalten  und  noch  den  Bergen  kommenden  Quellen  zur  Wasserversorgung 
von  Niemand  Bayern  entrissen  sei.  In  Augsburg  der  Stadt,  können  wir  nur  erwähnen,  dass  es  froh 
finde  der  Besucher  neben  den  Zweigen  einer  hoch-  verlief  und  mit  einem  glänzenden  Feuerwerk  seinen 
entwickelten  Kunst  früherer  Zeit  eine  hochentwickelte  Abschluss  fand. 

neuzeitliche  Industrie.  Er  finde  ein  herzliches  Ent-  Der  2.  Sitzungstag  konnte,  da  geschäftliche  Mit- 
gegenkommen  bei  einem  treuen  Volke,  das  aus  den  theilungen  nicht  Vorlagen,  sofort  mit  dem  3.  Festvor- 
heimathlichen  Bergen  stets  wieder  neue  Kraft  und  trage  begonnen  werden. 

Frische  schöpfe,  und  so  wünsche  er  auch  den  Gästen,  Zunächst  hielt  Hr.  Geh.  Brth.  Stübben,  Köln 
dass  sie  von  der  Versammlung  schöne  Erinnerungen  a.  Rh.,  einen  lichtvollen  Vortrag  über  „Die  Stellung 
mitnehmen  und  neugestärkt  in  die  Heimath  zurück-  der  Architekten  und  Ingenieure  zurWohnungs- 
kehren  möchten.  frage“,  in  welchem  er  die  Aufgaben  des  Einzelnen, 

HiermitschlossendieoffiziellenBegrüssungsreden*)  der  Beamten,  der  Vereine  und  des  Verbandes  auf 
und  es  wurde  nun  seitens  des  Geschäftsführers  des  diesem  Gebiete  an  der  Hand  einer  Reihe  kurzer  Leit- 
Verbandes  in  üblicher  Weise  Bericht  erstattet  über  sätze  erörterte.  Eine  reichhaltige,  von  den  Vereinen 
die  Beschlüsse  der  vergangenen  Abgeordneten-Ver-  des  Verbandes,  unter  denen  sich  namentlich  Frank- 
sammlung, wobei  auch  die  gesammte  Thätigkeit  des  furt  a.  M.,  Kassel,  Köln  hervorgethan  haben,  ver-- 
Verbandes  seit  der  letzten  Versammlung  in  Bremen  anstaltete  Ausstellung  verschiedener  Wohnhaustypen 
kurz  gestreift  wurde.  (Wir  verw'eisen  in  dieser  Be-  gab  eine  vortreffliche  Ergänzung  zu  den  mit  grossem 
Ziehung  auf  den  bereits  in  No.  72  abgedruckten  offiziellen  Beifall  aufgenommenen  Ausführungen. 

Sitzungsbericht  der  Abgeordneten-Versammlung.)  Ihm  folgte  Hr.  Prof.  Friedr.  v.Thiersch,  München, 

Die  Reihe  der  Vorträge,  denen  anzuwohnen  sich  der  über  „Augsburger  Fassaden-Malereien  “ 
auch  einige  Damen  nicht  hatten  nehmen  lassen,  für  sprach.  Redner  entwarf  ein  glänzendes  Bild  von  der 
welche  im  übrigen  besondere  Besichtigungen  in  dieser  jetztleidersoweniggeübtenKunstderFassaden-Malerei, 
Zeit  vorgesehen  waren,  leitete  Hr.  Ob. -Brth.  Stein-,nidie  in  Augsburg  z.  Zt.  der  Renaissance  in  höchster 
häusser  ein  mit  einem  die  Zuhörer  fesselnden  ein-  Blüthe  stand,  aber  keineswegs  erst  damals  als  etwas 
gehenden  Vortrage  über  „Augsburgs  bauliche j fremdes  hineingetragen  wurde,  sondern  sich  auf  alter 
Entwicklung“,  der  durch  eine  grössere  Anzahl  voriljvolksthümlicher  Kunst,  wenn  auch  in  neuen  Formen 
Lichtbildern  aus  Alt-  und  Neu-Augsburg  erläutert§|aufbaute.  Eine  reiche  Ausstellung  von  farbigen  Aqua- 
wurde.  Ihm  folgte  Hr.  Reg.-  u.  Kreisbrth.  Stengler  rellen,  die  Maler  Brandes,  unterstützt  von  Hrn.  Arch. 
aus  Kempten  mit  klar  und  knapp  gefassten  Aus-  Kiel  und  anderen  Herren  des  Stadtbauamtes  erst  kürz- 
führungen  über  „Wildbach  - Verbauungen  im  lieh  gemalt  hat,  ferner  von  Aufnahmen  aus  dem  Be- 
bayerischen  Hochgebirge“,  in  welchem  er  ein  sitze  der  Stadt,  des  historischen  Vereins  in  Schwaben, 
abgerundetes  Bild  gab  von  dem  Wesen,  den  Zielen  des  kgl. Kupferstich-Kabinetts  in  München,  von  farbigen 
und  den  segensreichen  Erfolgen  dieses  besonderen  Aufnahmen  beigesteuert  von  Prof.  Pfeiffer  in  Braun- 
Zweiges  der  Wasserbaukunst,  dessen  Pflege  und  Ent-  schweig  und  von  Arch.  Fr.  Zell  in  München,  schliess- 
■wicklung  in  Bayern  sich  der  Redner  gewissermaassen  lieh  eine  Sammlung  von  Entwürfen  von  Joseph  Wid- 
als  Lebensaufgabe  gestellt  hat.  Nach  den  allgemeinen  mann  in  Mainz,  der  nach  alten  Resten  das  von  Prof. 
Ausführungen  wurde  die  Art  der  Bauweise  durch  v.  Hauberrisser  in  München  restaurirte  Rathhaus  in 
Lichtbilder  noch  im  Einzelnen  zur  Darstellung  gebracht  Ulm  wieder  bemalt,  desgl.  von  Entwürfen  des  Malers 
und  erläutert.  Hubert  Feldkirch  in  München,  der  den  Auftrag  hat. 

Mit  diesernVortrage,  den  wir  später  wiealle  anderen  Fresko-Gemälde  für  die  Residenz  in  München  auszu- 
auszugsweise  wiedergeben  werden,  schloss  die  erste,.,  führen,  ergänzten  wirkungsvoll  das  gesprochene  Wort. 
Sitzung  und  man  beeilte  sich  nun,  um  rechtzeitig  im^j  Den  Beschluss  in  der  Reihe  der  Vorträge  und 
Rathhause  erscheinen  zu  können,  und  dem  Frühstück  (auch  den  Abschluss  der  Festsitzungen  bildete  ein  Vor- 
beizuwohnen, das  die  Stadt  Augsburg  ihren  Gästen  im  trag  des  Hrn.  Landbauinspektors  und  Münsterbau- 
goldenen Saale (s.S. 469),  dem  glänzendsten  Zeugen  des  ineisters  a.  D.  L.  Arntz  in  Schwarz -Rheindorf  bei 
Reichthums  und  der  Pracht  des  einstigen  „goldenen“  Bonn  a.  Rh,  mit  dem  Thema:  „Was  schulden  wir 
Augsburg,  darbot.  Dieses  Mahl  in  dem  herrlichen  dem  Strassburger  Münster,  dem  überlieferten 
Saale,  dem  wohl  keine  andere  deutsche  Stadt  etwas  Meisterwerk  deutscher  Baukunst“,  ein  von  war- 
ähnliches  an  die  Seite  stellen  kann,  wird  gewiss  allen  mer  Begeisterung  für  das  Bauwerk,  dessen  Pflege 
Festtheilnehmern  in  unauslöschlicher  Erinnerung  blei-  Redner  eine  Reihe  von  Jahren  seines  Lebens  gewidmet 
bell.  In.  Erinnerung  bleiben  werden  auch  die  ehrenden  bat,  durchdrungener  Appell  an  das  deutsche  Volk  und 
Worte,  die  der  I.  Bürgermeister  Hr.  Hofrath  Wolfram  die  Reichsregierung,  sich  der  Pflichten  bewusst  zu 
zur  Begrüssung  seiner  Gäste  sprach,  indem  er  darauf  werden,  die  Deutschland  mit  der  Wiedergewinnung 
hinwies,  dass  dieser  Saal,  der  die  glänzenden  Zeiten  dieses  ihm  lange  entfremdeten  kerndeutschen  Bau- 
der  freien  Reichsstadt,  der  Kaiser  des  heiligen  römischen  werks  übernommen  und  zu  erfüllen  hat. 

Reiches  als  Gäste  der  Stadt  gesehen,  der  die  Schrecken  Mit  kurzen  Worten  schloss  der  Hr.  Verbands- 
des  30jährigen  Krieges,  den  Zerfall  des  Deutschen  Vorsitzende  die  XV.  Wanderversamralung.  Am  Nach- 
Reiches  überdauert,  der  aber  auch  die  Wiederauf-  mittage  fanden  in  verschiedenen  Gruppen  Besichti- 
richtungdesDeutschenReiches  erlebt  und  als  ein  Ehren-  gungen  alter  und  neuer  Bauwerke  der  Stadt,  von 
saal  mit  den  Büsten  der  grossen  Männer  geschmückt  Fabriken  und  Verkehrsanlagen,  sowie  des  Elektrizitäts- 
sei,  die  hierbei  in  erster  Reihe  standen,  dass  dieser  Werkes  am  Lech  bei  Gersthofen  statt,  über  die  wir 
Saal  nur  solchen  Gästen  geöffnet  werde,  welche  die  gesondert  berichten. 

Stadt  besonders  auszeichnen  und  ehren  wolle.  Der  Abend  vereinte  die  Theilnehmer  an  der  Ver- 

Auf  den  übrigen  Verlauf  des  frohen  und  treff-  Sammlung  mit  den  Vertretern  der  Regierung  und  der 
liehen  Mahles,  die  Dankesworte  des  Hrn.  Verbands-  Stadtgemeinde,  mit  den  Ehrengästen  und  Mitgliedern 
Vorsitzenden,  die  in  ein  Hoch  auf  den  Verband  aus-  der  Augsburger  Bürgerschaft  in  dem  festlich  ge- 
klingende  Ansprache  des  II.  Bürgermeisters  Hrn.  schmückten  Konzertsaale  des  schönen  Stadtgartens 
Gentner,  die  zwar  nicht  programmässigen , aber  zu  einem  Festmahle,  das  froh  verlief  und  von  einer 
lauten  Beifall  erzielenden  Worte  des  Hrn.  Arch.  Mirus  Reihe  trefflicher  Trinksprüche  gewürzt  wurde.  Nach 
in  Dresden,  der  in  Erinnerung  des  morgigen  Sedantages  einigen  Musikvorträgen  des  3.  Infanterie-Regiments 
Bismarck  als  den  grossen  Baumeister  des  Reiches  ergriff  zunächst  der  Verbands- Vorsitzende  das  Wort, 
feierte,  näher  einzugehen  müssen  wir  uns  versagen,  um  anknüpfend  an  die  Bedeutung  des  Tages,  er- 
um  unseren  Bericht  nicht  über  Gebühr  auszudehnen,  innernd  an  die  Heroen,  die  uns  die  schöne  Gabe  des 
*)  Die  auswärtigen  Hrn.  Vertreter  waren  durch  einen  unglück-  deutschen  RcichcS  geschenkt,  Bismarck,  Moltke  und 
liehen  Zufall  zu  Beginn  der  Sitzung  nicht  anwesend.  Andere,  der  beiden  Fürstenhäuser  zu  gedenken,  von 

466  No.  73. 


denen  der  Hohenzoller  berufen  war,  die  Kaiserkrone 
zu  tragen,  der  andere,  der  Wittelsbacher,  die  grosse 
That  vollbrachte,  Heerrufer  zu  werden  für  den  Hohen- 
zollerkaiser.  In  ein  Hoch  auf  die  beiden  jetzigen 
Fürsten,  Vertreter  dieser  Häuser,  den  „jugendlichen, 
thatkräftigen  und  doch  so  friedlichen  Kaiser“,  den 
„weisen,  für  alles  Grosse  und  Schöne  begeisterten 
Prinzregenten  Luitpold“  klangen  die  Worte  aus,  die 
begeisterten  Wiederhall  fanden. 

Dann  folgte  die  Reihe  der  offiziellen  Toaste,  die 
wir  nur  erwähnen  können.  Der  2.  Vorsitzende,  Hr. 
Geh.  Brth.  Prof.  Bubendey,  Berlin,  sprach  auf  die 
Regierung  und  die  Vertretung  der  Stadt,  worauf  der 

I.  Bürgermeister  Hr.  Hofrath  Wolfram  prompt  er- 
widerte und  ein  Hoch  auf  den  Verband  ausbrachte, 
von  dessen  Tagung  in  Augsburg  er  auch  Nutzen  für 
die  weitere  Entwicklung  der  Stadt  erwarte;  Hr.  Prof. 
Frhr.  v.  Schmidt,  München,  toastete  auf  die  öster- 
reichischen und  schweizerischen  Fachgenossen  — von 
den  ersteren  waren  erschienen  Hr.  Ob. -Brth.  v.Wiele- 
mans,  Chefarchitekt  Bach  und  Brth.  Koch,  sämmt- 
lich  aus  Wien,  von  letzteren  Hr.  Prof.  Hilgard  aus 
Zürich,  — worauf  die  Firn.  Koch  und  Flilgard  namens 
ihrer  Vereine  in  herzlichen  Worten  dankten;  Hr. 
Neher,  Frankfurt  a.  M.  widmete  dem  bayerischen 


Verein,  den  Augsburger  Fachgenossen  und  vor  allem 
Hr.  Ob.-Brth-  Steinhäusser  den  wärmsten  Dank  für 
ihre  opferwillige  Thätigkeit,  welcher  der  Erfolg  nicht 
gefehlt  habe.  Dass  auch  der  Damen  gedacht  wurde, 
die  in  reichem  Kranze  das  Fest  verschönten,  ist  wohl 
selbstverständlich,  und  den  fröhlichen  Beschluss  bil- 
dete eine  launige  Improvisation  des  Hrn.  Geh.  Brth. 
Stübben,  Köln,  der  dem  Vorsitzenden  eine  scherz- 
hafte Damenspende  überreichte, 

Als  man  vom  Festmahle  aufstand,  erstrahlte  der 
Garten  in  bengalischem  Lichte  und  man  liess  sich  die 
nach  den  vorangegangenen  schwülen  Tagen  doppelt 
erfrischende  Kühle  des  Abends  noch  gern  eine  Zeit 
lang  gefallen. 

Am  nächsten  Morgen  galt  es  schon  frühzeitig  zu 
dem  letzten  Akte  der  ganzen  Veranstaltung,  dem 
Ausfluge  nach  Füssen,  Hohenschwangau  und 
Schloss  Neuschwanstein  anzutreten.  Wir  versagen 
es  uns,  die  Eindrücke  schildern  zu  wollen,  welche  die 
Besucher  von  diesem  schönen  Fleckchen  Erde,  das 
Natur  und  Kunst  mit  gleichem  Reichthum  ausgestattet, 
gewonnen  haben.  Sie  bildeten  den  effektvollen  Ab- 
schluss einer  Reihe  interessanter  und  befriedigender 
Tage,  für  welche  den  Ausgsburger  Fachgenossen  be- 
sonderer Dank  gebührt.  — {Fortsetzung  folgt.) 


Trinkwasser-Reinigung  durch  Ozon. 


ie  öffentlichen  Blätter  haben  gemeldet,  dass  vor  kurzem 
für  Wiesbaden  ein  Wasserwerk  mit  Reinigung  durch 
Ozon  in  Betrieb  gesetzt  worden  ist.  Unseres  Wissens 
das  erste  in  Deutschland,  bei  welchem  daher  das  neue 
Verfahren  zuerst  einer  Erprobung  im  grossen  Maasstabe 
auf  seine  praktische  Brauchbarkeit  unterworfen  wird.  Es 
handelt  sich  dabei  um  eine  Sache,  die  vielleicht  geeignet 
ist,  das  Wasserreinigungs- Verfahren  in  derRichtungwesent- 
lich  zu  verbessern,  dass  mit  mehr  Sicherheit  als  bis- 
her ein  von  Krankheitskeimen  freies  Trinkwasser  -her- 
stellbar ist.  Sind  bis  heute  auch  noch  niemals  Seuchen 
beobachtet  worden,  deren  Ursprung  zweifelsfrei  auf 
den  Genuss  des  Wassers  von  ordnungsmässig  betriebenen 
Sandfiltern  zurückführbar  gewesen  ist,  so  haben  doch 
Versuche,  die  schon  vor  etwa  12  Jahren  von  Frankel 
und  Piefke  aufgenommen  worden  sind,  den  Beweis  ge- 
liefert, dass  krankmachenden  Keimen  der  Weg  durch  die 
Sandfilter  gewöhnlicher  Einrichtung  nicht  durchaus  ver- 
sperrt ist.  Wenn  die  Behandlung  des  Wassers  mit  Ozon 
im  Grossbetriebe  geeignet  ist,  alle  im  Wasser  ent- 
haltenen Keime  abzutödten,  oder  wenn  sie  nur  ein  er- 
hebliches grösseres  Maass  von  Wahrscheinlichkeit  dafür 
liefert,  dass  im  ozonisirten  Wasser  keine  lebenden 
Keime  gefährlicher  Art,  welche  im  Rohwasser  nach- 
gewiesen waren,  mehr  vorhanden  sein  können,  so  würde 
das  für  die  Wasserreinigungs-Technik  einen  Fortschritt 
bedeuten,  der  die  Zukunft  vieler  Wasserwerks- Anlagen 
erheblich  beeinflussen  müsste.  Es  könnte  sein,  dass  in 
Zukunft  neben  Wasserwerken,  die  mit  Sandfiltration  ar- 
beiten, solche  entstehen,  auf  welchen  nur  ozonisirt  wird, 
und  es  könnte  ebensowohl  sein,  dass  weiterhin  Werke 
angelegt  werden,  auf  welchen  das  Trinkwasser  zunächst 
■filtrirt  und  dann  noch  ozonisirt  wird.  Aber  von  einem 
vollständigen  Ersatz  der  Sandfiltration  durch  Ozonisirung 
ist  vorläufig  und  vielleicht  niemals  die  Rede,  weil  mit  der 
Herstellung  von  Keimfreiheit  allein  der  Zweck  der  Wasser- 
reinigung noch  nicht  erfüllt  ist,  da  es  sich  dabei  nicht  blos 
um  biologische  Aufgaben,  sondern  ebenso  sehr,  und  zu- 
weilen noch  mehr,  um  solche  handelt,  die  auf  physikalischem 
und  chemischem  Gebiet  liegen.  Und  auf  letzteren  beiden 
Gebieten  sind,  nachdem  was  bisher  festgestellt  worden  ist, 
die  Ergebnisse,  welche  die  Ozonisirung  liefert,  nur  be- 
schränkte. 

Das  Verfahren  ist  bei  uns  in  seinen  Grundzügen  und 
zumtheil  auch  in  seinen  Erfolgen  vor  mehreren  Jahren 
auf  einer  Jahresversammlung  der  deutschen  Gas-  und 
Wasserfachmänner  durch  Dr.  Th.  Weyl  bekannt  gegeben 
worden,  der  soviel  wir  wissen,  damals  mit  der  Leitung 
von  betr.  Versuchen,  welche  von  Siemens  & Halske 
in  Charlottenburg  unternommen  wurden,  betraut  war; 
auch  auf  der  Pariser  Weltausstellung  1900  wurde  das  Ver- 
fahren vorgeführt.  Aller  Einzelheiten  entkleidet  besteht 
dasselbe  darin,  dass  Luft  durch  einen  geschlossenen  Raum 
geführt  wird,  in  welchem  fortdauernd  elektrische  Ent- 
ladungen stattfinden,  und  dass  man  diese  Luft  darnach 
mit  dem  Wasser  zur  innigen  Berührung  bringt.  Es  han- 
delt sich  also  um  die  fortlaufende  künstliche  Erzeugung 

10.  September  1902. 


von  Blitzen  mittels  elektrischer  Ströme,  durch  die  der 
Sauerstoff  der  Luft  in  den  „aktiven  Zustand'*  versetzt, 
d.  h.  in  Ozon  verwandelt  wird.  Das  Ozon  ist  ein  un- 
mittelbar wirksames  Sterilisationsmittel  und  gleichzeitig 
ein  Mittel,  durch  welches  Stoffe  organischer  Herkunft, 
die  sich  im  Wasser  immer  finden,  mineralisirt  werden; 
endlich  greift  es  aber  auch  Metalle  mit  Heftigkeit  an. 
Letztere  Eigenschaft  könnte,  weil  mit  Zerstörung  der 
Leitungsröhren  gerechnet  werden  müsste,  das  ganze 
Verfahren  bei  der  Trinkwasser  - Reinigung  ungeeignet 
machen,  wenn  nicht  das  Ozon  auch  die  Eigenschaft  be- 
sässe,  rasch  wieder  in  die  ursprüngliche  Form  des  ge- 
wöhnlichen Sauerstoffes  zurückzukehren.  Allerdings  ver- 
bleibt der  rückverwandelte  Sauerstoff  als  freier  in  dem 
ozonisirten  Wasser,  und  es  ist  fraglich,  ob  dieser  Gehalt 
eine  Verbesserung  der  Wasserbeschaffenheit  bedeutet. 
Das  trifft  in  vielen  Fällen  nicht  zu,  und  immer  ist 
damit  zu  rechnen,  dass  durch  den  Gehalt  an  freiem  Sauer- 
stoff die  Fähigkeit  des  Wassers  Metalle  anzugreifen  ge- 
steigert wird.  Welche  Mittel  bekannt -oder  anwendbar 
sind,  um  die  Leitungsmaterialien:  Eisen  und  Blei  aus- 
reichend zu  schützen,  bezw.  Bleilösungen  vom  Wasser  fern- 
zuhalten, vermag  Verfasser  im  Augenblick  nicht  zu  sagen. 

Aus  neuerer  Zeit  liegt  eine  Anzahl  von  Veröffent- 
lichungen über  Wasserozonisirung,  deren  Ergebnisse  usw. 
vor;  es  handelt  sich  dabei  zuerst  um  Beobachtungen,  die 
auf  der  Versuchsanlage  von  Siemens  & Halske,  welche 
für  Sterilisation  von  stündlich  etwa  10  cbm  Wasser  einge- 
richtet ist,  gewonnen  wurden.  Zwei  Veröffentlichungen, 
von  Ohlmüller,  bezw.Ohlmüller  und  Pr  all  herrührend, 
sind  in  den  Veröffentlichungen  des  kaiserl.  Gesundheits- 
amtes Band  8 und  18  enthalten;  eine  dritte  hat  als  be- 
sondere Schrift  Dr.  Er  Iw  ein  unter  dem  Titel:  Trinkwasser- 
Reinigung  durch  Ozon  nach  dem  System  Siemens  & Halske 
A.-G.  verfasst.  Nach  diesen  Quellen  hat  Dr.  Bamberg  im 
Techn.  Gem.-Blatt  eine  kleine  Arbeit  veröffentlicht,  die 
zu  folgenden  Schlussergebnissen  kommt: 

1.  Es  tritt  durch  die  Ozonisirung  eine  beträchtliche 
Vernieht-ung  der  Keime  ein ; in  dieser  Hinsicht  übertrifft 
das  .Ozonverfahren,  im  allgemeinen  die  Abscheidung  der 
Keime  durch  Sandfiltration.  Im  Wasser  aufgeschwemmte 
Keime  der  Cholera  und  des  Typhus  werden  durch  das 
Verfahren  vernichtet. 

2.  Chemisch  wird  das  Wasser  nur  insofern  beein- 
flusst, als  eine  Abnahme  der  Oxydirbarkeit  (Verminderung 
der  organischen  Stoffe)  und  Zunahme  des  freien  Sauer- 
stoffes eintritt;  beides  (?)  bedeutet  eine  Verbesserung. 

3.  Das  vom  Wasser  in  Lösung  aufgenommene  Ozon 
ist  in  technischer  (?)  und  gesundheitlicher  Hinsicht  be- 
langlos, da  es  sehr  rasch  wieder  in  die  Form  des  gewöhn- 
lichen Sauerstoffes  zurückkehrt. 

4.  Das  Wasser  wird  durch  Zerstörung  faulender 
Stoffe,  die  in  demselben  enthalten  sind,  verbessert  und 
nimmt  durch  das  Ozonisiren  keinen  fremdartigen  Geruch 
oder  Geschmack  an. 

Eine  Frage  von  nicht  geringer  Bedeutung,  nämlich  die; 
ob  im  Betriebe  Gewähr  dafür  zu  schaffen  ist,  dass  die 

467 


Apparate  stets  in  allen  Theilen  ordnungsmässigfunktioniren, 
damit  nicht  beim  Versagen  eines  derselben  un- 
sterilisirtesWass er  durch  den  Apparat  geht,  scheint 
bereits  eine  befriedigende  Lösung  gefunden  zu  haben. 
Frinberg  hat  selbstthätige  Apparate  erfunden,  welche 
so  eingerichtet  sind,  dass,  sobald  etwa  in  der  Luftzufuhr 


oder  in  der  Ozonerzeugung  Störungen  eintreten,  ein 
Glockenzeichen  ertönt  und  an  der  Signaltafel  eine  Klappe 
fällt,  wodurch  die  Ursache  der  Störung  angezeigt  wird; 
gleichzeitig  aber  erfolgt  selbstthätige  Ab- 
sperrung des  Wasserzuflusses  zum  Ozonisirungs- 
raum.  Das  scheint  genügende  Sicherheit  zu  verbürgen. 
— B.- 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Vereln  zu  Hamburg.  Vers,  am  25.  April 
1902.  Vors.  Hr.  Zimraermann,  anwes.  60  Pers.  Auf- 
genommen als  Mitgl.  Hr.  Arch.  Reg.-Bmstr.  Gust.  Blohm. 

Es  erhält  das  Wort  Hi.  Heubel,  welcher  über  die 
Thätigkeit  des  am  10.  Jan.  gewählten  Ausschusses  be- 
richtet, der  beauftragt  war,  die  Beschlussfassung  über  das 


Einigung  nicht  erzielt  wird,  der  Entscheidung  eines  Schieds- 
gerichtes, eventuell  des  ordentlichen  Gerichtes  Vorbehalten, 
ob  und  inwieweit  bei  einer  derartigen  Ueberschreitung 
des  Lieferungstermines  die  Bestimmungen  über  die  Kon- 
ventionalstrafe zur  Anwendung  kommen  sollen“. 

Der  Berichterstatter  beantragt  im  Fall  der  Annahme 
der  Vorschläge:  „MUtheilung  der  Beschlüsse  i.  an  die  Bau- 
hütte, 2.  an  den  Senat,  3.  an  sämmtliche  Vereinsmitgüeder 


Gesuch  der  hiesigen  Baugewerks-Innung  vom  20.  Juni  mit  der  empfehlenden  Änheimgabe,  dass  jeder  selbstän' 
1901,  betreffend  Verlängerung  der  Lieferungstermine  und  dige  Architekt  oder  Ingenieur  seinem  Bauherrn  empfehlen 


Aufnahme  der  Streik 
klausel  in  die  Bauver- 
träge, vorzubereiien. 
Berichterstatter  schil- 
dert eingehend  die  in 
den  Verhandlungen 
des  Ausschusses  zur 
Sprache  gebrachten, 
sich  zumtheil  wider- 
sprechenden Ansich- 
ten der  Mitglieder  des 
Ausschusses.  Man  sei 
schliesslich  aber  doch 
zu  einer  einsfimmigen 
Annahme  der  zu 
machendenVorschläge 
gelangt,  indem  man  ge- 
trennte Vorschläge  für 
die  von  Behörden  aus- 
zuschreibenden und 
für  solche  Bauverträge 
gemacht  habe,  welche 
von  Privat- Architekten 
für  Privatleute  ent- 
worfen würden.  Be- 
gründet wurden  die 
Vorschläge  im  wesent- 
lichen damit,  dass  das 
Vorhandensein  solcher 
Klauseln  geeignet  er- 
scheine, frivole  Streiks 
von  vorn  herein  zu 
verhindern,  während 
anderenfalls  die  Ueber- 
nehmer,  wenn  ihnen 
die  durch  die  Auf- 
nahme der  Klausel  zu 
gewährende  Rücken- 
deckung versagt  wer- 
de, genöthigt  sein  wür- 
den, das  dann  von 
ihnen  zu  tragende  Ri- 
sico  durch  ihre  Preis- 
forderung zu  decken, 
wodurch  ein  von  der 
Gesammiheit  der  Bau- 
enden zu  tragender 
wirthschaftlicherNach- 
theil  entstehe.  Die 
Vorschläge  des  Aus- 
schusses sind  die  fol- 
genden: 

I.  Für  Verträge 
über  Arbeiten  und 


VorenLwurf  zu  den  Säulen  der  Ausstellung  des  „Vereins  deutscher  Porlland- 
Cement-Fabrikanten"  und  des  „Deutschen  Beton-Vereins“. 
Architekt:  Willy  Fräokel  in  Düsseldorf. 

Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  1902. 


Lieferungen,  die  von  Behörden  vergeben  werden:  „Wird 
die  Fertigstellung  der  Arbeiten  und  Lieferungen  durch  nicht 
im  Verschulden  des  Uebernehmers  liegende  Streiks  über 
die  kontraktlich  festgesetzte  Frist  hinaus  verzögert,  so  be- 
hält sich  die  Behörde  das  Recht  vor,  nach  Beendigung 
aller  kontraktlichen  Leistungen  seitens  des  Uebernehmers, 
darüber  zu  befinden,  ob  und  inwieweit  bei  einer  der- 
artigen Ueberschreitung  des  Lieferungstermines  die  Be- 
stimmungen über  die  Konventionalstrafe  zur  Anwendung 
kommen  sollen". 

2.  Für  Verträge  über  Arbeiten  und  Lieferungen,  die 
von  Privaten  vergeben  werden:  „Wird  die  Fertigstellung 
der  Arbeiten  und  Lieferungen  durch  nicht  im  Verschul- 
den des  Uebernehmers  liegende  Streiks  über  die  kontrakt- 
lich festgesetzte  Zeit  hinaus  verzögert,  so  wird  nach  Ab- 
lieferung der  Arbeiten  einer  besonderen  Vereinbarung 
zwischen  Bauherrn  und  Uebernehmer,  oder  falls  eine 


möge,  diese  Klausel  in 
die  von  ihm  zu  ent- 
werfenden Bauverträ- 
ge aufzunehmen“. 

Es  schliesst  sich 
hieran  eine  längere 
Besprechung,  an  wel- 
cher sich  die  Herren 
Ruppel,  Dr.  Went- 
zel,  Heubel,  Classen 
und  Wulif  betheiligen, 
bei  welcher  es  sich  im 
wesentlichen  um  die 
drei  letzten  Anträge 
des  Berichterstatters 
handelt.  Die  Abstimm- 
ung ergiebt  Annahme 
sämmtlicher  Anträge 
mit  grosser  Mehrheit. 

Es  erhält  zum 
2.  Gegenstände  der 
Tagesordnung  das 
Wort  Herr  Elvers, 
welcher  über  die  im 
Fragekasten  des  Ver- 
eins Vorgefundenen 
Anfragen:  1.  Wie 

denkt  der  Verein  bei 
Schaffung  eines  neuen 
Baupolizei  - Gesetzes 
über  das  Genehmi- 
gungs  - Verfahren 
mit  verbindlicher  Ver- 
antwortlichkeit der 
Baupolizei-Behördefür 
die  abgestempelten 
Bauvorlagen?  2.  Ist 
der  Verein  gewillt, 
Stellung  zu  dieser 
Frage  nach  aussen  hin 
zu  nehmen?  berichtet, 
indem  er  zunächst  eine 
Uebersicht  über  die  bei 
den  verschiedenen 
Vorlagen  des  Baupoli- 
zei-Gesetzes hervor- 
getretenen, sich  zum- 
iheil  widersprechen- 
deuAnsichten  überdas 
Genehmigungs  - Ver- 
fahren giebt.  Schon 
bei  der  Ausschuss- 
Beraihung  im  Jahre 
1895  habe  man  die 
Einführung  des  Genehmigungs-Verfahrens  empfohlen. 
Wenn  jetzt  diese  Frage  nochmals  aufgestellt  werde,  so  sei 
das  nur  aus  den  Erf^rungen  zu  erklären,  die  inzwischen 
mit  der  Handhabung  des  Gesetzes  gemacht  seien.  Insbe- 
sondere bezieht  sich  der  Berichterstatter  auf  das  jetzt  stets 
gestellte  Verlangen  nach  der  Vorlage  statischer  Berech- 
nungen, auch  bei  minder  wichtigen  Konstruktionstheilen, 
was  seiner  Meinung  nach  zu  weit  gehend  sei,  und  nicht 


mit  den  Bestimmungen  der  Novelle  v.  15.  April  1896  in 
Einklang  stehe.  Dieses  Verfahren  habe  bei  den  minder 
erfahrenen  Bauherren  die  Meinung  entstehen  lassen,  dass 
es  jetzt  schon  ein  Genehmigungs-Verfahren  gebe.  Zu  der 
Frage  übergehend,  ob  durch  die  Abstempelung  der  Bau- 
zeichnungen durch  die  Baupolizei  letztere  die  Verant- 
wortung für  die  Richtigkeit  der  Zeichnungen  übernehme, 
glaubt  Redner,  dass  das  nicht  der  Fall  sei,  da  nach  § 5 
unter  7 der  Novelle  vom  15.  April  1896  die  Abstempelung 


^68 


No.  73, 


nur  die  Bedeutung  habe,  die  Uebereinstimmung  des  dem 
Bauherrn,  zurückgegebenen  Exemplares  der  Bauvorlage 
mit  dem  bei  der  .Behörde  verbliebenen  festzustellen.  In- 
dem Redner  seine  Ansicht  noch  durch  Verlesung  einiger 
juristischer  Gutachten  über  diese  Frage  begründet,  schliesst 
er  mit  den  Worten;  „Lassen  Sie  uns  darauf  verzichten, 
die  Einführung  der  Baugenehmigung  durch  die  Baupolizei 
zu  befürworten,  und  lassen  Sie  uns  nicht  die  Baupolizei 
für  von  uns  gemachte  Fehler  verantwortlich  machen.“ 
An  diese  Ausführungen  knüpft  sich  ebenfalls  eine  ein- 
gehende Besprechung,  an  der  sich  die  Hrn.  Heubel, 
Elvers,  Olshausen  und  Classen  betheiligen,  die  aber 
zu  einer  Stellungnahme  des  Vereins  zu  der  besprochenen 
Frage  nicht  führt.  — 

Zum  3.  Gegenstand  der  Tagesordnung  erhält  das  Wort 
Hr.  Faulwasser,  welcher  mittheilt,  dass  er  aus  Anlass 
einer  von  ihm  ausgeführtenNeubearbeitungdesAbschnittes: 
„Zimmerarbeiten“  für  das  Deutsche  Bauhandbuch,  von  einem 
dem  Zimmermstr.  Stephan  in  Düsseldorf  patentirten  Holz- 
fachwerkbogen Kenntniss  bekommen  habe,  bei  welchem  die 
obere  und  untere  Gurtung  durch  neben  einander  gestellte 
Bohlen  gebildet  würden,  während  die  Wandkonstruktion 
aus  einem  Dreiecksystem  kurzer  Hölzer  bestehe,  wodurch 
ein  für  grössere  Spannweiten  geeigneter  Bogenträger  in 
Holzkonstruktion  entstehe.  Es  sollen  nach  diesem  System 
Spannweiten  bis  zu  18®  überspannt  sein.  — 

Der  Vorsitzende  dankt  allen  Rednern  und  theilt  mit, 
dass  der  Bibliothek  des  Vereins  durch  Hrn.  Melhop  eine 
Anzahl  Zeichnungen  von  Fassaden  und  Grundrissen  ge- 
schenkt seien , wofür  dem  Geber  der  Dank  des  Vereines 
gebühre.  — Hm. 


Vermischtes. 

Die  Ausstellung  des  Vereins  deutscher  Portländ-Cement- 
Fabrlkanten  und  des  deutschen  Beton-Vereins  in  Düsseldorf. 
In  Ergänzung  unserer  Mittheilungen  über  diese  Ausstellung 
in  No.  66  und  68  geben  wir  Seite  468  noch  den  bemerkens- 
werthen  Vorentwurf  des  Hrn.  Arch.  Willy  Frankel  in 
Düsseldorf  zu  dem  Sockel  des  Säulenattfbaues  nach  einer 
Skizze  des  Verfassers  wieder.  — 

Absaugevorrichtung  für  brennende  Kokskörbe  System 
Leo-Beriln.  Bekanntlich  wird  durch  § 7 der  Polizei-Ver- 
ordnung vom  27.  August  1901,  betr.  Arbeiter-Wolilfahrts- 
Einrichtungen  auf  Neubauten,  das  Arbeiten  in  Räumen,  in 
denen  offene  Koksfeuer  ohne  Ableitung  der  entstehenden, 
der  Gesundheit  schädlichen  Gase  brennen,  verboten  und 
ausserdem  vorgeschrieben, . dass  solche  Räume  gegen 
andere,  in  denen  gearbeitet  wird,  dicht  abzüschliessen 
sind  und  dass  sie  nur  vorübergehend  von  den  die  Auf- 
sicht über  die  Kokskörbe  führenden  Personen  betreten 
werden  dürfen.  Die  Anwendung  geeigneter  Absauge- 
vorrichtungen, die  ohne  Gefahr  für  die  Gesundheit  der 
Arbeiter  eine  dauernde  Thätigkeit  derselben  in  mit  Koks- 


körben beheizten  Räumen  ermöglichen,  ist  daher  für  einen 
geregelten , raschen  Baubetrieb  von  grosser  Wichtigkeit. 
Dem  Ing.  Hrn.  Leo  in  Berlin  ist  vom  Berliner  Polizei- 
Präsidium  Abth.  III 
durchVerfügungvom 
17.  Febr.  1902  die  An- 
wendung der  in  ne- 
benstehender Abbil- 
dung dargestellten, 
Von  ihmkonstruirten 
Absaugevorrichtung 
gestattet  worden,  wo- 
bei die  Vorschrift  ge- 
macht ist,  dass  der 
Mantel  desAbsaugers 
i mit  dem  Boden  des 
Kokskorbes  abschnei- 
den muss.  Die  Ab- 
saugevorrichtung be- 
steht aus  dem  mit 
einem  Dreifuss  z ver- 
bundenen Blech- 
mantel a,  der  mit 
einer  Platte  k abge- 
deckt ist,  die  2 kreis- 
runde Oeffnungen 
enthält.  Die  eine  die- 
ser Oeffnungen,  die 
mit  einem  Deckel  ä 
geschlossen  werden 
kann,  dient  zur  Ein- 
füllung des  Koks  in 
den  unter  dem  Man- 
tel stehenden  Korb, 
die  zweite  vermittelt 
den  Anschluss  an  die 
Absaugeleitung , die 
mit  der  freien  Luft 
inVerbindunggesetzt 
oder  ineinenSchorn- 
stein  eingeführt  wer- 
a den  kann.  Ein  koni- 
sches Schiebestück, 
welches  auf  dieser 
Oeffnung  aufsitzt,  er- 
möglicht den  An- 
schluss an  verschie- 
den weite  Rohrlei- 
tungen. Ein  um  die 
beiden  Oeffnungen 
genieteter  Ringauf- 
satz wird  vor  Inbe- 
triebsetzung des  Kor- 
bes mit  feinem  Sand 


Augsburger  Fassaden -Malereien. 

(Auszug  aus  dem  Vorträge  des  Hrn.  Prof.  Friedrich  v.  Thiersch,  ge- 
halten auf  der  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher 
Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg.) 
ie  Augsburger  Fassaden-Malereien  fallen  in  das  grosse, 
viel  umstrittene  Gebiet  der  vielfarbigen  alten  Kunst. 
Die  Forschung  hat  aber  jetzt  überzeugend  nachge- 
wiesen, dass  schon  die  antike  Baukunst  und  Bildnerei  mit 
der  Vielfarbigkeit  verbunden  waren.  Es  ist  ferner  kein 
Zweifel,  dass  unsere  Rathhäuser  und  Kirchen  vielfach  im 
Inneren  und  Aeusseren  einen  kräftigen  Farbenüberzug  be- 
sassen,  oft  ohne  Rücksicht  auf  die  Struktur  des  Bauwerkes. 

Nachahmungen  dieser  Art  sind  vielfach  angegriffen 
worden,  aber  sie  sind  jedenfalls  historisch  berechtigt.  Das 
Heidelberger  Schloss  besass  über  dem  schönen  Sandstein 
eine  kräftige  Bemalung,  das  deutsche  und  das  schweize- 
rische Bauernhaus  wurden  bemalt,  auch  der  Backstein- 
Rohbau  erhielt  oft  noch  eine  besondere  Farbengebung. 
Die  Frauenkirche  in  München,  St.  Martin  in  Landshut,  das 
Rathhaus  in  Lindau  waren  bemalt  und  Neumann’s  be- 
rühmtes Würzburger  Schloss  erhielt  nach  Fertigstellung 
merkwürdiger  Weise  einen  die  ganze  Fassade  überziehen- 
den hellgelben  Anstrich,  ein  Beweis,  wie  sehr  man  an 
den  Gebrauch  der  Farbe  gewöhnt  war.  Auch  das  mittel- 
alterliche Fachwerkhaus  entbehrte  der  Bemalung  nicht, 
nur  die  reicher  profilirten  Hausteinbauten,  wie  sie  z.  B. 
Nürnberg  zeigt,  blieben  ohne  eine  solche.  Aber  wo  Putz 
und  Fachwerk  zur  Anwendung  kamen,  da  zeigen  die 
Häuser  den  schlichten  Typus,  der  erst  durch  die  Bemalung 
begreiflich  erscheint. 

Gilt  Nürnberg  als  das  charakteristische  Bild  einer 
mittelalterlichen  Stadt,  so  zeigt. uns  Augsburg  dasjenige 
einer  deutschen  Stadt  z.  Zt.  der  Renaissance.  Zeigt  Nürn- 


berg die  interessante  Mischung  des  Uebergangsstiles,  so 
finden  wir  in  Augsburg  dafür  das  seiner  Anlage  nach  noch 
gothische  Haus  im  Schmuck  der  Renaissance.  Auch  hier 
vollzog  sich  der  Uebergang  langsam,  nicht  plötzlich.  Die 
ersten  Bauten  von  Elias  Holl  athmen  noch  mittelalterliche 
Luft,  und  die  Kunst  der  Fassaden-Malerei  ist  durchaus  nicht 
etwas  fremdes,  von  aussen  nach  italienischem  Vorbilde 
hineingetragenes,  sondern  nur  eine  freiere  Weiterent- 
wicklung auf  schon  vorhandener  Grundlage. 

Die  italienische  Wandmalerei  zeigt  anfangs  unverkenn- 
bar orientalischen  Einfluss.  Teppiche,  Geflechte  und  ähn- 
liches werden  aufgemalt,  dann  tolgt  die  Nachahmung  ein- 
zelner Architektur-Theile,  z.  B.  Quaderungen,  die  An- 
bringung frei  hängender  Bilder  auf  den  Wandflächen  usw. 

Aehnliche  Darstellungen  zeigt  das  Rathhaus  zu  Ulm, 
das  Augsburger  Weberhaus.  Diese  Flächendekoration 
verschwindet  dann  allmählich  in  Italien,  die  Bemalung 
folgte  den  Formen  der  Architektur,  bezw.  ersetzte  die 
letztere,  indem  ganze  Architektur-Gliederungen  aufgemalt 
werden.  Es  finden  sich  hier  Anklänge,  die  wohl  auf  den 
Einfluss  der  Antike  zurückzufähren  sind.' 

Die  deutschen  Künstler,  z.  B.  der  jüngere  Holbein, 
gehen  dann  noch  weiter.  Sie  machen  sich  ganz  unab- 
hängig von  der  Konstruktion  des  Baues  selbst,  bedecken 
die  schlichten,  ungegliederten  Fassaden  mit  vollständigen 
Architekturen,  treiben  selbst  da  Raumkunst,  wo  räum- 
liche Gebilde  gar  nicht  vorhanden  sind.  So  entsteht  der 
schöne  Kontrast  der  ganz  schlichten,  einfachen  Fassaden 
zu  dem  reichen  Schmuck  anmuthiger  Malerei. 

Vereinzelte,  nachweisliche  Reste  von  Wandmalereien 
in  Augsburg  gehen  auf  eine  sehr  fern  liegende  Zeit  zu- 
rück. Noch  heute  sind  solche  Reste  an  der  Nordwand 
des  Mittelschiffes  des  Domes,  erkennbar,  die  auf  roma- 
nische Zeit  zurückzuführeu  sind.  Auch  die  ältesten  Reste 


470 


No.  73. 


gefüllt  und  bildet  so  einen  sicheren  Verschluss  gegen 
rückscblagende  Gase. 

Auch  an  dem  Kokskorb  selbst  hat  Hr.  Leo  eine  Ver- 
besserung eingeführt,  indem  er  denselben  aus  schräg- 
stehenden Bandeisenringen  ohne  Verwendung  von  Nieten 
herstellt.  Das  Brennmaterial  kann  also  nicht,  wie  bei  den 
senkrecht'  stehenden  Stäben  der  üblichen  Körbe  heraus- 
rutschen. Der  Korb  arbeitet  daher  sparsamer  und  ist 
vermöge  seiner  Konstruktion  dauerhafter. 

Mit  dem  Leo’schen  Absauger  sind  in  einem  Keller 
des  Neubaues  der  Deutschen  Bank  im  Januar  d.  J.  durch 
den  polizeilichen  Sachverständigen  Hrn.  Dr.  W.  Heffter 
und  den  Chemiker  Hrn.  Dr.  Hampe  Untersuchungen  vor- 
genoramen  worden,  die  nach  den  Mittheilungen  dieser 
Herren  das  Ergebniss  hatten,  dass  sich  keine  Spur  von 
Kohlenozyd  in  dem  betreffenden  Raume,  in  welchem  sich 
2 Kokskörbe  mit  dieser  Vorrichtung  befanden,  nachweisen 
Hess.  Die  Luft  war  zwar  heiss,  aber  ohne  Beschwerden 
athembar. 

Hiernach  dürfte  sich  diese  Absaugevorrichtung,  die 
auss  :rdem  den  Vorzug  grosser  Einfachheit  hat  und  keinerlei 
besondere  Aufmerksamkeit  in  der  Bedienung  erfordert, 
zur  Anwendung  in  Neubauten  empfehlen.  — 


Bücherschau. 

lieber  die  Entwicklung  der  Akanthusranke  im  französischen 
Rokoko.  Von  W.  Jänecke.  Hannover  1902.  Gebr. 
Jänecke.  3 t Seiten  mit  57  Abbildungen. 

Die  moderne  Geschichtsschreibung  macht  Schule  nach 
jeder  Richtung.  Je  mehr  man  in  der  Würdigung  der  Ver- 
gangenheit einsieht,  dass  es  nicht  nur  Geschichte  gegeben 
hat,  die  durch  die  Individuen  gemacht  ist,  sondern  dass 
die  Individuen  nur  Geschöpfe  ihrer  Zeit,  ihrer  Umgebung, 
ihres  „Milieus"  sind,  geschoben,  wo  sie  zu  schieben  glaubten, 
eine  um  so  durchgreifendere  Aenderung  in  der  Darstellung 
der  grossen  Leistungen  der  Vergangenheit  bricht  sich  Bahn. 
Die  Lamprecht’sche  Auffassung  siegt  auf  der  ganzen  Linie. 
Und  mit  Recht. 

Darum  ist  nicht  nur  mit  Sicherheit  vorauszusehen, 
nein  es  ist  sogar  zu  fordern,  dass  auch  unsere  Kunstge- 
schichte mehr  und  mehr  die  individualistische  Auffassung 
verlasse;  dass  sich  eine  neuere  und  wahrere  Kunstge- 
schichte erbaue,  die  sich  nicht  mehr  ausschliesslich  an 
die  Persönlichkeiten  und  die  Kunstwerke  anklammere, 
sondern  beides  als  Ergebniss  tiefer  und  gewaltiger  Strö- 
mungen und  Evolutionen  in  der  Volksseele  selbst  erfasse 
und  darstelle.  Mag  der  Weg  dazu  auch  noch  so  schwierig 
sein,  er  ist  zu  finden;  so  in  der  Architekturgeschichte,  wo 
die  Anbetung  der  grössten  Musterbeispiele,  vom  Parthenon 
bis  zum  Kötner  Dom,  alles  andere  Interesse  aufgezehrt 
hat,  sodass  wir  von  der  griechischen  Baukunst  für  das 
Volk  und  im  Leben  des  Volkes  so  gut  wie  nichts  wissen, 
und  von  der  mittelalterlichen  Architektur  auch  kaum  mehr. 


Die  aufgrund  der  alten  Auffassung  aufgebaute  Eintheilung 
der  Stile  hat  die  weite  gleichmässige  Bahn  der  Kunstent- 
wicklung in  eine  Unzahl  durch  hohe  Mauern  und  tiefe 
Gräben  getheilte  Grundstücke  zerrissen,  innerhalb  deren 
überall  ein  Mustergötzenbild  als  allein  seligmachend  und 
maassgebend  verherrlicht  wird.  Diese  Mauern  müssen 
wieder  eingerissen,  die  Gräben  ausgefüllt  werden.  Dann 
werden  wir  auch  — wie  wenn  ein  Schleier  weggerissen 
wäre  — wieder  sehen,  was  Kunst  überhaupt  ist  und  be- 
deutet, und  dass  das  Allermodernste  gar  nichts  anderes 
ist,  als  z.  B.  das  Altgriechische  oder  Römische  oder  auch 
Peruanische,  nur  auf  ein  bischen  andere  Grundlagen  sich 
stützend,  unter  anderem  Himmel  und  unter  anderen  Cha- 
rakteren erwachsen. 

Die  Jugend  wittert  und  spürt  das  instinktiv.  Und 
deshalb  hat  mich  das  kleine  obengenannte  Schriftchen 
erfreut  und  wird  Jedem,  der  das  Werdende  erhofft,  Ver- 
gnügen machen.  Denn  obwohl  dem  Titel  nach -ein  ganz, 
enges  Gebiet,  thatsächlich  etwas  umfassender  die  franzö- 
sische Ornamentik  des  Jahrhunderts  von  1650—1750  be- 
handelnd, also  sich  mit  etwas  recht  Unzeitgemässem  be- 
schäftigend, geht  es  in  erfreulichster  Weise,  vielleicht 
halb  unbewusst,  darauf  aus,  den  Geist  der  Zeit  und  die 
Umstände,  die  zur  Bildung  und  Umbildung  der  Zierung 
führten,  zu  erfassen  und  darzustellen.  Der  Inhalt  des 
Heftchens  wird  dem  Fachmanne,  insbesondere  dem  Lieb- 
haber und  Kenner  des  Ornamentstiches  ja  schon  hin- 
reichend vertraut  sein;  auch  wird  er  an  manchen  Ecken 
wohl  stark  das  Erstlingswerk  spüren;  trotzdem  sei  aus 
obigem  Gesichtspunkte  die  Lektüre  des  gewandt  geschrie- 
benen Büchleins  als  lohnend  und  anregend,  vor  allem  als 
dem  modernen  Menschen  von  Interesse  empfohlen.  — 

Hannover,  August  1902.  Albrecht  Haupt. 

Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  um  ein  Titelblatt  zu  dem  Werke  „Das 
Bauernhaus  in  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn  und  der 
Schweiz“.  Gelegentlich  der  Tagung  des  zur  Herausgabe 
genannten  Werkes  von  dem  Verbände  deutscher  Arch.- 
und  Ing.-Vereine,  dem  österreichischen  Arch.-  und  Ing.- 
Vereine  und  dem  schweizerischen  Ing.-  und  Arch.-Vereine 
bestellten  Ausschusses,  die  am  30.  v.  M.  in  Salzburg  statt- 
fand, gelangte  der  Wettbewerb  zur  Gewinnung  eines  ge- 
meinsamen Titelblattes  für  dieses  Werk  zur  Entscheidung. 
Das  Ergebniss  war  günstiger,  als  bei  dem  erstmaligen 
Wettbewerbe  ira  vorigen  Jahre  (vgl.  Jhrg.  1901  S.  4C0). 
Unter  den  eingelieferten  Entwürfen,  von  denen  10  auf 
Deutschland,  5 auf  Oesterreich  und  6 auf  die  Schweiz  ent- 
fielen, befanden  sich  wenig  geradezu  misslungene.  8 Ent- 
würfe gelangten  in  die  engere,  4 in  die  engste  Wahl.  Als  der 
beste  von  letzteren  wurde  mit  4 von  7 Stimmen  der  Entwurf 
mit  demKennwort  „Altdeutsch"  bezeichnet  und  unter  der, 
Bedingung  der  Vornahme  einzelner  Abänderungen  zur  Aus- 


von Glasmalereien  finden  sich  hier.  Wir  wissen  ferner, 
dass  im  Jahre  1362  der  Maler  Hermann  mit  der  Bemalung 
des  Gögginger  Thorthurraes  und  des  Heiiigkreuzthurmes 
durch  den  Magistrat  der  Stadt  beauftragt  wurde.  Die 
Bemalung  war  vielleicht  damals  noch  reicher  als  z.  Zt. 
der  Renaissance.  Das  Fuggerhaus,  das  in  dem  kleinen  Höf- 
chen  die  Jahreszahl  1515  aufweist,  war  in  seiner  grossen 
Fassade  nach  dem  früheren  Weinmarkt  zu  durch  Burgk- 
mair  reich  bemalt.  In  den  sechziger  Jahren  des  vor.  Jahrh. 
wurden  diese  Malereien  durch  die  bekannten  Wagner’schen 
Fresken  ersetzt,  die  aber  dem  alten  Charakter  mit  ihren 
rein  figürlichen,  ganz  von  der  Architektur  losgelösten  Dar- 
stellungen, nicht  entsprechen. 

Mehr  als  3 Jahrhunderte  lässt  sich  noch  heute  der 
Entwicklungsgang  der  Augsburger  Fassadenmalereien  ge- 
nauer verfolgen.  Noch  heute,  noch  342  Jahren,  ist  die 
Bemalung  des  Hummelhauses  (nach  dem  Besitzer  so  ge- 
nannt) durch  den  Venetianer  Giulio  Licinio,  genannt 
Pordenone,  leidlich  erhalten,  ein  Beweis  für  die  damalige 
vorzügliche  Technik.  Wiederherstellungsarbeiten,  die  1717 
an  den  Ecken  durch  Bergmüller  ausgeführt  wurden, 
sind  dagegen  schon  fast  ganz  wieder  verschwunden. 

Erst  mit  Elias  Holl  tritt  nach  1602  eine  Aenderung 
ein.  Auch  im  Relief  der  Fassade  macht  sich  die  Formen- 
sprache der  Renaissance  geltend,  neben  der  kräftigen 
Gliederung  tritt  die  Fassadenraalerei  zurück,  aber  durchaus 
nicht  immer,  wie  uns  alte  Stiche  der  von  ihm  ausgeführ- 
ten Thorthürme  zeigen. 

Ein  glänzendes  Beispiel  der  damaligen  Kunstübung, 
wenn  auch  nicht  eine  eigentliche  Fassadenmalerei,  sind  die 
Wandgemälde  von  Mathias  Kager  im  goldenen  Saale 
des  von  Elias  Holl  erbauten  Rathhauses,  eine  Kompo- 
sition von  grosser  Schlichtheit  und  doch  wuchtiger  Wir- 
kung. Von  demselben  Maler  wurde  auch  1607  das  schon 

10.  September  1902. 


ältere  Haus  der  Weberzunft  bemalt  und  zwar  in  ganz  freien 
Formen,  mit  aufgemalten  Loggien,  Fenstern,  aus  denen  die 
Familie  Holl  herausschaut,  Darstellungen  aus  dem  Leben 
der  Lucretia  usw.  Bedauerlich  ist  der  sehr  traurige  Zu- 
stand der  Malerei.  Auch  das  Heiligkreuzthor,  das  Frauen-, 
thor,  das  Barfüsserthor  waren  von  Kager  bemalt.  Leider 
sind  diese  Thore  zu  einer  Zeit  gefallen,  als  man  die  Ver- 
kehrsrücksichten noch  nicht  mit  der  Pflicht,  das  schöne 
alte  Städtebild  zu  erhalten,  in  Einklang  zu  bringen  wusste. 

Während  das  16.  und  17.  Jahrhundert  keine  festen 
Regeln  für  das  Verhältniss  der  gemalten  Architektur  zum 
Bauwerk  selbst  kannte,  verfährt  das  18.  Jahrhundert 
strenger.  Die  gemalte  Architektur  ersetzte  vollständig 
jede  andere  Gliederung,  figürliche  Darstellungen  werden 
in  besondere  Rahmen  eingefügt,  oder  sie  werden  auf 
Wolken  gesetzt,  ein  namentlich  bei  Darstellungen  reli- 
giösen Inhalts  beliebtes  Motiv. 

Litt  Augsburg  natürlich  auch  schwer  unter  dem 
30-jährigen  Kriege,  so  ging  in  dieser  Schreckenszeit  die 
alte  Tradition  doch  nicht  verloren.  Zu  besonderem  Glanze 
erstand  aber  die  Fassadennialerei  aufs  Neue  im  18.  Jahr- 
hundert. Die  Augsburger  Schule  entwickelte  eine  über- 
aus reiche  Thätigkeit,  glänzende  Schaffenskraft,  fast  in 
gleichem  Maasse,  wie  die  Wessobrunner  Schule,  mit  der 
sie  z.  Th.  Hand  in  Hand  ging.  Mehr  denn  je  wurde  die 
Fassadenmalerei  zur  Volkskunst,  schmückten  sich  Patrizier-, 
Burger-  und  Bauernhäuser  mit  ihr.  Zu  nennen  sind  aus 
jener  Zeit  namentlich  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  an 
erster  Stelle  Bergraüller  der  Aeltere,  ein  Schüler 
Wolfs  in  München,  der  Tiroler  Johann  Holzer,  der 
Schwabe  Mathias  Günther.  Von  Holzer  stammt  die  Be- 
malung des  ehemaligenGasthofes  zu  den  3Kronen  mit  einem 
Göttergelage  (1731),  ein  Eccehomo  am  Kllnkerthore.  Seine 
bedeutsamsten  "Werke  sind  die  Ausmalung  der  Schwarz- 


471 


führung  bestimmt.  Als  seine  Verfasserin  ergab  sich  die  mit 
dem  Verlage  des  schweizerischen  Theiles  betraute  Buch- 
und  Kunsthandlung  Huber  in  Zürich.  Von  deutscher  Seite 
stammten  2 der  in  die  engste  Wahl  gelangten  Entwürfe: 
die  mit  einer  Sonne  bezeichnete  Arbeit  und  der  Entwurf 
„Bauernhütte".  Ihre  Verfasser  sind  die  Hrn.  Arch.  Ernst 
Kühn  in  Dresden  und  Maler  Gustav  Wittig  in  Kassel. 
Der  Ausschuss  beschloss,  beim  Verbands- Vorstande  zu 
beantragen,  dass  auf  diese  beiden  der  deutscherseits  aus- 
gesetzte Preis  von  200  M.  zu  gleichen  Theilen  vertheilt 
werde.  Die  vierte  in  engste  Wahl  gelangte  Arbeit  hat 
den  österreichischen  Arch.  Hrn.  Anton  Weber  in  Wien 
zum  Verfasser  und  ist  wie  alle  österreichischen  Arbeiten, 
die  sämmtlich  unter  Namensnennung  eingereicht  waren, 
vom  österreichischen  Vereine  bereits  honorirt  worden. — 
Im  Anschlüsse  hieran  werden  die  Verfasser  der  5 Ar- 
beiten mit  den  Kennworten : „Wein  und  Brod;  Kornblume; 
Deutscher  Frühling;  Offiziell;  Heimath“  gebeten,  der  Ge- 
schäftsstelle des  Verbandes,  Berlin  N.W.  52,  Flemming- 
Strasse  16,  baldigst  angeben  zu  wollen,  an  welche  Adressen 
die  Entwürfe  zurückzusenden  sind.  — 

Einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  den  Neubau  einer 
ev.  Kirche  ln  Münster  a.  St.  schreibt  (jedenfalls  Namens 
der  Kirchengemeinde)  Hr.  Pfarrer  Zimmermann  daselbst 
unter  im  Deutschen  Reiche  ansässigen  Archuekten  mit 
Frist  zum  I.  Januar  1903  aus.  Es  sind  3 Preise  von  1200, 
900,  600  M.  ausgesetzt,  ausserdem  bleibt  nach  dem  Anträge 
des  Preisgerichtes  der  Ankauf  von  weiteren  Entwürfen 
zum  Preise  von  je  300  M.  Vorbehalten.  Als  Bausachver- 
ständige gehören  dem  5gliedrigen  Preisgerichte  an  die 
Hrn.:  Reg.-  u.  Brth.  v.  Behr  in  Koblenz,  Kreisbauinsp. 
Stiehl  in  Wetzlar,  Arch.  L.  Hofmann  in  Herborn.  Be- 
dingungen usw.,  sind  gegen  Einsendung  von  5 M.,  die  später 
zurückerstattet  werden,  vom  Ausschreiber  zu  beziehen.  — 
Zum  Wettbewerb  der  Elly  Hölterhoff-Stlftung  in  Honneff 
nennt  sich  uns  als  Verfasser  des  in  die  engere  Wahl  ge- 
langten Entwurfs  „Rhein"  noch  Hr.  Arch.  Fritz  Bleyer 
in  Charlottenburg.  — 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Befördert  sind:  der  Dir. -Rath  Dölzer  in  Ingolstadt 
zum  Reg.-Rath,  der  Dir  .-Ass.  Friedrich  bei  der  Gen.-Dir.  der 
Staatseisenb.  z.  Ob.-Masch.-Insp.,  der  Dir.-Rath  Opel  bei  der  Gen.- 
Dir.  zum  Reg.-Rath,  der  Dir.-Ass.  Mader  in  Nürnberg  zum  Ob.- 
Masch.-Insp. 

Preussen.  Dem  Stadtbauinsp.  Brth.  Erdmann  in  Berlin  ist 
der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  und  dem  Reg.-Bmstr.  Kranz  in 
Emden  der  kgl.  Kronen-Orden  IV.  KI.  verliehen. 

Die  Erlaubuiss  zur  Annahme  und  Anlegung  der  ihnen  verliehenen 
fremdländ.  Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  dem  Reg.- u.  Brth.  Settgast 
in  Berlin  des  Ritterkreuzes  des  grossherz,  mecklenb.  Greifen- 
Ordens,  dem  Reg.-  u.  Brth.  Friederichs  in  St.  Johann  a.  Saar 
des  Ehren-Ritterkreuzes  I.  KI.  des  grossherz.  Oldenburg.  Haus- 
und Verdienst-Ordens  des  Herzogs  Peter  Friedrich  Ludwig,  dem 
Eisenb.-Bauinsp.  Stiller  in  Saarbrücken  und  dem  Eisenb.-Bau- 
und  Betr.-Insp.  Wagner  in  St.  Wendel  des  Ehrenkreuzes  II.  Kl. 


dorfer  Kirche  und  die  Deckengemälde  von  St.  Anton  in 
Partenkirchen,  während  Günthers  Hauptwerk  die  herr- 
liche Ausmalung  der  Abteikirche  in  Amorbach  ist.  1760 
wurde  in  Augsburg  das  Schauerhaus  von  Bergmüller 
dem  Jüngeren  bemalt,  in  noch  späterer  Zeit  das  Rieger- 
haus  gegenüber  dem  Hummelhaus  in  der  Philippine 
Welser-Strasse  von  Joseph  Christ.  Aber  schon  macht 
sich  der  Einfluss  des  Klassizismus  geltend  und  mit  ihm 
schwindet  die  Farbenfreudigkeit. 

Wie  kommt  es  nun,  dass  wir  jetzt  der  Farbe  bei 
unseren  Bauten  so  schwer  Eingang  verschaffen  können? 
Ein  Grund  dafür  ist  der,  dass  uns  der  Sinn,  die  Empfäng- 
lichkeit für  kräftige  positive  Farben  überhaupt  abhanden 
gekommen  war.  Aber  schon  macht  sich  eine  Regung 
nach  der  anderen  Richtung  geltend.  Es  wird  ferner  die 
zu  geringe  Dauerhaftigkeit  und  der  hohe  Kostenaufwand 
als  Hinderungsgrund  angegeben.  Ersteres  trifft  jeden- 
falls nicht  zu.  Die  alten  Malereien  beweisen,  dass  bei 
guter  Technik  ein  sehr  hohes  Alter  für  dieselben  erreich- 
bar ist.  Nur  soll  man  alle  Surrogate  vermeiden,  nur 
guten  Kalkmörtel  und  die  alte,  einfache  al  Fresco-Tech- 
nik  verwenden.  Es  wird  auch  behauptet,  unsere  Maler 
seien  zu  stolz,  auf  das  Malgerüst  zu  steigen,  sie  hätten 
auch  nicht  die  Gewandtheit.  Ersteres  trifft  doch  nur  zum 
Theil  zu  und  letzterem  ist  nur  durch  Aufträge  abzuhelfen. 

Während  man  sich  in  der  Baukunst  lange  an  fremde 
Vorbilder,  namentlich  aus  Italien  anlehnte  und  die  Kunst  der 
eigenen  Heimath  übersah,  hat  die  Einigung  Deutschlands 
auch  hierin  einen  Wandel  geschaffen,  sind  uns  die  Reize  un- 
serer mittelalterlichen  Baukunst  aufs  Neue  erschlossen, 
sind  die  Blicke  der  gebildeten  Welt  auch  wieder  auf 
Augsburg  gerichtet.  Mit  Verständniss  schliesst  sich  jetzt 
vielfach  die  Erweiterung  unserer  alten  Städte  dem  alten 

472 


desselben  Ordens,  dem  Eisenb.-Dir.  Schumacher  in  Potsdam 
des  kais.  pers.  Sonnen-  und  Löwen-Ordens  III.  Kl. 

Der  Wasser-Bauinsp.  Brth.  Niese  in  Thorn  ist  z.  Reg.-  u. 
Brth.,  der  Reg.-Bmstr.  Aug.  H e r t w i g in  Berlin  ist  z.  etatm.  Prof, 
an  der  Techn.  Hochschule  in  Aachen,  die  Baugew.- Schullehrer 
Reg.-Bfhr.  Reissmüller  in  Posen,  Ing.  K n a u e r in  Kattowitz 
und  Dipl.  Arch.  G ö b e I in  Idstein  sind  zu  kgl.  Oberlehrern  ernannt. 

Versetzt  sind:  Der  Eisenb.-Dir.  Hessenraüller  in  Saar- 
brücken als  Vorst,  der  Werkst.-Insp.  nach  Halberstadt,  der  Eisenb.- 
Bau-  u.  Betr.-Insp.  Um  lauft  in  Erfurt  nach  Eisenberg  zur  An- 
fertigung ausführl.  Vorarbeiten  für  Eisenberg-Porstendorf  und  der 
Eisenb.-Bauinsp.  Brosius  in  Kassel  nach  Saarbrücken  als  Vorst, 
(auftrw.)  einer  Werkst.-Insp,  das. 

Die  Reg.-Bmstr.  Beeck  in  Duisburg , v.  Sturmfeder  in 
Kassel  und  Diedrich  in  Essen  a.  R.  sind  zu  Eisenb.-Bauinsp., 
Schuster  in  Harburg  ist  z.  Wasser-Bauinsp.  ernannt. 

Verliehen  ist:  dem  Reg.-  u.  Brth.  K i e 1 in  St.  Joh.-Saarbrücken 
die  Stelle  eines  Mitgl.  der  kgl.  Eisenb.-Dir.  das.,  dem  Eisenb.-Bau- 
u.  Betr.-Insp.  Burgund  in  Glelwitz  die  Stelle  des  Vorst,  der 
Betr.-Insp.  2 das.,  den  Eisenb.-Bauinsp.  Althüser  in  Schneide- 
raühl  die  Stelle  des  Vorst,  der  Masch.-Insp.  2 das.  und  Thomas 
in  Gleiwitz  die  Stelle  des  Vorst,  einer  Werkst.-Insp.  das. 

Der  Wasser-Bauinsp.  Hentrich  in  Krefeld  ist  aus  dem 
Staatsdienst  ausgeschieden.  Dem  Reg.-Bmstr.  Hrcb.  Lothes  in 
Hirschberg  i.  Schl,  ist  die  nachges. Entlass,  aus  d.  Staatsdienste  ertheilt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  L.  Sehn,  in  Oppeln.  Gegen  das  Urtheil,  welches 
den  Zusländigkeits-Einwand  ohne  Begründung  verworfen  hat,  wür- 
den Sie  Berufung  haben  einlegen  und  so  die  Sache  zur  Entschei- 
dung des  Landgerichtes  bringen  können.  Allerdings  lässt  sich  ohne 
Kenntniss  der  Akten  nicht  beurtheilen,  ob  Sie  mit  der  Berufung 
Erfolg  gehabt  hätten.  Vielleicht  ist  der  Einwand,  welcher  vor  Ein- 
tritt in  die  Verhandlung  zur  Hauptsache  zu  erheben  war,  verspätet 
angebracht,  vielleicht  genügte  seine  Begründung  dem  Gerichte  nicht. 
Ein  Urtheil  des  hiesigen  Gewerbegerichtes  bekannt  zu  geben,  lehnt 
unser  Mitarbeiter  ab,  weil  die  ihm  verfügbaren  in  amtlicher  Eigen- 
schaft ihm  zugegangen  sind  und  er  sich  zu  deren  Weitergabe  nicht 
berechtigt  hält.  Wir  stellen  anheim,  sich  an  den  Vorstand  des  Ar- 
chitekten-Vereins  oderderBerlinerBau-Innungoderan  den  Magistrats- 
Assessor  Dr.  V.  Schulz  zu  wenden,  welcher  Vorsitzender  des  Berliner 
Gewerbegerichtes  ist.  Wir  fürchten  indess,  dass  der  letztere  gleich- 
falls aus  seiner  amtlichen  Eigenschaft  Bedenken  hegen  wird,  Urlheile 
an  Nichtbetheiligte  am  Rechtsstreit  zu  geben.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  M.  in  Gels.  Ein  Sack  Portlandzement  zu  50  kg 
Gevueht  enthält  36 1,  es  würde  sich  also  ein  Raumverhältniss  von 
1 : 14  ergeben.  Bel  der  Beurtheilung  der  Güte  eines  Betons  nach 
dem  Mischungsverhältniss  ist  aber  vor  allem  das  Verhältniss  von 
Zement  und  Sand  zu  berücksichtigen.  Wollen  Sie  sich  also  ein 
Bild  von  dem  Werthe  des  Betons  verschaffen,  so  ist  vor  allem  der 
Sandgehalt  des  Kieses  zu  ermitteln.  — 

Hrn.  K.  P.  in  Rodlng.  Asphaltbelag  in  derartigen  Pissoirs 
hat  sich  durchaus  bewährt.  Die  zahlreichen  öffentlichen  Bediirfniss- 
Anstalten  in  Berlin  sind  in  dieser  Weise  ausgeführt.  — 

Inhalt : Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Archi- 
tekten- und  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg  vom  i. — 3.  September  1902 
(Fortselzung).  — Tvinkwasser-Reinigung  durch  Ozon.  — Jlittheilungen  aus 
Vereinen. — Augsburger  Fassaden-Malereien.  — Vermischtes.  — Bücherschau. 
— Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!,  i.  V.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wüh.  Greve,  Berlin. 


Stadtkern  an,  bemüht  man  sich  namentlich  dem  letzteren 
seinen  eigenthümlichen  Charakter  zu  erhalten.  Selbstver- 
ständlich soll  man  bei  nothwendigen  Neuanlagen  nicht 
sklavisch  das  Alte  nachahraen,  man  muss  und  kann  den 
modernen  Anforderungen  Konzessionen  machen  und  trotz- 
dem den  alten  Charakter  erhalten.  Das  Vorgehen  von 
Köln,  Bremen,  Lübeck,  Hildesheim  und  anderen  Städten 
ist  ein  schlagender  Beweis  hierfür. 

Leider  geht  der  Einheimische  oft  achtlos  an  dem  vor- 
über, was  den  Fremden  entzückt,  leider  geht  ihm  in  dem 
begreiflichen  Wunsche,  auch  an  den  Vortheilen  der  Neu- 
zeit theilzunehmen,  oft  erst  zu  spät  das  Verständniss  auf, 
für  das,  was  er  von  dem  alten  Reize  seiner  Vaterstadt 
leichtfertig  opferte.  Auch  Augsburg  zeigt  leider  schon 
mehrfach  solche  Eingriffe.  Das  Riedingerhaus,  das  Börsen- 
gebäude in  der  alten  Hauptstrasse  der  Stadt,  fallen  ganz 
aus  dem  Rahmen,  noch  mehr  gesündigt  ist  stellenweise 
an  Privat-Gebäuden.  Erfreulich  sind  dagegen  die  neueren 
Bestrebungen  der  Stadtgemeinde,  die  mit  gutem  Beispiele 
vorangeht.  So  fügt  sich  z.  B.  das  neue  Polizeigebäude  treff- 
lich in  den  alten  Rahmen  ein. 

Es  wird  nun  vielfach  der  Vorwurf  erhoben,  dass  durch 
solche  Erhaltung  des  Alten  der  neuen  Kunst  der  Weg 
verschlossen  werde.  Es  wird  angeführt,  dass  frühere  Zeiten 
nicht  so  verfuhren,  dass  sie  rücksichtslos  mit  dem  Alten 
aufräumten,  um  für  ihre  eigene  Kunst  Raum  zu  schaffen; 
das  soll  uns  aber  kein  Vorbild  sein,  vielmehr  sollen  wir 
in  dem  unvermeidlichen  Kampfe  zwischen  Pietät  und 
Geldinteressen,  auf  Seiten  der  ersteren  mitkämpfen.  Das 
gilt  auch  in  besonderem  Sinne  für  Augsburg,  das  seinem 
alten  Wahlspruche  auch  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  getreu 
bleiben  möge: 

Hic  justitiae  et  pietatis  sedes.  — 

No.  73. 


EUTSCHE 

XXXVI JAHR- 
H«BBRLIN  % 
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AUZEITUNG. 

GANG.  Hs  Hs  N2;  74.  H« 

DEN  13.  SEPT.  igo2. 
«srstssÄStÄstsfsrsrsssra: 


üuck  in  die^Maxinnhan-Strasse  in  Augsburg  mit  dem  Perlachthurm  und  dem  Rathhaus. 
(Original- Aufnahme  von  Hof-Photograph  Höfle  in  Augsburg.) 


Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ingen.- Vereine 
zu  Augsburg  vom  1.  — 3.  September  1902. 


11.  Die  Besichtigungen, 


|s  ist  schon  erwähnt  worden,  dass  an  den 
I beiden  Vormittagen  des  i.  und  2.  September 
1 während  der  Festsitzungen  für  die  an 
der  Wanderversammlung  theilnehmenden 
^ Damen  Wagenfahrten  vorgesehen  waren, 
bei  welchen  sie  ein  Bild  von  der  Stadt  und  von 
solchen  Anlagen  gewinnen  konnten,  für  welche  von 
ihnen  besonderes  Interesse  erwartet  werden  durfte. 

Der  erste  Besuch  galt  der  Augsburger  Bunt- 
weberei von  L.  A.  Riedinger,  die  im  Jahre  1865 
gegründet,  1880  in  eine  Akt.-Gesellschaft  umgewandelt 
wurde.  Sie  arbeitet  2.  Zt.  mit  812  P.  St.  Wasserkraft, 
840  P.  St.  Dampfkraft,  1000  Webstühlen  und  10500 
Spindeln.  Die  Zahl  ihrer  Arbeiter  ist  1250.  Sie  ist 
mit  einer  vollständigen  Einrichtung  zum  Färben, 
Rauhen,  Appretiren  versehen. 


Von  dort  fuhr  man  zum  Maximilians-Museum, 
einst  bewohnt  von  Philippine  Welser,  der  späteren 
Gemahlin  des  Erzherzogs  Ferdinand  von  Oesterreich. 
Es  enthält  die  Sammlungen  des  historischen  und 
naturwissenschaftlichen  Vereins,  unter  denen 
sich  manch’  werthvolles  Stück  findet. 

Den  Beschluss  der  Besichtigungen  am  ersten  Tage 
bildete  ein  Besuch  des  Kaufhauses  Kröll  & Nill, 


einer  imaltenFuggerhausein  der  Philippine  W elser- 
Strasse  von  Arch.  Jean  Keller  in  Augsburg  unter 
pietätvoller  Erhaltung  des  alten  inneren  Ausbaues  und 
geschickter  Anpassung  an  ihren  modernen  Zweck  aus- 
geführten Anlage.  Die  spätgothisch  gehaltene  Fassade 
ist  neu  bis  auf  das  schöne  alte  Portal ; der  mit  mehr- 
stöckigen Arkaden  umzogene  alte  Hof  ist  dagegen  unter 
Erhaltung  der  Säulen,  Gewölbe  und  Gallerien  in  eine 
mit  Glas  überdeckte  grosse  Kaufhalle  umgewandelt. 
Allerdings  musste,  um  den  baupolizeilichen  Anforde- 
rungen zu  genügen,  ein  Theil  des  Hofes  offen  gehalten 
werden;  die  eine  Arkadenwand  der  Halle  ist  daher  ein- 
geschoben, aber  getreu  dem  alten  Muster  nachgebildet. 
Die  oberen  Wohnräume  enthalten  schöne  alte  Holz- 
decken, die  erst  beim  Umbau  unter  dem  Putz  wieder 
zutage  getreten  sind.  So  ist  hier  eine  Anlage  von  eigen- 
artigem Reiz  entstanden  und  es  muss  als  ein  Verdienst 
der  jetzigen  Besitzer  anerkannt  werden,  dass  sie,  auf 
weitgehendste  Ausnutzung  des  Grund  und  Bodens  ver- 
zichtend, erhaltcnhaben,  was  sich  dem  modernen  Zwecke 
einigermaassen  anpassen  Hess.  Die  Besichtigung  des 
Hauses  und  des  Lagers  fand  den  vollen  Beifall  der  Be- 
sucher, und  ein  von  denBesitzern  in  ihrenWohnräumen 
dargebotenes  Frühstück  wurde  gerne  angenommen. 

J Am  2.  Tage  wurde  von  den  Damen  zunächst  die 
neue  Augsburger  Kattunfabrik  besucht.  „Neue“ 


473 


heisst  sie  seit  ihrem  Uebergange  1885  an  eine  neue 
Akt.-Gesellschaft.  Als  „Augsburger  Kattunfabrik“  1780 
gegründet,  war  sie  die  erste  Anlage  dieser  Art  in 
Deutschland!,  Sie  hatte  später  zeitweise  sehr  unter  der 
Ungunst  der  Verhältnisse  zu  leiden.  Sie  beschäftigt 
z.  Zt.  etwa  500  Arbeiter.  Ein  2.  Besuch  galt  der  kgl, 
Gemälde-Gallerie  im  ehemaligen  St.  Katharinen- 
Kloster,  das  einige  hervorragende  Stücke  aus  der 
Kunstblüthe  Augsburgs  im  Anfänge  des  XVI.  Jahrh. 
von  H.  Holbein  dem  Aelteren  und  H.  Burgkmair 
besitzt.  Den  Beschluss  bildete  eine  Besichtigung  der 
Koch- und  Haushaltungsschule,  über  welche  wir 
ein  Urtheil  den  Damen  allein  überlassen  müssen. 

Am  Nachmittage  des  2.  September  fanden  dann 
in  5,  Gruppen  fach  wissenschaftliche  Besichti- 
gungen statt,  an  denen  sich  zumtheil  auch  Damen 
in  grösserer  Zahl  betheiligten.  Sie  galten  den  her- 
vorragenden Bauten  der  Altstadt  (115  Personen),  den 
neueren  Bauten  (41  Personen),  der  Lokalbahn 
und  verschiedenen  F abrikanlagen  (72  Personen),  der 
Hessing’schen  orthopädischen  Heilanstalt  in 
Göggingen  (47  Personen)  und  schliesslich  dem  Elek- 
trizitätswerk in  Gersthofen  (72  Personen).  Der 
Wissensdrang  war  nach  den  angegebenen  Zahlen  also 
trotz  der  drückenden  Schwüle,  welche  die  Tage  der 
Wanderversaramlung  auszeichnete,  ein  recht  grosser. 

Die  I.  Gruppe  begann  ihren  Rundgang  beim- 
Annahof  und,  der  St  Annakirche,  die  in  ihrem 
Haupttheile  späthgothisch  (1472— 1510),  im  mittleren 
Theile  in  den- Formen  der  Renaissance  umgebaut  ist 
und  am  westlichen  Ende  die  prunkvolle  Grabkapelle 
der  Familie  Fugger,  das  älteste  Denkmal  der  Re- 
naissance in  Deutschland  enthält.  Wir  haben  dieser 
Kapellfe  in  Nö.  69  bereits  besondere  Betrachtungen  in 
Wort,  und  Bild  gewidmet.  Von  dort  ging  es  durch 
die  Ludwigstrasse  über  den  Frohnhof  zum  alten  Dom, 
dessen  Anlage  bis  auf  das  Jahr  995  zurückgeht.  Aus 
der  ursprünglichen  romanischen  Pfeilerbasilika  wurde 
1321, — 1431  eine  5-schiffige  gothische  Kirche  geschaffen, 
die  durch  Hinzufügung  des  Ostchores  mit  Kapellen- 
umgang eine  wesentliche  Erweiterung  erhielt.  Be- 
merkenswerth sind  die  alte  romanische  Bronzethür  an 
der  Südseite  des  Langschiffes,  Reste  romanischer 
Malereien  an  der  Nordwand  des  Mittelschiffes  und 
einige  Glasfenster  aus  dem  XI.  Jahrhundert,  die  wohl 
als  die  ältesten. Beispiele, dieser  Kunstübung  in  Deutsch-- 
land  angesehen  werden  dürfen  (vgl.  auch  die  Abbildung 
des  Südportals  in  No.  65).  Durch  verschiedene  malerische 
Strassen,  an  denen  Augsburg  keinen  Mangel  hat,  und 
von  denen  unsere  Abbildg.  S.  473  eines  der  schönsten 


Von  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  moderne 
dekorative  Kunst  in  Turin. 

III.  (Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  S.  4^6  u.  477.) 

usstellqngsbauten  nehmen  ihren  eigenen  Platz  in  dem 
weiten  Gebiete  der  Baukunst  ein;  mit  dem  Frühjahr 
wachsen  sie  empor,  im  Herbste  beschliessen  sie  mit 
wenigen  Ausnahmen  ihr  Dasein.  Es  sind  flüchtige  Kinder 
der  Phantasie,  die  der  Architekt  hinsetzt  und  die  nun  da- 
stehen, dem  Urtheil  überlassen.  Aber  nicht  Jedem.  Man 
darf  nicht  urtheilen  mit  der  Würde  eines  Hohenpriesters,  der 
über  die  strengen  rituellen  Vorschriften  eines  Glauljens 
zu  wachen  hat,  und  der  jeden  Fehltritt  unnachsichtlich 
ahndet,  denn  dann  urtheilt  man  falsch  und  ungerecht. 

Aussteilungsbauten  sind  Phantasiebauten,  sie  führen 
ein  kurzes  traumhaftes  Dasein,  sie  verneinen  so  die  Ge- 
meinschaft mit  allen  übrigen  Bauwerken,  sie  widersprechen 
so  in  ihrem  ganzen  Aufbau  dem  Urgesetz  der  Baukunst, 
der  langen  Dauer,  die  trotziger  Menschensinn  dem  ewigen 
Vernichtungsprozess  der  Natur  entgegensetzte,  und  doch 
leben  sie  in  denselben  Formen,  und  doch  sind  es  Raum- 
schöpfungen, wie  ihre  ernsten  Mitschwestern. 

Mit  der  Leichtigkeit  des  Materials  ringt  sich  auch  die 
raumbildende  Phantasie  in  diesen  Aufgaben  von  jener  nie- 
derdrückenden Wucht  aller  der  Elemente  los,  die  in  dem 
realen  Gehalt  jeder  ernsten  Bauaufgabe  enthalten  sind  und 
die  sie  an  der  freien  Entfaltung  ihrer  Raumideen  hindern. 
Mit  glücklichem  Leichtsinn  folgt  sie  in  diesem  Falle,  von 
allem  Ballast  entladen,  einmal  in  fast  ungebundener  Frei- 
heit ihren  eigenen  Gesetzen  und  erobert  sich  damit  einen 
eigenen  Platz.  So  nehmen  die  Ausstellungsbauten  eine 


Beispiele  zeigt,  führte  dann- der  Weg  zur-  „Fuggerei“ 
jener  ältesten  Wohlfahrts- Anlage  auf  dem  Gebiete  des 
Wohnungswesens,  die  auch  wir  schon  mehrfach  erwälint 
haben  (z.  B.  beiBesprechung  der  Festschriften  vgl.  S;  427). 
Von  da  ging  es  zum  Rathhaus,  dem  Meisterwerk 
Elias  Holis  (siehe  die  Abbildung  des  Aeusseren  -in 
No.  53  und  des  goldenen  Saales  in  No.  73),  durch 
die  Hauptstrasse  der  Stadt,  die  Maximilianstrasse,  zuin 
Fuggerhause  und  den  an  seiner  Rückseite  gelegenen 
Fuggerbädern  (1570 — 72),  von  deren  reicher  Pracht 
die  Abbildung  in  No.  73  ein  schwaches  Abbild  giebt, 
an  dem  stattlichen,  ebenfalls  von  Elias  Holl  erbauten 
Zeughause  (jetzt  Hauptfeuerhaus)  mit  seiner  prächtigen 
in  Erz  gegossenen  Gruppe  über  dem,  Hauptportale 
weiter  zur  St.  Ulrichskirche.  Diese  bildet  nach  Be- 
seitigung der  Häuserreihe,  welche  früher' den  jetzigen 
Maximiliansplatz  in  2 Arme  theilte,  den  weithin  sicht- 
baren Abschluss  der  malerischen  Maxirailianstrasse 
mit  ihren  schönen  Brunnen;  von  denen  wir  in  No.  65 
den  Augustusbrunnen  unmittelbar  am  Rathhause 
und  in  No.  72  den  mittleren  Theil  des  künstlerisch 
jedenfalls  amhöchsten  stehenden  Herkulesbrunnens 
wiedergegeben  haben;  Die  Kirche,,  denn  wenn  es- auch 
thatsächlich  2 Kirchen,  eine  protestantische  und  eine 
katholische,  sind,,  die  rechtwinklig  zu  einander  stehen, 
so  ist  doch  nur  die  eine,,  die  katholische,  von  ihnen 
bemerkenswerth,  ist  eine  ehemalige  Klosterkirche. 
Die  hinter  ihr  gelegenen  ausgedehnten  Klosterbauten 
dienen  jetzt  als  Kavallerie-Kaserne.  Sie  stammt  aus 
dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  und  zu  ihrem  Chor 
legte  1500  Kaiser  Maximilian  I.  selbst  den  Grundstein. 
Das  prunkvoll  ausgestattete  Innere  enthält  viel  sehens- 
werthe  Stücke  an  reichen,  bemalten,  holzgeschnitzten 
Altären,  Denkmälern  (Grabmal  von  Hans  Fugger), 
kunstvollen,  perspektivisch  wirkenden,,  geschmiedeten 
Eisengittern  aus  dem  XVI.  Jahrhundert,  ferner  eine 
schöne  Kreuzgruppe,  Anfangs  des  XVII.  Jahrhunderts 
von  Reichel  & Neidhardt  in  Bronce  gegossen,  und 
anderes  mehr.  Für  den  Architekten  interessant  ist 
auch  das  mehrere  Meter  weit  über  die  stützenden 
Pfeiler  vorschwingende  Gewölbe  des  Simpertus-Chores, 
Aus  dem  Jahre  1881  stammt  der  zierliche  gothische 
Vorbau  am  Nordporta!  der  Kirche,  den  wir  in  No.  65 
dargestellt  haben. 

Die  2.  Gruppe  wandte  sich  den  Neubauten-  der 
Stadt  zu.  Wenn  eine  Stadt  wie  Augsburg  eine  solche 
Fülle  schöner  alter  Architekturbilder  besitzt,  so  ist  es 
für  den  modernen  Architekten  naturgemäss  recht 
schwer,  sich  dagegen  geltend  zu  machen,  daneben  in 
Ehren  zu  bestehen,  besonders  schwer,  wenn  sich  seine 

ungefähre  Zwischenstellung  zwischen  den  Raum-Phanta- 
sien eines  Rieth,  Kreis,  Schumacher  und  den  ernsten 
Monumental-Bauten  ein. 

Es  wird  nun  Niemandem  einfallen,  an  eine  Raum- 
phantasie,  die  irgend  welche  Stimmung  verkörpern  soll,  mit 
der  Forderung  der  Konstruktionswahrheit  oder  Material- 
gerechtigkeit heranzutreten.  Warum  erhebt  man  aber 
an  Ausstellungsbauten,  die  in  der  Flüchtigkeit  ihres  Da- 
seins und  der  Dürftigkeit  ihrer  Ausführung  auch  nur  als 
Raumidee  gelten  können,  die  statt  auf  Papier  in  den  Raum 
gesetzt,  mit  aller  Nachdrücklichkeit  dieselben  Forderungen 
wie  an  einen  Monumentalbau?  Wohin  kommen  wir,  wenn 
wir  an  den  Kuppelbau  D’Aronco’s  die  Forderung  der 
Konstruktionswahrheit  und  Materialgerechtigkeit  steilen? 
Ja,  der  Kuppelbau  könnte  auch  ohne  die  Strebepfeiler- 
Anlage  bestehen,  also  wäre  die  Konstruktion  überflüssig 
und  unwahr,  und  der  Kritiker  im  langen  Talare  dürfte  über 
diese  ästhetische  Ungeheuerlichkeit  entrüstet  den  Rücken 
wenden?.  Auf  jeden  raumempfindenden  Menschen  aber 
wirkt  der  hinreissende  Schwung  im  Aufbau  dieser  Kuppel, 
trotz  aller  Konstruktions-Verschleierung.  Entweder  müssten 
wir  also  von  jenem  architektonischen  Grundgesetz  absehen, 
oder  wir  müssten  unseren  Empfindungen  misstrauen. 
Das  ist  in  dem  Augenblicke  nicht  mehr  nöthig,  in  welchem 
wir  dem  Kuppelbau  jenen  Platz  anweisen,  den  er  allein 
bei  einer  Beurtheilung  einnehmen  kann. 

Nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  jene  Raumphantasien 
nur  der  Fläche  angehören,  diese  aber  dem  Raum  mit 
seinen  Gesetzen.  Umgiebt  jene  der  Geist  des  Künstlers 
gewissermaassen  mit  einem  Schutz  gegen  jeden  Einfluss 
der  mächtigen  Natur,  so  ist  hier  das  Werk  einmal  in  den 
Raum  gesetzt,  in  den  ehernen  Kreis  der  Naturgesetze  ge- 

No.  74. 


474 


Bauten  nicht  in  den  aussen  liegenden,  modernen 
Stadttheilen  befinden,  in  denen  ihm  eine  grössere  Be- 
wegungsfreiheitmöglich ist,  wenn  sie  vielmehr  im  Innern 
der  Altstadt  sich  dem  alten  Rahmen  einfügen  sollen. 
Dass  es  bei  einer  solchen  Sachlage  nicht  ohne  Miss- 
griffe abgeht,  ist  menschlich,  und  auch  Augsburg  nicht 
erspart  geblieben ; um  so  erfreulicher  ist  es,  dass  jetzt 
der  richtige  Weg  gefunden  zu  sein  scheint,  um  Altes 
und  Neues  in  einen  wohlthuenden  Einklang  zu  bringen. 

Ein  besonders  glückliches  Beispiel  dieser  Art  ist 
das  von  der  Stadt  erbaute  neue  Polizeigebäude  in 
der  Maximilianstrasse  gegenüber  dem  Rathhause, 
das  sich  vortrefflich  in  seine  Umgebung  einpasst. 
Die  Fassaden  sind  im  Charakter  der  strengeren  Augs- 
burger Renaissance  gehalten  und  von  vornehmer 
Schlichtheit.  Die  Baukosten  stellen  sich  auf  i Milk  M., 
dazu  kommen  600  000  M.  für  Grunderwerb.  Der  Bau 
wurde  im  Frühjahr  d.  J.  bezogen.  Wir  haben  schon 
erwähnt  (S.  426),  dass  der  Entwurf  das  Werk  des 
Hrn.  Ob.-Brths.  Steinhäusser  unter  Mitarbeit  des 
Hrn.  Ob.-Ing.  Schempp  ist,  welch’  letzterem  auch  die 
Ausführung  oblag.  Bei  der  Ausgestaltung  der  Fassade 
lieh  Hr.  Prof.  Friedrich  von  Thiersch  seinen  künst- 
lerischen Beirath.  In  ansprechenden  modernen  Barock- 
formen bewegt  sich  der  ausserhalb  der  alten  Um- 
wallung vor  dem  Rothen  Thore  gelegene  städt. 
Schulbau,  der  im  Herbste  v.  J.  seiner  Bestimmung 
übergeben  wurde  und  von  Hrn.  Ing.  Müller  ent- 
worfen und  ausgeführt  ist.  Die  Kosten  stellen  sich 
auf  16,45  M.  für  I umbauten  Raumes.  Zu  den 
neuesten,  erst  der  Vollendung  entgegengehenden  städt. 
Hochbauten  gehört  das  neue  städt.  Volksbad,  das 
in  der  unteren  Altstadt  nach  den  Plänen  des  Hrn.  Ob. 
Brth.  Steinhäusser  unter  Mitarbeit  des  auch  die 
Ausführung  leitenden  Hrn.  Arch.  Stein  mit  einem 
Kostenaufwande  von  685  000  M.  errichtet  wird.  Von 
diesen  Kosten  entstammen  360  000  M.  einer  Stiftung 
der  Familie  Förster.  Die  bedeutende,  mit  allen  neu- 
zeitlichen Einrichtungen  ausgestattete  Anlage  besitzt 
neben  Dampf-,  Schwitz-  und  Brausebädern,  2 grosse 
Schwimmhallen  für  Männer  bezw.  Frauen,  deren 
erstere  20,40  zu  32,70™,  die  letztere  16,8  zu  24,35™ 
Grundfläche  besitzt. 

Von  den  älteren  Ausführungen  der  Stadt  im 
neueren  Stadttheil  nach  dem  Bahnhof  zu  wurde  die 
von  uns  schon  im  Jhrg.  1894,  S-  233,  mit  Abbildungen 
beschriebene  Stadtbiblio'thek,  das  erste  Werk 
Steinhäusser’s,  unter  Mitarbeit  vonM.  Dülfer,  be- 
sichtigt und  schliesslich  das  stattliche  Stadt theater, 
wohl  der  erste  der  vielen  in  Deutschland  ausgeführten 

rückt  und  damit  nicht  mehr  allein  menschlichem  Willen 
und  der  Büdungskraft  des  Künstlers  unterworfen. 

Durch  alle  diese  Betrachtungen  schimmert  der  Kern, 
dass  der  Werth  und  die  Wirkung  einer  architektonischen 
Aufgabe  vor  allem  von  dem  originellen  Baugedanken 
abhängt,  und  dass  formale  und  konstruktive  Fragen  erst  in 
zweiter  Linie  kommen.  Damit  sehen  'wir,  dass  die  Bau- 
kunst auf  derselben  Grundlage  mit  den  übrigen  Künsten 
ruht,  auf  dem  Schaffen  der  Phantasie,  denn  jeder  Bau- 
gedanke ist  weiter  nichts  als  ein  Produkt  der  raum- 
bildenden Phantasie. 

Es  gilt  also  zunächst  bei  Beurtheilung  aller  Bauwerke, 
den  Werth  des  Baugedankens  festzustellen,  das  echte  Kri- 
terium des  Künstlerthums  und  dann  erst  den  Fragen  nach 
Konstruktionswahrheit,  Materialgerechtigkeit  nachzugehen, 
Fragen,  die  nur  in  einer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  er- 
regen konnten,  in  welcher  man  schülermässig  Baukunst 
begreifen  lernen  musste,  und  die  nun  zu  einer  Wichtigkeit 
emporgeschraubt  waren,  wie  dem  Quartaner  einzelne 
lateinische  Merkregeln,  die  mit  dem  Geiste  der  Sprache 
nichts  zu  thun  haben. 

Gerade  die  in  der  Gegenwart  aus  allenWinkeln  undSpal- 
ten  der  Tagesblätter,  kunstgewerblichen  und  ästhetischen 
Schriften  wie  mit  Posaunenstössen  uns  entgegentosenden 
Rufe  von  der  Konstruktionswahrheit  und  Materialgerech- 
tigkeit haben  Verwirrung  bis  in  die  letzten  Reihen  getragen; 
da  ist  es  denn  Zeit,  einmal  in  aller  Kürze  auf  den  wahren 
Kern  aller  Baukunst  hinzuweisen.  Diese  Schlagworte 
ruhen  geradezu  wie  ein  Fluch  auf  allem  architektonischen 
und  kunstgewerblichen  Schaffen  der  Neuzeit. 

Mit  aller  Aengstlichkeit  ist  man  darauf  bedacht,  kon- 
struktiv wahr  zu  arbeiten,  so  sehr,  dass  man  sich  für  mo- 


Theaterbauten  (1876 — 77)  der  auf  diesem  Gebiete  so 
fruchtbaren  Architekten-Firma  Fellner  & Helmer  in 
Wien.  Bei  der  knappen  Zeit,  die  zur  Verfügung 
stand,  war  es  nur  noch  möglich  mit  dem  Besuche 
zweier  kleiner  Villen,  an  welchem  wir  leider  nicht 
theilnehmen  konnten  und  des  schon  erwähnten  Kauf- 
hauses im  alten  Fuggerhaus  die  Besichtigung  der 
neueren  Bauten  abzuschliessen. 

Galten  diese  Besichtigungen  vorwiegend  denArchi- 
tekten,  so  fehlte  es  auch  für  die  Ingenieure  an  inter- 
essanten Darbietungen  nicht.  Von  den  beiden  Gruppen, 
die  sich  diesem  Gebiete  zuwandten,  wurde  die  eine 
nach  einer  Rundfahrt  auf  der  Stammlinie  der  sog. 
Lokalbahn  in  eine  Reihe  von  Fabriken,  die  Ma- 
schinen- und  Röhrenfabrik  von  Haag,  die  Fein- 
spinnerei (Altbau  der  Mechanischen  Weberei  und 
Spinnerei)  und  in  die  sich  eines  Weltrufes  erfreuende 
Augsburger  Maschinenfabrik  geführt.  Die  Lokal- 
bahn ist  ein  in  seiner  Art  einzig  dastehendes  Unter- 
nehmen, das  der  Entwicklungsweise  der  Augsburger 
Industrie,  die  sich  ohne  festen  Plan,  nur  angezogen 
von  einer  bequemen  Gelegenheit  zur  Ausnützung  der 
vorhandenen  Wasserkräfte,  rings  um  Augsburg 
herum  ansiedelte,  seine  Entstehung  verdankt.  Die 
Nothwendigkeit  des  Anschlusses  aller  dieser  Einzel- 
unternehmen an  die  Eisenbahn,  der  sich  mit  der  Zeit, 
namentlich  als  die  Wasserkraft  auch  durch  die  Dampf- 
kraft unterstützt  werden  musste,  als  ein  unbedingtes 
Erforderniss  herausstellte,  liess  aus  privater  Initiative 
diese  vom  Staatsbahnhof  ausgehende,  die  Stadt  um- 
kreisende und  ihre  Flügelgleise  in  alle  Fabrikanlagen 
entsendende  Bahn  für  den  Lokalgüterverkehr  entstehen, 
deren  Betrieb  auf  Rechnung  der  Lokalbahn-Gesellschaft 
die  Staatsbahnverwaltung  selbst  übernommen  hat. 

Die  Bahn  ist  normalspurig  und  wurde  trotz  der 
schwierigen  Aufgabe,  sie  durch  z.  Th.  eng  bebaute 
Industrieviertel  nachträglich  hindurch  zu  führen,  mit 
für  den  Betrieb  verhältnissmässig  günstigen  Steigungs- 
und Krümmungs-Verhältnissen  ausgeführt.  Die  Bahn 
steht  seit  1892  im  Betriebe.  Später  sind  dann  noch  an 
die  eigentliche  Gürtellinie  nach  den  Vororten  führende 
Zweige  angeschlossen  worden.  Die  „AugsburgerLokal- 
bahn“  besitzt  insgesammt  55,83  Gleislänge  und  ver- 
mittelt den  Verkehr  von  32  Firmen  mit  37  Anschlüssen 
und  I öffentl.  Verfrachtungsstelle.  Auch  in  technischer 
Beziehung  bietet  sie  manches  Bemerkenswerthe.  Für 
dieBesichtigung  der  schon  erwähntenFabriken, nament- 
lich der  Maschinen-Fabrik  Augsburg,  blieb  leider  nur 
sehr  kurze  Zeit.  Die  Besucher  wurden  dort  von  Hrn. 
Dir.  Kommerz.-Rath  Heinrich  Buz  empfangen  und  vor 

ralisch  verpflichtet  fühlt,  auch  jede  eiserne  Schiene  in  ihrer 
nackten  Scheusslichkeit  nach  aussen  hin  zu  präsentiren,  als 
Zeugniss  seiner  konstruktiven  Ehrlichkeit  und  Wahrheits- 
liebe. Das  ist  ja  sehr  schön,  den  Organismus  seines 
Baues  zu  betonen,  es  ist  aber  nicht  das  Höhere  im  Bau- 
schaffen. Das  Höhere  im  Bauschaffen,  gewissermaassen 
der  Idealismus  im  Gegensatz  zum  organischen  Naturalismus 
wird  immer  das  vorwiegend  phantasievolle  Arbeiten  des 
Architekten  sein,  bei  welchem  konstruktive  Erwägungen 
nur  dunkel  mitwirken,  aber  sich  nicht  krass  in  den  Vor- 
dergrund schieben. 

Denn  dass  man  bei  solchen  Ueberlegungen  und  ängst- 
lichem Aufpassen,  ob  man  dem  Leitfaden  in  allen  seinen 
Regeln  folgt,  den  Hauptgedanken  aus  den  Augen  verliert, 
scheint  nur  wenigen  zum  Bewusstsein  zu  kommen.  Sind 
diese  Schlagworte  den  Schaffenden  schon  verderblich,  so 
werden  sie  eine  furchtbare  Waffe  in  den  Händen  der  Laien- 
kritiker, die  mit  diesen  Formeln  alles  zermalmen  können, 
was  ihnen  in  den  Weg  kommt,  besonders,  wenn  sie  auch 
das  Prinzip  der  Nützlichkeit  in  ihren  Katechismus  thun. 

Schöpfungen  der  baulichen  Phantasie  prometheischer 
Naturen  können  vor  ihren  gestrengen  Blicken  nicht  be- 
stehen, denn  die  Phantasie  gebiert  ja  Dinge,  die  man 
nicht  immer  registriren,  die  man  nicht  verstandesmässig 
auflösen  kann  und  damit  ist  der  Schöpfung  der  Todes- 
stoss  gegeben.  So  ist  es  denn  nicht  zu  verwundern,  dass 
auch  der  Kuppelbau  D’Aronco’s  ein  Opfer  jener  Laien- 
kritik und  jener  Künstler  geworden  ist,  die  da  vorwiegend 
nach  der  Konstruktionswahrheit  und  Materialgerechtigkeit 
auslugen.  Dass  hier  die  Grundgewalt  im  Baugedanken 
liegt,  in  der  mächtig  sich  entwickelnden  Kuppel,  die  ihre 
zentrale  Stellung  zu  den  angebauten  Gallerien  so  charakte- 


13.  September  1902. 


475 


III.  Die  Vorträge.*) 

a)  Die  Stellung  der  Architekten  und  Ingenieure  zur 
Wohnungsfrage. 

(Nach  dem  Vortrage  des  Hrn.  Geh,  Bauraths  J.  Stübben  in  Köln.) 

Der  Vortragende  will  nicht  sprechen  über  die  Woh 
nungsfrage  an  sich,  sondern  über  den  Antheil,  den  die 
deutschen  Architekten  und  Ingenieure  an  der  Lösung 
der  Wohnungsfrage  nehmen  sollen.  Letztere  kennzeich- 
net er  vorab  kurz  als  die  Frage  nach  den  Maassregeln 
zur  Bekämpfung  der  Wohnungsnoth  in  ihren  fünf  Er- 
scheinungsformen: Mangel  an  verfügbaren  Wohnungen, 
Ueberfüllung  der  Wohnungen,  schlechte  Beschaffenheit 
derselben,  Anhäufung  grosser  Menschenmengen  in  Massen- 
miethhäusern,  hohe  Miethpreise.  Während  Volkswirth- 
schaftslehrer  und  Hygieniker  mit  der  Wohnungsfrage  in 
den  letzten  Jahrzehnten  sich  in  eingehender  Weise  be- 
schäftigen, haben  sich  diesem  Gegenstände  bisher  nur  ver- 
hältnissmässig  wenig  T echniker  gewidmet,  unter  welchen  die 
Namen  Baumeister,  Olshausen,  Albrecht,  Goecke, 
Goldschmidt,  Unger,  Pommer,  Schilling  rühmend 


Kapelle  von  Architekt  O.  Lüer  in  Hannover. 

Von  der  I.  internationalen  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  lnj;Turin. 


der  Abfahrt  durch  einen^ Imbiss  gestärkt.  Auf; die 
Besichtigungen  selbst  einzugehen,  müssen  wir  uns 
leider  versagen. 

Ganz  besonderes  Interesse  erregte  schliesslich  der 
Besuch  des  Elektrizitätswerkes  bei  Gersthofen, 
nächst  dem  grossen  Werke  von  Rheinfelden  die  be- 
deutendste Wasserkraft-Anlage  dieser  Art  in  Deutsch- 
land. Die  Erschienenen  wurden  dort  von  Hrn.  Dir. 
Jordan  der  Akt.-Ges.  vorm.  Lahmeyer  & Cic.  in 
Frankfurt  a.  M.,  der  Erbauerin  des  Werkes,  begrüsst 
und  nach  einem  von  Hrn.  Ob. -Ing.  Natterer  gehalte- 
nen Vortrage  in  den  Anlagen  geführt. 

Das  anfangs  1902  dem  Betriebe  übergebene  Werk 
nutzt  einen  Theil  der  Wasserkräfte  des  Lechflusses 
nördlich  derStadt  Augsburg  zur  Erzeugung  elektrischer 
Energie  aus,  die  theils  für  Licht  und  Kraftübertragungs- 
Zwecke  in  der  Stadt  Augsburg  und  einer  Reihe  um- 
liegender Ortschaften  verwendet,  theils  an  die  dicht 
bei  dem  Werke  gelegene  chemische  Fabrik  der  Farb- 
werke vorm.  Meister,  Lucius  & 

Brüning,  Höchst  a.  M.,  abgegeben 
wird.  Bei  N.-W.  stehen  für  den  Be- 
trieb desWerkes  50— öo^bni/Sek.  zur 
Verfügung  bei  10“  nutzbarem  Ge- 
fälle, sodass  mindestens  5000  P.  St. 
gewonnen  werden.  Die  Anlage  be- 
steht aus  einem  unterhalb  der  Ver- 
einigung von  Wertach  und  Lech  er- 
bauten festen  Stauwehr  von  80“ 

Breite,  einem  7,3^“  langen  Trieb- 
werks - Kanal  mit  2 hintereinander 
geschalteten  Kammerschleusen  ne- 
ben dem  Kraftwerke  zur  Durch- 
schleusung von  Flössen,  einem  Aus- 
gleich-Stauweiher von  370  000 
Fassungskraft,  der  infolge  des  in 
den  verschiedenen  Tageszeiten 
wechselnden  Kraftbedarfes  des 
Werkes  erforderlich  wird,  und 
schliesslich  aus  dem  eigentlichen 
Kraftwerke  mit  Turbinen-Anlage 
und  den  Dynamo-Maschinen. 

Es  sind  5 Ueberdruck-Radial- 
Doppelturbinen  mit  wagrechter 
Welle  zur  unmittelbaren  Kuppelung 
mit  den  Dynamomaschinen  aufge- 
stellt. Sie  leisten  je  1500  P.  St.  bei 
96  Umdrehungen  in  1 Minute.  Von 
ihnen  werden  3 Gleichstrom -Ma- 
schinen von  je  1000  Kilowatt  bei 
220  Volt  Spannung  und  3 Dreh- 
strom-Maschinen  von  je  1250  Kilo- 
watt bei  5000  Volt  Spannung  ange- 
trieben. ErsteredienendenZwecken 
der  chemischen  Fabrik,  letztere  der 
Versorgung  Augsburgs  und  seiner 
Vororte  mit  elektrischer  Energie. 

Einen  neutralen  Charakter  zeigte 
schliesslich  der  5.  Ausflug,  mit  dem 
wir  unseren  Bericht  schliessen,  der 
nach  der  bekannten  orthopädi- 
schen Heilanstalt  in  Göggingen 
gerichtet  war.  Hier  führte  Hr.  Hessing,  der  verdienst- 
volle Schöpfer  dieser  segensreichen  Anstalt  selbst,  un- 
terstützt durch  Hrn.  Arch.  Schnell.  Man  unternahm 
einen  Rundgang  durch  die  neue  Anstalt  und  die  Kirche 
(Arch.  Jean  Keller  in  Augsburg),  die  Gartenanlagen, 
die  Oekonomiegebäude  und  Werkstätten,  schliesslich 
das  Kurhaus  mit  dem  Palraenhaus,  in  dessen  Restau- 
rations-Räumen Erfrischungen  geboten  wurden.  Die 
von  ihrem  rastlosen  Schöpfer  ständig  vergrösserte  und 
verschönerte  Anstalt  fand  auch  vom  Standpunkte  ihrer 
baulichen  Anlagen  allgemeinen  Beifall. 

Alles  in  allem  war  es  ein  interessantes  Programm, 
das  den  Theilnehmern  der  Wanderversammlung  in 
den  Besichtigungen  geboten  wurde,  das  nur  leider 
den  üblichen  Fehler  solcher  Veranstaltungen  zeigte, 
dass  die  knappe  Zeit  ein  Verweilen  bei  dem  einzelnen 
Gegenstände  nicht  getattete.  — Fr.  E. 

476 


hervorzuheben  sind.  Die  Verallgemeinerung  dieser  Be- 
theiligung ist  für  die  deutschen  Baumeister,  die  durch  ihren 
Beruf  dem  Wohnungswesen  so  nahe  stehen,  ein  Gebot 
der  sozialen  Pflichterfüllung:.  Für  den  heutigen  Vortrag 
hat  Redner  auf  der  vorjährigen  Abgeordneten-Versamm- 
lung  die  folgenden  Leitsätze  aufgestellt,  welche  inzwischen 
von  zahlreichen  Verbandsvereinen  berathen  und  zumeist 
zustimmend  beantwortet  worden  sind: 

A.  Allgemeine  Thätigkeit  der  Architekten 
und  Ingenieure. 

1.  Sammlung  und  Veröffentlichung  mustergiltiger  Bau- 
Entwürfe  mit  Konstruktions-,  Baukosten-  und  Ertrags- 
Angaben’und  sonstigen  Erläuterungen. 

2.  Unterstützung  von  gemeinnützigen  Baugesellschaften 
durch  unentgeltliche  Rathschläge  und  Entwürfe. 


*)  Wir  können  uns  io  derWiedergabe  nicht  an  die  thalsachliche  Reihen- 
folge halten,  wie  sie  in  uns.  frOhereu  Bericht  angegeben  ist.  Den  Vortrag  über 
.Augsburger  Fassaden-Malereien“  haben  wir  schon  inNo.79vorausgeschickt 

No.  74. 


3-  Theilnahme  an  der  Gründung  gemeinnütziger  Bau- 
gesellschaften. Anregung  dazu. 

4.  Eintritt  in  die  Vorstände  und  Aufsichtsräthe  solcher 
Gesellschaften. 

5.  Theilnahme  an  statistischen  Erhebungen  über  die 
Wohnungsverhältnisse.  Anregung  dazu. 

6.  Mitwirkung  bei  der  behördlichen  Wohnungs-Inspektion 
(Wohnungspolizei,  Wohnungspflege);  Anregung  dazu. 

7.  Oeffentliche  Vorträge  über  die  Erscheinungen  der 
Wohnungsnoth,  deren  Ursachen  und  Abhilfemittel. 

8.  Litterarische  Arbeiten  in  diesem  Sinne. 

B.  Thätigkeit  der  Baubeamten  im  besonderen. 

9.  Wohnungsfürsorge  für  die  eigenen,  bei  staatlichen 
oder  kommunalen  Betrieben  beschäftigten  Arbeiter 
und  Unterbeamten. 

ro.  Einrichtung  und  Leitung,  bezw.  Mitwirkung  bei  der 
Einrichtung  und  Leitung  der  behördlichen  Wohnungs- 
Inspektion  (Wohnungspolizei,  Wohnungspflege). 

II.  Einwirkung  darauf,  dass  bei  Verkauf  und  Vererb- 
pachtung staatlichen  und  gemeindlichen  Baugeländes 
mässige  Preise  und  geeignete  Bedingungen  für  den 
Bau  billiger  Wohnungen  gestellt  werden. 


12.  Durchsicht  der  Baupolizei- Verordnungen  (Bauordnun- 
gen, Baustatute)  und  Beseitigung  der  entbehrlichen, 
das  Bauen  kleiner  Häuser  und  Wohnungen  erschwe- 
renden oder  venheuernden  Bestimmungen.  Abstufung 
der  Bauordnungen. 

13.  Durchsicht  der  Ortsbaupläne  und  Beseitigung  entbehr- 
licher, das  Bauen  kleiner  Häuser  und  Wohnungen  er- 
schwerender Festsetzungen. 

14.  Stärkere  Berücksichtigung  des  Bedarfs  an  kleinen 
Häusern  und  Wohnungen  beim  Entwurf  von  Be- 
bauungsplänen und  Bauordnungen. 

15.  Einwirkung  auf  frühzeitige  Ausdehnung  der  Strassen- 
bahnlinien  und  der  Leitungsnetze  für  Entwässerung, 
Licht  und  Wasserversorgung,  sowie  auf  geeignete  Fest- 
setzung der  Strassenkosten-Beiträge  und  auf  Verbesse- 
rungen im  Schätzungswesen. 

C.  Thätigkeit  der  Architekten-  u.  Ingen.-Vereine. 

16.  Anregung  der  Behörden,  sowie  Anregung  und  För- 
derung der  Vereinsgenossen  nach  den  vorgenannten 
Gesichtspunkten. 

Die  Sammlung  und  Veröffentlichung  muster- 

giltiger  Bauentwürfe  mit  erläuternden  Angaben  soll 


Oesterreichisches  Haus.  Architekt:  Brth.  Baumann  in  Wien. 


Von  der  I.  internationalen  Ausstellung 

ristisch  durch  die  Strebepfeiler-Gliederung  zum  Ausdruck 
bringt,  das  ist  nebensächlich  und  beeinflusst  nicht  das 
vernichtende  Urtheil. 

Gilt  es  also  zunächst  bei  Beurtheilung  von  Bauwerken 
den  Werth  des’ Baugedankens  festzustellen,  so  gilt  das 
doppelt  bei  Bauten  im  Ausstellungs-Charakter,  die  als 
Phantasiebauten  ihren  Gedanken  ganz  besonders  zum  Aus- 
druck bringen  werden,  da  sie  zum  grossen  Theil  von  der 
mederdrückenden  Wucht  der  realen  Elemente  einer  Bau- 
aufgabe befreit  sind.  Sie  werden  nun  in  der  Folge  ein 
mteressantes  Beispiel  für  die  Entwicklung  der  Raum- 
gedanken sein  und  sollen  auch  nur  im  I^blick  auf  diese 
betrachtet  werden. 

Wenn  das  Sonnenlicht  in  breiten  Massen  auf  die 
Kuppel  fällt  und  die  goldgelben  zwischen  die  Pfeiler  ein- 
gesp^nten  Dächer  ihre  tiefen  Schatten  auf  die  glitzern- 
den Scheiben  malen,  wenn  die  grosszügigen  Schatten 
architektonischer  Bauglieder  durch  die  reizenden  Zeich- 
nungen malerischer  Figurengruppen  unterbrochen  werden, 
dann  umweht  uns  eine  eigene  Stimmung,  wie  von  orien- 
taUscher  Pracht  und  Herrlichkeit  und  wir  verstehen  nicht 
wie  wir  hier  den  ernsten  nordischen  Maasstab  anlegen 
können.  Die  ganze  Anlage  in  der  lichtsprühenden  Luft 
des  Südens  steht  so  harmonisch  und  stolz  in  der  Land- 
schaft, dass  wir  nicht  begreifen,  wie  man  zu  einem  ab- 
sprechenden Urtheil  dieser  Kuppelanlage  kommen  kann. 

. dem  Bau  steckt  der  Geist  byzantinischer  Kunst, 

ich  ermnere  an  die  aus  der  Kuppel  herausschiebenden 

13.  September  190a. 


für  moderne  dekorative  Kunst  ln  Turin. 


Strebepfeiler,  zwischen  denen  das  Oberlicht  sich  ein- 
spannt; zu  diesem  Einflüsse  kommen  die  modernen  An- 
schauungen über  Flächenwirkung,  die  der  Wagnerschule 
ihre  Entstehung  verdanken  (Olbrich  und  D’Aronco  waren 
Schüler  Wagner’s);  als  bedeutender  Rest  verbleibt  dann  die 
Raumerfindung  des  Künstlers.  Es  ist  vollkommen  ausge- 
schlossen, dass  jemand,  der  den  Katechismus  der  Kon- 
struktionswahrheit und  Materialgerechtigkeit  stetig  vor 
Augen  hat,  zu  solch’  straffer,  ungewöhnlich  schwungvoller 
Lösung  des  Kuppelbaues  gekommen  wäre,  wie  D’Aronco. 

Auch  seine  anderen  Entwürfe,  so  die  ganz  köstliche 
Photografia  artistica  und  die  Automobil  - Ausstellung, 
wenn  sie  auch  weniger  gelungen  sind,  zeigen  das  gross- 
zügige  Erfassen  der  Aufgabe,  zeigen  vor  allem  die  starke 
Mitarbeit  der  Phantasie  an  den  architektonischen  Entwürfen. 

Und  das  erscheint  mir  als  das  Wesentliche  an  Aus- 
stellungs-Aufgaben, dass  man  ruhig  in  ihnen  Experimente 
machen  darf,  da  man  Studien  halber  Marmorpaläste  nicht 

errichten  kann.  Hier  ist  Material  und  Raum  in  Fülle 
vorhanden,  der  Bau  verschwindet  wieder  oder  kann  wie- 
^er  verschwinden,  ohne,  wenn  er  misslungen,  irgend 
welchen  ästhetischen  Schaden  zu  hinterlassen.  Dadurch 
wird  jede  Ausstellung  ein  Studieufeld  Iflr  Architekten 
und  die  Anregungen  können  auch  nicht  ausbleiben. 

Von  solchen  Gesichtspunkten  beleuchtet,  wird  eine 
jede  Ausstellung,  die  unter  künstlerischer  Leitung  ent- 
standen ist,  nie  ohne  befruchtende  Anregung  für  die 
Architektur  bleiben  und  so  ist  es  auch  mit  der  Turiner. 


477 


fortgesetzt  werden,  obwohl  schon  viele  derartige  Arbeiten 
vorliegen,  weil  sowohl  in  praktischer  als  in  künstlerischer 
Hinsicht  das  Kleinwohnungswesen  noch  bedeutender  Ver- 
besserungen fähig  und  weil  in  den  Bauvereinen  und  kleine- 
ren Gemeinden  die  Nachfrage  nach  den  Erfahrungen 
anderer  sehr  gross  ist.  Redner  hat  etwa  200  Blatt  Zeich- 
nungen ausgeführter  Entwürfe  zu  kleinen  und  grossen 
Gebäuden,  Kleinwohnungen  enthaltend,  ausgestellt,  die 
ihm  von  den  Vereinen  in  Berlin,  Kassel,  Chemnitz, 
Frankfurt  a.  M.,  Köln,  München,,  Mecklenburg, 
Oldenburg  und  Strassburg  zugegangen  sind.  Beson- 
ders auf  die  Entwürfe  aus  Köln  (Architekten:  Bopp,  Endler 
und  Gärtner)  sei  hier  hingewiesen.  Gemäss  einer  Anregung 
des  Stuttgarter  Vereins  spricht  der  Vortragende  die  Mahnung 
aus,  dass  die  Techniker  nicht  in  der  Ausübung  ihres  Be- 
rufes untergehen,  sondern  auch  die  Augen  offen  halten 
sollen  für  die  sie  umgebenden  Lebensäusserungen  und 
Kulturbestrebungen,  dass  ferner  ein  gewisses  Maass  volks- 
wifthschaftlicher  Kenntniss  zu  erwerben  geboten  sei,  um 
dem  Technikerstande  den  Eintritt  in  die  ihm  obliegende 
soziale  Bethätigung  zu  erleichtern. 

Die  Betheiligung  an  der  Gründung,  Berathung  und 
Leitung  der  Baugenossenschaften  und  sonstigen  ge- 
meinnützigen Baugesellschaften  ist  nöthig,  nicht  etwa  weil 
diese  Gesellschaften  allein  die  Wohnungsfrage  zu  lösen 
vermöchten,  sondern  weil  sie  aneifernd  und  vorbildlich 
auf  die  gewerbliche  Bauthäligkeit  einwirken  und  weil  sie 
das  beste  Versuchsfeld  der  Wohnungs-Fürsorge  darstellen. 
Uebrigens  soll  nach  Meinung  des  Redners  nicht  die  eigent- 
liche Berufsausübung  des  Architekten,  sondern  nur  die  ge- 
legentliche und  grundsätzliche  Berathung  sowie  die  Leitung 
und  Beaufsichtigung  den  Genossenschaften  usw.  unent- 
geltlich zugewendet  werden.  Die  hauptsächlichste  Leistung 
zur  Schaffung  neuer  Wohnungen  wird  aber  nach  wie  vor 
Sache  der  privaten,  gewerblichen  Bauthätigkeit  sein. 

In  der  Wohnungs-Statistik  ist  die  Mithilfe  von  Bau- 
technikern unentbehrlich  zur  Feststellung  der  Fragebogen, 
zu'örtlichen  Aufnahmen  und  zur  Verarbeitung  des  Stoffes; 
nur  an  wenigen  Orten  ist  die  Wohnungs-Statistik  bis  jetzt 
ganz  befriedigend  geordnet.  Ebenso  sind  jetzt  schon  zahl- 
reiche technische  Kräfte,  freiwillige  und  besoldete,  in  der 
amtlichen  Wohnungs-Kontrolle  thätig,  besonders  wo 
diese,  wie  in  Strassburg  und  Hamburg,  mehr  den  Cha- 
rakter der  Wohnungspflege  annimmt.  Die  Uebel  zu- 
verlässig kennen  zu  lernen , ist  die  erste  Vorbedingung, 
wenn  man  sie  heilen  will. 

Vorträge  und  litterarische  Arbeiten  über  die 
Wohnungsfrage  empfehlen  die  Vereine  in  Magdeburg  und 
Dresden  nur  mit  einem  gewissen  Vorbehalt,  da  Unberufene 
leicht  Verwirrung  statt  Klärung  hervorrufen  könnten. 
Redner  ist  indess  der  Meinung,  dass  es  kein  Unglück  sei, 
wenn  auch  einmal  aus  edlen  oder  aus  eigennützigen  Be- 
weggründen Unrichtiges  vorgebracht  werde;  schliesslich 
werde  die  Aufklärung  der  Irrthümer  ein  tieferes  Erfassen 
der  ganzen  Frage  zur  Folge  haben. 

Die  Wohnungs-Fürsorge  für  die  eigenen  Ar- 
beiter und  Unterbeamten  ist  von  grösster  Bedeutung 


sowohl  in  Staats-  und  Gemeinde-Betrieben,  als  in  Privat- 
Betrieben.  Den  leitenden  Architekten  und  Ingenieuren 
liegt  hier  eine  besonders  vornehme  Pflicht  ob;  sowohl 
behufs  vorübergehender  Unterbringung  von  Arbeitern  an 
abseits  liegenden  Bauplätzen  als  behufs  dauernder  Be- 
friedigung des  Wohnungs-Bedürfnisses  ihrer  Arbeiter  in 
Stadt  und  Land,  ist  der  Technikerschaft  ein  weites  und 
dankbares  Feld  sozialer  Wohlfahrts-Bestrebungen  eröffnet. 

Mehr  als  bisher  sollen  technische  Beamte  sich  der 
Leitung  und  Einrichtung  der  staatlichen  und  kommunalen 
Wohnungs-Inspektion  zuwenden , die  Wohnungsschäden 
aufdecken  helfen  und  auf  deren  Beseitigung  hinarbeiten, 
zugleich  aber  die.  wichtigste  Thätigkeit  in  der  Wohnungs- 
Fürsorge  nicht  vergessen,  nämlich  die  Förderung  sowohl 
des  gewerblichen  als  des  gemeinnützigen  Wohnungsbaues. 

Wenn  der  Staat  oder  die  Gemeinden  mit  ihrem  Bau- 
gelände dieselbe  Bodenspekulation  treiben  wollten 
wie  Private,  so  wäre  das  ein  grosser  Fehler;  es  wäre  der 
Weisheit  Ende  in  der  Wohnungsfrage.  Insbesondere  hat 
die  mit  Recht  höheren  Orts  empfohlene  Erweiterung  des 
kommunalen  Bodenbesitzes  nur  dann  eine  Berechtigung, 
wenn  die  Gemeinden  es  besser  als  Private  verstehen,  das 
Bauland  seinem  sozialen  Zwecke,  der  Aufnahme  mensch- 
licher Wohnungen,  zuzuführen.  Hier  bietet  sich  unseren 
beamteten  Technikern,  wenn  sie  nur  ein  wenig  volkswirth- 
schaftlich  und  sozial  geschult  sind,  ein  äusserst  wichtiges 
Feld  der  Thätigkeit  durch  Belehrung  und  Anregung,  Be- 
einflussung der  Bauweise,  Bekämpfung  des  Massen-Mieth- 
hauses,  Begünstigung  des  Eigenhauses,  Erleichterung  des 
Baues  von  Kleinwohnungen,  Niedrighaltung  der  Boden- 
preise, angemessene  Veräusserungs-  und  Baubedingungen. 

Auch  die  Durchsicht  der  Baupolizei -Verord- 
nungen ist  eine  der  Maassnahmen  zur  Herbeiführung 
bessererWohnverhältnisse.  Viele  Bauordnungen  erschwe- 
ren durch  mancherlei  entbehrliche  Bestimmungen,  über 
weiche  Schilling  (Köln)  ira  Techn.  Gemeindeblatt  (Jhrg. 
1901,  No.  19  u.  ff.)  eine  lehrreiche  Arbeit  veröffentlicht  hat, 
dieEntstehung  des  kleinen  Hauses.  AbgestufteVorschriften, 
wie  sie  in  der  Art  des  Gebäudes  begründet  sind,  zeigen 
bislang  nur  wenige  Bauordnungen.  Verbreiteter  ist  die 
Abstufung  der  Bauordnung  nach  Bezirken,  um  dem  Aussen- 
gelände eine  weiträumigere  Bebauung  zu  sichern  mit  ge- 
ringeren Gebäudehöhen  und  besserem  Lichteinfall.  In 
beiden  Beziehungen  werden  die  beamteten  Techniker  zu 
fortschreitenden  Verbesserungen  aufgerufen;  aber  auch 
die  technischen  Vereine  können  durch  Anregung  der  zu- 
ständigen Behörden  manchen  Nutzen  stiften.  Von  ähn- 
licher Wichtigkeit  ist  die  Durchsicht  der  Ortsbau- 
pläne,  um  allzu  grosse  Blöcke,  allzu  breite  Strassen  und 
sonstige,  das  Bauen  kleinerer  Häuser  erschwerende  Fest- 
setzungen auszumerzen.  Beim  Entwurf  neuer  Bauord- 
nungen und  Bebauungspläne  sind  selbstredend  alle  Rück- 
sichten anzuwenden,  die  den  Kleinwohnungs-Bau  nach 
Möglichkeit  erleichtern. 

Mehrere  Vereine  haben  ferner  hingewiesen  auf.  die 
Nothwendigkeit  der  Eröffnung  von  anbaufähigen  Strassen 
seitens  der  Gemeinde,  der  frühzeitigen  Ausdehnung  des 


Denselben  Grundsätzen  wie  D’Aronco  huldigt  auch 
Rigotto  in  seiner  Wein-  und  Oelausstellung,  in  welcher 
er  architektonisch  sehr  reizvoll  in  recht  origineller  Durch- 
bildung Verkaufskojen  in  einem  Wandelgang  gruppirt  hat. 
Der  Wagner’sche  Geist  spukt  aber  nicht  nur  in  den  italie- 
nischen Bauten,  sondern  auch  in  der  österreichischen  Villa, 
die  von  Brth.  Baumann  ausgeführt  ist.  Es  ist  die  einzige 
geschlossene  Wohnhausgruppe  in  der  Ausstellung.  Inner- 
halb seiner  Villa  hat  er  einzelnen  jüngeren  Architekten 
Gelegenheit  zur  Ausstellung  von  Zimmern  gegeben.  Zur- 
zeit der  Besichtigung  waren  noch  nicht  alle  Räume  voll- 
endet. Neben  dem  künstlerisch  werthlosen  Damensalon 
von  einem  Wiener  Fabrikanten  für  gebogene  Möbel, 
finden  wir  einzelne  gut  durchgebildete  Räume , die  uns 
Norddeutsche  nur  manchmal  durch  eine  etwas  spielerische 
Eleganz  befremden.  Wir  können  hier  leider  nicht  näher 
auf  diese  nachbarlichen  Kunstbestrebungen  eingehen,  die 
bei  allem  Ernst  in  einer  soliden  Leichtigkeit  und  Zierlich- 
keit der  Komposition  zum  Ausdruck  kommen,  wie  bei 
Vitzmann,  einem  Schüler  Prof.  Hoffmann’s,  der  einen 
Musiksalon  entworfen  hat.  Einen  sehr  günstigen  Einfluss 
auf  die  Innen  - Ausgestaltung  der  Räume  hatte  der  Mit- 
arbeiter Baumanns,  O.  Prutscher,  der  Dekorationsmaler 
und  Architekt  ist.  — 

Ueber  das  Kunstgewerbe  ein  nächstes  Mal.  — 

Leo  Nacht. 

Ein  Wort  zu  den  Urth eilen  über  die  Ausstellung.*) 

Ein  erster,  gewagter  Versuch  — ein  solcher  ist  die 
,,I.  internationale  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst 
in  Turin"  — läuft  stets  Gefahr,  den  weitaus  grösseren 

478 


Theil  der  Tages-Meinung  gegen  sich  zu  haben,  das, 
was  man  so  schlechthin  „Kritik"  nennt,  herauszufordern 
und  von  vielen,  die  diesen  Beruf  mit  mehr  oder  weniger 
Recht  und  Glück  als  ihre  Lebensaufgabe  betrachten,  ohne 
weiteres  zum  Tode  verurtheilt  zu  werden.  Liest  man 
die  Tageszeitungen,  so  muss  man  vielfach  den  Glauben 
bekommen,  diese  Turiner  Ausstellung  sei  etwas,  das  blos 
von  überspannten  Menschen,  von  künstlerischen  Stegreif- 
rittern, von  Phrasenmachern  ins  Leben  gerufen  worden  ist. 
Dass  die  ganze  Unternehmung  die  Aeusserung  eines  ge- 
wissen kecken  Wagemuthes,  ja  dass  sie  die,  wenn  auch 
nicht  ganz  ausgereifte  Erfüllung  eines  längst  vorhandenen 
Bedürfnisses  und  berufen  ist,  vieles  abzuklären,  das 
wollen  Wenige  nur  anerkennen  oder  sie  denken  über- 
haupt nicht  daran.  Ist  denn  mit  dem  Urtheil,  das  keine 
Fingerzeige  für  künftige  bessere  Lösungen  giebt,  irgend 
etwas  erreicht?  Entspricht  es  dem  Zwecke  der  Kritik, 
lediglich  zu  verurtheilen  oder  Witze  auf  anderer  Leute 
Rechnung  zu  machen?  Warum  ist  denn  der  Gedanke  an 
ein  ähnliches  Unternehmen  nicht  anderswo,  in  Berlin,  in 
Wien,  in  München  schon  früher  und  besser  in  Szene  ge- 
setzt worden?  Was  hinderte  die  Fortgeschritteneren,  das 
zu  thun,  was  einige  Leute  in  Turin  unternommen  haben 
und  was  von  jedem,  der  selbst  schaffend  auf  diesen  Ge- 


*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Man  stellt  uns  die  nachfolgen- 
den Ausführungen  zur  Verfügung,  deneu  wir  leider  eine  tiefbegründete 
Berechtigung  zuerkennen  müssen.  Das  Öffentliche  Urtheil  über  Werke, 
die  erst  nach  langen  Mühen  entstanden  sind,  ist  oft  ebenso  kurz  wie  ab- 
sprechend und  geht  selten  nur  auch  auf  die  Beweggründe  für  ihre  Ent- 
stehung ein.  So  kommt  es,  dass  man  diesem  Urtlieil  mit  mehr  Furcht 
als  Vertrauen  auf  der  einen,  und  mit  mehr  Schadenfreude  als  Theilnahme 
auf  der  anderen  Seite  entgegensieht.  Das  sollte  anders  werden.  — 

No.  74. 


Strassenbahnnetzes,  sowie  der  Leitungsnetze  für  Wasser, 
Licht  und  Kanalisation,  der  zweckmässigeren  Bemessung 
derStrassenkosten-Beiträge  undderReform  des  Schätzungs- 
wesens. Besonders  aus  Berlin  und  Hannover  verlautbaren 
Klagen  über  Vertheuerung  und  Erschwerung  des  Bauens 
durch  die  herrschenden  Gewohnheiten  in  der  Geldbe- 
schaffung. Endlich  wird  noch  gewünscht,  dass  unbefangene 
Techniker  mehr  als  bisher  in  die  kommunalen  Vertretungs- 
körper gewählt  werden  möchten,  um  dort  den  nicht  immer 
günstigen  Einfluss  von  Haus-  und  Grundbesitzern  das 
Gleichgewicht  zu  halten. 

Die  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  sollen  in  all 
diesen  Beziehungen  im  Interesse  der  Beseitigung  oder 
Milderung  der  Wohnungsschäden  auf  die  Behörden  an- 
regend einwirken  und  besonders  die  Vereinsmitglieder 


zur  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Wohnungsfrage  er- 
muntern und  stützen. 

Unter  Umständen  können  sogar  Vereine  als  Sammel- 
stelle für  Entwürfe  und  Erfahrungen  im  Kleinwohnungs- 
wesen sich  verdient  machen,  Muster-Einrichtungen  für 
billige  und  gesunde  Häuser  ausstellen,  Rathschläge  er- 
theiien  und  Belehrung  aller  Art  verbreiten. 

Der  Vortragende  schliesst  mit  einem  warmen  Aufruf 
an  die  Technikerschaft,  neben  den  fortschreitenden  An- 
gelegenheiten von  Kunst  und  Wissenschaft  und  neben 
der  Pflege  der  Berufsinteressen  auf  die  Erfüllung  der 
sozialen  Pflichten  bedacht  zu  sein  und  schliesst  mit 
den  Worten  W.  v.  Oechelhäuser’s  bei  Eröffnung  der  dies- 
jährigen Versammlung  des  Vereins  deutscher  Ingenieure: 
„Neue  Rechte,  neue  Pflichten!“  — (Fortsetzung  folgt.) 


Vermischtes. 

Die  Hohlsteinwand  von  Jul.  Donath  & Co.  in  Berlin,  mit 
S- förmig  gestalteten  Lagerfugen  (vergl.  die  Besprechung 
1900  S.  544),  welche  als  feuerfest  in  10  cm  Stärke  in  Berlin 
allgemein  zugelassen  ist,  darf  nach  den  Ergebnissen,  welche 
eine  Prüfung  der  kgl.  mechanisch -technischen  Versuchs- 
anstalt_in  Charlottenburg  i.  v.  J.  gehabt  hat,  nunmehr  auch 


als  sich  selbst  freitragende  Wand,  also  ohne  Trägerunter- 
stützung, hergestellt  werden,  wobei  jedoch  in  den  drei 
untersten  Lagerfugen,  sowie  in  denjenigen  oberhalb  der 
Thüröffnungen  je  ein  Rundeisen  von  mindestens  5““ 
Durchmesser  einzulegen  ist.  Bei  freitragenden  Wänden 
von  IO  m Länge  und  5 ® Höhe  wird  ausserdem  noch  beider- 
seits der  Wand  ein  Hängewerk  aus  dünnem  Band-  oder 
Rundeisen  in  ganzer  Wandhöhe  eingelegt.  (Vergl.  die 
vorstehende  Abbildung.)  — 


Todtenschau. 

Rudolf  Vlrchow  f*  Im  Alter  von  fast  82  Jahren  ist 
am  6.  d.  Mts.  einer  von  den  grössten  Geistern  dahinge- 
gangen, die  das  vergangene  Jahrhundert  hervorgebracht 
hat  und  die  ihm  seinen  Stempel  aufgedrückt  haben,  ein  Mann, 
der  ein  Wissens-  nnd  Arbeitsgebiet  von  einer  Grösse  be- 
herrschte, dass  auf  demselben  Dutzende  von  Geistern 
minderer  Art  reichliche  Gelegenheit  zur  Bethätigung 
finden.  Nicht  der  kleinste  Theil  der  Thätigkeit,  die  das 


Leben  Rudolf  Virchow’s  ausfüllte,  waren  der  Pflege  der 
wissenschaftlichen  und  praktischen  Hygiene  gewidmet, 
und  es  ist  ihm  vergönnt  gewesen,  auch  die  Früchte  seiner 
Arbeit  zu  schauen.  Ueberall,  wo  man  sich  heute  der 
Segnungen  erfreut,  welche  aus  den  Einrichtungen  der 
zentralen  Wasserversorgung,  der  Verbesserung  des  Rein- 
lichkeitszustandes  und  des  Wohnungswesens  der  Städte 
hervorgehen,  wird  man  neben  , Pettenkofer  sich  Rudolf 
Virchow’s  dankbar  erinnern  müssen. 

Die  Anfänge  der  Thätigkeit  Virchow’s  auf  dem  Ge- 
biete der  öffentlichen  Gesundheitspflege  fallen  in  das  Jahr 
1848,  wo  er  von  der  preussischen  Regierung  nach  Ober- 
Schlesien  entsendet  wurde,  um  die  dort  ausgebrochene 
Flecktyphus-Epidemie  zu  studiren.  Ein  gleichartiger  Auf- 
trag wurde  ihm  1852  von  der  bayerischen  Regierung  mit 
Bezug  auf  den  Spessart.  Hieran  schlossen  sich  in  den 
50  er  und  60  er  Jahren  amtliche  Thätigkeiten  über  andere 
Volksseuchen,  wie  Croup,  Diphtherie,  Pocken,  Typhus  und 
Cholera,  die  ihn  aus  dem  spezifisch  ärztlichen  Gebiet  in 
das  seitwärts  gelegene  Gebiet  der  öffentlichen  Gesund- 
heitspflege hinüberführten.  Die  Grossthat  aber,  welche 
ihm  auf  diesem  Gebiete  einen  Namen  verschafft  hat,  ist 
sein  mit  der  vollen  Wucht  des  Sachverständnisses  ein- 
setzendes Wirken  für  den  endlichen  Entschluss  der  städti- 
schen Behörden  zur  Durchführung  der  Kanalisation  der 
Stadt  Berlin.  Nur  wer  in  der  Vorgeschichte  dieses 
grossen  Unternehmens  einigermaassen  zu  Hause  ist,  ver- 
mag den  Umfang  der  Arbeit  zu  würdigen,  die  zu  leisten 
war,  um  Rückständigkeit,  Vorurtheile,  gekränkte  Interessen 
und  Furcht  vor  dem  Misslingen  und  Furcht  vor  den 
grossen  finanziellen  Opfern,  die  das  Werk  erforderte,  zu 
überwinden.  Freilich  stand  Virchow  für  seinen  Zweck 
das  wuchtige  Hilfsmittel  des  Wortes  von  der  Redner- 
Tribüne  der  Stadtverordneten  - Versammlung  aus  offen, 
nachdem  er  i86r  vorwiegend  wohl  durch  das  Vertrauen, 
das  die  Berliner  Bürgerschaft  in  den  Politiker  Virchow 
setzte,  in  diese  Körperschaft  gewählt  worden  war.  Ge- 
wissermaassen  die  Summe  dieses  besonderen  Wirkens 
liegt  in  einer  Reihe  von  Schriften:.  „Virchow,  Reinigung 
und  Entwässerung  Berlins ; einleitende  Verhandlungen 


bieten  thätig  ist,  begrüsst  wurde?  Man  kann  ira  Urtheil 
streng  sein,  ohne  verletzend  zu  werden;  man  kann  die 
Schäden  einer  Angelegenheit  aufdecken  und  besprechen, 
ohne  gehässig  zu  werden;  man  kann  einer  Sache  auf  den. 
Leib  rücken,  ohne  sie  dem  Spott  der  vielen  Tausende 
auszusetzen,  die  kritiklos  hinnehmen,  was  sie  schwarz 
auf  weiss  vorgesetzt  bekommen.  Wenn  auf  diese  Weise 
sich  im  Auslande  allmählich  die  Meinung  festsetzte, 
die  deutsche  Art,  eine  Arbeit,  eine  That  zu  beurtheilen, 
beruhe  auf  einer  selbstgefälligen  Oberflächlichkeit,  so 
hätte  diese  Meinung  ihre  vollste  Berechtigung.  Bei  man- 
chen der  Besprechungen  der  Tagespresse  ist  ein  Ton  an- 
geschlagen, der  nicht  mehr  nur  die  Bezeichnung  „scharf" 
verdient. 

Es  ist  gewiss,  dass  man  vonseiten  des  italienischen 
Cbmites  der  ganzen  Angelegenheit  mit  etwas  mehr  Gründ- 
lichkeit hätte  begegnen  müssen.  Die  Frage:  „Ist  unser 
Land  heute,  zwei  Jahre  nach  dem  wenig  erfolgreichen 
Auftreten  in  Paris,  in  der  Lage,  sich  in  einen  ernsthaften 
Wettkampf  mit  dem  Auslande  einzulassen?“  wurde  offen- 
bar nicht  so  ernsthaft- erwogen,  wie  es  die  Lage  erheischte. 
Man  kannte  maassgebenden  Ortes  in  Turin  den  Stand  der 
eigenen  Leistungsfähigkeit  nicht  oder,  was  schlimmer  wäre, 
man  überschätzte  ihn  und  hat  auf  diese  Weise  für  die 
eigenen  Landsleute  eine  Lage  geschaffen , die  nichts 
weniger  als  angenehm  ist.  Die  Er&nntniss,  dass  in  Italien 
viel  zu  geschehen  habe,  um  es  wohlgerüstet  in  die  inter- 
nationale Arena  eintreten  zu  lassen,  wohnte  den  raaass- 
gebenden Persönlichkeiten  nicht  inne  oder  sie  spielte  keine 
Rolle.  Man  schickte  Kommissäre  in  aller  Herren  Länder, 
um  Einladungen  ergehen  zu  lassen.  Warum  schickte  man 

13.  September  1902. 


nicht  Personen,  welche  die  Verhältnisse  überblickten  und 
abriethen  von  einem  Wettkampfe,  der  mit  ganz  ungleichen 
Mitteln  ausgefochten  wird?  Schon  die  Art,  wie  die  Ein- 
ladungen vor  sich  gingen,  verrieth  wenig  sachliche  Ueber- 
legung,  sie  entbehrte  einer  sicheren,  zielbewussten,  organi- 
satorischen Kraft.  Wären  die  einladenden  italienischen 
Persönlichkeiten  über  die  Leistungsfähigkeit  ihrer  Lands- 
leute und  über  die  des  Auslandes  gleichzeitig  in  genügen- 
dem Maasse  durch  eigene  Anschauung  unterrichtet  ge- 
wesen, so  hätte  ein  „Abwinken“  die  nothwendige  Folge 
sein  müssen. 

Nun,  man  ging  nicht  zurück  oder  man  wollte  es  nicht 
und  lud  die  Welt  zu  Gaste.  Es  war  ja  schliesslich  ein 
Versuch,  den  man  machte,  und  Versuche  haben  unge- 
achtet aller  Mühe  und  Anstrengung  zuweilen  auch  die 
Eigenschaft,  dass  sie  fehlschlagen.  Aber  selbst  solche  Er- 
gebnisse bringen  oft  viel  Nutzen  und  Erkenntniss  mit  sich. 
Die  einsichtigen  Italiener  werden  aus  den  Thatsachen,  die 
ihre  Austeilung  gezeitigt  hat,  ihre  Schlüsse  ziehen.  Es  ist 
einer  der  grossen  Vorzüge  des  ganzen  Volkes,  dass  das, 
was  Andere  besser  machen,  bereitwilligst  anerkannt  wird. 
Der  Chauvinismus  ist  nicht  so  unangenehm  entwickelt, 
wie  an  manchem  anderen  Orte,  wo  das  berechtigte  Selbst- 
bewusstsein oft  unheimlich  nahe  an  die  Grenze  des 
Dünkels  herantritt.  Das  dürfte  bei  einigermaassen  kühler 
Ueberlegung  mit  zur  Geltung  kommen.  Man  unternahm 
italienischerseits  einen  Feldzug,  ohne  gerüstet  zu  sein, 
ohne  die  Stärke  der  inbetracht  kommenden  Gegner  zu 
kennen.  Das  dürften  die  maassgebenden  Persönlickeiten 
wohl  schon  selbst  eingesehen  haben  und  ihre  Folgerun- 
gen daraus  ziehen.  — 


479 


und  Berichte  (1870—79),  darin  enthalten  der  Generalbericht 
1873  mit  Beilagen  i— ii“  vor.  Es  sind  aber  noch  mehrere 
andere,  seiner  Feder  entstandene  Werke,  die  hier  kurz 
angeführt  werden  sollen,  ohne  aber  dass  beabsichtigt  wird, 
damit  etwas  Vollständiges  zu  bieten.  Er  veröffentlichte 
u.  a.  Gutachten  bezw.  über:  Die  Kanalisation  Berlins  1868 
und  über  die  Reinigung  und  Entwässerung  von  Danzig 
1865  schrieb  1869  unter  dem  Titel:  Kanalisation  oder 
Abfuhr,  eine  hygienische  Studie,  endlich  1876  in  der 
Deutschen  medizin.  Wochenschrift  eine  viel  gelesene 
Arbeit  über  Typhus  und  Städtereinigung.  In  den  8oer 
und  90  er  Jahren  ist  Virchow  als  Mitglied  der  Königlichen 
wissenschaftlichen  Deputation  für  das  Medizinalwesen 
dauernd  mit  Fragen  der  Städtereinigung  und  Wasserver- 
sorgung von  Städten  in  Berührung  gewesen  und  hat  in 
denselben  maassgebend  gewirkt,  wenn  auch  sein  Name 
dabei  weniger  an  die  Oeffentlichkeit  getreten  ist. 

Schliesslich  sei  noch  kurz  der  hervorragenden  Thätig- 
keit  Virchows  auf  dem  Gebiete  der  Alterthumskunde  ge- 
dacht. Seine  Autorität  war  es,  die  nach  einer  im  Jahre  187g 
ausgeführten  Reise  nach  der  Ausgrabungsstätte  von  Troja 
den  Ausgrabungen  Schliemanns  zu  der  bis  dahin  fehlen- 
den verdienten  Anerkennung  verhalf  und  dadurch  dem 
Vaterlande  Schätze  zuführte,  um  welche  andere  Nationen 
uns  beneiden, 

Alles  was  hier  angeführt  ist  war  aber  doch  nur  ein 
kleiner  Auszug  aus  dem  Wirken  eines  Mannes,  dessen 
Vielseitigkeit  und  Arbeitsreichthum  so  gewaltig  war,  wie 
das  nur  höchst  selten  ängetroffen  wird.  — 

James  Hobrecht  f . Ein  eigenes  Geschick  hat  es  gefügt, 
dass  am  Vorabend  des  Begräbnisses  Rudolf  Virchows, 
dessen  hohe  • Verdienste  um  das  Zustandekommen  der 
Kanalisation  von  Berlin  wir  vorstehend  gekennzeichnet 
haben,  auch  der  Mann  dahin  gegangen  ist,  dessen  Lebens- 
aufgabe es  gewesen  ist,  dieses  Riesenwerk  praktisch  durch- 
zuführen, eine  Arbeit,  die  ihm  die  Anerkennung  weitester 
Kreise  erwarb  und  seinen  Ruf  als  einer  Autorität  auf  dem 
Gebiete  des  Städtereinigungswesens  begründete,  sodass 
in  der  Folge  sein  Rath  im  In-  und  Auslande  bei  zahl- 
reichen Plänen  dieses  Gebietes  eingeholt  wurde. 

Am  Abend  des  8.  September  verstarb  in  Berlin  im 
77.  Lebensjahre  der  GeheimeBaurathDr.  James  Hobrecht, 
Stadtbrth.  a.  D.,  Stadtältester  der  Stadt  jBerlin  und  Ehren- 
bürger von  Darmstadt.  Am  31.  Dez.  1825  in  Memel  ge- 
boren, besuchte  er  in  Königsberg  das  Kollegium  Friede- 
ricianum,  legte  1845  das  Feldmesser -Examen  ab  und  be- 
zog 1847  zum  weiteren  Studium  die  Bauakademie  in  Berlin. 
Für  die  Stadt  Berlin,  wenn  auch  nicht  für  die  Stadt- 
verwaltung, war  er  schon  als  junger  Baumeister  beim 
Polizei- Präsidium  anfangs  der  60  er  Jahre  thätig  bei  Bear- 
beitung des  Bebauungsplanes  und  bei  Studien  für  sein 
späteres  Lebenswerk,  die  Entwässerung  Berlins  betreffend, 
für  welche  damals  die  Regierung  einen  Plan  aufstellen 
wollte.  Nach  öjähriger  Abwesenheit  in  Stettin,  wo  er 
das  neue  Wasserwerk  baute,  kehrte  er  endgiltig  nach 
Berlin  zurück,  um  dort  zunächst  die  Vorarbeiten  für  die 
Kanalisation  zu  übernehmen  und  1873  nach  Annahme 
seines  Planes  als  „Chefingenieur  der  Kanalisation“  in  den 
Dienst  der  Stadt  Berlin  zu  treten.  Als  1885  der  Stadt- 
baurath der  Tiefbau-Abtheilung  Rospatt  ausschied,  wurde 
ihm  das'  Amt  des  Stadtbaurathes  übertragen,  das  er  bis 
zum  Jahre  1897  versah.  Seitdem  lebte  er  zurückgezogen 
im  Kreise  seiner  Familie.  Hobrecht  war  Mitglied  der 
Akademie  des  Bauwesens,  lange  Jahre  ein  energischer 
'Vorsitzender  des  Berliner  Architekten- Vereins  und  als 
solcher  in  den  Jahren  1873 — 74  auch  Vorsitzender  des  jungen 
Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine. 

Mit  ihm  ist  eine  kraftvolle,  zielbewusste  Persönlichkeit 
hingegangen,  deren  eingehendere  Würdigung  als  Ingenieur 
und  als  Mensch  wir  uns  Vorbehalten.  — 


Preisbewerbungen. 

Zum  Wettbewerb  Wasserwerk  in  Kolberg  sind  uns 
einige  Fragen  zugegangen,  die  wir  zumtheil  aus  eigener 
Kenntniss  des  Sachverhalts  beantworten: 

1.  Gänzlich  verspätet  ist  bei  dem  Kolberger  Wettbe- 
werb der  Entwurf  mit  dem  Kennwort  „Himmel  und  Erde, 
Feuer  und  Wasser“  eingelaufen. 

2.  Die  ausgesetzte  Summe  von  6000  M.  ist  in  der  Weise 
vertheilt  worden,  dass  dem  besten  Entwurf  2500  M.  und  den 
an  zweiter  Stelle  bedachten  je  1750  M.  zugesprochen  sind. 

3.  Den  Ankauf  von  Entwürfen  für  je  600  M.  hat  das 
Preisgericht  nicht  empfohlen. 

Warum  das  Urtheil  des  Preisgerichtes  vom  Magistrat 
Kolberg  nicht  veröffentlicht  wird,  und  ob  den  ausgefallenen 
Bewerbern  auf  Antrag  der  Betrag  von  10  M.,  den  sie  für 
das  Programm  gezahlt  haben,  erstattet  wird,  wissen  wir 
aber  nicht. 

480 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Die  Versetzungen  des  Mar.-Ob.-Brths. 
Kretschmer  von  Berlin  nach  Kiel  und  des  Mar.-Schiffbmstrs, 
Eug.  Schmidt  von  Kiel  nach  Danzig  sind  aufgehoben.  Die 
Kommandirung  des  Mar.-Ob.-Brths.  Bockhacker  zur  Konstr.- 
Abth.  des  Reichs-Mar.-Amts  tritt  erst  am  24.  März  1903  in  Kraft. 
Der  Mar.-Ob.-Brth.  und  Schif fbau-Betr.-Dir.  Schwarz  wird  mit 
dem  I.  April  1903  vom  Reichs-Mar. -Amt  nach  Wilhelmshaven  und 
der  Mar.-Ob.-Brth.  und  Schiffb  -Betr.-Dir.  Krieger  von  Wilhelms- 
haven nach  Danzig  versetzt. 

Baden.  Dem  Baudir.  Ritter  in  Frankfurt  a.  M.  ist  das  Ritter- 
kreuz II.  KI.  des  Ordens  vom  Zähringer  Löwen  und  dem  Reg.-Bmstr. 
J 0 0 s bei  der  Eisenb.-Hauptwerkst.  ist  der  Tit.  Masch.-Insp.  verlieh  . 

Die  Ing.-Praktik.  Kerl  er  bei  der  Wasser- u.  Strassenb.-Insp. 
in  Emmendingen,  Schätzle  in  Offenburg  und  Schwarzmann 
in  Bonndorf,  Ganz  bei  der  Eisenb.-Inspi  in  Freiburg,  Stauffert 
in  Gernsbach,  Schröder  in  Ueberlingen  und  Michaelis  in 
Kehl  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt, 

Bayern.  Die  Staatsbauprakt.  Köb  er  bei  den  Eisenb.-Betr.-Dir. 
in  Nürnberg,  H ö 1 z e 1 in  Weiden,  Maser  in  Regensburg,  Bauer 
in  Bamberg  u.  Hennch  in  Würzburg  sind  zu  Eisenb.- Assess.  ernannt. 

Der  Ob.-Bauinsp.  El.  M.a rggraff  in  Augsburg  ist'nach  Nürn- 
berg, der  Ob.-Bauinsp.  Stettner  in  Schweinfurt  nach  Regens- 
burg und  der  Ob.-Bauinsp.  H 0 r n in  Würzburg  ist  s.  Ans.  entspr. 
auf  die  Dauer  i Jahres  In  den  Ruhestand  versetzt. 

Hessen.  Dem  Bauinsp.  Paul  bei  der  Abth.  für  Bauwesen 
des  Minist,  der  Finanzen  ist  der  Charakter  als  Bfth.  verliehen. 

Württemberg.  Dem  kais.  Geh.  Brth.  v.  Kapp  in  Stuttgart 
ist  die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  des  ihm  verlieh. 
Ritterkreuzes  der  franz.  Ehrenlegion  ertheilt. 

Der  Arch.  K.  J 0 0 s aus  Stuttgart  ist  gestorben. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  A.  W.  in  Burgwaldsiel.  Ihre  Sachdarstellung  ist  zum 
Gewinnen  eines  untrüglichen  Urtheils  unzureichend.  Derselben 
glauben  wir  indess  entnehmen  zu  können,  dass  es  sich  um  einen 
Neubau  an  einem  Wege  handelt,  welcher  für  Verkehrszwecke  an- 
gelegt ist,  ohne  die  Eigenschaft  einer  anbaufähigen  Strasse  zu  haben. 
Trifft  dies  zu,  so  wäre  die  Ortspolizeibehörde  berechtigt  (vielleicht 
sogar  verpflichtet)  gewesen,  Ihnen  den  Anbau  zu  untersagen,  bis 
das  weitläufige  Verfahren  beendet  war,  welches  die  Feststellung 
der  Strassenfluchtlinien  erfordert.-  Wurde  in  diesem  Verfahren  die 
Strassenflucht  auf  12,50  m,  wovon  je  2 m für  Füssteige  zu  ver- 
wenden seien,  festgestellt  worden  sein,  so  hätten  Sie  zweifellos 
die  Grundfläche  in  Breite  von  2 m unentgeltlich  hergeben  müssen, 
wofern  es  sich  nicht  etwa  um  eine  historische  Strasse  handelt, 
was  jedoch  nach  Ihrem  Sachvortrage  unwahrscheinlich  ist.  Durch 
den  Anbau  wächst  der  Verkehr  auf  dem  fraglichen  Wege  und  kann 
das  Bedürfniss  nach  Verbreiterung  und  Anlegung  von  Fussteigen 
sehr  wohl  erst  entstehen.  Seine  Befriedigung  rechtzeitig  zu  sichern, 
gehört  zu  den  Machtbefugnissen  der  Polizei.  Mithin  spricht  das 
Uebergewicht  der  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  Sie  vergeblich 
die  ortspolizeiliche  Verfügung  im  geordneten  Verfahren  angreifen 
werden,  welche  die  Anlage  eines  2 m breiten  Fussteiges  von  Ihnen 
verlangt,  Sind  Sie  zu  dessen  Einrichtung  verpflichtet,  so  haben  Sie 
wenig  Aussicht,  von  der  Gemeinde  die  Bezahlung  der  Grundfläche 
zu  erlangen,  welche  für  den  Fussteig  liegen  zu  bleiben  hat.  Auf 
nähere  Einzelheiten  einzngehen  verzichten  wir,  weil  dies  für  unsere 
Leser  ohne  Interesse  sein  dürfte  und  stellen  wir  Ihnen  anheim,  ein 
Rechtsgutachten  sich  zu  verschaffen,  welches  die  grosse  Menge  der 
Einzelheiten  beleuchtet,  welche  zur  vollständigen  Erledigung  Ihrer 
Frage  zu  prüfen  sind.  — ■ K.  H-e. 

Hrn.  K.  S.  in  Colmar,  i.  Durch  die  Verjährung  erwirbt  man 
zwar  dem  Nachbar  gegenüber  das  Recht,  nach  seinem  Grundstücke 
zu  genau  in  derselben  Lage  Fenster  wieder  anzubringen,  wie  solche 
das  alte  Gebäude  enthalten  hatte,  dagegen  ist  die  Ortspolizei  nicht 
verpflichtet,  das  Anbringen  von  Fenstern  in  der  Brandmauer  zu 
dulden.  Glaubt  die  Polizei  aus  Gründen  der  Feuersicherheit  in  der 
Brandmauer  des  Neubaues  das  Anbringen  von  Fenstern  untersagen 
zu  sollen,  so  würde  eine  etwaige  auf  Kraftloserklärung  dieser 
Untersagung  gerichtete  Klage  unfehlbar  der  Abweisung,  verfallen. 
Denn  die  Polizei  ist  nicht  verpflichtet,  die  durch  Verjährung  er- 
worbenen Nachbarrechte  bei  ihren  Maassnahmen  zu  berücksichtigen, 
da  das  öffentliche  Wohl  dem  Vortheile  des  Einzelnen  vorgeht  und 
sie  nur  zur  Hüterin  des  Gemeinwohles  bestellt  ist. 

2.  In  dem  von  Ihnen  als  Pfad  bezeichneten  Wege  hat  man  es 
scheinbar  mit  einem  Feldwege  zu  thun,  wofür  die  geringe  Breite 
von  I m spricht.  Ob  an  demselben  ein  Recht  zur  Benutzung  rechts- 
wirksam für  die  Anlieger  entstanden  ist,  würde  der  gründlichen 
Feststellung  bedürfen.  Die  Vermuthung  spricht  gegen  die  öffent- 
lich rechtliche  Natur  eines  so  winzigen  Pfades.  Nur  wenn  die 
hinterliegenden  Grundstücks-Besitzer  nachweisen  könnten,  an  die- 
sem Pfade  ein  Benutzungsrecht  zu  besitzen,  würden  sie  dessen 
Verbauen  widersprechen  dürfen.  Sein  Ueberbauen  müssten  sie 
gleichwohl  dulden,  wofern  der  Zugang  gleich  breit  und  mindestens 
so  hoch  angebracht  ist,  dass  Menschen  bequem  darunter  hinweg- 
können; denn  zum  Fahren  kann  ein  so  schmaler  Streifen  nicht  be- 
nutzt sein,  sodass  auf  die  Durchfahrt  von  Fahrzeugen  nicht  ge- 
rechnet zu  werden  braucht.  Sollte  man  es  in  dem  nur  i m breiten 
Streifen  nicht  vielleicht  nur  mit  einem  Bauabstand  zu  thun  haben?  — 
K.  H-e, 

Inhalt : Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Archi- 
tekten- und  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg  vom  i. — 3.  September  igoa 
(Fortsetzung).  — Von  der  I,  Internationalen  Ausstellung  für  dekorative  Kuast 
in  Turin,  III.  u.  IV.  — Vermischtes.  — Todtenschau,  — Preisbewerbungen.  — 
Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten.  — 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  intern.  Ausstellung  in  Turin. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  i.  V.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No,  74. 


ON  DER  I.  INTERNAT.  AUSSTELLUNG 
EUR  MODERNE  DEKORATIVE  KUNST 
IN  TURIN  * SACHS.  AUSSTELL.-RAUM, 
ARCH.  W.  KREIS  IN  DRESDEN  * * 
EINGANG  ZUR  KUNST-AUSSTELLUNG 
ARCH.  RAIMONDO  D'ARONCO  * * 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG  = 
^ XXXVI.  JAHRGANG  1902  - NO.  74  * 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  75.  Berlin,  den  17.  September  1902. 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Wir  erfüllen  hiermit  die  traurige  Pflicht,  die  Mitglieder  des  Verbandes  von  dem  am 
8.  d.  Mts.  im  77.  Lebensjahre  erfolgten  Ableben  unseres  langjährigen  Mitgliedes 

Dr.  James  Hobrecht  in  Berlin 

geziemend  in  Kenntniss  zu  setzen. 

Wenn  der  Entschlafene  sich  auch  schon  vor  einigen  Jahren  aus  dem  öffentlichen  Leben 
zurückzog,  so  hat  er  sich  doch  vor  allem  in  seinem  Lebenswerke,  der  Kanalisation  von  Berlin,  ein 
Denkmal  gesetzt,  das  seinen  Namen  als  den  eines  führenden  Geistes  auf  diesem  wichtigen  Gebiete 
der  Technik  dauernd  erhalten  wird. 

Im  Verbände  hat  der  Verstorbene  in  den  ersten  Jahren  nach  der  Gründung  desselben  als 
Vorsitzender  des  Vorortes  Berlin  ebenfalls  den  Vorsitz  geführt  und  späterhin  lange  Jahre  bei  den 
Arbeiten  des  Verbandes  einen  maassgebenden  Einfluss  ausgeübt. 

Mit  ihm  ist  ein  Mann  von  ausgeprägter  Persönlichkeit,  hoher  Begabung  und  vornehmer 
Gesinnung  dahingegangen.  Wir  werden  ihm  stets  ein  ehrendes  Andenken  bewahren.  — 

Dresden  - Berlin,  den  ii.  September  1902. 

Der  Verbands-Vorstand:  Waldow.  F.  Eiselen. 


Das  neue  Reform-Gymnasium  in  Weinheim  i.  B. 

Architekt:  Heinr.  Theod.  Schmidt  in  Frankfurt  a.  M.  die  Abbildungen  s.  483.) 


as  in  der  nachstehenden  Ansicht  mit  Grund- 
rissen dargestellte  Gymnasium  wurde  von 
Juli  1900  bis  September  1901  ausgeführt. 
Das  Gebäude,  welches  einen  schlichten 
winkelförmigen  Grundriss  zeigt,  enthält  in 
3 Geschossen  24  Lehrsäle,  Räume  für  Physik  und 
Ghemie,Lehrerzimmer,Bibliothek,Gesangssäle,Direktor- 
und  Lehrmittelzimmer  usw.  Ein  geräumiger  Zeichen- 
saal liegt  im  vierten  Obergeschoss  des  vortretenden 
Eingangsrisalites.  Eine  Haupt-  und  eine  Nebentreppe 
aus  Granit  vermitteln  den  Verkehr  der  Geschosse  unter 
einander;  eine  Wendeltreppe  der  gleichzeitig  als  Aula 
benutzten  Turnhalle  giebt  Zutritt  zu  der  Loggia  der- 
selben, die  ausserdem  vom  Physikzimmer  zugänglich  ist. 
Die  Korridore  haben  vor  den  Klassenzimmern  Erweite- 
rungen erfahren.  Die  Aborte  für  die  Lehrer  befinden 
sich  im  Inneren  des  Gebäudes,  die  für  die  Schüler  in 
einer  geschlossenen  Gruppe  in  einem  Anbau,  der 
von  innen  und  aussen  zugänglich  ist.  Auf  dem  Dach 
der  Schule  ist  ein  Observatorium  eingerichtet. 


Das  Haus  wurde  in  Backstein  errichtet,  die  archi- 
tektonischen Gliederungen  sindin  rothem  Sandstein  her- 
gestellt, von  welchem  sich  die  weissen  Putzflächen  und 
die  weissen  Fensterkreuze  wirkungsvoll  abheben.  Die 
Deckung  erfolgte  in  Schiefer.  Die  Maurer-  und  Sand- 
stein-Arbeiten wurden  von  G.  Hopp  in  Weinheim  ge- 
liefert, Säramtliche  Decken  sind  inHennebique-Bau weise 
von  der  Firma  Martenstein  & Josseaux  in  Frank- 
furt a.  M.  ausgeführt.  Von  der  gleichen  Firma  sind 
die  Fussböden  mit  Xylophal  belegt  worden.  Die 
Dampfniederdruck-Hcizung  richtete  Rud.  Otto  Meyer 
in  Hamburg  ein,  die  Dachdecker-Arbeiten  hatte  die 
Firma  Eschelbach  in  Frankfurt  a.  M.  übernommen. 
Die  Wasserleitung  legte  Emil  Koch  & Co.  in  Frank- 
furt a.  M.  an.  Alle  übrigen  Arbeiten  wurden  durch 
Weinheimer  Handwerker  ausgeführt. 

Die  Baukosten  des  im  Stile  einer  mit  modernen 
Einflüssen  versetzten  Renaissance  gehaltenen  Gebäudes 
haben  mit  Einfriedigung  und  Anlage  des  Schulhofes 
rd.  300  000  M.  betragen.  — 


Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ingen.- Vereine 
zu  Augsburg  vom  i. — 3.  September  1902. 


III.  Die  Vorträge.  (Fortsetzung.) 
b)  Was  schulden  wir  dem  Strassburger  Münster,  dem 
überlieferten  Meisterwerke  deutscher  Baukunst? 

(Nach  dem  Vortrage  des  Landbauinsp.  und  Münster-Baumeisters  a.  D. 

L.  Arntz  in  Schwarz-Rheindorf  bei  Bonn.) 

n glorreichem  Kampfe,  an  den  uns  der  heutige 
Sedantag  besonders  lebhaft  gemahnt,  gewannen  wir 
vor  32  Jahren  ein  theures  Heimathsgut  nach  180- 
jähriger  Entfremdung  wieder.  Das  Strassburger  Münster, 
jenes  Meisterwerk  deutscher  Baukunst,  kam  als  nationaler 
Besitz  an  das  neue  deutsche  Kaiserreich  zurück,  — ein 
gewaltiges  Denkmal  deutscher  Geschichte,  ein  herrliches 
Wahrzeichen  deutscher  Arbeit  und  deutscher  Liebe,  eine 
Kunstschöpfung,  welche,  gegründet  auf  den  Trümmern 
römischer  Kultur,  in  fortschreitender  Formensprache  eine 
Entwicklung  der  Bauweise  vom  Beginn  des  XI.  Jahrh. 
bis  zum  letzten  Ausklingen  im  XVII.  Jahrh.  aufweist.  An 
diesem  Bauwerk  hat  mancher  Werkgeselle  und  mancher 
Werkmeister  sein  Bestes  gethan  und  da  stets  angeknüpft, 
wo  das  Lebenswerk  seines  Vorgängers,  aufgehört.  Die  hier 
geleistete  technische  Arbeit  legt  beredtes  Zeugniss  ab  von 
der  grossartigen  Organisation  der  deutschen  Bauhütten, 
welche  mit  ihrer  künstlerischen  Thätigkeit  unser  Vaterland 
in  seinen  weitesten  Grenzen  umspannte. 


Nach  einem  30jährigen  Bruderkriege  wurde  irn  Jahre. 
1681  die  freie  Reichsstadt  Strassburg  durch  Verrath  vom 
deutschen  Reichsverbande  losgerissen  und  dem  „aller- 
christlichsten"  Könige  von  Frankreich  wurde  in  dem 
Münster  gehuldigt.  Das  Innere  des  Gotteshauses  erfuhr 
sodann  eine  durchgreifende  Umgestaltung,  um  Raum  für 
das  neu  dotirte  Domkapitel  zu  gewinnen.  Der  frühgothische 
Lettner  und  die  benachbarte,  von  Meister  Erwin  erbaute 
Marien -Kapelle  mit  dem  Altar  der  Strassburger  Hütte 
wurden  gänzlich  zerstört  An  die  einstige  Schönheit  der 
Anlage  erinnern  noch  einige  Bildwerke  und  wenige  Archi- 
tekturstücke, die  in  der  Krypta  eingemauert,  bei  der  späteren 
Restauration  des  Chores  zutage  kamen.  Bald  darauf  traf 
auch  die  Werkhütte  selbst  ein  harter  Schlag:  durch  Be- 
schluss des  deutschen  Reichstages  vom  Jahre  1707  und 
durch  wiederholten  Beschluss  vom  Jahre  1727  wurde  dem 
deutschen  Hüttenverbande  die  langgepflegte  Rechtsver- 
bindung mit  der  unter  französischem  Regiment  stehenden 
Strassburger  Haupthütte  verboten,  wodurch  dem  einstigen 
Vorort  in  Süddeutschiand  die  naturgemässe  Lebensader 
abgeschnitten  wurde.  Trotz  dieser  politischen  Maassregel 
hielt  die  Strassburger  Flütte  noch  Jahrzehnte  lang  mit 
grosser  Zähigkeit  an  den  alten  Ueberlieferungen  fest.  Mit 
der  Werthschätzung  der  Werkhütte  sank  natürlich  auch 
die  Achtung  vor  dem  Amte  des  Werkmeisters:  fremde 

481 


Architekten  wurden  z.  B.  mit  der  Ausführung  der  grossen 
Sakristei,  mit  dem  Umbau  des  Kreuzganges  und  des  an- 
schliessenden Bruderhofes  betraut.  Als  bei  dem  grossen 
Brande  im  Jahre  1759  der  gothiSche  Vierungsthurm  ein- 
gestürzt war,  wurde  die  neue  Plattform  der  Vierung  nach 
dem  Plane  des  kgl.  Architekten  Blondel  hergestellt, 
welcher  auch  den  ersten  Entwurf  zur  Freilegung  des 
Münsters  aufgestellt  hat.  Dieser  Entwurf  wurdeglücklicher- 
weise  nicht  verwirklicht,  dagegen  wurden  die  Kaufläden 
des  Frauenwerkes  an  .der  Süd-  und  Nordseite  des  Münsters 
zu  regelrechten  Arkaden  uragebaut,  und  zwar  nach  dem 
gothischen  Entwürfe  des  Werkmeisters  Lorenz  Götz,  der 
durch  diese  historischen  Mauerschranken  einen  sehr  schätz- 
baren Fusschutz  des  Bauwerkes  geschaffen  hat.  Dem- 
selben Werkmeister  verdanken  wir  auch  die  erste 
grössere  Aufnahme  des  Münsters.  Dieses  Dokument 
des  vorletzten  Meisters  der  alten  Strassburger  Dombau- 
hütte ist  eine  historische  Marke,  welche  den  Beginn  einer 
bewussten  Denkmalpflege  bezeichnet. 

Die  Stürme  der  französischen  Revolution  verschonten 
das  ehrwürdige  Bauwerk  nicht.  Das  Haus  Erwins  wurde 
bald  darauf  zum  Tempel  der  Vernunft  erklärt,  die  Güter  und 
Einkünfte  der  Frauenwerkstiftung  waren  eingezogen,  der 
Werkmeister  Anton  Klotz,  war  seines  Amtes  enthoben, 
die  Werkhütte  löste  sich  auf  — so  stand  das  Meisterwerlc 
deutscher  Baukunst  etwa  10  Jahre  hindurch  seines  Werk- 
meisters, seiner  Werkleute  beraubt.  Dann  folgte  der  Rück- 
schlag. Man  war  bestrebt,  die  öffentlichen  Denkmäler  unter 
den  gesetzlichen  Schutz  des  französischen  Volkes  zu  stellen 
und  der  neue  Rechtsbegriff  eines  nationalen  Denkmales  kam 
auch  dem  Strassburger  Münster  zu  Gute.  Ungemein  be- 
achtenswerth  ist  in  dieser  Hinsicht  der  Erlass  des  Prä- 
fekten Lözai  Marnesia  vomßi.  Januar  1811.  In  diesem 
wird  die  zeitgemässe  Reorganisation  der  Werkhütte  damit 
begründet,  dass  die  nothwendigen  und  wünschenswerthen 
Arbeiten  und  Lieferungen  zur  Erhaltung  des  nationalen  Bau- 
werkes niemals  irgend  welchem  Spekulationsgeiste  ver- 
fallen, oder  der  Gewinnsucht  eines  Unternehmers  Vorschub 
leisten  dürfen , dass  vielmehr  eine  solche  Baupflege 
anzustreben  sei,  welche  in  jeder  Hinsicht  die  tüchtige 
und  wirthschaftliche  Ausführung  der  Bauarbeiten  verbürge 
und  jedes  andere  Interesse  ausschliesse,  das  dem 
Zwecke  der  Frauenwerkstiftung  zuwider  laufe. 
Diese  einsichtsvolle  und  weitschauende  Organisation  sollte 
unter  staatlicher  Verwaltung  eingeleitet  werden.  Leider 
blieben  diese  ersten  Ansätze  einer  praktischen  Denkmal- 
pflege ohne  entsprechenden  Erfolg. 

Das  Programm  Lezai  Marnesias,  das  wir  heute  voll- 
auf zu  würdigen  wissen,  wurde  nicht  verwirklicht;  sehr 
bald  wurde  die  Verwaltung  des  Frauenwerkes  wiederum 
der  Stadtgemeinde  überlassen  und  das  Amt  des  Münster- 
Architekten  ward  zeitweise  mit  dem  des  städtischen 
Architekten  vereinigt.  Eine  andere  Wendung  schien  die 
Sache  zu  nehmen,  als  im  Jahre  1838  Gustav  Klotz  als 
selbstständiger  Architekt  des  Frauenwerkes  bestellt  wurde, 
welcher  sich  unstreitige  Verdienste  in  einem  langen,  fast 
42jährigen  Amte  erworben  hat.  Er  war  jedoch  oft  und 
in  wichtigen  Entscheidungen  durch  erschwerende  Ver- 
waltungsformen und  unberechtigte  fremde  Einflüsse  in 
seiner  technisdien  Amtsführung  beschränkt.  An  dieser 
Sachlage  hat  die  gesetzliche  Maassregel  vom  Jahre  1841 
„betreffend  den  Schutz  der  klassirten  Denkmäler  in 
Frankreich“  nichts  zu  ändern  vermocht.  Wie  Gustav 
Klotz  im  einzelnen  für  das  Interesse  des  seiner  Pflege 
anvertrauten  Bauwerkes  eingetreten,  davon  giebt  ein 
umfangreicher,  bis  1870  in  französischer  Sprache  gehal- 
tener amtlicher  Schriftverkehr  ein  recht  anschauliches 
Bild.  Schwere  Leidenstage  theilte  das  Münster  im  Jahre 
1870  mit  der  eingeschlossenen  Stadt.  Mancher  Schuss 
traf  das  Bauwerk,  zumal  an  der  Krone.  Am  26.  August 
zündete  ein  Bombenschus.s  das  Hauptdach,  dann  das 
Dach  der  Vierung.  Aber  Erwins  Werk  überstand  auch 
diese  Zeit. 

So  kam  das  Strassburger  Münster  an  Deutschland 
wieder  zurück,  als  ein  pflegebedürftiges  Bauwerk.  Indem 
es  als  nationaler  Besitz  an  das  neue  deutsche  Kaiserreich 
zurückfiel,  trat  dieses  damit  in  die  Rechte  und  die  Pflichten 
des  französischen  Volkes  ein.  Seitdem  schwand  ein  volles 
Mehscherialter  dahin.  Und  da  erscheint  die  Frage  wohl 
berechtigt,  was  schulden  wir  dem  Strassburger  Münster? 
Ist  die  grosse  Ehrenschuld  abgetragen,  die  unser  Volk  im 
Jahre  1870  übernommen?  Was  ist  seitdem  unter  deutscher 
Verwaltung  geschehen  zur  dauernden  Erhaltung  und  Stär- 
kung des  geistigen  Kapitals,  das  wir  als  nationale  Errungen- 
schaft von  den  Vätern  ererbt?  Was  schuldet  unser  Volk 
dem  Strassburger  Münster? 

Ich  erinnere  an  den  Beschluss  der  Wanderversamm- 
lung vom  Jahre  1880,  als  die  Vollendung  des  Strassburger 
Münsters  und  des  Ulmer  Münsters  infrage  staiid.  Es  wurde 

482 


die  Forderung-  aufgesteilt,  es  möchten  in  Zukunft,  wie 
einst  für  den  Kölner  Dom,  Geldmittel  beschafft  werden 
für  den  Weiterbau  anderer  deutscher  Baudenkmäler.  Da 
die  Frage  einer  Vollendung  des  Strassburger  Münsters 
noch  nicht  spruchreif  erschien,  sollte  der  Ausbau  des 
Ulmer  Münsters  zunächst  gefördert  werden.  In  der  That, 
der  Erfolg  blieb  nicht  aus,  zehn  Jahre  später  wurde  der 
Ulmer  Münsterthurra  vollendet.  Es  ist  m.  E.  wohl  an  der 
Zeit,  die  Strassburger  Frage  wieder  aufzurollen. 

Bereits  vor  7 Jahren  hielt  ich  mich  amtlich  verpflichtet, 
in  einer  Denkschrift  die  Nothwendigkeit  zu  begründen, 
das  Werk  Unser  lieben  Frauen  zu  Strassburg  auf  sicherer 
Unterlage  in  Verfolgung  klarer  Ziele  und  mit  angemesse- 
nen Mitteln  zu  pflegen.  Wiederholt  habe  ich  an  anderer 
Steile  auf  die  nachweisliche  Nothlage  des  Münsters  hin- 
gewiesen und  darzulegen  versucht,  dass  zu  der  verant- 
wortungsvollen und  schwierigen  Aufgabe  weder  Einsicht 
noch  guter  Wille,  noch  die  Arbeitskraft  eines  Einzelnen 
ausreiche,  dass  vielmehr  die  Durchführung  einer  werk- 
gemässen  Pflege  'vereinter^  Arbeitskräfte  bedürfe,  eine 
rechtlich  gesicherte  und  zweckentsprechende  Organisation 
erheische,  Der  vor  drei' Jahren  ausgesprochene  Gedanke, 
alle  Freunde  des  Münsters  zur  Theilnahme  an  der  Er- 
haltung des  Bauwerkes  äuf^urufen,  ist  kürzlich  an  Ort 
und  Stelle  aüfgegriffen  worden.  Hoffentlich  wächst  der 
neue  Verein  recht  bald  über  die  lokalen  Schranken  des 
Strassburger  Münsters  hinaus,  damit  der  Hauptzweck  auch 
erreicht  werde:  die  Erhaltung  des  Bauwerkes  als 
nationales  Besitzthum.  Werkthätige  Hilfe  kann  m.  E. 
am  ehesten  von  einem  nationalen  Verbände  er- 
wartet werden,  welcher  ganz  Deutschland  um- 
fasst. Und  so  wie  alle  - vaterländischen  Bauwerke  auf 
unsere  technische  Hilfe  angewiesen,  so  sind,  wenn  je  ein 
allgemeines  Interesse  vprliegt  an  der  dauernden  Erhal- 
tung deutscher  Bauwerke,  wir  deutschen  Bauleute  auch 
an  erster  Stelle  zur  rechtzeitigen  Hilfeleistung  da  ver- 
pflichtet, wo  Hilfe  npth  thut.  Wir  würden  uns  einer 
Pflichtversäumniss  schuldig  machen,  wollten  wir  nicht 
unsere  warnende  Stimme  da  erheben,  wo.  es  sich  um 
die  Erhaltung  eines  werthvollen  vaterländischen  Bau- 
werkes handelt.  Die  Verpflichtung,  auch  für  die  Erhal- 
tung des  Strassburger  Münsters  einzutreten,  liegt  also 
zweifellos  in  unserem  Beruf. 

Aus  der  wechselvollen  Geschichte  unserer  vaterländi- 
schen Bauwerke  müssen  wir  aber  auch  die  richtigen  Lehren 
ziehen.  Ein  angemessener  rechtlicher  Schutz  ist  das 
mindeste,  was  wir  fordern  müssen  bei  einem  Bauwerk,  das,- 
stände  es  unter  französischerVerwaltung,  dieWohlthat  eines 
ausgezeichneten  wirksamen  Schutzgesetzes  (1887)  gemessen 
würde.  Das  Strassburger  Münster  gehört  nicht  allein  einer 
einzelnen  Gemeinde,  auch  nicht  einem  einzelnen  Bundes- 
staate an,  es  gehört  dem  deutschen  Volke.  Das  deutsche 
Volk  im  Reichsverbande  aber  hat  mit  dem  Besitz  des 
Strassburger  Münsters  auch  die  Pflicht  gesetzlichen  Schutzes 
übernommen,  und  die  Reichsgesetzgebung  muss  da  er- 
gänzend einsetzen,  wo  die  dehnbaren  Bestimmungen  des 
veralteten  französischen  Gesetzes  von  1841  versagen.  Es 
bedarf  das  Maass  rechtlicher  Befugniss  und  der  pflicht- 
gemässen  Verantwortlichkeit  der  berufenen  Verwaltungs- 
organe einer  zweifellosen  Klarstellung  und  Abgrenzung; 
auch  wird  anzustreben  sein,  das  verantwortungsvolle  Amt 
eines  technischen  Pflegers  schon  im  Interesse  des  zu 
pflegenden  Baudenkmals  in  rechtlichen  Grenzen  wirksam 
auszustatten.  Selbstverständlich  ist  es,  dass  ein  solches 
Reichsgesetz,  in  dem  der  Rechtsgedanke  pflichtgemässer 
Denkmalpflege  zum  Ausdruck  kommen  muss,  sich  auch 
auf  alle  anderen  unter  unmittelbarer  oder  mittelbarer  Reichs- 
hoheit stehenden  geschichtlichen  Bauwerke  erstrecken 
müsste.  Ich  erinnere  hier  an  die  vielen  werthvollen  pro- 
fanen und  kirchlichen  Bauwerke  (Wehrbauten,  Kloster- 
und  Kirchenbauten),  die  durch  Einführung  der  Bundes- 
verfassung aus  militärfiskalischera  Besitz  in  den  des 
Deutschen  Reiches  übergegangen  sind. 

Aber  wir  schulden  dem  Strassburger  Münster  wohl 
mehr,  nicht  nur  einen  angemessenen  Gesetzesschutz,  sondern 
vielmehr  noch  eine  werkgemässe  technische  Pflege. 
Es  handelt  sich  eben  da  um  einen  pflegebedürftigen  Bau- 
organismus. Da  gilt  es  nicht  nur  für  jeden,  auch  den 
kleinsten  Bautheil,  welcher  der  Erhaltung  werth  erscheint, 
gesicherte  Lebensbedingungen  anzustreben,  es  handelt  sich 
auch  um  eine  künstlerischeBethätigung  bei  jedem  neu 
auftretenden  Baubedürfniss  im  Sinne  zweckentsprechen- 
der, wahrer  und  gesunder  Baukunst.  Diesen  Forderungen 
kann  nur  bei  einer  entsprechenden  Bauwirthschaft  genügt 
werden,  welcher  nicht  nur  die  rechtzeitige  Beschaffung 
der  erforderlichen  Geldmittel,  sondern  vor  allem  auch  die 
überaus  wichtige  Aufgabe  zufällt,  rechtzeitig  für  die  Her- 
anbildung geeigneter,  in  jeder  Hinsicht  vertrauenswürdiger 
Arbeitskräfte  Sorge  zu  tragen.  Eine  solche -Orgänisation 

No.  75. 


praktischer  Denkmalpflege  zu  schaffen,  ist  m.  E.  Aufgabe 
des  Deutschen  Reiches,  da  es  sich  hier  um  die  Erhaltung 
eines  deutschen  National-Besitzthutns  handelt.  Auch  das 
Strassburger  Münster  steht  unter  Reichshoheit,  die  Für- 
sorge für  seine  Pflege  muss  daher  auch  zur 
Reichssache  werden. 

Gleichzeitig  mit  der  Einstellung  von  Reichsmitteln  zur 
Erhaltung  unserer  vaterländischen  Baudenkmäler,  muss 


befindhchen  Bauwerkes  infrage  steht,  oder  wo  die  Orga- 
nisation eines  deutschen  Bundesstaates  nicht  ausreicht 
Ich  meine,  es  ist  an  der  Zeit,  den  einheitlichen  Reichs- 
gedanken durch  diese  gemeinsame  Arbeit  und 
t ürsorge  für  die  Zeugen  unserer  vaterländischen 
Geschichte  lebendig  und  lebenskräftig  zu  erhal- 
^n  und  so  für  die  Weiterentwicklung  unserer 

Kunst  die  nothwendigeUnterlage  sicher  zu  stellen. 


ijas  neue  Ketorm-tiymnaslum  in  Weinheim  1.  B. 


Architekt:  Heinr.  Theod.  Schmidt  in  Frankfurt  a.  M. 


eine  ständige  Reichsorganisation 
geschaffen  werden,  um  überall  da  nach  Maassgabe  des 
Bedürfnisses  rechtzeitig  einzugreifen , wo  die  Erhaltung 
emes  unter  Reichshoheit  stehenden  oder  im  Reichsbesitz 

Bücherschau. 

Der  städtische  Rheinhafen  Karlsruhe.  Festschrift  zur  Er- 
öffnungsfeier 1902.  G.  Braun’sche  Hofbuchdruckerei. 
In  schönem  Gewände  hat  die  Stadtverwaltung  von 
Karlsruhe  die  musterhaften  Einrichtungen  des  neuen  Rhein- 
hafens, dessen  Einweihung  einen  Theil  der  Feierlichkeiten 
zum  50-jähngen  Regierungsjubiläum  des  Grossherzogs 

17.  September  1902. 


Wir  alle,  die  wir  aus  allen  Theilen  unseres  Vater- 
landes hergewandert,  sind  berufen  an  diesen  Aufgaben 
mitzuarbeiten  und  unsere  verbundene  Kraft  für  dieselbe 

ei^sejzen.-  (Fortsetzung  folgt) 

Friedrich  bildeten,  im  Bilde  vorgeführt.  Die  Anlage  des 
Kanals  und  des  Rheinhafens  bei  Karlsruhe  stellt  sich  als 
Iheil  des  im  Werden  begriffenen  grossen  Werkes  der 
Fortführung  der  Schiffahrtsstrasse  des  Rheines  von  Man- 
heim nach  Süden,  zunächst  bis  Kehl-Strassburg,  dar.  Da 
man  hofft,  dass  von  diesem  Werke  nachhaltige  und  wohl- 
thatige  Einwirkungen  auf  die  wirthschaftiiehe  Lage  des 
Landes  ausgehen,  so  hat  sich  die  weitblickende  Karlsruher 


483 


Stadtverwaltung  nicht  gescheut,  jetzt  schon  grosse  Kosten 
für  ein  Unternehmen  aufzuwenden,,  welches  naturgemäss 
seine  Ertragsfähigkeit  erst  nach  Jahren  zeigen  wird.  Die 
Festschrift  gliedert  sich  in  4 Abschnitte:  I.  in  die  Bau- 
geschickte  des  Hafens  und  allgemeine  Betrachtungen  über 
die  wirthschaftliche  Lage  desselben,  von  dem  städt.  Hafen- 
direktor Hrn.  Sebold;  II.  in  die  Beschreibung  der  bau- 
lichen Anlagen  vom  Standpunkte  des  Ingenieurs,  vom 
grossherz.  Baurath  Hrn.  Rosshirt;  III.  in  die  Beschrei- 
bung der  Hafenhochbauten,  vom  städt.  Hochbauinsp.  Hrn. 
Stürzenacker  und  IV.  in  die  Schilderung  der  Betriebs- 
einrichtungen und  der  Erweiterungsbauten,  vom  städt.  Be- 
triebsdirektor Hrn.  Helck.  Dem  schönen  Werke  sind 
zahlreiche  Ansichten,  Konstruktions-Zeichnungen  und  Kar- 
ten beigegeben,  sodass  es  in  dieser  Form  ein  werthvolles 
Material  zum  Studium  ähnlicher  Ausführungen  bildet.  — 
Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten; 
Schuch , W.  Schildereien  und  Umrahmungen  im 
modernen  Stil.  Ein  Hilfsbuch  für  Schildermaler,  De- 
korationsmaler, Lackirer  usw.  Leipzig  1902.  Jüstel  & Göttel. 
Pr.  2,50  M. 

Siedek,  Rieh.,  k.  k.  Brfh.  Die  natürlichen  Normalprofile 
der  fliessenden  Gewässer.  Vortrag  gehalten  in  der 
Vollversammlung  des  Oesterr.  Ing.-  und  Arch.-Vereins  am 
35.  Januar  1502.  Wien  1902.  Wilhelm  BraumüIIer.  Pr.  1,40  M. 
Sonderbeilage  zu  Plathner,  Bauordnung  für  die  Stadt 
Hannover,  enthaltend  den  Plan  über  die  Zoneneintheilung. 
Hannover  1902.  Schmorl  & von  Seefeld  Nachf.  — 
Bebauungsplan  der  Umgebungen  Berlins.  Maasstab 
1:4000,  Abth.  VI.;  Feldmark  Charlottenburg.  Berlin  1902. 
Dietrich  Reimer  (Ernst  Vohsen).  Pr.  2 M. 

Borrmann  & Graul.  Die  Baukunst.  10.  Heft,  2.  Serie.  Der 
St.  Stephansdom  zu  Wien  von  Othmar  von  Leixner.  Berlin 
1902.  W.  Spemann.  Pr.  4 M. 

Conz,  G.,  Maler.  Lehrbuch  der  Perspektive.  2.  Auf]. 

Stuttgart  1902.  ' Konrad  Wittwer. 

Dennstedt,  M.,  Dr,  Prof.  Die  Feuersgefahr  im  Hause. 

Hamburg  1502.  Leopold  Voss.  Pr.  ,2,50  M. 

Dziobeck,  O.  D.  Lehrbuch  der  analytischen  Geo- 
metrie. 2.  Th.:  Analytische  Geometrie  des  Raumes. 
Braunschweig  1902.  A.  Graff.  Pr.  6 M. 

Ehlerding,  W.  Der  moderne  Schlosser.  I.  100  Geländer- 
gitter. Ravensburg  1902.  Otto  Maier.  Pr.  4 M. 


Preisbewerbungea. 

Einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  künstlerischen 
Buch-Elnband-Decken  schreibt  die  Leipziger  Buch- 
binderei A.-G.  vorm.  G.  Fritzsche  mit  Frist  zum 
25.  Oktober  d.  J.  aus.  Es  werden  verlangt  „in  origineller, 
moderner  Ornamentirung  bei  geschmackvoller  breiter 
Flächenbehandlung  und  Bezugnahme  auf  den  Inhalt“: 

I.  Einbanddecke  für  moderne  Belletristik  12  x 18  gfoss, 

II.  für  Volksausgaben  16x24'^“  gross,  III.  für  Fabrik-Kata- 
loge 22  X 30  cm  gross.  Für  jeden  dieser  3 Entwürfe 
sind  je  3 Preise  von  250,  150  und  100  M.  ausgesefzt; 
eine  Extra-Prämie  ‘voh'soo  M.  ist  ferner  für  den  hervor- 
ragendsten aller  Entwürfe  ausgeworfen,  deren  Vertheilung 
an  die  preisgekrönten  Arbeiten  oder  Verwendung  zum 
Ankauf  weiterer  Arbeiten  zu  je  50  M.  vom  Preisgericht 
jedoch  beschlossen  werden  kann.  Die  preisgekrönten  und 
angekauften  Entwürfe  werden  uneingeschränktes  Eigen- 
thum der  Firma.  Preisrichter  sind : Komm.-Rth.H.F  r i t z s c h e, 
Prof.  Honegger,  Dr.  Kautzsch,  Dir.  des  Buchgewerbe- 
Museums,  Prof.  Max  Klinger,  Dr.  Paul  Kühn,  sämmtlich 
in  Leipzig,  Alex.  Koch  in  Darmstadt  und  Prof.  Henry  van 
de  Velde  in  Weimar.  Auskunft  durch  die  ausschreibende 
Firma  und  die  Schriftleitung  der  „Deutschen  Kunst  und 
Dekoration“  in  Darmstadt.  — 

Zum  Wettbewerb  um  das  Titelblatt  zum  Bauernhauswerk 
(vergl.  No.  73,  Seite  472)  ist  berichtigend  zu  bemerken, 
dass  die  Züricher  Verlagsfirraa  nicht  Huber,  sondern 
Hofer  Sc  Co.  heisst.  — 


Chronik. 

Das  Feuerwehrdenkmal  der  Stadt  Berlin,  welches  nach 
einem  Entwürfe  des  Hrn.  Stadtbrth.  Ludwig  Hoffmann  und  unter 
Mitwirkung  des  Hrn.  Prof.  Aug.  Vogel  auf  dem  Mariannenpiatze 
errichtet  wird,  soll  gegen  Ende  Oktober  enthüllt  werden.  — 

Der  90.  Geburtstag  des  Architekturmalers  Rudolph  Alt 
ist  in  Goisern,  im  Salzkammergut,  festlich  begangen  worden.  Alt 
ist  der  älteste  Führer  der  Wiener  Sezession.  — 

Die  Einrichtung  eines  grossen  Hotels  in  St.  Moritz  im 
Engadin,  eines  Hauses  mit  400  Betten,  ist  mit  Rücksicht  auf  die 
im  nächsten  Jahre  zu  erwartende  Eröffnung  der  Albula-Bahn  in 
Angriff  genommen  worden.  — 

Ein  monumentaler  Brunnen  in  St.  Johann  wurde  auf  dem 
Rathhausplatze  nach  dem  preisgekrönten  Enlwuife  des  Bildhauers 
Cauer  in  Berlin  erlichtet.  — 

Die  Enthüllung  des  Richard  Wagner-Denkmals  ln  Berlin 
(Bildh.  Prof.  G.  Eberlein  in  Berlin)  ist  für  den  i.  0ktober  i9O3 
in  Aussicht  genommen.  — 

Für  das  Bismarck-Denkmal  in  Lübeck  wurde  ein  Entwurf 
des  Bildhauers  Hans  Hundrieser  in  Charlottenburg  gewählt, 

484 


welcher  io  dem  Wettbewerb  um  das  Hamburger  Bismarck-Denk-- 
mal  den  II.  Preis  gewann.  Während  die  Statue  unverändert  bleibt, 
wird  der  Sockel  eine  Umbildung  erfahren.  Die  Enthüllung  ist  für 
den  2.  September  1903  geplant. 

Eine  OzonisirungsanlagefürdasWasserwerkinPaderborn 
ist  am  6.  d.  M.  in  Betrieb  genommen  worden.  Es  ist  für  eine  stündl. 
Leistung  von  40 — 50  cbm  berechnet  und  reinigt  das  für  die  Wasser- 
versorgung der  Stadt  benutzte,  nicht  immer  ganz  einwandfreieWasser 
aus  3 Quellen.  Es  ist  dies  also  die  2.  derartige  Anlage  in  Deutschland. 

Eine  Thalsperre  zur  Verbesserung  der  Trinkwasser- 
Verhältnisse  der  Stadt  Nordhausen  soll  nach  Beschluss  der 
Stadtverordneten  - Versammlung  mit  einem  Kostenaufwande  von 
560  000  M.  im  Thyrathale  bei  Neustadt  erbaut  werden.  — 

Die  Ausführung  der  neuen  Hafenanlagen  in  Rosario  in 
Argentinien  ist  für  eine  Summe  von  44  Mill.  M.  dem  bekannten 
französischen  Eisenwerke  Schneider  & Cie.  in  Le  Creusot  über- 
tragen worden.  Die  Kaibauten  einschl.  der  Ausrüstung  sollen  in 
6 Jahren  beendet  sein.  — 

Mit  dem  Bau  der  Thalsperre  Dietharz-Tambach  bei  Gotha 

ist  begonnen  worden.  Die  Ausführung  derselben  mit  den  zuge- 
hörigen Nebenanlagen,  als  Vorteiche  mit  Messeinrichtung,  Rein- 
wasserfilter, Rohrleitungen  und  Wegebauten,  ist  der  Firma  Wind- 
schild  & Langeiott  in  Cossebaude  bei  Dresden  für  die  Summe 
von  471563  M.  übertragen  worden.  — 

Die  bekannte  älteste  Gusseisenbrücke  grösserer  Spann- 
weite in  England,  die  über  den  Severn  bei  Coalbrookdale  (ge- 
nauer bei  dem  Orte  Ironbridge)  führende,  etwas  über  3c  m weit 
gespannte,  in  den  Jahren  1776—79  erbaute  Bogenbrücke,  die  seit 
jener  Zeit  ununterbrochen  dem  schweren  Lastverkehr  gedient  hat, 
ist  vor  kurzem  durch  plötzlichen  Bruch  der  Hauptträger  unbrauchbar 
geworden.  Die  Brücke  besass  eine  Breite  von  etwa  6,5  m zwischen 
den  Geländern,  eine  Höhe  von  rd.  12  m und  ein  Gewicht  von  rd. 
380  t.  Mit  ihr  wird  eine  in  der  Geschichte  des  Brückenbaues  be- 
deutsame Erscheinung  verschwinden.  — 

Der  Neubau  der  Alexandrlnenschule  zu  Koburg,  welcher 
zufolge  einer  Stiftung  der  Herzogin  Alexandrine  nach  dem  Entwuff 
des  Arch.  A.  Ludwig  in  Leipzig  errichtet  wurde,  ist  am  18.  August 
eingeweiht  worden.  — 

Ein  neues  Ministerial- Gebäude  in  Rudolstadt  ist  ain 
6.  d.  M.  in  Benutzung  genommen  worden.  Der  Entwurf  wurde 
seiner  Zelt  durch  einen  Wettbewerb  innerhalb  des  Berliner  Archl- 
Vereins  gewonnen  und  ist  das  Werk  des  Hrn.  Reg.-Bmstrs.  Adolf 
Hartung  in  Berlin.  Die  örtliche  und  geschäftliche  Bauleitung  1^ 
in  den  Händen  des  Hrn.  Reg.-ßmstr.  A.  Holtmeyer.  Die  Bau- 
kosten beliefen  sich  auf  rd.  420000  M.  — • 

Zwei  neue  katholische  Kirchen  in  Alt-Tarnowitz  und  ih 
Bobrek  Ob.-Schl.  von  Hrn.  Arch.  Schneider  in  Oppeln  ent- 
worfen und  unter  seiner  Leitung  ausgeführt,  sind  am  25.  bez'vf. 
30.  August  geweiht  worden.  Beide  sind  dreischiffige  romaniscl^e 
Kirchen.  Die  erstere  eine  gewölbte -Hallenkirche  in  Haustein-Aus- 
führung im  Aeusseren,  Putz  im  Inneren,  fasst  1500  Personen  und 
kostet  etwa  140000  M ; die  andere  eine  Basilika- Anlage  ih  Back- 
steinfugenbau, kann  etwa  2500  Besucher  aufnehmen  und  stellt  , sich 
auf  200000  M.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Mehreren  Beschwerdeführern  wiederholen  wir  unsere  Ant- 
wort aus  No.  72,  Es  ist  bei  der  üblichen  Art  der  Beförderung 
der  postalischen  Krenzbaudsendungen  im  Briefbeute]  nicht  zu  ver- 
meiden, dass  unsere  Zeitung  bisweilen  in  etwas  zerknittertem  Zu- 
stande in  die  Hände  der  Abonnenten  gelangt,  welche  dieselbe  un- 
mittelbar bei  unserer  Expedition  als  Kreuzbandsendung  bestellt 
haben;  die  Briefträger  pflegen  auch  um  die  sortirten  Sendungen 
Bindfaden  zu  schnüren,  wodurch  die  grösseren  Formale  eingerissen 
werden.  Um  die  Beschädigung  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu 
vermeiden,  empfiehlt  sich  der  Versuch  einer  Bestellung  nach 
der  Postzeitungsliste  unmittelbar  bei  dem  zuständigen 
Postamte  des  Wohnortes  des  Bestellers.  Die  Zeitung  wird 
dann  im  Zeitungsballen  befördert,  leidet  weniger,  kommt  zur 
gleichen  Zeit  an  und  es  tritt  für  den  Besteller  noch  eine  kleine 
Ersparniss  durch  den  Fortfall  des  Betrages  für  die  Postanweisung  ein. 

Kamenz  i.  Sa.  Nach  heutigem  Rechte  ist  Jeder  für  die  von 
ihm  begangenen  Fehler  verantwortlich.  Hat  ein  Baukundiger  einen 
solchen  begangen,  so  kann  er  sich  von  der  Verantwortlichkeit  nicht 
dadurch,  befreien,  dass  der  Maurerpolier  den  Fehler  hätte  merken 
können,  wenn  er  die  Zeichnung  mit  der  Bauzeichnung  verglichen 
oder  sich  ausschliesslich  nach  letzterer  gerichtet  haben  würde.  Der 
Bauherr  kann  sich  nur,  an  den  Bauleiter  halten;  letzterer  jedoch 
wegen  seines  Aufwandes  auf  den  Techniker  zurückgreifen.  Den 
Schadenbetrag  können  wir  nicht  beziffern;  er  beläuft  sich  auf  den- 
jenigen Betrag,  welcher  zur  Beseitigung  des  Fehlers  und  Herstellung 
einer  fehlerfreien  Fassade  ahfgewendet  werden  musste.  — K.  H-e. 

Hrn.  Stdtbmstr.  H.  in  R.  Wir  müssen  Sie  mit  Ihrer  An- 
frage, die  des  allgemeineren  Interesses  entbehrt,  auf  den  Anzelgen- 
theil  verweisen.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Nach  dem  Brande  des  S emper’ sehen  Hof theat er s in 
Dresden  wurde  für  die  einstweiligen  Theaterbedürfnisse  ein  Inte- 
rimstheater errichtet,  welchem  in  Anlage  und  Akustik  werth volle 
Eigenschaften  nachgerühmt  wurden.  Leider  haben  vielfache  Be- 
mühungen nicht  dazu  gefülixt,  die  Pläne  für  diese  Anlage  ausfindig 
zu  machen.  Ist  einer  der  Leser  in  der  Lage  angeben  zu  können,  ob 
die  Pläne  noch  erhalten  sind,  wo  sie  sien  befinden  oder  ob  sie  viel- 
leicht irgendwo  veröffentlicht  sind?  H.  in  B. 

Inhalt:  Verband  deutscher  Arch.-  uod  Ing.-Vereine.  — Das  neue 
Reform-Gymnasium  in  Weioheim  i.  B.  — Die  XV.  Waoderversammlung 
des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg 
vom  1.— 3.  September  1902.  (Fortsetzung).  — Bücherschau.  — Preis- 
bewerbungen.  — Chronik.  — Brief-  und  Fraeekasten, 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort],  i.  V.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  75, 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN 
sssr«r<s!i9!!s!sfs!srats: 


ftSSrSÄSrsrsrsrsts:  «tatst 

AUZEITUNG. 

GANG.  H!  H«  N2;  76.  ^ 
DEN  20.  SEPT.  1902. 
«tat  «tat  «tat  «tat  «tat  «tat  «tat 


Berliner  Neubauten. 

No.  105.  Das  Bankgebäude  der  Disconto-Gesellschaft. 

Architekt:  Kgl,  Hof-Baarath  L.  Heim  in  Berlin. 

(Hierzu  eine  Bildbeüag-e  und  die  Abbildungen  auf  Seite  488  und  489) 


las  Bankgebäude  der  Disconto-Gesellschaft  in 
■!  Berlin  war  bis  zum  Jahre  i8^  auf  drei 
^ Grundstücke  vertheilt,  nämlich:  Unter  den 
j Linden  35,  Charlottenstrasse  36  und  Behren- 
' Strasse  43/44.  Die  ältesten  Gebäude  be- 
deckten das  Grundstück  Bchrenstrasse  43/44.  Hier 
befanden  sich  die  Kassen  und  Korrespondenzräume, 
auch  die  Dienstwohnungen  in  Gebäuden,  welche  ab- 
gesehen von  einem  älteren  von  Hitzig  umgebauten 
Vorderhause,  meist  nur  ein-  und  zweigeschossig  waren 
und  eine  sehr  mangelhafte  Ausnützung  des  Geländes 
darstellten.  Demnächst  war  durch  die  Firma  Ende  & 
Böckmann  ein  Gebäude  an  der  Charlottenstrasse  er- 
richtet worden,  welches  zu  Dienstwohnungen  und  auch 
als  Couponkasse  diente  und  wegen  der  geringen  Breite 
der  Charlottenstrasse  auch  eine  nur  beschränkte  Höhe 
hatte.  Schliesslich  war  etwa  im  Jahre  1889  ein  neues 
Gebäude  von  der  Firma  Ende  & Böckmann  auf  dem 
Grundstück  Unter  den  Linden  errichtet  worden,  welches 


im  Erdgeschoss  die  Wechselstube  enthält,  im  L Ober- 
geschoss die  Räume  der  Geschäftsinhaber,  darüber 
verschiedene  Spezial-Büreaus.  (D.  ßztg.  1892,  No.  9.) 

Bei  der  Disconto-Gesellschaft  befindet  sich  die 
besondere  Einrichtung,  dass  neben  der  geschäftsfüh- 
renden Direktion  die  Geschäftsinhaber  einen  maass- 
gebenden Einfluss  auf  die  Geschäftsleitung  ausüben. 

Die  Unzulänglichkeit  der  Kassen-,  Effekten-Büreaus 
und  Tresore  führte  1898/99  zur  Aufstellung  eines 
Neubau-Entwurfes  durch  den  kgl.  Hof-Baurath  L.  Heim 
in  Berlin.  Nach  diesem  Entwürfe  ist  eine  Vereinheit- 
lichung der  drei  Grundstücke  entstanden;  es  stellen 
gegenwärtig  die  Gebäude  ein  organisch  verbundenes 
Ganze  dar.  Der  Schwerpunkt  der  Baugruppe  ist  nach 
der  Be^enstrasse  verlegt  worden  und  es  sind  hier 
über  einem  Untergeschoss  dreigeschossige  Gebäude 
errichtet,  welche  vier  Höfe  umschliessen.  Der  rechte 
Vorderhof  ist  zum  Kassensaal  für  Haupt-,  Wechsel- 
und  Effektenkasse  ausgebildet,  der  linke  Vorderhof  ist 


485 


theiiweise  zur  Cduponkasse  verwerthet.  Die  genannten  stein  und  L.  Sobotta;  für  die  Werksteinarbeiteri  der 
beiden  grossen  Kassenräume  liegen  zu  beiden  Seiten  Fassade,  wie  des  Treppenhauses  und  der  Kassensäle 
eines  Mitteltraktes,  der  die  Haupttreppe,  die  Beamten-  einschliesslich  der  Bildhauer- Arbeiten:  Hof-Steinmetz- 
treppe und  die  Fahrstühle  enthält.  Mstr.  Wimmel  & Co.  — 

Im  Untergeschoss  befinden  sich  ausgedehnte  Gar-  Die  hauptsächlichsten  Bauhandwerker  waren  für 
derobenräume  und  Klosets.  für  die  im  Erdgeschoss  die  Maurer- und  Zimmerarbeiten : Wittling  & Güld- 
beschäftigten  Beamten;  auch  liegt  hier  unter  dem  ner;  für  Be- und  Entwässerungs-Anlagen:  Börner 
Hauptkassensaal  der  grosse  Banktresor,  anschliessend  Herzberg;  für  Heizungs- Anlagen:  Herrn.  Lieb  au  in 
daran  ausgedehnte  Büreaus  zur  Bearbeitung  der  Effek-  Magdeburg-Sudenburg;  für  Eisenkonstruktionen:  Dort- 
ten  unterhalb  der  an  die  Kassen  anschliessenden  munder  Union,  Bretschneider  & Krügner,  J.  Chr. 
Effektenbüreaus  und  mit  diesen  unmittelbar  durch  eine  Schultze  & Sohn;  für  die  Bank-Tresor-Anlagen  und 
gesonderte  . Treppenanlage  verbunden.  Ausserdem  dasArchiv:  S.J.  Arnheim;  für  dieSafes-Anlage: Goetz 
enthält  das  Untergeschoss  Wohnungen  für  den  Portier,  & Go.  in  Stuttgart;  für  die  Stuckmarmor-  undTerrazzo- 
den  Maschinisten  und  für  zwei  Kassenboten,  auch  eine  Arbeiten:  Gebrüder  Axerio;  für  die  Bautischler-Ar- 
geräumige  Kantine  zur  Verpflegung  der  Beamten, 
schliesslich  die  Heizungs-  und  Ventilations-Anlage. 

Die  Anordnung  des  Erdgeschosses  ist  aus  der 
Abbildg.  S.  488  ersichtlich,  insonderheit  die  Raum- 
eintheilung  der  Kassen,  Botenzimmer  usw.,  sowie 
die  Lage  der  ausgedehnten  Effekten-Büreaus.  In 
dem  Gebäude  Unter  den  Linden  befindet  sich,  wie 
schon  vor  der  Ausführung  des  Neubaues  Behren- 
strasse, die  Wechselstube  in  Verbindung  mit  den 
Effekten-Büreaus;  Im  Zusammenhänge  mit  der 
Wechselstube  werden  im  Untergeschoss  daselbst 
Privattresors  angelegt. 

Im  I.  Obergeschoss  befinden  sieh  zunächst 
der  Behrenstrasse  die  gemeinsamen  und  privaten 
Arbeitszimmer  der  Direktoren,  ein  Konferenz- 
zimmer und  die  nöthigen  Sprechzimmer;  An- 
schliessend 'daran  Korrespondenz-,  Börsen-  und 
Devisen-Büreaus;  eine  breite  Korridor- Verbindung 
stellt  den  Zusammenhang  mit  den  Räumen  der 
Geschäftsinhaber  her,  die  Unter  den  Linden  ver- 
blieben sind.  Im  II.  Obergeschoss  befinden  sich 
die  Buchhalterei  und  die  Spezial-Büreaus,  beson- 
ders auch  dieBüreaus  verschiedener  Gesellschaften, 
welche  mit  der  Disconto-Gesellschaft  im  engsten 
Zusammenhänge  stehen. 

DieFassadesowohlwiederHauptkassensaalund 
das  anschliessende  Treppenhaus  (s.  die  Bildbeilage) 
mit  den  Seiten-Korridoren  sind  in  weissem,  schlesi- 
schem Sandstein  mit  reicher  Bildhauerarbeit  durch- 
geführt. Die  Wandflächen  der  Kassen  mit  den 
anschliessenden  Büreaus  sind  in  Stuckmarmor  ge- 
halten, ebenso  die  gewölbten  oberen  Hauptkorri- 
dore. Die  Ausstattung  der  gesammten  Kassen- 
räume, sowie  derjenigen  Räume,  welche  sich  an 
das  Haupttreppenhaus  anschliessen,  ist  in  Maha- 
goniholz erfolgt.  Die  massiv  hergestellten  Decken 
sind  durchweg  hell  gehalten  und  zeigen  wie  das 
Aeussere  Renaissance-Formen. 

Das  Aeussere  sowohl  wie  der  Hauptkassensaal 
nebst  dem  anschliessenden  Treppenhause  und  den 
Vestibülen  sind  von  monumentaler  Wirkung.  Der 
bildnerische,,  Schmuck  des  Aeusseren  findet  im 
Inneren  eine  gesteigerte  Fortsetzung,  die  sich  nicht 
nur  in  der  Architektur  der  Wände  und  Stützen, 
in  der  Architektur  der  Treppenläufe  und  Decken, 
sondern  auch  in  den  reichen  Möbeln,  den  Ver- 
glasungen, Baikonen,  Heizungsgittern  usw.  wie  

in  der  Ausstattung  des  Ausbaues  kundgiebt.  Das  Haupttreppenhaus. 

Die  Fussböden  der  öffentlichen  Räume  sind  in  _ t u>i  rr 

Terrazzo  bezw.  Stiftenmosaik  ausgeführt,  die  Büreau-  beiten:  A.  Bünger,  Flatow  & Priemer,  J.^C.  Pfait, 
räume  haben  Linoleumbelag  erhalten,  auf  welchen  in  C.  Klempau,  Chr.  Bormann,  Lübnitz  & Reese; 
den  Räumen  der  Direktion  Teppiche  gelegt  sind.  Ab-  für  die  Schlosserarbeitp:  A.  L._  Benecke;|für  die 
gesehen  von  dem  Unter  den  Linden  vorhandenen  elektrischen  Anlagen;  die  Union  in  Berlin;  für^die  Auf- 
Sitzungssaale  ist  ein  zweiter  grösserer  Sitzungssaal  zugsarbeiten:  Berlin  - Anhalter  Maschmenbau- 
ira  Erdgeschoss  an  der  Behrenstrasse  mit  Berathungs-  Aktiengesellschaft;^  für  die  Kunstverglasungen, 
zimmer  und  Toilettenraum  den  Bedürfnissen  ent-  Spinn  & Co/,  für  die  gewöhnlichen  Verglasun^n. 
sprechend  eingerichtet  worden.  Im  Dachgeschoss,  Albert  Schmidt;  für  die  Telephon-  und  elektusc^n 
dessen  Decke  ebenfalls  gewölbt  ist,  befindet  sich  das  Schwachstrom- Anlagen:  Mix  & Genest;  für  die  Be- 
Archiv  leuchtungskörper;  Schäffer  & Walcker,  Frost  & 

Als  künsüerische  Mitarbeiter  am  Bau  haben  sich  Söhne,  Kray  & Co.;  für  die  inneren  Einrichtungen: 
bethätigt  in  hervorragender  Weise  als  Architekt:  Hr.  Hermann  Gerson,  Gebr.Bauer,  Flatow  & Priemer. 
R.  Wirth-  für  die  Modelle  der  Bildhauerarbeiten  die  Ueber  die  interessante  Oberlicht-Ausbildung  über 
Hrn.  Zeyer  & Drechsler;  als  Ziseleure  für  Bronze-  dem  Hauptkassenhofe  mit  grossen,  durch  seitliche  Ver- 
Arbeiten  die  Hrn.  Gustav  Lind  und  Wilhelm  Arndt;  Schiebung  der  Konstruktion  frei  zu  legenden  Lüftungs- 
für  Bronzearbeiten;  S.A.Loevy;  als  Maler:  M.Boden-  Oeffnungen  berichten  wir  gesondert.  — 

486 


No.  76. 


Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ingen.- Vereine 
zu  Augsburg  vom  i. — 3.  September  1902. 


III.  Die  Vorträge.  (Fortsetzung.) 
c)  Augsburgs  bauliche  Entwicklung. 

(Nach  dem  Vortrage  des  Hrn.  städt.  Ob.-Baurath  Steinhäusser 
in  Augsburg.) 

ES  giebt  wohl  wenig  Städte  in  unserem  grossen  deutschen 
Vaterlande,  die  in  der  Geschichte  einen  so  bedeuten- 
den Namen  gehabt  haben,  wie  Augsburg.  Die  Ge- 
schichte ihrer  Künste  und  Gewerbe  ist  reicher  an  grossen 
Zeugnissen,  als  die  Geschichte  jeder  anderen  Stadt,  und  es 
darf  als  keine  gewagte  lokalpatriotische  Ueberhebung  be- 
zeichnet werden,  wenn  Dr.  Grossmann  in  seiner  Broschüre 
über  die  Entwicklung  der  Augsburger  Industrie  selbst 
Nürnberg  hiervon  nicht  ausnimmt. 

Dem  Gewerbefleisse  seiner  Bewohner,  der  Schaffens 
kraft  und  Unternehmungslust  seiner  Bürger  verdankte 
einst  Augsburg  die  herrliche  Blüthe,  den  weithin  leuchten- 
den Glanz  seines  Ruhmes  im  Mittelalter.  Ende  des  i6.  Jahr- 
hunderts hatte  die  Stadt  den  Höhepunkt  ihres  Reichthums 
und  ihrer  Macht  erreicht.  Mit  dem  30-jährigen  Kriege  be- 
ginnt ein  Rückgang  und  die  frühere  Machtstellung  wurde 
nicht  wieder  erlangt. 

Aber  Augsburg  war  nicht  blos  eine  reiche  Handels- 
und Gewerbestadt,  die  lange  Zeit  in  dem  politischen  Ge- 
füge des  deutschen  Reiches  eine  hervorragende  Stellung 
einnahm,  sie  hat  auch  eine  lange  Reihe  von  Generationen 
hindurch  bis  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  .der  deutschen 
Kunst  und  dem  deutschen  Kunstgewerbe  eine  leitende 
Rolle  gespielt,  und  den  sprechenden  Zeugen  davon  be- 
gegnen wir  heutzutage  noch  auf  Schritt  und  Tritt  in  den 
Strassen  der  Stadt  und  in  unserenMuseen.  Wir  dürfen  wohl 
sagen,  es  war  der  Mittelpunkt  aller  künstlerischen  und 
wissenschaftlichen  Bestrebungen.  Das  ist  aber  unbestritten, 
dass  Augsburg  damals  wohl  die  reichste  aller  deutschen 
Städte  war.  Augsburger  Pracht  war  sprichwörtlich  und 
Augsburger  Geld  rollte  befruchtend  in  allen  Ländern 
Europas.  Die  wichtigste  Industrie  war  schon  damals  die 
Weberei,  daneben  Färberei  und  Tuchdruckerei.  Bekannt 
sind  die  Bergbau-Unternehmungen  der  Fugger  in  Ungarn, 
Spanien,  Tirol  und  anderen  österreichischen  Ländern. 
Andere  Augsburger  Bürger  folgten  ihnen  und  selbst  in 
England  wurden  Bergwerke  mit  Augsburger  Geld  betrieben. 

Diese  Stellung  Augsburgs  in  der  Welt  lässt  es  be- 
greiflich erscheinen,  dass  auf  die  äussere  Ausgestaltung 
der  Stadt  von  ihren  Burgern  ungemein  viel  gehalten  wurde, 
sodass  sie  von  vielen  Besuchern  der  damaligen  Zeit  als 
die  schönste  Stadt  Deutschlands  gepriesen  wurde.  Es  mag 
dies  aber  auch  kein  Wunder  gewesen  sein,  wenn  man  zu- 
nächst die  für  die  damaligen  Verhältnisse  ausserordentliche 
Breite  der  Strassen  und  Grösse  der  Plätze  inbetracht  zieht 
und  bedenkt,  dass  jedes  Haus  von  den  besten  Künstlern 
der  Zeit  im  Aeusseren  bemalt  war. 

Neben  der  Pracht  hielt  man  aber  auch  auf  die  Sicher- 
heit der  Stadt,  auf  gute  Befestigung,  denn  ihre  Reich- 
thümer  waren  nur  zu  sehr  geeignet,  die  Begehrlichkeit 
herauszufordern. 

Schon  frühzeitig  hielten  ferner  die  Reichsstädte  sehr 
viel  auf  sanitäre  Einrichtungen,  insbesondere  auf  eine 
Versorgung  mit  gutem  Trinkwasser  und  es  gehört  Augs- 
burg zu  den  wenigen  Städten,  die  schon  im  15.  Jahrh.  eine 
öffentliche  und  allgemeine  Trinkwasser-Versorgung  batten. 
Am  Anfang  des  ,17.  Jahrhunderts  wurden  später  von  Elias 
Holl  an  verschiedenen  Punkten  der  inneren  und  äusseren 
Stadtumwallung  besondere  Wasserthürme  erbaut,  in  weiche 
das  Wasser  hydraulisch  gehoben  und  von  da  in  die  ver- 
schiedenen Rohrleitungen  aus  Holz  und  Metall  vertheilt 
wurde.  Zur  Wasserbeschaffung  selbst  dienten  mehrere 
der  minder  entfernten  Quellbäche  vor  den  Thoren  der 
Stadt.  Eine  weitere  sanitäre  Maassregel  war  die  schon 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  erfolgende  Verlegung  der 
Friedhöfe  aus  der  Stadt,  die  Entfernung  der  Schlacht- 
häuser aus  dem  Stadtinneren  usw. 

Die  Anlage  grosser  breiter  Strassen  und  Plätze  spielte 
schon  bei  unseren  Vorfahren  eine  Rolle  und  für  die  Be- 
dürfnisse des  Verkehrs  hatten  sie  immer  offene  Augen. 
Die  besondere  Steilung  .Augsburgs  als  Ort  zahlreicher 
Reichstage,  der  häufige  Besuch  der  Fürsten  mit  gewal- 
tigem Gefolge  zwang  allerdings  zu  solchen  Maassregeln. 

Auch  auf  grosse  Gärten  innerhalb  der  Stadt  wurde 
grosser  Werth  gelegt  und  darin  war  Augsburg  wohl  allen 
Städten  voran.  Selbst  das  heutige  Augsburg  zehrt  noch 
von  diesen  Annehmlichkeiten.  Schöne  Gärten  waren 
Lieblingskinder  der  reichen  Bevölkerung  Augsburgs  und 
so  kam  es,  dass  mit  wenigen  Ausnahmen  im  Inneren  der 
Stadt,  namentlich  in  den  unteren  Handwerkervierteln  an 

20.  September  1902. 


den  Lechkanälen  und  in  der  Jakober-Vorstadt  keine  in- 
tensiv enge  Bebauung  stattfand,  wie  man  das  sonst  von 
alten  Städten  gewohnt  ist. 

Unter  solch’  günstigen  Verhältnissen  wie  sie  im  alten 
Augsburg  Vorlagen,  wo  der  riesige  Handel  den  ganzen 
damaligen  Weltmarkt  beherrschte,  wo  ein  so  reges  Ver- 
kehrsleben stattfand,  hatte  selbstverständlich  auch  das 
Handwerk  einen  goldenen  Boden,  und  die  Handwerks- 
zünfte, voran  die  der  Weber,  konnten  sich  dadurch  zu 
einer  gewaltigen  Macht  entwickeln  und  nach  allen  Rich- 
tungen ihre  Rechte  geltend  machen.  Auch  der  Rath  der 
alten  Reichsstadt  nahm  grossen  Antheil  an  der  Entwick- 
lung des  Handwerks  und  förderte  es  insbesondere  durch 
frühzeitige  Errichtung  von  Wasserkraft- Anlagen,  wozu  die 
vorzügliche  Lage  der  Stadt  an  der  Spitze  zwischen  Lech 
und  Wertach  geradezu  herausforderte.  Dieser  Umstand 
ist  es  namentlich,  welcher  Augsburg  schon  sehr  früh  zu 
einer  blühenden  Gewerbestadt,  später  zu  einer  hervor- 
ragenden Industriestadt  stempelte.  Indess  auch  die  Blüthe 
des  Gewerbes,  des  Handwerks  war  stets  einem  raschen 
Wechsel  unterworfen  und  gar  oft  trat  bittere  Noth  an 
Stelle  des  herrschenden  Wohlstandes,  wozu  die  furcht- 
baren Kriege  im  Laufe  der  Jahrhunderte,  von  denen  das 
stets  als  reich  bekannte  Augsburg  mehr  als  andere  Städte 
heimgesucht  wurde,  das  meiste  beitrugen.  Wir  sehen  das 
auch  schon  aus  dem  Wechsel  der  Bevölkerungszahl.  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  zählte  die  Stadt  etwa  20  000  Ein- 
wohner, etwas  über  hundert  Jahre  später  40000,  stieg  dann 
sogar  noch  auf  45  000,  bis  während  des  30  jährigen  Krieges 
die  Zahl  wieder  bis  unter  die  Hälfte  herabsank.  Aber 
das  Handwerk  blühte  trotz  allem  von  Neuem  auf  und 
noch  das  18.  Jahrhundert  hindurch,  nachdem  auch  das 
Unheil  des  spanischen  Erbfolgekrieges  überstanden  war, 
erfreute  sich  das  Gewerbe  wiederholter  Blüthe,  eines 
neuen  Friedens,  der  den  Glücksstern  der  alten  Augusta 
nochmals  zum  Aufleuchten  brachte. 

In  Handel  und  Gewerbe,  Kunst  und  Wissenschaft 
herrschte  durchgehends  die  regste,  erfolgreichste  Thätig- 
keit;  die  Herstellung  des  Baumwolltuches  nahm  einen 
solchen  Umfang  an,  dass  1785  allein  für  feinere  Waaren 
830  Webermeister  mit  mehreren  hundert  Gesellen  arbei- 
teten. In  ähnlicher  Weise  blühten  die  Werkstätten  der 
200  Goldschmiede,  welche  1733  allein  für  das  Berliner 
Königsschloss  um  605165  Gulden  Tafelaufsätze  arbeiteten. 

Damit  sindwir  aber  schon  an  einer  neuen  Entwicklungs- 
phase angelangt,  das  Handwerk  muss  seinen  Platz  an  die 
Industrie  abtreten.  Englands  übermässige  Konkurrenz,  die 
Einführung  der  ersten  Baumwoll- Maschinen  aus  England 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  schnitt  dem  einst  so  einfluss- 
reichen Weberhandwerk,  auf  welchem  Augsburgs  Grösse 
beruht  hatte,  den  Lebensfaden  ab  und  Hess  auch  das 
erste  Fabrik-Unternehmen  — wenn  man  so  sagen  will  — 
die  1758  von  einem  Eingewanderten,  von  Job.  Heinrich 
Schüle  gegründete  Kattunfabrik,  die  sich  zu  der  bedeu- 
tendsten Anlage  auf  dem  Kontinente  aufschwang,  nur  vor- 
übergehend diesen  Platz  behaupten. 

Die  Folgen  der  französischen  Revolution  vernichteten 
die  letzte  Nachblüthe  des  18.  Jahrhunderts.  Nach  Beendigung 
des  Krieges  war  nur  mehr  eine  gänzlich  verarmte  Bevölke- 
rung anzutreffen,  und  der  Nimbus  der  Augsburger  Pracht,  des 
Augsburger  Reichthums  für  immer  dahin  geschwunden. 
Augsburg  wurde  eine  Provinzstadt  des  zum  Königreich 
erhobenen  Bayernlandes,  aus  einer  herrschenden  wurde 
eine  beherrschte  Stadt,  doch  zu  ihrem  Glücke,  denn  diese 
Wandlung  ist  für  die  Stadt  höchst  segensreich  geworden 
und  unter  dem  starken  Schutze  des  kunstsinnigen  Wittels- 
bacher  Herrscherhauses  hat  sich  Augsburgs  Wohlstand  von 
Jahr  zu  Jahr  wieder  gehoben  und  heute  nimmt  es  wieder 
einen  hervorragenden  Rang  unter  den  deutschen  Fabrik- 
städten und  den  dritten  Rang  unter  den  bayerischen 
Städten  ein. 

In  den  ersten  30  Jahren  des  19.  Jahrh.  bietet  indess 
die  Industrie  Augsburgs,  von  der  ja  die  jeweilige  bauliche 
Entwicklung  der  Stadt  vollkommen  abhängig  ist,  ein  eben- 
so trauriges  Bild  wie  das  deutsche  Wirthschaftsieben  über- 
haupt; dazu  kam  die  alles  erdrückende  wirthschaftliche 
Uebermacht  Englands,  bis  endlich  der  deutsche  Zollverein 
wenigstens  eine  gewisse  Besserung  der  industriellen  Ver- 
hältnisse herbeiführte. 

Neben  dieser  günstigen  Wendung  war  langsam  auch 
hier  eine  allmähliche  Erholung  eingetreten,  die  Bevölkerung 
wuchs  wieder,  zählte  1828  etwa  29000  Einwohner  (also 
noch  immer  fast  16  000,  weniger  als  in  seiner  höchsten 
Blüthe  vor  mehr  als  300  Jahren),  stieg  1834  auf  33  000  und 
1840  auf  fast  37  000  Seelen.  Es  war  wieder  Lust  zu 

487 


grösseren  industriellen  Unternehmungen  vorhanden,  welche 
gefördert  wurde  durch  die  damalige  bayerische  Gewerbe- 
Politik,  die  den  fabrikmässigen  Betrieb  von  den  Schranken 
des  bisher  herrschenden  Zunftbannes  befreite,  der  jedem 
Fortschritt  hemmend  im  Wege  stand.  Die  Gehässigkeit 
des  Handwerkerstandes  gegen  die  neue  Industrie,  die 
noch  dazu  zumeist  von  Fremden  eingeführt  wurde,  hatte 
dem  ersten  grossen  Fabrikanten  Scnüle  hier  die  Arbeit 
verbittert,  sie  liess  auch  die  1835  gegründete  Weberschule 
nicht  aufkommen,  die  bei  der  jetzigen  grossartigen  Ent- 


Industrie  dienstbar  zu  machen,  eine  Aufgabe,  der  sie  dann 
später  ihre  vollste  Aufmerksamkeit  zuwendete.  1851  wur- 
den bereits  2556  P.  S.  in  94  Werken  ausgenutzt,  die  1865 
auf  über  das  doppelte  mit  5187  P.  S.  stiegen,  und  1892 
sich  fast  vervierfacht  hatten.  Der  Grossbetrieb  fasste 
dann  wieder  die  einzelnen  Kräfte  zusammen  und  so  wurde 
die  vollkommenste,  vortheilhaftesteAusnutzungdes  Wassers 
ermöglicht. 

Die  hohen  Kosten  der  die  Wasser- Verhältnisse  voll- 
kommen umgestaltenden  Kanalbauten  wurden  theils  von 


Das  Bankgebäude  der  Disconto-Gesellschaft 
ln  Berlin. 

Architekt:  Kgl.  Hof-Baurath  L.  Heim  in  Berlin 


Oberg 

a Direktions-Arbeits- 
raum 

b Direktoreu-Zimmer 
c Haupttreppe 
d Neben*  bezw. 

Beamteo-Treppen 
e Fahrstuhl 
f Passage 
g Kasseusaal 


e s cb  0 s s: 

h Roafereaz'Zimmer 
i Wartezimmer, 
k BOrsenbüreau' 

1 Korrespoodenz 
m Buchbalterei 
n Arbeitsraum 
o Geschäftsiuhaber 
p Briefaunabme 
q Garderobe 


Erdg 

a Windfang 
b Eingangshalle 
c Haupttreppe 
d Beamten-  bezw. 

Nebentreppen 
e Fahrstuhl 
f Passage 
g Kasseusaal 
h Coupon-Kassensaal 
i Wechsel-Einlösungs- 
Kasse 

k Hauptkasse 


1 Reservekasse 
m Botenmeisterei 
n WechselbOreau 
o Effekten-Kasse 
p Effckten-Büreau 
q Wechselstube 
r Emissionsstelle 
s Korrespondenz  und 
Buchhalterei 
t Sitzungssal 
u Voiraum 
V Garderobe 


d 


Charlottenstrasse. 


Wicklung  hier  jetzt  sehr  vermisst  wird  und  gewiss  auf 
fruchtbarstem  Boden  hier  gearbeitet  hätte.  Jetzt  allerdings 
sieht  man  es  ein. 

Immerhin  begann  Ln  den  dreissigerjahren  ein  neuer  An- 
stoss  zur  Gründung  von  Fabriken,  wie  der  grossen  Kamm- 
garn-Spinnerei, der  grossartigen  mechanischen 
Banmwoll-Spinnerei  und  Weberei,  die  sich  später 
zu  ungeahnter  Grösse  entwickelten,  und  die  Stadtgemeinde 
wurde  sich  auch  allmählich  wieder  der  Pflicht  bewusst, 
durch  weiteren  Ausbau  der  Wasserkanäle  die  noch  un- 
ausgenutzten  Wasserkräfte  der  Weiterentwicklung  der 


der  Stadtgemeinde,  theils  von  den  Wasserwerks-Besitzern 
getragen,  welche  jedoch  kein  Eigenthum  an  den  herge- 
stellten Kanalstrecken  erwerben.  Die  Gemeinde  erhebt 
zur  Deckung  ihrer  Auslagen  sog.  Wasserzinse,  die  ge- 
genwärtig IO  M.  für  I P.  S.  betragen.  Sie  dienen  zur 
Bestreitung  der  selbstverständlich  mit  der  Zeit  bedeutend 
angewachsenen  Unterhaltungskosten.  Die  Gründung  von 
Fabriken  der  Wollbranche  nahm  immer  mehr  zu,  Hand 
in  Hand  damit  ging  die  Gründung  von  Fabriken,  die  hier- 
mit in  Zusammenhang  stehen,  so  von  Maschinen-Fabriken 
und  Fabriken  der  chemischen  Industrie,  Bleicherei  und 


488 


No.  76. 


Färberei.  Mehrere  derselben  haben  infolge  der  Vorzüg- 
lichkeit ihrer  Fabrikate  einen  Weltruf  erlangt  — genannt  sei 
nur  die  Maschinen-Fabrik  Augsburg,  ferner  Riedin- 
ger  usw.  — wenn  auch  heute  noch  die  eigentlichen  Spinn- 
und  Weberei-Maschinen  aus  England  bezogen  werden. 

Zurzeit  werden  aus  den  Brunnenbächen,  an  den  Lech- 
kanälen und  an  den  Wertachkanälen  mit  zusammen  etwa 
6okm  Länge  und  79  Triebwerken  12581  P.  S.  ausgenutzt, 
wozu  noch  27600  Dampf  P.  S.  kommen,  von  welch  letz- 
teren die  Texiil-Industrie  allein  22000  für  sich  in  Anspruch 
nimmt,  während  sie  15000  Arbeiter  beschäftigt.  Die  An- 


werden. Geradezu  grossartig  und  seit  Jahren  muster- 
gütig  sind  die  in  den  hiesigen  Fabrik  - Betrieben  ge- 
schaffenen Wohlfahrts  - Einrichtungen  und  die  Fürsorge 
für  den  Arbeiterstand.  Im  Stadtbezirke  selbst  sind  z.  B. 
146  Arbeiter -Wohnhäuser  mit  790  Wohnungen  vor- 
handen. 

Die  vorgeschilderte  namhafte  Entwicklung  der  In- 
dustrie förderte  selbstverständlich  auch  die  bauliche  Ent- 
wicklung der  Stadt,  die  nach  1840  36800  Einwohner  zählte, 
jetzt  aber  fast  90000  Seelen  hat.  Es  ergiebt  sich  daraus 
eine  jährliche  Zunahme  von  11,5%.  Dabei  darf  nicht 


Längsschnitt  bei  d. 


1 ^ *1 

l 6 . ii  J - 

1 3 K ^ 

pi.i  ...Js 

ppfs 

1-4  i 

Querschnitt  a— b. 


Berliner  Neubauten.  No.  105.  Das  Bankgebäude  der  Disconto-Gesellschaft.  Architekt:  Kgl.  Hofbrth.  L.  Heim  in  Berlin. 


zahl  der  Spindeln,  die  nach  1879  rd.  265000  betrug,  ist 
jetzt  auf  653000  angewachsen,  hat  sich  also  innerhalb  30 
Jahren  fast  verdreifacht.  Die  gesammte  Arbeiterzahl  darf 
nach  den  neuesten  Erhebungen  auf  33  000  angenommen 


ausseracht  gelassen  werden,  dass  die  Stadtgemeinde  noch 
nicht  eine  einzige  von  den  ringsum  liegenden,  mit  ihr  so- 
gar örtlich  engverbundenen  stark  bevölkerten  Landgemein- 
den einzuverleiben  gesucht  hat.  — (Schluss  folgt) 


Eisenbahn-Vorarbeiten  und  Landeskarten. 


Von  Prof.  Dr.  C.  Ko 

jr^^ei  Gelegenheit  des  internationalen  Ingenieur-Kon- 
gresses , der  auf  englischem  Boden  m der  alten 

^ Universitäts-Stadt  Glasgow  tagte,  hob  der  Präsident 

desselben,  James  Mansergh,  in  seiner  Begrüssungsrede  als 
charakterisiisches  Merkmal  der  Ingenieurkunst  ihre  „Wirth- 
schafilichkeit“  hervor,  indem  der  Ingenieur  als  solcher  be- 
fähigt sei,  etwas  „gut"  ausznführen,  was  Andere  für  dasselbe 

20.  September  1902. 


)pe  m Brauuschweig. 

Geld  nur  „irgendwie“  zustande  bringen  könnten.  Mit  dem 
geringsten  Aufwande  an  Zeit  und  Mitteln  ein  zweckent- 
sprechendes Ergebniss  zu  haben,  wird  das  Bestreben  einer 
jeden,  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  arbeitenden  tech- 
nischen Bauleitung  sein.  Die  Vielgestaltigkeit  der  praktischen 
Aufgaben  aber  und  die  oft  sehr  grossen  Schwierigkeiten, 
die  bei  ihrer  Lösung  zu  überwinden  sind,  führen  dazu, 

489 


dass  obiges  Ziel  in  der  technischen  Praxis  nur  mit  einer 
gewissen  Annäherung  erreicht  wird,  in  höherem  oder  ge- 
ringerem Grade,  je  nach  den  Kenntnissen  und  Fähigkeiten 
des  bauleitenden  Ingenieurs.  Ohne  hinreichende  Klarheit 
inbezug  auf  das  erforderliche  Maass  von  Genauigkeit,  fehlt 
zur  richtigen  Ausführung  eine  der  nothwendigsten  Vorbe- 
dingungen, auch  wird  es  nur  dann  möglich  sein,  an  das 
arbeitende  Personal  „ gerechte“  Anforderungen  zu  stellen, 
wenn  man  sich  über  Umfang  und  Güte  einer  „normalen“ 
Arbeitsleistung  sichere  Anhaltspunkte  verschafft  hat. 

Diese  Forderungen  werden  bei  der  seitherigen  Aus- 
führung und  Behandlung  von  technisch-topographischen 
Vorarbeiten  für  den  Eisenbahnbau  nur  in  sehr  geringem 
Maasse  erfüllt,  ja  man  darf  wohl  behaupten  in  weit  ge- 
ringerem Grade,  als  bei  anderen  geodätischen  und  tech- 
nischen Arbeiten.  Den  Grund  hiervon  festzustellen,  so- 
wie Mittel  und  Wege  anzugeben,  um  zweckentsprechende 
Verbesserungen  zu  erzielen,  dürfte  daher  keine  undank- 
bare Aufgabe  sein.  Hierzu  ist  es  zunächst  nolhwendig, 
etwas  weiter  zurückzugreifen. 

Man  unterscheidet  von  Alters  herzwischen  höherer 
und  niederer  Geodäsie  und  rechnet  zur  ersteren  alle 
geodätischen  Arbeiten,  bei  denen  die  Krümmung  der  mathe- 
matischen Erdoberfläche  berücksichtigt  wird,  zu  letzterer 
diejenigen  Vermessungen,  bei  denen  dies  nicht  der  Fall 
ist,  für  welche  die  Erdoberfläche  unbeschadet  der  einzu- 
haltenden Genauigkeitsgrenzen  als  Ebene  betrachtet  wer- 
den kann.  Die  Pflege  der  höheren  Geodäsie  ist  in  erster 
Linie  Aufgabe  der  internationalen  Erdmessung,  in  Deutsch- 
land vertreten  durch  das  „Geodätische  Institut“,  sowie  der 
Geodäten  und  Astronomen  an  den  Universitäten.  Die 
niedere  Geodäsie  spielte  lange  Zeit  hindurch  eine  sehr 
untergeordnete  Rolle  und  wurde  von  den  sie  ausübenden 
Feldmessern  und  Geometern  handwerksmässig  erlernt  und 
betrieben,  bis  die  gesteigerten  Anforderungen  der  Neuzeit 
auch  ihr  mehr  und  mehr  eine  wissenschaftliche  Grund- 
lage gaben.  Zwischen  den  vorgenannten  beiden  Zweigen 
der  Geodäsie  stehen  die  Vermessungsarbeiten  der  Landes- 
aufnahmen, die  in  erster  Linie  militärischen  Zwecken 
dienen  und  daher  meist  vom  Generalstabe  ausgeführt 
werden.  Auf  der  einen  Seite  aber  macht  man  dieselben 
nun  mehr  und  mehr  auch  den  rein  wissenschaftlichen 
Untersuchungen  der  Erdmessung  nutzbar,  auf  der  anderen 
liefern  sie  die  festen  Ausgangspunkte  für  alle  trigono- 
metrischen und  nivellistischen  Arbeiten  der  Zivil-Ver- 
waltungen und  Eisenbahn-Technik,  welch’  letzterer  na- 
mentlich die  topographischen  Landeskarten  zu  all- 
gemeinen Vorarbeiten  wesentliche  Dienste  zu  bieten  be- 
rufen sind. 

Unter  den  vorgenannten  3 Zweigen  des  Vermessungs- 
wesens bestand  zu  Beginn  des  Eisenbahnbaues  kein  innerer 
Zusammenhang.  Die  Landesaufnahmen  waren  in  den 
meisten  Staaten  zu  jener  Zeit  noch  nicht  so  weit  vorge- 
schritten und  ausgebildet,  um  den  Bedürfnissen  der  Zivil- 
Verwaltungen  genügend  Rechnung  tragen,  sowie  anderer- 
seits aus  den  von  letzteren  ausgeführten  Vermessungs- 
Arbeiten  und  Aufnahmen  für  ihre  Zwecke  wesentlichen 
Nutzen  ziehen  zu  können. 

Zur  weiteren  Ausbildung  der  niederen  Geodäsie  drängte 
das  steigende  Bedürfniss  nach  guten  Plänen  für  wirth- 
schaftliche  Zwecke,  Kataster,  Zusammenlegungen,  Siche- 
rung der  Eigenthums-Grenzen  usw.  hin.  Die  neuen  Ver- 
kehrswege verlangten  genauere  Höhen -Aufnahmen  auf 
gemeinsamer  einheitlicher  Grundlage,  und  immer  deut- 
licher trat  die  Wichtigkeit  guter  topographischer  Karten 
im  allgemeinen  Landesinteresse  hervor.  Durch  diese  ver- 
schiedenartigen Bedürfnisse  nach  Verbesserung  der  geo- 
metrischen und  topographischen  Vermessungen  und  Lan- 
des-Aufnähmen  entstand  die  heutige  „angewandte“ 
Geodäsie,  wie  ich  dieselbe  zur  Unterscheidung  von  der 
früheren  „niederen“  Geodäsie  nennen  möchte.  Diese 
„angewandte“  Geodäsie  umfasst  — im  Gegensätze  zu  den 
reih  wissenschaftlichen  Erdmessungs-Arbeiten  — sämmt- 
liche  Vermessungen  und  Aufnahmen,  die  praktischen 
Zwecken  dienen  sollen,  von  den  grundlegenden  Triangu- 
lations-  und  Nivellements-Arbeiten  des  Generalstabes  aus- 
gehend bis  zur  Feststellung  der  Eigenthums-Grenzen  und 
der  topographischen  Gelände-Darstellung  durch  Horizontal- 
Kurven  usw.  Sie  wurde  am  vollständigsten  dargestellt 
durch  Jordan  in  seinem  Handbuche  der  Vermessungs- 
kunde, wie  denn  die  technischen  Hochschulen  einen  wesent- 
lichen Antheil  an  ihrer  Entwicklung  genommeu  haben. 

Die  Ausbildung  der  angewandten  Geodäsie  erfolgte 
aber  nicht  gieichmässig  in  ihren  einzelnen  Theilen.  Dem 
eingangs  aufgestellten  Grundsätze,  mit  dem  geringsten 
Aufwande  an  Zeit  und  Mitteln  ein  zweckentsprechendes 
Ergebniss  zu  erreichen,  entsprechen  zurzeit  in  weit  voll- 
kommenerem Maasse  die  sämmtlichen  Horizontal  - Ver- 
messungen und  die  Landesaufnahmen,  als  die  Höhen-Auf- 


nahmen  und  topographischen  Gelände-Darstellungen  für 
technische  Zwecke.  Von  den  Dreiecksnetzen  I.  Ordnung 
an,  durch  alle  Triangulations-Abstufungen  bis  zu  den  un- 
mittelbaren Längenmessungen  und  den  Flächen-Bestim- 
mungen  für  die  einzelnen  Grundstücke  sind  die  Genauig- 
keits-Grade nach  mittleren  Fehlern  berechnet  und  hier- 
nach die  bei  der  Ausführung  nicht  zu  überschreitenden 
Höchst-Fehlergrenzen  genau  festgestellt  worden.  Für  die 
Ausführung  aber  von  technisch-topographischen 
Gelände  - Aufnahmen  fehlen  derartige  Bestim- 
mungen zurzeit  noch  vollständig.  Warum? 

Die  ersten  EisenbahnUnien  wurden  in  nahezu  ebenem 
Gelände  gebaut  und  konnten  ohne  grössere  geometrische 
Vorarbeiten  unmittelbar  in  der  Natur  abgesteckt  werden. 
Dies  änderte  sich  zwar  bei  dem  gewaltigen  Aufschwünge, 
den  der  Eisenbahnbau  um  die  Mitte  und  in  der  zweiten 
Hälfte  des  vergangenen  Jahrhunderts  nahm,  und  eine  rich- 
tige Tracirung  der  schwierigeren  Gebirgslinien  machte 
umfangreichere  Gelände -Aufnahmen  zu  vergleichenden 
Studien  erforderlich,  weiche  die  Beherrschung  des  ange- 
wandten Vermessungswesens  in  immer  grösserer  Voll- 
ständigkeit verlangten,  wie  ich  in  einer  Abhandlung:  „Die 
Fortschritte  und  die  Bedeutung  der  Geodäsie  beim  Eisen- 
bahnbau“  im  Organ  für  die  Fortschritte  im  Eisenbahnbau, 
33.  Bd.  Heft  4,  1901,  ausführlicher  dargelegt  habe.  Der 
Eisenbahnbau  lag  aber  zurzeit  seines  grössten  Aufschwun- 
ges vornehmlich  in  den  Händen  von  Aktien-Gesellschaften, 
die  wegen  der  Konkurrenz  stets  auf  thunlichste  Beschleu- 
nigung der  Bauausführung  drängten.  Alle  Bestrebungen 
nach  Vervollständigung  und  Verbesserung  der  Aufnahme- 
Methoden  waren  daher  darauf  gerichtet,  die  Zeit,  welche 
die  Vorarbeiten  erforderten,  bis  auf  das  äusserste  Maass 
herabzumindern.  Trotzdem  ging  es  niemals  rasch  genug. 
Von  einer  Ausbildung  der  technisch-topographischen  Auf- 
nahmen auf  wissenschaftlich-praktischer  Grundlage  war 
keine  Rede,  hingegen  wurden  ungezählte  Arten  von 
„Tachymetern“,  „Schnellmessern“,  „Vielmessern“  u.  dergl. 
erfunden.  Das  Personal  für  die  Aufnahmen  wechselte 
unaufhörüch,  indem  immer  wieder  jüngere  Kräfte  zu  den- 
selben verwendet  wurden,  die  nach  thunlichst  rascher 
Beendigung  der  Vorarbeiten  in  der  diesen  folgenden  Bau- 
ausführung ihre  eigentliche  Bauaufgabe  erblickten.  Die 
meisten  Eisenbahn-Direktionen  besassen  gar  keine  Ver- 
messungs-Vorschriften und  überliessen  die  Art  der  Aus- 
führung vollständig  den  Ingenieuren  und  Geometern. 
Immer  aber  „pressirte“  es  dermaassen,  dass  die  .ange- 
fertigten Pläne  ohne  jegliche  Prüfung  hinsichtlich  ihrer 
Richtigkeit  oder  ihres  Genauigkeitsgrades  zur  Ausarbei- 
tung der  Entwürfe  benutzt  wurden.  Diese  Verhältnisse 
bedingten  die  Entwicklung  und  die  heutige  Gestalt  der 
technischen  Geodäsie.  Eine  Ausnahme  macht  Württem- 
berg, wo  der  Bahnbau  schon  frühzeitig  in  den  Händen 
des  Staates  lag.  Die  württembergische  Eisenbahnbau- 
Kommission  erliess  anfangs  der  70er  Jahre  eine  einheit- 
liche Dienstanweisung  für  die  Höhenaufnahme  der  Flächen. 
In  einem  Rundschreiben  des  Präsidenten  Klein  vom  Jahre 
1875  an  alle  bei  Vermessungsarbeiten  betheiligte  Behör- 
den heisst  es:  „Solche  .Höhenaufnahmen  aber  einmal  ge- 
macht, sollten  nicht  im  Papiermagazin  verloren  gehen, 
sondern  als  Gemeingut  gesammelt  und  zur  Förderung 
aller  technischen  Unternehmungen  für  möglichste  Ver- 
breitung eingerichtet  werden“.  Auf  der  Grundlage  dieser 
technisch-topographischen  Arbeiten  wurde  dann  die  neue 
württembergische  Landes-Höhenaufnahme  aufgebaut  zur 
Herstellung  einer  topographischen  Landeskarte  in  dem 
Maasstabe  1 : 2500  mit  Horizontalkurven  für  das  ganze 
Königreich,  der  seither  kein  anderer  Staat  Ebenbürtiges 
an  die  Seite  stellen  kann. 

Wie  wenig  einheitlich  demgegenüber  das  Ver- 
messungswesen bei  den  preussischen  Eisenbahn- Direk- 
tionen gehandhabt  wird,  denen  gemeinsame,  auf  wissen- 
schaftlich-praktischer Grundlage  aufgestellte  Vermessungs- 
Vorschriften  noch  gänzlich  fehlen,  habe  ich  ausführlicher 
dargelegt  in  einer  Abhandlung:  „Die  neuere  Landes- 

Topographie,  die  Eisenbahn-Vorarbeiten  und  der  Doktor- 
Ingenieur“.  (Braunschweig  1900,  Fr.  Vieweg  & Sohn.) 

Es  wird  in  derselben  darauf  hingewiesen,  dass  weder 
in  der  gesammten  Litteratur  für  den  Eisenbahnbau,  noch  in 
den  Instruktionen  der  deutschen  Eisenbahn-Verwaltungen 
irgend  welche  Anhaltspunkte  vorhanden  sind  zur  Beant- 
wortung der  Frage  nach  der  zweckentsprechenden  Ge- 
nauigkeit einer  topographischen  Aufnahme  und  Gelände- 
Darstellung  für  Eisenbahn-Vorarbeiten. 

In  Braunschweig  wird  gegenwärtig  eine  neue  topo- 
graphische Landeskarte  im  Maasstabe  1:10000  bear- 
beitet, die  in  erster  Linie  zivil-topographischen  Zwecken 
zu  dienen  berufen  ist.  Ich  glaubte  daher,  um  dieselbe  thun- 
lichst zweckentsprechend  gestalten  zu  können,  an  die  Or- 
gane des  Eisenbahnbaues  und  an  die  Ingenieur-Vereine 

No.  76. 


490 


die  Bitte  richten  zu  sollen  um  geneigte  Beihilfe  zur  Beant- 
wortung der  Frage;  „Was  verlangt  der  Ingenieur  im  tech- 
nischen Interesse  von  einer  neuen  topographischen  Landes- 
karte in  Hinsicht  auf  die  Gelände-Darstellung  durch  die 
Horizontal-Kurven  und  zwar  zunächst  für  eine  topogra- 
phische Karte  Mittel-Deutschlands  im  Maasstäbe  1:10000, 
wie  eine  solche  für  das  Herzogthum  Braunschweig  neu  her- 
gestellt werden  soll  und  bereits  in  Angriff  genommen  wor- 
den ist?" 

Eine  Beantwortung  dieser  offenen  Anfrage  habe  ich 
seither  nicht  erhalten,  unter  mehreren  Zuschriften  hin- 
gegen auch  solche,  welche  die  Möglichkeit  einer  zweck- 
entsprechenden Beantwortung  derselben  in  Zweifel  ziehen 
zu  müssen  glauben.  Demgegenüber  möchte  ich  hier  die 
weiteren  Erfahrungen  kurz  mittheilen,  die  wir  auf  der 
Grundlage  unserer  eigenen  Genauigkeits-Untersuchungen 
usw.  gemacht  haben.  Ueber  die  letzteren  wurde  in  oben 
erwähnter  Abhandlung  bereits  Einiges  mitgetheilt. 

Um  zunächst  festzustellen,  was  ein  Topograph  in  einer 
bestimmten  Zeit  je  nach  den  Terrain-Verhältnissen  praktisch 
zu  leisten  imstande  ist,  wurden  vergleichende  Untersuchun- 
gen bei  den  topographischen  Aufnahmen  im  Gelände  der 
„Asse“  angestellt,  eines  Höhenzuges  in  den  Vorbergen  des 
Harzes,  der  hinreichend  Wechsel  voll  gestaltet  ist  und  Höhen- 
unterschiede von  100— 150  ni  besitzt.  Es  traf  sich  so  günstig, 
dass  das  gleiche  Gebiet  auch  von  der  preussischen  Lahdes- 
Aufnahme  im  Maasstabe  von  i : 25000  in  demselben  Sommer 
des  Jahres  1899  bearbeitet  wurde.  Der  Chef  der  topo- 
graphischen Aufnahme  der  preussischen  Landesaufnahme, 
General  Schulze,  gestattete  eine  Prüfung  und  Vergleichung 
dieser  Aufnahmen  unter  Mitwirkung  seiner  Topographen. 
Unabhängig  von  den  beiderseitigen  topographischen  Auf- 
nahmen waren  auf  einem  Fiächenraume  von  50  unserer- 
seits gegen  1000  Geländepunkte  genau  eingemessen,  sowie 
nach  Koordinaten  und  Höhen  nummerisch  bestimmt  wor- 
den. Diese  Punkte  wurden  nach  ihren  Koordinaten  in  die 
Original-Kurven-Pläne  von  den  Topographen  der  betr. 
Aufnahmen  eigenhändig  eingestochen  und  durch  Inter- 
polation zwischen  den  Kurven  der  Höhe  nach  ermittelt. 
Die  Vergleichung  der  unmittelbar  bestimmten  mit  den 
aus  den  Plänen  abgeleiteten  Höhenzahlen,  und  die  Zu- 
sammenfassung der  Abweichungen  je  nach  der  Neigung 
des  Geländes  ergab  folgende  Mittelwerthe  für  die  durch- 
schnittlichen Abweichungen,  die  hier  als  wahre  Fehler 
der  topographischenHöhenbestimmung  angesehenwer- 
den können,  da  die  unmittelbar  gemessenen  Höhenzahlen 
imVergleich  zu  jenen  als  fehlerfrei  betrachtet  werden  dürfen. 

Die  preussischen  Topographen  nahmen  im  Maass- 
stabe 1 : 25000  in  jedem  Monate  etwa  20  auf,  der  Braun- 
schweigische Topograph  im  Maasstabe  i : 10000  etwa 
d.  h.  rund  die  Hälfte.  Beider  Leistungen  können  als  vor- 
zügliche bezeichnet  werden,  wie  dieselben  im  Durch- 
schnitt von  geübten  Topographen  nicht  übertroffen  wer- 
den. Wie  die  Zahlen  der  Spalten  2 und  4 ferner  erkennen 
lassen,  haben  beide  trotz  der  Verschiedenheit  der  aufge- 
wendeten Zeiten  und  der  Maasstäbe  bei  ebenem  Gelände 
die  gleiche  Genauigkeit  erreicht;  bei  zunehmender  Nei- 
gung des  Geländes  wird  die  Genauigkeit  der  Aufnahme 


Durchschnittliche  Fehler  der  topographischen 
Höhenda  rstellung. 


18 

Braiinschwe 

I. 

Geübter 

II. 

dige  Aufnahme 

Topograph 

nach  zweijäh- 
riger Uebung 

1899  I 
Preussen 

Geübte 

Topograph. 


1878 

^Liifäiiger 


Arbeitsleistung  für  i Monat 


1 6 qkm  ] 20  qkm  | 20  qkm 

Durchschnittl.  Fehler  der  topograpli.  Höhendarstellung 


I 

I 

1,7  m 

3,0  m 

3.5® 

I 

1.3 

2,6 

1 

4 

1,0 

r,5 

1,9 

I 

6 

0,8 

1,8 

I 

8 

0,7 

1,3 

I 

10 

0,6 

0,9 

I 

15 

0,5 

0,7 

I 

20 

0,4 

1,0 

0,6 

I 

30 

0,3 

0.9 

0,6 

I 

40 

0,3 

0,8 

0,5 

I 

5° 

0,3 

0,5 

I 

100 

0,3 

0,7 

0,4 

0,3 

0,7 

0,3 

Maximal-Fehler 

3,8 

6,3 

7,0 

im  Maasstabe  i : loooo  wesentlich  grösser.  Dies  ist  leicht 
erklärlich,  denn  bei  geringer  Neigung  der  Flächen  kommt 
für  die  Genauigkeit  der  Höhenaufnahme  und  Höhendar- 
stellung durch  die  Niveau-Kurven  der  Maasstab  wenig  in- 
betracht; geringe  Verschiebungen  der  Kurven  bleiben 
auf  die  Höhen  der  Geländepunkte  ohne  merklichen  Ein- 
fluss. Anders  bei  starken  Neigungen.  Im  Maasstabe 
1 : 25000  entspricht  o,i  mm  des  Planes  im  Grundriss  einer 
Länge,  von  2,5  m in  der  Natur,  im  Maasstabe  i ; 10000 
aber  nur  einer  solchen  von  i m.  Bei  Neigungen  von  45® 
entsprechen  der  gleichen  Verschiebung  der  Horizontal- 
kurven von  0,1  mm  ebenfalls  Fehler  von  2,5  m bezw.  im 
der  Höhen.  Es  muss  also  eine  rationell  ausgeführte  topo- 
graphische Aufnahme  im  Maasstabe  3 : 10000  bei  starken 
Neigungen  eine  wesentlich  genauere  Höhendarstellung 
liefern,  als  eine  solche  im  Maasstab  i : 25000.  Die  Zahlen 
obiger  Tabelle  in  Spalte  2 u.  4 zeigen  zugleich,  dass  beide 
Aufnahmen  an  Genauigkeit  im  Durchschnitt  das  leisten, 
was  in  Anbetracht  des  Maasstabes  überhaupt  noch  prak- 
tisch verwerthbar  ist,  denn  irgend  ein  beliebiger  Gelände- 
punkt kann  nach  den  Karten  nicht  genauer  als  bis  auf 
einige  Zehntel  des  Millimeters  im  Grundrisse  festgelegt 
werden,  da  sichere  Anhaltspunkte  zu  seiner  Einmessung 
— zumal  die  Eigenthumsgrenzen  mit  Grenzsteinen  usw. 
nicht  dargestellt  sind  — nur  selten  vorhanden  sind. 


Bei  den  topographischen  Karten  grösseren  Maass- 
stabes, z.  B.  1 : 2500  mit  allen  Eigenthumsgrenzen,  wie 
solche  von_  der  württembergischen  Landesaufnahme  be- 
arbeitet wird,  ist  eine  wesentlich  genauere  Einmessung 
der  Geländepunkte  im  Grundrisse  leicht  ausführbar.  Hier 
wird  man  daher  an  die  Genauigkeit  der  Höhenaufnahme 
und  Höhendarstellung  durch  die  Horizontalkurven  andere 
Anforderungen  zu  stellen  haben.  Dasselbe  gilt  von  den 
topographischen  Plänen  für  Eisenbahn- Vorarbeiten,  zu- 
mal wenn  diese  besonderer  Natur  sind.  rschiu^- 


Vermischtes. 


putzwänden,  in  den  seltensten  Fällen  aus  Marmor,  Schiefer, 
Rohglasplatten,  Torgamentmasse,  oder  massiv  aus  Verblend- 
Rahmenwände  von  Glasursteinen.  Die  bisher  üblichen  steinen.  — InneuesterZeitwerden derartige Theüungswände, 
Konstruktionen  für  Badezellen  und  Abortwände  bestanden  um  weitgehenden  hygienischen  Anforderungen  zu  ent- 
sprechen, aus  glasirten  Spalt- 
verblendern mit  ganz  engen 
Fugen  im  Eisen  Rahmenwerk 
hergestellt,  welche  die  sauberste 
Reinhaltung  sichern.  — Zum 
besseren  Verständniss  solcher 
Anlagen  geben  wir  in  den  bei- 
gefügten Skizzen  ein  Beispiel 
der  Anordnung  der  Rahmen- 
wände eines  Schulabortes  aus 
40  mm  starken  gefalzten  Glasur- 
steinen mit  Formstein-Anfän- 
gern,  Eiseneinlagen  und  Eisen- 
stützen, welche  dem  Architek- 
ten Frenger  in  Spandau  durch 
Eintragung  in  die  Gebrauchs- 
muster-Rolle des  kaiserlichen 
Patentamtes  geschützt  sind.  Die 
Spalt -Glasursteine  werden  von 
derAktien-Gesellschaft„UlIers- 
dorfer  Werke“,  Kunstziegel- 
und Thonwaaren-Fabrik  in  Nie- 
der-UlIersdorf  Kreis  SorauN.-L. 
in  der  Regel  aus  zusammengefügten,  zwischen  Holz  oder  angefertigt.  Zur  Herstellung  der  Eisengerippe  für  die  Aus- 
Eisenpfosten  eingelegten  Brettverschlägen,  oder  aus  Draht-  mauerung  der  etwa  2®  hohen  Theüungswände  und  die  An- 

20.  September  1902. 


491 


läge  der  Thüren  sind  für  die  Stützen  Normalprofile  U-Eisen 
a.  40.35.5,7““  und  -L-Eisen,  h.  40.40.5““,  ferner  für 
die  unteren  und  oberen  etwa  1,10  “ freiliegenden  Ver- 
bindungen L-Eisen,  c.  40.20.4““  gewählt,  welche  durch 
eiserne  Winkel  in  den  Treffpunkten  mit  einander  ver- 
bunden werden. 

Das  untere  Eisen  ist  etwa  loc“  über  Fussbodenhöhe  an- 
geordnet, damit  der  geriefelte  Fliesenfussboden  im  ganzen 
Raum  gespült  werden  kann.  Die  Anfängersteine  d sind 
dreiseitig  gefalzt;  die  Ecken  e,  welche  in  das  u-Eisen 
greifen,  entsprechend  ausgekehlt.  Während  die  Steine 
mit  ganz  knirschen  Fugen  verbandmässig  übereinander 
gesetzt  werden,  giebt  der  innere  ausgefalzte  Stein  eine 
kräftige  Mörtelfuge  e,  welche  zur  guten  stabilen  Verbindung 
nothwendig  ist.  Bei  grösseren  Spannweiten  wird  ein  S- 
oder  Z-förmig  gebogenes  leichtes  Bandeisen  in  die  Lager- 
fuge mehrerer  Schichten,  wie  bei  g angegeben,  eingelegt. 

Inneh-Ecken  der  RücWände  werden  mit  ausgerundeten 
Steinen  h aufgeführt.  Um  eine  Aufsicht  zu  gestatten,  sind 
die  Thüren  der  Schüleraborte  vor  den  Sitzen  nur  in  halber 
Höhe  angeordnet;  eine  selbstthätige  Thürzuwerfefeder 
bildet  den  Verschluss.  Die  Thüren  schlagen  nach  innen, 
falls  ein  genügender  Bewegungsraum  vorhanden  ist.  Die 
Kosten  einer  40  ““  starken,  von  Glasurverblendern  I.  Kl. 
hergestellten  Trennungswand  stellen  sich  auf  etwa  12  bis 
16  M.  für  I q“.  Mit  Rücksicht  auf  die  vollständig  fort- 
fallenden Unterhaltungskosten  gegenüber  anderen  Aus- 
führungen kann  die  Herstellung  solcher  Wände  in  hygie- 
nischer Beziehung  empfohlen  werden.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  ev.  Kirche  in  Münster  a.  St.  Zu  unserer 
kurzen  Notiz  in  No.  73  bemerken  wir  noch  Folgendes.  Es 
werden  an  Zeichnungen  verlangt:  i Grundriss,  mindestens 
2 geometrische  Ansichten  und  die  erforderlichen  Durch- 
schnitte in  1 : 150,  ferner  i Schaubild,  ein  kurzer  Eriäute- 
rungsbericht  und-  ein  nach  den  staatlichen  Vorschriften 
aufgestellter,  revisionsfähiger  Kostenanschlag  nach  cbm  um- 
bauten Raumes.  Die  Kirche  ist  auf  einem,  an  schmalen 
Strassen  gelegenen  Eckgrundstück  zu  errichten,  das  keine 
besonderen  Gründungs-Schwierigkeiten  bietet.  Auf  dem 
Bauplatz  soll  Raum  für  ein  später  zu  erbauendes  Pfarr- 
haus verbleiben,  das  in  Lageplan,  Grundriss  und  Ansichts- 
zeichnungen mit  zur  Darstellung  zu  bringen  ist.  Die  Kirche 
soll  Raum  bieten  für  400  feste,  bequeme  Sitze  (z.  Th.  auf 
den  Emporen)  und  grossen  Raum  für  Stehplätze,  eine 
geräumige  Orgelempore,  Sakristei,  Konfirmanden-Zimmer, 
das  auch  zu  Versammlungen  dienen  soll  usw.  Für  die 
spätere  Heizung  sind  eiserne  Oefen  in  Aussicht  genommen. 
Baukosten  der  Kirche  mit  innerer  Einrichtung  usw.,  aber 
ohne  Pfarrhaus,  85000  M.  Stil  und  Bauart  ist  den  Be- 
werbern frei  gelassen,  es  wird  jedoch  auf  malerische  Ge- 
sammtwirkung  Werth  gelegt.  Die  Anlage  eines  Thurmes 
mit  Uhr  und  Geläut  für  4 Glocken  ist  erwünscht. 

Bezüglich  der  Bedingungen  ist  noch  zu  bemerken, 
dass  das  Preisgericht,  falls  keine  Arbeit  den  I.  Preis  ver- 
dient, diesen  in  600  und  300  M.  theilen  und  als  einen 
zweiten  II.  Preis  bezw.  zum  Ankauf  einer  weiteren  Arbeit 
verwenden  kann.  Die  preisgekrönten  und  angekauften 
Arbeiten  gehen  in  den  Besitz  des  ausschreibenden  Pres- 
byteriums der  Kirchen-Gemeinde  über,  das  sich  bezügl. 
der  Benutzung  der  Entwürfe  und  Wahl  des  ausführenden 
Architekten  freie  Hand  vorbehält.  Es  ist  jedoch  in  Aussicht 
genommen,  mit  dem  Verfasser  des  I.  Preises  wegen  der 
weiteren  Ausarbeitung  in  Verbindung  zu  treten.  — 

Im  Wettbewerb  des  Vereins  deutscher  Verblendstein- 
und  Terrakotten-Fabrikanten  (vergl.  S.  212  u.  220)  erhielt 
für  die  beste  Abhandlung  betr.  die  Vorzüge  der  Ver- 
blendung von  BauwerkenmitBaumateriaUen  ausgebranntem 
Thon  den  I.  Preis  die  Arbeit  mit  dem  Kennwort  „Dahe“, 
Verf.  Hr.  Reg.-Bmstr.  Michel  in  Göttingen..  Für  die  beste 
moderne  Fassade  in  den  genannten  Materialien  erhielt  den 
I.  Preis  der  Entwurf  mit  dem  Kennwort  „Greif“,  Verh 
Hr.  Arch.  Hermann  Klatte  in  Heilbronn,  während  je  ein 
n.  Preis  den  Entwürfen  mit  den  Kennworten  „Lagow“, 
Verf.  Hr.  Arch.  Fritz  Blume  in  Berlin,  bezw.  „Weiche 
Linien,  kräftige  Farbe“,  Verf.  Hr.  dipl.  Ing.Osterroht, 
Oberlehrer  a.  d.  Baugew.-Sch.  in  Königsberg  i.  Pr.,  zufiel.  — 

Zu  dem  Wettbewerb  für  Entwürfe  zu  Kirche,  Betsaal 
(Gemeindehaus)  und  Pfarrhaus  der  evangelisch-lutherischen 
Gemeinde  in  Striesen  bei  Dresden  waren  33  Entwürfe  von 
Architekten  aus  Dresden  und  seinen  Vororten  eingelaufen. 
Das  am  17.  d.  M.  zusammengetretene  Preisgericht  ertheilte 
einen  I.  Preis  von  1800  M.  den  Hrn.  Baurath  G.  Rumpel 
und  Bmstr.  Krutzsch,  einen  II.  Preis  von  1200  M.  den 
Hrn.  Architekten  Schilling  und  Graebner,  je  einen 
III.  Preis  von  850  M.  den  Hrn.  Architekten  Kurt  Diestel 
und  Bernhard  Hohnefeld  in  Blasewitz  und  empfahl  die 


.beiden  Entwürfe  mit  den  Kennworten  „Moses“  und 
.„Dresden“,  sowie  die  Arbeit-  mit  dem  Zeichen  des 
Strahlenkreuzes  zum  Ankauf  für' die  Summe  von  je 
400  M.  Das  Ergebniss  des  Wettbewerbes,  namentlich  in 
. künstlerischer  Hinsicht,  war  ein  sehr  erfreuliches. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Reg.-Rath  L o h s e in  Strassburg  i.  E. 
ist  z.  Geh.  Brth.  und  vortr.  Rath  beim  Reichs-Eisenb.-Amt  ernannt. 

Der  Mar.-Hafenbmstr.  Mönch  ist  von  Kiel  nach  Wilhelms- 
haven versetzt. 

Baden.  Dem  preuss.  Garn.-Bauinsp.  Weinlig  in  Freiburg 
ist  das  Ritterkreuz  II.  Kl.  mit  Eichenlaub  des  Ordens  vom  Zährioger 
Löwen  verliehen. 

Preussen.  Dem  Stadtbrth.  G r ü d e r in  Posen  ist  der  Rothe 
Adler-Orden  III.  KI.  mit  der  Schleife,  dem  Laodesbauinsp.  Brth. 
John  in  Lissa  i.  P.,  den  Reg.-  u.  Brthn.  Krey  und  Plate  iu 
Posen,  dem  Geh.  Brth.  Schlemm  in  Bromberg  und  dem  Kr.- 
Bauinsp.  Brth.  Wilcke  in  Meseritz  ist  der  Rothe  Adler-Orden 
IV..  KL,  dem  Stadtbauinsp.  Kleefisch  in  Köln  a.  Rh.  der  kgl. 
Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Dem  Geh.  Mar. -Brth.  und  Schiffbaudir.  R u d 1 o f f ist  unter 
gleichzeit.  Ernennung  zum  Mitgl.  der  Abth.  für . Schiff- : u.  Scliiffs- 
maschinenbau  die  Lehrstelle . für  Konstruktion  der  Kriegsschiffe-  an 
der  Techn.  Hochschule  in  Berlin,  anstelle  des  ausscheidenden  Geh. 
Mar. -Brth.  u.  Schiffbaudir.  Brinkmann  übertragen. 

■Den  Reg.-Bmstrn.  Emil  Brugsch  in  Breslau,  Max  Meyer 
in  Schöneberg  und  Paul  Baltzer  in  Düsseldorf  ist  die  nachges. 
Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheilt. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Merseburger  in  Posen  und  der  Geh. 
Brth.,  Stadtbrth.  a.  D.  Dr;  Hobrecht  in  Berlin  sind  gestorben. 

Sachsen-Weimar.  Der  kgl.  Reg.-Bmstr.  Heinr.  Lehmann 
aus  Eisenach  ist  als  Bez. -Bmstr.  in  Weida  angestelit. 

Württemberg.  Der  Garn.-Bauinsp.  Brth.  Märklin  in  Ulm 
ist  zur  Korpsintend.,  der  Garn.-Bauinsp.  Glocker  aus  Ulm  II 
nach  Uhu  I und  der  Garn.-Bauinsp.  bei  der  Korpsintend.  Schmidt 
nach  Ulm  II  versetzt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Bitte:  An  alle  diejenigen  preuss.  Hrn.  Regierungs-Baumeister, 
deren  Prüfungsjahr  zum  Baumeister  in  die  Zeit  von  1886  bis 
einschl.  1903  fällt  und  welche,  sei  es  durch  Ausscheidung  aus  den 
Auwärterlisten  für  die  Anstellung  im  Staatsdienst,  Wohnungswechsel, 
Beschäftigungslosigkeit  oder  Annahme  von  Stellungen  im  Gemeinde- 
oder Privaldie'nst  usw.  glauben  annehmen  zu  dürfen,  in  dem  gegen- 
wärtig in  Neubearbeitung  befindlichen  Personal-Verzeichniss  uns. 
Deutschen  Baukalenders  für  1903  keine  Berücksichtigung  ge- 
funden zn  haben,  richten  wir  die  Bitte,  uns  die  bezgl.  Angaben 
unter  deutlicher  Angabe  von  Namen,  Titel  und  PrO f ungsj ahr 
umgehend  zugehen  zu  lassen. 

Die  gleiche  Bitte  richten  wir  an  die  Hrn.  Stadtbaumeister, 
Bezirks-Baumeister  usw.  in  den  mittleren  Orten  des 
•Deutschen  Reiches,  soweit  Veränderungen  stattgefunden  haben. 
— Ebenso  machen  wir  die  selbständigen  Hrn.  Frivat-Archi- 
tekten  und  Ingenieure  darauf  aufmerksam,  zu  dem  Verzeichnisse  der- 
selben die  Berichtigungen  für  den  Jahrgang  1903  baldigst  an  unsere 
Redaktion  gelangen  zu  lassen.  — 

Hrn.  Bmstr.  A.  Sch.  in  Mannheim.  Der  Vergleich  ist  offenbar 
von  dem  Gesichtspunkte  ausgegangen,  die  Raumverhälfnisse  über 
der  Erde  und  nicht  unter  derselben  festzustellen.  Es  wäre  somit 
die  Milteliinie  des  von  der  Erdhöhe  unmittelbar  aufgehenden  Mauer- 
werkes festzustellen.  — 

Hrn.  A.  C.  in  M.  Wir  wissen  nicht,  wie  weit  die  litterarischen 
Veröffentlichungen  des  Kölner  Arch.-  u.  Ing.-Vereins  über  die  alten 
Baudenkmäler  von  Köln  gediehen  sind.  Wir  haben  selbst  längere 
Zeit  nichts  mehr  davon  gehört.  Vielleicht  wird  der  Verein  durch 
diese  Notiz  zu  einer  Aeusserung  angeregt.  — 

Hrn.  G.  L.  in  Ratibor.  Ohne  genaue  Kenntniss  der  örtlichen 
Verhältnisse,  die  nur  durch  einen  persönlichen  Augenschein  erfolgen 
könnte,  sind  wir  leider  nicht  in  der  Lage,  Ihre  Anfrage  zu  beant- 
worten. Ist  in  der  That  das  Mauerwerk  stark  salpeterhaltig,  so 
dürfte  es  kein  wirksames  Mittel  gegen  das  Abblättern  geben.  — 
Hrn.  Arch.  H.  D.  in  Hanau.  Ueber  diese,  unserem  Arbeits- 
gebiet ganz  fern  liegende  Frage  erhalten  Sie  sicherlich  den  besten 
Aufschluss  durch  Anfrage  bei  der  Redaktion  des  Journal  für  Gas- 
beleuchtung und  Wasserversorgung  in  Karlsruhe,  Techn.  Hochschule. 
Uns  sind  Spezialwerke  aus  diesem  Gebiete  nicht  bekannt.  — 
Fragebeantwortung  aus  dem  Leserkreise. 

Zu  der  Anfrage  des  Hrn.  F.  F.  in  Bamberg  in  No.  64  nennt 
sich  uns  Hr.  Arch.  Ad.  Henselin  in  Berlin  N.,  Lothringerstr.  65, 
als  Lieferant  von  Wandbildern  für  den  Unterricht  in  der  Bau- 
materialienlehre. Wir  verweisen  ausserdem  auf  die  Firma  Ed. 
Hölzel  in  Wien,  Luisengasse  5,  welche  Wandbilder  für  den 
Anschauungsunterricht  vertreibt.  — 

Zur  Frage  2 in  No.  72  verweisen  wir  auf  S.  70 — 75  in 
Büsing  „Die  Städtereinigung“,  Stuttgart  1897,  wo  auch  anderweite 
Litteraturangabeo  zu  finden  sind.  Auch  in  älteren  Veröffentlichun- 
gen des  kaiserl.  Gesundheitsamtes  (Verlag  von  Springer-Berlin)  sind 
betr.  Veröffentlichungen  enthalten;  Jahrgänge  und  Nummern  sind 
uns  jedoch  nicht  gegenwärtig. 

Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  105.  Das  Bankgebäude  der  Disconto- 
Gesellschaft  — DieXV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Archi- 
tekten- und  Ingenieur-Vereine  zu  Augsburg  vom  i. — 3.  September  1902. 
(Fortsetzung).  — Eisenbahn- Vor  arbeiten  und  Landeskartell.  — Vermischtes.  — 
Preisbewerbungen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  Disconto-Bank  in  Berlin. 

Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort],  i.  V.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  76. 


492 


Das  Bankgebäucle  der  Disconto-Gesellschaft  in  Berlin. 

Der  Kassenhof  und  das  Haupt-Treppenhaus,  — Architekt:  Königl.  Hof-Baurath  L.  Heim  in  Berlin. 

Phologr.  Auto,  von  H.  Lichte,  Berlin  SW  4B.  „„  Wilhelm  Greve,  Berlin  SW 


Deutsche  Bauzeitung. 


XXXVI.  Jahrg.  1902.  No.  76. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXX\T  Jahrgang  No.  77.  Berlin,  den  24.  September  1902. 


James  Hobrecht  -{*. 


mer  äussere  Lebensgang  des  Verstorbenen  ist  unseren 
I Lesern  aus  den  kurzen  Angaben,  welche  die  No.  74 
enthält,  in  seinen  Hauptzügen  bekannt  geworden  und 
über  das,  was  die  Stadt  Berlin  ihrem  nun  dahingegan- 
genen Leiter  des  städtischen  Tiefbauwesens  verdankt, 
haben  wir  beim  Scheiden  desselben  aus  seinem  Amt  im 
Jahre  1897  in  der  No.  37  des  genannten  Jahrganges  eine 
knapp  gehaltene  Schilderung  den  Lesern  vorgelegt.  Aber 
die  Persönlichkeit  Hobrechts,  sein  sachliches  Wirken  und 
seine  Stellung  in  der  technischen  Welt  der  letzten  30  Jahre 
sind  zu  bedeutend,  um  uns  bei  seinem  Tode  mit  einem 
Hinweis  auf  diese  Quelle  begnügen  zu  können,  und  darum 
lassen  wir  heute  dem  früher  Gebrachten  neben  einem 
Bilde  des  Entschlafenen,  das  ihn  noch  in  der  Vollkraft 
seines  Schaffens  zeigt,  ein  kurzes  Wort  der  Würdigung 
des  Menschen  und  des  Fachmannes  folgen. 

Beide,  der  Mensch  und  der  Fachmann  waren  bei  Ho- 
brecht in  einer  so  glück- 
lichen W^eise  verbunden, 
wie  es  selten  angetroffen 
wird.  In  ihm  gesellte  sich 
der  Wirkung  einer  Persön- 
lichkeit von  reicher  allge- 
meiner Bildung,  vollkom- 
mener Beherrschung  des 
Wortes  und  einer  mäch- 
tigen Erscheinung,  ein  aus- 
gedehntes fachlichesWissen 
nebst  einem  grossen  Reich- 
thum an  Erfahrungen  hin- 
zu. Darin  war  seine  Be- 
fähigung, auf  Fachmänner 
und  Laien  überzeugend  zu 
wirken,  begründet  und  da- 
rin beruhte  auch  das  in 
ihm  vorhandene  Talent  zum 
Herrschen,  das  Neigung  zu 
Widerspruch  oder  gegen- 
sätzlichem Handeln  schon 
im  Keime  zu  ersticken  ver- 
mochte. Persönlichkeiten 
aus  solchem  Holze  ge- 
schnitzt, werden  in  Tech- 
nikerkreisen nicht  häufig 
angetroffen.  Wenn  trotz- 
dem und  ungeachtet  der 
thatsächlich  viel  zu  schwa- 
chen Vertretung,  den  der 
technische  Beruf  in  unseren 
Parlamenten  besitzt,  Be- 
mühungen, die  in  den  80er 
Jahren  gemacht  wurden, 

Hobrecht  einen  Sitz  in  den 
parlamentarischen  Körper- 
schäften  zu  verschaffen,  ohne  Erfolg  geblieben  sind,  so 
ist  hieran  wohl  in  erster  Linie  Schuld  gewesen,  dass  er 
kein  politischer  Parteimann  im  engeren  Sinne  des  Wortes 
war.  Er  würde  im  Parlament  ein  dankbares  Feld  der  Be- 
thätigung  gefunden  haben  auf  Gebieten,  auf  welchen  bis- 
her meist  die  Ansichten  von  Persönlichkeiten  zur  Geltung 
kommen,  deren  Unbefangenheit  auf  technischem  und  ver 
wandtem  Felde  durch  Sachkenntniss  nicht  getrübt  ist.  Um- 


Städte  in  hergebrachten  Bahnen.  Strassenüberschwem- 
mungen  und  Rinnsteine  mit  übelriechendem  Inhalt  waren 
etwas  alt  Ueberkommenes,  das  man  als  unvermeidlich  so 
lange  hinnahm,  bis  an  der  einen  oder  anderen  Stelle  ein 
Eingriff  unvermeidlich  wurde,  der  dann  aber  den  Zustand 
im  grossen  Ganzen  nicht  wesentlich  änderte.  Wie  konnte 
daran  gedacht  werden,  die  mit  vielen  Millionen  Kosten 
verbundene  Aufgabe  systematisch  in  Angriff  zu  nehmen, 
ohne  dass  sich  ein  reeller  in  Geld  oder  sonstwie  abschätz- 
barer Nutzen  davon  erwarten  Hess?  Zwar  in  Berlin  waren 
auf  Veranlassung  der  staatlichen  Polizeibehörde  schon 
seit  vielen  Jahren  Studien  über  die  Kanalisirung  der  Stadt 
gemacht  worden;  man  war  schon  vor  1860,  wie  in  Ho- 
brechts Werk  „Die  Kanalisation  von  Berlin“  zu  lesen  ist, 
sogar  zu  bestimmten  Plänen  vorgedrungen,  ohne  aber 
dass  es  zu  einem  ernsten  Anfang  in  der  Ausführung  ge- 
kommen wäre.  Erst  um  1860  trat  eine  Wendung  in  dem 
trägen  Lauf  der  Sache  ein. 
In  diesem  Jahre  erfolgte 
durch  die  Staatsregierung 
die  Sendung  des  Geheimen 
Bauraths  Wiebe  ins  Aus- 
land, um  Slädte-Kanalisati- 
onen  an  Beispielen  zu  stu- 
diren  und  daraus  bestimmte 
Vorschläge  für  Berlin  ab- 
zuleiten; in  seiner  Beglei- 
tung befanden  sich  als  Hilfs- 
kräfte der  Baumeister  Ho- 
brecht und  der  Zivil-In- 
genieur Veitmeyer.  Das 
von  dieser  Abordnung  aus 
England  und  Frankreich 
mitgebrachte  zeichnerische 
Material  ist  in  dem  Werke 
von  Wiebe  „Ueber  die  Rei- 
nigung und  Entwässerung 
der  Stadt  Berlin“  auf  37 
Blättern,  nebst  kurzem  Text 
zusammengestellt,  und  es 
schliessen  sich  an  dieselbe 
10  Blätter  an,  welche  die 
Vorschläge  für  Berlin  ent- 
halten. Wie  vergleichs- 
weise gering  die  Aufgabe 
selbst  damals  noch  aufge- 
fasst werden  konnte,  er- 
giebt  sich  aus  den  That- 
sachen:  dass  die  Einwoh- 
nerzahl derStadt  mit  550000 
erst  rd.  1/3  der  heutigen  er- 
reichte, und  nur  4 engbe- 
grenzte Stellen  im  ganzen 
Weichbilde  der  Stadt  mit 
mehr  als  600  Bewohnern  auf  1 vorkamen;  in  etwa  V3 
des  Stadtgebietes  erreichte  die  Bewohnerzahl  auf  i ha  noch 
nicht  200.  Wiebes  Vorschlägekaraen  darauf  hinaus,  nördUch 
und  südlich  der  Spree,  in  der  Nähe  der  Oberbaumbrücke  je 
einen  grossen  Hauptsammler  beginnen  zu  lassen  und  den 
nördlichen  Hauptsammler  am  Friedrich- Wilhelms-Hospital, 
dem  Prenzlauer  und  Rosenlhaler  Thor,  sowie  am  Ham- 
burger Bahnhof  vorbei,  ziemlich  geraden  Weges  zum  Spree- 


HoTrechrwenStenf  F'"  berSitorellierfXIn:  zu  der 

KöraerschrrLn®  fn  dlre?  ^ Bebauung  liegt,  wo  die  Franklinstrasse 

VE™altung  der  mit  der  Strasse  Alt-Moabit  znsammentrifft;  an  diesen  Haupt- 


Reichshauptstadt  liegt,  geführt  hat,  dass  es  ihm  hier  ver- 
gönnt gewesen  ist,  seine  Gaben  und  Eigenschaften  voll  zu 
entfalten  und  dass  er  dadurch  im  Stande  gewesen  ist  vor- 
bildlich auf  viele  Jünger  des  Faches  zu  wirken  und'  Vor- 
bildliches auf  technischem  Gebiet  auch  für  andere  Städte 
des  In-  und  Auslandes  zu  schaffen. 

Um  Hobrechts  Leistungen  auf  dem  Gebiete  derStädte- 
Hygiene  voll  würdigen  zu  können,  muss  man  jene  früheren 
Zustände  aus  eigener  Anschauung  kennen  oder  die  Fähig- 
keit besitzen,  sich  hineinzudenken,  wie  es  in  der  Zeit  vor 
g3--40  Jahren  in  den  Städten  unseres  Vaterlandes  um  den 
Remlichkeiis-Zustand  beschaffen  war.  Mit  reichen  Mitteln 
ausgestattete  Grossiädte  gab  es  damalsin  Deutschland  kaum 
und  Grosstädte  überhaupt  wohl  nicht  mehr,  als  etwa  ein 
hal^s  Dutzend.  Abgesehen  von  einer  einzigen  Ausnahme 
Hamburg  — bewegte  sich  die  Reinlichkeitspflege  der 


Sammler  schloss  von  Süden  her  nur  ein  einziger  Zweig- 
sammler aus  der  Rosenthalerstrasse  an.  Der  südliche Haupt- 
sammler  sollte  sich  durch  die  Oranien-,  Kommandanten-, 
Leipziger-,  Königgrätzerstrasse  und  sodann  in  derCharlotten- 
burger  Chaussee  bis  zum  Grossen  Stern  und  von  hier  ge- 
rades Wegs,  unter  Kreuzung  der  Spree  bei  den  Schöne- 
berger Wiesen,  nach  Martinikenfelde  erstrecken;  er  nahm- 
am  Potsdamer  Thor  einen  Zweigsammler  aus  der  Pots- 
damer- und  Bülow-Strasse  und  am  Brandenburger  Thor 
einen  solchen  von  der  Museums-Insel  kommenden  aus  der 
Behrenstrasse  auf.  Am  Spreeufer  Martinikenfelde  war 
eine  Pumpstation  geplant,  die  das  gesammte  hier  zu- 
fliessende  Wasser  heben  und  an  die  Spree  abgeben  sollte. 
Was  die  Ausgestaltung  der  Einzelheiten  betrifft,  so  zeigt 
der  Wiebe’sche  Plan  in  den  obersten  Ausläufen  des  Netzes 
durchweg  todte  Enden,  und  im  übrigen  unmittelbaren  An- 


493 


Eisenbahn-Vorarbeiten  und  Landeskarten, 


(Sciiluss.) 


,P»M|us  der  in  voriger  No.  (S.  49t)  gegebenen  Fehler- 
Tabelle  können  graphische  oder  nummerische  Ge- 
nauigkeits- Vorschnfienfür  topographische  Aufnahmen 
und  Karten  in  den  entsprechenden  Maasstäben  abgeleitet 
werden.  Bei  Aufstellung  einer  Instruktion  für  die  Topo- 
graphen der  braunschweigischen  Landesaufnabme  in  Hin- 
sicht auf  die  bei  Höhendarstellung  durch  Niveaukurven 
innezuhaltenden  Fehlergrenzen  hat  Vermessungs-Insp. 
Seiff  ert  aus  den  mehrfach  erwähnten  Genauigkeits-Unter- 
suchungen für  denmittleren  Fehler  ±w  der  Höhendarstel- 
lung in  unserer  neuen  Landeskarte  die  Formel  abgeleitet: 
w = rfc  I 0,3  + 3 tang  N | Meter, 


wo  iV  die  jeweilige  Neigung  des  inbetracht  kommenden 
Geländetheiles  bedeutet.  Dieselbe  kann  unmittelbar  aus 
dem  Kurven-Abstande  hergeleitet  und  auch  in  einfacher 
Weise  durch  ihn  ausgedrückt  werden.  Ist  z.  B.  der  Ab- 
stand zweier  Kurven  im  Grundrisse  der  Karte  gleich  a, 
so  ist  der  ihm  entsprechende  wahre  Horizonial-Abstand 
in  der  Natur  gleich  10  000  a;  bezeichnet  h den  Höhenab- 


stand  der  Kurven,  so  wird  tangiV= , und  wenn 

10000 a 

man  für  h den  Abstand  der  Zehnmeter-Kurven  nimmt,  d.h. 

= IO  “I  =:  10000  ““  setzt,  so  ergiebt  sich  tang  N = • wo 

^10 

den  Abstand  der  lo®  Kurven  im  Grundrisse  in®®  bedeutet. 
Obige  Formel  für  den  mittleren  Höhenfehler  =b  m lässt 
sich  daher  auch  in  die  für  den  praktischen  Gebrauch  be- 
quemere Form  bringen: 


m = ± I 0,3  -h  3,0  : (jio  [ Meter. 


Setzt  man  den  Maximal-Fehler  ± M gleich  dem  3,3-fachen 
Werthe  des  mittleren  Fehlers  so  ergiebt  sich  für 

die  bei  der  Höhendarstellung  nicht  zu  überschreitende 
Fehlergrenze. 

Maximal-Fehlergrenze  M = zh  1 1 -|-  10  tang  N | Meter, 
oder  auch  . . . . ilf  = zh  J i -j-  10 : ojq  | Meter. 


Diese  Fehlergrenze  soll  in  Zukunft  bei  allen  Blättern 
der  neuen  topographischen  Landeskarte  im  Maasstabe 
i:  10000  des  iierzogthums  Braunschweig  in  Hinsicht  auf 
die  Höhen- Darstellung  durch  die  Niveau- Kurven  einge- 
halten werden,  sodass  jeder  Techniker,  der, dieselbe. zu 
Vorarbeiten,  Geländestudien  usw.  benutzt,  an  jeder  Stelle 
•der  Karte  über  den  Genauigkeitsgrad  sich  in  einfachster 
Wehe  Rechen-ichaft  zu  geben  imstande  ist. 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  bemerkt,  dass  als 
Maximal-Fehiergrenze  für  den  Grundriss  eine  Horizonlal- 
Verschiebung  von  ±0,5®®  in  der  Karte  festgelegt  wurde, 
entsprechend  einem  mittleren  Fehler  von  1—2  Zehnteln 
des  Millimeters  für  einzelne  Punkte  des  Geländes.  — 
Das  GeJände  der  Asse,  welches  zu  den  im  Vorstehen- 


den - besprochenen  Genauigkeits  - Untersuchungen  aasge- 
wählt wurde,  ist  topographisch  so  gestaltet,  dass  es  in 
Hinsicht  auf  die  Schwierigkeiten  seiner  Aufnahme  als 
„mittleres“  bezeichnet  werden  darf  für  das  gesammte 
Herzogthum  Braunschweig.  Der  südliche,  im  Harz  gelegene 
Theil  desselben  ist  weit  gebirgiger  und  coupirter,  wird 
aber  in  seinen  schwierigsten  Theilen,  den  Staatsforsten, 
von  der  Forsteinrichtungs  - Anstalt  im  Maasstabe  1:5000 
bearbeitet;  der  nördliche,  weitaus  grössere  Theil  bildet 
zur  norddeutschen  Tiefebene  gehöriges,  stellenweise  be- 
waldetes Flachland.  Vermessungs-Insp.  Seiffert  hatte  im 
„mittleren“  Gelände  in  einem  Monat  durchschnittlich  9 qk.® 
mit  obiger  Genauigkeit  aufgenommen.  Diese  Arbeitsleistung 
wurde  als  „normale"  betrachtet  und  festgesetzt,  dass  etn 
hinreichend  geübter  Topograph  in  einem  Sommer  von 
rd.  6 Monaten  Feldarbeit  50  „mittleres“  Gelände  auf- 
zunehmen habe  unter  Einhaltung  der  vorgeschriebenen 
Genauigkeits-Grenzen.  Auf  dieser  Grundlage  wurden  dann 
die  Kosten  und  die  Dauer  der  topographischen  Neuauf- 
nahme des  ganzen  Herzogthums  berechnet  und  vom 
braunschweigischen  Landtage  genehmigt. 

Die  „normale  mittlere“  Arbeitsleistung  bezeichnet  einen 
Durchschnitts  Werth,  der  in  Anbetracht  der  Vielge- 
staltigkeit des  Geländes,  sowie  der  stark  und  rasch  wechseln- 
den Schwierigkeiten  seiner  Aufnahme  wegen  im  Einzelnen 
erheblichen  Schwankungen  unterworfen  ist.  Olfenes  und 
flaches  Gelände  ohne  vielerlei  Kulturen  usw.  kann  weit 
leichter  und  rascher  aufgenommen  werden,  als  coupirtes 
und  zerrissenes  Gelände  mit  dichtem  Waldbestande.  Die 
Zahl  der  für  i qk™  ihrer  Lage  und  Höhe  nach  zu  be- 
stimmenden Punkte  ist  je  nach  der  Gelände-Beschaffenheit 
eine  sehr  verschiedene;  sie  schwankt  um  den  zehnfachen 
Betrag  von  den  einfachsten  bis  zu  den  schwierigsten  Ge- 
lände-Theilen  bei  Einhaltung  der  verlangten  Genauigkeits- 
Grenzen.  Von  Einfluss  auf  die  Dauer  der  Aufnahme  ist 
auch  der  mehr  oder  minder  grosse  Detailreichthum  der 
Situation,  sodann  die  Lage  und  Gestalt  des  aufzunehmenden 
Geländes,  ob  seine  Grenzen  von  einfacher  und  , regel- 
mässiger Form,  oder  — was  im  Herzogthum  ßraunschweig 
oft  der  Fall  ist  — vielfach  zerrissen  und  zerstückelt  sind  usw. 
Es  ist  daher  nicht  ganz  leicht,  in  jedem  Falle  über  Schwie- 
rigkeit und  normale  Dauer  einer  topographischen  Auf- 
.nahme.ein  zutrefiendes  Urtheil  abzugeben,,  und  doch  muss 
dies  mit  genügender  Annäherung  ausführbar  sein,  um 
„gerechte  und  billige“  Anforderungen  an  die  aufnehmenden 
Topographen  von  vorn  herein  zu  stellen. 

Um  dies  zu  erreichen,  hat  Vermessungs-Insp.  Seiffert 
das  von  ihm  topographisch  bearbeitete  Gelände  in  einzelne, 
inbezug  auf  die  Schwierigkeiten  der  Aufnahme  als  nahe 
gleichwerthig  zu  bezeichnende  Theile  zerlegt  und  aus 
seinen  Feldtagebüchern  für  jeden  derselben  die  Anzahl 
wirklicher  Arbeitstage  berechnet,  die  zur  Aufnahme 


Schluss  an  die  in  England  üblichen  Einzel-Ausführungen. 
Sein  Wesen  ist  durch  die  Zusammenfassung  von 
ganz  Berlin  zu  einer  grossen  Einheit  gekenn- 
zeichnet. 

In  der  Einheitlichkeit  lag  aber  die  Schwäche  des 
Planes  und  lag  die  Nothwendigkeit  seines  Scheiterns 
begründet.  Es  kann  geradezu  als  ein  Glück  für  die  Stadt 
bezeichnet  werden,  dass  diese  Schwäche  erkannt  wurde, 
noch  bevor  man  an  irgend  einer  Stelle  zur  Ueber- 
setzung  des  Planes  in  die  Wirklichkeit  schritt.  Man  braucht 
sich  nur  au>zudenken,  in  welch’  unentwirrbare  Verlegen- 
heiten die  Stadt  durch  die  Anlage  der  Pumpstation  bei 
Martinikenfelde  und  die  Belastung  der  kleinen  Spree  mit  den 
übermäb-sig  grossen  Schmntzwasser-Mengen  gerathen  sein 
würde,  braucht  nur  sich  der  enormen  Geldopfer  zu  erinnern, 
welche  London  hat  bringen  müssen,  um  eine  im  Grundge- 
danken falsche  Anlage  nachträglich  nothdürfiig  zurecht  zu 
bringen,  um  zu  ermessen,  von  welch’  eminenter  Bedeutung 
der  nunmehr  von  Hobrecht  entworfene  neue  Plan,  der  mit 
dem  Kardinalfehler  desWiebe’schen  Entwurfes : s e in  e r Ei  n- 
heitlichkeit,  rücksichtslos  aufräumte,  für  die  Stadt 
Berlin  geworden  ist.  Und  ebenso  folgenschwer  hat  sich  das 
unwandelbare  Festhalten  Hobreebts  an  seinem 
Vorschläge:  die  Berliner  Abwässer  durch  Riese- 
lung zu  reinigen,  erwiesen.  Man  stelle  sich  vor,  welcher  Zu- 
stand heute,  wo  alle  anderen  Keinigungs-Vertahren  als 
sehr  minderwerthig  angesehen  werden,  herrschte,  wenn 
die  städtischen  Behörden  auf  irgend  einen  von  den  vielen 
ihnen  gemachten  Reinigungs- Vorschlägen  anderer  Art  ein- 
gegangen wären.  Heute,  wo  das  Gesammiwerk  der  Berliner 
Kanalisation  vollendet  ist,  und  wo  neben  demselben  zahl- 
reiche andere  Ausführungen  : — auch  in  Grosstädten  — be- 
stehen, die,  begründet  auf  die  Fortschritte  wissenschaftlicher 


Forschung,  in  Einzelheiten  ihrüweise  andere  Züge  tragen, 
mag  man  leicht  geneigt  sein,  Eigenart  und  Grösse  der  um 
mehr  als  30  Jahre  zurückliegenden  Entschliessungen  und 
Pläne  Hobrechts  zu  unterschätzen.  Es  wird  aber  jedes 
Urtheil  darüber  vor  der  Thatsaclle  haltmachen  müssen,,dass 
die  Anlage  sowohl  in  ihren  Grundideen  aufgefasst,  als  in 
der  Ausführung  betrachtet,  sich  bewährt  hat,  und  dass  noch 
Niemand  aufgestanden  ist,  der  trotz  Ausstellungen  im  Ein- 
zelnen an  demselben  etwas,  was  das  Wesen  derselben 
berührt,  auszustellen  gewusst  hätte. 

Sowohl  der  glänzende  Gesammt-Erfolg,  der  dem  Werke 
zutheil  geworden,  als  der  Umstand,  dass  eine  grosse  An- 
zahl jüngerer  Kräfte  des  technischen  Berufes  an  demsel- 
ben lernen  konnten,  haben  es  bewirkt,  dass  dasselbe  ver- 
einzelt bestechend  gewirkt  und  im  grossen  Umfange  Schule 
gemacht  hat.  Nicht  immer  mit  Recht!  Es  sind  Ueber- 
tragungen  Hobrecht’scher  Ideen  auf  Fälle  vorgekommen, 
in  welchen  andere  Ideen  mehr  Berechtigung  gehabt  hätten. 
Man  hat  die  grossen  Züge  der  Berliner  Kanalisation  hier 
und  da  auf  ganz  anders  geartete  Fälle  übertragen,  und  ist  da- 
durch, anstatt  des  erwarteten  Erfolges,  nur  zu  mehr  oder 
weniger  verfehlten  Lösungen  gekommen.  Erst  in  den 
letzten  Jahren  wird  eine  grössere  Befreiung  von  den  Grund- 
ideen der  Hobrecht’schen  Schule  sichtbar  und  gelangt  die 
Erkenntniss  zum  Durchbruch,  dass  bei  den  Aufgaben  der 
Städlereinigung  die  Schablone  verkehrt  ist  und  jeder  Fall 
nach  seiner  Eigenart  behandelt  werden  muss,  wenn  nicht 
verfehlte  Anlagen  entstehen,  oder  die  Städte  mit  unerträg- 
lichen Opfern  belastet  werden  sollen.  Was  Mängel  an 
technischer  Schulung  und  Unselbständigkeit  des  Lrtheils 
verschuldet  haben,  darf  aber  nicht  dem  Vorbilde  zu  Lasten 
geschrieben  werden.  Und  es  fehlt  auch  jeder  Grund  zu 
etwaigen  Berufungen  auf  den  Urheber,  weil  Hobrecht 

No.  77. 


494 


erforderlich  waren.  Auf  der  Grundlage  dieser  Zahlen  und 
durch  weitere  Ueberlegungen  konnte  festgestellt  werden, 
dass  im  freien  Felde  1—5  Arbeitstage  für  i erforder- 
lich sind  vom  flachen  und  einfachsten,  bis  zum  steilen, 
zerklüfteten  und  situationsreichen  Gelände.  Bei  bewaldetem 
Gelände  verdoppeln  sich  diese  Zahlen,  wobei  naturgemäss 
die  Art  der  Bewaldung,  ob  lichter  Stangen-  und  Hochwald, 
oder  Dickung  mit  Unterholz  usw.  sehr  ins  Gewicht  fällt. 
Aufnahmen  von  Ortschaften  können  bei  gänzlichen  Neu- 
messungen bis  zu  20  Tagen  für  i q^“i  erfordern. 

Eine  unter  Berücksichtigung  dieser  Umstände  aufge- 
stellle  Skala  der  erforderlichen  Arbeitstage  wurde  sodann 
der  Abschätzung  eines  im  Sommer  1901  von  2 anderen 
Topographen  aufzunehmenden  Geländes  zugrunde  gelegt 
und  erprobt.  Es  handelte  sich  um  etwa  60  qkm  theils 
offenes  und  flaches,  theils  sehr  coupirtes  und  dicht  be- 
waldetes Gelände  zwischen  den  Thälern  der  Nette,  der 
Innerste  und  den  Heinbergen  im  Kreise  Gandersheim. 

Die  für  die  einzelnen  Gelände  - Abschnitte  für  i qkm 
als  nothwendig  erachtete  normale  Arbeitsdauer  betrug 
von  1,5  bis  zu  10  wirkliche  Arbeitstage.  Mit  diesen 
Zahlen  und  den  zugehörigen  Flächengrössen  der  gleich- 
artigen Gelände-Abschnitte  berechnete  sich  die  Summe  der 
zur  Aufnahme  der  60  qkm  erforderlichen  gesammten  Ar- 
beitsdauer zu  194  wirklichen  Arbeitstagen.  Nach  den  von 
den  Topographen  geführten  Feldtagebüchern  wurden  dem- 
gegenüber bei  der  topographischen  Aufnahme  dieses  Ge- 
ländes im  Sommer  1901  imganzen  gebraucht  190  Arbeits- 
tage. Die  Uebereinstimmung  des  Voranschlages  mit  der 
aufgewendeten  Arbeitszeit  ist  somit  durchaus  befriedigend. 

Um  die  Gesammtzeit  an  Kalendertagen  zu  er- 
halten, die  eine  Aufnahme  erfordert,  hat  man  zu  der  Zahl 
der  wirklichen  Arbeitstage  noch  die  Sonn-  und  Festtage, 
Regentage,  Reisetage  usw.,  an  denen  nicht  gearbeitet  wird, 
mit  rd.  50  % der  anderen  zuzufügen.  Dieser  Betrag  der 
Versäumniss-Tage  kann  im  ersten  Augenblicke  als  etwas 
zu  hoch  bemessen  erscheinen,  in  Wirklichkeit  aber  hat 
sich  derselbe  als  nahe  zutreffend  erwiesen. 

Naturgemäss  wird  man  bei  einem  derartigen  Voran- 
schläge in  der  Praxis  mit  runden  Zahlen  rechnen.  So 
heisst  es  in  meinem  Berichte  an  die  Landes-Vermessungs- 
Kommission,  dass  zur  Aufnahme  rd.  200  Arbeitstage  und 
300  Kalendertage,  d.  h.  10  Monate  Feldarbeit  erforderlich 
sein  würden.  In  Wirklichkeit  wurden  10,5  Monate  gebraucht. 

Die  eingehende  Prüfung  der  Aufnahmen  ergab  die 
verlangte  Genauigkeit.  Hiernach  glauben  wir  zu  dem 
Ausspruche,  berechtigt  zu  sein,  bei  der  braunschweigischen 
Landesaufnahme  es  erreicht  zu  haben,  in  Hinsicht  sowohl 
auf  die  Genauigkeit,  wie  auch  inbetreff  der  Arbeitsleistung 
an  das  Personal  „gerechte  und  billige“,  sowie  „sachge- 
mässe“  Anforderungen  stellen  zu  können. 

Warum  soll  sich  das  Gleiche  nicht  auch  bei  den  tech- 
nisch topographischen  Aufnahmen  und  Plänen  für  Eisen- 
bahn-Vorarbeiten erreichen  lassen?  Oder  lohnt  sich  das 
hier  vielleicht  nicht  der  Mühe?  Ein  Blick  auf  die  Zahlen 


der  Spalte  3 und  5 in  der  Tabelle  für  die  durchschnitt- 
lichen Fehler  der  topographischen  Aufnahmen  auf  S.  491 
genügt,  um  diese  Frage  zu  beantworten,  denn  ein  Topo- 
graph, der  nach  zweijähriger  Vorbereitung  die  erste  selb- 
ständige Aufnahme  machte,  gebrauchte  die  dreifache  Zeit, 
um  annähernd  dieselbe  Genauigkeit  zu  erreichen  im  Maass- 
stab 1 : 10000,  wie  die  geübten  Topographen  im  Maasstab 
1:25000.  Die  Zahlen  der  letzten  Spalte  aber  können 
einen  Begriff  davon  geben,  was  an  Ungenauigkeit  geleistet 
wird,  wenn  Anfänger  ein  schwieriges  Gelände  aufzu- 
nehmen haben  und  zugleich  zur  Eile  angespornt  werden. 
Bei  Eisenbahn-Vorarbeiten  aber  „pressirf*  es  immer,  und 
was  die  Ausbildung  des  Personals  betrifft,  so  bildet  für 
den  Bauingenieur  das  Vermessungswesen  keinen  Lebens- 
beruf, in  den  er  sich  mehr  und  mehr  hineinarbeitet,  son- 
dern nur  eine  vorübergehende  Beschäftigung,  der  er  sehr 
bald  wieder  entsagt,  um  sich  seiner  eigentlichen  Aufgabe, 
der  Bauausführung  zuzuwenden. 

Wie  bereits  erwähnt  wurde,  habe  ich  mich  seither 
vergeblich  bemüht,  eine  Antwort  auf  meine  Frage  nach 
einer  zweckent^^prechenden  Genauigkeit  technisch-topo- 
graphischer Pläne  zu  erhalten.  Nach  den  vorliegenden 
Erfahrungen  kann  es  doch  nicht  gleichgültig  sein,  wie 
dieselben  ausgeführt  werden,  denn  Fehler  in  der  Tracirung 
bedingen  oft  sehr  bedeutende,  bleibende  Mehrausgaben 
des  Betriebes.  In  den  nächsten  Jahren  sollen  grössere 
Summen  für  neue  Bahnanlagen  aufgewendet  werden.  Es 
bietet  sich  somit  die  günstigste  Gelegenheit,  um  die  für 
die  Braunschweigische  Landesaufnahme  erfolgreich  durch- 
geführten Untersuchungen  in  Hinsicht  auf  Genauigkeit  in 
Arbeitsleistung  auch  für  technisch -topographische  Pläne 
vorzunehmen  und  auf  Eisenbahn-Vorarbeiten  auszudehnen. 
Es  werden  hier  namentlich  Höhenschichten-Pläne  grösse- 
ren Maasstabes,  vornehmlich  1 :25oo  und  1:1000  in  Betracht 
kommen,  die  in  sachgemässer  Weise  zu  behandeln  sind. 

Die  Frage  nach  einer  „zweckentsprechenden“ 
Genauigkeit  derselben  wird  sich  beantworten  lassen  durch 
mehrfache  Vergleichung  der  nach  den  Plänen  aufgesielken 
Entwürfe  mit  der  wirklichen  Bauausführung,  denn  wo 
beide  übereinstimmen  — richtigeTracirung  vorausgesetzt  — 
waren  die  Pläne  zweckentsprechend,  wo  nicht  unzuläng- 
lich aus  dem  einen  oder  anderen  Grunde.  Wenn  bei 
hinreichender  Sachkenntniss  und  Erfahrung  in  systemati- 
scher und  zielbewusster  Weise  vorgegangen  wird,  kann 
das  Ergebni'S  nicht  zweifelhaft  sein.  Es  werden  sich 
allgemein  gültige  Vermessungs  Anweisungen  und  Genauig- 
keits-Vorschriften auch  für  technisch-topographische  Auf- 
nahmen und  Pläne  aufstellen  lassen.  Der  früher  er- 
wähnte Ausspruch  Mansergh’s  über  die  „WirthschaMich- 
keit“  der  Ingenieurkunst  wird  dann  auch  für  die  Eisen- 
bahn-Vorarbeiten Geltung  gewinnen,  während  er  gegen- 
wärtig — soweit  die  Geodäsie  in  Betracht  kommt  — als 
Ironie  erscheinen  muss.  Freilich  „Ein  Bähnle  wird’s 
immer“!  Aber  Fehler  in  der  Tracirung  bringt  kein  Spar- 
system wieder  ein.  — K. 


als  Fachmann  viel  zu  bedeutend  war,  um  für  schemati- 
sches Verfahren  Verständniss  zu  besitzen,  oder  ihm  gar 
Billigung  zutheil  werden  zu  lassen.  Er  hat  in  späteren 
Jahren  mehrfach  ausgesprochen,  seine  Pläne  für  Berlin 
nach  dem  damaligen  Stande  gesundheitlicher  und  tech- 
nischer Wissenschaft  entworfen  zu  haben,  und  willig  aner- 
kannt, dass  die  Grundlagen  der  Städtereinigungs-Aufgabe 
später  gewisse  Veränderungen  und  Erweiterungen  er- 
fahren hätten,  die  in  den  technischen  Ausführungen  zum 
Ausdruck  kommen  müssten. 

Hinsichtlich  dessen,  was  Hobrecht  der  Stadt  Berlin 
während  der  Dauer  gewesen  ist,  in  welcher  er  das  Amt 
eines  Stadtbaurathes  für  den  Tiefbau  führte,  kann  auf  das 
verwiesen  werden,  was  die  Dtsche.  Bauztg.  darüber  in 
No.  37  des  Jahrg.  1897  gebracht  hat.  Sein  Wirken  reichte 
indess  weit  über  Berlin  hinaus.  Theils  als  Vorsitzender  des 
Berliner  Architekten- Vereins,  theils  als  Mitglied  der 
preussischen  Akademie  des  Bauwesens  durch  Jahre 
gewann  er  Einfluss  auf  viele  Dinge  technischer  Gebiete 
weit  in  die  Ferne  hinaus.  Sein  Rath  wurde  von  zahlreichen 
Städten  des  In-  und  Auslandes  in  Fragen  der  Wasser- 
versorgung und  der  Städtereinigung  inanspruch  genommen, 
u.  a.  auch  von  Moskau,  Tokio,  Kairo  und  Alexandrien.  Die 
Städte  Stettin  und  Darmstadt  sind  ihm  zu  besonderem 
Dank  für  ihre  betr.  Anlagen  verpflichtet;  die  letztgenannte 
Stadt  hat  ihrem  Danke  seiner  Zeit  durch  Ernennung 
Hobrechts  zum  Ehrenbürger  und  bei  seinem  Hinschei- 
den durch  Veranstaltung  einer  Trauerfeier  der  städtischen 
Behörden  Ausdruck  gegeben.  Berlin  hatte  die  Pllicht  der 
Dankbarkeit  früher  durch  Ernennung  Hobrecht'  zum  Stadt- 
äitesten  und  hat  sie  jetzt  durch  reiche  Betheiligung  der 
städtischen  Behörden  bei  der  Leichenfeier  und  Würdi- 
gung der  Verdienste  desselben  gemeinsam  mit  denjenigen 


Virchows,  dessen  wirksamen  Beistandes  er  sich  bei  dem 
grossen  Werke  der  Sanirung  Berlins  erfreute,  in  Sitzungen 
bezw.  des  Magistrats  und  der  Stadtverordneten  anerkannt. 
Der  Staat  ehrte  das  Verdienst  durch  Verleihung,  des  Cha- 
rakters als  Geheimer  Baurath  unddieUniversität  Göttingeti 
durch  Zuerkennung  der  Ehrendoktor-Würde. 

In  ein  paar  Schlussworten  sei  nur  noch  dessen  ge- 
dacht, was  der  Verstorbene  als  Mensch  und  Vorgesetzter 
zahlreicher  Beamten  war.  Der  Grundzug  seines . Wesens 
war  Wohlwollen  und  Geradheit.  Seine  impulsive  Natur 
aber  führte  ihn  zuweilen  etwas  über  diejenigen  Grenzen 
hinaus,  die  der  Bedächtige  einhält.  Wie  er  denjenigen,  die 
im  Amte  ihre  Schuldigkeit  oder  darüber  hinaus  thaten,  ein 
Vorgesetzter  war,  auf  den  sie  bauen  konnten,  sogar  ein 
zuverlässiger  Freund  wurde,  so  traf  andererseits  sein  Zorn 
unnachsichtlich  diejenigen,  welche  durch  Nachlässigkeit  oder 
Pilichtvergessenheit  im  Amte  sein  Wohlwollen  verscherzten. 

Es  ist  Hobrecht  zuweilen  der  Vorwurf  gemacht  wor- 
den, dass  er  sich  nicht  immer  streng  an  die  fe^^en  Regeln 
band,  die  in  der  ßeamtenlaufbahn  hinsichtlich  der  Be- 
förderung und  Anstellung  der  Beamten  nun  einmal  ge- 
geben sind  und  innerhalb  gewisser  Grenzen  ihre  Berechti- 
gung haben.  Hier  hat  wohl  seine  langjährige  Thätigkeit 
in  einer  Stellung,  die  in  vieler  Hinsicht  derjenigen  des 
Leiters  eines  grossen  industriellen  Privatunternehmens 
glich,  ihren  Einfluss  geübt.  Endlich,  einfach  und  schlicht, 
wie  Hobrecht  in  seinem  persönlichen  Auftreten  zeitlebens 
gewesen  ist,  war  er  auch  ira  dienstlichen  Verkehr  über- 
flüssigem Formenwerk  und  Zeremoniell  abhold,  ohne  aber 
seiner  Stellung  je  irgend  etwas  zu  veraeben. 

Der  ganze  technische  Beruf  hat  Ursache,  in  Hobrecht 
den  Verlust  eines  Fachgenossen  zu  beklagen,  der  dem 
Stande  zur  Ehre  und  Zier  gereichte.  — — B.  — ■ 


24.  September  1902. 


495 


Vermischtea.  Offizierkorps  zeigt  nach  einem  Entwurf  von  Prof.  H.  Prell 

•CM  1 * 1 V n 1 t.*  '7  • 1.  -1  •*.  * ii  in  Dresden  heraldischen  Charakter  mit  Wappen  und  einem 

Elektrische  Beleuchtung  von  Zeichensalen  mit  verstell-  -r-  v , ■ uj  * u t'  u*  i ^ • j 

barer  Lichtquelle.  Anlässlich  des  Umbaues  der  Alten  Börse  altdeutscher  Tracht  Daneben  sind  Fenster 

zu  Breslau  deinem  Verwaltungsgebäude  für  die  städtische  ^ die  Schtosskapelle  m Mnltz  und  für  die  eYangelische 
Bauuerwaltung  wurden  für  die  Zeichensäle  Beleuchtungs-  ptahem  Adorf  aufges  ellt.DazutretennochzweiOpalescen  - 
Irörner  für  elektrisches  T.icht  mit  uaeh  c Biehtunueu  ver-  fenster  mitderDarstellungvonParklandschaften  imLorenz  - 


körper  für  elektrisches  Licht  mit  nach  3 Richtungen  ver- 
stellbarer Lichtquelle  von  dem  Unterzeichneten  konstruirt. 
Da  die  Konstruktion  für  ähnliche  Zwecke  von  allgemeinem 
Interesse  ist,  soll  dieselbe  hier  mitgetheilt  werden. 

Die  Beleuchtungskörper  bestehen  aus  einem  25 ' 


sehen  „Reichsdampfer“,  welche  auf  der  Dresdener  Bau- 
aussteliung  mit  dem  I.  Preise  ausgezeichnet  wurden.  — 
Internationale  Feuer-Ausstellung  in  London.  Von  Mai 
bis  Oktober  1903  wird  in  Earls  Court  in  London  eine 
starken,  mit  der  Decke  fest  verbundenen  Gasrohr,  dessen  internationale  Feuer-Ausstellung  sfattfinden,  deren  tech- 
Länge  sich  nach  der  Höhe  der  Zimmer  richtet,  und  2 nische  Leitung  das  „Briti.sh  Fire  Prevention  Committee“ 
wagrecht  beweglichen  Armen.  Letztere  sind  aus  5:25™*«  unter  dem  Vorsitz  von  Edwin  O.  Sachs  in  London 
starken  Flacheisen  hergestelit  und  an  ihren  Endpunkten  übernommen  hat.  Die  Ausstellung  dürfte  namentlich  für 
mittels  5““  starken  Rundeisens  an  dem  Gasrohr  aufge-  Architekten,  Ingenieure,  Brand-Direktoren,  Versicherungs- 
hängt. Die  hochkantig  gestellten  Flacheisen  dienen  als  Gesellschaften  usw.  Interesse  haben;  für  die  kontinentale 
Laufschiene  für  eine  Rolle,  an  der  mittels  Hanfschnüren  Industrie  dürften  sich  durch  sie  neue  Absatzgebiete  er- 
und  Gegengewicht  die  Glühlampe  in  senkrechter  Richtung  öffnen.  Der  Ausstellung  liegt  der  folgende  Plan  zugrunde; 
verschiebbar  angebracht  ist.  Die  Befestigung  des  als  Achse  I.  Feuersicherheitstechnik  (Bausystem,  Bauausrüstung,  elek- 
dienenden  Gasrohres  erfolgte  an  den  massiven  Decken  trische  Licht-  und  Kraftleitungen,  Heizvorrichtungen);  II. 
mittels  Steinschraube,  an  den  Holzdecken  mittels  eiserner,  Feuerlöschwesen  (Löschgeräthe,  Rettungsgeräthe,  Feuer- 
durch  4 Schrauben  befestigter  Platte;  bei  den  massiven,  wehrwache);  III,  Feuerteiegraphenwesen  (Feuermelder, 
in  Beton  mit  Eiseneinlage  hergesteÜten  Decken  wurde  Telephon  und  Telegraph);  IV.  Rettungsarbeiten  (Rettungs- 
eine Isoliermuffe  eingeschaltet.  Alle  aus  Eisen  her-  korps,  Rettungswachen);  V.  Samariterdienst;  VI.  Wasser- 


gestellten Theile  sind  polirt  und  vernickelt, 
den  Theile  sind  aus  vernickelter  Bronze, 


Versorgung  (Wasserwerke,  Hydranten);  VII.  Versicherung: 
VIII.  Städtische  Behörden  (Feuerwehren, Feuerwehrpolizei) 
IX  Geschichte,  Litteratur,  Kunst  (Alte  Ge- 
räthe,  Bücher,  Drucke);  X.  Wissenschaft!, 
(Gesellschaften,  Laboratorien  usw.).  Das 
Programm  erscheint  wohldurchdacht.  — 


Preisbewerbungen. 

Die  Bebauung  des  Geländes  desRuffml- 
bazares  in  München  soll  zum  Gegenstände 
eines  Wettbewerbes  für  Künstler  Mün- 
chens und  seiner  Umgebung  gemacht 
werden,  in  welchem  3 Preise  von  3000, 
2000  und  1000  ,M.  zur  Vertheilung  ge- 
langen werden.  Die  Bebauungspläne 
sollen  etwaigen  Käufern  des  Geländes 
zur  Verfügung  gestellt  werden ; falls  die 
Stadt  München  selbst  das  Gelände  be- 
baut, soll  sie  nicht  verpflichtet  sein,  den 
mit  dem  I.  Preis  bedachten  Entwurf  zur 
Ausführung  zu  bringen.  — 

Wettbewerb  Hallenschwimmbad  Pforzheim  (vgl.  No.  33). 
Von  89  eingegangenen  Entwürfen  hat  keiner  den  I.  Preis 
erhalten,  der  vielmehr  zur  Bildung  je  eines  II.  und  III. 
Preises  Verwendung  gefunden  hat.  Es  wurde  zuerkannt 
je  ein  II.  Preis  .von  je  2000  M.  den  Entwürfen  mit  den 
Kennworten  „Halle“  und  „Sanitas“,  Verf.  die  Hrn.  Arch. 
Meissner  & Liborius  in  Magdeburg  bezw.  Prof.  Eugen 
Beck  in  Karlsruhe,  sowie  je  ein  III.  Preis  in  Höhe  vpn 
scheibe  und  das  mit  Blei  gefüllte  Gegengewicht  aus  ver-  )•=  i““  M-  Entwürfen  .Dicht  und  Luft“  und  Volks- 
nickeltem  Messingblech  hergestellt.  Bei  der  Befestigung  ^ deren  Verfasser  sich  ergaben  die  Hrn. 

der  Beleuchtungskörper  wurde  besonderer  Werth  darauf  Genschel  in  Hannover  und  Ad.  Godecke 


gelegt,  dass  die  Mittelaxe  in  genau  senkrechter  und  die 
Laufschienen  in  genau  wagrechter  Lage  sich  befanden. 
Uiri  ein  Gegeneinanderschlagen  der  Arme  zu  vermeiden, 
wurde  an  dem  einen  Arm  ein  ii  c“  langer  Stift  aus  4' 


& Ludw.  Knortz  in  Giessen.  Zum  Ankauf  empfohlen 
wurde  der  Entwurf  mit  dem  Kennworte  „In  balneis 
salus“.  Sämmtliche  Entwürfe  sind  vom  27.  Sept.  bis. 
einschliesslich  i.  Okt.  im  Sitzungssaale  des  Rathhauses 


Rundeisen  angebracht.  Das  Kabel  ist  durch  das  Gasrohr  öffentlich  ausgestellt, 
geführt  und  tritt  am  unteren  Ende  desselben  seitlich  aus.  Wettbewerb  Krematorium  in  Bremen.  ZudiesemWett- 
AlsLichtquelle  wurden  Glühlampen  von  i6bezw.25Kerzen  bewerb  (vgl.  No.  51)  sind  78  Arbeiten  eingegangen  (bei 
verwendet.  138  eingeforderten  Unterlagen).  Das  Preisgericht,  das 

Die  Schwere  des  Gegengewichts  wurde  zu  531  s er-  z.  Th.  neu  gebildet  ist  und  5 Architekten  enthält,  wird 
mittelt.  Der  Beleuchtungskörper  hat  einen  Durchmesser  Ende  d.  M.  seine  Entscheidung  treffen.  Die  Entwürfe 
von  2>n  und  genügt  mithin  zur  Beleuchtung  von  2 Arbeits-  sollen  sodann  von  Anfang  Oktober  an  in  der  Kunsthalle 
platzen  an  ein  und  demselben  Tische  bezw.  zur  Beleuch-  öffentlich  ausgestellt  werden,  — 

tung  von  2 hintereinander  aufgestellten  Tischen.  _ Wettbewerb  ev.  Kirche  in  Striesen  b.  Dresden.  Als  Ver- 

Der  Preis  eines  solchen  Beleuchtungskörpers  ein-  fasser  des  zum  Ankauf  empfohlenen  Entwurfes  „Moses“ 
schliesslich  Milchglas -Glocke  und  einschl.  Vernickelung  nennt  sich  Hr.  Arch.  Max  Hans  Kühne  in  Dresden, 
aller  Theile,  jedoch  ansschliesslich  Fassung,  Glühlampe  Wettbewerb  Kolleglen-Gebäude  der  Universität  Frel- 
u^nd  Befestigung,  betragt  bei  Herstellung  vm  ioo  bürg  I.  B.  Es  sind  imganzen  123  Entwürfe  eingelaufen. 


Die  Herstellung  erfolgte  durch  die  Firma  Oskar  Haudes 
Nachfolger  in  Breslau. 

Breslau,  im  April  1902.  Perrey,  Stadtbauinsp. 
Glasmalereien  und  Kunstverglasungen  der  Firma  Richard 


Das  Preisgericht  tritt  am  24.  d.  M.  zusammen. 


Brief-  und  Fragekasten. 


Hrn.  Ch.  H.  K.  Die  Gebührenordnung  für  Architekten  und 

■ zwar 

nicht,  sie  wird  aber  zweifellos  mehr  und  mehr  als  Grundlage  ge- 
richtlicher Festsetzungen  dienen,  wie  das  bei  der  alten  Hamburger 
Norm  der  Fall  gewesen  ist.  Je  häufiger  sich  die  Fachgeoossen 


Sehlem  in  Zittau  i.  S.  (Zweiganstalt  in  Grottau  in  Böhmen)  fj-'  ^ Ter  GeSe 

finden  nach  einem  uns  zugegangenen  Berichte  aur  der  

„Gewerbe-  und  Industrie-Ausstellung“  in  Zittau  vielfache 
Anerkennung  und  sind  mit  der  Staatsmedaille  ausgezeich- 
net worden.  In  der  Maschinenhalle  ist  ein  Dielenfenster  und  namentlich  die  technischen  Sachyersiändigen  auf  die  Gebühren- 
mit  der  allegorischen  Figur  der  Industrie  für  die  Villa 
Schlesinger  in  Dresden  aufgestellt.  Die  Figur  ist  Glas- 
malerei, das  übrige  des  im  modernen  Stil  gehaltenen  Ent- 
wurfes amerikanisches  Opalescentglas  auf  Kathedralglas- 
grund.  Ein  Fenster  für  die  Speiseanstalt  des  Zittauer 


Ordnung  berufen,  um  so  rascher  wird  sie  sich  einbürgern.  — 

Inhalt:  James  Hobreclit  f. — Eisenbahn-Vorarbeiten  und  Laodeskarten 
(Schluss).  — - Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief-  und  Fragekasten. 


No.  77. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * ^ N2;  78.  * 

DEN  27.  SEPT.  1902. 
sr  s;  srsrsr  3:2:2:  SS  süsrsr 


Entwurf  zu  einer  evangelischen  Kirche  mit  Pfarrhaus  für  Duisburg. 

Architekt:  Kgl.  Brth.  Otto  March  in  Charlottenburg.j 


Hin  den  beistehenden.  Abbildungen  einer  kirch-' 
j liehen  Baugruppe  für  Duisburg  ist  einer 
Programm -Auffassung  entsprochen,  deren 
Verwirklichung  in  vielen  evangelischen  Krei- 
sen, zumal  in  reformirten,  angestrebt  wird. 
Der  Entwurf  verdankt  seine  Entstehung  einem  für 
Duisburg  ausgeschriebenen  engeren  Wettbewerbe,  in 
dem  er  an  die  zweite  Stelle  trat,  weil  die  äussere 
Formengebung  für  das  Arbeiterviertel,  in  dem  die 
Kirche  erbaut  werden  soll,  nach  Ansicht  des  Kirchen- 
vorstandes zu  weltlich  und  selbstherrlich  gewählt  war. 
Im  Rheinland  trennt  man  sich  besonders  schwer  von 
dem  Gedanken,  dass  kirchliche  Bauwerke  in  mittel- 
alterlichen Formen  errichtet  werden  müssen,  obwohl 
hier  manchmal  die  Anlehnung  an  den  Barockstil,  der 
Formensprache  der  selbständigen  Entwicklung  des  pro- 
testantischen Kirchenbaues  im  XVIII.  Jahrhundert,  die 
Wahrung  der  Eigenart  gegenüber  den  reichen  katho- 
lischen Kirchenbauten  erleichtern  würde. 

Der  Verfasser  des  vorstehenden  Entwurfes  ver- 
tritt den  Standpunkt,  bei  evangelischen  Kirchenbauten, 
die  ihrer  Natur  nach  einen  massig  grossen  Maasstab 
nicht  zu  überschreiten  pflegen,  durch  Angliederung  zu- 
gehöriger Gemeinde-Verwaltungsgebäude  aus  Zweck- 
mässigkeitsgründen und  zur  Erzielung  grösserer  archi- 


tektonischer Wirkung  einen  Gruppenbau  anzustreben*). 
Er  hat  daher  auf  dem  geräumigen  zur  Verfügung  stehen- 
den Platze  dasPfarrhausineine  derartig  lose  Verbindung 
mit  der  Kirche  gebracht,  dass  die  w'eitere  Ausführung 
später  erforderlicher  Gemeindebauten  unschwer  zu 
bewerkstelligen  ist.  Dem  Gemeinderaum  hat  er  die 
einfache  Saalform  belassen,  welche  als  die  zweck- 
mässigste  anerkannt  ist,  solange  die  Zahl  der  Sitze 
1000  nicht  wesentlich  überschreitet.  Im  übrigen  steht 
er  auf  dem  Boden  des  sogenannten  Wiesbadener  Pro- 
grarames,  das  die  Kultusstätten,  Kanzel,  Altartisch  und 
Orgel,  zu  einer  Gruppe  angesichts  der  Gemeinde  ver- 
einigt. Diese  in  letzter  Zeit  häufig  zur  Ausführung 
gelangte  Anordnung  hat  durch  ihre  Zweckmässigkeit 
den  Erwartungen  überall  entsprochen  bis  auf  einen 
Uebelstand,  dass  eine  hochgelegene  Orgelempore  über 
der  Kanzel  den  dort  befindlichen  Sängern  die  Theil- 
nahme  am  Gottesdienste  erschwert.  In  dem  Duisburger 
Entwurf  ist  diesem  misslichen  Umstande  durch  Nie- 
drigerlegung der  Orgelempore  in  derselben  Weise 
abgeholfen,  wie  es  der  Verfasser  in  seinem  Entwürfe 
für  einen  protestantischen  Dom  auf  der  Ausstellung 
des  Kirchenbau-Kongresses  in  Berlin  1894  dargestellt 

•)  Unsere  Kirchen.  Zwei  Aufsätze  von  O.  March.  Berlin  1896. 
Verlag  von  Ernst  & Sohn.  Pr.  1,60  M. 


497 


hat.  Dass  bei  dieser  Anordnung  der  Pastor  mitten 
in  seiner  Gemeinde  steht,  entspricht . der  evangeli- 
schen Auffassung  seines  Amtes.  Der  von  Geist- 
lichen gemachte  Einwand,  dass  einzelne  Zuhörer 
sich  im  Rücken  des  Predigers  befinden,  erscheint 
unerheblich,  da  die  infrage  kommenden  wenigen 
Plätze  durch  die  grössere  Nähe  des  Redners  ent- 
schädigt werden.  Thatsächlich  wird  diese  theilweise 
Unterbringung  der  Zuhörer  hinter  dem  Redner  z.  B. 
in  der  Berliner  Dreifaltigkeits-Kirche, die  einen  vor- 
trefflichen Predigtraum  darstellt,  nicht  als  wesent- 
licher Uebelstand  empfunden.  Es  wäre  erwünscht. 


dass  einmal  einVer- 
such  mit  dieser  An- 
ordnung in  grösse- 
rem Maasstabe  ge- 
macht würde.  In 
einer  für  800  Zu- 
hörer berechneten 
kleineren  Kirche  in 
Poppelsdorf,  welche 
J.  V ollmer  in  Ber- 
lin ausführt,  wird 
sie  sich  unseres 
Wissens  zum  ersten- 
male  zu  bewähren 
haben*).  Der  Um- 
stand, dass  in  sol- 
chen Fällen  die 
Plätze  der  Sänger 
sich  dicht  an  die 
Gemeindeplätze  an- 
reihen, erweist  sich 
als  besonders  gün- 
stig, wenn  die  erste- 
ren  bei  Gelegen- 
heit grösserer  kirch- 
licher Musik  - Auf- 
führ\mgen  vorüber- 
gehend vermehrt 
werden  müssen. 
Dass  derartige  mu- 
sikalische  Gemein- 
de -Vereinigungen 
immer  mehr  in  Auf- 
nahme kommen,  ist 
dringend  zu  wün- 
schen. Viele  unse- 
rer bedeutendsten 
Meisterwerke,  wie 
z.B.  die  Bach’schen 
Schöpfungen,  be- 
dürfen geradezu  des 
Kirchenraumes  und 
büssen  im  Konzert- 
saale an  innerer 
Wirkung  ein.  Mu- 
sik - Aufführungen 
grösseren  Stiles,  bei 
denen  die  Zuhörer 
den  Ausführenden 
gleichmässig  den 
Rü  ck  en  keh  ren , ver- 
stossen  gegen  jedes 
ästhetische  Gefühl. 
In  Berlin,  wo  die 
strenge  lutherische 
Richtung  maassge- 
bender Kreise  eine 
Heiligkeit  der  Chor- 
anlage aufrecht  zu 
erhaltenbestrebt  ist, 
und  daher  Orgel 
und  Sänger  hinter 
die  Gemeinde  ver- 
weist, wird  jede  der- 
artige Aufführung 
zum  neuen  Beleg 
für  die  sich  aus 
der  baulichen  An- 
lage ergebende  Stil- 
losigkeit.  — M. 


*}  Anmerkung  der 
Redaktion.  Wir  ver- 
fehlen nicht,  auf  deo 
Grundriss  des  Vollmer- 
schen  Konkurrenz-Ent- 
wurfes für  eine  neue 
evangelische  Kirche  in 
Karlsruhe  auf  Seite  393 
Jahrg.  1894  der„  Dtschn. 
Bauztg.“  binzuweisen. 


498 


No.  78. 


Die  XV.  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ingen.- Vereine 
zu  Augsburg  vom  i.— 3.  September  1902*). 


(III.  Die  Vorträge.  (Fortsetzung.) 
c)  Augsburgs  bauliche  Entwicklung.  (Schluss.) 

Hie  .schon  erwähnt,  beruhte  die  bauliche  Thätigkeit 
der  Stadt  um  und  nach  der  Mitte  des  19.  Jahrhunderts 
hauptsächlich  im  Ausbau  der  Wasserkräfte.  Noch 
aber  wurde  Augsburg  von  dem  Gürtel  der  altenBefestigungs- 
werke  umgeben.  Eher  aber  als  in  anderen  deutschen 
Städten,  deren  Aufschwung  erst  nach  dem  französischen 
Krieg  1870/71  begann,  wurde  den  Bürgern  dieser  Gürtel  zu 
eng.  Die  ersten  Lücken  legten  die  entstehenden  Eisenbahn- 
linien nach  München  und  Nürnberg.  Dann  folgte  ein  Stück 
nachdem  anderen.  Vielleicht  wurde  hierbei  des  Guten  zu- 
viel gethan.  Immerhin  dürfen  wir  dankbar  sein,  dass  noch 
eine  Reihe  alter  schöner  Parthien  erhalten  geblieben  sind, 
welche  im  Verein  mit  den  neuen  Anlagen  noch  manche 
reizende  Stadt-  und  Landschaftsbiider  zeigen. 

Nebst  den  umfangreichen  Wasserbauten  für  die  In- 
dustrie war  es  also  die  Niederlegung  der  Festungswerke, 
die  Schaffung  von  Ringstrassen,  welche  die  ganze  bau- 
liche Thätigkeit  der  Stadtverwaltung  von  1860 — 75  in  An- 
spruch nahmen,  und  man  darf  sagen,  dass  alle  diese  Auf- 
gaben damals  mit  Glück-  und  Geschick  gelöst  worden  sind. 

Das  Anwachsen  der  Stadt  infolge  der  industriellen 
Entwicklung  zwang  aber  auch  zu  weiteren  hygienischen 
Maassregeln,  indem  schwerwiegende  Gründe  Anfangs  der 
siebziger  Jahre  zunächst  eine  neue  Wasserversorgung 
nothwendig  machten.  Man  ging  über  zu  einer  Grund- 
wasser-Versorgung  aus  dem  4 entfernten  Siebentisch- 
walde. Es  wurden  dort  3 gemauerte  Sammelbrunnen  von 
je  4 m Durchmesser  angelegt,  es  wurde  das  Pumpwerk 
auf  dem  Hochablass  erbaut  und  mit  3 Pumpen  ausgestattet, 
welche  vorzügliches  Trinkwasser  ständig  in  das  Siadtrohr- 
netz  pumpen.  Charakteristisch  am  hiesigen  Wasserwerk  ist 
der  Umstand,  dass  es  ohne  Hochbehälter  lediglich  unter 
Einschaltung  von  4 grossen  Druckwindkesseln  von  je  10  “ 
Höhe  und  1,75“  Durchmesser,  demnach  mit  einem  Fassungs- 
raum von  etwa  90  2um  Ausgleich  der  Druckschwan- 
kungen arbeitet.  Das  Wasserwerk  ist  seit  1879  im  Betrieb 
und  hat  sich  bis  jetzt  tadellos  bewährt.  Es  hat  seitdem  eine 
kleine  Erweiterung  erfahren  und  ein  erheblicher  Ausbau 
ist  bereits  ins  Werk  geleitet.  • 

Die  nächst  wichtige  Frage  war  damals  — sie  ging 
eigentlich  der  Wasserversorgung  voran  • — die  Entfernung 
der  menschlichen  Abfallstoffe.  Man  entschied  sich  für 
das  Heidelberger  Tonnensystem,  für  welches  auch  die 
Regierung  mit  Rücksicht  auf  die  Landwirthschaft  nach- 
drücklich eintrat.  Die  Hoffnungen,  die  man  für  letztere 
daran  knüpfte,  haben  sich  dann  freilich  nicht  erfüllt. 

Daneben  wurde  eine  ganz  einfache,  auf  eine  etwaige 
spätere  Abschwemmung  der  Fäkalien  keine  Rücksicht 
nehmende  Entwässerung  für  Regen-  und  Hauswasser  an- 
gelegt, was  jetzt,  trotzdem  den  hygienischen  Anforderun- 
gen an  sich  vollkommen  genügt  ist,  recht  unangenehm 
empfunden  wird,  da  der  Uebergang  zur  Schwemmkanali- 
sation, für  welche  die  Bedingungen  in  Augsburg  an  sich 
sehr  günstig  liegen,  jetzt  sehr  grosse  Opfer  erfordern 
würde.  Trotzdem  steht  diese  Frage  z.  Zt.  zur  Erwägung. 

Aber  nicht  bios  der  Tiefbau  war  es,  der  beim  Wieder- 
aufblühen  der  Industrie  in  den  fünfziger  Jahren  die  Stadt 
beschäftigte,  auch  andere  Bedürfnisse  traten  heran,  und 
man  ging  nun  auch  an  den  Bau  eines  für  die  damalige 
Zeit  grossen  Krankenhauses,  denn  dasselbe  genügt  be- 
züglich seines  Fassungsvermögens  selbst  heute  noch  den 
zu  stellenden  Anforderungen,  und  die  Art  und  Weise,  wie 
der  ausführende  Architekt,  der  damalige  Stadtbauralh 
Kallmann  seine  Aufgabe  löste,  darf  heute  noch  als  ge- 
lungen bezeichnet  werden,  wenn  auch  selbstverständlich 
mancherlei  Umgestaltungen  und  Erweiterungen  mit  der 
Zeit  erforderlich  wurden.  Ausserdem  sind  bereits  Vor- 
arbeiten im  Gange,  zur  Entlastung  des  Krankenhauses,  na- 
mentlich von  Rekonvaleszenten,  ein  Sanatorium  in  freiester 
Lage  zu  erbauen. 

Dem  Schulwesen  musste  eine  aufblühende  Stadt 
selbstverständlich  vor  allem  ihr  Augenmerk  zuwenden, 
doch  Hess  zunächst  der  Umstand,  dass  wir  in  einer  pari- 
tätischen Stadt  leben,  wo  für  Katholiken  und  Protestanten 
gleicher  Weise  gesorgt  werden  muss,  den  Bau  von  grösse- 
ren Schulhäusern  nicht  zu,  so  dass  immer  nur  kleinere 
Schulhäuser  von  4—  6 Klassen  entstanden.  Erst  die  Periode 
1870 — 1880,  die  wohl  als  eine  der  thatenreichsten  bezeichnet 


*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Zu  unseren  Ausführungen  auf 
S.  466,  die  Aufoahmen  der  Augsburger  Fassadeo-Malerei  betreffeud,  be- 
merken wir  noch,  dass  Hr.  Maier  Brandes  hierin  von  Hm,  Arch.  Veil 
(nicht  Kielj  in  München  unterstützt  wurde.  — 

27.  September  1902. 


werden  darf,  begann  mit  dem  Bau  grösserer  Schulgebäude, 
die  inbezug  auf  Licht  und  Luft  auch  noch  heute  allen  An- 
forderungen entsprechen.  Man  begann  hier  schon  früh- 
zeitig mit  der  Einführung  der  Zentralheizungen,  hatte  doch 
hier  eine  äusserst  rührige  Firma  dieses  Industriezweiges 
ihren  Sitz,  nämlich  die  Johannes  Haag’sche  Maschinen- 
und  Röhrenfabrik,  die  bahnbrechend  auf  dem  Gebiete 
des  Heizwesens  geworden  ist  und  heute  noch  ihren  guten 
Ruf  bewahrt  hat.  Der  Bau  von  Schulhäusern  mit  24  und 
mehr  Lehrsälen  war  auch  in  Augsburg  erst  der  Neuzeit 
Vorbehalten,  wie  der  Schulhäuser  am  rothen  Thore  und 
im  Jesuitenhof,  die  vor  i Jahre  gebaut  bezw.  eröffnet 
worden  sind.  Sie  sind  wie  die  modernen  Schulhäuser  in 
den  grössten  Siädten  ausgestattet;  geräuschlose,  fugenlose 
Fussböden,  Bäder,  Schulküchen,  Turnhallen,  Spielplätze, 
kurz  alles  findet  sich  in  ihnen,  was  unsere  Kinder  zu 
Pleroen  des  Geistes  und  des  Körpers  zu  machen  geeignet  ist. 

In  die  70  er  Jahre  fällt  auch  der  Bau  unseres  schö- 
nen Theaters,  und  es  zeigt  gewiss  von  nicht  geringem 
Sinn  für  die  Werthschätzung  des  Einflusses  der  Bühne  auf 
die  Volksbildung,  dass  zu  einer  Zeit,  wo  andere  Städte 
an  einen  solchen  Luxus  nicht  zu  denken  wagten,  fast 
1V2  Mill.  M.  für  diesen  Zweck  verausgabt  wurden,  wozu 
ausserdem  eine  jährliche  Belastung  von  fast  60000  M. 
kommt.  Nach  dieser  Periode  eifrigen  Schaffens,  das  noch 
den  Bau  einer  grossen  Schrammenhalle  für  den  Ge- 
treideverkehr und  den  Bau  einer  Zentralturnhalle  in 
sich  schloss,  trat  einige  Ruhe  in  der  baulichen  Entwicklung 
der  Stadt  ein  und  erst  Anfang  der  90er  Jahre  setzte  sie 
wieder  mit  aller  Energie  ein. 

Ein  Aufschwung  im  Wohnhausbau,  der  Aufschluss 
neuer  Bauviertel,  die  Anlage  neuer  Strassen  und  Kanäle, 
die  Verbesserung  des  Strassenpflasters  durch  Anwendung 
regelmässig  bearbeiteter  Granitwürfel  kennzeichnen  diese 
Zeit.  Die  Mittel  für  letzteren  Zweck  wurden  ums  Doppelte 
und  Dreifache  vermehrt  und  insbesondere  wurde  Sorge 
getragen  für  vorzügliche  Fusswege,  wozu  der  Asphalt  hier 
schon  sehr  frühzeitig  Aufnahme  fand,  der  alle  anderen 
Materialien  allmählich  ausschloss.  Wir  besitzen  hier  gegen- 
wärtig an  121 000  q“»  Streichasphalt,  wozu  die  Stadt  jähr- 
lich 25 — 30000  M.  Zuschuss  leistete. 

Von  einschneid end_er  Bedeutung,  war  um  diese  Zeit 
die  Erbauung  der  sogenannten  Lokalbahn,  d.  h,  einer 
die  sämmtiichen  Fabriken  verbindenden  und  an  den  Haupt- 
bahnhof anschliessenden  Bahn  für  den  Güterverkehr,  ein 
Unternehmen,  dem  bezüglich  der  Eigenart  der  Anlage 
und  Entstehung  wohl  kein  zweites  in  Deutschland  eben- 
bürtig zurseite  stehen  dürfte,  und  das  für  den  Aufschwung 
der  Augsburger  Industrie  überaus  -segensreich  gewirkt 
hat.  Ihr  erster  Ausbau  erfolgte  1889/90  mit  dem  Bau  der 
Stammlinie,  dieserfolgte  1893  der  Südflügel  Göggingen  1896 
der  Pferseer  Flügel.  Es  würde  zu  weit  führen,  hier  auf 
den  technischen  Thell  und  den  tadellosen  Betrieb  näher 
einzugehen**).  Nur  soviel  sei  erwähnt,  dass  der  Güter- 
verkehr auf  der  Lokalbahn  sich  von  103  000  t im  Jahre 
1890/91  auf  337320  t im  Jahre  1901  gehoben  hat.  Für  die 
Anfertigung  von  grösseren  Baulinienplänen  oder  gar  eines 
Gesammt-Bebauungsplanes  ist  diese  Gürtelbahn  Mlerdings 
sehr  hinderlich,  indem  sie  rücksichtslos  alle  Baulinien 
durchschneidet  und  jeder  neue  Flügelbau  eine  Umarbeitung 
nothwendig  macht. 

Die  Entwicklung  des  Wohnhausbaues  um  die  alte 
Stadt  herum  führte  in  den  letzten  10  Jahren  zu  einer 
Reihe  von  Vorschriften  über  die  Grundstücks-Bebauung, 
musste  doch  die  Stadtverwaltung  einer  Industriestadt  mit 
ihren  nicht  zu  umgehenden  gesundheitlichen  NachtheUen, 
die  insbesondere  die  Rauchplage  mit  sich  bringt,  hiergegen 
ein  entsprechendes  Gegengewicht  schaffen.  That  sie  dies 
schon  dadurch,  dass  sie  unermüdlich  bestrebt  war,  An- 
lagen, Baumpflanzungen  und  grössere  freie  Plätze  zu 
schaffen,  die  fast  vergessen  lassen,  dass  man  sich  in  einer 
Industriestadt  befindet,  so  hat  auch  die  frühzeitige  Ent- 
wicklung des  Pavillon  - Systems  viel  dazu  beigetragen, 
luftige  und  lichtreiche  Wohnungen  zu  schaffen.  Aus  den 
mehrfach  abgeänderten  Baubestimmungen  haben  sich 
schliesslich  folgende  Grundsätze  ergeben.  Es  hat  sich 
allgemein  die  Erfahrung  durchgerungen,  dass  für  Vor- 
gärten 6“,  für  die  Gebäude-Zwischenräume  8“^  das  richtige 
Maass  sein  dürften.  Hierauf  gründen  sich  auch  die  neuen 
Bebauungspläne,  bei  welchen  in  der  Regel,  Hauptstrassen 
ausgenommen , 15  Strassenbreite  angenommen  werden, 
wovon  7 “ auf  die  Fahrbahn,  der  Rest  auf  die  beider- 


**)  Vergl.  die  Mittheüungen  Ober  die  Besichtigung  der  Anlage  auf 
S.  475.  Ausführliche  Angaben  finden  sich  in  dem  von  der  Grossindustrie 
den  Theilnehjnern  an  der  Wanderversammliing  gewidmeten  Werke. 


499 


seitigen  Fussteige  trifft,  damit  auf  denselben  noch  Baum- 
pflanzungen angebracht  werden  können. 

Eine  ganz  umfassende  Thätigkeit  bot  das  letzte  Jahr- 
zehnt dem  städtischen  Hochbau,  indem  zunächst  1892/93 
der  Neubau  der  Stadtbibliothek  errichtet  wurde,  wo- 
durch die  Stadtgemeinde  von  neuem  ihr  altes  Interesse 


Chorherrenstift  zweckentsprechend  umgebaut  wurde.  Die 
Bevölkerungs-Zunahme  in  den  Vorstädten  erforderte  ausser- 
dem gebieterisch  immer  mehr  neue  Schulhäuser,  so  dass 
man  alle  2 Jahre  auf  einen  grösseren  Neubau  rechnen 
konnte.  Von  den  letzten  beiden  grosstädtischen  Schul- 
häusern wurde  schon  gesprochen. 


Abbiidg.  3. 


Steibenbach,  Erosionsgebiet,  unverbaut. 


Abbiidg.  4.  Bolgenacb,  2.  Seitenausbruch  mit  Verbauung. 


Wildbachverbauungen  Im  bayerischen  Hochgebirge. 


für  Kunst  und  Wissenschaft  bewies.  Sie  birgt  einen  Be- 
stand von  etwa  200000  Bänden,  darunter  1760  Inkunabeln 
und  200  Handschriften  und  sonstige  Kleinodien.  Bald 
folgte  die  Gründung  einer  Baugewerkschule  und  einer 
städt.  höheren  Töchterschule,  für  welche  ein  altes 


Nun  ging  man  nach  fast  2ojährigem  Kampfe  an  die 
Lösung  einer  Hauptaufgabe,  an  die  Erbauung  eines  neuen 
Schlacht-  und  Viehhofes,  welcher  der  Stadt  3 Mill.  M. 
gekostet  hat.  Es  ist  das  für  eine  Stadt  wie  Augsburg  ein 
ausserordentlich  hoher  Betrag,  aber  er  ist  erklärlich,  wenn 

No.  78. 


500 


man  die  Platzfläche  mit  über;  6 l»a  und  die  Längenaus- 
dehnung von  400  “ ins  Auge  fasst.'  Den  weitgehenden 
hygienischen  Rücksichten  entsprechende  weiträumige  Be- 
bauung , ferner  Rücksicht  auf  zukünftige  Erweiterung 
sprechen  hier  mit.  Nach  2 jähriger  Bauzeit  wurde  der 
Vieh-  und  Schlachthof  am  3.  Okt.  1900  dem  Betriebe  über- 
geben. Bei  seiner  Anlage  sind  die  neuesten'Erfahrungen 
auf  diesem  Gebiete  in  weitgehendster  Weise  berücksichtigt. 


entstanden  noch  2 Filial-Feuerhäuser  in  'den  Vorstädten. 
Was  das  Badewesen  anlangt,  so  kann  wohl  in  wenigen 
Städten  mehr  Gelegenheit  zum  Baden  geboten  sein  wie 
hier.  Abgesehen  von  der  reichlichen  Badegelegenheit  in 
allen  Stadtlheilen  in  dem  frischen  Wasser  der  Werkkanäle, 
hat  die  Stadt  auch  vor  den  Thoren,  inmitten  der  Arbeiter- 
zentren, gut  eingerichtete  Brausebäder  errichtet,  die  sich 
des  lebhaftesten  Zuspruches  erfreuen',  ^ und  baut  zurzeit 


In  diese  Zeit  fällt  auch  die  Neuordnung  des  Feuer- 
löschwesens, welche  dadurch  sich  sehr  günstig  gestalten 
Hess,  dass  das  ziemlich  im  Stadtmittelpunkte  gelegene 
militärfiskalische,  von  Elias  Holl  erbaute  prächtige  ehemalige 
reichsstädtische  Zeughaus, mit  seiner  imposanten  Marmor- 
halle im  Erdgeschoss  wieder  durch  Kauf  in  den  Besitz 
der  Stadt  überging  und  in  zweckmässigster  Weise  zu 
einer  Feuerwehr-Zentrale  sich  umgestalten  Hess.  Daneben 

27.  September  1902. 


ein  grosses  Volksschwimmbad  mit  2 Schwimmbecken  von 
12/24  m bezw.  8^17“  für  Männer  und  Frauen,  mit  Wannen- 
und  Schwitzbädern,  Ilundebad  usw.,  das  Ende  dieses 
Jahres  seiner  Bestimmung  übergeben  werden  soll.  Der 
Bau  ist,  sammt  Bauplatz,  der  aus  Gründen  des  besseren 
Erträgnisses  im  Stadtmittelpunkte  gewählt  worden  ist,  auf 
fast  900  000  M.  veranschlagt,  wovon  ein  Theil  von  360000  M 
aus  einer  hochherzigen  Schenkung  des  Hrn.  Kommerz.- 

501 


Stanspcrre  in  der  oberen  Trettach:  Abbildg.  7.  Nach  Aufhaltung  des  Muhrganges  1895.  Abbildg.  8,  Dieselbe  Sperre  wieder  eutleert. 


Rath  Förster  hier  gedeckt  wird.  Immerhin  darf  auch  das 
Opfer,  das  die  Stadtgemeinde  hiermit  der  Hygiene  bringt, 
als  ein  ganz  bedeutendes  bezeichnet  werden. 

Die  Anstalten  für  Wohlthätigkeit  geniessen  schon 
seit  Jahrhunderten  hier  einen  weitreichenden  Ruf.  Sie 
stammen  alle  aus  dem  Mittelalter  und  erfreuen  sich  eine» 
ganz  bedeutenden  Vermögensstandes.  Sie  haben  vielfache 
Erweiterungen  und  Verbesserungen  erfahren  Die  be- 
deutendsten sind  die  paritätische  St.  Jacobspfründe, 
dieisogen.  reiche  Pfründe,  die  ein  Vermögen  von  1 800000  M. 
besitzt,  und.  die  Hospital-Stiftung  zum  heil.  Geist,  mit  einem 
Vermögen  von  2200000  M.  und  umfangreichen  Waldungen. 
Daneben  bestehen  noch  viele  andere  Stiftungen  für  Kranke 
und  Unbemittelte  usw.,  die  zusammen  jetzt  über  ein  Ge- 
sammt-Vermögen  von  fast  16  Mill.  M.  verfügen.  Die  Jacobs- 
pfründe wurde  vor  3 Jahren  durch  einen  zweckmässigen 
Neubau  erweitert. 

' Dass  die  Stadt  auch  stets  bemüht  war,  den  modernen 
Verkehrs-Bedürfnissen  nach  allen  Richtungen  Rech- 
..nung  zu  tragen,  darf  wohl  als  selbstverständlich  voraus- 
gesetzt werden  und  es  sei  daher  nur  erwähnt,  dass  zur 
rascheren  Abwicklung  des  Verkehres  verschiedene  Strassen- 
Erweiterungen  und  Strassen-Durchbrüche  im  Inneren  der 
Stadt  geplant  sind,  die  natürlich  bei  einer  alten  Stadt  wie 
Augsburg  mit  aller  Vorsicht  vorgenommen  werden  müssen, 
um  den  alten  Strassencharakter  nicht  ganz  zu  vernichten. 
Zwei  solcher  Durchbrüche  sind  der  Verwirklichung  nahe, 
wie  die  Erweiterung  des  Schmiedberges,  die  der  Stadt 
, das  Sümmchen  von  etwa  400000  M.  kostet  und  der  Durch- 
' bruch  einer  Strasse  vom  Königsplatz  nach  der  Moritz kirche, 
der  ihr  eine  Last  von  800000  M.  auflegt.  Eine  Reihe 
anderer,  Durchbrüche  muss  sich  wohl  noch  auf  spätere 
Zeiten  gedulden.  Ja  selbst  der  Gedanke  der  Niederlegung 
der  alten  Lechviertel  lag  schon  nahe,  um  dort  breitere 
uiid  luftigere  Strassen  erstehen  zu  lassen.  Sie  sehen  also, 

• dass  es  an  modernen  Hausmann’s  in  unserer  Stadt  gerade 
nicht  fehlt,  aber  ein  anderer  fehlt,  ein  moderner  Napoleon, 

' der  das- Geld  dazu  hergiebt  und  dass  ist  der  schwierigere 
- Punkt.  — St. 

d)  Die  Wildbachverbauungen  im  bayerischen  Hochgebirge, 
besonders  im  Allgäu. 

(Vortrag  des  Hrn.  Reg.-  und  Kreisbauraths  Stengler  in  Kempten*) . 

(Hierzu  die  Abbildungen  S.  500  n.  501.) 

Wildbäche  sind  Söhne  der  Berge!  Unter  gewöhnlichen 
Verhältnissen  bieten  sie  dem  Beschauer  ein  reizendes,  oft 
grossartiges  Bild;  wird  aber  die  in  ihrem  Schoosse  ruhende 
Kraft  entfesselt,  dann  werden  sie  nur  zu  oft  dem  Menschen 
hoch  gefährlich. 

Wie  in  allen  Gebirgsländern.  so  ist  auch  in  Baj'-ern  in 
, seinen  gebirgigen  Theilen  das  Bedürfniss  nach  Schutzvor- 
kehrungen gegen  die  Wildbachgefahr  zutage  getreten, 
und  zwar  nicht  erst  in  der  Neuzeit.  Diese  Gefahr  besteht 
bekanntlich  im  Vorkommen  häufiger  Ueberschwemmung 
fruchtbarer  bewohnter  Thalgründe,  in  derenUeberschüttung 
mit  Gerolle  und  Schlamm,  sowie  in  sonstigen  Zerstörun- 
gen durch  die  bei  starken  Niederschlägen  ungemein  rasch 
und  überaus  hoch  anschwellenden  Wildbäche.  In  diesem 
Verhalten  beruht  die  besondere  Eigenart  der  letzteren. 
Sie  ergiebt  sich  aus  der  ungewöhnlich  grossen  Nieder- 


*)  Wir  bringen  den  Vortrag  nahezu  ungekürzt.  Die  Erläuterungen 
,am  Schlüsse  beschränken  sich  natürlich  auf  die  aus  der  grossen  Zahl  der 
den  Vortrag  begleiteudeu  Lichtbilder  ausgewählten  Abbildungen. 


Emerich  Steindl  -j*. 

ttiy|n  Budapest  starb  am  31.  Aug.  d.  J.  in  seiner  Villa 
uOl  dem  Schwabenberge  der  Architekt  Prof.  Emerich 
Steindl,  welcher  durch  seine  Kbiast  auf  das  Gepräge 
der  modernen  Architektur  Transleithaniens  einen  ent- 
scheidenden Einfluss  ausgeübt  hat.  Steindl  starb  wenige 
Wochen  nur  vor  der  Einweihung  seines  grössten  Werkes, 
des  Parlaments -Gebäudes  in  Budapest,  welches  Anfang 
Oktober  mit  grossem  Gepränge  seiner  Bestimmung  über- 
geben werden  wird.  Steindl  würde  bei  diesem  Anlass 
zweifellos  mit  grossen  Ehren  bedacht  worden  sein,  trotz- 
dem das  Gebäude  eine  nur  getheilteBeurtheilung  fand,  durch 
welche  seinem  Urheber  die  letzten  Lebensjahre  recht  ver- 
bittert wurden.  Das  im  Widerspruch  mit  der  öffentlichen 
Meinung  und  mit  dem  Urtheil  der  künstlerischen  Kreise  ab- 
gegebene Urtheil  Kaiser  Wilhelms  II.  über  dieses  Gebäude 
vermochte  die  Bitterniss  nur  wenig  zu  mildern.  Das  unga- 
rische Parlamentshaus,  zu  welchem  der  Auftrag  auf  dem 
Wege  eines  Wettbewerbes  errungen  wurde,  ist  unstreitig 
nach  Anlage  und  Gesammtauffassung  ein  Werk  von  grossem 
Wurf;  die  etwas  schematische  und  zu  persönliche  Auf- 
fassung der  für  dasselbe  gewählten  Gothik  indessen  ver- 


schlagsmenge,  aus  den  stark  geneigten,  meist  konzentrisch 
gegliederten  Einzugsgebieten,  endlich  aus  den  grossen 
Bachgefällen  in  den  Gebirgen.  Es  treten  aber  auch  in 
Bächen  der  Mittelgebirge,  ja  sogar  des  Hügellandes,  wild- 
bachartige Erscheinungen  auf. 

Wenn  heut  zutage  von  Wildbächen  überall  mehr  die 
Rede  ist,  als  sonst,  so  geht  daraus  noch  nicht  hervor,  dass 
die  Wildbachgefahr  früher  nicht  auch  schon  bestanden 
hätte.  Richtig  aber  ist,  dass  sie  sich  im  allgemeinen  ver- 
grössert  hat.  Diese  ungünstige  Aenderung  im' Veihalteh 
der  Wildbäche  setzt  nun  eine  ebensolche  in  ihren  Wesens- 
bedingungen voraus.  In  den  Niederschlags-Verhältnissen 
kann  sie  nicht  gesucht  werden.  Form  und  Bau  der  Ge- 
birge hat  sich  auch  nicht  verändert,  also  kann  nur  die 
Bodenbeschaffenheit  und  der  Zustand  der  Wildbachbetten 
infrage  kommen;  denn  jene  Verschlimmerung  ist  ja  nur 
auf  vermehrte  und  vergrösserte  Anschwellungen,  sowie 
auf  verstärkte  Geröllabfuhr  zurückzuführen.  Und  in  der 
That  ist  es  neben  anderen  nachtheÜigen  Eingriffen,  die  in 
allen  Gebirgen  festzustellende  mehr  oder  weniger  be- 
trächtliche Verschlechterung  der  Bewaldung,  weiche  sich 
nach  beiden  Richtungen  hin  so.  oft  empfindlich  fühlbar 
gemacht  hat.  Der  Bewaldung  wird  zwar  heut  zutage,  und 
mit  vollem  Rechte,  in  der  Hochwasserfrage  lange  nicht 
mehr  jener  hohe  Werth  beigemessen,  wie  in  früheren, 
eigentlich  schon  ziemlich  weit  zurückliegenden  Zeiten  — 
in  Fachkreisen  wenigstens.  Schon  die  einfache  Erwägung, 
dass  die  Schwammwirkung  des  Waldes  von  Niederschlägen 
überdauert  werden  kann,  nimmt  diesem  Standpunkt  jede 
hypothetische  Eigenschaft.  In  den  Wildbachbecken  spielt 
sie  allerdings  bei  kurzen,  heftigen  Niederschlägen  immer- 
hin einige  Rolle. 

Der  Hauptwerth  des  Waldes  beruht  aber  nichts  desto- 
weniger  in  einer  anderen  Eigenschaft,  nämlich  in  der 
Bindung  des  Bodens  durch  sein  Wurzeiwerk,  also  im 
Festhalten  einer  aufnahmefähigen  Humusschicht  auf  Fels- 
grund und  in  der  Verhinderung  der  Auswaschung,  des 
Aus-  und  Unterwühlens  in  beweglichem  Boden,  der  in 
den  Gebirgen  entweder  in  Gestalt  weicher  Schichten  oder 
von  Moränen-  oder  Hängeschutt  nur  zu  häufig  und  in 
grösster  Mächtigkeit  sich  vorfindet.  Durch  die  Entwaldung' 
im  Gebirge  wird  also  nach  und  nach  die  kahle  Felsfläche 
vergrössert,  damit  der  Wasserabfluss  beschleunigt  und  die 
Abwitterung  vermehrt,  ausserdem  aber  noch  — und  das 
ist  die  Hauptsache  — die  Geröllabfuhr  infolge  ungezügelter 
Aus-  und  Unterw'ühlungs-Arbeit  des  Wassers  in  den  steh- 
len Ufergehängen  der  Bäche,  „Einhänge“  genannt,  oft  bis 
ins  ungeheure  vermehrt.  Und  damit  wächst  die  Wild- 
bachgefahr. — In  den  Gebirgen  hat  nun'  Unverstand  und 
Gewinnsucht  den  Wald  oft  geradezu  verwüstet.  Klassische 
Beispiele  hierfür  sind  die  Dauphine  und  Tirol. 

In  Bayern  erfreuen  wir  uns  zwar  dank  einer  vorzüg- 
lichen forstlichen  Gesetzgebung,  noch  eines  verhältniss- 
mässig  guten  Waldbestandes  in  den  Bergen,  aber  gegen 
früher  hat  er  doch  sehr  gelitten,  und  namentlich  ist  die 
obere  Waldgrenze  sehr  herabgesunken.  Das  beweisen 
allerwärts  die  Reste  alter  Wettertannen  auf  steilen  Höhen. 
Und  was  das  Schlimmste  ist,  man  hat  früher  auch  bei 
uns  mit  Vorliebe  in  den  Wildbachschluchten  ganze  Kahl- 
hiebe geschlagen,  denn  die  Bachbetten  sind  überall  beliebte 
Abfuhrgelegenheiten  zu  Thal. 

Solche  Abholzungen  an  den  „Einhängen“  geben  aber 
Anlass  zu  zahllosen  Verwundungen  des  Bodens,  es  ent- 
stehen in  ständiger  Bewegung  befindliche  GeröUhalden, ' 

mochten  dem  Werke  nicht  den  vollen  Beifall  zu  erringen. 
Diese  Wahrnehmung  scheint  mit  zu  dem  vorzeitigen  Ende 
Steindls  beigetragen  zu  haben. 

Emerich  Steindl  wurde  am  28.  Okt.  183g  in  Budapest 
geboren,  der  Künstler  stand  also  erst  im  Beginn  der 
sechziger  Jahre;  seine  allgemeine  Körperverfassung  hätte 
ihm  wohl  noch  eine  längere  fachliche  Wirksamkeit  ge- 
stattet. Er  besuchte  zu  seiner  fachlichen  Ausbildung  das 
Polytechnikum  in  Budapest  und  späterhin  die  Akademie 
der  bildenden  Künste  in  Wien.  Bald,  noch  in  jungen  Jahren, 
wurde  er  als  Lehrer  an  das  Ofener  Polytechnikum  berufen, 
wo  er  technische  Mechanik,  Wasserbau  und  öffentliches 
Hochbauwesen  lehrte.  Nach  Zurücklegung  einer  hand- 
werksmässigen  Thätigkeit  als  Maurer  bezog  er  1861  zum 
zweiten  Male  die  Akademie  in  Wien,  wo  er  Schüler  von 
Schmidt  und  van  der  Nüll  wurde.  Nach  sechsjährigem 
Studium  kehrte  er  1867  nach  Budapest  zurück,  um  sich 
als  selbständiger  Architekt  der  Ausübung  der  Baukunst 
zu  widmen.  Er  hatte  während  einer  35jährigen  Thätigkeit 
das  Glück,  grosse  und  seltene  Aufträge  zu  bekommen. 

Von  seinen  Werken  seien  angeführt  die  Ende  der 
sechziger  Jahre  entstandenen  Famihengrüfte  der  Grafen 
Andrassy  und  Nemes;  ein  Entwurf  zur  kgl.  Oper  in  Budapest, 
deren  Ausführung  jedoch  nicht  ihm,  sondern  dem  Archi- 

No.  78- 


502 


bei  grösseren  Anschwellungen  des  Baches  erfolgen  dann 
Abrutschungen  im  Grossen,  dadurch  Stauungen,  Durch- 
bruch der  Staumassen  und  schliesslich  die  Massenabfuhr. 
Diese  überfüllt,  überstürzt  das  Bachbett  im  Thale  um  so 
mehr,  als  das  bis  hierher  grosse  Gefälle  unten  rasch  sich 
bricht,  und  mit  schlammiger  Geröllmasse  werden  Felder 
und  Wiesen  überschüttet,  werden  menschliche  Wohnstätten, 
Weg  und  Steg  zerstört.  Das  ist  der  „Muhrgang“,  Gegen 
seine  Riesenkraft  giebt  es  unten  keine  Abwehr  wenn  sie 
voll  entfesselt  ist. 

Im  Muhrgang  besteht  aber  die  Wildbachgefahr  nicht 
allein.  Die  schleichende  Arbeit  „unterwühlender  Bäche“ 
— und  so  heisst  auch  diese  Kategorie  von  Wildbächen 
zum  Unterschiede  von  den  Bächen  mit  felsigem,  über- 
haupt festem  Bett  — ist  oft  um  so  gefährlicher,  als  sie 
nicht  beachtet  wird.  Durch  sie,  nämlich  durch  regel- 
mässigen, wenn  auch  weniger  gewaltsamen  Geschiebegang 
wird  das  Bachbett  im  Thale  langsam  aber  stetig  aufgehöht, 
trotz  Räumens  durch  die  Anlieger.  Das  zwingt  zur  Auf- 
höhung der  Uferbauten  — der  „Wuhren“  — , man  sucht 
eben  die  Geschiebe  möglichst  weiter  zu  führen.  Damit 
gelangen  sie  in  den  Tlialfluss.  Der  erleidet  das  gleiche 
Schicksal,  denn  auch  sein  Bett  wird  allmählich  überfüllt, 
erhöht,  und  so  wird  die  Ueberfluthung  der  Ufer  bei 
nächstem  grösserem  Hochwasser  vorbereitet.  Ueber- 
schwemmungen,  Uebermuhrungen  der  Thalflächen  treten 
ein  infolge  erhöhten  Hochwasserstandes,  ohne  dass  die 
Hochwassermenge  grösser  geworden  zu  sein  braucht. 

Es  wäre  aber  irrig,  anzunehmen,  dass  diese  Uebel, 
wie  sie  mit  der  übermässigen  Geröllabfuhr  aus  Wildbächen 
sich  einzustellen  pflegen,  einzig  und  allein  durch  Sünden 
der  Bergbewohner,  durch  Entwaldung,  veranlasst  würden. 
Vielmehr  kann  jeder  ira  Gleichgewichtszustände  befind- 
liche nicht  unterwühlende  Bach  durch  ein  aussergewöhn- 
lich  schweres  Niederschlags-Ereigniss,  also  ohne  jedes 
menschliche  Dazuthun,  in  einen  unterwühlenden  bester 
Sorte  verwandelt  werden,  falls  eben  ablösbarer  Unter- 
grund vorhanden  ist.  Das  ist  ein  feststehender  Erfahrungs- 
satz. Wenn  aber  einmal  die  Unterwühlungsarbeit  begonnen 
hat,  gleichviel  ob  aus  dieser  oder  jener  Veranlassung,  so 
kommt  sie  so  bald  nicht  mehr  zur  Ruhe,  es  müsste  denn 
sein,  dass  günstige  Schichtungs-  und  Witterungs-Verhält- 
nisse das  Erlöschen  des  Baches  möglich  machen.  Die 
grossen  Muhr-Katastrophen  sind  allemal  wohl  vorbereitet 
gewesen,  und. das  geschieht  oft  ganz,  unabhängig  von 
der  Bewaldung,  durch  die  fortschreitende  Verwahr- 
losung des  Bachbettes.  — 

Nach  und  nach  ist  aber  überall  der  Mensch  gegen 
Naturschäden  empfindlicher  geworden;  denn  die  Daseins- 
Bedingungen  haben  sich  überall  verschärft  und  vermehrt. 
Vermehrt  hat  sich  insbesondere  das  Bedurfniss  nach  Ver- 
dichtung undAusbreitung  der  Bodenkultur.  Darum  wachsen 
auch  aus  diesem  Grunde  nach  Perioden  ermässigter  Nieder- 
schläge mit  Wiedereintritt  nasser  Perioden  allemal  die 
Klagen  über  Hochwasserschäden,  man  glaubt  sie  über- 
haupt und  allgemein  so  plötzlich  grösser  geworden  und 
oft  müssen  nächstliegende  Bauten,  Bahnen,  namentlich 
Fluss-Korrektionen,  als  alleinige  Ursache  gelten.  Man  hat 
auch  oft  in  den  trockenen  Jahren  Land  in  Kultur  ge- 
nommen, ohne  an  Schutzwehren  gedacht  za  haben,  Land, 
das  vorher  als  gefährdet  bekannt  und  gemieden  war. 

Erst  in  der  Neuzeit  hat  man  erkannt,  dass  die  Er- 
greifung von  Schutzmaassregeln  gegen  diese  Gefahr  nicht 
nur  von  örtlichem,  sondern  von  öffentlichem  Interesse 


tekten  von  Ybl  zufiel.  Um  die  gleiche  Zeit  etwa  schuf 
Steindl  Entwürfe  zur  architektonischen  Ausgestaltung  der 
Margarethen-Brücke  in  Budapest.  In  den  Jahren  1870  bis 
1875  entstanden  die  Entwürfe  der  Budapest-Franzstädter 
Kirche,  des  Arader  Stadthauses,  des  Budapester  Stadt- 
hauses, des  Josef-Polytechnikums.  Später  schuf  er  die 
ungarische  Hochschule  für  Thierarzneikunde  und  als  letztes 
und  grösstes  Werk  unter  seinen  Neubauten  sein  schon 
genanntes  Parlaments-Gebäude,  welches  ihm  als  glänzen- 
der Sieg  in  einem  heissumstrittenen  Wettbewerbe  zufiel. 

Eine  umfangreiche  Thätigkeit  entfaltete  der  Verstor- 
bene in  der  Wiederherstellung  alter  Baudenkmäler;  eines 
seiner  ersten  Werke  war  in  dieser  Beziehung  die  wieder- 
hergestellte mittelalterliche  Veste  Vajda  Hunyad.  Ferner- 
hin bearbeitete  er  Wiederherstellungs- Entwürfe  für  die 
Szegeder  Franziskanerkirche,  für  den  Kassaer  (Kaschauer) 
Dom,  für  St.  Egyed  in  Bartfa,  für  das  Gotteshaus  in  Maria- 
salva,  für  die  Igloer  und  die  innerstädtische  Pfarrkirche 
in  Budapest  usw.  Auch  die  herrliche  Jaaker  Abtei,  ein  ro- 
manisches Werk,  sowie  die  Körraöczbamyaer  Kirche  er- 
standen durch  Steindl  in  verjüngter  Gestalt.  Als  eine  Folge 
dieser  Thätigkeit  wurden  eine  grosse  Anzahl  Aufnahmen 
der  alten  Baudenkmäler  Ungarns  gefertigt  als  Grundstock 
zu  einem  Landesinventar  der  Bauwerke  der  Vergangenheit. 

27.  September  1902, 


sei.  Das  Eingreifen  grösserer  Körperschaften,  von  Pro- 
vinzen, Kreisen,  des  Staates  selbst,  war  um  so  noth- 
wendiger,  als  es  immer  klarer  wurde,  dass  es  sich  bei 
Abwendung  der  Wildbachgefahr  keineswegs  um  einfache 
und  billige  Mittel  handeln  könne.  Die  Aufforstung  allein 
konnte  keinesfalls  genügen,  das  zeigte  das  Wiederlosbrechen 
erloschener  Bäche.  Auch  stösst  ja  bekanntlich  die  Wieder- 
ausdehnung der  Bewaldung  auf  wirklich  genügend  grossen 
Flächen  fast  überall  heutzutage  auf  unübersteigliche  Hin- 
dernisse gerade  aus  wirthschaftlichen  Gründen.  Es  trat 
die  Aufgabe  heran,  in  systematischer  Weise  die  Bachbetten 
in  allen  ihren  beweglichen  Theilen  zu  befestigen,  damit 
die  Unterwühlungsthätigkeit  zu  hemmen  und  solcher- 
maassen  den  Bestand  des  Waldes  auf  den  wichtigsten 
Theilen  der  Bachgebiete  dauernd  zu  sichern,  die  Muhr- 
gänge unmöglich  zu  machen  und  die  Geröllabfuhr 
überhaupt  thunlichst  zu  massigen.  Da  ferner  im  Gebirge 
auch  Abwitterungs-Geschiebe  in  die  Bäche  gelangen, 
je  nach  Ausdehnung  der  Felsflächen  und  der  Verwitter- 
barkeit des  Gesteins,  so  war  die  möglichste  Zurückhaltung 
auch  dieser  Geschiebesorte  und  gegebenenfalls  ihre  schad- 
lose Ableitung  gleichfalls  zu  berücksichtigen. 

Die  Lösung  dieser  ganzen  Aufgabe  heisst  Wildbach- 
verbauung. Letztere  ist  also  nicht,  wie  so  häufig  irrig 
angenommen  wird,  etwa  auf  Errichtung  von  „Thalsperren“ 
zur  Verzögerung  des  Wasserablaufes  gerichtet,  sie  besteht 
keineswegs  nur  in  der  Anlage  von  einfachen  Fangbecken 
für  Gerolle,  sondern  sie  hat  in  erster  Linie  die  Geröll- 
bildung zu  hindern,  also  das  Hauptübei  dauernd  zu  be- 
seitigen, sie  hat  dann  noch  die  schadlose  Abfuhr  des 
Wassers  sowohl  wie  des  unvermeidlich  bleibenden  Ge- 
röllganges zu  bewerkstelligen.  Und  da,  wo  diese  Ziele 
erreicht  sind,  ist  die  Wildbachgefahr  mit  den  vorhin  kurz 
skizzirten  scWeren  Schäden  für  die  menschliche  Kultur 
beseitigt,  ist  also  die  Aufgabe  der  Wildbachverbauung 
voll  erfüllt.  Wo  trotzdem  am  Thalflusse  noch  Ueber- 
schwemmungen  oder  Uferabbrüche  auftreten,  kann  die 
Ursache  nicht  in  Mängeln  der  Wildbachverbauung  gesucht 
werden,  sondern  in  der  örtlichen  unzureichenden  Be- 
schaffenheit des  Flussbettes.  Denn  wenn  auch  die  Wild- 
bachverbauung letzteres  von  Geschieben  frei,  dessen  Raum 
für’s  Wasser  offen  zu  erhalten  vermag  — der  Zustand 
der  Flussufer,  ihre  bauliche  Beschaffenheit  und  Maass- 
verhältnisse  können  klarerweise  nicht  aus  der  Ferne, 
sondern  nur  an  Ort  und  Stelle  beeinflusst  werden,  d h. 
mit  Wildbachverbauungen  kann  wohl  die  Re- 
gelung eines  Flusses  auf  entsprechend  grosse 
Länge  in  ihrem  Erfolg  gesichert,  aber  nicht  er- 
spart werden. 

Ist  zwar,  wie  vorhin  angedeutet,  derWald  für  Schaffung 
gesunder  Zustände  in  den  ßerggewässern  von  grösster 
Bedeutung,  so  kann  er  trotzdem  die  Verbauung  nicht 
ersetzen  und  überflüssig  machen.  Er  sichert  derselben 
zwar  den  vollen  Erfolg,  er  hängt  aber  in  seinem  Bestände, 
insbesondere  auf  jenen  „Einhängen“  vom  Vorhandensein 
einer  genügenden  Befestigung  ab. 

Der  Werth  und  die  Wirkung  von  WUdbachverbau- 
ungen  ist  von  mancher  Seite  über  Gebühr  ausgedehnt 
worden.  Vor  allem  erwartete  man  von  ihr  das  Ver- 
schwindenmachen der  Hochwässer  in  den  Gebirgs- 
flüssen,  und  wenn  an  Flüssen,  deren  Queligebiet  Ver- 
bauungen aufzuweisen  hatten,  doch  wieder  Ueberschwem- 
mungeii  vorkamen,  so  war  abfälliges  Unheil  über  die 
Verbauungen  die  natürliche  Folge.  Man  müsste  aber  auf 


Seit  1870  war  Steindl  ordentlicher  öffentlicher  Professor 
am  Polytechnikum  in  Budapest,  wo  er  zahlreichen  Schü- 
lern ein  begeisternder  Lehrer  war.  Neben  seiner  Lehr- 
thätigkeit  und  der  ausgedehnten  Praxis  ging  eine  nicht 
minder  ausgedehnte  öffentliche  Thätigkeit  her:  an  den 
verschiedenen  Ausstellungen,  an  welchen  Ungarn  bethei- 
ligt war,  namentlich  an  der  Landesausstellung  des  Jahres 
1895,  nahm  Steindl  lebhaften  Antheil,  wenn  er  auch  hier 
nicht  eine  grössere  Bauthätigkeit  ausübte.  Zahlreiche  in- 
uud  ausländische  Auszeichnungen  entsprachen  dem  rei- 
chen Lebenswerke  des  Verstorbenen. 

Mit  Emerich  Steindl  ist  einer  jener  ungarischen  Archi- 
tekten dahingegangen,  welche  über  den  Stilen  standen, 
denn  seine  Werke  sind  in  ihrem  Stilgepräge  so  verschie- 
den, wie  die  Bestimmungen,  welchen  sie  dienen.  Es  ist 
das  bemerkenswerth  besonders  für  jene  Zeit,  in  welcher 
die  Nachahmung  der  Vergangenheit  als  oberster  Grund- 
satz künstlerischer  Thätigkeit  verkündet  wurde.  Die  Schule 
derWiederherstellungs-Thätigkeit  hinderte  ihn  nicht,  seinen 
neuen  Werken  eigenen  Geist  aufzuprägen.  Die  in  zu 
hohem  Grade  individuelle  Gothik  aber  war  es,  welche  sein 
Parlamentshaus  nicht  allseitigen  Beifall  finden  liess.  Das 
ist  die  Tragik  des  Lebens  dieses  grossen  Künstlers.  — 


503 


die  meteoren  Gewalten  Einfluss  ausüben  können,  wollte 
man  die  Katastrophen-Niederschläge  verhüten,  oder 
man  müsste  alle  unsere  Bergthäler  in  Intze’sche  Stau- 
becken verwandeln,  wollte  man  bei  solchen  Niederschlägen 
die  Hochwasserm  engen  in  Gebirgsflüssen  wie  Iller,  Lech, 
Isar  usw.  zuverlässig  und  merklich  vermindern.  Und 
dann  würden  die  Geschiebe  zurückhaltenden  Verbauungen 
ebenso  erforderlich  sein,  denn  die  Staubecken  würden 
ohne  sie  nur  zu  bald  mit  Gerolle  gefüllt  werden. 

Der  Werth  der  Wildbachverbauungen  und,  sagen 
wir’s  gleich,  der  Thalfluss-Regelungen,  beschränkt  sich 
also  auf  einen  mehr  örtlichen.  Immerhin  ist  er  noch  so 
gross,  dass  sich  deren  hohe  Kosten  vollauf  lohnen.  Denn 
nicht  allein  verhüten  Wildbachverbauungen  Schäden,  oft 
ungeheurer  Ausdehnung,  sondern  sie  bringen  unmittel- 
baren Gewinn  durch  Ermöglichung  höherer  Kultur  auf 
ausgedehnten  Landflächen.  Man  denke  auch  nur  an  die 
weitgehenden,  durch  zu  hoch  liegende  Wasserläufe  ver- 
anlassten  Thalversumpfungen,  gegen  welche  die  Entwässe- 
rungs-Technik allein  nur  zu  häufig  machtlos  bleiben  müsste. 

So  sehen  wir  denn  in  den  bergigen  Kulturländern 
allenthalben  Wildbachverbauungen  grössten  Umfanges  ent- 
stehen. Allen  voran  steht  Frankreich  mit  den  gross- 
artigsten Leistungen,  dann  folgt  dieSchweiz,  und  seit  dem 
Hochwasser-Jahre  1882  hat  sich  auch  Oesterreich  syste- 
matisch an  diesem  Wettlauf  betheiligt.  In  diesen  Ländern 
hat  überall  der  Staat  unmittelbar  einrichtend  und  gesetz- 
geberisch eingegriffen. 

In  Bayern  ist  man  nun  früher  keineswegs  auf  die- 
sem Gebiete  vollständig  raussig  gewesen,  aber  man  baute 
regel-  und  systemlos,  mit  unzulänglichen  Mitteln  und  ohne 
allen  Zusammenhang.  Die  erste  regelrechte  und  voll- 
ständige Wildbachverbauung  war  die  Folge  eines  grösse- 
ren Muhrbruches,  desjenigen  im  Steigbach  bei  Immen- 
stadt am  23.  Juli  1873.  Der  Plan  war  vom  Zivilingen, 
Widmann  in  Kempten  nach  Schweizer  Muster  verfasst. 
Die  Kosten  betrugen  341000  M..  welche  Summe  von 
Staat,  Kreis  und  dem  Städtchen  Immensladt  aufgebracht 
wurde.  Hier  leistete  nun  der  bayerische  Staat  zum  ersten 
Male  mit  der  Hälfte  dieser  Summe  einen  grösseren  Bei- 
trag, trotzdem  er  ebenso  wenig  wie  der  Kreis  nach  den 
heute  noch  geltenden  bayerischen  Wassergesetzen  vom 
Jahre  1852  dazu  verpflichtet  gewesen  wäre. 

Der  Bauangriff  verzögerte  sich  indess  wegen  des  von 
Seite  der  Staats-Bautechniker  dem  Widmann’schen  Plan 
entgegengesetzten  Widerstandes.  Man  war  eben  damals 
in  diesen  Kreisen  noch  von  dem  bereits  erwähnten  Irr- 
thum befangen,  als  bestände  eine  Wildbachverbauung  nur 
in  der  Errichtung  von  Geröllfängern,  deren  Wirkung  mit 
der  Zeit  ohne  neuerliche  Bauten  und  Ergänzungen  sich 
verlieren  müsste.  Widmann's  zähes  Festhalten  überwand 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  Fussboden-Mustern 
schreibt  die  Sinziger  Mosaik-  und  Thonwaaren-Fabrik  A.-G. 
in  Sinzig  a.  Rh.  mit  Frist  zum  15.  November  d.  J.  für  alle 
Künstler  und  Kunstgewerbetreibende  aus.  Für  6 Muster 
sind  je  2 Preise  zu  300,  150,  100  M.  ausgesetzt.  Unter  den 
Preisrichtern  nennen  wir  die  Hrn.  Prof.  H.  Schaper  in 
Hannover  und  Arch.  E.  Schreiterer  in  Köln  a.  Rh. 
Programm  unentgeltlich  durch  die  Direktion  der  Fabrik. 

Im  Wettbewerb  Krankenhaus  Saarbrücken  (vergl.  No. 
41  und  46)  hat  unter  32  eingegangenen  Entwürfen  den 
I.  Preis  von  3000  M.  und  eine  besondere  Entschädigung 
von  1000  M.  Hr.  Arch.  H.  Weszkalnys  in  Saarbrücken 
für  seine  beiden  Entwürfe  mit  den  Kennworten  „Licht 
und  Luft“  und  „Lindre  Leiden“  erhalten,  die  das 
Preisgericht  als  gleichwerthig  an  erster  Stelle  auszeichnen 
wollte,  von  denen  jedoch  bei  demselben  Verfasser  die 
eine  Arbeit  nur  als  Variante  der  anderen  betrachtet  wer- 
den konnte.  Je  ein  Preis  von  1000  M.  wurde  den  Arbeiten 
mit  dem  Kennwort  „Aus  der  Praxis“,  Verf.  Hr.  Arch. 
Richard  Klepzig  iu  Gotha  und  „Südlicht“,  Verfasser 
vorläufig  unbekannt,  verliehen.  — 

Wettbewerb  ev.  Kirche  in  Striesen  bei  Dresden.  Als 
Verfasser  der  mit  den  Kennworten  „Strahlenkreuz“ 
und  „Dresden“  bezeichneten,  zum  Ankauf  empfohlenen 
Entwürfe  nennen  sich  die  Firn.  Arch.  Rieh.  Schleinitz 
in  Dresden,  bezw.  Rud.  Kolbe  in  Dresden-Loschwitz.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Die  Garn.-Bauinsp.  Steinebach  bei 
d.  Intend.  des  XVI.  Armee-Korps  und  Kn  och  in  Metz  I sind 
gegenseitig  versetzt. 

Preussen.  Dem  Reg.-Bmstr.  a.  D.  Siebold  in  Bethel  bei 
Bielefeld  ist  der  kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl.  verliehen,  dem  Geh. 
Ob.-Brth.  Wiesner,  vortr.  Rath  im  Min.  der  öffentl.  Arb.  ist  die 

504 


aber  diesen  Widerstand,  und  die  Verbauung  kam  in  den 
Jahren  1878—1880  unter  Leitung  des  genannten,  um  das 
Allgäu  später  besonders  auch  noch  auf  landwirthschaft- 
lichem  Gebiet  hochverdienten  Mannes  zur  Ausführung, 
ohne  jedoch  zunächst  Nachahmung  zu  finden. 

Da  kam  das  Jahr  1882  mit  seiner  bereits  erwähnten 
Doppel-Ueberschwemmungs-Katastrophe  in  Tirol,  Kärn- 
then,  einem  Theile  der  Schweiz,  dem  Rhein.  Der  fort- 
geschrittenen Entwaldung  ward  allenthalben  ganz  allein 
die  Ursache  an  diesem  Unglück  zugeschrieben. 

Das  veranlasste  im  Jahre  1883  die  Kreisregierung  von 
Schwaben  und  Neuburg  in  Augsburg  den  Landrath  dieses 
Kreises  — d.  i.  die  ständeartig  zusammengesetzte  Ver- 
tretung desselben  — bei  Aufstellung  des  Kreisbudgets 
zur  Bewilligung  von  Aufforstungs-Prämien  aus  Kreismitteln 
zu  bewegen  und  zwar  mit  bestem  Erfolg.  Man  wollte 
solchermaassen  zur  Waldvermehrung,  namentlich  in  den 
Bergen,  beitragen. 

Dieses  Vorgehen  blieb  aber  so  gut  wie  wirkungslos. 
Es  gewann  auch  die  Ueberzeugung  Raum,  dass  den  Auf- 
forstungen die  Wildbachverbauungen  vorauszugehen  hätte. 
Das  Widmann’sche  höchst  gelungene  Beispiel  begann  also 
doch  zu  wirken.  Namentlich  der  damalige  kgl.  Reg.-  u. 
Kreis-Brth.  Gigl  vertrat  die  Verbauungsidee,  und  da  der 
Landrath  einhellig  zur  Durchführung  von  solchen  auf 
Kreiskosten  sich  bereit  erklärte,  nur  in  der  Voraussetzung 
ausgiebigen  Staatszuschusses,  so  kamen,  da  letzterer  gleich- 
falls gewährt  wurde,  bereits  1887  die  inzwischen  aufge- 
stellten Verbauungs-Entwürfe  zur  Ausführung. 

Obwohl  nun  auch  diese  nicht  sowohl  vorwiegend 
örtliche  Interessen,  als  weitere  Ziele  verfolgenden  Bauten, 
es  war  die  Warmatsgund-Verbauung  im  oberen  lUer- 
gebiet,  anfangs  nicht  populär  waren,  so  wurden  doch  in 
wenig  Jahren  eine  ganze  Reihe  von  Anträgen  seitens  Ge- 
meinden oder  Anliegern  auf  Durchführung  von  Verbauun- 
gen in  ihren  Bächen  durch  den  Kreis  gestellt.  Die  nun- 
mehr wegen  des  hier  überall  in  den  Vordergrund  treten- 
den örtlichen  Interesses  vom  schwäbischen  Landrath  ge- 
stellte Forderung  von  Baarleistungen  der  Antragsteller, 
wechselnd  zwischen  20  und  25  % der  Kostensumme, 
wurde  jedesmal  anstandslos  eingegangen.  Dürftigen  und 
überlasteten  Gemeinden  kamen  die  Distrikte  zu  Flilfe. 

Allgemein  wurde  aber  ferner  noch  seitens  des  Land- 
rathes  zur  Bedingung  gemacht,  dass  für  den  Baugrund, 
dann  für  das  benöthigte  Holz-  und  Steinmaterial  keine 
Entschädigung  bezahlt  zu  werden  brauche,  endlich,  dass 
die  Betheiligten  die  Unterhaltung  der  fertigen  Bauten  zu 
übernehmen  hätten.  Auch  diese  wichtigen,  oft  schwer- 
wiegenden Forderungen  schreckten  bei  den  Anträgen 
nicht  zurück.  — (Schluss  folgt.) 


Erlaubniss  zur  Annahme  und  Anlegung  des  ihm  verlieh.  Komthur- 
kreuzes  des  grossh.  sächs.  Hausordens  der  Wachsamkeit  oder  vom 
weissen  Falken  ertheilt. 

Der  Ob.-  und  Geh.  Brth.  Haassengier  io  Posen  ist  z.  Präs, 
der  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Kattowitz,  die  Reg.-  u-  Brthe.  Hoeft  in 
Elberfeld  u.  Stölting  in  Halle  a.  S.  sind  zu  Ob.-Brthn.  mit  dem 
Range  der  Ob.-Reg.  Räthe  ernannt.  Die  Ob.-Brthe.  Hoeft  und 
Stölting  sind  nach  Königsberg  bezw.  Posen  versetzt. 

Sachsen.  Der  Reg.-Bmstr.  B u h 1 e io  Charlottenburg  ist  z. 
ausserord.  Prof,  für  Masch.-Elemente  und  Hebemaschinen  iu  der 
mechan.  Abth.  der  Techn.  Hochschule  in  Dresden  ernannt. 

Der  Ob.-Brth.  Lar  ras  s ist  z.  Vorst,  der  III.  Abth.,  der  Ob.- 
Brth.  v.  Schönberg  z.  Vorst,  der  IV.  Abth.  der  Gen.-Dir  der 
Staatscisenb.  und  der  Brth.  Friedrich  z.  Vorst,  des  Betr.-Masch.- 
Bür.  ernannt.  — Der  Brth.  Baumann  in  Zwickau  ist  der  Gen.- 
Dir.  der  Staatseisenb.  als  techn.  Hilfsarb.  zugewiesen. 

Der  Reg.-Bmstr.  C o 1 b e r g in  Dresden-A.  ist  aus  dem  Staats- 
dienst ausgeschieden. 


Brief-  uad  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  M.  P.  ln  Ohlau  1.  Schl.  Ein  solcher  Fall  ist 
uns  nicht  bekannt  und  wir  können  uns  kaum  denken,  dass  eine 
Eisenbahn-Betriebsinsp.  eine  derartige  Forderung  stellen  sollte,  ohne 
dass  in  den  Bedingungen  dem  Unternehmer  nach  dieser  Richtung 
hin  ausdrückheh  eine  Pflicht  auferlegt  ist.  Es  ist  uns  allerdings 
bekannt,  dass  in  den  Bedingungen  mitunter  Bestimmungen  stehen, 
wie:  „Unternehmer  hat  sich  vor  Abgabe  seines  Angebotes  von 
der  Zugänglichkeit  der  Baustelle  zu  überzeugen  usw.“,  aber  aus 
einer  solchen  allgemeinen  Bestimmung  ein  Recht  herleiten  zu  wollen, 
dass  der  Unternehmer  zu  einem  allseitig  von  fremdem  Besitz  um- 
schlossenen, bisher  nicht  zugänglichen  Grundstück  auf  eigeneKosten 
einen  Weg  zu  schaffen  habe,  wäre  denn  doch  etwas  weitgehend. 


Inhalt:  Entwurf  zu  einer  evangelischen  Kirche  mit  Pfarrhaus  für 
Duisburg.  — Die  XV. Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Archi- 
tekten- und  Ingenieur- Vereine  zu  Augsburg  vom  i. — 3.  September  1902 
(Fortsetzung).  — Emerich  Steindl  f — Preisbewerbungen.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veraatwortl.  i.  Y.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No,  78. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  79.:  Berlin,  den  i.  Oktober  1902. 


Villen  m Loschwitz  bei  Dresden, 

Architekt;  Th.  Richter  in  Dresden.  (Hierzu  die  Abbildungen  S.  507.) 


ie  hier  besprochenen  Villen  wurden  im  Herbst  1900 
in  Loschwitz  bei  Dresden  nahe  der  Mordgrundbrücke 
an  einem  idyllischen  Platze  der  Parkstrasse  errichtet. 
Die  Grundrissanlagen  sind  fast  gleich,  denn  es  sind  beide 
Häuser  für  die  gleichen  Anforderungen  geplant;  trotzdem 
ist  die  äussere  Gruppirung  ganz  verschieden  gestaltet.  Die 
Grundrisse  weichen  nur  bezüglich  der  Eingänge  und  in 
der  verschiedenen  Ausführung  der  oberen  Geschosse  von 
einander  ab.  Bei  Parkstrasse  10  handelte  es  sich  darum, 
den  Eingang  der  Herrschaft  von  dem  des  Hausmannes 
nach  dem  Untergeschoss  zu  trennen  und  im  Obergeschoss 
eine  Terrasse  , zu  gewinnen,  von  welcher  sich  eine  ent- 
zückende Rundfernsicht  bietet.  Bei  Parksirasse  8 hingegen 
kann  der  Hausmann,  infolge  des  abschüssigen  Geländes, 
von  hinten  zu  ebener  Erde  nach  seiner  Wohnung  gelangen 
und  im  Obergeschoss  war  hier  mehr  Werth  auf  die  Ge- 
winnung geräumiger  Zimmer  gelegt.  Die  Fernsicht  geniesst 
man  von  einem  dem  Dachraume  abgewonnenen  Thurm- 
zimmerchen , welches  als  Bauernstübchen  ausgestattet 
malerisch  den  Aufstieg  zum  Thürmchen  zeigt.  Der  um- 
baute Raum  stellt  sich  hier  im  Verhältniss  zur  Grundfläche 
etwas  grösser.  Es  enthält  nämlichParkstrasse  No.  10  139,41°! 


bebauter  Fläche  zu  190,10  M.  und  umbauten  Raumes 

zu  17,36  M.  = 26.500  M.  Baukosten  einschl,  Garten,  Ein- 
friedigung und  aller  Nebenanlagen,  und  Parkstrasse  No.  8 
134,6 1“  bebaute  Fläche  zu  211,74  unb  1562  cbm  umbauten 

Raumes  zu  18,25  = 28500  M.  Baukosten  einschl.  Garten- 

Emfriediguhg  -und  aller  Nebenanlagen.  Die  Höhen  der 
Geschosse,  sind  bei  beiden  Häusern  gleich  und  zwar  misst 
das  Untergeschoss  2,6 das  Erdgeschoss  3,4 “ und  das 


Mittheiluagen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Elsenbahnkunde  in  Berlin.  In  der  am  9.  Sept. 
1902  unter  dem  Vorsitz  desHrn.  Ministerialdir.Schroeder 
'abgehahenen  Sitzung,,  der  auch  der  Hr.  Minister  der  öffentl. 
Arbeiten  Budde  beiwohnte,  hielt  Hr.Reg.-u.Brth.  Scholk- 
mann  einen  mit  lebhaftem  Beifalle  aufgenommenen  Vor- 
trag über  einige  auf  den  preussisch-hessischen  Bahnen  in 
der  letzten  Zeit  zur  Erhöhung  der  Betriebssicherheit  ge- 
troffene Einrichtungen.  Er  erläuterte  ausführlich  die  von 
der  Staats-Eisenbahnverwaltung  zur  allgemeinen  Einfüh- 
rung angenommene  elektrische  Streckenblockung  in  der 
.sogen,  vierfeldrlgen  Form,  bei  der  in  Ergänzung  der  bisher 
üblichen  Anordnung  die  Freirfleldung  einer  Eisenbahn- 
strecke  für  einen  Zug  durch  den  Blockwärter  noch  da- 
von abhängig  gemacht  wird,  dass  der  voraufgefahrene 
Zug  einen  Kontakt'  überfahren  hat.  Die  Ausführungen 
über  diese  Vervollkommnung,  sowie  über  einige  weitere 
'Verbesserungen,  die  an  den  zu  einer  zusammenhängenden 
Blockstrecke  gehörigen  und  der  wirklichen  Ausführung 
entsprechenden  Blockwerken  gezeigt  wurden,  Hessen  er- 
kennen, dass  die  Einrichtungen  zur  Sicherung  der  Zug- 
folge einen  Grad  der  Vollkommenheit  erreicht  haben,  die 
von  keiner  anderen  Blockeinrichtung,  auch  nicht  von  dem 
sogen,  automatischen  Blocksystem  übertroffen  werden. 

Weiter  wurden  die  Maassnahmen  besprochen,  die  zur 
Deckung  liegen  gebliebener  Züge  und  gegen  das  Ueber- 
■fahren  von  Haltsignalen  empfohlen  sind.  Brauchbare  Vor- 
'schläge  sind  auf  diesem  Gebiete  bisher  nicht  gemacht.  Mit 
grossem  Interesse  wurde  die'  Mittheilung  aufgenommen, 
dass  die  Staats-Eisenbahnverwaltung  im  Begriffe  stehe, 
zur  Deckung  von  Zügen  auf  freier  Strecke  in  der  Dunkel- 
heit und  bei  Nebel  rothbrennende  Magnesiumfackeln  zu 
verwenden,  deren  Licht,  wie  Versuche  dargethan  haben, 
auch  bei  Nebel  500  bis  600“  weit  sichtbar  sei.  Es  wird 
geplant,  jedem  Zuge  eine  Anzahl  solcher  Fackeln  von 


Obergeschoss  2,95  m im  Lichten.  Auch  der  Ausbau  Lt 
bei  beiden  Gebäuden  gleich;  er  sollte  dem  besserer  Ein-' 
familien-Villen  entsprechen  und  es  sollte  die  Gestaltung 
der  Schauseiten  des  Reizes  nicht  entbehren.  Der  Eingang 
wurde  unter  der  Treppe  angeordnet;  die  Diele  verdient 
eigentlich  kaum  diesen  Namen.  Dieser  Vorraum  nebst 
Treppe  ist  bei  beiden  Häusern  mit  Holzbelag  und  moder- 
nem ßrettraillen- Geländer  durchgebildet  und  durch  eine 
Holzbalkendecke,  durch  Thüren  mit  Kathedralglas- Ober- 
lichten usw.  ist  eine  behagliche  Raumwirkung  geschaffen, 
sodass  man  diesen  Raum  auch  nicht  schlechthin  als  Flur 
bezeichnen  kann.  Die  Zimmer  sind  reichlich  gross  bemessen, 
ebenso  die  Zubehörräume,  Boden  und  Keller.  Die  Fuss- 
böden  sind  aus  dreitheiligenTafeln  der  amerikanischen  Kiefer 
hergestellt,  die  drei  Hauptzimmer  des  Erdgeschosses  haben 
eichenen  Stabboden  erhalten.  Die  Decken  sind  mit  Leisten 
aus  Stock  in  Felder  getheilt  und  das  grosse  Zimmer  ist 
mit  einer  Holzdecke  mit  bemalten  Putzfeidern  ausgestattet. 
Wasserklosetts,  Wasserleitung  und  Ausgüsse  sind  in  jedem 
Stockwerk  vorhanden.  Das  Bad  ist  halb  vertieft,  der 
Garten  ist  mit  Hydranten  versehen.  Die  elektrische  Be- 
leuchtungs-  und  Klingelanlage  ist  den  jetzigen  Bedürfnissen 


Parkstrasse  8. 


entsprechend  eingerichtet.  Die  Zentralheizung  ist  eine 
Niederdruck-Warmwasserheizung,  von  der  Küche  aus  be- 
trieben, ausgeführt  von  der  Firma  Kampf  & Webers  in 
Dresden.  Zu  erwähnen  ist  hierbei,  dass  die  Wandflächen 
hinter  den  Radiatoren  in  den  Zimmern  mit  farbigen  Fliesen 
verkleidet  sind,  sodass  die  grösste  Sauberkeit  und  eine  gute 
Wärmerückstrahlung  gewährleistet  sind.  Die  Maurer-  und 
Zimmerarbeiten  wurden  vom  Architekten  selbst  ausgeführt. 


5—6  Minuten  Brenndauer  raitzugeben,  die  der  Schluss- 
bremser oder  ein  Schaffner  sofort  anzünden  soll,  sobald 
sein  Zug  aus  irgend  einem  Grunde  auf  freier  Strecke  zum 
Halten  kommt.  So  lange  die  Fackel  brennt,  kann  der 
Zugführer  untersuchen , ob  der  Zug  voraussichtlich  bald 
weiter  fahren  wird,  oder  ob  er  besondere  Maassregeln 
zur  Deckung  des  Zuges  treffen  muss. 

Als  weitere  geeignete  Maassnahme  zur  Erhöhung  der 
Betriebssicherheit  wurde  die  in  der  Vorbereitung  befind- 
liche Ausrüstung  der  Block-  und  Streckenwärterposten 
mitFernsprechern  besprochen,  die  eine  leichte  und  schnelle 
Verständigung  der  Wärter  unter  sich  und  mit  den  benach- 
barten Stationen  ermöglichen.  Schliesslich  wurde  noch 
ein  von  Hrn.Reg.-u.Brth.Wittf  eld  erdachter  Geschwindig- 
keitsmesser für  Lokomotiven  im  Betriebe  vorgeführt  und 
näher  beschrieben.  — 

Vermisclites. 

Veröffentlichungen  der  kgl.  Prüfungsanstalt  für  Wasser- 
versorgung und  Abwässer- Beseitigung.  In  diesen  Tagen 
ist  das  Heft  i einer  neuen  Veröffentlichung  erschienen, 
die  nach  ihrem  Vorwort  dazu  bestimmt  ist,  „die  bei  den- 
Arbeiten  der  genannten  Anstalt  gewonnenen  Funde  und 
Ergebnisse  von  Bedeutung  zum  Allgemeingut  der  inter- 
essirten  Kreise  zu  machen,  eine  förderliche  Erörterung 
zweifelhafter  Fragen  anzuregen  und  auch  auf  diesem  Wege 
die  Vertiefung  und  Verallgemeinerung  unseres  Wissens 
herbeizuführen“.  Anstalt  der  Angliederung  an  eine  be- 
stehende Zeitschrift  ist  die  Form  einer  neuen  Zeitschrift 
gewählt  worden,  theils  um  nicht  beengt  zu  sein,  theils  um 
den  von  der  Anstalt  gepflegten  wichtigen  Interessen  besser 
gerecht  werden  zu  können,  als  es  ira,  Rahmen  einer  , viel- 
seitigen Interessen  dienenden  Zeitschrift  möglich  ist.  Die 
.Veröffentlichungen  sollen  aber,  urn  'zu  verhüten,  „dass 
unter  dem  Druck  des  zeitweiligen  Bedürfnisses  auch  ein- 


505 


mal  Minderwerthiges  hinausgehe,  nicht  regelmässig,  son- 
dern in  zwangloser  Folge  erscheinen.  Unter  dem  Stern 
der  vollen  zeitlichen  Ungebundenheit  sollen  die  Leser 
zur  richtigen  Zeh  nur  das  Richtige  erfahren,  die  Aufsätze 
thatsächliches  Material  bringen,  auf  dem  Erkenntniss 
und  neue  Gesichtspunkte  sicher  fussen  können.“ 

Diesem  ideellen  Programm  entspricht  die  eben  aus- 
gegebene No.  I der  „Mittheilungen  aus  der  kgi.  Prüfungs- 
anstalt für  Wasserversorgung  und  Abwasser-Beseitigung“ 
vollständig.  Sie  enthält  zunächst  einen  geschäftlichen 
Theil,  in  welchem  die  Geschäftsanweisung  für  die  Thätig- 
keit  der  Anstalt,  die  Gebührenordnung,  die  Anweisungen  für 
da  s V erfahren  bei  Einsendung  von  zu  untersuchenden  Proben 
und  Aehnliches  unter  dem  Rubrum  „Vorwort“  mitgetheilt 
ist.  Es  ist  daraus  u.  a.  ferner  zu  entnehmen,  dass  die  Anstalt 
für  Beantwortung  von  Fragen  vom  bautechnischen  Ge- 
biete sich  bisher  mit  der  vorübergehenden  Heranziehung 
von  geeigneten  Kräften  beholfen  hat,  dass  ihr  dabei  Schwie- 
rigkeiten zwar  bis  jetzt  nicht  entstanden  sind,  dass  sie  aber 
das  Bedürfniss  einer  anderweiten  festeren  Gestaltung 
nach  der  bautechnischen  Seite  hin  als  „zwingende  Noth- 
wendigkeit“  empfindet,  insbesondere  mit  Rücksicht  noch 
auf  den  vorschwebenden  Zweck,  Unterweisungskurse 
für  die  Kreisbaubeamten  an  der  Anstalt  einzu- 
richten. Diesen  Zweck  halten  wir  allerdings  inanbetracht 
der  heute  oft  zu  beobachtenden  Hilflosigkeit  der  Kreis- 
baubeamten in  den  Fragen  vorliegender  Art  für  sehr 
wichtig,  ohne  aber,  dass  wir  in  ihm  allein  das  Bedürfniss 
nach  Angliederung  eines  bautechnischen  Sachverständigen 
an  die  Anstalt  als  begründet  anzusehen  vermögen.  Es  würden 
durch  das  ständige  Zusammenwirken  des  Hygienikers, 
Chemikers  und  Biologen  mit  einem  Techniker  die  Arbeiten 
der  Anstalt  nur  gewinnen  und  sie  würden  dadurch  sowohl 
vertieft,  als  zur  unmittelbaren  Uebertragung  ihrer  Ergeb- 
nisse in  die  Wirklichkeit  geeigneter  gemacht  werden.  Und 
wenn  auch  der  Hinzuziehung  einer  geeigneten  Kraft  von 
Fall  zu  Fall  besondere  Vorzüge  eigen  sind,  die  dieses  Ver- 
fahren zuweilen  als  das  bessere  erscheinen  lassen  mögen, 
so  fordert  dabei  doch  auch  die  Rücksicht  auf  gründliche 
Wahrung  vollkommener  Objektivität  aller  Aeusse- 
rungen  der  Anstalt  die  schärfste  Beachtung.  Und  diese 
Rücksicht  allein  dünkt  uns  genügend  für  das  Aufgeben  des 
bisherigen  lockeren  Zustandes  und  die  baldige  feste  An- 
gliederung eines  bautechnischen  Sachverständigen  an  die 
Prüfungsänstalt. 

Den  sonstigen  Inhalt  von  Heft  i der  „Mittheüungen" 
bilden  7 Arbeiten,  welche  bezw.  die  biologische  Beurthei- 
lung  des  Wassers  nach  -seiner  Flora  und  Fauna,  den 
Reinigungseffekt  von  Oxydationsfiltern,  die  Bestandtheile 
der  Schwimnischicht  auf  den  Abwässern  in  den  Faul- 
becken, allgemeine  Gesichtspunkte,  die  bei  der  Herstellung 
und  dem  Betriebe  biologischer  Abwässer-Reinigungsan- 
stalten  zu  beachten  sind,  die  Müllbeseitigung  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  landwirthschaftlichen  Verwerthung, 
die  Verarbeitung  der  Rückstände  aus  der  Abwässer- 
Reinigungsanlage  von  Kassel  und  einen  chemischen 
Apparat  betreff^en:  alles  tüchtige  Arbeiten,  deren  Studium 
für  Interessirte  lehrreich  sein  wird. 

Die  Mittheilungen  sind  von  der  Buchhandlung  A.  Hirsch- 
wald in  Berlin  beziehbar.  Der  Preis  von  Heft  r ist  4 M. 

— X.  — 

Unter  den  Neuerungen  derTapeten-Fabrikation  nehmen 
Salubra  und  Tekko  seit  einiger  Zeit  eine  hervorragende 
Stellung  ein.  Diese  wasch-  und  desinfizirbaren  Tapeten 
bestehen  aus  mit  Oelfarbe  bestrichenem  und  bedrucktem, 
starkem  Baumwollgewebe,  und  besitzen  eine  porenlose 
■und  lichtechte  Oberfläche.  Salubra  in  Korridoren,  Treppen- 
häusern und  Badezimmern  beliebt,  wird  in  letzter  Zeit 
viel  in  Spitälern  und  Sanatorien  verwendet;  diese  Tapete 
ermöglicht  grösste  Reinlichkeit  und  wird,  weil  sie  der 
Wandfläche  eine  grosse  Haltbarkeit  verleiht  und  Poren 
im  Mauerwerk  nach  aussen  abschliesst,  dem  Oel-  und 
Emailleanstriche  vielfach  vorgezogen.  Tekko,  ein  ver- 
feinertes Verfahren,  eignet  sich  vorzüglich  zum  Tapezieren 
von  Salons  und  anderen  Gesellschaftsräumen,  in  denen  man 
eine  bessere  Wandbekleidung  verlangt  als  Papiertapeten. 
Durch  den  feinen  Glanz  kommt  der  damascirte  Tekko  der 
Seide  gleich  und  hat  nicht  den  Nachtheil  aller  anderen 
.Stofftapeten,  Staub  und  Bacillen  aufzunehmen.  Tekko  ver- 
bindet Eleganz  mit  strengen  Anforderungen  der  Hygiene. — 

Eine  Neuerung  im  Verfahren  um  Dichtungen  von 
Muffenrohren  hefzustellen  ist  dem  Ingenieur  Beinhauer 
in  Bielefeld  patentirt  worden.  Dieselbe  besteht  nach 
Abbildg.  I und  2 darin,  dass  in  die  Leitung  ein  durch 
Luftdruck  aufschwellbarer  Körper  eingeführt  wird.  Die 
Pressluft  muss  in  einer  Luftpumpe  erzeugt  und  mittels 
eines  Spiralschlauches  dem  genannten  Körper  zugeführt 
werden.  Zu  der  Einrichtung  gehört  ferner  ein  Ring  mit 

506 


Eingussöffnung  für  das  flüssige  Dichtungsmittel  (vergl. 
Abbildg.  -2),  der  mit  einer  Abschrägung  nach  Abbildg.  3 
in  die  Muffenöffnung  eintritt  und  hier  den  dichten  Ab- 
schluss bildet,  während  der  dichte  Abschluss  am  anderen 
Muffenende  durch  den  genannten  Schwellkörper  herge- 
stellt wird.  Gewiss  wird  mit  der  Einrichtung  eine  grössere 
Genauigkeit  an  der  Zusammentrittsstelle  von  zwei  Rohr- 
enden und  Verminderung  des  Eindringens  von  Dicht- 


material in  das  Innere  der  Leitung  verhindert  werden; 
ob  man  aber  auf  den  Gebrauch  von  Theerstrick  im  Ge- 
winde der  Muffe  ganz  verzichten  kann,  wie  der  Erfinder 
will,  scheint  uns  nicht  durchaus  sicher  zu  sein,  da  bei 
unrunder.  Form  der  Rohre  der  Schwellkörper  vielleicht 
doch  nicht  ganz  dicht  anliegt.  Aber. um  dem  neuen  Geräth 
grösseren  Eingang  in  die  Praxis  zu  verschaffen,  scheint  es 
uns  vor  allem  wichtig,  den  Preis  desselben  nicht  so  hoch 
zu  stellen,  dass -er  abschreckend  wirken  kann.  — 


Todtenschau. 

Alexander  Llnnemann  *(•.  Am  Morgen  des  22.  Sept. 
verschied  in  Frankfurt  a.  M.  im  Alter  Von  63  Jahren  nach 
einem  vorausgegangenen  Schlaganfalle  der  Architekt  Pro- 
fessor Johann  Alexander  Linnemann,  ein  Künstler  von  so 
ausgeprägter  Eigenart,  wie  es  nur  wenige  noch  in  Deutsch- 
land giebt.  Linnemann  wurde  am  14.  Juli  1839  in  Frank- 
furt a.  M.  geboren,  wo  sich  auch  der  Haupttheil  seines 
Lebenswerkes  abspielte.  Er  war  von  . Hause  aus  Archi- 
tekt; die  Architektur  als  struktive  und  raumgestaltende 
Kunst  trat  jedoch  bei  ihm  mehr  zurück  gegen  das  seiner 
reichen  Phantasie  mehr  entsprechende  dekorative  Gebiet 
derselben.  Die  Flächenkunst  war  sein  Element,  die  Glas- 
und  die  Wandmalerei  gaben  ihm  die  erwünschte  Gelegen- 
heit, seiner  starken  künstlerischen  Kraft  und  seinem  Ge- 
dankenreichthum die  Zügel  schiessen  zu  lassen.  Linne- 
mann war  einer  jener  seltenen  Menschen,  die,  obwohl 
durchaus  in  der  Ueberlieferung  wurzelnd,,  ja  diese  als  ein 
unveräusserliches  Erbtheil  betrachtend,  es  doch  verstan- 
den haben,  eigene  Wege  einzuschlagen.  Kaum  ein  an- 
derer Meister  der  Fiächenkunst  hat  das  deutsche  Wesen 
des  Mittelalters  mit  so  tiefer  Empfindung,  mit  solcher  Hin- 
gabe, aber  auch  mit  so  viel  persönhcher  Eigenart  wieder- 
gegeben, wie  Alexander  Linnemann.  Es  scheint  jedoch,  dass 
Linnemann  mit  zu  jenen  empfindsamen  Künstlern  gehörte, 
deren  Werke  mehr  als  die  anderer  den  Einfluss  der  je- 
weiligen Stimmungen  wiederspiegeln,  denn  nicht  alle  seine 
Werke  sind  gleich  gut,  nicht  alle  tragen  das  gleichmässige 
Gepräge  jener  Kunst,  die  als  Linnemann’sche  weit  über 
die  Grenzen  Deutschlands  hinaus  bekannt  geworden  ist. 

Wir  behalten  uns  vor,  auf  das  Lebenswerk  des  Heim- 
gegangenen noch  einmal  zurückzukommen.  Einstweilen 
seien  in  Kürze  seine  Hauptwerke  erwähnt:  Die  mit  Steinle 
gemeinsam  ausgeführte  Ausmalung  des  Frankfurter  Domes; 
die  Fenster  für  das  neue  Reichstagsgebäude  und  für  das 
Reichsgericht;  ferner  Fenster  und  Mosaiken  für  die  Kaiser 
Wilhelm-Gedächtnisskirche  in  Berlin,. für  die  Katharinen- 
kirche in  Oppenheim,  für  Köln,  Mainz,  Eltville,  Konstanz, 
Hannover,  Friedberg  und  zahlreiche  andere  Gotteshäuser. 
Auch  verschiedene  Wiederherstellungs-Entwürfe  alter  Bau- 
yverke  werden  seiner  kunstreichen  Hand  verdankt,  es  sei 
u.  a.  an  seinen  hochbedeutenden  Entwurf  zum  Ausbau 
der  Domthürme  in  Meissen  erinnert.  Ein  reichbegabtes 
echt  deutsches  Künstlerieben  ist  am  22.  Sept.  durch  das 
Schicksal  abgeschlossen  worden.  — 

Bücherschau. 

Ornament  1902  Paul  Bürck.  63  Tafeln  kl.  Fol.,  darunter 
54  in  zweifarbigem  Druck  auf  graublauem  Karton 
und  9 mehrfarbige  Tafeln  mit  zus.  300  Ornament- 
Kompositionen.  Text  von  Drl  Ernst  Zimmermann 
in  Dresden.  Hauskunst- Verlag  von  Otto  Schulze- 
Köln  in  Darmstadt.  Preis  12  M.  — 

Bei  der  Bedeutung,  die  ein  Künstler  wie.  Paul  Bürck 
in  der  neuzeitlichen  Strömung  der  dekorativen  Kunst  ein- 
nimmt, eine  Bedeutung,  die  sich  weniger  auf  die  Reklame- 

No.  79. 


sowie  an  seinem  reichen  Inhalte  erfreuen.  Die  ornamentale 
Sprach  Bürcks  hält  einen  interessanten  Mittelweg  zwischen 
dem  naturalistischen  und  dem  geometrischen  Ornamente 

I.  Oktober  1902. 


allem  zu  rühmen  ist,  sie  enthält  nichts  aus  der  herge- 
brachten Schablone  und  sie  vermeidet  das  Triviale;  alles, 
selbst  das  schlichteste  Schlusstück,  ist  mit  feinem  künst- 

507 


irommelals  auf  eine  ernste  künstlerische  Befähigung  stützt,  ein;  seine  ornamentalen  Gestaltungen  sind  ungemein  an- 
wird man  das  vorstehende  Werk  mit  besonderem  Interesse  ziehend,  wenn  sie  auch  an  das  Verwendungsgebiet  be 
zur  Hand  nehmen  und  sich  an  seiner  schönen  Ausstatlung  sondere  Ansprüche  stellen.  Was  an  der  Sammlung  vor 


lerischem  Sinn  entworfen,  sodass  diese  Sammlung  von 
Ornamenten  ein  Geist  durchzieht,  welcher  sie  ho'ch  über 
andere  Werke  desselben  Gebietes  stellt.  Geradezu  köst- 
liche Blätter  sind  die  in  mehrfarbigem  Druck  hergestellten ; 
sie  sind  gleich  ausgezeichnet  durch  den  Entwurf  wie  durch 
die  Farbenwahl.  Unter  der  merkwürdigen  Künstlergruppe, 
welche  vor  Jahresfrist  von  Darmstadt  aus  die  Kunstwelt 
in  Spannung  hielt,  war  Bürck  einer  der  zurückhaltendsten, 
gleiitwohl  aber  einer  der  bedeutendsten.  Allen  Inter- 
essenten des  Flachornamentes  sei  das  vorliegende  Werk 
angelegentlichst  empfohlen.  — 

Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Feiler,  J.  & P.  Bogus.  Eiserne  Treppen.  Schmiedeiserne 
Treppenkonstruktionen  mit  Beschreibung,  Eisenangaben,  Ge- 
wichts- und  Preisberechnungen.  4.  und  5.  Lieferung.  Ravens- 
burg 1902.  Otto  Maier.  Pr.  jed.  Lief.  3 M.  (VoJIst.  in  10  Liefrg.) 
Gemss,  G.,  Prof.,  Dr.  Wörterbuch  für  die  deutsche 
Rechtschreibung,  nebst  Worterklärungen  und  Ver- 
deutschung der  Fremdwörter.  2.  Aufl.  Berlin  1902.  Weid- 
mann’sche  Bchhdig.  Pr.  1,50  M. 

Haberland,  Georg.  Für  das  Bauhandwerk.  Kritik  der 
neuesten  Gesetzentwürfe  des  Reichsjustizaints.  Berlin  1902. 
Leonhai-d  Simion. 

Hanneke,  Paul.  Dr.  E.  Vogel’s  Taschenbuch  der  prak- 
tischenPhotographie.  Ein  Leitfaden  für  Anfänger  und 
Fortgeschrittene.  10.  Aufl.  Berlin  1902.  G.  Schmidt.  Pr.  2,50 M. 
Hey d,  W.,  D.  Handschriften  und  Handzeichnungen 
des  herzoglich  württenibergischen  Baumeisters 
Heinrich  Schickhardt.  Heft  3 (Schluss).  Stuttgart 
1902.  W.  Kohlhammer.  Pr.  2 M.  (Vollst.  7 M.) 

Hrabäk,  Jos.,  Hofrath.  Die  Drahtseile.  Alles  Nothwendige 
zur  richtigen  Beurthcilung,  Konstruktion  und  Berechnung 
derselben.  Berlin  X902.  Julius'  Springer.  Pr.  10  M. 
Kaufmann,  Karl.  Anleitung  zur  Verlegung  und  Be- 
handlung von  Linoleum.  2.  Aufl.  WOrzburg  1902. 
Oscar  Stahel.  Pr.  60  Pf. 

Knoll,  C.  Taschenbuch  zum  Abstecken  der  Kurven 
an  Strassen-  und  Eisenbahnen.  2.  Aufl.  Neu 
bearbeitet  von  W.  Weitbrecht.  Stuttgart  1902.  Arnold  Berg- 
strässer  (A.  Kröner).  Pr.  3 M. 

Lehner,  Sigmund.  Die  Kunststeine.  Eine  Schilderung  der 
Darstellung  aller  Arten  künstlicher  Steinmassen.  Wien  1902. 
A.  Hartleben.  Pr.  6 M.,  geb.  6,80  M. 

Lucht,  Ph.  J.  Technische  Anleitung  für  die  Ver- 
arbeitung und  Verwendung  von  Portland- 
zement untei-  besonderer  Berücksichtigung  der  Fabrikation 
von  Zementwaaren,  Marmor-,  Mosaik-,  Terrazzo-  und  Granit- 
Kunstarbeiten,  Zementdach-Falzziegel I sowie  der  Felsen-  und 
Grottenbauten.  2.  Aufl.  Frankfurt  a.  M.  1902.  H.  Bech- 
hold.  Pr.  2,60  M. 


Preisbewerbungen. 

Im  Wettbewerb  Doppel-Volksschule  in  Teschen  (vergl. 
S.  264),  der  unter  Deutsch-Oesterreichern  ausgeschrieben 
war,  haben  den  I.  Preis  die  Hrn.  Arch.  K.  Wolschner 
&Diedtelin  Wien,  den  II.  Preis  die  Hrn.  Arch.  Skr  ob  an  ek 
& Grossmann  in  Mähr.  Ostrau,  den  III,  Preis  Hr.  Arch. 
Streit  in  Wien  erhalten.  — 

Wettbewerb  Krankenhaus  Saarbrücken.  Als  Verfasser 
des  mit  einem  Preise  von  1000  M.  ausgezeichneten  Ent- 
wurfes „Südlicht"  nennen  sich  die  Hrn.  Arch.  Wilhelm 
Heidecke  in  Charlottenburgund  Max  Bischoff  in. Berlin. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Dein  Ob.-Reg.-Rath  Franken,  Abth.- 
Vorst.  bei  den  Reichseiseub.  in  Strassburg  i.  E.,  ist  die  Eriaubniss 
zur  Anlegung  der  ihm  verlieh.  III.  Kl.  des  kgl.  bayer.  Verdienst- 
Ordeus  vom  hl.  Michael  ertheiit. 

Der  Mar.-Masch.-Bmstr.  N e u m a n n in  Kiel  ist  nach  Wilhelms- 
haven versetzt. 

Bayern.  Der  Reg.-  u.  Kr.-Brth.  L i n z in  Regensburg  ist  auf 
die  Dauer  i Jahres  in  den  erbet.  Ruhestand  getreten  und  der  Bau- 
amtm.  Boeshenss  in  München  z.  kgl.  Reg.-  und  Kr.-Brth.  in 
Regensburg  befördert.  Der  Reg.-  u.  Kreisbau-Ass.  Stamm  ist  zum 
Bauamtm.  beim  Laodbauamt  Roseoheim  ernannt. 

Der  Reg.-  u.  Kr.-Brth.  Stuhlfauth  in  Würzburg  ist  s.  Bitte 
entspr.  in  den  Ruhestand  versetzt  und  ist  demselben  der  Tit.  u. 
Rang  eines  kgl.  Ob.-Brths.  verliehen.  Der  Bauamtm.  Fleischmann 
in  Aschaffenburg  ist  z,  Reg.-  u.  Kr.-Brth.  bei  der  Reg.  von  Unter- 
franken  u.  Aschaffenburg  befördert;  der  Reg.-  u.  Kreisbau-Ass. 
Schaaff  in  München  ist  zum  Bauamtm.  beim  Strassen-  u.  Fluss- 
bauamt Aschaffeoburg  berufen.  Die  Bauamts-Ass.  Röder  in  Bam- 
berg und  Fischer  in  Neuburg  a.  D.  sind  gegenseitig  versetzt. 

Der  Ob.-Bauinsp.  Müller  in  Eisenstein  ist  gestorben. 

Hessen.  Der  Geh.  Brth.  Altvater,  Vors,  der  Dir.  der 
Main-Neckar-Eisenb.,  ist  in  den  Ruhestand  getreten. 

Preussen.  Den  Reg.-  u.  Brthn.  Brandt  in  Hannover  und 
Schugt  in  Neuwied  ist  die  Eriaubniss  zur  Annahme  und  An- 
legung des  ihnen  verlieh.  Ehrenkreuzes  III.  Kl.  des  fürstl.  lippischen 
Hausordens  ertheiit. 

Der  Geh.  Brth.  Saal,  vortr.  Rath  im  . Minist,  d.  öffentl.  Arb», 
ist  z.  Geh.  Ob.-Brth.  ernannt. 

Den  Fabrikdir.  Schaffer  und  Leissner  von  der  Henschel’- 
schen  Maschinen-Fabr.  in  Kassel  ist  der  Char.  als  Brth.  verliehen. 

Dem,  Reg.-Bmstr.  • Joh.  Scheppig  in  Sommerfeld  ist  die 
nachges.  Entlass,  aus  dem  Staatsdienst  ertheiit. 

50a 


Sachsen.  Der  Brth.  Schim.mer  in  Döbeln  ist  zum  Betr.- 
Insp.  bei  d.  Betr.-Dir.  Leipzig  ll,  der  Brth.  Au  f s c h 1 ä g e r in  Zittau 
zum  Betr.-Insp.  bei  der  Betr.-Dir.  Chemnitz,  der  Brth.  Wolf  in 
Plauen  z.  Betr.-Iosp.  bei  d.  Betr.-Dir.  Dresden-A.  ernannt  und  der 
Brth.  Lehmann  ist  nach  Zwickau  versetzt. 

Versetzt  sind:  Die  Brthe.  K atz  er  in  Bautzen  zur  Bauiosp. 
Zittau,  Scheibe  in  Zwickau  zum  Ob. -Baubür.,  die  Bauinsp. 
Decker  in  Leipzig  zur  Bauinsp.  Bautzen,  Winter  in  Bischofs- 
werda zur  Bauinsp.  Döbeln  II,  Schramm  in  Zwickau  zur  Bau- 
insp. Adorf,  Lehmann  in  Adorf  zur  Bauinsp.  Plauen-  i.  V,, 
Dierich  in  Leipzig  zur  Bauinsp.  Zwickau  II,  Haeuser  in 
Hilbersdorf  zum  Baubür,  Leipzig,  Arndt  in  Dresden  zur  Bauinsp. 
Flöha,  W orgitsky  in  Hohenstein  zum  Kommissariat  für  elektr. 
Bahnen  in  Dresden,  Schneider  in  Dresden-A.  zum  Baubür. 
Lommatsch. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  Fr.  Dr.  in  Werder  a.  H.  Durch  Zertheilung 
Ihres  Grundstückes  in  10  oder  mehr  selbständige  Trennstücke  be- 
wirken Sie  einen  stärkeren  Verkehr  auf  Ihrem  jetzigen  Privatwege 
und  eine  grössere  Menschenansammlung.  Die  Polizei  hat  deshalb 
nicht  blos  das  Recht,  sondern  sogar  die  Pflicht,  für  ausreichende 
Zugangswege  zu  sorgen,  Das  diesbezügliche  Verlangen  findet  in 
A,  L.-R.  II.  17  § IO  mit  Gesetz  vom  ii.  März  1850  §§  6,  ii  seine 
Stütze.  Insbesondere  darf  die  Polizei  bereits  das  künftige  Verkehrs- 
Bedürfniss  bei  Beurthcilung  dessen,  was  unter  den  gebotenen  Ver- 
hältnissen aus  Sicherheits-  und  Verkehrs-Rücksichten  zweckmässig 
sei,  gebührend  berücksichtigen.  Glaubt  dieselbe  nach  pflichtgemässem 
Ermessen  dem  Wege  wegen  der  erweiterten  Benutzungsart  die 
Eigenschaft  einer  Strasse  zusprechen  zu  sollen  und  dafür  eine  Breite 
von  9 m Fahrdaram  sowie  je  1,5  m Fussteg  fordern  zu  müssen,  so 
ist  sie  zu  einer  diesbezüglichen  ßaubedingung  grundsätzlich  berech- 
tigt. Nicht  minder  lässt  sich  die  weitere  Forderung,  dass  der  Fahr- 
damm mit  Kopfsteinen  und  die  Fussteige  mit  Mosaiksteinen  zu 
pflastern,  sowie  dass  Entv.'ässerungs-  und  Beleuchtungsanlagen  her- 
zustellen sind,  aus  Verkehrs-Rücksichten  rechtfertigen,  zumal  es  im 
Baufluchten -Gesetz  eine  ausreichende  Stütze  findet.  Die  über- 
wiegende Wahrscheinlichkeit  spricht  deshalb  dafür,  dass  eine  auf 
Kraftloserklärung  der  beregten  Baubedingungen  anzustrengende 
Klage  keinen  Erfolg  haben  wird,  zumal  der  vierte  Senat  des  Ober- 
Verw.-Gerichtes,  vor  den  die  Sache  letztinstanzlich  gehören  würde, 
bereits  zahlreiche  Vorentscheidungen  gefällt  hat,  welche  ähnliche 
. Verhältnisse  behandelt  haben  und  grundsätzlich  dahin  ergangen  sind, 
dass  dem  polizeilichen  Ermessen  über  das  Maass  des  Nothwendigen 
keine  zu  engen  Grenzen  gezogen  werden  dürfen.  Uebrigens  hätte 
die  Verwaltungsstreit-Klage  binnen  14  Tagen  nach  Zustellung  der 
polizeilichen  Verfügung  erhoben  werden  müssen.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  W.  in  Hannover.  In  „Der  Kirchenbau  des 
Protestantismus“  von  K.  E.  0.  Fritsch  (Verlag  Deutsche  Bauztg., 
G.  m b.  H.,)  finden  Sie  ausser  zwei  Konkurrenz-Entwürfen  für  die 
Osnabrücker  reformirte  Kirche  eine  Anzahl  von  Aufnahmen  ameri- 
kanischer Kirchen,  denen,  wenn  auch  nicht  das  Pfarrhaus,  so  doch 
ein  Schulhaus  angehängt  ist.  Sie  bilden  mit  diesem  vereint  eine 
architektonische  Gruppe,  einige  eingebaut,  andere  auf  einem  Platze 
gelegen.  Vielleicht  genügen  Ihnen  schon  diese.  Im  übrigen  sei 
hierdurch  die  Anfrage  an  den  Leserkreis  gestellt,  ob  jemand  neu 
erbaute  Kirchen  kennt,  die  mit  angehängtem  Pfarrhause  auf  einem 
allseitig  freien  Platze  stehen.  — 

Hrn.  F.  H.  in  P.  Ende  September  können  Sie  immer  noch 
mit  dem  äusseren  und  inneren  Kalkputze  eines  Neubaues  beginnen. 
Da  es  bis  Mitte  November  am  Tage  noch  nicht  stark  zu  frieren 
pflegt,  könnten  nur  vereinzelt  auftretende  Nachtfröste  schädlich 
wirken,  die  aber  gewöhnlich  nicht  von  langer  Dauer  sind,  und  nur 
auf  ganz  frischen  Putz  schädlich  einwirken.  Der  schon  vor  zwei 
oder  mehr  Tagen  gefertigte  Putz  ist  vor  ihnen  ziemlich  sicher.  Es 
wird  also  genügen,  dass  Sie  in  den  wenigen  Nächten,  in  denen 
Frost  vorauszusehen  ist,  die  frischen  Arbeiten  mit  leeren  Zement- 
säcken oder  anderem  abdecken  oder  sie  mittels  Kokskörben,  die 
aber  nicht  zu  dicht  am  Mauerwerk  stehen  dürfen,  antrocknen. 
Letzteres  empfiehlt  sich  auch  bei  Tagen  mit  einem  geringen  Frost, 
bis  I®  Kälte.  Der  im  Frühjahr  wie  im  Herbst  hergestellte  Putz  ist 
häufig  besser,  als  der  im  Sommer  gefertigte,  da  letzterer  leicht  zu 
rasch  trocknet  und  Risse  bekommt.  Ein  Zusatz  zum  Kalk-  und 
Gipsputze,  der  ein  rascheres  Trocknen  bewirkt,  dürfte  unnöthig  sein. 

Hrn.  Arch.  A.  C.  in  Gotha.  Die  Beantwortung  Ihrer  Frage 
ist  ohne  Kenntniss  der  Situation  schwierig.  Das  Ungünstige  der 
ganzen  Sachlage  scheint  darauf  zu  beruhen,  dass  der  Speisen-Auf- 
zug  unmittelbar  aus  der  Küche  zu  den  über  der  Küche  liegenden 
Speisezimmern  führt,  anstatt  aus  einem  von  der  Küche  durch  Thüren 
getrennten  Anrichteraum.  So  wird  sich  ein  sicher  wirkender  Ab- 
schluss der  Küchengerüche  aus  den  Speisezimmern  nur  schwer 
erreichen  lassen.  Einfache  Lüftungsschächte,  die  Sie  zur_  Ab- 
führung der  schlechten  Luft  aus  der  Küche  angelegt  haben,  wirken 
nie  so  gleichmässig,  dass  nicht  bei  ungünstiger  Aussentemperatur 
oder  Windrichtung  Stockungen  oder  eine  umgekehrte  Wirkung  eio- 
treten  könnte.  Dann  bekommen  Sie  natürlich  den  Küchengeruch 
in  die  Speisezimmer.  Soll  der  Schacht  stets  gleichmässig  absaugen, 
so  ist  für  Pulsion  oder  Anheizung  (elektrisch  betriebene  Ventila- 
toren oder  Gas)  zu  sorgen.  Ganz  besonders  ungünstig  erscheint 
aber  die  Anlage  des  zweiten  Lüftnngsscbachtes  mit  Oeffnungen 
sowohl  in  der  Küche  als  auch  in  den  Esszimmern;  da  ist  jedenfalls 
die  eine  der  Verbindungen  zu  beseitigen.  Für  den  Aufzugsschacht 
dürfte  sich  übrigens  auch  die  Anbringung  eines  über  Dach  ge- 
führten Lüftungsrohres  zur  Abführung  in  denselben  eingedrun- 
gener Küchendämpfe  empfehlen.  R.  G.,  Berlin. 

Inhalt:  Villen  in  Losch witz  bei' Dresden.  — Mittheilungen  aus  Vereinen. 
— Vermischtes.  — Todtenschau.  — Bücherschau.  — Preisbe-werbungen.  — 
Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten.  • 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitui^, , G.  m.  b.,H.,  Berhn.  -Für  die  Redaktion 
verantwortl.  i.  V.  F\  Eiseleü , Berlin. ' Druck  von  Wilh.  G"rev  e ; Berlin. 

No.  79. 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2;  8o.  * 

* 


■ , ,*  c .» 


Berliner  Neubauten. 

No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens.  (Fortsetzung  aus  No.  29.) 


Neues  Thor-,  Wohn-  und  StalJlgebäude. 
Architekt:  Fritz  Gottlob  in  Berlin. 

(Hierzu  eine  Bildbeiiage  und  die  Abbildungen  S,  513  u.  513.) 

ie  zahlreichen  Baulichkeiten  des  Zoologischen 
Gartens  werden  eine  interessante  Vermeh- 
rung erfahren  durch  eine  reizvolle  male- 
rische Baugruppe,  die  zumtheil  auf  Anregung 
des  kgl.  preussischen  Ministeriums  fürLand- 
wirthschaft  und  auf  der  Grundlage  eines  Vertrages 
mit  demselben  ausgeführt  werden  wird,  Die  eine 
Hälfte  der  geplanten  Gesammtanlage,  die  auch  zu- 
nächst nur  ausgeführt  werden  soll,  ist  nach  den  Ver- 
einbarungen mit  dem  genannten  Ministerium  dazu  be- 
stimmt, einheimisches  Zuchtvieh,  wie  Rindvieh,  Pferde, 
Esel  usw.,  zu  züchten  und  die  Züchtung  zum  Gegen- 
stände des  Studiums  für  Interessenten  der  Landwirth- 
schaft  zu  machen.  In  diesem  Theile  sind  daher  vor- 
esehen  24  Stände  für  Rindvieh,  8 Laufstände  für 
ferde  und  Esel,  eine  Futterdiele,  ein  Motorenraum 
mit  Häcksel-  und  Rübenschneidemaschine,  ein  Heu- 
boden, ein  Vortragssaal  mit  Vorraum,  eine  aus  3 
Zimmern,  Küche  und  Zubehör  bestehende  Oekonomen- 
Wohnung  und  ein  Rübenkeller.  Die  einem  späteren 
Baujahre  vorbehaltene  zweite  Hälfte  der  Anlage  soll 
ausser  einem  Stallraume  von  8 Ständen  ein  Polizei- 
bOreau,  eine  Verkaufsstelle  für  Postkarten  usw.,  eine 
grosse  Garderobe  mit  Zubehör,  eine  Konirolleurstube 
und  über  diesen  sämmtlicben  Räumen  einen  Heuboden 


enthalten.  In  die  Anlage,  welche  sich  um  den  Aus- 
gang gegen  den  Thiergarten  gruppiren  soll,  sind  die 
beiden  hier  vorhandenen  Thorgebäude  einbezogen, 
die  so  erweitert  werden  sollen,  dass  sie  ausser  dem 
Kassenraum  zusammen  7 Wohnungen  aus  je  2 Stuben 
und  Zubehör  enthalten,  die  sämmtlich  Zugang  zur 
Strasse  haben.  Im  obersten  Stockwerk  des  höheren 
Thorgebäudes  sind  Waschküche  und  Trockenboden 
vorgesehen. 

Bei  dem  im  Zoologischen  Garten  in  Berlin  allge- 
mein durchgeführten  Grundsätze,  für  die  Behausungen 
der  Thiere  möglichst  die  Formenwelt  der  Heimath  der 
verschiedenen  Thiergattungen  zu  verwenden,  lag  es 
nahe,  für  diese  vorwiegend  für  einheimisches  Zucht- 
vieh bestimmte  Baugruppe  die  für  die  Mark  Branden- 
burg charakteristische  Backstein-Architektur  zu  wählen. 
Demgemäss  werden  die  Gebäude  Backsteinbauten  mit 
durchweg  massiven  Decken  und  Brandmauern.  Unter 
Verzicht  auf  Glasuren  und  um  den  Bauten  den  Cha- 
rakter möglichster  Urwüchsigkeit  und  Bodenständigkeit 
zu  verleihen,  gelangen  nur  Rathenovver  Handstrich- 
Verblender  und  Formsteine  zur  Verwendung,  die  mit 
vollen  Fugen  aufgemauertwerden  und  von  deren  sattem 
Roth  eine  wirkungsvolle  und  harmonische  Farben- 
wirkung mit  dem  grünen  Hintergründe  der  Bäume  des 
Thiergartens  erwartet  wird. 

Für  die  Ausbildung  des  Inneren  ist  zu  bemerken, 
dass  die  Stallräume  ausser  den  massiven  Decken  zur 
Erhaltung  der  Staliwärme  noch  untergelegte  Drahtputz- 


509 


Kreuzgewölbe  erhalten,  und  dass  der  Vortragssaal  mit 
einem  wirklichen  Sterngewölbe  mit  sichtbaren  Back- 
steinrippen geschmückt  wird.  Die  Dächer  werden 
als  Kronendächer  mit  Biberschwänzen  eingedeckt. 
Die  Stallräume  und  die  zu  ihnen  gehörigen  Neben- 
räume ei'halten  als  Fussboden  geriffeltenZementestrich, 
während  alle  anderen  Räume  mit  Linoleumbelag  ver- 
sehen werden.  - Die  Innenwände . der  -Ställe  werden  auf 
eine  Höhe  von  etwa  1,3“  mit  weissglasirten  Steinen 
verblendet;  aus  dem  gleichen  Material  werden  auch 
die  Trennungswände  der  Laufstände  erstellt.  Die 
Kuhstallkrippen  werden  inZementbeton  mit  eingelegten 
glasirten  bezw.  emaillirten  Krippenschüsseln  mit  un- 
mittelbarem Wasserzufluss  ausgeführt.  Alle  Ställe  und 
ihre  Nebenräume  erhalten  schmiedeiserne  Sprossen- 
fenster mit  Kippflügeln  und  eine  Verglasung  aus 
kathedralglasartigem  weissem  Rohglas.  Für  dieThüren 
wird  das  System  der  feuersicheren  „Simplexthüren“, 
Patent  König,  Kücken  & Co.,  gewählt;  diese  Thüren 
sind  Holzthüren  mit  Eisenbelag.  In  den  übrigen  Theilen 
der  Baugruppe  werden  lediglich  Thüren  und  Fenster 
aus  Holz  verwendet.  Der  Vortragssaal  und  sein  Vor- 


raum werden  mit  etwa  1,25“  hohen  Holzpanneelen 
ausgestattet  und  erhalten  Fenster-  und  Thürumrahmun- 
gen aus  profilirten  Verblendsteinen. 

Der  Dung  wird  unmittelbar  auf  einen  zu  diesem 
Zweck  besonders  konstruirten  Dungwagen  geladen, 
der  an  der  Südseite  des  Rindviehstalles  vertieft  und 
für  die  Besucher  des  Gartens  nicht  sichtbar  angeordnet 
wird.  Den  Höhenunterschied  zwischen  dem  Fussboden 
dieser  Vertiefung  und  der  Geländeoberkante  vermittelt 
eine  Rampe  mit  einem  Gefälle  von  1:8.  Der  Fuss- 
boden der  Vertiefung  wird  zur  Aufnahme  der  sich 
ergebenden  Flüssigkeit  mit  einem  Sickergully  versehen. 

Die  Baukosten  sind  für  die  gesammte  Anlage  auf 
etwa  235000  M.  veranschlagt ; der  zuerst  zur  Ausführung 
gelangende  Theil  wird  nach  dem  Voranschläge  eine, 
Summe  von  etwa  103  500  M.  beanspruchen.  Mit  diesen 
verhältnissmässig  sehr  bescheidenen  Mitteln  wird  es 
möglich  sein,  den  Zoologischen  Garten  um  eine  Bau- 
gruppe von  anziehendstem  malerischem  Reize  und  von 
hohem  Lehrwerthe  zu  bereichern,  sodass  man  ihrer 
Vollendung  mit  Spannung  entgegensieht.  • — ■ 

— H.— 


Die  XV. . Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ingen.-Vereine 
zu  Augsburg  vom  1.— 3.  September  1902. 


III.  Die  Vorträge.  (Schluss.) 
d)  Die  Wildbachverbauungen  im  bayerischen  Hochgebirge, 
besonders  im  Allgäu.  (Schluss.) 

Is  entwerfende  und  ausführende  Behörde  war  das 
kgl.  Strassen-  und  Flussbauamt  Kempten  be- 
stimmt worden,  in  dessen  Amtsbezirk  sämmtiiehe 
Allgäuer  Verbauungen  fielen.  Anfänglich  beschränkten  sie 
sich  auf  das  obere  Illergebiet,  das  fast  ganz  zu  Bayern 
gehört;  dann  traten  auch  sehr  namhafte  Bauten  im  Lech-, 
endlich  auch  noch  einige  im  Bodensee-,  also  im  Rhein- 
geb i et  innerhalb  der  bayerischen  Landesgrenzen  hinzu.  Und 
nunmehr  beläult,  sich  die  Zahl  der  verbauten  oder  in  Ver- 
bauung begriffenen  Wildbäche  und  Steilrunsen  im  Allgäu 
bereits  auf  . 52,  dazu  kamen  noch  20  weitere  Bäche,  für 
die  bereits  Entwürfe  bestehen,  oder  die  vorsehentlicher- 
weise  begangen  und  ausgekundet  worden  sind. 

Die  Gesammtlänge  der  zusammenhängend  verbauten 
Wildbäche  oberhalb  des  Schuttkegels,  also  in  den  eigent- 
lichen Schluchten  — im  Allgäu  Tobel  genannt  — beträgt 
rd.  52ktHj  jene  der  geschlossenen  Regelungen  auf  Schuit- 
kegeln  und  im  Thal  rd.  20  km.  Imganzen  wurde  (den 
Steigbach  nicht  gerechnet)  rd.  an  Baarkosten  i Mill.  M. 
aufgebracht,  vom  Staate  die  Hälfte,  vom  Kreise  mehr  , als 
ein  Viertel,  von  den  Betheüigten  und  Distrikten  der  Rest, 


rd.  330000  M.  Der  Werth  des  verbauten  Holzes  ist  auf 
etwa  45  000  M.,  der  Grundzins  für  verbautes  Steinmaterial 
auf  etwa  25000  M.  anzuschlagen;  Grund-  und  Boden- 
benutzung entzieht  sich  der  Schätzung. 

Die  Arbeiten  wurden  allermeist  im  Selbstbetrieb  aus- 
geführt, in  geeigneten  Fällen  kam  der  Theilverding  (Ar- 
beiterakkord) zur  Anwendung.  Hier  hat  sich  das  Bau- 
amt Kempten  aus  der  Reihe  seiner  statutmässigen  Be- 
diensteten im  Laufe  der  Zeit  ein  tüchtiges,  durchaus  ver- 
lässiges und  schneidiges  Unterpersonal  herangezogen.  Die 
Administrativ-Verhandlungen  gingen  glatt  von  statten,  wie 
überhaupt  die  Allgäuer  Wildbachverbauung  sich  grösster 
Einfachheit  des  Geschäftsganges  bei  ihrer  Einleitung  und 
Durchführung  rühmen  darf.  Sie  darf  aber  noch  den 
weiteren  Vorzug  beanspruchen,  in  der  Hauptsache  eine 
vorbeugende  zu  sein,  und  überdies,  was  aus  diesem  Grunde 
erst  recht  in  die  Wagscbale  fällt,  eine  nach  allen  Seiten 
hin  freiwillige,  eine  weder  durch  Gesetzgebung,  noch 
durch  besondere  Einrichtung  hervorgerufene  und  unter- 
stützteD-  Dass  unter  solchen  Verhältnissen  so  grosse 
Leistungen  der  Betheiligten  zu  erzielen  waren,  dürfte  das 
beste  Zeugniss  einerseits  für  den  verständigen  Sinn  der 
Bevölkerung,  andererseits  für  das  gedeihliche  Wirken  der 


*)  Abgesehen  von  der  k.  b.  Landeskultur-Rentenbank. 


Von  der  Industrie-  und  Kunstausstellung  in 
Düsseldorf  1902.  (Schluss.) 

VII.  Die  „Kunsthistorische  Ausstellung". 

Is  eine  der  anziehendsten  und  glanzvollsten  Veran 
Staltungen  der  gesammten  Ausstellung  ist  ohne 
Zweifel  die  „Kunsthistorische  Ausstellung"  zu  be- 
zeichnen. Es  war  ein  glücklicher  Gedanke,  mit  der  ersten 
grossen  Kunstausstellung  ira  neuen  Palast  zu  Düsseldorf 
die  Vorführung  der  Leistungen  aus  der  Vergangenheit  bis 
zurück  zur  Römerzeit  zu  verbinden  und  dafür  die  ausser- 
ordentlich reichen  Schätze  gerade  dieses  Ausstellungs- 
Bezirkes  ans  Kirchen,  Museen  und  Privatsammlungen 
heranzuziehen;  ein  Gedanke  freilich,  der  seine  Vorgänger 
gehabt  hat  auf  den  grossen  Weltausstellungen  sowie  auf 
einigen  kleineren  Ansstellungen,  wie  auch  m Düsseldorf 
selbst  i.  J.  ]88o  in  der  mit  der  damaligen  rheinisch-west- 
fälischen Gewerbe-Ausstellung  verbunden  gewesenen  Ab- 
theilung für  Kunstgewerbe  und  kirchliche  Alterthümer 
aus  beiden  Provinzen.  Aber  in  einem  so  bedeutenden 
Umfange  wie  hier,  wit  einer  solchen  Einmuthigkeit  und 
Einsetzung  aller  Faktoren,  wie  sie  für  das  Gelingen  eines 
derartig  schwierigen  Unternehmens  allerdings  vorausge- 
setzt werden  muss,  ist  bisher  wohl  kaum  irgendwo  für 
die  verhältnissmässig  kurze  Spanne  Zeit  von  nur  6 Monaten 
gearbeitet  worden,  und  es  bleibt  eigentlich  neben  der 
Freude  über  den  Unternehmungsgeist  und  die  hier  ge- 
offenbarte  Thatkraft  zu  bedauern,  dass  unter  der  erdrücken- 
den Fülle  von  Eindrücken  dem  Ausstellungs-Besucher  die 
Ruhe  und  innere  Geschlossenheit  leicht  verloren  gehen, 
welche  für  jedes  tiefere  Studium  unenibehriich  sind.  — 
Ehe  wir  nun  zu  einer  übersichtlichen  Betrachtung  des 
Gebotenen  übergehen,  sei 'kurz  der  Geschichte  dieser 


grossen  für  die  Freunde  mittelalterlicher  Kunst  wie  auch 
für  die- Bestrebungen  der  vaterländischen  Denkmalpflege 
gleich  wichtigen  Veranstaltung  gedacht  und  auch  an  dieser 
Stelle  der  Düsseldorfer  Künstlerschaft  sowohl  als  allen 
Männern,  die  an  dem  Zustandekommen  des  schönen 
Werkes  betheiligt  waren,  der  wärmste  Dank  ausgesprochen. 

Westfalen  und  Rheinland  umschliessen  Gebiete,  die 
bekanntlich  schon  frühe  den  Kultur-Niederlassungen  er- 
schlossen wurden.  Noch  reden  da  und  dort  zerstreut  aus 
der  heidnischen  Zeit  im  alten  Sachsenlande,  aus  der  Römer- 
zeit in  den  Befestigungen  am  Rhein  und  auf  den  grossen 
Heerstrassen,  dann  wieder  aus  der  Zeit  der  christlichen 
Anfänge  und  weiterhin  aus  der  der  weltlichen  und  geist- 
lichen Machthaber,  die  Zeugen  in  gewaltigen  Trümmern 
oder  in  rohen  unbeholfenen  Formen  der  Stein-,  Holz-  oder 
Metall -Bearbeitung.  Vielgestaltiger  wird  das  Bild  der 
Kunstentwicklung,  wenn  man  die  zahlreich  erhaltenen 
Ueberlieferungen  aus  der  fränkischen,  karolingischen,  ro- 
manischen und  gothischen  Periode  bis  zum  Ausgang  der 
Renaissance  und  ihren  Ausläufern  ins  Auge  fasst  und  man 
ermisst,  welch’  ein  ungeheurer  Reichthum  an  wenhvollen, 
vornehmlich  zu  Kultzwecken  gebrauchten  Gegenständen 
oder  deren  Nachbildungen  hier  znsammengebracht  werden 
konnte.  Man  übersieht  ein  weites  Gebiet  archäologischer 
Forschung  und  kann  es  wohl  verstehen,  dass  nur  Männer 
an  die  Spitze  dieses  Unternehmens  treten  konnten,  deren 
Namen  m der  Welt  der  Kunst  und  Wissenschaft  längst 
ein  hohes  Ansehen  gewonnen  haben.  Es  müssen  an  erster 
Stelle  genannt  werden:  die  Hrn.  Prof.  Fr.  Roeber  (Vor- 
sitzender der  Deutsch-nationalen  Kunstausstellung  1,902) 
zu  Düsseldorf,  Dr.  P.  Clemen  (Prof,  an  der  Universität 
Bonn  und  Provinzial-Konservator  der  Rheinprovinz),  Dr. 
Schnütgen  (Domkapitular  in  Köln  und  Herausgeber  der 


Behörden,  und  endlich  für  das  äusserst  günstige  Verhält- 
niss  zwischen  Beamten  und  Volk  liefern.  Die  Hauptaner- 
kennung aber  gebührt  dem  allezeit  entgegenkommenden 
schwäbischen  Landrathe,  welcher  weitaus  schauend  nach 
Kräften  die  Zuschüsse  aus  Kreismitteln  bewilligte  und  da- 
mit auch  die  Staatshilfe  einleitete. 

Veranlasst  durch  die  auch  im  Regierungsbezirk  Ober- 
bayern, sowie  in  Niederbayern  eingetretene  Vermehrung 
der  Wildbachbauten,  dann  besonders  durch  die  bekannte 
Hochwasserkatastrophe  im  oberbayerischen  Alpenland  vom 
Jahre  1899,  greift  nun  der  Staat  unmittelbar  in  diesen 
Zweig  der  Landeskultur-Arbeit  ein  und  zwar  mit  der  ab 
I.  Oktober  des  Jahres  beginnenden  Einrichtung  zweier 
neuen  technischen,  für  den  Betrieb  von  Wildbach-Ver- 
bauungen  und  von  Schutzarbeiten  an  Privatflüssen  über- 
haupt, bestimmten,  rein  staatlicher  Behörden,  der  Wild- 
bach-Verbauungssektionen,  wovon  die  eine  mit  dem  Sitze 
Rosenheim  in  den  3 Regierungsbezirken  Oberbayern, 
Niederbayern  und  Oberpfalz,  die  andere  mit  dem  Sitze 
Kempten  in  Schwaben  und  in  den  übrigen  4 Kreisen  ihr 
Thätigkeitsfeld  zu  suchen  hat.  — 

Diese  Einrichtung  bedeutet  bei  weiterer  Ausgestaltung 
eine  hervorragende  Förderung  der  für  Bayern  als  hoch- 
wichtig erkannten  Wildbach-Verbauungsfrage.  Gleichzeitig 
ist  auch  die  Durchsicht  der  bayerischen  Wassergesetzgebung 
im  Werke,  welche  ohne  Zweifel  für  die  erspriessliche 
Ausdehnung  dieser  Thätigkeit  noch  weiteren  Vorschub 
leisten  wird. 

Und  in  der  That  erscheint  das  nöthig,  denn  das  Ar- 
beitsfeld ist  gross.  Im  Allgäu  werden  fernerhin  noch 
mindestens  150  verbauungsbedürftige  Wildbäche  und  Steil- 
runsen  mit  ebensoviel  Kilometern  Länge  gezählt;  die  eben- 
falls meist  zum  Zweck  der  Minderung  des  Geschiebe- 
ganges regelungsbedürftigen  Wasserläufe  in  den  Gebirgs- 
ihälern  geben  imganzen,  gering  gerechnet,  eine  Länge 
von  etwa  100 ln  Oberbayern  dürften  die  ausständigen 
Bauten  das  Doppelte  bis  Dreifache  betragen. 

Im  allgemeinen  haben  wir  aber  doch  den  gewaltigen 
Vortheil  vor  den  vorhin  genannten  Gebirgsländern  vor- 
aus, dass  wir  die  Verbauungs-Thätigkeit  noch  verhältniss 
massig  frühzeitig  beginnen,  bezw.  begonnen  haben.  Da- 
durch werden  uns  beträchtliche  Kosten  erspart  bleiben, 
andererseits  wird  der  Erfolg  um  so  sicherer  sein;  denn 
die  Kosten  einer  Verbauung  wachsen  mit  dem  Grad  der 
Verwahrlosung  des  Baches  in  ungeheurer  Steigerung. 
Und  das  ist  ein  Vortheil.  dem  gegenüber  besonders  her- 
vorzuheben  ist,  dass  der  Boden  für  Wildbäche  in  unseren 
Bergen  ein  hervorragend  günstiger  ist.  Erstlich  ist  es  das. 
Vorlagern  in  breiter  Masse  des  aus  der  Schweiz  und  Vor- 
arlberg herüberstreichenden  Flysch-Zuges  mit  seinen 
mächtigen,  leicht  verwitter-  und  verwaschbaren  Thon-  und 
Mergel-Schichten  vor  unserer  eigentlichen  Alpenkette.  Zu 
ihm  gesellen  sich  Melasse,  Neocom  und  Lias  mit  gleicher 
Eigenschaft  und  hauptsächlich  sind  es  der  Moränen-  und 
der  Hängeschutt  des  Hauptdolomits,  des  Lias  und  Dach- 


steinkalkes, welcher  sich  bis  ins  höchste  Hochthal  hinauf 
mit  gewaltigen  Massen  am  Aufbau  unserer  Berge  betheiligt. 
Dazu  kommt  ein  reicher  Segen  von  Niederscülägen;  im 
Allgäu  bewegt  sich  das  Jahresmittel  je  nach  Lage  und 
Höhe  zwischen  1400  und  ,1900  rnmj  ungemein  häufig  sind 
heftige  Gewitterregen,  oft  noch  im  späten  Sommer,  bis  zu 
60  “'n  und  Tage  lang  andauernde  Landregen  bis  zu  10 '"'«i 
in  iSt.  DienatürlichenVorbedingungen  für  ein  „klassisches" 
Land  von  Wildbächen  wären  also  bei  uns  gegeben. 

Unsere  Allgäuer  Bauten  nun  wurden  in  der  wohlge- 
drungenen Rücksicht  auf  möglichste  Billigkeit,  neben 
aller  Dauerbarkeit,  ausgeführt.  Auf  ihr  äusseres  An- 
sehen wurde  daher  nicht  viel  verwendet.  Zur  Anwendung 
kommen,  wo  immer  thunlich,  Steinbauten,  meist  trocken 
und  im  Zyklopenverband,  auch  Mauerwerk  in  Beton  ver- 
setzt, dann  auch  Plolz-  und  Faschinenbauten. 

Die  Sparsamkeit  wurde  aber  ganz  besonders  in  der 
möglichsten  Ausnutzung  der  örtlichen  Verhältnisse  und  in 
der  vollständigen  Anpassung  an  die  Eigenart  jedes  Baches 
— und  die  ist  überall  verschieden  — gesucht.  Ist  die  ver- 
ständige Wildbachverbauung  an  und  für  sich  kein  Feld  für 
eine  schablonenhafte  Arbeit,  so  war  sie  es  daher  im  Allgäu 
erst  recht  nicht.  Wenn  auch  bei  oberflächlicher  Betrachtung 
die  Bauten  ein  ziemlich  gleichmässiges  Gepräge  zu  tragen 
scheinen,  so  bringt  die  erforderliche  Individualisirung 
jedes  Baches  bei  den  Verbauungen  erhebliche  Unterschiede 
mit  sich.  Neben  den  grösseren  Bauten  muss  die  grosse 
infrage  kommende  Menge  unbedeutender  kleiner  aber 
zweckdienlicher  Anlagen  und  Bauten  mit  derselben  Sorg- 
falt und  Werthschätzung  behandelt  werden. 

Die  Kleinarbeit  ist  überhaupt  neben  der  Anordnung 
des  Ganzen  oft  das  Wichtigste  an  der  Wildbachverbauung. 
Zu  ihr  gehören  die  zahllosen  Sicherungs- Arbeiten  in  allen, 
auch  den  kleinsten  Seitenrinnen,  die  Befestigung  der 
Zwischensirecken  zwischen  grösseren  Bauwerken,  Rege- 
lung natürlicher  Bachgerinne,  alle  Anpflanzungen  usw. 
Nur  wo  die  Kleinarbeit  richtig  erlernt  worden  ist,  kann 
die  so  hochwichtige  Unterhaltung  der  Wildbachbauten 
billig  und  gründlich  durchgeführt  werden  und  mit  der  An- 
wendung der  kleinen  Mittel  ist  auch  die  Wiidbachverbauung 
befähigt,  auf  alle  Gewässer  des  Mittelgebirges  und  des 
Hügellandes  ausgedehnt  zu  werden,  in  denen  wildbach- 
artige Erscheinungen  zutage  treten. 

Unter  Anwendung  dieser  Grundsätze  sind  die  Allgäuer 
Verbauungen  nicht  nur  sehr  billig  geworden,  sondern  sie 
haben  sich  auch  schon  bei  mehrfachen  Gelegenheiten  be- 
währt. Bei  dem  grossen  allgemeinen  Hochwasser  Ereigniss 
in  den  Bergen  des  Allgäus  vom  3.  Aug.  vor.  Js.  zeigte  sich 
das  besonders  dadurch  am  besten,  dass  bei  derVertheilung 
der  Staats-Unterstützungen  an  den  verbauten  Bächen  nur 
sehr  geringe  Entschädigungen  an  Privatbesitz  gezahlt  wur- 
den, während  an  den  unverbauten  ein  Schaden  von  nahezu 
600000  M.  festgestellt  wurde  und  dabei  waren  gerade  die 
verbauten  Bäche  ehedem  weitaus  die  gefährlichsten.  Im 
s-erwähnten  Allgäuer  Ueberschwemmungs-jahre  1851  hatten 


„Zeitschrift  für  christliche  Kunst")  und  H.  Frauberger 
(Direktor  des  Gewerbe-Museums  zu  Düsseldorf).  Getragen 
von  einer  reichen  Erfahrung  in  Museal-Angelegenheiten, 
wie  von  der  Sicherheit  in  der  Kenntniss  und  Beurtheüung 
aller  einschlägigen  Fragen  auf  den  verschiedenen  Kunst- 
gebieten, war  es  diesen  Gelehrten  Vorbehalten,  die  Linien, 
in  denen  sich  das  Unternehmen  bewegen  sollte,  vorzu- 
zeichnen. Sie  umgaben  sich  mit  einem  grösseren  Kreise 
von  Männern,  deren  verdienstvolle  Thätigkeit  auf  diesen 
Gebieten  in  beiden  Provinzen  wohlbekannt  ist  und  förder- 
ten in  Jahresfrist  die  Angelegenheit  so,  dass  jeder  Besucher 
mit  rückhaltloser  Anerkennung  gerade  diese  Abtheüung 
als  eine  der  ersten  unter  den  fertigen  hat  bezeichnen 
können.  Wie  viele  Vorarbeiten  nöthig  waren,  um  aus 
diesen  oder  jenen  öffentlichen  und  privaten  Sammlungen 
die  Werke  heranzuziehen  oder  um  diese  oder  jene  manch- 
mal recht  lange  zögernde  Kirchen-Verwaltung  zur  leih- 
weisen Hergabe  ihres  kostbaren  Besitzes  zu  gewinnen, 
wer  will  es  ermessen? 

Einer  Vorbesprechung  der  Vertreter  und  des  Hrn. 
Brths.  Ludorff  aus  Münster  (Provinzialkonservator  von 
Westfalen),  die  schon  im  Jahre  1899  stattgefunden  und  in 
welcher  der  allgemeine  Plan  festgelegt  wurde,  folgten  zu- 
nächst die  Verhandlungen  mit  der  kgl.  Staatsregierung,  mit 
den  Provinzial-  und  Diözesanverwaltungen  usw.,  sowie  die 
Erweiterung  des  Vorstandes  und  die  Bildung  eines  Ehren- 
vorstandes, an  dessen  Spitze  der  verstorbene  Erzbischof 
von  Köln  Dr.  Hubertus  Simar  trat.  Am  28.  August  1901 
fand  unter  der  Leitung  des  I.  Vorsitzenden,  Hrn.  Dr. 
Schnütgen,  die  erste  Generalversammlung  statt,  in  der 
vielfachen  Wünschen  und  Hoffnungen  Ausdruck  gegeben 
wurde,  die  auf  der  zweiten  Versammlung  bereits  zu  festen 
Ergebnissen  führten.  Inzwischen  hatte  man  den  Kreis 

4.  Oktober  190a. 


weitergezogen  und  in  Anbetracht  der  Thatsache,  dass 
manche  auf  heimischem  Boden  entstandene  Gegenstände 
längst  auswärtigen  Museen  angehören,  und  dass  nament- 
lich bei  vielen  Stücken  auch  in  Privatsammlungen  die  Her- 
kunft ausser  allem  Zweifel  sein  kann,  die  Besitzer  der- 
selben, sowie  die  kgl.  Staatsregierung  um  ihre  Betheiligung 
gebeten.  Andererseits  konnte  man  bei  dem  kosmopoli- 
tischen Charakter  vieler  Privatsammlungen,  so  sehr  auch 
die  Vorführung  der  im  westdeutschen  Ausstellungsgebiet 
entstandenen  Kunstwerke  im  Vordergründe  des  Interesses 
stand,  eine  scharfe  Trennung  der  hierher  gehörigen  Stücke 
von  anderen,  die  mehr  verschiedene  Einflüsse  von  da 
oder  dort  erkennen  lassen,  umso  weniger  herbeiführen 
wollen,  als  gerade  dadurch  wesentliche  Umstände  zu  ver- 
gleichenden Studien  verloren  gegangen  wären.  Die  Auf- 
gabe war  nach  ihrer  monumentalen  (Architektur,  Plastik 
und  Malerei),  wie  nach  der  kunstgewerblichen  Seite 
zu  lösen.  Es  ist  das  besondere  Verdienst  des  Hrn.  Prof. 
Clemen,  dass  er,  die  Bedürfnisse  der  staatlichen  und 
provinzialen  Denkmalpflege  betonend,  hier  die  Gelegenheit 
ergriffen  und  auf  die  Schaffung  eines  geschlossenen  Bildes 
von  der  älteren  westdeutschen  Monumentalkunst  in  Gips- 
abgüssen gedrungen  hat,  die  hier  im  neuen  Kunstpalast 
am  Rhein,  gegenüber  den  wechselnden  Erscheinungen 
neuerer  Kunst  als  ein  bedeutsames  Zeugniss  der  Ver- 
gangenheit und  zugleich  als  Zierde  und  passender  Hinter- 
grund für  kunstgewerbliche  Alterthümer,  vor  allem  aber 
zur  Anregung  und  Vertiefung  des  Sinnes  für  die  vater- 
ländische Geschichte  und  Grösse,  in  derselben  oder  in 
einer  ähnlichen  Weise  dauernd  aufgestellt  bezw.  einge- 
baut wurden,  wie  es  seit  etwa  20  Jahren  seitens  der 
Commission  des  monuments  historiquesin  den  bei- 

(Fortsetzung  auf  S.  514.) 

51I 


sie  alle  losgeschlagen,  so  dass  die  Spuren  heute  noch  er- 
kennbar sind. 

_ Die  Beschädigungen  an  den  Bauten  waren  stellen- 
weise sehr  empfindlich,  und  zwar  meist  in  den  Bach- 
unterläufen; in  den  eigentlichen  Tobel  Verbauungen  waren 
sie  äusserst  massig,  der  gesammte  Durchschnitt  ergiebt 
für  alle  Allgäuer  Bauten  rd.  5 % der  Baukosten  bei 
hohem  Anschlag,  wobei  bedacht  werden  möge,  dass  viele 
Verbauungen  mitten  in  Arbeit  standen  oder  wegen  noch 
nicht  eingetretener  Verwachsung  ihre  volle  Wirkung  eben 
noch  nicht  haben  konnten.  In  keinem  Bache  kamen  Ab- 
rutschungen in  den  Uferhängen  vor.  In  den  älteren  Bauten 
können  wir  bereits  auf  eine  so  dichte  Verwachsung  blicken, 
dass  der  Zustand  des  dauernden  Erlöschens  in  Bälde  als 
eingetreten  gelten  kann. 

An.  einigen  Beispielen  sei  zum  Schlüsse  die  Anordnung 
und  Ausführungsweise  der  Wildbachverbauungen  näher 


befestigt.  Die  Aufnahme  stammt  vom  Jahre  1899,  während 
die  Ausführung  bereits  1890  erfolgte;  der  gänzlich  in  Rutsch- 
bewegung gewesene,  höchst  gefährliche  Tobel  ist  zurzeit 
fast  völlig  eingewachsen  (Erlen  und  Weiden)  und  hat  beim 
Hochwasser  vom  3.  Aug.  1901  kein  Gerolle  abgeführt. 

Abbildg.  3 giebt  die  unverbaute  obere  Auswühlungs- 
strecke  vom  Steibenbach  bei  Bolsterlang  wieder,  einem 
40  ni  tiefen  Graben  in  Moränen-Schulthalde,  grosse  Steine 
enthaltend.  _ Letztere  fallen  über  den  Fuss  der  Bruch- 
böschung hinaus  und  drängen  das  Wasser  an  letztere  heran 
und  rufen  somit  immer  neueUnterwQhlung  und  Abrutschung 
hervor.  Das  BachgefäUe  ist  18%,  die  Meereshöhe  liegt 
zwischen  1200  und  1400 

Abbildg.  4 zeigt  dieselbe  Strecke  mit  rauher  Stein- 
treppe verbaut.  Das  Bachgerinne  ist  von  der  Bruch- 
böschung soweit  abgerückt,  dass  sie  sich  abflachen  und 
beruhigen  kann;  diese  ist  nunmehr  in  bester  Bewachsung 


erläutert.  Wir  haben  die  Abbildungen  bereits  in  No.  78 
vorausgeschickt. 

Abbildg.  I zeigt  die  zusammenhängende  Regelung 
eines  Bachlaufes  — Steinbach,  bei  Pfronten-Kappel  im 
Lechgebiet  — auf  dem  Schuttkegel;  das  Gefälle  beträgt 
6%.  Das  Bachbett  hat  ein  trapezförmiges,  mit  Trocken- 
Zyklopenpflaster  befestigtes  Profil  erhalten;  das  Gefälle 
ist  durch  Abstürze  bis  zu  i n»  Höhe  aus  Trocken-Mauerwerk 
auf  2,5  % gemässigt.  Die  Bachgebietsgrösse  umfasst  3,8  ; 

die  grösste  Hochwassermenge  stellt  sich  auf  19  «bm,Sek. 

Abbildg.  2 giebt  einen  Blick  in  das  Haupt- Auswühlungs- 
Gebiet  eines  Baches  — Leybach  bei  Altstädten,  oberes 
Illergebiet,  wie  alle  folgenden.  Der  Untergrund  ist  lockere 
Moränen-Masse;  das  mittlere  Gefälle  beträgt  16%,  die 
Grösse  des  ganzen  Gebietes  rd.  3,25  die  grösste  Hoch- 
wassermenge 16  c^>“/Sek.  Die  Meereshöhe  liegt  zwischen 
1200  und  1400  Der  Auswühlungs- Graben  besitzt  eine 
grösste  Tiefe  bis  65“,  oben  130“,  unten  25™  breit;  die 
Verbauung  ist  in  Holz  erfolgt  und  besteht  aus  Stützsperren 
in  Abständen  von  20—40™  Entfernung;  die  Zwischen- 
strecke ist  mit  zusammenhängender  Treppen- Korrektion 


begriffen  (Bauzeit  1895).  Der  Geschiebeabgang  ist  hier 
gänzlich  eingestellt.  . . 

In  Abbildg.  5 ist  ein  Abrutsch  (Combe)  aus  einem 
„Einhang“.  ~ Bolgenach  bei  Sonderdorf  — dargestellt. 
Die  Abrutschung  entstand  nicht  nur  infolge  Unterwühlung 
des  Hängefusses  durch  den  Bach,  sondern  auch  durch 
Losbrechen  von  Wassermassen  aus  dem  Berginneren.  Die 
gewaltige  Abrutsch-Masse  verursachte  im  gegenüberliegen- 
den Berghange  durch  Anschieben  des  Baches  höchst  be- 
denkliche Anbrüche  und  Rutschungen,  sodass  der  Weg 
im  Hochthale  mit  vorzüglichem  Wald-  und  Weidegebiet 
(in  1100  ™ Meereshöhe)  gänzlich  gesperrt  zu  werden 
drohte. 

Die  150™  hohe  Combe  im  Flysch-Schutt  ward  gründ- 
lich entwässert,  das  Einschneiden  des  Wassers  durch 
Treppenbau  verhindert,  der  Fuss  durch  systematische 
Regelung  des  Bachlaufes  im  Hochthal  (Gefälle  = 6 0,d)  ge- 
sichert. Die  Ausführung  erfolgte  1892.  Nunmehr  ist  der 
Rutsch  gänzlich  beruhigt  und  schön  begrünt.  — 

Abbildg.  6 stellt  die  Hauptsperre  im  oberen  Theil  des 
Eybaches  bei  Schöllang  dar,  in  1290™  Meereshöhe,  am 

No.  80. 


512 


Fuss  grosser  bis  zu  8o“  hoher  „Riessen"  im  Moräneschutt 
und  der  Verästelung  des  Baches  in  4 Steilrinnen. 

Die  Sperre  bildet  den  Fuss  einer  150  m langen  Treppen- 
körrektion und  der  Einzelverbauungen  in  den  Veräste- 
lungen; zugleich  hatte  sie  vor  der  Durchführung  der  letz- 
teren bei  Katastrophen-Ereignissen  die  Massenabfuhr  zu 
verhüten.  Die  Ausführung  ist  .1896  bewirkt,  die.  Riessen 
sind  vollkommen  beruhigt  und  in  Verwachsung  begriffen. 
Beim  vorjährigen  Katasirophenwasser  war  der  Eybach 
besonders  schwer  betroffen';  dank  dieser  Verbauung  ging 
aus  der  gefährlichsten  Bachstrecke  gar  kein  Geröll  ab. 

Abbildg.  7 zeigt  eine  eigentliche  „Stausperre“,  also 


schiebes  sind  5 grössere  Stausperren  errichtet,  wovon 
eine  die  Abbildung  zeigt.  Schon  die  Füllung  bis  zur  Ab- 
sturzkante bewirkte  im  Bachunterlaufe  eine  höchst  er- 
wünschte und  nun  schon  mehrfach  sehr  wohlthätig 
gewordene  Bettvertiefung  von  i— 1.5“.  Mit  der  wag- 
rechten Hinterfüllung  ist  aber  die  ‘Wirkung  solcher,  ab- 
sichtlich an  breiter  Bachstelle  angelegter  Stausperren  nicht 
erschöpft.  Ein  Wolkenbruch  brachte  1895  aus  dem  Felsen- 
gebiet eine  Massen-Geröllabfuhr  aus  der  sogen.  ,, Hohen 
Tretiach".  Diese  einzige  Sperre  war  in  der  Lage,  die  etwa 
5_5ooo  cbmbetragende  Geröllroasse  zu  brechen.  Sie  lagerte 
sich  mit  etwa  15%  Steigung  vor  der  Sperre  auf. 


Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin. 
Neues  Thor-,  Wohn-  und  Stallgebäude.  Arch.:  Fritz  Gottlob  io  Berlin. 


im  Gegensatz  zu  den  vorigen  Querbauten,  die  wie  leicht 
zu  ersehen,  die  Bezeichnung  beruhigungs-  oder  Korrek- 
tions-Sperren verdienen,  eine  nur  auf  den  Geröliauffang 
berechnete  Anlage.  Die  dortige  Bachstrecke  — _ obere 
Trettach,  im  obersten  Illergebiet  — führt  sehr  viel  Ab- 
witterungsgeschiebe ab,  das  bei  Wasserabfuhr  der  unter- 
halb gelegenen  hübschen  und  fruchtbaren  Spielmannsauer 
Thalweitung  sehr  gefährlich  wurde,  durch  Bachbett-Er- 
höhung  und  demzufolge  durch  Uebermuhrung. 

Alle  unterwühlenden  Bachtheile  und  Seitenrunsen  sind 
für  sich  verbaut.  Zur  Abhaltung  des  Abwitterungs-Ge- 


Abbildg.  8 giebt  schliesslich  die  mittels  kleinerer  Bach- 
anschweilungen  in  der  Zeit  von  1895—1899  eingetretene 
Wiederentleerung  des  Fassungsraumes  der  Sperre  wieder. 
Abgesehen  von  den  während  dieser  Zeit  hinzugekomme- 
nen kleineren  neuerlichen  Auflagerungen,  ward  also  die 
Dauer  der  Abfuhr  jenes  Massen-Geröllganges  von  etwa 
einer  Viertelstunde  auf  4 Jahre  ausgedehnt,  also  Um- 
wandelung der  Massenabfuhr  in  die  Einzelabfuhr, 
welch’  letztere  schadlos  mit  Hilfe  der  erwähnten  Beltver- 
tiefung, sowie  von  Schutzbauten  im  Thale  vor  sich 
ging.  — St. 


4.  Oktober  190a. 


lieber  Staukurvea-Berechnung. 


Eie  einigermaassen  regelmässig  beschaffene,  in  das 
umgebende  Gelände  tief  eingeschnittene  Mündungs- 
strecke eines  Wasserlaufes  liege  im  Hochwasser- 
bereich eines  grösseren  Baches  oder  Flusses.  Das  Gefälle 
des  Wasserlaufes  sei,  wie  dies  in  hügeligem  Gelände  wohl 
häufig  vorkommt,  auch  in  der  Mündungsstrecke  noch  ein 
sehr  merkliches.  Anlässlich  einer  Bahn-  oder  Strassen- 
führung  solle  der  Wasserlauf  eben  in  der  bezeichneten 
Strecke  überbrückt  werden.  Unmittelbare  Beobachtungen 
über  das  Zusammenwirken  der  beiden  höchsten  Wasser- 
stände liegen  nicht  vor,  und  es  bleibt  daher  nur  übrig, 
den  Hochwasserstand  an  der  Baustelle  durch  Berechnung 
aus  den  beiden  für  sich  festgestellten  höchsten  Wasser- 
ständen zu  ermitteln. 

Es  wird  hierbei  ein  Stau  anzunehmen  sein,  welcher 
Über  dem  Punkte  seinen  Anfang  nimmt,  an  welchem  der 
wagrechte  Hochwasserspiegel  des  Flusses  die  Sohle  des 
Wasserlaufes  anschneidet.  Wo  der  Spiegel  des  Wasser- 
laufes den  Hochwasserspiegel  des  Flusses  trifft,  erreicht 
der  Stau  seinen  Höchstwerth,  und  von  hier  aus  gegen  die 
Mündung  zu  verläuft  er  asymptotisch  zum  Hochwasser- 
spiegel des  Flusses,  ohne  theoretisch  je  Null  zu  werden. 


Denkt  man  sich  einen  lothrechten  Längsschnitt  des  Wasser- 
laufes und  führt  die  Bezeichnungen  wie  untenstehend  ein, 
so  ist  für  einen  zwischen  A und  B befindlichen  Quer- 
schnitt im  Abstand  x vom  Koordinaten-Anfang  B\ 
hv-^  = 2g  yh 

die  Geschwindigkeitshöhe  y = wobei  uj  = ^ 


2g  h 

setzen  ist,  daher  y = - (i) 

Für  den  Punkt  A selbst  wird  x^g(p=h, 
daher  y = — ^ (3) 


Der  hydraulische  Druck  des  ankommenden  Wassers 
steigert  sonach  den  auftretenden  Stau  bis  zum  Höchst- 
betrage im  Punkte  A. 


Für  die  Bestimmung  des  Staues  in  einem  zwischen 
A und  C befindlichen  Querschnitt  werde  der  Koordinaten- 
Anfang  unter  Beibehaltung  der  X-Axe  nach  A verlegt. 
Es  ist  dann  für  einen  Querschnitt  im  Abstande  x von  A 

^ r . V .ll 

y—xtg(f= — , wobei  Ui  = zu  setzen  ist, 

2g  h-\-xtg(f  ’ 

daher  y = ( — ^ tg  y . . . (3) 


Die  vorhandene  Wassergeschwindigkeit  ergiebt  sich 
natürlich  für  jeden  Querschnitt  aus  der  Forderung,  dass 
die  durchfliessende  Wassermenge  immer  = v .h  sein  muss. 

Sei  z.  B.  V — 2^,  h = 2^,  igifi  = 0,005,  dann  berechnet 
sich  für  einen  Querschnitt  zwischen  A und  B im  Abstande 


X = 300  m von  B aus  (i) 

_ (2 . 300 . 0,005)2 
^ 19,62 . 4 

und  für  den  Querschnitt  in  A 


0,11  “ 


19,62  ’ 

Man  ersieht  hieraus,  dass  diese  Staugrössen  bei  ge- 
gebenen Verhältnissen  sich  so  bedeutend  ergeben  können, 
dass  sie  wohl  berücksichtigt  werden  müssen.  Wiewohl 
die  Fälle,welche  die  Anwendung  obiger  Formeln  wünschens- 
werth  erscheinen  lassen,  nicht  selten  Vorkommen  mögen, 
scheint  auf  den  einfachen  Gang  der  Berechnung  in  keinem 
der  bekannteren  einschlägigen  Bücher  hingewiesen  zu  sein. 
Die  vorstehende  Erörterung  mag  daher  gegebenen  Falles 
sachdienlich  sein.  Die  beiden  Kurven-Abschnitte  B A und 
A 0 schliessen  in  der  Regel  mit  einer  Knickung  an  einander. 
Es  lässt  sich  jedoch  zu  jedem  gegebenen  v ein  bestimmtes 
k ermitteln,  bei  welchem  diese  Knickung  nicht  auftritt.  Die 
Differential-Quotienten  aus  den  Gleichungen  (i)  und  (3) 
ergeben  für  den  Anschlusspunkt  A der  beiden  Kurven- 

Abschnitte  aus  (i)  für  xtg<p  = 7i,  ^ aus  {3)  für 

dy  _ tgy 
dx  g h 

Sollen  die  beiden  Kurven-Abschnitte  BA  und  AG 
ohne  Knickung  an  einander  schliessen,  so  muss,  da  die 
X-Axe  für  beide  Koordinaten-Systeme  beibehalten  wurde, 

= sein, 

gh  gh 
daher  ~ gh  — 

2 «2  = 


xigf>^ 


Nur  wenn  diese  Beziehung  zwischen  h und  v besteht, 
wird  die  Staukurve  ohne  Knickung  verlaufen.  Für  v — 2™ 
im  vorigen  Beispiel  würde  sich  das  entsprechende  h = 0,81 
ergeben.  Salier,  k.  Direktions-Assessor  in  Kempten. 


den  ausgedehnten  Seitenflügeln  des  Pariser  „Trocadöro“ 
mit  den  Abgüssen  französischer  Denkmäler  und  verwandter 
Arbeiten  geschehen  ist.  Dieser  Versuch,  „der  damit  zum 
erstenmale  in  Deutschland  gemacht  wird,  grössere  figuren- 
belebte Architekturtheile,  Portale,  Sarkophage,  Baldachine 
usw.  aus  der  Glanzzeit  der  westdeutschen  Kunst  abzu- 
formen und  in  systematischer  Anordnung  aufzustellen, 
darf  als  durchaus  gelungen  und  für  weitere  Kreise  wie 
öffentliche  Sammlungen  als  vorbildlich  bezeichnet  wer- 
den“ (SchnüTgen).  Zwar  im  Vergleiche  zu  den  grossen 
englischen  und  französischen  Gipssammlungen  dem  Um- 
fange nach  noch  beschränkt,  eröffnet  sich  damit  doch  die 
Aussicht  auf  eine  grössere  Bewerthung  und  praktische 
Ausnutzung  der  mannigfachen,  unserem  heimischen  Em- 
pfinden ungleich  näher  stehenden  Kunstschöpfungen  auch 
für  Unternchtszwecke.  Der  Architekt  wird  nicht  ver- 
gessen, dass  er  freilich  auf  seinen  Studienreisen  die  beste 
Möglichkeit  hatte  an  den  Original  werken  selbst  zu  studiren, 
aber  doch, oft  zu  seinem  Bedauern  sich  genöihigt  sah,  auf 
manche  Einzelheiten  wegen  zu  schlechter  Beleuchtung  oder 
zu  grosser  Entfernung  zu  verzichten.  Gute  Gipsabgüsse 
bieten  ihm  willkommenen  Ersatz.  Er  schätzt  darum  die 
kleineren  Sammlungen  in  den  kgl.  Museen  zu  Brüssel 
(Musöe  d’art  monumental  et  industriel),  im  Germanischen 
Museum  zu  Nürnberg,  die  Abgüsse  in  Berlin,  München 
usw.  Und  es  ist  gewiss  erfreulich,  dass  die  Errichtung 
eines  grossen  Gips-Museums  sowohl  in  Berlin  wie  in  Mün- 
chen sicher  in  Aussicht  genommen  wurde.  Mannigfache 
Anregungen  zu  solchen  Unternehmungen  waren  unter 
anderem  schon  in  der  vor  4 Jahren  erschienenen  Clemen’- 
schen  Schrift  über  die  „Denkmalpflege  in  Frank- 
reich“ (Verlag  von  Ernst  & Sohn  in  Berlin)  zu  finden. 
Es  galt  also  für  die  Abformung  der  wichtigsten  Archi- 
tekiurtheüe  in  Rheinland  und  Westfalen  zunächst  ein  Ver- 
zeichniss herzustellen  und  dann  die  auf  etwa  100000  M. 


sich  belaufenden  Mittel  für  diese  auf  2 Jahre  vertheilten 
Arbeiten  zu  gewinnen.  Zunächst  trat  der  aus  dem  Ueber- 
schussfonds  der  Düsseldorfer  Ausstellung  1880  gegründete 
Zentralgewerbeverein  für  Rheinland- Westfalen 
usw.  mit  seiner  gut  eingerichteten  Gipsformerei,  sowie 
mit  einer  Beihilfe  von  6000  M.  ein;  weiterhin  bewilligte 
der  Provinvial- Ausschuss  der  Rheinprovinz  20000  M.  zur 
Abformung  rheinischer,  der  westfälische  Provinzial-Aus- 
schuss  15  000  M.  zur  Abformung  westfälischer  Monumente, 
und  gar  bald  war  auch  die  kgl.  Staatsregierung  zu  be- 
wegen, für  die  kostspielige  Abformung  grosser  Fassaden- 
theile,  Portale,  Grabdenkmäler  usw.  in  beiden  Provinzen 
mit  einer  Gesammtzuwendung  von  50000  M.  einzutreten 
und  endlich  wurden  noch  von  der  Ausstellungsleitung 
IO  000  M.  beigesteuert.  So  konnte  es  gelingen  die  statt- 
liche Zahl  von  etwa  100  Denkmälern  der  Architektur  und 
Plastik  hier  gleichsam  als  „ein  Stück  monumentalen  Lehr- 
buches“ für  die  Geschichte  der  westdeutschen  Kunst  zu 
vereinigen.  Das  Entgegenkommen  der  Staatsregierung 
zeigte  sich  auch  darin,  dass  sie  die  grösseren  und  schwie- 
rigen Abgussarbeiten  in  Münster  und  Trier  durch  die 
Gipsformerei  der  kgl.  Museen  unter  Leitung  des  Inspektors 
Sierke  besorgen  Hess,  während  die  Mehrzahl  der  in  West- 
falen hergesteilten  Abformungen  vom  Stuckateur  Zotz 
und  der  Firma  W.  Bolte  in  Münster,  alle  übrigen  Arbeiten 
aber  durch  die  Gipsformerei  des  Zentral- Ge  werbe  Vereins 
unter  Leitung  des  Bildhauers  Gotting  vorgenommen  wur- 
den. Es  ist  selbstverständlich,  dass  die  für  solch  grosse 
und  zumtheil  recht  schwierige  Arbeiten  noch  ungeübten 
Hilfskräfte  in  der  Provinz  erst  erzogen  werden  mussten 
und  dass  manches  doppelt  zeitraubend  war.  Es  musste 
auch  manches  Stück  durch  Anwendung  komplizirter  Ver- 
fahrungsweisen  (Leimformer), besonderes  Thonmodell  usw.) 
gewonnen  worden.  Endlich  waren  die  Abgüsse  an  Ort 
und  Stelle  abzutönen  oder  in  der  Originalwirkung  zu  poly- 

No.  80. 


514 


Vermischtes. 

Arbeiterwohlfahrts-Einrichtungen  der  Landes-Verslche- 
rungsanstalten.  Das  Invaliden- Versicherung^gesetz  giebt 
den  Landes- Versicherungsanstalten  die  Möglichkeit,  weit 
über  den  Rahmen  ihrer  eigentlichen  Aufgaben  hinaus  für 
die  Arbeiterwohlfahri  thätig  zu  sein.  Welche  umfassende 
Wirksamkeit  z.  B.  die  Landes-Versicherungsanstalt  Berlin 
auf  diesem  Gebiete  entfaltet,  darüber  berichtet  Dir.  Dr. 
Rieh.  Freund  in  der  „Sozialen  Praxis.“  Hier  kann  nur 
kurz  der  Arbeiterheilstätten  in  Beelitz  und  Lichtenberg, 
des  Invalidenhauses  für  Tuberkulöse  in  Lichtenberg,  der 
Schaffung  eines  Gebäudes  für  zentrale  Arbeitsvermittlung 
in  Berlin  gedacht  werden.  Ausser  diesen  im  Eigenthum 
der  Landes-Versicherungsanstalt  befindlichen  Einrichtun- 
gen hat  letztere  eine  grosse  Zahl  von  Arbeiterwohlfahrts- 
Einrichtungen  dadurch  gefördert,  dass  sie  denselben  Hypo- 
thekengelder  zu  einem  billigen  Zinsfusse,  meist  3%,  ge- 
währt. So  sind  für  Einrichtung  von  Arbeiterwohnungen 
gewährt  worden  1 152000  M.,  für  Errichtung  einer  Heilstätte 
für  Nervenkranke.  200  000  M.,  für  Errichtung  einer  Trinker- 
heilstätte 70000  M.,  für  Errichtung  von  Lungenheilstätten 
374  550  für  Errichtung  eines  allgemeinen  Krankenhauses 
153850  M.,  für  eine  Arbeilerkolonie  115000  M.,  für  ein  Asyl 
für  Obdachlose  165  000  M.,  für  ein  Gewerkschaftshaus  und 
zugleich  die  Errichtung  einer  Herberge  650000  M.,  für  ein 
Volkserziehungs  - Unternehmen  (Pestalozzi  - Fröbelhaus) 
150000  M.,  für  ein  Unternehmen  zur  Förderung  höherer 
Bildung  und  Erwerbsthätigkeit  des  weiblichen  Geschlechts 
(Lette- Verein)  400000  M.,  für  ein  Unternehmen  zum  Schutz 
gegen  Arbeitslosigkeit  für  junge  Mädchen  319  000  M.,  mit- 
hin insgesammt  3 740  000  M.  Die  Gesammtsumme,  welche 
die  Landes-Versicherungsanstalt  Berlin  für  Arbeiter-Wohl- 
fahrtszwecke aufgewendet  hat,  beträgt  somit  über  13  Mill.  M. 
Und  so,  wie  die  Landes  Versicherungsanstalt  Berlin,  haben 
viele  Versicherungs-Anstalten  in  mehr  oder  minder  um- 
fangreichem Maasse  ihr  Vermögen  Arbeiter-Wohlfahrts- 
zwecken dienstbar  gemacht.  — 

Die  Wiederherstellung  des  Schlosses  Schwarzenberg  in 
Franken,  des  Stammsitzes  des  heutigen  österreichischen, 
tschechisirten  Fürstengeschlechtes,  ist  durch  Fürst  Adolph 
Joseph  in  den  Jahren  1900—1902  und  unter  Mitwirkung 
bayerischer  Künstler  betrieben  worden.  Das  thurm-  und 
giebelreiche  Schloss  erhebt  sich  am  Fusse  des  Steiger- 
waldes, ist  bereits  im  -13.  Jahrh.  urkundlich  nachweisbar 
und  ward  1429  kaiserliches  Lehen  Erkingers  von  Seinsheim. 
Das  Schloss  wurde  bewehrt  und  im  Inneren  kostbar  ge- 
schmückt. Im  Bauernkriege,  1525,  wurde  es  belagert  und 
kam  zu  Ende  des  XVI  Jahrh.  an  Graf  Wolfgang  Jacob, 
der  die  künstlerische  Ausschmückung  fortsetzte.  1607  zer- 
störte ein  grosser  Brand  das  Schloss,  welches  bald  darauf 
„in  schöner  Manier“  wieder  hergestellt  wurde.  1616  waren 
die  Arbeiten  vollendet.  Die  Erhebung  der  Schwarzen- 


berge  in  den  Fürstenstand  hatte  die  Verlegung  ihres  Wohn- 
sitzes nach  Wien  zurfolge  und  die  Mediatisirung  der  deut- 
schen Reichsstände  liess  das  Interesse  der  Fürsten  an  dem 
Besitze  erkalten,  sodass  derselbe  mehr  und  mehr  verfiel, 
bis  sich  in  unseren  Tacen  eine  Wiederherstellung  als 
nöthig  erwies,  um  das  Schloss  überhaupt  zu  retten.  — 

Die  modernen  Gallerien  in  Wien  und  Prag.  Für  die 
Unterbringung  der  modernen  Gallerie  in  Wien  sind  aut 
die  Dauer  von  4 Jahren  die  Räume  des  unteren  Belvedfere 
bestimmt  worden,  in  welchen  früher  die  Ambraser  Samm- 
lung aufgestellt  war.  Die  Räume  sollen  noch  vor  Ende 
des  Jahres  dem  Besuche  frei  gegeben  werden.  Nach 
4 Jahren  hofft  man  das  städtische  Museum  fertig  gestellt 
zu  haben,  in  welchem  dann  die  moderne  Gallerie  mit  den 
Sammlungen  des  Landes  Niederösterreich  und  denen  der 
Gemeinde  Wien  vereinigt  werden. 

Die  Errichtung  der  modernen  Gallerie  für  das  König- 
reich Böhmen  in  Prag  ist  durch  kais.  Entschliessung  vom 
6.  Aug.  und  durch  Genehmigung  des  Stiftsbriefes  nunmehr 
auch  formell  vollzogen  und  es  sind  die  böhmischen  und  deut- 
schen Präsidenten  ernannt  worden,  sodass  nunmehr  die 
eigentlichen  Arbeiten  beginnen  können.  Der  .Stiftsbrief  be- 
zeichnet als  Name  der  Sammlung  ausdrücklich:  „Moderne 
Gallerie  des  Königreiches  Böhmen.“  Die  Anstalt  ist 
utraquistisch.  Der  deutschen  Sektion  gehören  u.  a.  an  die 
Architekten  Prof.  Anton  Hellmessen  und  Jos.  Zasche, 
der  Kunsthistoriker  Prof.  Dr.  Alwin  Schultz,  sowie  der 
Maler  Emil  Orlik,  sämmtlich  in  Prag.  Der  czechischen 
Sektion  gehören  u.  a.  an  Ob.-Brth  J.  Hlavka,  Prof.  Joh. 
Kotera,  Maler  Dir.  Georg  Stibral,  Maler  Prof,  Adalbert 
Hynais  und  Bildhauer  Prof.  Jos.  Wenz.  Mysibeck.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  einem  Kreishause 
ln  Recklinghausen  i.  W.  schreibt  der  dortige  Kreisausschuss 
unter  den  Architekten  Deutschlands  mit  Frist  zum  15.  Dez. 
d.  J.  aus.  Es  sind  3 Preise  von  1500,  1000  und  500  M. 
ausgesetzt.  Unter  den  5 Preisrichtern  sind  Bausachver- 
ständige die  Hrn.  Landesbrth.  Zimmermann  aus  Münster, 
Stadibrth.  Bluth  aus  Bochum,  Kreisbmstr.  Timmermans 
aus  Recklinghausen.  Bauprogramm  gegen  1,50  M.  vom 
Kreisbauamt  in  Recklinghausen.  — 

Wettbewerb  Kollegiengebäude  der  Universität  Freiburg 
i.  Br.  (vergl.  S.  71  u.  84).  Der  I.  Preis  von  7000  M.  wurde 
nicht  vertheilt;  die  Summe  desselben  wurde  für  IV.  Preise 
und  für  Ankäufe  bestimmt.  Den  II.  Preis  von  4000  M. 
und  einen  IV.  Preis  von  1500  M.  erhielten  die  Entwürfe 
des  Hrn.  Prof.  Friedr.  Ratzel  in  Karlsruhe;  III.  Preise 
von  je  200  M.  errangen  die  Hrn.  Baudir.  Meckel  & Sohn 
in  Freiburg  und  die  Arch.  Paul  und  Carl  Bona.tz  in 
Stuttgart.  IV.  Preise  von  je  1500  M.  erhielten  ausser 
Ratzel  die  Hrn.  Arch.  Schulz  & Schlichting  in  Berlin 


chromiren.  Alles  ist  zur  Freude  der  Betheiligten  wohl- 
gelungen. Ein  stattlicher  Katalog,  bearbeitet  von  Dr. 
Edmund  Renard  unter  Mitwirkung  von  Prof.  Clemen, 
Direktor  V.  Falke  und  Domkapitular  Dr.  Schnütgen, 
und  mit  einem  Vorwort  aus  der  h eder  des  letzteren,  giebt 
sowohl  für  die  Nachbildungen,  wie  für  die  Originale  bei 
den  einzelnen  nahezu  3000  Nummern  eine  kurze  treffende 
Charakterisirung  nach  Bestimmung,  Material,  Technik,  Ort 
und  Zeit  des  Gegenstandes  und  enthält  zudem  am  Schlüsse 
100  photographische  Abbildungen  hervorragender  Gegen- 
stände aus  beiden  Abtheilungen.  Die  westlichen  Provinzen 
haben  zwar  nicht  Werke  aufzuweisen,  die  sich,  was  die 
Bedeutung  für  die  Entwicklung  der  deutschen  Plastik  in 
der  ersten  Blüthezeit  (im  13.  Jahrh.)  änbetrifft,  an  ober- 
sächsische  oder  fränkische  Arbeiten  (etwa  an  die  Portal- 
skulpturen zu  Wechselburg  und  Freiberg)  anreihen  Hessen, 
dafür  besitzen  sie  aber  „an  archaischen  Werken  des  ii. 
und  12.  Jahrh.  einen  noch  fast  unbekannten  Schatz  von 
auch  ikonographisch  höchst  merkwürdigen  Denkmälern, 
aus  dem  13.  Jahrh.  wenigstens  einige  ganz  erlesene  und 
vornehme  grosse  Portale,  und  aus  der  gothischen  Zeit 
die  schönsten  und  bedeutendsten  Grabdenkmäler“.  Zu 
den  Reproduktions-Arbeiten  gehören  auch  die  farbigen 
Kopien  rheinischer  und  westfälischer  Wandmalereien 
die  zumtheil  im  Aufträge  der  Provinzial-Verwahung,  zum- 
theil  aus  eigenem  Antriebe  von  besonders  dazu  geeigneten 
Malern,  im  Laufe  der  letzten  5 Jahre  hergestellt  und  von 
den  betreffenden  Kommissionen  oder  Kunstmäcenen,  in 
deren  Besitz  sie  sich  jetzt  befinden,  21  Blatt,  hierherge- 
-liehen  wurden.  Und  endlich  findet  das  Bild,  das  hier  von 
der  Monumentalkunst  des  westlichen  Deutschland  zu  geben 
versucht  wird,  eine  vortreffliche  Ergänzung  durch  75  Gross- 
bilder der  von  Geh.  Brth.  Dr.  Meydenbauer  in  Berlin 
gegründeten  und  geleiteten  Messbildanstalt  im  kgl. 
preussischen  Kultus -Ministerium,  welcher  Sammlung  die 

4.  Oktober  1902. 


in  7 grosse  Holzrahmen  zusammengefassten  photographi- 
schen Vergrösserungen  von  Aufnahmen  aus  der  Inven- 
tarisation der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  in  Westfalen  vom 
Provinzial-Konservator  Brih.  Ludorff  zu  Münster  ange- 
schlossen wurden.  Für  die  Unterbringung  aller  dieser 
Sachen  standen  im  nördlichen  Flügel  des  neuen  Kunst- 
gebäudes eiu  grosser  Ecksaal  und  zwei  noch  grössere 
Oberlichtsäle  sowie  das  Treppenhaus,  die  untere  und  die 
obere  Gallerie,  und  noch  ein  schmalerer  östlicher  Neben- 
raum zur  Verfügung,  und  zwar  mit  einem  besonderen 
Eingänge  und  Vestibül  im  Nordrisalit.  Dieser  Eingang 
wie  die  Durchgangs-Oeffnungen  zwischen  den  einzelnen 
Sälen  waren  die  gegebenen  Stellen  für  eine  bemerkens- 
werthe  Aufstellung  der  grossen  Gipsabgüsse  bezw.  für  die 
einzubauenden  Portale,  dergestalt,  dass  jede  Oeffnung  auf 
der  Vorder-  oder  Rückseite  andersartig  umrahmt  wird. 
So  wird  die  Aussenseite  des  Einganges  zum  Ecksaale  ein- 
genommen von  dem  5 ™ hohen,  4,5  ™ breiten  spät-romani- 
schen Südportale  der  kath.  Pfarrkirche  zu  Wester- 
kappeln i.  W.;  die  abgestuften  Laibungen  mit  je  zwei 
Säulchen  und  einer  Figurennische  über  kurzer  Säule;  in 
dem  Tympanon  — stark  verwittert  — der  Salvator  mit 
zwei  anbetenden  Figuren,  während  die  Innenseite  von  dem 
Portal  auf  der  Südseite  der  Liebfrau en-Kirche  zu 
Andernach  bekleidet  wird.  Das  herrliche  Trachitportal 
vom  Anfang  des  13.  Jahrh.,  6,8 hoch,  5,8“»  breit,  zeigt 
in  den  abgestuften  Laibungen  je  ein  Säulenpaar  mit  durch- 
gehendem reichen  Kämpferfries  und  ornamentirten  Wülsten 
in  der  Bogenlaibung;  das  Bogenfeld  enthält  ein  Tuff-Rehef 
zweier  kniender  Engel,  die  ein  Medaillon  mit  dem  Gottes- 
lamm hallen.  Im  Vestibül  stehen  an  den  Wänden  die  be- 
kannten polychromirten  Grabplatten  des  Sachsenherzogs 
Wittekind  ans  der  Stiftskirche  zu  Enger  (12.  Jahrh.),  des 
Königs  Günther  von  Schwarzburg  aus  dem  Dom  in 
Frankfurt  a.  M.  (1352)  und  die  Epithaphien  der  Stifter 


515 


und  Herrn.  Distel  in  Freiburg.  Die  4 Entwürfe  mit  den 
Kennworten  „Faust“,  „Altfreiburg",  „Löwenplatz"  und 
„Würde“  wurden  zum  Ankauf  für  je  1000  M.  empfohlen.  — 
Im  Wettbewerbe  Neubau  des  St.  Jobannis-Jungfrauen- 
klosters  zu  Lübeck,  der  unter  Lübecker  Architekten  aus- 
geschrieben war,  erhielt  den  I.  Preis  von  800  M.  Hr.  Arch. 
Julius  Schöss  in  München,  den  IL  Preis  von  500  M.  die 
Hrn.  Arch.  Braeck  & Störmer  in  Lübeck.  Angekaüft 
wurde  der  Entwurf  der  Hrn.  Arch.  Otto  Kerwien  & 
Georg  Runau  in  Lübeck.  Dem  Preisgerichte  gehörten 
an  die  Hrn,  Ob.-Baudir.  Hinckeldeyn  in  Berlin,  Baudir. 
Schaumann  und  Arch.  Schwartzkbpff  in  Lübeck.  — 
Wettbewerb  Hallenschwimmbad  Pforzheim.  Der  zum 
Ankauf  empfohlene  .Entwurf  ■ „in  balneis  salus"  (vergl. 
Nr.  77)  ist  von  den  Hrn.  Reg.-Bmstr.  F.  Kritzler  & Arch. 
G.  Emmingmann  in  Berlin  verfasst.  — 


Chronik. 

Die  Herstellung  eines  Schiftahrts-Kanales  von  Kiel  nach 
Lauenburg  an  der  Elbe,  den  die  Stadt  Kiel  bekanntlich  anstrebt, 
ist  durch  einen  Beschluss  der  Stadtverordneten,  den  Sartori'schen 
Plan  dem  preuss.  Minist,  der  öffentl.  Arbeiten  mit  dem  Ersuchen  um 
Prüfung  und  generelle  Ausarbeitung  vorzulegen,  in  ein  neues  Stadium 
getreten.  Fürdievorbereitenden  Arbeiten  wurden  3 loooM.  bewilligt.— 
Die  Kölner  Volksheilstätte  in  Rosbach  a.  d.  Sieg,  die 
erste  Lungetiheilstätte,  und  zwar  für  männliche  Kranke,  des  Kölner 
Heilstätt'en-Vereins  ist  am  13..  September  ihrer  Bestimmung  über- 
geben worden.  Die  Anstalt  ist  für  130  Betten  berechnet  und  vom 
Stadtbauinsp.  Kleefisch^  in  Köln  mit  einem  Kostenaufwande  von 
905000  M.  (ausschl.  der  noch  nicht  hergesteilten  Direktorwohnung) 
errichtet  worden,  wozu  die  Stadt  Köln  700000  M.  hergegeben  hat. 
Die  Anstalt  ist  mit, eigener  Wasserversorgung  und  mit  einer  Klär- 
anlage nach  dem  biologischen  .Verfahren  ausgestattet.  — 

Die  Begründung  einer  städtischen  Gallerie  in  München 
wird  in  den  dortigen  Tagesblättern  angeregt.  Sie  soll  der  mo- 
de rn  en ; Kunst  dienen  und  diese  Bestimmung  sowohl  im  Inhalte, 
wie  im  Gebäude  zum  Ausdruck  bringen:  — 

Die  neue  kath.  Kirche  zu  Cappeln'  in  Oldenburg  wurde 
am  13.  Sept.  dem  Gebrauche  übei geben”  Dieselbe  ist  im  gothischen 
Stile  nach  Plänen  und  unter  Oberleitung  des  Reg;-Bmstrs.  Hilger 
Hertel  zu  Münster  i.-W.  erbaut.  ’ — - 

Das  neue  Stadttheater  in  Fürth,  ein  Werk  der  Architekten 
Fellner&Helmer  in  Wien,  ist  am  17.  Sept.  feierlich  eingeweiht 
worden.  Das  für  die  Summe  von  705000  M.  erstellte  Haus  enthält 
rd.  1000  Plätze.  — 

Elektrischer  Omnibusyerkehr  zwischen  Nizza  und  Monte 
Carlo  ist  nach  dem  System  Lombard-Guerin  in  Aussicht  genommen. 
Der  Omnibus  läuft  dabei  ohne  Schienen  auf  der  Strasse  und  sein 
Motor,  erhält  den  Strom  mittels  biegsamen  Kabels  und  durch  Ver- 
mittelung eines  auf  einer  doppelten  Hochleitung  laufenden  Elektro- 
motors aus  der  Hauptleitung.  , Der  Strom, wird  in  10000  Volt  Sp. 
aus  der  Zentrale  in  Nizza  entnommen  und  in  Gleichstrom  von 
500—600  Volt  Sp.  umgeformt.  Länge  der  Strecke  20  km.'  — 

Kohlenwagen  von  50  t Tragkraft  werden  für  die  West 
Virginia  Central  and  Pittsburgh-Eisenbahn  ausgeführt.  Die  Wagen 
ruhen  auf  2 Drehgestellen,  haben  9,45  m Länge  und  16  t Gewicht. 
Sie  sind  ganz  in  Eisen  gebaut.  — 


von  Cappenberg  i.  W.  Der  gegenüberliegenden  Schmal- 
wand des  Ecksaales  ist  vorgebaui  in  8 Höhe,  8,55  ™ Breite 
das  wohlbekannte  frühgothische  Hauptportal  der  Lieb- 
frauenkirche  zu  Trier  mit  seiner  reichen  Figuren- 
Syrabolik,  neutestamentlichen  Scenen  und  mit  dem  in  der 
frischen  Naturalistik  so  reizvollen  Laubwerk.  An  der  nörd- 
lichen Längswand  erscheint  das  kunstgeschichtlich  nicht 
minder  bedeutende  frühgothische  Seiterportal  derselben 
Kirche  von  6,26  “Höhe,  5.48  “Breite,  rundbogig  geschlossen, 
mit  Vorgesetzten  Rundsäulen  in  den  schrägen  Gewänden 
und  dem,  fein  gemeisselten  Laub-  und  Blüthenwerk  in  den 
Archivolten.  Noch  ein  drittes  Portal  aus  Trier,  das  aus 
dem  12.  Jahrh.  stammende,  im  südlichen  Seitenschiff  des 
romanischen  Domes  (6,55“  hoch,  4,70“  breit),  ist  hier 
wiedergegeben,  sogar  mit  der  dem  jetzigen  Zustande  ent- 
sprechenden Abtönung  und  Bemalung.  Es  umrahmt  hier 
den  Eingang  zum  ersten  Oberlichtsaal.  Der  Ecksaal  ent- 
hält ausser  diesen  grossen  Gipsabgüssen  die  in  derselben 
Weise  hergestellteh  z.  Th.  paiinirten  Nachbildungen  der 
spätrömischen  sitzenden  Wölfin  aus  Aachen,  des  be- 
kannten Pinienzapfens  aus  Bronze  (ebendaher)  aus  dem 
IO.  Jahrh.,  des  sog.  Sarkophages  Karls  des  Grossen, 
des  Taufsteines  im  Dome  zu  Limburg  a.  d.L.  (13.  Jahrh,), 
der  Gruppe  der  Heimsuchung  aus  dem  Dome  in 
Xanten  und  anderes  mehr;  im  übrigen  aber  sind  hier 
die  22  grossen  Tumben  von  Beckum,  Berlin,  Soest,  Bochum, 
Deutz,  Freckenhorst,  Kaiserswerth,  Köln,  Osnabrück, 
Rhynern,  Siegburg,  Straelen  und  Xanten,  je  einzeln  oder 
— seltener  — (wie  die  Siegburger)  auch  zu  mehreren  unter 
grossen  Glaskästen  aufgestellt;  die  kostbarsten  Schätze  der 
kirchlichen  Edelmetallkunst,  welche  von  den  betreffenden 
Kirchen-  oder  Museums-'Verwaltungen  in  einer  höchst 
dankenswerthen  Weise  hierhergeliehen  wurden.  Der 
Forscher  findet  hier  ein  Material  zusammengetragen,  wie 
es  ihm  in  dieser  Fülle  kaum  irgendwo  geboten  war  und 

516 


Bri'el-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  W.  B.  in  S.  Einen  säurefesten  Verschluss  der 
Fugen  stellen  Sie  am  besten  aus  Gussasphalt  her,  Derselbe  ist 
auch  elastisch  genug,  um  die  Wänneausdehnungen  der  Glasplatten 
aufnehmen  zu  können. 

B.  K.-F.  in  Br.  Wir  sehen  keinen  Grund,  warum  ein  dichter 
Verputz  aus  hydraulischem  Kalk  nicht  haltbar  sein  sollte,  w.enn 
unter  demselben  sich  nur  geringe  Reste  von  einem  abgeschla- 
genen.Gipsputz  befinden.  Voraussetzung  ist  jedoch,  dass  nicht  von 
der  Rückseite  aus  Wasser  oder  Feuchtigkeit  Zutritt  zu  den  Resten 
des  früheren  Gipsabputzes  finden  kann. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

1.  Für  den  Fussbodenbelag  einer  nicht  unterwölbten  Kirche 

ist  Marmor  in  Aussicht  genommen,  an  dessen  Stelle  von  anderer 
Seite  Mosaikplattenbelag  in  Vorschlag,  gebracht  wird,  da  Marmor 
bei  feuchter  Witterung  fusskalt  sei.  Liegen  Erfahrungen  vor,  ob 
Marmor  bezüglich  der  Fussbodenkälte  für  ein  Publikum,  das  etwa 
I Stünde  lang  stehen  muss,  unangenehmer  wirkt  als  Mosaikplatten- 
belag? Arch.  H.  R.  in  Köln  a.  Rh. 

2.  Ist  einem  Leser  Näheres  über  die  Einrichtung  des  elektrisch 

betriebenen  Geläutes  der  Sacre  Coeur-Kirche  in  Paris  nach  dem 
Verfahren  des  Ing.  Guenee  bekannt?  Ist  hierüber  etwas  veröffent- 
licht und  wo?  . Stadtbauamt  in  J. 

Fr  ag  e b e an  t w o r t u n g e n aus  d e m L e s er  kr  e is  e.  • 

Hrn.  M.  in  C.  Zur  Anfrage  i in  No.  71  gehen  uns  Antworten 
zu  von  Hrn.  Stadtbmstr.  Löwe  in.  Verden 'a.  d.  Aller  und  Hrn. 
Bmstr.  Wortmann  in  Hermillheim  bei  Köln.  Beide  geben  den 
Flanschenschiebern  den  Vorzug  vor  den  Muffenschiebern  wegen 
der  leichteren  Auswechselung  bei  Reparaturen  namentlich,  mit 
denen  man  doch  rechnen  muss.  Beide  empfehlen  ferner,  den 
Privat'Haupthahn  nicht  unmittelbar  hinter  die  Anbohrschelle,  son- 
dern in  den  Bürgersteig  zu  legen,  wo  er  vor  dem  Strassenverkehr 
geschützter  und  leichter  auffindbar  liegt.  — 

Hrn.  T.  F.  K.  in  Dortmund.  Zur  Anfrage  2 in  No.  71 
empfiehlt  die  Maschinenfabrik  Schwarzhaupt  & Lungen  in 
St.  Goar  a.  Rh.  ihre  Aethergas-Apparate,  die  nach  Angabe  der 
Firma  in  jedem  frostfreien  Raume  aufgestellt  werden  können,  völlig 
gefahrlos  und  einfach  im  Betriebe  sind,  ein  aus  Petroläther  und 
Luft  gemischtes  Gas  erzeugen  (Petroläther  zu  beziehen  aus  Petro- 
leum-Raffinerien) und  ein  Aethergas-Giühlicht  liefern  sollen,  das 
sich  billiger  stellt,  als  Steinkohlehgas-Glühlicht.  ^ — 

Die  Firma  In derau  & Co.  in  Dresden  empfiehlt  ihre  Luftgas- 
Apparate  Exceisior  mit  neuem  Selbstregler  Statt  des  Petroläthers 
wird  hier  Gasolin,  ebenfalls  ein  bei  der  Destillation  von  Rohpefroleum 
gewonnener  Kohlenwasserstoff,  mit' Luft  gemischt  verwendet.  Die 
Firma  macht  die  gleichen  Vorzüge  wie'  oben  für  sich  geltend.  — 

Inhalt:  Rerliper  Neubauten.  No.  lo2.  Die  Umwandlung  und  die  Neu- 
bauten im  Zoolögischeu  Garten  (Fortsetzung!.  — Die  XV.  Wauderversarnm- 
lung  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  zu  Augs- 
burg vom  I.— 3.'  September  1902  (Sdilus«'.  - Von  der  ludustrie  und  Kunst- 
ausstellung in  Düsseldorf  1902  VII.  (Fortsetzung).  — Vermischtes.  — Preis- 
bewerbungen. — Chronik..-—  Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage;  Die  Umwandlung  und  die  Neu- 
bauten des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  tn.  b.  H.,  Berhn.  Für  die  Redaktion 
verantwort!,  i.  V.  F.  Eiselen,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


im  Zusammenhänge  mit  allen  den  anderen  in  den  an- 
stossenden  Sälen  vereinigten  Schätzen  ihm  in  absehbarer 
Zeit  nicht  wieder  begegnen  dürfte.  "Wir  heben  nur  her- 
vor den  reichemaülirten  Heribertschrein  aus  Deutz 
(Mitte  des  12.  Jahrh.),  vielfach  als  die  „Perle  der  ganzen 
Ausstellung“  bezeichnet,  den  jetzt  dem  Berliner  Alten 
Museum  angehörenden  Patroklusschrein  aus  Soest 
(um  1313  vom  Goldschmied  Siegefrid  gefertigt);  die  älteste, 
jetzt  sehr  gebrechliche  Tumba  des  hl.  "Victor  in  der  ehe- 
maligen Stiftskirche  zu  Xanten.  Mehrere  dieser  Reliquien- 
schreine, so  einige  aus  dem  Bisthum  Paderborn  und  die 
allein  aus  der  Siegburger  Pfarrkirche  hergekommenen 
fünf  Tumben,  sind  mehr  oder  weniger  stark  restaurirt.  Als 
einer  der  spätesten  Schreine  gilt  das  aus  Holz  bestehende, 
mit  vergoldeten  Eckpfeilern,  "Walmdach  und  Maasswerk- 
fenstern  an  den  Langseiten  versehene,  sonst  mit  neu- 
testamentlichen Scenen  bemalte  Werk  eines  flandrischen 
Meisters  aus  der  kath.  Pfarrkirche  zu  Straelen  (v.  Ende 
des  15.  Jahrh.).  In  demselben  Saale  sind  ausser  dem  in 
der  Mitte  aufgestellten,  hoch  hinaufragenden  Gipsabgüsse 
des  „Hochkreuzes  aus  dem  Kreuzgaaghofe  zu  Xanten“, 
die  berühmten  dreitheiligen  Schnitz  - Altarschreine,  der 
Johannes- Altar  und  der  Altar  der  hl.  Cnspinus  und 
Crispinianus  aus  Calcar  im  Original  (!)  aufgestellt.  Es 
sind  Werke,  die  bis  dahin  vielleicht  nie  das  Innere  der 
Kirche  verlassen  hatten,  sondern  von  den  Reisenden  etwas 
abseits  vom  Wege  und  nicht  ohne  Mühe  aufgesucht  wer- 
den mussten.  Die  deutsche  Renaissance  des  16.  Jahrh. 
zeigt  sich  in  den  ebenfalls  in  Gips  hier  ausgestellten  um- 
fangreichen Grabmälern  des  Kurfürsten  Johannes  von 
Metzenhausen  aus  Wasserliesch  b.  Trier  und  des  Kur- 
fürsten Richard  von  Greiff enklau;  flandrisch  (um 
1500)  das  figurenreiche  Relief  mit  der  Kreuzschleppung 
aus  St.  Ursula  in  Köln  a.  Rh.  — 

(Schluss  folgt.) 

No.  80. 


ERLINERNEUBAUTEN  N9-102.  DIE 
UMWANDLUNG  UND  DIE  NEUBAUTEN 
DES  ZOOLOGISCHEN  GARTENS  * NEUES 
THOR-,  WOHN-  UND  STALLGEBÄUDE  * 
ARCHIT.:  FRITZ  GOTTLOB  IN  BERLIN 
^DEUTSCHE  BAUZEITUNG^ 
♦ XXXVr.  JAHRGANG  1902  - NO.  80.  * 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  8i.  Berlin,  den  8.  Oktober  1902. 


Der  Rathhaus-Neubau  der  Stadt  Hilden. 

Arch.:  Walter  Furthmann  in  Hilden. 

(Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  518  und  319.) 

btejlm  18.  Dezember  1900  wurde  zu  Hilden, 
|K^8!  Rgb.  Düsseldorf,  das  neue  Rathhaus  seiner 

Bestimmungübergeben.  Schon  Jahre  hin- 
durch hatten  sich  die  Räume  des  alten  Rath- 
hauses als  unzureichend  erwiesen  und  dieser 
Zustand  machte  sich  mit  der  fortschreitenden 
Entwicklung  der  Stadt  immer  mehr  fühlbar. 
So  beschlossen  die  Stadtverordneten  in  der 
Sitzung  vom  9.  Juni  1899  nach  eingehender 
Berathung  den  Bau  eines  neuen  Rathhauses 
nach  den  Entwürfen  des  Hm.  Arch.  Walter 
Furthmann.  Gleichzeitig  wurde  zur  Aus- 
führung eine  Summe  bis  zu  130000  M.  bewilligt. 

Der  Bau  hat  den  Chargier  eines  einge- 
bauten Hauses;  der  Grundriss  ist  den  örtlichen 
Verhältnissen  angepasst.  Im  Untergeschoss 
befinden  sich  die  Wohnung  des  Hausmeisters, 
ein  Raum  für  das  Gas-  und  Wasserwerk,  so- 
wie Räume  für  die  Nachtwache  und  die  Zen- 
tralheizung. 

Im  Erdgeschoss  liegen  die  Stadt-  und  Spar- 
kasse, das  Meldeamt  und  das  Polizeibüreau, 
ferner  Bauamt,  Steueramt  und  Krankenkasse. 
Das  I.  Obergeschoss  nimmt  den  80  grossen 
Sitzungssaal,  daran  anschliessend  das  Be- 
rathungszimmer  und  das  Amtszimmer  des 
Bürgermeisters,  sowie  die  nach  dem  Hofe  hin 
liegenden  Räume  bestehend  aus:  Standesamt, 
Stadtsekretariat,  Gerichtsschreiberei  und  Kom- 
missionszimmer in  sich  auf.  Im  II.  Oberge- 
schoss ist  die  Wohnung  des  Bürgermeisters 
vorgesehen,  welche  durch  ein  besonderes 
Treppenhaus  zugänglich  ist. 

DieStrassenfassade  ist  theils  in  Lauterthaler 
Sandstein,  theilweise  in  Tuffstein,  ausgeführt, 
die  Hof-  und  Seitenfronten  sind  geputzt.  Das 
Innere  des  Baues  hat  eine  einfache,  gediegene 
Ausführung  erhalten,  nur  ist  auf  die  Ausbil- 
dung des  Sitzungssames,  des  Berathungs-  und 
des  Amtszimmers  des  Bürgermeisters  ein 
grösserer  Werth  gelegt  worden.  — 


Von  der  Industrie-  u.  Kunstausstellung 
in  Düsseldorf  1902.  (Schluss.) 

Vn.  Die  „Kunsthistorische  Ausstellung“. 

(Schluss.) 

|Hrrä|n  der  Innenseite  des  Durchganges  zum 
ersten  Oberlichtsaal  erscheint  das  6,5  “ 
hohe,  5,2  “ breite  spätromanische  Süd- 
portal  von  der  Nikolai kirche  in  Obermars- 
berg i,  Westf.  Hoher,  reich  gegliederter  Sockel, 
die  abgetreppten  Laibungen  mit  je  3 Säulen 
und  2 Kanten  mit  reichen  Ornamentstreifen, 
die  sich  in  den  Archivolten  des  stumpfen 
Spitzbogenfeldes  fortsetzen.  Die  Thüröffnung 
mit  flachem  Kleeblattbogen,  darüber  in  dem 
Bogenfeld  in  kleeblattförmigem  Rahmen  die 
kleine  Sitzfigur  eines  Bischofs.  Gegenüber, 
in  malerischer  Perspektive  die  Trennung  die- 
ses von  dem  benachbarten  Oberlichtsaal  be- 
wirkend, sieht  man  die  Abschlusswand 
der  Allerseelenkapelle  aus  dem  Mün- 
ster zu  Aachen,  in  7 Kleeblattbogen  sich 
öffnend,  die  mittlere  Oeffnung  als  Thür  aus- 
gebildet und  abschliessend  mit  dem  Klee- 
blattbogenfries, 9,92“  lang,  3,66“  hoch.  Die 
Füllungen  und  Säulenschäfte  dunkler  schiefer- 
farbener  Kalkstein,  die  Ornamente  in  gelb- 
lichem hellem  Kalkstein  (Ende  des  12.  Jahrh.). 

Der  Zeitstellung  nach  wären  hier  zunächst  zu  nennen  die 
in  demselben  Saal  befindlichen  Reliefs  der  Chorschran- 
ken im  Dom  zu  Trier,  die  Tympana  vom  Nordportal 
der  Cäcilienkirche  zu  Köln  und  vom  Nordportal  der 
Patroklikirche  zu  Soest,  während  einer  noch  etwas 
früheren  Zeit  (der  Mitte  des  12.  Jahrh.)  die  4 Platten  mit 
reich  polychromirten  Reliefs  unter  rundbogigen  Arkaden 
aus  der  katholischen  Pfarrkirche  zu  Gustorff  angehören. 
Das  höchst  interessante  halbkreisförmige  Tympanon  von 


der  Höhenkirche  zu  Soest,  mit  seinen  Reliefgruppen 
der  Kreuzigung,  der  Geburt  Christi  und  den  schlafenden 
Kriegern  und  Frauen  am  Grabe,  inmitten  eines  Vierpass- 
rahmens (Mitte  des  13.  Jahrh.),  ist  ebenfalls  als  Gipsabguss 
hier  angeordnet.  Man  hat  hier  wie  im  folgenden  Saal 
eine  sehr  übersichtliche  Anordnung  dadurch  geschaffen, 
dass  man  die  im  Original  vorhandenen  zahlreichen  Leih- 
gaben an  kostbarem  Altargeräth  usw.  von  mehreren  Kir- 
chen einer  Stadt,  eines  Bisthums,  anderenfalls  auch  die 


517 


Vermischtes. 

Das  Müller’sche  Volksbad  in  München.  In  No.  72  ist 
in  dem  Artikel  über  das  Müller'sche  Voiksbad  überein- 
stimmend mit  den  uns  zugegangenen  Nachrichten  gesagt, 
dass  die  Eisenkonstruktion  vom  Eisenwerk  München  ausge- 
führt wurde.  Hlerzuist  aber  zu  berichtigen,  dass  die  gesamm- 
ten  Eisenkonstruktionen  von  der  Firma  F.S.  Kustermann 
in  München  zur  Ausführung  gelangten,  bis  auf  einige  Träger- 
und Ständerlieferungen  für  denThurm,  welche  die  damalige 
Firma  C,  Moradelli  übernommen  hatte.  Das  Eisenwerk 
München  hatte,  wie  uns  bemerkt  wird,  nur  einige  un- 
wesentliche Kleineisenlieferungen  übernommen.  — 

Zum  Bau  des  Simplontunnels.  In  meinem  aus  dem 
Ende  des  Jahres  1901  stammenden  Aufsatze  über  die 
Arbeiten  am  Simplontunnel  (vergl.  No.  52  ff.)  hatte  ich  bei 
Besprechung  der  Aussichten  über  die  Möglichkeit  der  Ein- 
haltung der  auf  den  ii.  Mai  1904  vertragsmässig  festgesetzten 
Vollendungsfrist  S.  418  berechnet,  dass  die  Einhaltung 
dieses  Termines  voraussichtlich  möglich  sein  werde,  wenn 
unter  der  Annahme  eines  beiderseitigen  täglichen  Fort- 
schrittes des  Richtstollens  von  6,3  der  regelmässige 
Vortrieb  mittels  Bohrmaschinen  auf  der  Südseite  Ende 
Februar  1902  wieder  aufgenommen  werden  würde.  Diese 
Voraussetzung  ist  bekanntlich  leider  nicht  eingetroffen; 
der  Wiederbeginn  der  regelmässigen  Arbeiten  im  Richt- 
stollen bei  Iselle  hat  sich  vielmehr  bis  zum  20.  Mai  d.  J. 
verzögert,  zu  welcher  Zeit  der  Stollenort,  unter  Ueber- 
windung  grosser  Schwierigkeiten,  bis  zur  Station  15262“ 
theils  mit  Hand,  theils  mit  Maschinen- 
bohrung vorgetrieben  war.  Zurzeit  des 
grossen  Wassereinbruches  am  30.  Sept. 

1901  hatte  der  Stollenort  bei  Station 
15344“  gestanden,  so  dass  also  in  etwa 
7,5  Monaten  nur  82,4“  Stollen  aufge- 
fahren waren. 

Die  monatlichen  Fortschritte  im 
Jahre  1902  haben  im  übrigen  betragen: 

Nordseite; 

Januar 

Februar  169,2 
März  190,0 

April  125,8 

Mai  200,7 

Juni  188,0 

Juli  157,0 

Südseite: 

20.— 31.  Mai  70,0  “ oder  6,4  “ für  i Tag, 

Juni  239,0  „ 8,0  „ I „ 

Juli  218,3  II  II  I )i 

Im  Gesammt-Durchschnitt  sind  da- 
nach auf  der  Nordseite  vom  i.  Jan.  bis 
I.  August  19025,84“  für  den  Tag,  und 
auf  der  Südseite  vom  20.  Mai  bis  i.  Aug. 

7,3“  für  den  Tag  aufgefahren.  In  den 
Monaten  Juni  und  Juli  hat  sich  an  beiden 
Tunnelseiten  zusammen  ein  täghcher 
Fortschritt  von  13,1  “ ergeben. 


Soll  der  Durchschlag  des  Richtstollens  am  i.  Jan.  1904 
erfolgen,  welcher  Termin  wohl  nicht  überschritten  werden 
darf,  wenn  der  fertige  Tunnel  am  ii.  Mai  abgeliefert  wer- 
den soll,  so  sind  für  die  am  i.  August  d.  J.  noch  aufzu- 
fahrenden 7161  “ noch  518  Tage  zur  Verfügung.  Es  müssten 
also. im  Gesammt-Durchschnitt  13,8“  für  den  Tag  aufge- 
fahren werden,  während  thatsächlich  in  den  Monaten  Juni 
und  Juli  13,1  “ aufgefahren  sind. 

Die  Ursache  für  die  Abnahme  der  Tages-Fortschritte 
an  der  Nordseite  wird,  abgesehen  von  der  zunehmenden 
Härte  des  daselbst  jetzt  anstehenden  Gebirges,  vermuthlich 
in  der  erheblich  gesteigerten  Gesteins-Temperatur,  welche 
sich  bis  zu  53  gehoben  hat,  zu  suchen  sein.  Man  hat 
jetzt  aber  eine  ausgezeichnet  wirkende  Einrichtung  zur 
Abkühlung  der  Luft  an  den  Arbeitsstellen  durch  Einspritzen 
kalten  Wassers  eingeführt,  durch  welche  es  gelungen  ist, 
die  Lufttemperatur  an  der  Arbeitsstelle  auf  23  ° C.  herab- 
zumindern. 

Wenn  demnach  auch  die  Hoffnung  auf  eine  Einhaltung 
des  gewährleisteten  Termin  es  kaum  noch  aufrecht  erhalten 
werden  kann,  so  geht  doch  aus  den  voraufgeführten  Zahlen 
hervor,  dass  eine  erhebliche  Ueberschreitung  der  Vollen- 
dungsfrist nicht  zu  erwarten  sein  wird,  wenn  nicht  noch- 
mals unvorhergesehene  Hindernisse  eintreten.  — 

H.  Himmelheber. 

Die  Vorträge  des  Kunstgewerbe-Museums  in  Berlin, 
zu  denen  der  Zutritt  unentgeltlich  ist,  werden  in  diesem 
Winter  von  Oktober  bis  einschl.  Dezember  behandeln; 
„Das  Bild  als  Raumschmuck  in  Renaissance  und 


geschlossenen  Domschätze  und  das  vereinigte  Besitzthum 
eines  staatlichen  oder  städtischen  Museums  in  je  einen 
oder  mehrere  Glasschränke  zusammenordnete,  die  in  zwei 
Reihen  in  der  Längsrichtung  des  Saales  freistehend  und 
als  Wand-  oder  Pultschränke  seitlich  aufgestellt  sind  (also 
von  allen  Seiten  zugänglich).  Der  Besucher  kann  sich 
also  leicht  orientiren  und  gelangt,  wenn  er  einen  bestimm- 
ten Gegenstand  sucht,  schnell  an  den  rechten  Ort.  So 
finden  wir  im  Saal  II  in  zwei  Glasschränken  das  Mess- 
geräth  der  Kölner  Kirchen,  die  Schränke  mit  den  Sachen 
Vom  Niederrhein  (Calcar  und  Xanten,  Emmerich 
und  Hochelten),  den  Glasschrank  mit  den  Kostbarkeiten 
aus  Düsseldorf  er  Kirchen,  den  Domschatz  zu  Osnabrück, 
den  überaus  kostbaren  Stiftsschatz  zu  Aschaffenburg, 
den  Domschatz  zu  Fritzlar,  die  reichen  Schätze  aus  Sieg- 
burg und  anderen  Orten  — also  hier  vornehmlich  rhei- 
nische Kirchenschätze,  wohingegen  der  nebenangelegene 
Oberlichtsaal  III  westfälische  Alterthümer,  so  die 
vereinigten  Geräthe  der  Kirchen  in  Soest,  den  Dora- 
schatz m Münster,  die  Sammlungen  des  bischöflichen 
Museums  daselbst,  den  Domschatz  von  Paderborn 
usw.  birgt. 

Prächtig  schliesst  dieser  dritte  Saal  in  dem  auf  der 
Südseite  vollständig  hineingebauten  „Paradies  der  Dom- 
kirche zu  Münster“  ab,  in  einer  Breite  von  15,2“,  einer 
Höhe  von  7,25  “ und  in  einer  Tiefe  von  1,3  Ursprünglich 
eine  romanische,  dreijochige,  kreuzgewölbte  Anlage,  ist 
diese  mächtige  Vorhalle  am  Südportal  mit  ihrem  reichen 


Schmuck  überlebensgrosser  Standfiguren  in  spätgothischer 
Zeit  (um  1530)  verändert  und  in  den  Thürgewänden  wie 
am  Mittelpfeiler  zu  den  früheren  mit  spätgothischen  und 
Renaissance-Reliefs  (Ornamente,  Maasswerk,  menschliche, 
thierische  und  Phantasie-Figuren)  versehen  worden.  Am 
Mittelpfeiler,  auf  elegantem  spätgothischem  Säulchen  usw. 
steht  die  Figur  des  Apostels  Paulus,  in  eigenartiger  archai- 
sirender  Gewandung,  darüber  der  thronende  Christus,  beide 
noch  aus  romanischer  Zeit  (um  1240).  Seitlich  des  Ein- 
ganges, zwischen  frühgothischen  Säulen,  welche  Aufsätze 
in  der  Form  niederrheinischer  Choranlagen  — sog.  Drci- 
conchenchöre  — tragen,  stehen  neun  weitere  überlebens- 
grosse Apostelfiguren,  je  von  einem  Baldachin  inform  von 
Westansichten  solcher  Kirchen  begleitet,  und  in  denSchmal- 
seiten  der  Halle  stehen  unter  Bogenstellungen  je  zwei 
Figuren  aus  etwas  späterer  Zeit,  links  ein  Ritter  und  die 
hl.  Magdalena  mit  Stifterin,  rechts  der  hl.  Laurentius  mit 
Stifter  und  mit  einem  Bischof.  In  das  üppige  Rankenwerk, 
das  als  ornamentales  Band  unter  den  Sockeln  der  Stand- 
bilder sich  hinzieht,  sind  Darstellungen  der  Monatsarbeiten, 
einer  Jagd,  einer  Gruppe  von  Bauhandwerkern,  einer 
anderen  von  Musikanten,  die  Figur  des  Architekten  (mit 
Winkel  und  Reisschiene)  usw.  eingeflochten.  Diese  späte- 
ren Reliefs  erhielten  noch  im  16.  Jahrh.  weitere  Zuthaten. 

Die  Halle  bildet  hier  den  Hintergrund  und  Aufstellungs- 
raum für  die  in  Gips-  gegossenen  Hochgräber  der  hl. 
Plectrudis  aus  dem  la.  Jahrh.  in  St.  Maria  im  Capitol 
zu  Köln,  der  hl.  Gertrud  (Tochter  der  hl.  Elisabeth) 


518 


No.  81. 


Neuzeit“  von  Dr.  Max  Creutz  (lo  Vorträge,  beginnend 
am  13.  Okt.):  „das  gothische  Zimmer“  von  Prof.  Dr. 
Alfr.  Gotth.  Meyer  (8  Vorträge  beg.  am  16.  Okt.);  „das 
Beleuchtungsgeräth“  von  Dr.  Ad.  Brüning  (8  Vor- 
träge beg.  am  17.  Okt.).  — 


Zeichnungen  und  ansprechenden  Mustern  eine  grosse  Aus- 
wahl von  Entwürfen  zu  Treppen  und  ihren  Geländern, 
Brüstungs-Geländern,  Einfriedigungen  und  Thoren,  Unter- 
fahrten, Pavillons  usw.,  und  wird  daher  Manchem  will- 
kommen sein.  — 


Ein  Musterbuch  für  Treppen  und  Gitter  aller  Art  ln 
moderner  Formensprache  veröffentlicht  die  Firma  Herrmann  Preisbewerbungen. 

Fritzsche  in  Dresden,  die  sich  mit  dem  Bau  eiserner  Der  Wettbewerb  um  den  Grossen  Staatspreis  auf  dem 
Treppen,  Kunslschmiede-Arbeiten  und  modernen  Eisen-  Gebiete  der  Architektur  für  das  Jahr  1903  wird  von  der 
bauten  aller  Art  befasst.  Das  Buch  enthält  in  guten,  klaren  kgl.  Akademie  der  Künste  in  Berlin  in  der  üblichen  Form 

wie  jedes  3.  Jahr  eröffnet.  Zuge- 
lassen sind  Preussen,  die  das  32. 
Lebensjahr  z,  Zt.  der  Bewerbung 
noch  nicht  überschritten  haben, 
mit  allen  Arten  selbständig  durch- 
geführter Entwürfe  von  grösseren 
Bauten,  aus  denen  ein  sicherer 
Schluss  auf  die  künstlerische  und 
praktische  Befähigung  des  Bewer- 
bers gezogen  werden  kann.  Per- 
spektiven sind  obligatorisch. 
Zulässig  sind  auch  durch  Grund- 
risse und  Schnitte  erläuterte  Pho- 
togramme solcher  Gebäude.  Der 
Preis  besteht  in  einem  Stipendium 
von  3300  M.  (einschl.  Reisekosten- 
Entschädigung)  zu  einer  einjähri- 
gen Studienreise  nach  frei  zu 
wählendemPlane,  bezüglich  deren 
Ziel  nur  vorgeschrieben  ist,  dass 
auch  Italien  besucht  werden  muss, 
falls  es  der  Bewerber  noch  nicht 
kennt.  Bewerbungen  sind  bis  zum 
21.  Febr.  1903  bei  den  Kunstaka- 
demien zu  Berlin , Düsseldorf, 
Kassel  und  Königsberg  oder 
dem  Riedel’schen  Kunstinstitut 
zu  Frankfurt  a.  M.  einzureichen. 
Die  Entscheidung  wird  im  März 
1903  gefällt.  Näheres  durch  das 
Bureau  der  k§I.  Akademie  der 
Künste  in  Berlin.  — 

Ein  Wettbewerb  betr.  Entwürfe 
für  elnKalserln  Elisabeth-Denkmal 
ln  Wien  wird  für  Künstler  öster- 
reichischerStaatsbÜrgerschaftzum 
I.  März  1903  erlassen.  Fürdasim 
Volksgarten,  im  Zuge  der  Löwel- 
strasse,  zur  Errichtung  gelangen- 
de Denkmal  stehen  insgesammt 
200  000  Kronen  zur  Verfügung. 
Das  Denkmal  ist  in  Marmor  für 
die  Figur,  im  übrigen  in  wetter- 
beständigemSteinmaterial  oder  in 
Bronce  zu  planen.  Es  gelangen 
6 Preise  von  10000,  8000,  6000, 
4000,  2000  und  1000  Kr.  zur  Ver- 
theilung.  Die  Jury  setzt  sich  aus 
den  noch  nicht  genannten  Ver- 


Der  Rathhaus-Neubau  der  Stadt  Hilden.  Sitzuogssaal.— Arch.:  Walter  Furthmann  in  Hüden. 


aus  der  Klosterkirche  zu  Altenberg  a.  d.  L.  (1334), 
des  Stifters  vom  Prämonstratenser- Kloster  in  Kappen- 
berg, Graf  Gottfried  (am  Ende  des  14.  Jahrh.)  und  des 
Stifters,  Gaugrafen  Konrad  Kuzibold  aus  der  Dorakirche 
zu  Limburg  a.  d.  L.,  sowie  der  im  Original  hierherge- 
brachten vier  grossen  Adlerpulte  in  Gelbguss  oder  in 
Bronze  aus  der  evangelischen  Marienkirche  zu  Dort 
mund  (15.  Jahrh.),  aus  der  ev.  Reinoldikirche  ebendas. 
(15.  bis  16.  Jahrh.),  aus  der  kath.  Pfarrkirche  zu  Marienfeld 
(Anf.  des  16.  Jahrh.)  und  aus  der  kath.  Pfarrkirche  zu 
Erkelenz  (15.  Jahrh.).  Der  fünfarmige  Leuchter  aus  St. 
Cunibert  in  Köln  hat  hier  ebenfalls  seinen  Platz  gefunden. 
Es  ist  nicht  möglich,  all’  die  vielen  verschieden  geformten, 
als  Büsten-,  Arm-,  Taschen-,  Tafel-,  Horn-  usw.  Reliquiare 
erscheinenden  Reliquien-Behälter,  die  Ciborien,  Osten- 
sorien,  Pectorale,  Aquamanile,  Monstranzen,  Vortrage- 
Kreuze,  Bischofsstäbe,  Kelche  und  Taufschalen  usw.,  wenn 
auch  in  grössere  Gruppen  gefasst,  hier  aufzuzählen;  ohne 
Zweifel  sind  auch  manche  Gegenstände  darunter,  die  nicht 
nur  das  Interesse  der  Archäologen  und  der  kirchlichen 
Kreise  erregen,  sondern  — wie  z.  B.  die  sog.  Taufschale 
Wittekinds  (17,5cm  breit,  13,5cm  tief)  aus  dem  kgl.  Kunst- 
gewerbe-Museum zu  Berlin,  das  Brettspiel  aus  Jaspis  und 
Bergkrystallen  aus  dem  Stiftsschatze  zu  Aschaffenburg 
— eine  allgemeine  Aufmerksamkeit  beanspruchen.  Die 
in  Silber  getriebenen,  reich  mit  Steinen  besetzten  oder 
auch  vergoldeten  sitzenden  Statuen  der  thronenden  Mutter- 
gottes und  des  hl.  Petrus  aus  dem  Domschatze  zu  Osna- 


brück, je  50cm  hoch,  oder  die  ungefähr  je  80cm  hohen, 
.37  cm  breiten  silbervergoldeten  und  reich  mit  Steinen  und 
Perlen  besetzten  Reliquienbüsten  aus  Aschaffen- 
burg erwecken  durch  ihre  Pracht  und  Grösse  die  staunende 
Bewunderung  auch  der  ungebildeten  Besucher,  wie  denn 
Jeder  in  dieser  Umgebung  von  Kostbarkeiten  unwillkürlich 
den  Eindruck  empfängt,  dass  in  früheren  Jahrhunderten 
das  beste  MaterlM  und  die  (für  die  damaligen  Begriffe) 
sorgfältigste  Arbeit  gerade  gut  genug  w'aren,  um  den  Auf- 
gaben des  kirchlichen  Kultus  zu  dienen.  Die  beiden  zu- 
letzt beschriebenen  Säle  werden  auf  der  östlichen  Seite 
noch  von  einem  schmalen  gangartigen  Nebenraume  be- 
gleitet, in  dem  die  Ausstellung  der  Kirchenschätze  ihre 
Fortsetzung  findet.  Hier  begegnet  man  den  in  hohen 
Wandglasschränken  und  kleineren  Pultglasschränken  vor- 
geführten Prachtstoffen,  Messgewändern  und  Stickereien, 
worunter  besonders  ein  sassanidischer  Seidenstoff 
vom  7.  jahrh.  aus  der  Cunibertskirche  in  Köln,  ein 
byzantinischer  Seidenstoff  (v.  J.  925)  aus  der  Pfarr- 
kirche zu  Siegburg  und  ein  arabischer  Seidenstoff 
vom  II.  Jahrh.  aus  der  Gereonskirche  zu  Köln  als  her- 
vorragend bezeichnet  werden  dürfen. 

Auf  der  westlichen  Seite  standen  der  ganze  untere 
und  obere  Korridor  in  der  nördlichen  Hälfte  des  Kunst- 
palastes für  die  Ausstellung  kunstgewerblicher  bezw.  kirch- 
licher Alterthümer  aus  Privatbesitz  zur  Verfügung. 
Auch  hier  ergab  sich,  indem  man  die  einzelnen,  zumtheü 
auf  verschiedene  Gebiete  sich  erstreckenden  Sammlungen 


8.  Oktober  1902. 


519 


tretern  der  einzelnen  Kunst-Körperschaften  des  Landes 
zusammen,  lieber  die  Ausführung  des  Denkmales  sind 
weitere  Entscheidungen  Vorbehalten.  — 

Engerer  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Brahms- 
Denkmal  in  Wien.  Zur  Erlangung  eines  geeigneten  Ent- 
wurfes für  ein  Brahms-Denkmal  in  Wien,  für  welches 
90  000  Kronen  zur  Verfügung  stehen,  waren  die  Bildhauer 
Joh.  Benk,  Karl  Kundmann,  Rud.  Weyr  und  Max 
Klinger  zu  einem  engeren  Wettbewerb  aufgefordert,  bei 
dessen  Entscheidung  die  Entwürfe  von  Klinger  und  Kund- 
mann wegen  Nichterfüllung  der  vorgeschriebenen  Be- 
dingungen ausgeschieden  werden  mussten.  Zur  Ausführung 
empfoMen  wurde  der  Entwurf  von  Rud.  Weyr.  — 

Wettbewerb  Krematorium  Bremen.  Unter  78  Entwürfen 
errang  den  I.  Preis  von  1000  M.  der  Entwurf  „Toteninsel“ 
des  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Karl  Winter  in  Ravensburg;  den 
II.  Preis  von  500  M.  der  Entwurf  „Halbinsel“  des  Hrn. 
Reg.-Bmstr.  Kurt  Gabriel  in  Düsseldorf;  den  III.  Preis 
von  300  M.  der  Entwurf  „Rasch“  der  Hrn.  L.  Bueche 
& A.  Wünsche  in  Dresden.  3 Entwürfe  wurden  ein- 
stimmig zum  Ankauf  empfohlen,  ii  Entwürfe  gelangten 
zur  engsten  Wahl.  Der  Verein  für  Feuerbestattung  hat 
die  zum  Ankauf  empfohlenen  Entwürfe  angekauft.  Als 
Verfasser  derselben  ergaben  sich  für  „Finale“  Hr.  Jul. 
Beeckmann  in  München;  für  „Stille  Wasser“  die  Hrn. 
Herrn.  Schaedtler  und  Karl  Müller  in  Hannover;  für 
„Pluto“  Hr.  J.  P.  Rippe  in  Hannover.  Sämmtliche  Ent- 
würfe sind  vom  2.  bis  15.  Oktober  in  der  Kunsthalle  in 
Bremen  öffentlich  ausgestellt.  — 

Wettbewerb  Kollegiengebäude  der  Universität  Freiburg- 
i.  B.  (In  Ergänzung  unserer  Mittheilung  in  No.  80.)  Das 
grossh.  badische  Ministerium  des  Kultus  und  Unterrichtes 
hat  beschlossen,  die  vom  Preisgericht  zum  Ankauf  em- 
pfohlenen 4 Entwürfe  zu  erwerben.  Verfasser  sind  die 
Hrn.  Architekten:  Paul  Thiersch  in  München,  Kennwort 
„Faust“;  Curjel  & Moser  in  Karlsruhe,  Kennwort 
„Alt-Freiburg“;  Rust  & Müller  in  Leipzig,  Kennwort 
„Löwenplatz“  und  Alexander  & Paul  Höhrath  in 
München,  Kennwort  „Würde“.  — 

Die  Preisvertheilung  für  Deutschland  'auf  der  I.  inter- 
nationalen Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  In 
Turin  190a.  Das  Preisgericht  war  vom  i.  bis  15.  Sept.  in 
Thätigkeit.  Es  setzte  sich  zusammen  aus  den  Hrn.  Walter 
Crane  (London)  als  Ehrenpräsident,  Albert  Besnard 
(Paris)  als  geschäftsführenden  Präsidenten,  Hofrath  von 
Radisics  (Ungarn)  als  Vizepräsidenten,  Architekt  Albert 
Hofmann  (Berlin)  als  deutschem  und  Kunsthistoriker 
Fierens  Ge  vaert  (Belgien)  als  französischem  Schriftführer, 
sowie  aus  Direktor  Giovanni  Tesorone  (Neapel)  als  Ge- 
neralberichterstatter. . Im  übrigen  gehörten  dem  Preis- 
gerichte noch  an  die  Hrn.  Bildhauer  Prof.  Karl  Gross 
(Dresden),  Brth.  Ludw.  Baumann  (Wien),  Bildhauer  David 
Calandra  (Turin)  für  Italien,  Kunsthistoriker  Alfr.  Melani 
(Mailand)  für  Schottland,  Dr.Folker  (Stockholm)  fürSchwe- 
den,  Dir.  E.  von  Saher  (Haarlem)  für  die  Niederlande  und 
Graf  Toesca  di  Castellazzo  (Turin)  für  die  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika. 

Das  Ergebniss  für  Deutschland  ist  ein  glänzendes ; es 
erhielt  ausser  dem  höchsten  Geldpreis  von  8000  Frcs.  für 


die  beste  Folge  von  3 Luxuszimmern, . der  an  Prof.  J.  M. 
Olbrich  in  Darmstadt  fiel,  noch  2 weitere  Geldpreise  von 
je  1500  Frcs,,  von  welchen  der  eine  dem  Luxuszimmer  von 
Prof.Pet.  Behrens  inDarmstadt,  der  andere  dem  einfachen 
Zimmer  von  Bernh.  Goebel  in  Freiberg  i.  S.  zugesprochen 
wurde.  . Es  gelangten  ausserdem  nur  noch  3 Geldpreise, 
einer  von  4000  und  2 von  1500  ‘Frcs.  zur  Vertheilung. 
Der  erstere  fiel  an  Italien,  der  eine  der  letzteren  an  Oester- 
reich, der  andere  an  Belgien.  Die  höchste  Auszeichnung, 
das  Ehrendiplom,  erhielten  unter  den  Betheiligien  der 
Gruppe  Deutschland:  P.  Behrens,  Prof,  Darmstadt; 
H.  E.  V.  Berlepsch-Valendas,  München;  Hermann 
ßilling,  Karlsruhe;  Deutscher  Buchgewerbeverein,:. 
Leipzig;  Mart.  Dülfer,  Prof.,  München;  Otto  Gussmann,; 
Prof.,  Dresden;  Wilh.  Kreis,  Prof.,  Dresden;  Karlsruher 
Künstlerbund,  Karlsruhe;  Jos.  Olbrich,  Prof.,  Darm-i 
Stadt;  Herrn.  Schaper,  Prof.,  Hannover;  Vereinigte 
Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  München  und; 
Stuttgart.  — Die  goldene  Medaille  wurdezuerkannt:  Lud-'; 
wig  Alter,  Darmstadt;  Kurt  Stoeving,  Maler  und  Bildh.,; 
Berlin; Hans  D rin neb  erg, Glasmaler,  Karlsruhe;  Fischen 
& Franke,  Verlagsbuchhandlung,  Berlin;  J.  Glückert,. 
Darmstadt;  Anton  Huber,  Arch.,  Berlin;  „Jugend“-; 
Verlag  (Gg.  Hirth),  München;  Engelbert  Kayser,  Köln;l 
Paul  Kersten,  Buchbinderei,  Erlangen;  Alex.  Koch, 
Verlag,  Darmstadt;  L.  Lichtinger,  München;  Bruno* 
Möhring,  Arch.,  Berlin;  Fritz  Rentzsch,  Maler,  Leipzig;, 
J.  J.  Scharvogel,  München;  J.  E.  Schneckendorfer,- 
München;  Schule  f.  Kunstweberei  Scherrebeck;  K.  A. 
Seifert,  Metallarbeiten, Mügeln  beiDresden;K.M.  Seifert, 
& Co.,  Beleuchtungskörper-Fabrik,  Dresden;  „Simpli-, 
cissimus  “-Verlag,  München;  Villeroy  & Boch,  Dresden.; 
Ausserdem  gelangten  33  silberne  Medaillen  sowie  gegen' 
60  Verdienstdiplome  allein  für  Deutschland  zur  Verthei- 
lung, welches  demnach  an  den  zur  Verfügung  stehenden 
Auszeichnungen  den  weitaus  grössten  Antheil  hat.  — 


Brief-  und  Fragekasten.  ! 

Hrn.  W.  Schl.  In  Düsseldorf.  Hiergegen  giebt  es  leider,! 
da  die  Architektur  bisher  ausdrücklich  vom  Schutze  des  Urheber-* 
rechtes  an  Werken  der  bildenden  Kunst  ausgeschlossen  ist  und: 
im  Urheberrecht  an  Schriftwerken  usw.  nur  die  Nachbildung  bezw.! 
der  Nachdruck  architektonischer  Zeichnungen  geschützt  ist,  z.  Zt.; 
kein  Rechtsmittel.  UnseresWisseus  tragen  übrigens  von  Malern  ange- 
fertigte Perspektiven  öfter  den  Namen  des  Malers,  allein  oder  wenig- 
stens an  hervorragender  Stelle,  sodass  der  Nachweis  böser  Absicht,' 
falls  nicht  andere  Gründe  mitsprechen,  aus  dem  mitgetbeilten  Thatbe- 
stand  allein  noch  nicht  nachzuweisen  wäre.  Als  selbstverständlich  neh-, 
men  wir  an,  dass  die  Perspektive  nicht  in  der  Architektur -Ausstel- 
lung hängt,  sondern  in  irgend  einem  anderen  Theile  der  Ausstellung.! 

Hrn.  J.  R.  in  Mayen.  Wenn  die  Deckenbalken  sich  ohne. 
Stützung  auf  der  Zwischenwand  frei  tragen  würden,  oder  wenn 
sie  durch  einen  besonderen  Unterzug  gestützt  sind,  so  ist  die  Watad 
nur  als  Scheidewand , aber  nicht  als  balkentragendeWand  anzusehen. 
Ihre  Stärke  braucht  also  auch  nicht  der  letzteren  zu  entsprechen. 
Eine  Auslegung  der  Baupolizei-Verordnung  im  anderen  Sinne  würde, 
ja  überhaupt  die  Ausführung  dünner  Theilungswände  ausschliessen.  — 

Inhalt:  Der  Rathhaus-Neubau  der  Stadt  Hilden.  — Von  der  Jndustrie- 
und  Kunstausstellung  in  Düsseldorf  igce.  VU.  (Schluss).  — Vermischtes. — 
Preisbewerbungen.  — Brief-  und  Fragekasten.  — 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H,,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Dmck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


in  je  einem  oder  mehreren  W and-,  Stand-  oder  Pultschränken 
unterbrachte,  so  zwar,  dass  innerhalb  jeden  Glasschrankes 
durch  wagrechte  Glasplatten  wieder  verschiedene  Ab- 
theilungen gebildet  wurden,  eine  zweckmässige  Anord- 
nung. Einige  Sammler  ersten  Ranges  haben  auch  die 
mannichfachen  Gegenstände  ihres  Besitzes  ganz  frei,  über- 
sichtlich und  malerisch  in  je  einer  Koje  entfaltet  oder 
eine  Zusammenstellung  geboten,  die  „den  Besitzer  in  der 
Zuspitzung  seiner  künstlerischen  und  kunsthistorischen 
Bestrebungen  erkennen  lassen“  in  einer  Weise,  wie  sie 
zuweilen  von  den  grössten  Museen  nicht  erreicht  wird. 
Auch  die  grosse  Reihe  der  namhaften  Privatsammlungen 
kann  hier  nicht  aufgezählt  werden.  Es  ist  bekannt,  dass 
allein  in  Köln  eine  ansehnliche  Zahl  reicher  Bürger  oder 
kirchlicher  Würdenträger  diesem  vornehmen  Sport  huldigt, 
und  so  finden  wir  in  der  oberen  Gallerie  die  berühmte 
Majolika  - Sammlung  der  Gebrüder  Bourgeois,  die 
Sammlung  altrömischer  Gläser  von  Konsul  Niessen, 
desgl.  die  der  Frau  E.  vom  Rath,  die  Porzellan-Sammlung 
von  Louis  Hagen,  die  rhein.  Siegelsammlung  von  Heinr. 
Schnitzler  usw.  — In  den  7 Kojen  des  unteren  Korri- 
dors aber  folgen  der  Reihe  nach  die  geschlossenen,  meist 
sehr  umfangreichen  Sammlungen  des  Bürgermeisters 
Thewalt,  die  sehr  mannigfaltige  Sammlung  des  Dom- 
kapitulars Dr.  Alexander  Schnütgen  (diese  allein  1545 
Nummern  umfassend  und  auf  alle  Gebiete  der  religiösen 
Kunst  sich  erstreckend),  die  des  Freiherrn  Albert  von 
Oppenheim,  ferner  des  Fürstlich  Hohenzollern- 


schen  Museums  in  Sigmaringen,  in  der  5.  Koje  eine 
Waffensammlung  aus  dem  kgl.  Zeughaus  in  Berlin, 
in  der  6.  die  Sammlung  von  K.  Kramer  in  Kempen 
und  Maler  Clemens  in  München,  in  der  7.  endlich  das  Be- 
sitzthum von  Fürst  Salm-Reifferscheid  auf  Schloss 
Dyk;  daran  anschliessend  dann  noch  manch  kleinere 
Privatsammlungen  aus  Elberfeld,  Cappenberg  (Glas- 
gemälde), vonFürst  Solms-Braunfels,  aus  Darmstadt, 
Erbach,  Goch,  Bonn,  die  des  Grafen  Fürstenberg- 
Stammheim,  aus  Wien,  der  Burg  Rheinstein  (Prinz 
Georg  von  Preussen)  usw.  Andere  kunstgeschicht- 
lich merkwürdige  Stücke,  die  in  den  Sälen  nicht  gut  auf- 
gestellt werden  konnten,  zieren  das  Treppenhaus,  so  z.  B. 
das  in  Eichenholz  geschnitzte,  noch  mit  Resten  der  alten 
Polychromie  versehene  spätromanische  Scheibenkreuz 
(Anfang  13.  Jahrh.,  ursprünglich  wohl  ein  Altaraufsatz) 
aus  Maria  zur  Höhe  in  Soest  und  der  in  Holz  ge- 
schnitzte reich  gegliederte  Lettnerbogen  der  ehemaligen 
Deutschordenskirche  zu  Siersdorf. 

Leider  konnten  diesem  Bericht  wegen  Mangels  an  Raum 
keine  Abbildungen  beigegeben  werden.  Trotzdem  lässt 
sich  erwarten,  dass  auch  hierdurch  dem  schönen  Unter- 
nehmen dankbare  Freunde  gewonnen  werden,  die  neben 
den  Bestrebungen  für  die  moderne  Kunst  Achtung  und 
Verständniss  für  die  Vergangenheit  bewahren  und  gerne 
mithelfen  woUen,  die  Monumentalauffassung  der  Kunst  im 
Volke  zu  pflegen.  — 

Barmen,  im  August  1902.  O.  Vorlaender. 


5SO 


No.  81. 


Stadtbild  von  Luxemburg  mit  dem  Eisenbahn-Viadukt. 


Die  neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  Petrusse  in  Luxemburg. 

Ingenieur:  Prof.  M.  Sejourne  in  Paris.  (Ulnsu  dij  Abbildungen  s.  505.1 


Hit  dem  Schlüsse  des  Jahres  nähert  sich  ein 
Bauwerk  seiner  Vollendung,  das  einen 
weiteren  vorwärts  gerichteten  Schritt  auf 
dem  Gebiete  des  Baues  w'eitgespannter 
massiv  gewölbter  Brücken  bedeutet  und  als 
solches  epochemachend  sein  wird.  Es  ist  dies  die 
neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  Petrusse  in 
Luxemburg,  die  im  Frühjahr  des  nächsten  Jahres  dem 
Verkehr  übergeben  werden  soll.  Mit  84,65”  Licht- 
weite des  unmittelbar  auf  dem  festen  Felsen  aufsetzen- 
den Bogens  (an  der  Sohle  gemessen)  schlägt  sie  alle 
bisherigen  Ausführungen  um  ein  erhebliches  Maass. 
Ausserdem  verdient  die  Eigenart  ihrer  Konstruktion 
besondere  Aufmerksamkeit,  wenn  auch  die  Frage,  ob 
die  gewählte  Anordnung  als  empfehlenswerthes  Bei- 
spiel zu  bezeichnen  ist,  kaum  mit  einem  glatten  Ja 
beantwortet  werden  kann. 

Die  Bedingungen  für  den  Bau  einer  massiv  ge- 
wölbten Brücke  von  grosser  Spannweite  lagen  hier 
ausserordentlich  günstig.  Die  Stadt  Luxemburg  ist 
auf  einem  Plateau  erbaut,  das  von  3 Seiten  von  scharf 
eingeschnittenen,  40 — 50  ” steil  abfallenden  Schluchten 
umzogen  wird,  deren  Wände  zum  Th.  als  nackte  Sand- 
steinfelsen zutage  treten,  während  der  Felsboden  der 
Sohle  nur  in  verhältnissmässig  geringer  Schichtung 
von  lockerem  Boden  überlagert  ist.  Diese  Thäler 
wo-den  durchströmt  von  dem  Flüsschen  Alzette  und 
seinem  Zuflusse  der  Petrusse.  Grosse  Lichthöhe  und 
unwandelbare  Widerlager  bei  geringer  Gründungstiefe 
waren  hier  also  gegeben,  beides  Umstände,  die  zu  dem 
Bau  eines  weitgespanntenSteinbogensanreizenraussten. 
Dazu  kam  ein  ästhetisches  Moment,  die  harmonische 
Einfügung  desBauwerkes  in  das  unvergleichlich  schöne 
Städte-  und  Landschaftsbild,  zu  dem  sich  hier  stattliche 
Gebäude,  die  Reste  der  einst  so  mächtigen  Festungs- 
werke, zu  deren  Schaffung  sich  Natur  und  Kunst  ver- 
einten, schliesslich  die  prächtigen  Parkanlagen,  die 
auf  den  ehemaligen  Festungsglacis  angelegt  worden 
sind,  zusammenschliessen. 


Der  Bau  der  Brücke  ist  einem  dringenden  Ver- 
kehrs-Bedürfnisse entsprungen  und  steht  schon  seit 
1875  auf  der  Tagesordnung,  denn  die  Stadt  befand 
sich  bisher  in  einer  eigenthümlichen  Lage,  die  ihrer 
Entwicklung  und  namentlich  ihrem  Verkehrsleben 
Oberaus  hinderlich  war.  Die  geschilderten  örtlichen 
Verhältnisse  hatten  dazu  geführt,  den  von  Natur  schon 
schwer  zugänglichen  Platz  durch  die  Erbauung  von  aus- 
gedehnten Befestigungsanlagen  zu  einer  Festung  aus- 
zugestalten, die  namentlich  nach  dem  Ausbau  der 
^yerke  durch  Vaubau,  nachdem  Ludwig  XIV.  1684 
die  Stadt  beschossen  und  eingenommen  hatte,  als  einer 
der  festesten  Plätze  Europas  galt,  bis  der  Londoner 
Vertrag  von  1867  die  Schleifung  der  Festungswerke  her- 
beiführte. Strategische  Rücksichten  waren  daher  maass- 
gebend, als  man  1859  die  erste  luxemburgische  Eisen- 
bahn baute,  diese  nicht  in  die  Stadt  hinein,  sondern 
auf  der  anderen  Seite  des  Thaies  herumzuführen  und 
den  Bahnhof  in  etwa  1,5  km  Entfernung  vom  Herzen 
dp  Verkehres  anzulegen.  Nur  eine  8“  breite  Strasse, 
die  auf  350”  langem,  massiv  gewölbtem  Viadukt  das 
Thal  überschreitet,  verbindet  die  Stadt  mit  dem  Bahn- 
hofe.  Unser^  Kopfbild  zeigt  im  Vordergründe  den 
Eisenbahn-Viadukt,  der  in  seiner  Ausbildung  dem 
Strassen-Viadukt  im  wesentlichen  entspricht.  Seine 
Anordnung  bildet  einen  interessanten  Gegensatz  zu 
dem  jetzt  errichteten  kühnen  Bauwerke. 

Diese  Brücke  genügte  dem  Verkehrsbedürfnisse 
schon  längst  nicht  mehr  und  namentlich  fehlte  es  an 
jeder  unmittelbaren  Verbindung  des  sich  entwickeln- 
den neuen  Stadttheiles  auf  dem  Plateau  Bourbon  mit 
der  gegenüber  liegenden  Altstadt.  Zahlreiche  Ent- 
würfe in  Stein  und  Eisen  wurden  aufgestellt,  bis  man 
sich  nach  dem  letzten  generellen  Entwürfe  des  Chef- 
ingenieurs Rodange  des  luxemburgischen  Bauwesens 
für  eine  das  Thal  in  einer  Oeffnung  überspannende 
Steinbrücke  entschied,  deren  Planung  dem  früheren 
Chefingenieur  der  Paris-Lyon-Mittelmehrbahn,  dem 
jetzigen  Professor  an  der  ^cole  des  ponts  et  chaussees 


521 


M.  S^journe,  übertragen  wurde,  da  dieser  durch  seine 
bekannten  Brückenbauten  von  Lavaur,  Castelet 
und  Antoinette  als  der  durch  Kenntniss  und  Er- 
fahrung berufene  Ingenieur  erschien. 

DerStadtplan,S.  523,  lässt  dieLage  der  neuen  Brücke 
in  ihrer  Beziehung  zum  alten  Verkehrswege  und  zur 
Alt-  und  Neustadt  erkennen.  Sie  überschreitet  das  Thal 
der  Petrusse  im  Zuge  der  Hauptverkehrs-Strasse  des 
neuen  Stadttheiles  der  Nouv eile  Avenue  de  la  Gare  in  einer 
Gesammtlänge  von  21 zwischen  den  Endpunkten 
der  Flügelmauem  und  in  einer  Gesammtbreite  von  lö  "! 
zwischen  den  Brüstungen,  wovon  je  3,20“  auf  die 
beiderseitigen  Bürgersteige,  9,60™  auf  den  Fahrdamm 
entfallen,  Der  eigentliche  Thalgrund  wird  mit  einem 
einzigen  Bogen  von  84,65“  Spannweite  zwischen  den 
Fundamentsohlen  bei  31  “ Pfeil  und  72“  zwischen  den 
architektonisch  als  Kämpfer  ausgebildeten  Punkten 
überspannt,  an  den  sich  beiderseits  noch  je  eine  halb- 
kreisförmige Oeffnung  von 
21,60“  Lichtweite  anschliesst. 

Der  Rest  besteht  aus  Schüt- 
tung zwischen  Flügelmauern, 
die  mit  geschwungener  Linien- 
führung im  Grundriss  den  An- 
schluss an  die  Thalwand  ver- 
mitteln. Sparbögen  auf  dem 
grossen  Bogen  und  Längs- 
kapellen über  den  Seitenöff- 
nungen tragen  die  Fahrbahn- 
tafel. Die  besondere  Eigen- 
art der  Brücke  besteht  nun 
darin,  dass  sie  nach  der  Breite 
in  2 völlig  getrennte  Bauwerke 
von  je  5,328  “ oberer  Breite 
und  6“  oberem  Abstand  auf- 
gelöst ist.  Dieser  Zwischen- 
raumwird überdeckt  von  einer 
Betoneisenplatte,  sodass  die 
Fahrbahntafel  von  oben  be- 
trachtet ein  einheitliches  Gan- 
zes bildet.  Durch  diese  Anord- 
nung ist  fast  Vs  der  Material- 
menge erspart  gegenüber 
einer  in  voller  Breite  massiven 
Brücke,  ein  Vorzug,  der  natür- 
lich schwer  ins  Gewicht  fällt, 
da  die  Kostenfrage  nur  zu 
leicht  allein  den  Ausschlag  zu 
Gunsten  desEisens  giebt,  wenn 
die  Bedingungen  für  den  Wett- 
bewerb des  Steins  mit  dem 
Eisen  an  sich  auch  noch  so 
günstig  liegen.  Allerdings  be- 
dingt eine  solche  Anordnung 
auch  technische  Nachtheile, 
auf  die  wir  später  zurück- 
kommen, unter  denen  die  un- 
gleichmässige  Belastung  im 
Inneren  der  beiden  Bögen  je- 
denfalls der  schwerwiegendste 
ist,  und  es  geht  wohl  auch  ein 
Theil  der  kraftvollen,  monumentalen  Wirkung  der  ge- 
schlossenen Steinkonstruktion  durch  eine  derartige 
Auflösung  in  getrennte  Ringe  wieder  verloren. 

Die  Architektur  des  Bauwerkes,  das  durch  seine 
Linienführung  und  die  Grösse  seiner  Abmessungen 
allein  wirkt,  ist  ganz  schlicht  gehalten,  wie  aus 
unserer  Bildbeilage,  die  wir  der  No.  84  beigeben,  her- 
vorgeht, die  das  eigentliche  Bauwerk  schon  fast  voll- 
endet und  in  seiner  Gesammtwirkung  in  der  Um- 
gebung zeigt.  Der  grosse  Bogen  hat  eine  kräftig 
profilirte  Archivolte  erhalten,  während  unter  dem 
Kämpfer  stark  bossirte  Quader  ansetzen.  Auch  die 
Sparbögen  sind  profilirt  und  werden  mit  kapitälartigen 
Theilen  in  die  stützenden  Pfeiler  übergeführt.  Die  Stein- 
flächen der  beiden  Seitenöffnungen  sind  ganz  schlicht 
gehalten,  während  die  beiderseitigen  Pfeiler  in  tief- 
fugiger  Quaderung,  im  Sockel  bossirt,  hervorspringen. 
Die  Flügelmauern  sind  in  Zyklopenmauerwerk  herge- 


stellt. Die  Brüstungen  sind  Über  den  Seitenöffnungen 
geschlossen  und  über  den  grossen  Pfeilerrisaliten  erker- 
artig ausgekragt,  über  der  Mittelöffnung  dagegen,  um 
einen  leichten  Eindruck  zu  machen,  in  Balluster-Stellun- 
gen  aufgelöst.  Als  einziger  bildnerischer  Schmuck 
ist  im  Scheitel  des  grossen  Bogens  eine  Wappen- 
kartouche  herausgemeisselt.  So  wirkt  das  Ganze  ein- 
fach und  gross,  wenn  auch  die  wagrecht  abschliessende 
Zwickelausfüllung  zwischen  dem  Hauptbogen  und  dem 
Landpfeiler  nicht  als  eine  ganz  glückliche  Lösung  an- 
gesehen werden  kann. 

Es  wird  nicht  uninteressant  sein,  ehe  auf  die  Ein- 
zelheiten der  Konstruktion  der  Brücke  eingegangen 
wird,  einen  Vergleich  zu  ziehen  mit  anderen  weitge- 
spannten, massiv  gewölbten  Brücken.  In  der  nach- 
stehenden Tabelle  sind  die  bekannten  Ausführungen 
von  mehr  als  50“  Sp.  W.  zusammen  gestellt. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  geht  hervor,  dass 


die  neue  Brücke  in  Luxemburg  (auch  wenn  man  ihre 
freie  Spannweite  nur  zwischen  den  architektonischen 
Kämpfern  rechnen  wollte,  wozu  aber,  da  man  es  that- 
sächlich  mit  einem  einheitlichen  (jewölbe  bis  zur 
Fundamentsohle  zu  thun  hat,  keine  Veranlassung  vor- 
liegt) alle  bisher  ausgeführten  Bauwerke  um  ein  Er- 
kleckliches an  Spannweite  übertrifft.  Am  nächsten 
kommt  ihr  die  mittelalterliche,  aber  nicht  mehr  vor- 
handene Adda-Brücke  und  der  etwa  aus  der  Mitte 
vorigen  Jahrh.  stammende  Union  Arch  über  die  Cabin 
John-Schlucht  bei  Washington. 

An  Kühnheit  des  Pfeilverhältnisses  und  der 
Scheitelkrümmung  wird  sie  allerdings  von  den  beiden 
zuletzt  genannten  deutschen  Ausführungen  erheblich 
übertroffen. 

Die  Anordnung  des  Bauwerkes  im  Einzelnen  geht 
aus  den  Abbildgn.  1—7  auf  S.  525  deutlich  hervor, 
in  welchen  auch  alle  Hauptmaasse  eingeschrieben 

No.  8a. 


522 


Brücken 

Spannweite 

Pfeilhöhe 

L 

Halbmesser 
im  Scheitel 

Scheitel- 

stürke 

Bauzeit 

Bemerkungen 

^ in  m 

in  m 

in  m 

Neue  Brücke  in  Luxemburg 

84.65 

31,0 

1 a,73 

53,1 

144 

1901 -1903 

StrassenbrQcke 

(7a/») 

(16,3) 

^ 4,44 

- 

- 

- 

(zwischen  den  sichtbaren 
KAmpfem) 

Brücke  Uber  die  Adda  bei  Trezzo  (Itaiien) 
Cabio  John*BrOcke  bei  Washington  (Nord- 

7a« 

ao,70 

3.5 

- 

- 

1370-1377 

Strassenbrfleke 
1416  im  Kriege  zerstört 

Amerika) 

67,10 

18,60 

3.6t 

43,  t 

t>3t 

- 

AquAdukt 

Pruth-Brücke  bei  Jaremcze  (Galizien) 

65.00 

»7,5 

3.7t 

- 

2,tO 

1894 

EisenbahnbrUcke 

Gour  Noir*BrQcke  (Frankreich)  .... 

6t, 9 

t6,t 

4,03 

36,0 

1,70 

1^8—1889 

EisenbahnbrUcke 

Gutach-Brflcke  bei  Kappel  (Deutschland) 

64,0 

t6,o 

- 

3.0 

1990—1901 

Eisenbahnbrücke 

Prinz-Regenten-Brflckc  (München)  , . 

63,0 

- 

- 

1,0 

1900—1903 

StrassenbrOcke 
mit  3 Gelenken 

Brücke  von  Lavaur  über  den  Agoüt 
(Frankreich) 

6r,S 

27,9 

3t  ,a 

1,65 

1883-18B4 

Eisenbahnbrücke 
(Ing.  Sejourni) 

Dee-Brücke  bei  Chester  (England)  . . 

61,0 

»7,2 

43,7 

..... 

- 

Strassenbrücke 

Hannibal-BrOcke  (Frankreich)  .... 

55.0 

14,0 

3-93 

- 

1,80 

- 

- 

Drac-Brücke  bei  Claix  (Frankreich)  . . 
Brücke  Ober  die  Marne  bei  Nogent 

5a.o 

8,0 

6,5 

- 

>,5° 

- 

Strassenbrücke 

(h  rankreich) 

50,0 

35,0 

35.0 

t,8o 

1854-1856 

Eisenbahnbrücke 

Antoinette -Brücke  über  den  Agoüt 
(Frankreich) 

50,0 

>7.3 

3>.o 

1.50 

1882—1884 

Eisenbahnbrttcke 
(Ing.  Sejoumö) 

Donau  - Brücke  bei  Munderkingen 

Strassenbrücke 
mit  3 Gelenken  in  Beton 

(Deutschland) 

50,0 

5,0 

70,0 

1.0 

1893 

(Deutschland) 

50,0 

4.5 

.V 

- 

- 

- 

Strassenbrücke 
mit  3 Gelenken  in  Beton 

sind,  sodass  sich  eine  nähere  Erläuterung  erübrigt; 
jedoch  müssen  wir  auf  die  hier  gewählte  beson- 
dere Anordnung  der  Theilung  in  a getrennte  Wöl- 
bungen, die  zwischen  sich  eine  den  Fahrdamni  auf- 
nehmende 35'"’  starke  Betoneisen-Platte  tragen,  noch 
einmal  zurückkommen.  Wie  schon  erwähnt,  hat  diese 
Anordnung  den  Vorzug  erheblicher,  fast  Va  der  ganzen 
Masse  bei  voller  Brücke  betragender  Materialersparniss 
und  eine  dementsprechende  Verringerung  der  Kosten 
für  sich.  Eine  weitere  erhebliche  Erspamiss  tritt  da- 
durch ein,  dass  das  bei  so  grosser  Spannweite  natur- 
gemäss  bedeutende  Kosten  erfordernde  Lehrgerüst  nur 
für  den  einen  Bogen  neu  hergestellt,  für  den  zweiten 
dagegen  nach  seitlicher  Verschiebung  unmittelbar 
weiter  benutzt  werden  kann. 

Von  Vortheil  ist  diese  Theilung  ferner  insofern, 
als  sie  eine  Ausführung  in  zwei  völlig  getrennten  Bau- 
perioden und  die  Fertigstellung  eines  jeden  Theiles 
in  einem  Baujahr  gestattet  Als  Nachtheil  bleibt  aber, 
dass  durch  die  einseitige  Auflagerung  der  Fahrbahn- 
platte auf  den  Bögen  eine  erhebliche  Ungleichheit  der 
Spannung  sowohl  in  den  Spargewölben  und  ihren 
Pfeilern,  wie  im  Hauptgewölbe  entstehen  muss,  die 
vielleicht  zu  Rissebildungen  im  Mauerwerk  führen 
können,  jedenfalls  aber  keine  vortheilhafte  Ausnutzung 
des  Materiales  bis  zur  zulässigen  Höchstgrenze  der 
Belastung  gestatten.  — (Schluss  folgt.) 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Kollegien-Gebäude 
der  Universität  Freiburg  i.  Br.  (HiCTi«  ein.  BMb.u.gc.) 


langen  Jahren  schon  erhob  sich  der  Ruf 
ch  einem  neuen  Kollegien-Gebäude  der 
liversität  Freiburg  und  dieser  Ruf  wurde 

1 so  lauter  und  eindringlicher,  je  mehr 

2 Universität  an  Bedeutung  und  dement- 
sprechend an  Besuch  zunahm.  Dies  war  insbesondere 
der  Fall  nach  dem  wirthschaftlichen  Aufschwung,  den 
die  Umwandlungen  aus  'dem  deutsch -französischen 
Kriege  des  Jahres  1870  in  Deutschland  mit  sich  brach- 
ten. Wie  wir  einem  Aufsatze  des  Architekten  Bau- 
rath L.  von  Stengel  in  dem  prächtigen  Werke  ent- 
nehmen, welches  die  Freiburger  Fachgenossen  aus 
Anlass  des  Freiburger  Verbandstages  herausgegeben 
haben,  zerfielen  die  Universitäts-Gebäude  bis  vor  einiger 
Zeit  in  4 Gruppen:  in  die  sogenannte  „alte  Universität“ 


am  Franziskanerplatz,  welche  in  den  Besitz  der  Stadt 
Freiburg  überging  und  von  dieser  in  pietätvoller  Weise 
zu  einem  herrlichen  städtischen  Verwaltungs-Gebäude 
umgebaut  wurde  (siehe  Dtsch.  Bztg.  J^rg.  1901, 
No.  94  ffj;  in  die  „neue  Universität“,  ein  ehrwürdiges 
Jesuiten-Kollegium  an  der  Bertholdstrasse,  welches  seit 
1774  als  Kollegien-Gebäude  dient  und  zurzeit  noch  als 
solches  in  Verwendung  steht,  eine  Baugruppe  von 
schlichtester  Einfachheit,  die  indessen  durch  die  ange- 
lehnte Universitätskirche,  dem  römischen  Vorbilde  d^er 
Kirche  del  Gesu  nachgebildet,  ihre  künstlerische  Be- 
deutung erhält;  in  das  Bibliothek-Gebäude  an  der 
Bertholdstrasse,  welches  seit  dem  Beginn  dieses  Se- 
mesters verlassen  ist  und  seine  Bestände  an  das  von 
Ob.-Brth.  Prof.  K.  Schäfer  in  Karlsruhe  an  der  Belfort- 


II.  Oktober  1903. 


523 


Strasse  errichtete  neue  Bibliotheks-Gebäude  abgegeben  versitätszwecken  zeitweilig  überliess,  konnte  umso 
hat,  und  schliesslich  in  die  Gruppe  der  klinischen  Uni-  mehr  nur  eine  vorübergehende  Bedeutung  haben,  als 
versitäts-Gebäude  an  der  Albert-Strasse,  also  ausser-  bei  den  wachsenden  Repräsentations-Verpflichtungen 
halb  des  Kernes  der  Stadt,  ausserhalb  der  Altstadt,  der  Stadt  diese  bald  wieder  in  den  uneingeschränkten 
Nachdem  seit  den  sechziger  Jahren  des  vorigen  Jahr-  Besitz  des  Kaufhauses  zu  gelangen  trachtete.  Unter 
hunderts  nach  und  nach  für  eineReihe  von Universitäts-  diesen  Umständen  drängte  die  Frage  eines  neuen 


Instituten  neue  Gebäude  entstanden  waren,  hob  sich  Kollegien-Gebäudes  mehr  und  mehr  einer  Lösung  zu, 
der  Ruf  der  Alberta-Ludovica  des  Herzogs  Alberts  VI.  und  diese  nahm  greifbare  Gestalt  an,  als  die  badischen 
von  Habsburg  in  solchem  Grade,  dass  das  Jesuiten-  Kammern  die  bis  dahin  angenommene  Bausumme  von 
Kollegium  die  zahlreichen  Hörer  nicht  mehr  zu  fassen  etwa  1,5  Mill.  M.  bewilligten. 

vermochte.  Ein  Anerbieten  der  Stadt  Freiburg,  welche  Indessen,  es  harrte  noch  die  so  wichtige  Platzfrage 
das  malerische  Kaufhaus  am  Münsterplatz  zu  Uni-  der  Lösung.  Inbezug  auf  diese  trugen  sich  die  leiten- 


524 


No.  82. 


den  Stellen:  Ministerium,  Universität  und  Stadt,  mit 
drei  verschiedenen  Gedanken.  Zunächst  wurde  der 
Plan  erörtert,  das  neue  Kollegien-Gcbäude  anstelle 
des  alten  in  der  Bertholdstrasse  zu  errichten.  Man 
glaubte  diesen  Plan  umso  mehr  in  Erwägung  ziehen 
zu  können,  als  damit  die  seit  mehr  als  einem  Jahr- 
hundert gewohnte  Lage  beibehalten  werden  konnte, 
als  die  alte  Baugruppe  mit  Ausnahme  der  Universitäts- 
Kirche,  die  leicht  erhalten  werden  konnte,  einen  her- 
vorragenden Kunstwerth  nicht  besitzt  und  auch  in 
historischer  Beziehung  keine  Ansprüche  an  Pietät  und 
geschichtlichen  Sinn  stellt.  Die  Erwägungen  über  die 


beschränkten  Raumverhältnisse  in  der  Bertholdstrasse 
für  ein  neues  Monument  a 1-Gebäude  waren  aber  mit  die 
Ursache,  dass  dieser  Plan  verlassen  wurde;  zugunsten 
eines  sehr  bestechenden  neuen  Planes.  Dieser,  der 
wie  es  scheint,  hauptsächlich  von  der  Stadt  gefördert 
wurde,  war  vielleicht  im  Hinblick  auf  das  wunderbare 
Stadtbild  gefasst,  welches  dieUniversitätsstadt  Marburg 
darbietet.  Er  ging  von  dem  Gedanken  aus,  die  neuen 
Universitäts-Gebäude  vor  der  Stadt,  in  massiger  Höhe 
am  Schlossberg  zu  errichten,  ihnen  eine  malerische 
Gruppirung  zu  verleihen  und  sie  so  zu  einem  weiteren 
wirksamen  Faktor  im  Stadtbilde  zu  machen.  Ein  Plan 


dem  Untergange  geweiht  sei.  Man  glaubt  die  Ursache 
des  Zerfalles  unter  anderem  auch  in  der  vorjährigen 
Sommerdürre  und  in  den  darauffolgenden  Regenmassen 
des  diesjährigen  Sommers  suchen  zu  müssen,  welche 
den  ausgedörrten  Boden  unterwuschen  und  nicht  mehr 
tragfähig  genug  machten  zur  Aufnahme  der  Last  der 
Mauern.  — 

Ueber  ein  in  Bayern  bedrohtes  Städtebild  berichtet  Ilr. 
Arch.  Franz  Rank  m München.  Es  handelt  sich  um  das 
Städtchen  Vilsbiburg,  das  noch  im  Grossen  und  Ganzen 
den  eigenartigen  und  intimen  Charakter  der  Orte  des 
Innviertels  bewahrt  hat.  Rank  schreibt  darüber  in  den 
„M.  N.  N.“;  „Beim  Eintritt  durch  das  Hauptthor  ist  der 
Besucher  überrascht  von  dem  liebenswürdigen,  intimen 
Eindruck  des  Städtebildes,  er  befindet  sich  in  einem  cha- 
rakteristisch mittelalterlichen  Städtchen,  Giebel  an  Giebel, 
letztere  theilweise  ersetzt  durch  die  im  Salzborgischen 
auftretenden,  aus  Rücksicht  gegen  Feuersgefahr  gemachten 
geraden  Frontabdeckungen.  Ziemheh  sicher  ist  an  einigen 
dieser  Häuser  bei  Vergleichung  mit  den  gothisirenden 
Formen  der  Landshuter  Trausnitz  der  gleiche  italienische 
Baumeister  wieder  zu  erkennen.  Die  harte,  schnurgerade 
Baulinie  ist  vermieden,  verschiedenfarbiger  Anstrich  der 
einzelnen  Häuser  beleljt  die  bunte  Reihe  und  was  dem 
malerischen  Eindruck  des  langgestreckten  Platzes  die 
Krone  aufsetzt,  das  ist  die  Begrenzung  desselben  an  seinen 
beiden  Schmalseiten  mit  freundlich  wirkenden  Thorthürmen. 
Die  Veranlassung  zur  langgestreckten,  fast  bei  allen  Städten 
und  Märkten  Nieder-  und  auch  Alt-Bayerns  typisch  wieder- 
kehrenden Form  des  Marktplatzes  war  die  Abhaltung  der 

526 


Schranne,  um  die  reichen  Bodenprodukte  der  Kornkammer 
Bayern  abzusetzen,  in  einer  Zeit,  wo  noch  keine  Eisen- 
bahnen die  Bodenerzeugnisse  in  ferne  Lande  schaffen 
konnten.  Man  findet  die  Breite  des  Platzes  überall  so 
bemessen,  dass  neben  einem  breiten  Mittelgange  für  den 
Kauflustigen  beiderseitig  noch  genügend  Platz  verblieb, 
um  die  Waaren  und  Fuhrwerke  der  zur  Schranne  ge- 
kommenen Landbevölkerung  unterzubringen.  Diese  eigen- 
artige Bauart  der  niederbayerischen  Städte  hängt  mit  dem 
Reichthume  des  Landes  zusammen  und  zum  Charakte- 
ristikum dieser  Plätze  gehört,  wie  wir  dies  bei  den  Städten 
Mühldorf,  Vilshofen,  Erding  usw.  sehen,  der  das  Ganze 
abschliessende  Thorthurm. 

Lässt  der  Besucher  eines  solch’  anmuthigen,  an  die  soge- 
nannte gute  alte  Zeit  erinnernden  Ortes  seiner  Phantasie 
freien  Lauf,  so  wird  bald  das  ganze  Bild  belebt  mit  Ge- 
stalten der  Landsknechtzeit.  Der  Reichthum  der  Lands- 
huter Herzoge  hatte  in  der  nur  einige  Stunden  entfernten 
Nachbarstadt  Vilsbiburg  sicherlich  auch  seine  Spuren  hinter- 
lassen, was  an  einigen  Bauten  nachgewiesen  werden  kann. 
Aber  schlimmere  Zeiten  kamen.  Von  den  Erbstreitigkeiten 
der  Häuser  Habsburg  und  Wittelsbach  war  die  Stadt  in 
Mitleidenschaft  gezogen,  und  in  der  neueren  Geschichte 
sehen  wir  Napoleon  f,  der  in  dem  Hause  gegenüber  dem 
jetzigen  Rathhause  übernachtete,  und  den  sonst  zum  fried- 
lichen Kampfe  um’s  Dasein  der  Bevölkerung  dienenden 
Marktplatz  am  folgenden  Morgen  als  Paradeort  zur  Heer- 
schau seiner  gegen  die  Oesterreicher  ziehenden  siegreichen 
Truppen  benutzte;  mit  khngendem  Spiel  zogen  sie  beim 
jetzigen  oberen  Stadtthor  herein  und  beim  gegenüber- 
liegenden hinaus  zum  Kampf,  zum  Tode,  zum  Siege. 

In  diesem  Milieu,  in  dem  Vilsbiburg  sich  heute  noch 
zeigt,  in  dieser  Abgeschlossenheit  des  ganzen  Bildes,  aus 
welchem  die  beiden  Thurmbauten  gleich  Wahrzeichen  an 
die  schönen  und  schlimmen  Tage  der  Stadt  energisch  und 
selbstbewusst,  den  ganzen  Platz  beherrschend,  heraus- 


No.  82 


von  bestechendem  Reiz,  der  zudem  die  Möglichkeit 
weitgehendster  späterer  Erweiterung  der  Gebäude  ge- 
boten haben  würde,  da  sich  das  gesaramte  Gelände 
im  Besitze  der  Stadt  Freiburg  befindet.  Indessen, 
wirthschaftliche  und  künstlerische  Gründe  wurden  mit 
Erfolg  gegen  den  Plan  geltend  gemacht.  In  wirth- 
schaftlicher  Hinsicht  befürchtete  man  zweifellos  nicht 
ohne  Grund,  dass  ein  nach  solchen  Gesichtspunkten 
errichteter  Neubau  grössere  Mittel  in  Anspruch  nehmen 
würde,  als  sie  der  durch  die  hohen  Ausgaben  für 
drei  Hochschulen  schon  stark  in  Anspruch  genommene 
Staat  leisten  könne,  selbst  wenn  auf  einen  grösseren 
Zuschuss  durch  die  Stadt  hätte  gerechnet  werden 
können.  In  künstlerischer  Hinsicht  war  man  mit  Recht 
besorgt,  dass  aus  der  die  Stadt  beherrschenden  Bau- 
gruppe in  der  bevorzugten  Lage  auf  halber  Höhe  des 
Schlossberges  ein  Gegenstück  werden  könne,  welches 
die  bis  dahin  herrschende  Stellung  des  Münsters,  die 
man  unter  allen  Umständen  erhalten  wissen  wollte, 
beeinträchtigen  würde  und  dass  sich  somit  die  künst- 
lerischen Werthe  des  Stadtbildes  in  einer  der  jahr- 
hundertelangen baugeschichtlichen  Entwicklung  der 
Stadt  entgegen  stehenden  Weise  verändern  könnten. 

So  wurde  auch  der  zweite  Plan  verlassen  und 
ein  dritter  aufgenommen.  Dieser  ging  dahin,  das  Ge- 
lände der  alten  Rempart-Kaserne,  welches  sich  gegen- 
über der  neuen  Universitäts-Bibliothek  befindet,  für 
die  Zwecke  der  Universität  zu  gewinnen.  Der  neue 
Plan  kam  besonders  den  dankenswerthen  Bestrebungen 


der  Stadt  entgegen,  welche  in  zielbewusster  Weise 
dahin  gehen,  die  unkünstlerischen  Massen  der  um- 
fangreichen Kasernenbauten  allmählich  aus  dem  ge- 
schlossenen Stadtgebiete  zu  beseitigen  und  sie,  als 
kleine  Vorstädte  für  sich,  vor  die  Stadt  zu  verlegen. 
Eine  Einigung  war  daher  bald  erzielt.  Dieses  Ge- 
lände tauschte  die  Stadt  gegen  das  alte  Universitäts- 
Gebäude,  das  Jesuiten-Kollegium  sammt  Kirche,  ein, 
gab  ein  Aufgeld  von  142000  M.  und  verpflichtete  sich 
zu  einem  Baukosten-Beitrage  von  300000  M.  Da  aber 
das  Gelände  der  alten  Kaserne  allein  für  die  neue  Bestim- 
mung nicht  ausreicht  bezw.  auch  der  Theil  der  An- 
lage gebraucht  wird,  in  welchem  noch  bis  heute  die 
Gewerbeschule  untergebracht  ist,  so  trat  an  die  Stadt 
die  weitere  Verpflichtung  heran,  für  eine  Summe  von 
mehr  als  i Milk  M.  eine  neue  Gewerbeschule  zu  er- 
richten, die  bereits  im  Bau  ist.  Zieht  man  inbetracht, 
was  die  Stadt  Freiburg  in  den  letzten  10  Jahren  über- 
haupt an  Mitteln  für  ihre  Verschönerung  geleistet  hat, 
so  kann  man  die  grossinnige  Leitung  und  den  opfer- 
willigen Bürgersinn  nur  bewundern.  Beiden  ist  es  zuzu- 
schreiben, dass  die  Frage  des  neuen  Kollegien-Ge- 
bäudes  der  Universität  so  schnell  geklärt  werden  konnte, 
dass  vor  einiger  Zeit  durch  das  bad.  Kultus -Ministerium 
die  Einladung  zu  einem  allgemeinen  deutschen  Wett- 
bewerb zur  Erlangung  von  Entwürfen  ergehen  konnte, 
der  in  diesen  Tagen  zu  der  bereits  gemeldeten  Ent- 
scheidung kam.  — (Fortsetzung  folgt.) 


Vermischtes. 

Die  deutsche  Städteausstellung  ln  Dresden  1903  wird  in 
2 grosse  Abtheilungen  zerfallen,  von  der  die  eine  den 
Stand  des  deutschen  Städtewesens  zu  Anfang  des  20.  Jahr- 
hunderts, insbesondere  die  Entwicklung  der  grösseren 
Gemeinden  Deutschlands  in  den  letzten  Jahrzehnten  und 
die  Fortschritte  auf  den  verschiedenen  Gebieten  der  Ge- 
meindeverwaltung in  dieser  Zeit  veranschaulichen  wird,  die 
andere  die  Erzeugnisse  deutscher  Gewerbetreibender  für 
den  Bedarf  grösserer  Gemeindeverwaltungen  zur  Dar- 
stellung bringensoll. 

Die  Ausstellung  der  Städte  zerfällt  in  folgende  8 Haupt- 
abtheilungen; I.  Fürsorge  der  Gemeinden  für  Verkehrsver- 
hälthisse,  für  Beleuchtung,  Strassenbau  und  Entwässerung, 
Brücken  und  Häfen,  einschl.  des  gesammten  Tiefbau-  und 
Vermessungswesens,  der  Strassenbahn  usw. ; II.  Stadt- 
erweiterungen, Baupolizei  und  Wohnungswesen;  III.  Für- 


ragen, nur  in  solcher  Umgebung  kann  die  Phantasie  des 
Besuchers  rege  werden. 

Nun  besteht  die  Absicht,  den  einen  dieser  Thorthürme, 
welche  seit  Jahrhunderten,  gleich  treuen  Wächtern  den 
Eingang  der  Stadt  beschützt  haben,  niederzureissen,  um 
dadurch  den  ganzen  Marktplatz  nach  der  Vils  zu  zu  öffnen 
und  die  so  geschaffene  Oeffnung  mit  einem  niederen, 
wahrscheinlich  modern  verschnörkelten  Portal  zu  über- 
wölben, daneben  zwei  im  Sinne  grosstädtischer  Baukunst 
gedachte  Neubauten  zu  errichten,  um  so  das  anheimelnde 
Gepräge  der  Stadt  vollständig  zu  verderben. 

Während  in  grossen  Städten  die  Bestrebungen,  schöne 
Thore  zu  erhalten,  selbst  wenn  dadurch  der  Verkehr  be- 
hindert ist  (man  erinnere  sich  an  das  Isar-  und  Karlsthor 
in  München,  das  Hahnenthor  in  Köln)  immer  mehr  sich 
Geltung  verschaffen,  und  während  bei  Neuanlagen  gerade 
wieder  auf  dieses  entzückende  Motiv  zurückgegriffen  wird 
— siehe  den  feinempfundenen  Thurm  im  kleinen  Stadt- 
entwurf zur  Bebauung  der  Münchener  Kohleninsel  von 
Theodor  Fischer  — will  man  in  Vilsbiburg  das  wenige 
schöne  Alte  verschwinden  lassen,  um  einer  nichts  weniger 
als  künstlerisch  empfundenen  Baugruppe  Platz  zu  machen. 

Dass,  sobald  die  neugeplante  Brücke  über  die  Vils  ge- 
baut ist,  die  jetzige  Thordurchfahrt  nicht  mehr  genügt, 
ist  zweifellos;  dass  aber  an  dieser  Stelle  ein  ähnlicher 
Thurmabschluss  wieder  hergestellt  werden  muss,  wie  er  jetzt 
schon  im  Kleinen  dasteht  und  von  seinem  ehemaligen  Er- 
bauer sicherlich  nicht  ohne  künstlerische  Zweckbestimmung 
erstellt  wurde,  ist  klar.  Gerade  solch’  ein  Thurm  gäbe 
in  dieser  an  historischen  Funden  sämmtlicher  Perioden 
und  Zeiten  so  reichen  Gegend  Gelegenheit  zur  Schaffung 
eines  kleinen  Stadt-Museums,  das  bei  den  schon  vorhan- 
denen Sammelschätzen  einiger  Privater,  die  diese  der 
Stadt  sicherlich  zur  Verfügung  stellen  würden,  ein  An- 
ziehungspunkt für  Fremde  bedeuten  dürfte.  Fast  jeden 
Monat  werden  in  der  Umgebung  grössere  und  kleinere 

II.  Oktober  1902. 


sorge  der  Gemeinden  für  öffentliche  Kunst  (Architektur, 
Malerei,  Bildnerei);  IV.  Allgemeine  Gesundheit  und  Wohl- 
fahrt, Polizeiwesen;  V.  Schulwesen  und  Volksbildung; 
VI.  Armenwesen,  Krankenpflege,  Wohlthätigkeits- Anstalten, 
Wohlthätigkeits-Stiftungen;  Vll.  Kassen-  und  Finanz-Ver- 
waltung einschl.  Steuern,  städtische  Gewerbebetriebe  und 
städtischer,  zur  Gemeindeverwaltung  nicht  unmittelbar  be- 
nutzter Grundbesitz,  sowie  Einrichtungen  der  Gemeinden 
für  Sparkassen  und  Leihwesen  und  VIII.  Registratur-  und 
Bureau-Einrichtung,  Beamtenschaft  usw:,  sowie  Statistik 
und  Litteratur.  Die  Unternehmerin  der  im  Dresdener 
Aussteilungspalaste  und  -Parke  in  der  Zeit  vom  20.  Mai 
bis  Ende  September  1903  stattfindenden  Ausstellung  ist 
in  rechtlicher  und  finanzieller  Beziehung  die  Stadt  Dres- 
den. Die  Leitung  des  Unternehmens,  an  dem  sich  nach 
dem  gegenwärtigen  Stande  rd.  130  Städte  mit  13  Millionen 
Einwohnern,  sowie  nahezu  300  Firmen  betheiligen,  liegt  in 
den  Händen  des  aus  je  einem  Vertreter  von  25  Städten 


Funde  gemacht,  theils  der  Stein-  und  Bronzezeit,  theils 
dem  Mittelalter,  dem  3o-jährigen  Kriege  und  der  Zeit  der 
Franzosenherrschaft  angehörend.  Welch’  bedrückendes 
Gefühl  ist  es  für  den  Deutschen,  wenn  er  in  ausländischen, 
namentlich  englischen  Sammlungen  und  Museen,  die  Fund- 
stücke  aus  der  Heimath  entdecken  muss,  welche  bei  Nicht- 
vorhandensein eines  alle  Einwohner  gemeinsam  inter- 
essirenden  Sammelortes  meist  in  die  Hände  auswärtiger 
Sammler  fallen,  anstatt  dass  dieselben  am  heimathlichen 
Boden  gepflegt  werden  und  so  auch  dem  Nichtfachmann 
die  Mittel  an  die  Hand  geben,  in  die  kulturelle  Entwick- 
lung seiner  Heimath  einigermaassen  einen  Einblick  zu  er- 
halten, um  so  die  Liebe  und  das  Gefühl  zur  Heimath  zu 
fördern  und  zu  stärken.  Würde  in  Vilsbiburg  in  ange- 
regtem Sinne  vorgegangen  werden,  so  dürfte  wohl  auch 
der  Stadt  die  Unterstützung  der  Regierung  nicht  versagt 
bleiben. 

Nachdem  unsere  heutigen  Bestrebungen  auf  die  För- 
derung des  Bauwesens  ausserhalb  der  Grosstadt  mit  be- 
sonderer Betonung  auf  die  heimathliche  Kunst  gerichtet 
sind,  wäre  es  als  ein  Verdienst  zu  betrachten,  wenn  an 
diesem  Platze  der  Zerstörung  des  Gesammtbildes  von 
Vilsbiburg  noch  Einhalt  gethan  werden  könnte,  und  wenn 
die  Gemeindevorstände  von  ihren  Beschlüssen  zurück- 
gebracht werden  könnten,  ein  klägliches  Städtebild  zu 
schaffen,  für  das  eine  spätere  Generation,  welche  auch 
ein  Recht  hat,  dass  von  dem  wenigen  auf  unsere  Zeit  ge- 
retteten Schönen  wenigstens  das  Abbild  erhalten  bleibe, 
wenig  Dank  bezeigen  wird“.  — ■ 

Möge  der  eindringliche  Ruf  von  Franz  Rank  nicht 
ungehört  verhallen.  Das  Erbe  der  Vergangenheit  wird 
täglich  und  stündlich  durch  unabwendbare  Einflüsse  ge- 
schmälert. Um  so  mehr  entsteht  die  Pflicht,  abwend- 
bare Einflüsse,  die,  wenn  auch  unbewusst,  auf  seine  Zer- 
störung gerichtet  sind,  mit  allen  Mitteln  zurückzuhalten.  — 


527 


und  dem  Stadtverordneten-Vorsteher  von  Dresden  ge- 
bildeten Ausschusses,  sowie  eines  Vorstandes,  der  sich 
zusammensetzt  aus  4 Vertretern  der  Stadt  Dresden  und 
8 vom  Ausschuss  gewählten  Mitgliedern.  An  der  Spitze  des 
Vorstandes  steht  der  Oberbürgermeister  von  Dresden.  — 


Preisbewerbungen. 

Die  Entwürfe  zum  Neubau  eines  Museums  in  Königsberg 
werden  durch  die  Stadt  zum  Gegenstände  eines  Wettbe- 
werbes gemacht  werden.  In  dem  Museum,  für  dessen 
Errichtung  eine  Summe  von  i 300  000  M.  in  Aussicht  ge- 
nommen ist,  sollen  die  Kunstsammlungen  der  Universität 
und  der  Stadt  untergebracht  werden.  — 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
neues  Zentral-Postgebäude  am  Maffei-Anger  in  München 
steht  in  Aussicht.  Es  handelt  sich  um  eine  Anlage  grössten 
Umfanges  mit  einer  Baukostensumme  von  etwa  6 Mül.  M.  — 

Einen  Wettbewerb  betr.  die  Möglichkeit  derUebertragung 
elektrischer  Energie  ohne  Drahtleitung  erlässt  unter  Ver- 
heissung  einer  Preissumme  von  12  000  M.  die  Leitung  der 
Weltausstellung  von  St.  Louis.  Es  handelt  sich  um  die 
Uebertragung  elektrischer  Kraft  von  mindestens  P.  S. 
auf  eine  Entfernung  von  etwa  300“.  — 

Wettbewerb  Kreishaus  Recklinghausen.  Es  handelt 
sich  um  ein  an  3 Seiten  frei  stehendes  Gebäude,  für  das 
eine  Bausumme  von  180  000  M.  vorgesehen  ist.  Das  Bau- 
programm ist  das  übliche,  doch  glaubt  das  Kreis-Bauamt 
auf  den  Unterschied  im  Verkehr  im  Landrathsamt  und  im 
Kreisausschuss  aufmerksam  machen  zu  müssen,  Die  äussere 
Architektur  soll  sich  einem  vorhandenen  Dienstwohnge- 
bäude des  Landrathes  thunlichst  anpassen.  Der  geforderte 
Maasstab  von  i ; 100  für  die  Hauptzeichnungen  ist  reichlich 
gross,  da  es  sich  doch  nur  um  ein  ganz  einfaches  Gebäude 
handelt,  dessen  kubische  Einheit  nicht  mehr  wie  15  M. 
kosten  darf  und  für  welches  die  Uebertragung  der  Aus- 
führung Vorbehalten  ist.  Ausser  der  Vertheilung  der  S.  515 
genannten  Preise  ist  ein  Ankauf  nicht  preisgekrönter  Ent- 
würfe für  je  500  M.  in  Aussicht  genommen.  Vielleicht 
darf  man  noch  eine  ergänzende  Bestimmung  erwarten, 
nach  welcher  der  Betrag  von  1,50  M.  für  die  Unterlagen 
an  die  thatsächlichen  Theilnehmer  des  Wettbewerbes  zu- 
rückgezahlt wird.  — 

I.  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  in  Turin 
1902.  Von  deutschen  Ausstellern  erhielten  silberne  Me- 
daillen: Arthur  Berger,  Goldschmied,  Dresden;  Sophie 
Burger-Hartmann,  Bildhauerin,  München;  W.  Collin, 
Lederwaarenfabrik,  Berlin;  Dresdener  Werkstätten 
fürHandwerkskunst,  Dresden;  Frauenwohl-Verein, 
Nürnberg;  Bernh.  Goebel,  Schreinerei,  Freiberg  i.  S, ; 
Carl  Gundelach,  Bildhauer,  Hannover;  Fritz  Heckert, 
Petersdorf;  Hans  und  Fritz  von  Heider,  keramische 
Arbeiten,  Magdeburg;  Georg  Hulbe,  Lederarbeiten,  Ham- 
burg; Erich  Kleinhempel,  Zimmereinrichtung,  Dresden; 
Köllmayr  (Kriner,  Arch.),  Möbelfabrik,  München;  Gebr. 
Liebert, Verglasungen,  Dresden;  Loevy,  Bronzegiesserei, 
Berlin;  A.  Lüthi,  Glasmalerei,  Frankfurt  a.  M.;  Albert 
Maennchen,  Kunstmaler,  Berlin;  Wilh.  Müller,  Arch,, 
Berlin;  Herrn.  Mutz,  Keramiker,  Altona;  Robert  Oreans, 
Zimmereinrichtung,  Karlsruhe;  Sächsische  Porzellan- 
fabrik in  Potschappel  bei  Dresden;  Olga  Schirlitz,  weibl. 
Handarbeiten,  München;  Ed.  Schöpflich,  Goldschmiede- 
waaren,  München;  Carl  Spindler,  Zimmereinrichtung,  St. 
Leonhard  i.  Eis.;  Steinicken  & Lohr,  kunstgewerbl. 
Atelier,  München;  Schöttle  & Co.,  Möbelfabrik,  Stutt- 
gart-Berg; Hermann  Werle,  Architekt,  Berlin;  Winhart 
& Co.,  Kupferarbeiten,  München.  — 


Chronik. 

Der  neue  Zentralbahnhof  in  Leipzig,  welcher  schon  vor 
einiger  Zeit  den  sächsischen  Landtag  beschäftigte  und  für  den 
sächsischen  Antheil  von  diesem  genehmigt  wurde,  hat  nunmehr 
auch  die  Zustimmung  der  preussischen  Regierung  gefunden,  sodass 
die  parlamentarische  Erledigung  auch  hier  erwartet  werden  kann. 
Es  handelt  sich  bekanntlich  um  eine  neue  Bahnäniage  mit  Empfangs- 
Gebäude  grössten  Umfanges  mit  einer  Kostensumme  von  ro6  Mill.  M,, 
für  welche  eine  Bauzeit  von  12  Jahren  angenommen  ist.  — 

Der  Neubau  des  Sebastian-Spitales  in  Nürnberg,  einer 
Krankenhausanlage  mit  500  Betten  und  mit  einem  Kostenaufwande 
von  2 Mill.  M.  ist  beschlossen  worden.  — 

Das  neue  fürstliche  Theater  in  Gera  (Architekt:  Heinrich 
Seeling  in  Berlin)  wird  am  18.  Okt.  d.  J.  feierlich  eröffnet  werden 
(s.  Jahrg.  1902,  S.  158).  — 

Eine  neue  Irrenklinik  in  München  wird  an  der  Ecke  der 
Goethe-  und  der  Nussbaumstrasse  nach  den  Entwürfen  von  Heil- 
mann & Littmann  in  München  errichtet-  — 

Zur  Wiederherstellung  der  Lorenzer-Ktrche  in.  Nürnberg 
bildete  sich  ein  Comitc,  welchem  zunächst  die  Berathung  des  Um- 
fanges der  Wiederherstellung  und  sodann  die  Beschaffung  der 
Mittel  obliegt.  — 


Städtisches  Gaswerk  In  Nürnberg.  Die  Stadt  Nürnberg 
errichtet  ein  städtisches  Gaswerk,  das  eine  Summe  von  rd.  8 Mill.  M. 
beanspruchen  wird.  — 

Ein  Nationaldenkmal  für  Richard  Wagner  in  Leipzig  ist 
in  grossem  Stile  geplant.  Man  glaubt  für  dasselbe  eine  Summe  bis 
500000  M.  aufbringen  zu  können.  — 

Kunstbrunnen  auf  dem  Isarthorplatze  in  München.  Aus 
den  Erträgen  der  Prinzregent  Luitpold-Stiftung  soll  ein  Betrag  von 
rd.  50000  M.  zur  Aufstellung  eines  Kunstbrunnens  auf  dem  Isar- 
thorplatze in  München  verwendet  werden.  Die  Gewinnung  des 
Entwurfes  wird  auf  dem  Wege  des  Wettbewerbes  stattfinden.  — 
Grosschiffahrtsweg  Elster -Saale -Elbe.  Der  sächsischen 
und  der  preussischen  Regierung  ist  der  Entwurf  zu  einem  Gross- 
schiffahrtswege Elster-Saale-Elbe  zugegangen , für  dessen  Ausführung 
27,5  Mill.  M.  angenommen  sind,  von  welchen  15,3  Mill.  M.  auf  Sachsen 
und  12,2  Mill.  M.  auf  Preussen  entfallen  würden.  Der  Ausgangs- 
punkt der  Wasserstrasse  ist  Leipzig.  ~ 

Das  alte  Zeughaus  in  Koburg  ist  nach  den  Plänen  und  An- 
gaben des  Reg.-  und  Brih.  Philibert  im  Aeusseren  wiederher- 
gestellt worden,  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Dem  Eisenb.-Betr.-Dir.  Co  ermann  in 
Mülhausen  ist  beim  Uebertr.  in  den  Ruhestand  der  Char.  als  Geh. 
Brth.  verliehen. 

Dem  Garn.-Bauinsp.  Welnlig  in  Freiburg  i.  Br.  ist  die  Er- 
laubniss  zur  Anlegung  des  ihm  verlieh.  Ritterkreuzes  II-  Kl.  mit 
Eichenlaub  des  grossh.  bad.  Ordens  vom  Zähriiiger  Löwen  ertheilt. 

Der  Garn.-Bauinsp.  Brth.  L e h n 0 w in  Koblenz  ist  zur  Int.  des 
XVI.  Armee-Korps  versetzt  und  das.  mit  der  komm.  Wahrnehmung 
der  Geschäfte  eines  2.  Int.-  u.  Brths  beauftragt.  Der  Garn.-Bauinsp. 
T e i c h m a n n in  Posen  ist  nach  Koblenz  I versetzt  und  der  Stadt- 
brth,  Weiss  in  Kattowitz  als  Garn.-Bauinsp.  angestellt  und  der 
Int.  des  Garde-Korps  überwiesen. 

Der  Gavn.-Bmstr,  Boerschmann  bei  der  ostasiat.  Besatzungs- 
Brigade  ist  mit  der  Bauinsp.-Stelle  bei  der  Int.  das.  belieben. 

Hessen.  Dem  in  den  Ruhestand  getretenen  Geh.  Brth.  Alt- 
vater in  Darmstadt  ist  das  Komthurkreuz  II.  Kl.  des  grossh.  hess. 
Verdienstordens  Philipps  des  Grossmüthigen  verliehen.  Derselbe 
ist  komm,  mit  der  Leitung  der  Abth.  für  Finanzwirthschaft  und 
Eisenbahnwesen  des  Min.  der  Ein.  betraut,  — Der  Eisenb.-Bauinsp. 
H e s s ist  unt.  Verleih,  des  Char.  als  Brth.  in  den  Ruhestand  versetzt. 

Der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.,  Brth.  Simon  ist  z.  Vorst,  einer 
Betr.-Insp.  in  der  hess.-preuss.  Eisenb. -Gemeinschaft  ernannt. 

Preussen.  Den  Prof.  Geh.  Reg.-Räthen  Brandt  von  der 
Techn.  Hochschule  in  Berlin  und  Fischer  in  Hannover  ist  der 
Rothe  Adler-Orden  III.  Kl.  mit  der  Schleife,  dem  Arch.  u.  Baudir. 
Ritter  in  Frankfurt  a.  M.  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  sowie 
beim  Uebertritt  in  den  Ruhestand : dem  Eisenb.-Dir.  Präs.  Taeger 
in  Magdeburg  der  kgl.  Kronen-Orden  II.  Kl.  mit  dem  Stern  und 
dem  Ob.-Brth.  Bai  lauf  in  Kassel  der  kgl.  Kronen-Oden  II.  Kl,, 
schliesslich  dem  Reg.-ßmstr,  Ahrns  in  Posen  der  kgl.  Kronen- 
Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Dem  Geh.  Brth.  Stubben  in  Köln  a.  Rh.  ist  die  Annahme 
und  Anlegung  des  ihm  verlieh.  Offizierkreuzes  des  grossh.  luxemb. 
Ordens  der  Eichenkrone  gestattet. 

Versetzt  sind:  der  Reg.-  und  Gew.-Rath  Kiel  in  Münster  nach 
Trier,  der  Gew.-Rath  Hesse  in  Pritzwalk  nach  Könitz,  die  Gew.- 
Insp.  O 1 s c h e w s k in  Könitz  nach  Kottbus  u.  Gg.  L a u r i s c h 
in  Kottbus  nach  Berlin  II  (Potsdam). 

Der  Geh.  Reg.-Rath  Voigtei,  Dombmstr,  in  Köln  und  der 
kgl.  Brth.  Leissner,  Dir.  der  Henschel’schen  Masch.-Fabr.  in 
Kassel,  sind  gestorben. 

Reuss  j.  L.  Der  Bez.-Bauinsp.  Willkomm  in  Ohrdruff  ist 
z.  Landbmstr.  in  Gera  erwählt. 

Sachsen-Altenburg.  Dem  Brth.  Schierholz  in  Roda  ist 
die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zum  Tragen  des  ihm  verlieh. 
Ritterkreuzes  I.  Abth.  des  grossh.  Hausordens  der  Wachsamkeit 
oder  vom  weissen  Falken  ertheilt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  P.  H.  in  Charlottenburg.  In  Charlottenburg 
haben  die  Berliner  Bauobservanzen  nie  gegolten,  welche  ein  Ver- 
bauen der  Fenster  des  Nachbars  gestatteten.  Nach  dem  für  Char- 
lottenburg geltenden  Landrecht  konnte  durch  Ersitzung  das  Recht 
auf  Schutz  vorhandener  Fenster  unter  den  gesetzlichen  Voraus- 
setzungen entstehen.  War  der  beregte  Nachbar  zurzeit  der  Ein- 
führung des  bürgerlichen  Gesetzbuches  befugt,  das  Verbauen  seines 
Fensters  zu  verhindern,  so  verblieb  ihm  dies  wohlerworbene  Recht 
auch  unter  der  Herrschaft  des  B.  G.  B.  Ob  er  jedoch  ein  Recht 
auf  Schutz  der  Fenster  und  des  Lichtes  wirksam  erworben  hatte, 
darüber  giebt  Ihre  Anfrage  kein  vollständiges  Bild.  Da  nach  Ihrem 
ferneren  Sachvortrage  das  Fensterrecht  vergleichsweise  gegen 
2000  M.  abgelöst  ist,  scheint  uns  Ihre  angeregte  Streitfrage  be- 
deutungslos. Denn  die  Anfechtung  geschlossener  Vergleiche  ist 
nach  neuerem  Rechte  so  schwierig,  dass  kaum  aiizunefamen  ist, 
sie  werde  im  vorliegenden  Falle  gelingen,  weil  höchstens  ein 
Irrthum  in  den  Beweggründen  vorliegen  dürfte,  der  aber  keinen 
ausreichenden  Grund  zur  Aufhebung  geschlossener  Verträge  ab- 
giebt.  — ■ K.  H-e. 

Inhalt:  Die  neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  Petrusse  in 
Luxemburg.  — Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
neues  Kollegien-Gebäude  der  Universität  Freiburg  i.  ßr.  — Bedrohte 
Städtebilder.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten.  — 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Das  neue  Kollegien-Gebäude  der 
Universität  Freiburg  i.  Br. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Ho.fmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,-Berlin. 


-NOv  82.. 


ER  WETTBEWERB  BETR.  ENTWÜRFE  FÜR  EIN 
NEUES  KOLLEGIEN-GEBÄUDE  DER  UNIVERSITÄT 
FREIBURG  I.  BR.  * ENTWÜRFE  DER  HERREN  PROF. 
FR.  RATZEL  IN  KARLSRUHE  (II.  PR.)  UND  BAU- 
DIR.  MAX  MECKEL  IN  GEMEINSCHAFT  MIT  ARCH. 
C^A.  MECKEL  IN  FREIBURG;  EIN  III.  PREIS  * * 
= DEUTSCHE  BAUZTG.  XXXVI.  JAHRG.  - N».  82  = 


AUZEITUNG. 

GANG.  * N2:  83.  ^ 

DEN  15.  OKT.  igo2.  * 
«««««««rsrstsrstss;«« 


Entwurf  „Kelim*  der  Hrn.  Paul  & Carl  Bonatz  in  .‘Sluttgart.  Ein  III.  Preis. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Kollegien-Gebäude  der 

Universität  Freiburg  i.  Br. 

(Fortsetzung.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  533. 

er  Bauplatz  für  das  neue  KoUegiengebäude  zu  folgen.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  sich  mit  einer 
liegt  an  der  südwestlichen  Peripherie  des  solchen  Annahme  Schwierigkeiten  im  Verkehr  im 
alten  Stadtkernes  in  Freiburg,  unweit  der  Inneren  des  Gebäudes  ergeben  würden,  die  in  erhöhtem 
Hauptverkehrsader  der  Stadt,  der  Kaiser-  Maasse  bei  den  wenigen  Entwürfen  eintreten  dürften, 
Strasse,  gegenüber  der  neuen  Bibliothek,  welche  den  Versuch  unternommen  haben,  die  Gebäude- 
an  herrlichen  Anlagen  und  in  der  Nachbarschaft  des  masse  ohne  inneren  Hof  an  der  Beifort-  und  der 
geplanten  neuen  Theaters.  Es  würde  somit  nach  Werderstrasse  entlang  anzulegen  und  sie  gegen  die 


Vollendung  von  The- 
ater und  Kollegien- 
gebäude  in  jener 
Gegend  ein  monu- 
mentales Stadtviertel 
von  grossartigem  Ge- 
präge entstehen.  Die 
Verhältnisse  derBau- 
stelle  selbst  gehen 
aus  dem  Lageplan 
S.  524  hervor;  sie 
wird  begrenzt  von 
der  stattlichen  Bei- 
fort- und  der  noch 
stattlicheren  Werder- 
strasse im  Süden 
und  Westen,  wäh- 
rend im  Nordosten 
die  bescheidene  Lö- 
wens  trasse  berufen 
ist,  dem  neuen  Ge- 
bäude Luft  und  Licht 
zu  spenden.  Im  Osten 

grenzt  die  Baustelle  an  ^ ..  .j. ^ 

Was  nun  zunächst  die  Bebauung  der  Baustelle  weit  zu  folgen,  sind  die  meisten  der  Entwürfe  ge- 
in  grossen  Zügen  anbelangt,  so  haben  die  Lage  der  kommen,  welche  für  den  Grundriss  den  Versuch  einer 
umgebenden  Strassenzüge,  die  Nachbarschaft  der  Diagonallösung  mit  dem  Haupteingang  von  der  ge- 
neuen  Universitäts-Bibliothek  und  die  verhältniss-  brochenen  Ecke  gemacht  haben.  Es  hat  diese  An- 
mässige  Enge  der  Löwenstrasse  in  gleicher  Weise  nähme,  welche,  wenn  wir  recht  unterrichtet  sind,  auch 
zu  den  verschiedensten  Lösungen  geführt.  Gering  in  mehreren  Vorentwürfen  getroffen  war,  zu  einigen 
an  Zahl  sind  die  Entwürfe,  welche  den  Versuch  unter-  recht  glücklichen  und  scharfsinnigen  Lösungen  geführt, 
nommen  haben,  unter  Annahme  eines  grossen  Mittel-  wobei  die  Schwierigkeiten  aus  der  Diagonallösung, 
hofes  mit  derBebauung  annähernd  den  Bauplatzgrenzen  die  Zerschneidung  der  Räume  usw.  mit  grossem  Ge- 


Löwenstrasse  völlig 
zu  öffnen.  Die  gute 
Absicht  für  dieletzte- 
reAnnahme  ist  unver- 
kennbar; es  hat  sich 
indessen  gezeigt,dass 
bei  konzentrirter  An- 
lage und  bei  Gnip- 
pirungderRäume  um 
einen  oder  zwei  klei- 
nere bedeckte  regel- 
mässige oder  unbe- 
deckte Innenhöfe  die- 
se Absicht,  nämlich 
der  Löwenstr.  mög- 
lichst viel  Fläche  und 
damit  dem  Gebäude 
von  dieser  Seite  mög- 
lichst viel  Luft  und 
Licht  zuzuführen, 
auch  erreicht  werden 
kann.  Zu  der  An- 
nahme, an  der  Lö- 

i bestehende  Häusergruppe,  wenstrasse  den  Bauplatzgrenzen  mehr  oder  weniger 


529 


schick  gelöst  sind.  Man  hat  dabei  auch  versucht, 
einen  symmetrischen  Grundriss  zu  schaffen,  indem 
man  von  der  im  Programm  gebotenen  Möglichkeit 
Gebrauch  machte,  die  Räume  für  die  Universitäts- 
verwaltung in  einem  gesonderten  Gebäude  anzu- 
nehmen, dieses  an  die  östliche  alte  Baugruppe  anzu- 
schliessen  und  es  nach  Westen  durch  eine  offene  oder 
durch  Gänge  usw.  überbaute  Strasse  von  dem  Haupt- 
gebäude zu  trennen.  Dadurch  konnte  die  vielen  Be- 
werbern erwünschte  Regelmässigkeit  der  Baustelle, 
soweit  wir  zu  sehen  vermögen,  ohne  Zwang  hergestellt 
werden.  Auch  im  rechtenWinkel  gelagerte  Baugruppen 
mit  symmetrischer  Grundgestalt,  mit  der  Annahme  des 
Haupteinganges  gegenüber  der  Realschule  und  zweier 
quadratischer  Höfe  zu  Seiten  einer  Mittelhalle  sind 
versucht  worden  und  die  Verfasser  dieser  Entwürfe 
haben  dann  die  nothwendig  unterzubringenden  Räume 
in  einen  anschliessenden  langen  Flügel  entlang  der 
Beifortstrasse  gelegt.  Die  meisten  Verfasser  haben 
sich  entschlossen,  den  Haupteingang  am  westlichen 
Ende  der  Beifortstrasse,  in  unmittelbarer  Nähe  des 
Haupteinganges  zur  Universitäts-Bibliothek  anzulegen, 
weil  sie  der  richtigen  Meinung  waren,  dass  eine  mög- 
lichst nahe  Wechselbeziehung  zwischen  den  beiden 
Gebäuden  zu  schaffen  sei.  Einige  Vertreter  dieser 
Gruppe  haben  dann  zur  Erleichterung  des  Verkehres 
noch  den  Versuch  unternommen,  am  östlichen  Ende 
des  Bauplatzes  in  der  Beifortstrasse  einen  zweiten 
Haupteingang  anzunehmen. 

Die  grösste  Mehrzahl  der  Bewerber  hat,  unter  recht- 
winkliger Lagerung  der  Hauptmassen  des  Bauwerkes, 
eine  unsymmetrische  Gestaltung  des  Grundrisses  ange- 
nommen, einige  sind  der  Unregelmässigkeit  auch  in 
der  nicht  rechtwinkligen  Lagerung  der  einzelnen  Bau- 
gruppen zu  einander  gefolgt.  Dass  das  Bestreben 
vorlag,  die  Löwenstrasse  selbst  bis  zu  platzartigen 
Gestaltungen  zu  erweitern,  ist  natürlich  und  wurde 
bereits  berührt.  Es  fehlt  aber  auch  nicht  an  Ver- 
suchen, an  der  Ecke  der  Werder-  und  der  Beifort- 
strasse mit  einzelnen  Gebäudetheilen  mehr  oder  weni- 
ger hinter  die  Bauflucht  zurückzugehen.  Mit  wenigen 
Ausnahmen  erfolgte  diese  Annahme  jedoch  lediglich 
zum  Zwecke  einer  schönen  Gruppirung  der  Baumassen. 
Die  gegebenen  Bauplatzgrenzen  durften  in  nur  be- 
scheidenem Umfange  überschritten  werden;  es  hat 
jedoch  der  Wettbewerb  gezeigt,  dass  eine  nach  allen 
Gesichtspunkten  zweckmässige  Lösung  unter  Umstän- 
den eine  über  das  bewilligte  Maass  hinausgehende 
Ueberschreitung  erfordert,  die  unseres  Erachtens  an 
der  Beifort-  und  an  der  Werderstrasse  auch  unbe- 
denklich zugestanden  werden  könnte. 


Das  Raumprogramm  haben  wir  bereits  bei  der 
Ausschreibung  des  Wettbewerbes  in  grossen  Zügen 
besprochen.  Seine  Hauptschwierigkeit  gipfelte  neben 
der  zweckmässigen  Anlage  der  Raumgruppen  für  die 
einzelnen  Fakultäten  zu  einander  in  der  Unterbrin- 
gung der  Aula  und  der  grossen  Hörsäle.  Manche 
Bewerber  haben  geglaubt,  für  diese  unbedingt  Nord- 
licht wählen  zu  müssen  und  haben  danach  ihre  Grund- 
risse bisweilen  unter  Aufwendung  eines  grossen  Maasses 
von  Scharfsinn  gestaltet.  Indessen,  es  ist  diese  Forde- 
rung doch  keineswegs  als  eine  unbedingte  zu  betrachten, 
denn  selbst  die  ausgesprochene  Südlage  führt  in  unseren 
Breitegraden  unter  Umständen  und  bei  Universitäten 
zu  geringeren  Unzuträglichkeiten , als  die  ausge- 
sprochene Nordlage.  In  den  heissesten  Sommer- 
monaten sind  die  Universitäten  geschlossen  und  die 
heissen  Tage  der  übrigen  Monate  sind  so  gering  an 
Zahl,  dass  bei  ihnen  die  Südlage  kaum  als  eine 
Störung  empfunden  werden  kann.  Dagegen  wird  in 
den  langen  Wintern  der  Wunsch  nach  Sonne  häufig 
sich  regen,  ein  Wunsch,  den  die  Nordlage  nicht  zu 
befriedigen  vermag.  Ist  somit  die  Himmelsrichtung 
der  Hörsäle  nicht  in  solchem  Maasse  an  unumgäng- 
liche Bedingungen  geknüpft,  so  ist  es  dagegen  die 
Gestaltung  der  Hörsäle  in  sich.  Die  Ausnutzung  der 
Räume  hat  manche  Bewerber  dazu  geführt,  Hörsäle 
anzulegen,  in  welchen  entweder  der  Dozent  oder  die 
Hörer  ins  Licht  sehen;  beides  darf  nicht  der  Fall 
sein.  In  anderen  Entwürfen  wieder  haben  die  Hör- 
säle eine  so  ungünstig  lange  Form  erhalten,  dass  sie 
ihren  Zwecken  nur  unvollkommen  entsprechen.  Viel- 
fach ist  auch  versäumt  worden,  vor  der  Aula  das 
Maass  an  Raum  zu  schaffen,  welches  zum  plötz- 
lichen Ausströmen  einer  grösseren  Menschenmenge 
nöthig  ist. 

DieBaukosten waren  einschliesslich  derGründungs- 
arbeiten,  der  Wasser-  und  Entwässerungs-Leitungen, 
der  Heizungs-,  Lüftungs-  und  Beleuchtungs-Anlagen, 
jedoch  ausschliesslich  der  Kosten  für  die  Platzgestaltung, 
der  Einrichtung,  der  Planfertigung  und  Bauleitung  auf 
nur  I 700000  M.  angenommen.  Der  Wettbewerb  hat 
gezeigt,  dass  die  Ausführung  um  diese  Summe,  zwar 
mit  Mlen  Mitteln  der  Sparsamkeit  erreicht  werden 
könnte,  dass  indessen  doch  zur  möglichsten  technischen 
Vollendung  des  Gebäudes  bei  zugleich  massigem  künst- 
lerischem Aufwande  die  Erhöhung  der  Summe  auf 
etwa  2 500  000  M.  gefordert  werden  müsste.  Mit  dieser 
Summe  könnte  ein  Gebäude  geschaffen  werden,  welches 
nicht  allein  Nutzbau,  sondern  in  bescheidenem  Maasse 
auch  Kunstbau  sein  und  sich  so  harmonisch  in  das 
schöne  Stadtbild  von  Freiburg  ein  ordnen  würde.  — 

(Schluss  folgt) 


Billige  Schalungsdächer. 


ie  Dächer  mit  hölzerner  Dachschalung  sind  ausser- 
ordentlich verbreitet.  Neben  dem  Holzzement-Dach 
erfreut  sich  besonders  das  Pappdach  grosser  Be- 
liebtheit. Bei  allen  industriellen  Bauten,  wie  Fabrik-Ge- 
bäuden, Werkstätten,  Lagerhäusern  und  Schuppen  jeder 
Art  wird  es  fast  ausschliesslich  verwendet,  aber  auch  bei 
Scheunen,  Remisen,  Ställen  und  anderen  Bauten  für  den 
Betrieb  der  Landwirthschaft  wird  das  Pappdach  gern 
bevorzugt.  In  der  That  ist  das  Pappdach  eine  sehr  ge- 
eignete Bauweise.  Gegen  Funkenbewurf  von  aussen  her 
ist  es  unempfindlich  und  feuersicher.  Die  Wärmedurch- 
lässigkeit ist  gering.  Der  Wärmeverlust  bei  einem  Papp- 
dach mit  üblichen  Abmessungen  ist  etwa  ebenso  gross, 
wie  der  einer  30  starken  Wand  aus  Ziegelsteinen.  Bei 
guter  Unterhaltung  ist  die  Lebensdauer  des  Pappdaches 
verhältnissmässig  gross.  Schliesslich  aber,  und  das  ist 
wohl  der  Grund  seiner  allgemeinen  Verwendung,  ist  das 
Pappdach  zurzeit  die  absolut  billigste  Dachkonstruktion. 
Das  Pappdach  hat  nun  ein  sehr  geringes  Eigengewicht. 
Einschliesslich  des  Dachstuhles  wiegt  i qm  bei  10  m Stütz- 
weite bei  20  m Stützweite  63  kg.  Wählt  man  die 

Tangente  des  Neigungswinkels  -E,  so  ist  noch  eine  senk- 
recht wirkende  Wind-  und  Schneelast  von  100  kg^qm  zu 
berücksichtigen.  Jedem  nun,  welcher  unbefangen  Papp- 
dächer von  grösserer  Stützweite  betrachtet,  wird  es  auf- 
gefallen sein,  dass  für  diese  sehr  geringen  Belastungen 
eine  unverhältnissmässig  grosse  Materialmenge  verwendet 


wird.  Für  i q®  Grundfläche  enthält  ein  Pappdach  auf 
Polonceau-Dachstuhl  bei  10  “ Stützweite  ausschliesslich 
Schalung  5,4  kg  Eisen  und  0,037  cbm  Holz,  bei  20  m Stütz- 
weite ohne  Schalung  12  kg  Eisen  und  0,044  cbm  Holz.  Hier- 
bei ist  angenommen,  dass  die  gedrückten  Theile  des  Dach- 
stuhles aus  Holz  hergestellt  werden.  Bei  Verwendung  von 
Eisen  sind  die  Kosten  erheblich  höher. 

Bei  den  Pappdächern  wird  nun  ein  Konstruktionstheil, 
nämlich  die  Schalung,  sehr  wenig  in  Anspruch  genommen. 
Eine  einfache  Untersuchung  ergiebt,  dass  die  Schalung 
nicht  nur  imstande  ist,  die  Biegungsspannun^  durch  die 
Wind-  und  Schneelast,  sondern  auch  noch  die  Axialspannun- 
gen aufzunehmen,  welche  sonst  den  Obergurten  der  Dach- 
binder zufallen.  Das  Material  der  Obergurte  kann  daher 
ganz  gespart  werden.  Mit  anderen  Worten  ausgedrückt 
findet  man,  dass  Schalungsdächer  einen  Dachstuhl  über- 
haupt nicht  erfordern,  sondern  dass  eine  Armirung  der 
Schalung  ausreicht,  um  beliebige  Spannweiten  zu  über- 
decken. 

Die  Konstruktion  ist  nachstehend  an  zwei  Beispielen 
erläutert.  Abbildg.  i (Querschnitt)  und  Abbildg.  2 (Grund- 
riss ohne  Schalungsbretter)  stellen  einen  Schuppen  in, Holz- 
fachwerk dar.  Die  Schalungsbretter  liegen  in  der  Richtung 
der  Dachneigung,  die  Schalung  s stützt  sich  gegen  die 
Schwellen  f und  t.  Sie  wird  getragen  durch  die  Pfetten  g, 
welche  die  Belastung  mittels  der  Stützen  v auf  den  aus 
einem  U-Eisen  bestehenden  Untergurt  u übertragen.  Die 
Schwellen  t werden  durch  die  i^ialkraft  der  Schalung 

No.  83. 


530 


auf  Biegung  in  wagrechtem  Sinne  beansprucht  und  sind 
daher  durch  Meine  Sprengwerke  gestützt.  Die  doppelten 
schlaffen  Diagonalen  d sind  bei  gleichmässig  vertheilter 
Belastung  spannungslos,  also  überflüssig,  und  nur  ange- 
ordnet, um  die  bei  einseitiger  Schnee-  und  Windbelastung 
auftretenden  sehr  geringen  Spannungen  aufzunehmen.  Sie 
bestehen  aus  dünnen  Rundeisen.  Die  Binderkonstruktion 
ist  alle  3 m wiederholt. 

Im  vorliegenden  Falle  ist  eine  3 cm  starke  Schalung 
zu  verwenden,  welche  auf  die  Binderbreite  von  3“  die 

Fig.l, 


Die  Biegungsspannung  durch  die  äusseren  Kräfte  ergiebt 
sich  zu  10,3  Nimmt  man  schliesslich  noch  eine 

Einzellast  von  100  in  der  Mitte  zwischen  zwei  Pfetten 
auf  30  c“  Schalungsbreite  an,  und  betrachtet,  dieses  Stück 
der  Schalung  auf  der  einen  Seite  als  fest  eingespannt,  auf 
der  anderen  Seite  als  frei  aufliegend,  so  erhält  man  eine 
Beanspruchung  von  3i,3^g/qcm.  Imganzen  ist  sonach  die  Be- 
anspruchung der  Schalung  in  der  am  stärksten  gedrückten 
Faser  49,95  kq/qcm.  Die  Ausführung  dieses  Daches  hat  be- 
stätigt, dass  die  Bauweise  ausserordentlich  steif  ist.  Der 
Aufbau  Uess  sich  leicht  bewerkstelligen,  ohne  dass  eine  feste 
Rüstung  nöthig  wurde.  Dieses  Dach  enthält  ausschliesslich 
Schalung,  nur  etwa  die  Hälfte  des  Materiales  eines  Papp- 
daches auf  Polonceau-Dachstühlen.  Die  Mehrarbeit  der 
Binder  ist  gering,  sodass  sich  imganzen  die  Kosten  der 
neueren  Bauart  wesentlich  geringer  stellen  als  diejenigen 
eines  bisher  üblichen  Pappdaches  von  gleicher  Stützweite. 

In  Abbildg.  3,  4 und  5 ist  im  Querschnitt,  Grundriss 
ohne  Schalung  und  in  der  Ansicht  ein  18  “ breites  Fabrik- 
gebäude dargestellt.  Die  Schwellen  t sind  aus  Beton  mit 
der  Eiseneinlage  e geformt,  demnach  geeignet,  die  Hori- 
zontalspannung aufzunehraen.  Die  hölzerne  Mittelschwelle 
ist  durch  geschweisste  schmiedeiserne  Rohre  unterstützt. 
Der  Abstand  der  Binder  ist  4 Die  Wände  des  Gebäudes 
bestehen  aus  Betonpfeilern  mit  Eiseneinlage  und  dazwischen 
gesetzten  8 starken  Zementdielen.  Damit  die  Zementr 
dielen  nicht  unhandliche  Länge  erhalten,  sind  mit  2“  Ab- 
stand Zwischenpfeiler  angeordnet.  Die  Schwelle  t bildet 
gleichzeitig  die  Dachrinne,  so  dass  diese  empfindliche 
Stelle  aller  Bedachungen  in  solider  und  unvergänglicher 
Weise  konstruirt  ist.  Die  Feuersicherheit  derartiger  Ge- 
bäude ist  wesentlich  grösser,  als  die  von  massiven  Schuppen 
mit  Schalungsdächern  auf  Dachstühlen,,  deren  gedrückte 
Theile  aus  Holz  bestehen.  Während  dort  die  schweren 
Hölzer  beim  Herabstürzen  meistens  grossen  Schaden  an^ 
richten,  trägt  sich  hier  das  leichte  Dach  bis  zur  Zerstörung 
eines  grossen  Theiles  der  Dachschalung  selbst,  weil  die 
Axialspannung  nur  wenige  kg^qcm  ausmacht.  Da  die  Unter- 
gurte hier  in  den  Wänden  befestigt  sind,  verhindern  die- 


Fig  3,  Fig.5. 


Fig.  4. 


grösste  Axialspannung  nahe  dem  Auflager  von  7500  kg  er- 
hält. Die  Entfernung  der  Pfetten  ist  1 Das  erforder- 
liche Trägheitsmoment  der  Schalung  beträgt  daher  625. 
Das  Trägheitsmoment  der  Schalung  auf  3“  Breite  ist  675. 
Die  Axialspannung  der  Schalung  auf  i qcm  beträgt  8,35  kg. 


selben  auch  nach  dem  Zusammenbruche 
ein  Niederstürzen  des  Holzwerkes. 

Die  Form  des  Untergurtes  und  die  Lage 
der  Stützen  ist  so  gewählt,  dass  bei  gleich- 
mässig vertheilter  Belastung,  welche  hier 
allein  infrage  kommen  dürfte,  die  Axial- 
spannung der  Dachschalung  an  allen  Stellen 
konstant  ist,  und  dass  etwaige  Diagonalen 
in  den  Feldern  spannungslos  wären.  Die 
Diagonalen  konnten  daher  fortgelassen  wer- 
den. Für  die  Schalung  genügt  die  übliche 
Stärke  von  2,5  cm. 

Schuppen  nach  Abbildg.  3—5,  deren 
Wände  aus  unvergänglichem  Material  be- 
stehen und  dieselbe  Wärme-Isolation  be- 
sitzen, wie  Ziegelwände  von  1V2  Stein 
Stärke,  stellen  sich  nicht  viel  theurer,  als 
Holzfachwerk-Bauten. 

Die  beschriebenen  Konstruktionen  kommen  für  Stütz- 
weiten von  9— 20“  besonders  infrage,  sind  durch  angemel- 
dete Patente  geschützt  und  werden  in  Berlin  von  Stiebitz 
& Köpchen,  Charlottenburg,  Suarezstrasse  20,  ausgeführt. 
Berlin  1902.  Leschinsky,  Reg. -Baumeister. 


Vermischtes. 

Fischsterben  in  Flussläufen,  an  welche  Nothauslässe 
von  Stadtkanalisationen  anschliessen.  Die  Frage:  welche 
besonderen  Ursachen  es  sind,  die  nach  heftigem  Ge- 
witterregen, bei  welchen  Nothauslässe  in  Wirksamkeit 
treten,  das  oft  beobachtete  massenhafte  Fischsterben  her- 

15.  Oktober  1902. 


vorrufen,  ist  trotz  ihres  Alters  immer  noch  nicht  geklärt. 
Man  weiss  nicht,  ob  die  mechanische  Verstopfung  der  Kie- 
men derFische,  diebei  massenhafter  Zuführungvon  Schmutz 
stattfindet,  ob  der  durch  rasche  Oxydation  der  Schmutz- 
stoffe organischer  Herkunft  verminderte  Sauerstoffgehalt 
des  Flusswassers,  ob  endlich  Gewitterregen  die  Ursache 
ist,  welche  jene  Erscheinung  hervorruft.  Das  Fischsterben 


531 


ist  um  so  räthselhafter,  als 
nach  vielfachen  Beobach- 
tungen es  sich  einstellt, 
wenn  Gewitterregen  fallen, 

dagegen  nicht  bemerktwirf!, 

wenn  es  sich  um  gleich 
starke  Regenfälle  handelt, 
die  ohne  Gewittererschei- 
nungen niedergehen.  Mög- 
licherweise spielten  auch 
Besonderheiten  des  Fluss- 
wassers und  der  Schmutz- 
stoffe,  welche  die  Nothaus- 
lässe  dem  Flusse  zuführen, 
eine  Rolle,  so  dass  es  nöthig 
sein  würde,  um  zur  Klärung 
der  Frage  zu  gelangen, 
besondere  Untersuchungen 
für  jeden  einzelnen  Fluss- 
lauf anzustellen.  Für  die 
Spree,  an  der  nach  schwe- 
renGewitterregen  dasFisch- 
sterben  seit  Jahren  beob- 
achtet werden  konnte,  will 
man  endlich  mit  einem  ge- 
naueren Studium  der  Frage 
Emst  machen,  nachdem  ein 
Fischer  den  Klageweg  ge 
gen  die  Stadt  betreten  und 
ein  obsiegendes  Erkennt- 
niss  erstritten  hat.  Es  sollen 
nach  einer  Mittheilung  in 
der  N.-Z.  systematische  Un- 
tersuchungen des  Spree- 
wassers im  Weichbilde  der 
Stadt  angestellt  werden,  für 
die  vorläufig  die  Dauer  von 
mindestens  drei  Jahren  in 
Aussicht  genommen  ist.  Sie 
sollen  sich  auf  den  Nach- 
weis des  Sauerstoff-j  Koh 
lensäure-  und  Stickstoffge 
haltes,  äufAmmoniak, Chlor 
Schwefelwasserstoff  usw. 
Sumpfgase,  Mineralsloffe 
thiens^e  und  pflanzl.  Or 
ganismen  usw.  erstrecken 
Die  Deputation  für  die 
städtischen  Kanalisations 
werke  hat  eine  Subkom- 
mission eingesetzt,  welche 
die  Angelegenheit  vorbe- 
rathen  und  späterbestimmte 
Vorschläge  machen  soll.  — 
Verwerthung  der  Kalk« 
rückstäude  der  Acetylen - 
Gasanstalten.  Nach  einem 


Entwurf  , Deutschem  Geiste  eine  Warte"  der  Hrn. 
Schulz  & Schlichting  in  Berlin.  Ein  IV.  Preis. 


Entwurf  von  Prof.  Friedr.  Ratzel 
in  Karlsruhe.  Ein  IV.  Preis. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  ein  neues 

Kolleglen-Gebäude  der  Universität  Freiburg  1.  Br. 


532 


No.  83. 


den  königl.  Eisenbahn-Direktionen  zugegangenen  Erlasse  dem  gewöhnlichen  Mörtel  in  seiner  Bindekraft  in  keiner 
des  preussischen  Herrn  Ministers  der  öffentlichen  Ar-  Weise  nach;  er  eignet  sich  daher  wohl  für  Maurerarbeiten 
beiten  steht  der  Acetylenkalk,  wenn  er  auch  nicht  als  untergeordneter  Bauwerke.  Die  Kalkrückstände  haben  sich 


Mörtel  für  Maurerarbeiten  erstklassiger  Bauwerke  zu  ferner  zum  Anstreichen  von  Grenz- und  Prellsteinen,  Keller-, 
empfehlen  ist,  in  Verbindung  mit  einem  geringen  Zusatze  Schuppen-  und  Werkstattsräumen,  Wärterhäusern,  Abort- 
von  anderem  Kalk  oder  als  verlängerter  Zementmörtel  und  ähnlichen  Anlagen  gut  bewährt  und  hierbei  haltbarer 

15.  Oktober  1902. 


533 


als  der  gewöhnliche  Kalk  erwiesen.  Ueber  die  bei  weiterer 
V er  werthung  der  Kalkrückstände  für  die  Zwecke  der  eigenen 
Verwaltung  gemachten  Erfahrungen  sollen  die  Direktionen 
bis  zum  I.  April  1904  berichten.  — Bl. 

Eine'  ÄrV  Honorärriörm  für  Architekten  hat  die  Stadt 
Paris  für  ihre  öffentlichen  Bauten  nach  langen  Verhand- 
lungen aufgestellt,  die  bei  den  bestehenden  bedeutenden 
Ausführungen  zur  Anwendung  kommen  soll.  f)ie  Fest- 
setzung hat  in  der  Weise  stattgefunden,  dass  Bauwerke 
von  grösserem  Kostenaufwände  mit  weniger  als  5 % der 
Bausumme,  kleinere  Bauten  mit  rhehr  als  5 % in  Rech- 
nung gestellt  werden.  , Im  allgemeinen  sollen  in  der  Zu- 
kunft folgende  Sätze  für  die  Honorirung  gelten: 

4%  bei  Ausführungskosten  über  800000  M. 

4V2%h  V von  600000—800000 

5%  „ 400000—600000  „ 

6%  „ „ unter  200000  „ 

Es  bleiben  der  Stadtverwaltung  an  diesen  Sätzen  jedoch 
auch  Aenderungen  je  nach  der  Bedeutung  des  Gegen- 
standes Vorbehalten.  — 

Mack’s- Feuerschutz-Mantel.  Dass  die  Fabrikate  der 
Mack’schen  Gipsdielen-Fabriken,  wie  verschiedene  Feuer- 
proben erwiesen  haben,  selbst  nicht  brennen,  die  Wärme 
schlecht  leiten  und  daher  als  Feuerschutz  von  Holz-  und 
Eisenkonstruktion  sehr  wohl  zu  verwenden  sind,  ist  be- 
kannt. Der  ausgedehnten  Anwendung  zu  diesem  Zwecke 
stand  aber  bisher  die  starre  Form  der  Gipsdielen  im  Wege. 
Die  Firma_  fertigt  jetzt  aufrpllbare  Gipsdielen  (D.  R.  G.  M. 
156299),  die  aus  1,5  oder  2 cm  starken,  trapezförmigen 
Latten  des  gleichen  Materials  bestehen,  die  auf  Jutestoff 
aufgeklebt  sind,  sodass  Tafeln  von  0,66“  Breite  zu  1,50“ 
Länge  entstehen,  die  sich  gerollt  bequem  transportiren 
und  allen  Formen  anpassen  lassen.  Abbildg.  i zeigt  die 


Afabildg.  3. 


Fugen  init  Mörtel  ausgestrichen,  den  Beschluss  bildet  ein 
lomm  starker  Putz.  Für  provisorische  Bauten  genügt  unter 
Umständen  der  Mörtelausstrich  der  Fugen  allein.  Der  Man- 
tel wird  auch  umgekehrt  verwendet  mit  dem  jutegewebe 
nach  aussen,  das  in  diesem  Falle  nur  einen  ganz  schwachen 
Verputz  erhält.  Die  Decken  trocknen  dann  besonders 
rasch  aus.  Die  Preise  für  diese  3 Arten  der  Ausführung 
stellen  sich  je  nach  den  besonderen  Verhältnissen  auf 
2,2 — 2,5;  2 — 2,2;  1,8—2  M.  für  I q“  und  bei  2 cm  dickem 
Schützmantel.  Der  Preis  des  Mantels  allein  ist  1,25  bezw. 
1,35  M.  für  I qm  bei  1,5  bezw.  2 cm  Stärke.  Das  Gewicht 
ist  verhältnissmässig  gering,  nämlich  15  bezw.  iS^g  für 
i_qm.  Abbildgn.  2 und  ,3  zeigen  die  Ummantelung  von 
eisernen  Unterzügen  und  Säulen.  Hier  ist  zunächst  eine 
Unterlage  für  die  Befestigung  des  Mantels  herzustellen. 
Diese  erfolgt  durch  in  50  cm  Abstand  eingelegte  Doppel- 
drähte, die,  mit  Gipsmörtel  beworfen,  Ringe  um  den  Kon- 
struktionstheil  bilden,  welche  als  Lehren  für  den  Mantel 
dienen  und  an  denen  der  letztere  mit  verzinkten  Draht- 
stiften befestigt  werden  kann'.  Dann  wird  die  fertige  Um- 
hüllung spiralförrnig  mit  Draht  umzogen  und  geputzt.  Die 
Kosten  stellen  sich  hier  entsprechend  der  schwierigeren 
Ausführung  natürlich  etwas  höher,  nämlich  auf  3 — 3,5  M. 
für  1 qm. 

Das  Material  erscheint  geeignet,  sich  ein  grösseres 
Anwendungsgebiet  zu  schaffen.  — 

534 


Die  alten  Kunstdenkmäler  auf  dem  „Deutschen  Katho- 
likentag“ in  Mannheim.  Der  „Deutsche  Katholikentag“  in 
Mannheim,  welcher  in  den  letzten  Tagen  des  August  ab- 
gehalten wurde,  hat  den  folgenden  Antrag  zum  Schutze 
der  alten  Kunstdenkmäler  angenommen: 

„Die  Generalversammlung  bittet  den  hochwürdigen 
Klerus  und  die  verehrlichen  Kirchenvorstände,  bei  der 
Restaurirung  sämmtlicher  Kunstdenkmäler  aller  Stil- 
perioden die  grösste  Vorsicht  zu  beobachten,  insbesondere: 

1.  Die  Bauten  jn  den  historisch  überlieferten  Formen 
zu  erhalten,  insoweit  nicht  künstlerische  Erfordernisse  oder 
praktische  Rücksichten  Aenderungen  unbedingt  erheischen. 

2.  Die  Ausstattungs-  und  Gebrauchsgegenstände,  wel- 
cher Zeit-  und  Kunstrichtung  sie  angehören  mögen,  gegen 
■weitere  Beschädigungen  namentlich  auch  durch  unvor- 
sichtige Reinigungen  zu  schützen  und  nur  in  den  aller- 
dringlichsten  Fällen  und  mit  der  grössten  Zurückhaltung 
zu  restauriren. 

3.  Alle  Gegenstände,  die  für  den  kirchlichen  Gebrauch 
gar  nicht  mehr  verwendbar  sind,  entweder  in  den  Schatz- 
kammern aufzübewahren , oder  den  öffentlichen  Museen 
kirchlicher  bezw.  weltlicher  Art  zu  überlassen,  dieselben 
aber  keineswegs  an  Händler  oder  an  Liebhaber  zu  ver- 
äussern.“ 

Im, Weiteren  wird  die  Unterstützung  der  deutschen 
Gesellschaft  für  christliche  Kunst  empfohlen.  — 

Ein  Denkmal  für  Ernst  Dircksen,  den  Erbauer  der 
Berliner  Stadteisenbahn,  von  Freunden  und  Verehrern 
des  Verstorbenen  gestiftet,  ist  am  13.  d.  M.  in  Gegenwart 
des  Hrn.  Ministers  d,  öffentl.  Arbeiten  Budde,  Vertretern 
des  Reiches  und  der  Stadt,  der  technischen  Hochschule 
und  ihrer  Studentenschaft,  sowie  der  Familie  des  Gefeier- 
ten und  zahlreicher  Ingenieure,  die  aus  der  Dircksen’- 
schen  Schule  hervorgegangen  sind , enthüllt  worden. 
Dieses  Denkmal,  eine  Bronzebüste  auf  schlichtem  Granit- 
sockel, von  Prof.  Brunow  in  Berlin  modellirt,  hat  in 
dem  Westportal  des  Bahnhofes  Friedrichstrasse  vor 
dem  Eingang  zum  Kaiserzimmer,  also  an  hervorragen- 
der Stelle  im  Mittelpunkte  des  Verkehrs  und  vor  dem 
Hauptwerke  des  Gefeierten,  das  seinen  Ruf  als  den  eines 
hervorragenden  Ingenieurs  begründet  hat,  Aufstellung 
gefunden.  Hr.  Geh.  Ob.-Brth.  Sarrazin  hielt  als  Vor- 
sitzender des  Denkmal-Ausschusses  die  Festrede,  in  wel- 
cher _ er  einen  kurzen  Abriss  von  dem  Leben-  und  der 
Thätigkeit  Dircksens*)  gab  und  seine  hervorragende  Be- 
deutung als  Ingenieur  darauf  zurückführte,  dass  er  es  ver- 
standen habe,  in  jeder  Aufgabe,  sowohl  der  grössten  wie 
der  kleinsten,  den  wissenschaftlichen  Kern  herauszuschälen 
und  dann  bei  der  Uebertragung  seines  Gedankens  in 
die  Wirklichkeit  die  praktischste  Form  zu  finden.  Mit  der 
Enthüllung  des  schlichten,  dem  einfachen  Wesen  Dircksens 
ensprechenden  Denkmals  schloss  die  würdige  Feier.  — 

Musterbuch  für  Treppen  usw.  von  H.  Fritzsche.  Be- 
richtigend haben  wir  zu  dieser  Notiz  in  No.  81  zu  bemerken, 
dass  die  Firma  ihren  Sitz  in  Leipzig  und  nicht  in  Dres- 
den hat.  — 

Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine. 
Der  Ortsausschuss  der  letzten  Wanderversammlung 
des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Inge- 
nieur-Vereine zu  Augsburg  theilt  mit,  dass  von  den 
3 Festschriften  noch  eine  beschränkte  Anzahl  vorhan- 
den sind,  die  zusammen  an  die  Hrn.  Verbands-Mitglieder 
zum  Vorzugspreise  von  16  M.  (Ladenpreis  20  M.)  ab- 
gegeben werden;  es  nimmt  Bestellungen  hierauf  der 
Schriftführer,  Hr.  Ing.  A.  Niederreiter  im  Stadtbauamt 
Augsburg,  entgegen.  — 

Todtenschau. 

Dombaumeister  Geheimer  Regierungsrath  Richard  Voigtei 
in  Köln  a.  Rh.  -j-.  In  Köln  a.  Rh.  erlag  am  28.  Sept.  der 
Dombaumeister  des  Kölner  Domes,  Geheimer  Regierungs- 
rath_  Richard  Voigtei,  den  Folgen  eines  vorausgegangenen 
Gehirnschlages  im  Alter  von  73  Jahren.  Mit  dem  Ver- 
storbenen ist  ein  Fachgenosse  dahingegangen,  dessen  Name 
auf  immer  mit  dem  grössten  Lebenswerke,  das  einem 
Künstler  beschieden  sein  kann,  verknüpft  ist:  mit  der 
Vollendung  des  stolzenWahrzeichens  des  deutschen  Nieder- 
rheines,  des  Kölner  Domes.  Indessen,  es  mag  gleich  vor- 
ausgeschickt werden:  die  Bedeutung  Voigteis  lag  nicht  in 
erster  Linie  auf  künstlerischem  Gebiete,  sondern  in  der 
ungemeinen  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit,  mit  welcher  er 
den  ungewöhnlichen  und  grossen  konstruktiven  Schwierig- 
keiten des  seltenen  Werkes,  dem  er  sein  Leben  gewidmet 
hatte,  gerecht  wurde. 

*)  Vergl.  den  Nachruf  in  No.  40  Jahrg.  1899  der  Dtschn.  Bztg. 

No.  83. 


Voigtei  wurde  am  31.  Mai  1829  in  Magdeburg  geboren. 
Seine  Studien  machte  er  auf  der  Berliner  Bauakademie. 
Im  Anfänge  der  fünfziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts 
wurde  er  mit  Dombaumeister  Zwirner  in  Köln  bekannt,  zu 
dem  er  nach  Ablegung  der  Baumeister-Prüfung  in  dienst- 
liche Beziehungen  trat.  Die  ersten  Arbeiten  Voigteis  waren 
der  Bedachung  des  Domes  und  der  Lösung  der  Frage 
der  Vierungsbekrönung  gewidmet.  Die  Einwölbung  des 
Lang-  und  des  Querschiffes,  die  Errichtung  des  Strebe- 
systems für  dieselben  waren  seine  erste  und  selbständige 
Arbeit,  bei  welcher  seine  konstruktive  Umsicht  auf  eine 
harte  Probe  gestellt  wurde,  die  er  glänzend  bestand.  Es 
folgten  die  Einsetzung  der  Glasfenster,  die  Beseitigung 
des  Nothdaches  und  der  alten  Chorabschlusswand,  sodass, 
nachdem  nunmehr  das  Innnere  sich  in  nahezu  voller  Er- 
scheinung darbot,  zum  Ausbau  der  Thürme  und  der  Um- 
gebung des  Domes  geschritten  werden  konnte.  Nach 
der  Erschliessung  des  Inneren  1863  folgte  schon  1865 
die  Anlage  der  Terrasse  mit  Freitreppe  und  Brunnen 
hinter  dem  Chor  gegen  den  Rhein,  während  die  am  Nord- 
thurm begonnenen  Versetzarbeiten  gleichzeitig  so  gefördert 
wurden,  dass  der  Thurm  schnell  bis  zu  einer  stattlichen 
Höhe  emporwuchs,  sodass,  als  1868  der  ehrwürdige  Dom- 
krahn  beseitigt  war,  die  Arbeiten  auf  beide  Thürme  er- 
streckt werden  konnten.  Es  verdient  der  rasche  Fortschritt 
der  Arbeiten  bei  Ueberwindung  ungewöhnlicher  konstruk- 
tiver Schwierigkeiten  für  Gerüst  und  Thürme  besonders 
bemerkt  zu  werden.  Am  15.  Okt.  1880  beging  Deutschland 
festlich  die  Vollendung  der  Thürme.  Neben  den  Thurm- 
arbeiten entstand  die  neue  Sakristei.  Nach  Vollendung 
der  Thürme  waren  die  Arbeiten  Voigteis  hauptsächlich 
auf  die  Umwandlung  der  Domdächer  in  Eisen  und  auf 
die  dekorative  Ausschmückung  hauptsächlich  der  Portale 
und  des  Inneren  gerichtet.  Während  bei  dieser  zahlreiche 
Künstler  von  ausserhalb  der  Dombauhütte  thätig  waren, 
war,  unter  Mitwirkung  hauptsächlich  von  Franz  Schmitz, 
des  späteren  Dombaumeisters  von  Strassburg,  der  Entwurf 
der  Thürme  hauptsächlich  das  Werk  Voigteis,  bei  welchem 
ihm  eine  Zeichnung  des  14.  Jahrh.  als  bescheidene  Grund- 
lage diente.  Als  die  Thürme  vollendet  waren,  beurtheilte 
man  sie  und  auch  die  neue  Sakristei  unter  einem  anderen 
Gesichtspunkte,  als  es  heute  der  Fall  ist.  Das  schmälert 
aber  nicht  das  Verdienst  des  Verstorbenen,  der  doch  nur 
ein  Kind  seiner  Zeit  sein  konnte.  Jedenfalls  gebührt  ihm 
die  'Anerkennung,  welche  ihm  der  Dombauverein  mit 
den  Worten  zollte:  „Was  deutscher  Geist,  deutsche  Kraft 
und  deutsche  Ausdauer  vermögen,  steht  in  unserem  Dome, 
dem  Sie  in  treuer,  zielbewusster  Hingebung  den  grössten 
Theil  Ihres  Lebens  gewidmet  haben,  für  alle  Zeiten  ver- 
körpert ...  So  wird  Ihr  Name  mit  dem  Kölner  Dome 
unvergänglich  verbunden  bleiben."  — 


Bücherschau. 

Berliner  Kalender  1903.  Herausgegeben  vom  Verein  für 
die  Geschichte  Berlins.  Zwölf  Monatsbilder  aus 
Berlin  zur  Zeit  des  Grossen  Kurfürsten  von  Georg 
Barlösius.  Redaktion : Konservator  Prof.  Dr.  Georg 
Voss.  Verlegt  bei  Fischer  & Franke,  Berlin.  — 

In  ansprechender  künstlerischer  Gestalt  will  der  Ber- 
liner Kalender  das  Interesse  weiterer  Kreise  für  die  mehr 
und  mehr  schwindenden  Baudenkmäler  der  Vergangenheit 
Berlins  wecken.  „Wir  Berliner  sind  stolz  auf  die  glänzende 
Entwicklung  unserer  Stadt.  Doch  wer  die  schöne  Stadt 
an  der  Spree  so  recht  von  Herzen  lieb  hat,  sieht  mit 
Schmerzen,  dass  bei  dem  stürmischen  Anwachsen  des 
modernen  Häusermeeres  viele  der  theuersten  Erinnerungen 
an  das  alte  Berlin  und  seine  denkwürdige  Geschichte  ver- 
nichtet werden."  In  der  Form  eines  „Hausbuches  im 
besten  Sinne  des  Wortes“  will  der  Kalender  diese  Er- 
innerungen wach-  und  das  Verschwindende  im  Bilde  fest- 
halten.  Einem  durch  die  kraftvollen  Zeichnungen  von 
Georg  Barlösius  geschmückten  Kalendarium  folgen  kurze, 
reich  illustrirte  Aufsätze  von  Schriftstellern,,  deren  Namen 
in  der  Geschichtsschreibung  der  Stadt  Berlin  einen  guten 
Klang  haben.  Die  Aufsätze  behandeln  u.  a.  die  Porzellan- 
manufaktur Friedrichs  des  Grossen,  den  Berliner  Roland, 
das  TabakskoUegium  Friedrich  Wilhelms  L,  das  Haus  des 
Ober-Verwaltungsgerichts  am  Gendarmen-Markt,  die  Hanse- 
stadt Berlin,  das  Prunkschiff  König  Friedrich  L,  das  Schwe- 
rin’sche  Haus  am  Molkenmarkt,  Schloss  Monbijou  usw. 
Es  ist  ein  sehr  verdienstvolles  Unternehmen,  welches  mit 
der  Herausgabe  des  „Berliner  Kalenders"  angebahnt  ist.  — 
Der  Rote  Adler.  Brandenburgischer  Kalender  füri903.  Unter 
Mitwirkung  von  Ernst  Friedei,  Geh.  Reg.-Rath  und 
Stadtrath.  Herausgegeb.  von  Robert  Mielke.  Verlag 
von  Martin  Oldenbourg,  Berlin.  Preis  i M.  — 

Der  Rote  Adler-Kalender  erschien  zum  ersten  Male 
für  1902.  Er  will  die  Heimathkunde  pflegen.  Einem  ein- 

15.  Oktober  1902. 


fachen  Kalendarium  folgten  im  vergangenen  Jahre  illu- 
strirte Beschreibungen  interessanter  Kunst-  und  Kultur- 
stätten aus  der  Mark  Brandenburg;  so  fanden  Wiedergabe 
der  Kreuzgang  von  St.  Pauh  in  Brandenburg;  das  Seddiner 
Königsgrab;  der  Dom  zu  Havelberg  mit  dem  Grabmal  des 
Bischofs  Wopelitz;  Stadt  und  Burg  Lenzen;  Lindow; 
Schloss  Wiesenburg;  der  Juliusthurm  in  Spandau;  der 
Blumenthal;  Buch;  Königsberg  i.  N.;  Oderberg;  Kloster 
Himmelpfort;  Dobrilugk  usw.  In  diesem  Jahre  ist  der 
Inhalt  wesentlich  verbessert.  Das  Kalendarium  ist  durch 
G.  Barlösius  in  Berlin,  welcher  in  seiner  schönen  Art 
für  jeden  Monat  ein  märkisches  Städtebild  zeichnete,  zu 
einem  künstlerisch  werthvollen  Theile  des  Kalenders  er- 
weitert worden.  Der  künstlerische  Nachlass  der  Ver- 
gangenheit, die  Schönheit  der  märkischen  Landschaft  und 
das  Wirken  der  Geschlechter  und  Gemeinwesen  gelangen 
auch  im  neuen  Jahrgang  zur  Darstellung.  Es  werden  ge- 
schildert und  im  Bilde  vorgeführt  Kloster  Heiligengrabe 
in  der  Priegnitz;  Kloster  Neuzelle  a.  d.  Oder;  Lychen  in 
der  Uckermark  und  Burg  Rabenstein  bei  Belzig;  Klein- 
Machnow  bei  Potsdam  nsw.  Ein  Minnelied  von  Otto  IV. 
mit  dem  Pfeil,  Markgrafen  von  Brandenburg,  ziert  in  der 
Schriftart  des  Mittelalters  die  innere  Umschlagseite.  Der 
Rote  Adler-  und  der  Berliner  Kalender  — der  Kunstfreund 
wird  an  ihnen  nicht  vorübergehen.  — 

Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Monuraents  de  I’Art  Arabe.  Exercice  1901.  Fascicule 
dix-huitieme.  Le  Caire  1901.  Imprimerie  de  I’Institut  Fran^ais 
d’Archeologie  Orientale. 

Neumeister,  A.,  Prof.  Deutsche  Konkurrenzen.  XIV.  Bd., 
Heft  4,  No.  160:  Hospital  und  Wohnhäuser  für  Köthen; 
Heft  5,  No.  161:  Museum  für  Münster;  Heft  6,  No.  162: 
Sparkasse  für  Bremerhaven,  Heft  7,  No.  163:  Rathhaus  für 
Hamborn.  Leipzig  1902.  Seemann  & Co.  Pr.  des  Heftes 
1,80  M.;  für  den  Bd.  (12  Hefte  mit  Beiblatt)  15  M. 

Pinner , A.  Einweihung  des  Hofmann-Hauscs  am 
20.  Okt.  1900.  Berlin  1901.  R,  Friedländer  & Sohn. 
Prange,  Otto,  Dr.  Die  Theorie  des  Versicherungs- 
werthes  in  der  Feuerversicherung.  Th.  2.  Die 
Praxis  der  Versicherungswerth-Ermittelung,  i.  Bch.  Die 
Ermittelung  des  Versicherungswerthes  von  Baulichkeiten.  Mit 
einem  Sachregister  zu  Th.  i und  zum  vorliegenden  Buche. 
Jena  1902.  Gustav  Fischer.  Pr.  5 M. 

Prenner,  Dr.  Der  gewerbliche  Arbeitsvertrag  nach 
deutschem  Recht.  Ein  Leitfaden  vornehmlich  für 
Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer.  München  1902.  C.  H.  Beck 
(Oskar  Beck).  Pr.  i M. 

Oubert,  Adolphe.  Arbeits-Bedingungen  bei  Sub- 
missionen. Die  zugunsten  der  Arbeiter  aufgestellten 
Bedingungen,  denen  die  Behörden  bei  Vergebung  öffentlicher 
Arbeiten  die  Unternehmer  unterwerfen.  Autorisirte  Ueber- 
setzung  von  Dr.  jur.  Franz  Hauptvogel.  Leipzig  1902.  Theodor 
Weicher.  Pr.  3 M.,  geb.  3,80  M. 

V.  Rohrscheidt,  K.,  Reg.-Rath.  Gewerbearchiv  für  das 
Deutsche  Reich.  Sammlung  der  zur  Reichsgewerbe- 
ordnung ergehenden  Abänderungs-Gesetze  und  Ausführungs- 
Bestimmungen  der  gerichtlichen  und  verwaitungsgerichtlichen 
Entscheidungen  der  Gerichtshöfe  des  Reichs  und  der  Bundes- 
staaten, sowie  der  wichtigsten,  namentlich  interpretatorischen 
Erlasse  und  Verfügungen  der  Zenti'albehörden.  Bd.,  4.  Heft. 
Berlin  1902.  Franz  Vahlen.  Pr.  3 M. 

Schmidt,  Hans.  Die  Ar  c h i t e k t u r - P h 0 t 0 g r a p hi  e unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  Plastik  und  des  Kunstge- 
werbes. 14.  Bd.  der  photographischen  Bibliothek.  Berlin 
1903.  Gustav  Schmidt.  Pr.  4 M. 

Schroeder,  Alb.  & A.  Klapper.  Unterrichtsstoff  eines 
Vorbereitungskursus  für  die  theoretische 
Meisterprüfung  im  Handwerk.  Wiesbaden  1903. 
Selbstverlag. 

Schub ert,  Carl.  Tabelle  zur  Berechnung  des  Cubik- 
inhaltes  von  Bauhölzern,  i.  Aufl.  Essen  a.  d.  Ruhr 
1902.  Selbstverlag. 

Schuster,  C.  Die  Oelfarbentechnik  der  Landschafts- 
malerei. Anleitung  zum  Malen  nach  der  Natur  für  An- 
fänger und  Dilettanten.  Zürich  und  Leipzig  1898.  Karl 
Henckell  & Co. 

Uebersichtsplan  von  Berlin.  Maasstab  i : 4000.  Kupfer- 
stich in  Sfarbiger  Darstellung.  Blatt  III,  M/R.,  IV.  H.,  IV.  D.. 
IV.  I.  u.  IV.  T /O.  Berlin  igo2.  Jul.  Straube.  Pr.  jed.  BI.  2 M. 
Veröffentlichungen  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Volksbäder.  7.  Heft  (Schluss  des  i.  Bd.)  Berlin 

1902.  August  Hirschwald. 

Wiesengrund,  Beruh.  Dr.  DieElektrizität,  ihre  Erzeugung, 
praktische  Verwendung  und  Messung,  für  Jedermann  ver- 
ständlich kurz  dargestellt.  Theilweise  bearbeitet  von  Prof. 
Dr.  Russner.  5.  Aufl.  Frankfurt  a.  M.  1903.  H.  Bech- 
hold.  Pr.  I M. 

Zitelmann,  Georg,  Dir.  Lehrhefte  für  Gewerbeschulen. 
I.  Das  bürgerliche  Wohnhaus,  Textheft  u.  Atlas.  Wiesbaden 

1903.  Heinrich  Heuss.  Textheft  50  Pf.  und  Atlas  3,50  M. 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Hallenschwimmbad  Pforzheim.  Der  Stadt- 
rath von  Pforzheim  hat  beschlossen,  den  in  der  engsten 
Wahl  gewesenen  Entwurf  mit  dem  Kennzeichen  eines 
Wappens  der  Hrn.  Böklen &Feil  in  Stuttgart  anzukaufen. 


535 


Wettbewerb  Bismarckthurm  Chemnitz.  Es  sind  über 
200  Entwürfe  eingegangen,  die  in  nächster  Zeit  in  der 
Aula  der  Technischen  Staatslehranstalten  öffentlich  aus- 
gestellt werden.  — 

Dem  Preisgericht  der  deutsch-natlonalenKunstausstellung 
in  Düsseldorf  gehört  als  Architekt  Hr.  kgl.  ßrth.  Heinrich 
Kayser-Berlin  an.  — 


Chronik. 

Die  Cistercienser-Klosterkirche  in  Mühlberg  a.  E.  Die 

Wiederherstellung  der  Cistercienser-Klosterkirche  in  Mühlberg  a. 
Elbe,  eines  der  ältesten  frühmittelalterlichen  Backsteinbauten  der 
Provinz  Sachsen,  ist  eingeleitet.  — 

National-Denkmal  für  Viktor  Scheffel  in  Eisenach.  Zur 
Errichtung  eines  deutschen  National-Denkmales  für  Viktor  Scheffel 
auf  der  Wartburg  hat  sich  ein  Comite  gebildet,  welches  zu  diesem 
Zwecke  Geldmittel  im  Betrage  von  250000  M.  beschaffen  will.  — 
Krematorium  in  Karlsruhe.  Die  Errichtung  eines  Krema- 
toriums auf  dem  östlichen  Friedhofe  in  Karlsruhe  ist  mit  einem 
Aufwande  von  gegen  70000  M.  geplant.  — ■ 

Ein  Denkmal  der  Grossherzogin  Alice  von  Hessen  in 
Darmstadt  ist  am  12.  Sept,  d.  J.  enthüllt  worden.  Das  die  Grund- 
form des  Obelisken  zeigende  Denkmal  wurde  nach  dem  gemein- 
samen Entwürfe  des  Architekten  Franz  Rank  in  München  und 
Bildhauer  Ludwig  Habich  in  Darmstadt  ausgeführt.  — 

Die  neue  Hochschule  für  die  bildenden  Künste  in  Berlin- 
Charlottenburg,  die  nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Kayser 
& von  Groszheim  in  Berlin  ihrer  Vollendung  entgegengeht,  soll 
Anfang  November  eingeweiht  werden.  — 

Mainhafen  in  Öffenbach.  Der  mit  einem  Kostenaufwande 
von  rd.  2 Mill.  M.  angelegte  neue  Mainhafen  in  Offenbach  ist  am 
15.  Sept.  dem  Verkehre  übergeben  worden.  — 

Ein  neues  Theater  in  Berlin  nach  Bayreuther  Vorbild 
ist  den  Tagesblättern  zufolge  auf  der  Grundlage  einer  Summe  von 
4 Mill.  M.  durch  Dir.  Brahm  geplant.  Man  darf  gespannt  sein,  ob 
der  interessante  Plan  verwirklicht  wird.  — 

Beamtenwohnungen  in  Berlin.  Am  14.  Sept.  d.  J,  weihte 
der  Beamten-Wohnungsverein  in  Berlin  16  neue  Häuser  an  der 
Greifenhagener-,  Rodenberg-,  Scherenberg-  und  Wichertstrasse  beim 
Ringbahnhof  Schönhauser  Allee  ein.  Die  Bauten  umfassen  189 
Wohnungen,  7 Läden  mit  Wohnungen  und  i Saal.  Bei  der  Feier 
wurde  verkündet,  dass  das  Staatsministerium  weitere  1,5  Mill.  M. 
zum  Bau  von  Beamtenwohnungen  zur  Verfügung  gestellt  habe.  — 
Monumentalbrunnen  der  Wien  - Einwölbung  ln  Wien. 
Auf  der  Wien-Einwölbungsöffnung  nächst  dem  Stadtpark  soll  sich 
nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Ob.-Brth.  Prof.  Ohmann  und 
Hackhofer,  sowie  unter  Mitarbeit  des  Bildhauers  Alfred  Strasser 
ein  Monumentalbrunnen  mit  reichstem  figürlichem  Schmuck  erheben, 
für  welchen  ursprünglich  860000  Kr.  vorgesehen  waren.  Durch 
verschiedene  Streichungen  ist  die  Summe  auf  500000  Kr.  herab- 
gesetzt worden.  — 

Eine  neue  Augenheilanstalt  in  München  wurde  nach  einem 
Aufträge  von  Prof.  Dr.  Schlösser  durch  die  Firma  Heilmann  & 
Littmann  in  der  Herzog  Wilhelm-Strasse  errichtet.  Die  Anstalt 
umfasst  80  Betten.  Leiter  der  Ausführung  war  Hr.  Arch.  D e 1 i s 1 e.  — 
Das  neue  Haus  des  Lette-Vereins  in  Berlin,  nach  den 
Entwürfen  des  Architekten  Prof.  Alfr.  Messel  am  Viktoria-Luise- 
Platze  errichtet,  ist  am  4.  Okt.  d.  J.  seiner  Bestimmung  über- 
geben worden.  — 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Der  Bauamtsass.  Maxon  in  München  ist  z.  Bauamtm- 
extra  statum  und  der  Bauamtsass.  M e z g e r in  München  ist  z.  Reg.“ 
u.  Kr.-Bauass.  bei  der  Reg.  von  Unterfranken  und  Aschaffenburg 
ernannt.  Der  Bauamtsass.  B ä u m 1 in  Donauv/örth  ist  an  das 
Landbauamt  München  versetzt  und  der  Staatsbauassist.  Götz  in 
Nürnberg  ist  z.  Bauamtsass.  in  Donauwörth  ernannt. 

Preussen.  Versetzt  sind':  der  Ob.-  u.  Geh.  Brth.  T h e 1 e n 
in  Königsberg  als  Ob.-Brth.  an  die  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Kassel;  die 
Reg.-  u.  Brthe.  Wiegand  in  Magdeburg,  als  Mitgl.  an  die  kgl. 
Eisenb.-Dir.  in  Königsberg  i.  Pr.  und  Leitzmann  in  Erfurt  als 
Mitgl.  (auftrw.)  an  die  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Hannover;  der  Eiseob.- 
Bau-  u.  Betr.-Insp.  Schepp  in  Dortmund  als  Mitgl.  an  die  kgl. 
Eisenb.-Dir.  in  Elberfeld;  der  grossh.  hess.  Brth.  Simon  in  Darm- 
stadt als  Vorst,  der  Betr.-Insp.  nach  Worms;  der  grossh.  hess. 
Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Wolpert  in  Worms  als  Mitgl.  an  die 
kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Frankfurt  a.  M. ; — die  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.- 
Insp.  Graeger  in  Königsberg  als  Mitgl.  (auftrw.)  an  die  kgl. 
Eisenb.-Dir.  in  Halle  a.  S-,  Hentzen  in  Kassel  als  Vorst,  der 
Betr.-Insp.  2 nach  Halle  a.  S.,  Kaupe  in  Berlin  als  Vorst,  der 
Betr.-Insp.  I nach  Dortmund,  Bischof!  in  Bocholt  als  Vorst,  der 
Bauabth.  nach  Koesfeld,  Poppe  in  Könitz  zur  kgl.  Eisenb.-Dir.  in 
Stettin,  Lütke  in  Schreiberhau  zur  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Breslau, 
Fischer  in  Münster  i.  W.  als  Vorst,  der  Bauabth.  nach  Rheine; 
— die  Eisenb.-Bauinsp.  Knechtei  in  Thorn  als  Vorst,  der  Werk- 
stätten-Insp.  nach  Erfurt  und  Fr.  Müller  in  Dortmund  als  Vorst 
(auftrw.)  der  Masch.-Insp.  nach  Thorn,  der  Eisenb.-Betr.-Insp. 
Lorey  in  Darmstadt  zur  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Frankfurt  a.  M.,  der 
Landbauinsp.  Bi  eck  er  in  Koblenz  als  Vorst  der  Bauabth.  nach 
Krefeld. 

Dem  grossh.  hess.  Brth.  Dittmar  in  Darmstadt  ist  die 
das.  neuerricht  Betr.-Insp.  und  dem  grossh.  hess.  Reg.-Bmstr. 
Priester  in  Frankfurt  a.  M.  die  oeuerricht.  Werkst -Insp.  in 
Darmstadt  übertragen. 

Der  Reg.-Bmstr.  S c h ü r g in  Rheydt  ist  z.  Eisenb.-Bau-  u. 
Betr.-Insp.  und  der  Reg.-Bmstr.  Füllner  in  Halle  a.  S.  z.  Eisenb.- 
Bauinsp,  ernannt. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Ulrich  in  Elberfeld,  der  Reg.-  u.  Brth. 
z.  D.  A 1 1 m e n r ö d e r in  Kassel  und  die  Kr.-Bauinsp. : Geh.  Brth. 

536 


Brauweiler  in  Trier  und  Brth.  Glase  wald  in  Köslin  sind 
in  den  Ruhestand  getreten.  y 

Versetzt  sind:  Der  Reg.-  u.  Brth.  Scheck  in  Stettin  nach 
Erfurt,  der  Wasser-Bauinsp.  Brth.  Kracht  in  Erfurt  nach  Danzig; 
die  Kr.-Bauinsp.  Brthe.  Hillenkamp  in  Trier  nach  Andernach 
und  Schmitz  in  Andernach  nach  Neideoburg,  der  Landbauinsp. 
Füll  es  in  Wittlich  als  Kr.-Bauinsp.  nach  Trier;  der  Wasser- 
Bauinsp.  Wasmann  in  Geestemünde  nach  Arnsberg  und  der 
Kr.-Bauinsp.  Leben  in  Neidenburg  nach  Trier  (für  Bernkastel). 

Ernannt  sind  die  Reg.-Bmstr. : G e r h a r d t.  in  Köslin  und 
B 1 0 c h in  Kreuzburg  O.-Schl.  zu  Kr.-Bauinsp.,  Dr.  Burgemeister 
in  Breslau  zum  Landbauinsp.,  Urban  in  Breslau  u.  Skaiweit 
in  Koblenz  zu  Wasser-Bauinsp. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Auhagen  in  Hannover,  Karl  Bernhard 
in  Charlottenburg,  Cabanis  in  Berlin,  Frielingsdor  f An  Köln 
a.  Rh.,  Eug.  G o e r k e in  Bremen,  Grotgan  in  Charlottenburg, 
Zernin  u.  Rieländer  in  Köln  a.  Rh.,  Buhle  in  Charlottenburg 
und  Gg.  K 0 e h 1 e r in  Karlsruhe  ist  die  nachges.  Entlass,  aus  dem. 
Staatsdienst  ertheilt. 


Brief-  und  Fragekasten.  f 

Hrn.  J.  Kr.  ln  Dortmund.  Eine  Luftschicht  in  einer  i’/s  Stein 
starken  Wand  erhöht  die  Schallsicherheit,  wenn  auch  nur  gering. 
Eine  bessere  Wirkung  wird  erzielt,  wenn  man  die  Luftschicht  mit 
Korkabfällen  oder  Aehnlichem  ausfüllt.  R.  G. 

Hrn.  Fr.  Sehr,  in  Spandau.  Wenn  thatsächlich  die  Giebel- 
wand des  alten  Baues  eine  geschlosseneBrandmauer  ohne  Oeffnungeii 
ist,  so  kann  die  Baupolizei  aufgrund  des  § 2 Abs.  6 der  dortigen 
Bauordnung  nicht  verlangen,  dass  ein  Zwischenbau  hergestellt  oder 
der  alte  Bau  bis  auf  5 m Entfernung  abgebrochen  wird.  Anders 
gestaltet  sich  die  Sache  allerdings,  wenn  die  beiden  Bauten  einen 
spitzeren  Winkel  als  75®  zu  einander  bilden.  Dann  muss  das  Loih 
auf  der  Frontwand  des  alten  Baues  am  ersten  Fenster  desselben 
mindestens  5 m Abstand  bis  zum  Schnitt  mit  der  Hinterfront  des 
Neubaues  haben.  Bei  der  Verfügung  der  Baupolizei  müssen  also 
wohl  noch  andere,  uns  nicht  bekannte  Gründe  mitsprechen.  — 

Hrn.  P.  S.  in  Altenburg,  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass 
die  Ameisen  Nährstoffe  in  der  Schwammbildung  gefunden  haben. 
Wird  diese  beseitigt  und  werden' die  Balken  mit  Carbolineum  oder 
Aehnlichem  getränkt,  so  ist  anzunehmen,  dass  die  Aineisen  fort- 
bleiben. Im  übrigen  hat  sich  gegen  Ameisen  ein  Streueii  von  Borax 
mit  etwas  Zucker  gemischt  meiner  Erfahrung  nach  bewährt.  An 
Schriften  über  den  Hausschwamm  sind  zu  nennen:  Prof.  Dietrich, 
„Der  Hausschwamm  vom  bautechnischen  Standpunkt";' Berlin  bei 
Siemenroth  & Troschel,  sowie  die  Aufsätze  in  der  Dtsch'en.  Bauztg. 
1900  No.  41  S.  262,  1901  No.  72  S.  446  und  No.  95  S.  596.  -f-  R.  G. 

Hrn.  Arch.  W.  in  Hannover.  Zur  Anfrage  in  Nb.  79  weist 
Hr.  Brth.  Freude  in  Anklam  auf  die  von  ihm  erbaute  Kirche  in 
Stralkowo,  Prov.  Posen,  hin  (Central-BI.  d.  Bauverwltg.jrtSgg),  so- 
wie auf  eine  Mustersammlung  kleiner  Kirchen,  herausgeg.  vom 
Zentralvorst.  der  Gustav  Adolf-Stiftung  (Verlag  Seemann  & Co.  in 
Leipzig),  die  für  eine  gleiche  Aufgabe  auch  einen  Entwurf  des  Hrn. 
Arch.  Ludwig  Hofmann  in  Herborn  enthält  (Kirche  mit  Pfarrhau.s 
in  Fürth).  Hr.  Geh.  Ob.-Brth.  Blum  in  Berlin  weist  auf  eine  im  letzten 
Jahrzehnt  gebaute,  aus  einem  Wettbewerb  des  Berliner  Arch.-- 
Vereins  hervorgegangene  Kirche  in  Karthaus  bei  Trier  (s.  gleich- 
falls Centralbl.  d.  Bauverwltg.)  hin.  — 

Hrn.  S.  & S.  in  Halle  a.  S.  Bekanntlich  giebt  es  einen  Be- 
fähigungsnachweis im  Baugewerbe  nicht,  also  auch  keinen  gesetz- 
lichen Titelschutz.  Der  Eintritt  in  die  Innung,  die  Ausbildung  von 
Lehrlingen  ist  aber  abhängig  von  der  vor  einer  Innungskommission 
nach  Absolvirung  einer  Baugewerkschule  abgelegten  Prüfung.  Alles 
übrige  erfahren  Sie  am  besten  durch  Anfrage  bei  der  zuständigen 
Innung.  — 

Hrn.  D.  V.  Q.  Bezüglich  Ihrer  Anfrage  nach  den  Gebühren 
eines  Ingenieurs  als  gerichtlicher  Sachverständiger  können  wir  Sie 
auf  unsere  ausführlichen  Mittheiiungen  in  No.  ri  d.  Dtschn.  Bztg. 
igo2  S.  70  verweisen.  Sie  sehen  daraus,  dass  die  Berechnung  der 
Gebühren  wiederholt  aufgrund  der  Gebührenordnung  des  Ver- 
bandes deutsch.  Arch.-  u.  Ing.-Vereine  erfolgt  und  auch  genehmigt 
ist,  in  dem  besonders  erwähnten  Falle  bestätigt  durch  das  Reichs- 
gericht. Trotzdem  werden  sich  viele  Gerichte  nach  wie  vor  weiter 
sträuben,  höhere  Sätze  zu  bewilligen.  Sie  werden  also  am  besten 
thun,  überhaupt  nicht  nach  Stundenzahl,  sondei'n  in  runder  Summe 
nach  der  aufgewendeten  Arbeitsleistung  zu  liquidiren.  Es  ist  uns 
bekannt,  dass  viele  Sachverständige  mit  derartigen  Forderungen 
durchgekommen  sind,  wenn  auch  zunächst  nicht  ohne  Weiterungen. 
Zurzeit  wird  diese  Frage  von  den  Gerichten  aber  noch  ausser- 
ordentlich verschieden  behandelt.  — 

Hrn.  Arch.  M.  L.  in  Kassel.  Wir  glauben  wohl,  dass  Sie 
in  dem  geschilderten  besonderen  Ausnahmefall  einen  Theil  der 
betr.  Auslagen  neben  dem  Honorar  verrechnen  können.  — 

Hrn.  G.  R.  ln  Kempten.  Ihre  Anfrage  ist  nicht  von  allge- 
meinem Interesse.  Haben  Sie  schon  die  Befragung  der  in  unserem 
Anzeigentheil  genannten  einschlägigen  Firmen  versucht?  — 
Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Wer  liefert  für  Fenster,  die  nach  aussen  aufschlagen,  zweck- 
mässige Vorrichtungen  zum  Feststellen  der  Flügel  in  beliebig 
geöflnetem  Zustande?  Haben  sich  solche  Vorrichtungen  mit. 
leichter  Handhabung  auch  bei  Gebäuden  bewährt,  die  dem  Winde 
stark  ausgesetzt  sind?  — H.  in  Bremen. 


Inhalt:  Der  'Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues 
Kollegien-Gebäude  der  Universität  Freiburg  i.  Br.  (Fortsetzung.)  — Billige 
Schalungsdäcber.  — Die  neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  P6tru^se 
in  Luxemburg.  — Vermischtes.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Todten- 
schau.  — Bücherschau.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief  und  Fragekasten.  — 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  83 


AUZEITUNG. 

GANG.  Hs  H«  NQ:  84.  Hs 

Hs 


EinwölbuDg  des  zweiten  Rogens.  (Aufoabme  von  Ch.  Beriilioeft  in  I.uxembuig  vom  Ju)i  190s.) 


Die  neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  Petrusse  in  Luxemburg. 

(Schluss.)  Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildung  in  No.  83. 


|ls  Material  ist  für  den  Mittelbogen,  dessen 
I Laibung  in  dem  72“  weit  gespannten  Mittel- 
3'  theil  eine  der  Stützlinie  entsprechende  ellyp- 
tische  Form  mit  53™  Scheitel-Halbmesser 
besitzt,  fester  Sandstein  von  1200  bis 
1500  Jfg/qcm  Druckfestigkeit  aus  dem  in  der  Nähe  ge- 
legenen Steinbruch  von  Gilsdorf  verwendet,  ausser- 
dem wurden  noch  Materialien  aus  den  Brüchen  von 
Ernzen,  Dillingen  und  Verlorenkost  eingebaut.  Als 
Mörtel  ist  im  Hauptbogen  Zementmörtel,  im  übrigen 
Kalkmörtel  zur  Anwendung  gekommen.  Die  ver- 
schiedene Art  der  Steinbearbeitung  lässt  sich  aus  der 
Zeichnung  erkennen.  Ganz  sorgfältig  behauene  Steine 
sind  nur  in  den  Stirnflächen  verwendet,  gespitzte 
Quader  im  Gewölbeinneren,  hammerrecht  behauene 
Steine  zu  den  Bogenfundamenten,  wobei  die  Fugen 
zur  günstigeren  Druckvertheilung  etwas  konkav  ge- 
staltet sind,  und  schliesslich  noch  gebrochene  Steine 
ohne  eigentliches  Lager  zu  dem  Füllmauerwerk  der 
Pfeiler.  Der  Gewölberücken  ist  natürlich  unter  der 
Fahrbahn  mit  Asphalt  wasserdicht  abgedeckt. 


Besonderes  Interesse  bietet  auch  die  Ausführung 
des  Bauwerkes,  sowohl  hinsichtlich  der  Art  der  Ein- 
wölbung, wie  namentlich  auch  hinsichtlich  der  Kon- 
struktion des  Lehr-  und  Versetzgerüstes. 

Da  nur  auf  einer  Seite  des  Thaies  und  zwar  auf 
der  Seite  des  Plateau  Bourbon  ein  Bau-  und  Lager- 
platz angelegt  werden  konnte,  der  sich  in  bequemer 
Weise  mit  einer  besonderen  Schleppbahn  mit  dem 
Hauptbahnhofe  in  Verbindung  setzen  Hess,  so  musste 
das  Thal  in  ganzer  Breite  zunächst  mit  einem  Arbeits-, 
Transport-  und  Versetzgerüst  überbrückt  werden, 
um  so  die  Materialien  an  jede  Stelle  des  Bauwerkes 
heranbringen  zu  können.  Dieses  Gerüst,  das  in  unserem 
Schlussbilde  und  in  den  Abbildgn.  S.  522,  525,  533 
und  in  der  vorstehenden  Kopfabbildung  dargestellt 
ist,  besteht  aus  einem  in  Holz  konstruirten  Fach- 
werkträger, der  in  je  30™  Entfernung  durch  hölzerne 
Fachwerkpfeiler  gestützt  wird.  Die  Entfernung  der 
Hauptträger  ist  7 sodass  das  Gerüst  einen  vollen 
Brückenring  zwischen  sich  fasst.  Die  Unterkante 
der  Konstruktion  liegt  41  ^ über  Thalsohle.  Auf  den 


537 


Obergurten  der  Träger  lauten  die  Versetzwagen  mit 
Laufkatze  und  Winde,  während  am  Untergurt  zwischen 
den  Trägem  ein  Transportgleis  eingeschlossen  wird, 
auf  welchem  die  Materialien  zu  den  Versetzbühnen 
herangeführt  werden.  Das  Gerüst  hat  in  dem  so  kon* 
struirten  Theile  eine  Gesammtlänge  von  171  ™ und  er- 
forderte mit  den  niedrigen  beiderseitigen  Anschlüssen 
von  zusammen  40“  Länge  einen  Holzaufwand  von  rd. 
220'=’’®.  Die  Kosten  beliefen  sich  auf  rd.  20000  M., 
d.  h.  auf  nur  1 M.  für  i herzustellendes  Mauerwerk 
(20  000  Sie  sind  sehr  erheblich  niedriger,  als  bei 
der  Brücke  von  Lavaur,  wo  man  das  ganze  Thal  mit 
einer  Gerüstbrücke  mit  enger  Jochstellung  durchbaute. 

Das  Lehrgerüst  des  Mittelgewölbes  ist  als  Fach- 
werkbogen in  Holz  konstruirt.  Der  letztere  stützt  sich 
mit  dem  Untergurt  auf  zwei  in  60“  Abstand  in  ganzer 
Brückenbreite  durchgehende  provisorische  Mauern,  mit 
dem  Obergurt  gegen  die  Absätze  der  Bogenverstärkung 
am  Kämpfer.  Der  Schub  wird  aufgehoben  durch  wag- 
rechte Drahtseile,  welche  die  Knotenpunkte  des  Unter- 
gurtes verbinden.  Das  sehr  flache  Scheitelstück  wird 
noch  durch  eine  hängewerkartige  Konstruktion  be- 
sonders gestützt.  Das  Lehrgerüst  ist  ebenfalls  nur  für 
eine  Bo^nbreite  berechnet  und  besitzt  5 Binder  von 
je  1,6™  Entfernung.  Darüber  liegen  Latten  von 
Stärke,  über  welche  noch  eine  dünne  Schalung  von 
nur  2*=®  die  genaue  Bogenlehre  abgiebt.  Das  Gerüst 
erforderte  einen  Holzaufwand  von  380  und  besass 
ein  Gewicht  von  etwa  300  V Es  wurde  nach  Ausrüstung 
des  ersten  Bogens  imganzen  um  11,25“  seitlich  ver- 
schoben, um  dann  sofort  als  Lehre  für  den  zweiten  Bo- 
gen zu  dienen.  Zu  dem  Zwecke  musste  die  Transport- 
Brücke  zunächst  auf  dem  fertigen  Bogen  abgesetzt 
und  der  Aufbau  der  seitlichen  Gerüstpfeiler  beseitigt 
werden.  Der  mittlere  Gerüstpfeiler  wurde  dagegen 
mit  dem  Lehrgerüst  fest  verbunden,  um  während  der 
seitlichen  Verschiebung  auf  Rollen  als  Stütze  zu  dienen. 
Unsere  Abbildg.  S.  522  zeigt  den  Zustand  der  Bauaus- 
führung, in  welchem  das  Transportgerüst  auf  dem 
fertigen  Bogen  abgesetzt,  das  Lehrgerüst  bereits  seit- 
lich verschoben  ist.  Die  Kopfabbildung  S.  537  giebt  den 
fertigen  Bogen  vollständig  ausgerüstet  wieder,  während 
im  zweitenBogen  bereits  die 2.  Schicht  des  aus  3Quader- 
ringen  bestehenden  Gewölbes  versetzt  ist.  Die  Ab- 
bildung lässt  deutlich  die  Zwischen  Widerlager  und  die 
zunächst  gelassenen  Lücken  im  Gewölbering  erkennen, 
welche  gerade  geschlossen  werden. 

Das  Lehrgerüst  der  beiden  seitlichen  Oeffnungen 
von  21,6“  Spannweite  entspricht  dem  bekannten  Gerüst 
der  Brücke  von  St.  Waast,  bei  welchem  die  fächer- 
förmigen Streben  sich  auf  eine  mittlere,  aus  einge- 
rammten Pfählen  gebildete  Stütze  aufsetzen.  Die  Lehren 
der  5,4”  weit  gespannten  Sparbögen  schliesslich  sind 
aus  einem  doppelten  Bohlenkranz  hergestellt,  der  durch 
wagrechte  Zangen  gegen  Verbiegung  geschützt  ist. 


Was  die  Ausführung  der  Einwölbung  anbetrifft, 
so  entspricht  diese  vollständig  der  Methode,  welche 
Söjournö  bei  seinen  früheren  Bauten  von  Lavaur, 
Castelet  und  Antoinette  angewendet  hat,  sodass  be- 
züglich der  Einzelheiten  auf  seine  bekannten  Ver- 
öffentlichungen verwiesen  werden  kann*). 

Der  Bogen  ist  demnach  aus  drei,  mit  einander  in  Ver- 
band stehenden  aber  zeitlich  nach  einander  ausgeführten 
Ringen  hergestellt,  wodurch  erreicht  wird,  dass  das 
Lehrgerüst  nur  den  ersten  Ring  voll,  von  den  bei- 
den anderen  dagegen  nur  noch  einen  geringen  An- 
theil  zu  tragen  hat,  sodass  es  also  wesentlich  leichter 
ausgeführt  werden  kann,  als  für  den  Vollbogen.  Der 
Bogen  ist  ferner,  um  eine  schädliche  Verdrückung 
des  Lehrgerüstes  vor  dem  Bogenschluss  zu  verhin- 
dern, von  10  Stellen  gleichzeitig  in  Angriff  genommen, 
wodurch  ausserdem  eine  wesentlich  schnellere  Aus- 
führung ermöglicht  wird.  Es  sind  hier  überall  da, 
wo  die  Schaalung  durch  die  Gerüststreben  festgehalten 
wird,  bis  zum  Schluss  des  Gewölbes  offene  Fugen 
gelassen,  die  dann  alle  gleichzeitig  geschlossen  wur- 
den. Auf  diese  Weise  wird  auch  die  Bildung  von 
Rissen,  die  sonst  aus  der  Durchbiegung  der  Kranz- 
hölzer zwischen  den  festen  Stützpunkten  entstehen 
können,  vermieden.  Durch  diese  Vorsichtsmaassregeln 
ist  es  erreicht  worden,  dass  sich  das  erste  Gewölbe 
nach  seiner  Ausrüstung,  die  3 Monate  nach  dem  ßogen- 
schluss  erfolgte,  nur  noch  um  6®“  gesetzt  hat. 

Mit  den  Arbeiten  wurde  im  Jahre  1900  durch  die 
Legung  des  Grundsteins  am  14.  Juli  begonnen.  Am 
24.  Juli  1901  erfolgte  der  Schluss  des  ersten  Bogens. 
Für  die  Fertigstellung  jedes  Ringes  war  dabei  eine 
Frist  von  8 — 10  Tagen  erforderlich.  Am  26.  Oktober 
1901  wurde  der  Bogen  ausgerüstet.  Die  weiteren  Fort- 
schritte sind  aus  den  Daten  erkennbar,  die  unseren 
p^hotographischen  Aufnahmen  beigegeben  sind.  Im 
Frühjahr  1903  soll  der  ganze  Bau  vollendet  sein. 

Mit  der  örtlichen  Bauleitung  und  der  Ausarbeitung 
der  Einzelzeichnungen  war  der  Ing.  Fonck  betraut. 
Die  Ausführung  wurde  der  Pariser  Bauunternehmer- 
firma Gebr.  Fougerolle  aufgrund  eines  engeren 
Wettbewerbes  übertragen.  Die  Gesammtkosten  des 
Baues,  welche  vom  luxemburgischen  Staat  aufgebracht 
werden,  sind  auf  i 120  000  M.  veranschlagt,  ein  Be- 
trag, in  dem  die  grosse  Ersparniss,  welche  sich  durch 
die  beschriebene  Ausbildung  und  Ausführungsweise  des 
Bauwerkes  ergiebt,  klar  zum  Ausdruck  kommt.**)  — 
Fr.  E. 

*)  AnnaJes  des  ponts  et  cbauss6es  1886. 

•*)  Zu  unserer  auf  S.  523  mitgetheilten  Tabelle  gehen  uns 
über  die  Neckar-Brücke  zu  Neckarhausen  von  Hrn.  Landes- 
Brth.  Leibbrand  in  Sigmaringen  noch  folgende  Ergänzungen  zu: 
Bauzeit  1900,  Scheitelstärke  0,85  m,  Entfernung  der  Vorderkanten 
des  verlorenen  Widerlagers  62,35  m (der  Druckmittelpunkt  der 
Fundamentsohlen  69,55  schliesslich  Scheitelhalbmesser  90  m. 

In  der  Kühnheit  des  Bogens  übertrifft  diese  Biücke  also  alle  anderen 
Ausführungen  in  Stein  erheblich.  — 


Transport-  und  Versetzgerfist.  (Aufnahme  %*on  Ch.  Bernhoefl  in  Luxemburg  vom  November  1900.) 


538 


No.  84. 


Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein  neues  Kollegien-Gebäude 
der  Universität  Freiburg  i.  Br.  (Scbiuss) 


ien  vorausgegangenengedrängtenaligemeinen 
"I  Betrachtungen  lassen  wir  nunmehr  eine  kurze 
Schilderung  einiger  der  hauptsächlichsten 
Entwürfe  des  Wettbewerbes  folgen,  wobei 
wir  uns  auf  die  diesem  Aufsatze  beigegebenen 
Abbildungen  stützen.  Der  an  erster  Stelle  zur  Aus- 
zeichnung gelangte  Entwurf  „Ovum“  des  Hrn.  Prof. 
Friedrich  Ratzel  in  Karlsruhe,  welchem  lediglich  aus 
formalen  Gründen  der  I.  Preis  versagt  blieb,  stellt  sich 
als  eine  schöne,  reife,  die  Aufgabe  trefflich  charak 
terisirende  Arbeit  dar  (Beilage  zu  No.  82  und  Grund- 
risse S.  524).  Der  Haupteingang  ist  in  nächster  Nähe 
des  Einganges  zur  Universitätsbibliothek  gewählt,  eine 
zweiter  Eingang  ist  am  östlichen  Ende  des  Bauplatzes 
in  der  Beifortstrasse  angelegt  und  vermittelt  den  Zu- 
gang zu  den  hier  gruppirten  Verwaltungsräumen.  Eine 
interessante  Form  und  Lage  haben  die  grossen  Hör- 
säle und  namentlich  die  Aula  erhalten.  Die  ellyptische 
Gestaltung  für  den  grössten  der  Säle  und  für  die 
Aula,  welche  letztere  in  ungezwungener  Weise  eine 
rechtwinklige  Erweiterung  erfahren  hat,  verräth  An- 
klänge  an  gute  Beispiele  des  Barockstiles,  zeigt  aber 
hier  eine  durchaus  eigenartige  und  selbständige  Ver 
Wendung.  Die  den  Lehrzwecken  dienenden  Räume 
haben  eine  so  konzentrirte  Gruppirung  erhalten,  dass 
ein  gegenseitiger  Verkehr,  wo  er  nöthig  ist,  die  kür- 
zesten Wege  vorfindet.  Ungemein  glücklich  und  dem 
Zwecke  des  Gebäudes  entsprechend  ist  das  in  den 
Formen  einer  maassvollen  deutschen  Spätrenaissance 
gehaltene  Aeussere.  Die  künstlerische  Meisterschaft 
desselben  liegt  nicht  zum  geringsten  in  der  durchaus 
schlichtenund  beinahe  selbstverständlichen  Gruppirung, 
aus  welcher  in  keiner  Weise  irgend  eine  Absicht  spricht. 
Köstlich  ist  die  vorgelagerte  Vorhalle  und  in  feinem 
Gegensätze  stehen  die  stark  durchbrochenen  Fenster- 
flächen mit  den  ruhigeren  Wandflächen.  Der  archi- 
tektonische Schmuck  hält  sich  in  den  engsten  Grenzen ; 
es  ist  beinahe  auf  alles  verzichtet,  was  nicht  eine  un- 
mittelbare Zweckbestimmung  hat. 

Eine  völlig  verschiedene  Anordnung  zeigen  die 
beiden  mit  III.  Preisen  ausgezeichneten  Entwürfe 
„Floreat“  der  Hrn.  Baudir.  Max  Meckel  und  Arch. 
C.  A.  Meckel  in  Freiburg  (S.  526  und  Bildbeilage  zu 
No.  82),  und  „Kelim“  der  Hrn.  Paul  & Carl  Bonatz 
in  Stuttgart.  Der  Entwurf  „Floreat“  wählt  den  Hauptj 
eingang  an  der  Werderstrasse,  gegenüber  der  Real- 
schule, und  einen  Nebeneingang  an  der  Beifortstrasse. 
Die  Gruppirung  der  Räume  erfolgte  in  sehr  klarer 
Weise  um  einen  grossen  dreieckigen  Hof ; ein  zweiter 
Hof  ist  nicht  vorhanden.  Die  Länge  der  aus  dieser 
Anordnung  sich  ergebenden  Wege  dürfte  durch  die 
Uebersichtlichkeit  der  Anlage  hinlänglich  ausgeglichen 
sein.  Für  die  Architektur  ist  die  durch  Meckel  mit 
so  hoher  Meisterschaft  verwendete  deutsche  Spätgothik 
gewählt;  ein  reichgegliederter  Thurm  überragt  am 
Schnittpunkte  der  Beifort-  und  der  Werderstrasse  die 
Baugruppe.  Die  Hofausbildung  zeigt  interessante  An- 
klänge an  die  mittelalterlichen  Klosterhöfe. 

Ein  recht  eigenartiger  Entwurf  ist  der  andere  dieser 
Gruppe  mit  dem  Kennwort  „Kelim“  (S.  529).  Er  stellt 
die  nur  vereinzelt  vorkommende  Abart  dar,  nach  welcher 
die  Baumassen  am  Schnittpunkte  der  Beifort-  und  der 
Werderstrasse  einen  einspringenden  rechten  Winkel 
mit  grosser  Fläche  bilden,  nordöstlich  ziemlich  dem 
Laufe  der  Löwenstrasse  folgen  und  im  übrigen  um 
drei  unregelmässige  Höfe  gruppirt  sind,  ohne  dass  sich 
dadurch  zu  enge  Verhältnisse  ergeben  hätten. 

Eine  eigenartige  und  schöne  Lösung  haben  die 
Verfasser  für  die  Gruppe  Aula  und  Treppenhaus  ge- 
funden. Das  Aeussere  schliesst  sich  dem  französischen 
Monumentalstil  der  Barockperiode  an;  es  ist  ungemein 
streng,  beinahe  akademisch,  jedoch  im  guten  Sinne 
des  Wortes,  gegliedert  und  es  gewährt  ein  höchstes 
Interesse  zu  beobachten,  wie  es  bei  völlig  gleich  hoher 
Lage  des  Haüptgesimses  für  alle  Theile  des  Aufrisses 
den,  Verfassern  doch  durch  Attiken  uhd  verschieden- 

18.  Oktober  190a. 


artige  Dachbildungen  gelungen  ist,  einen  gruppirten 
Eindruck  zu  erzielen. 

Wieder  drei  völlig  verschiedene  Lösungen  weist 
die  Gruppe  der  mit  IV.  Preisen  ausgezeichneten  Ent- 
würfe auf.  Der  sehr  sorgfältig  durchgearbeitete  Ent- 
wurf „Deutschem  Geiste  eine  Warte“  der  Hrn.  Schulz 
& Schlichting  in  Berlin  (S.  532)  zeigt  in  grosser 
Klarheit  den  Typus  der  symmetrischen  Diagonallösung 
mit  dem  Haupteingange  von  der  gebrochenen  Ecke, 
und  dem  abgetrennten,  für  sich  bestehenden  Ver- 
waltungs-Gebäude an  der  östlichen  Beifortstrasse.  Der 
Entwurf  „Altmodisch“,  eine  zweite  Arbeit  Ratzels 
(S.  532),  hat  in  der  Gesammt-Anordnung  einige  Ver- 
wandtschaft mit  seinem  erstgenannten  Entwurf,  strebt 
aber  eine  andere  wiederum  sehr  bemerkenswerthe 
Lösung  für  Halle  und  Aula  an.  Daneben  macht  sich 
ein  grösseres  Streben  nach  malerischer  Gruppirung 
bemerkbar,  als  in  dem  Entwurf  „Ovum“.  Der  dritte 
Entwurf,  „Schauinsland“,  des  Hrn.  Herrn.  Distel  in 
Freiburg  (S.  524)  ist  von  dem  Gedanken  beherrscht, 
ohne  jede  geschlossene  Hofanlage  das  Auskommen 
zu  finden  und  für  möglichst  viele  Hörsäle  Nordlicht 
zu  gewinnen.  Auch  diese  Annahme  hat  zu  einer  sehr 
interessanten  Lösung  geführt. 

Aus  der  Gruppe  der  angekauften  Entwürfe  ragt 
in  erster  Linie  der  Entwurf  „Alt-Freiburg“  der  Hrn. 
Curjel  & Moser  in  Karlsruhe  heraus.  Es  ist,  wie 
die  Abbildg.  S.  540  zeigt,  eine  nahezu  symmetrische 
Diagonallösung,  welche  die  Aula  in  der  Diagonale 
und  im  Inneren  der  Baugruppe  zeigt.  Der  Grundriss 
gehört  zu  den  best  durchgearbeiteten  des  Wettbewerbes ; 
mit  grösster  Geschicklichkeit  sind  die  aus  der  Diagonale 
sich  ergebenden  Verschneidungen  gelöst.  Der  Entwurf 
„Faust“  des  Hm.  Arch.  Paul  Thiersch  in  München 
(S.  541)  zeigt  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  dem  Ent- 
wurf „Kelim“  der  Hra.  Bonatz  in  Stuttgart,  geht  aber 
entschiedener  auf  malerische  Gestaltungen  aus  und  zeigt 
im  Einzelnen  viel  eigenartige  Bildungen.  Eine  bisher 
nicht  dargestellteForm  derGrundriss-Entwicldung  zeigt 
der  Entwurf  „Löwenplatz“  der  Hm.  Rust  & Müller 
in  Leipzig  (S.  542).  Seinen  Grundzug  bilden  die  recht- 
winklig sich  schneidenden  zwei  Hauptaxen  und  die 
Gruppirung  der  Räume  um  zwei  auf  diesen  Axen 
liegende  offene  Höfe.  Schön  gelagert  sind  Haupt- 
eingang, Halle  und  Haupttreppe  einerseits,  sowie  Aula 
und  Haupttreppe  andererseits.  Die  Anlage  ist  in  die- 
ser Form  eine  sehr  geschlossene  und  übersichtliche. 

Von  den  übrigen,  leider  nicht  zu  einer  Aus- 
zeichnung gelangten  Entwürfen  sei  es  uns  gestattet, 
noch  die  mit  den  Kennworten  „Albert  Ludwig“,  „Saepe 
stilum  vertas“  und  „Stosst  an,  Freiburg  soll  leben“, 
im  Bilde  vorzuführen.  „Albert  Ludwig“  (S.  540)  stellt 
eine  mit  grosser  Kunst  entwickelte  DiagonaÜösung 
dar,  bei  welcher  die  Aula  an  die  gebrochene  Ecke 
verlegt  und  für  den  Verkehr  der  Studirenden  ein  in 
der  Diagonale  liegender  Lichthof  geschaffen  wurde. 
Viel  Scharfsinn  ist  in  diesen  Grundrissen  für  die  Klein- 
arbeit aufgewendet.  Der  Verfasser  des  schönen  Ent- 
wurfes „Saepe  stilum  vertas"  (S.  541)  geht  auf  eine  völlig 
symmetrische  Lösung  der  Gruppe  der  Haupträume 
mit  dem  Haupteingang  und  der  Aula  gegenüber  der 
Realschule  aus  und  schliesst  die  Verwaltungsräume 
in  einem  der  Beifortstrasse  entlang  laufenden  Flügel 
an.  Aus  dieser  Anordnung  ergab  sich  unter  der  An- 
nahme eines  bedeckten  Hofes  in  der  Hauptaxe  und 
zweier  seitlich  an  ihn  anschliessender  offenen  Höfe 
eine  sehr  konzentrirte  und  übersichtliche  Anlage.  Ein 
feines  Empfinden  für  die  Schönheiten  eines  schlichten 
Barockstiles  verräth  der  Aufbau.  Der  Gruppe  der 
auf  zwei  sich  im  rechten  Winkel  schneidenden  Axen 
komponirten  Grundrisse  schliessen  sich  die  des  Ent- 
wurfes.„Stosst  an,  Freiburg  soll  leben.“  an  (S.  542),  der 
sich  gleich  dem  vorigen  im  Aufriss  durch  ein  schönes 
Barock  auszeichnet.  Auch  der  . im  Aufriss  mit  viel 
persönlicher  Eigenart  und  malerischer  Gestaltungskraft 
dargesteilte  Entwurf  „Litteris“  versucht  eine  Lagerung 

539 


der  Massen  im  rechten  Winkel  mit  dem  Eingang'gegen- 
über  der  Realschule  und  zwei  symmetrisch  gelegenen 
Höfen.  Mit  einem  ähnlichen  Grundgedanken  schliesst 
sich  der  Entwurf  „Hertha“  an.  Er  zeigt  einen  offenen 
Hof  in  der  Axe  des  an  der  Ecke  gäegenen  Haupt- 


risslösung nach  'hierher.  Letztere  wird  beherrscht 
durch  eine  gross  angelegte  Aula  und  Treppenhalle. 
Die  schöne  ßaugruppe  mit  Thurmaufbau  ist  in  ein 
raaassvolles  Barock  gekleidet.  Die  hier  berührte  An- 
ordnung des  Grundrisses  zeigt  auch  der  Entwurf 


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einganges  und  einen  bedeckten  Hof  rechtwinklig  zu 
dieser  Axe,  sowie  eine  einarmige  Festtreppe  zur  Aula. 
Der  Aufbau  mit  Eckthurm  ist  in  einer  maassvollen 
.Spätrenaissance  von  feiner  Zurückhaltung  gegeben. 
Auch  der  Entwurf  „Klosterklänge“  gehört  seinerGrund- 


„Kastor  & Pollux“ ; seine  Architektur  entbehrt  nicht 
einer  gewissen  einheitlichen  Strenge  und  Grosszügigkeit, 
steht  aber  dem  Grundriss  nach.  Die  Räume  im  rechten 
Winkel  gelagert,  jedoch  ohne  umschlossene  Höfe,  zeigt 
der  Entwurf  „Scientis“,  eine  Arbeit  von  hoher  per- 

No.  84, 


540 


Entwurf  mit  dem  Kennwort:  „Saepc  stiluro  vertas". 


sönlicher  Eigen- 
art.— Eine  inter- 
essante gothi- 
sehe  Diagonal- 
lösung  mit  einem 
Hof  und  abge- 
trenntemVerwal- 
tungs  - Gebäude 
stellt  der  Entwurf 
„Albrecht  VI.“ 
der  Hrn.  Mathias 
StamnitZjStdt.- 
ArchitektinFrei- 
burgundEd.  Ar- 
no Id  in  Aachen 
dar;  eine  ähn- 
liche Lösung  mit 
ähnlichen  Vor- 
zügen der  klaren 
Uebersichtlich- 
keit  besonders 
sind  in  dem  Ent- 
wurf „Spes"  ent- 
halten. Die  Ar- 


Entwurf  „Faust".  Architekt:  Paul  Thierscb  in  München. 


chitektur  weist 
grosse  Züge  auf. 
Durch  eine  Dia- 
gonallösung mit 
schön  geglieder- 
tem Mittelbau 
ragt  der  Entwurf 
.Sommerfrische* 
des  Hrn.H.Bil- 
ling  in  Karls- 
ruhe hervor.  Von 
guter  Gesammt- 
anlage  in  der 
Diagonallösung 
des  Grundrisses 
ist  der  Entwurf 
„Alma  mater“ ; 
im  Aufbau  je- 
doch hat  er  zu 
sehr  kirchliches 
Gepräge,  wenn 
auch  der  roma- 
nisch - gothische 
Uebergangs  -Stil 


i8.  Oktober  1902. 


541 


charakteristisch  behandelt  ist.  „So- 
krates“ zeigt  eine  der  Schäfer’schen 
Bibliothek  angeschlossene  gothische 
Ecklösung  mit  grossem,  monumen- 
talemZug.  Von  mehreren  Entwürfen 
mit  dem  Kennwort  „Schauinsland“ 
hat  einer  versucht,  einen  grossen, 
glasüberdeckten  achteckigen  mittle- 
ren Lichthof  zu  schaffen,  auf  wel- 
chen der  Eingang  über  Eck  mündet. 
So  interessant  der  Versuch  ist,  so 
sind  dadurch  doch  die  seitlichen  Höfe 
über  Gebühr  verkümmert  worden. 
Eine  sonst  nicht  vertretene  Lösung 
ist  in  der  Arbeit  „Die  neue  Sapienz“ 
versucht;  in  ihr  ist  der  Haupttheil 
der  Räume  um  einen  grossen  qua- 
dratischen Mittelhof  gruppirt,  wäh- 
rend sich  seitlich  ein  Hof  gegen  die 
Löwenstrasse  öffnet:  im  übrigen  ein 
in  einer  reizvollen  Strenge  durch- 
geführter Entwurf  mit  einem  Eck- 
thurm, dem  ein  etwa  den  Loggien 
oder  der  Kapelle  vor  dem  Palazzo 
Pubblico  in  Siena  nachgebildeter 
Bogen  vorgelagertist.  „ Gaudeamus“ 
ist  eine  durch  bemerkenswerth  gross- 
räumige  Anordnungen  sich  aus- 
zeichnende  Diagonallösung,  die 
einen  ganzen  Hof  gegen  die  Löwen- 
strasse öffnet.  Eine  gute  Diago- 
nallösung ist  auch  der  Entwurf 
„Christian  Wenzinger“.  Er  enthält 
in  symmetrischer  Gruppirung  eine 
grosse  Mittelhalle  mit  reichlichen 
seitlichen  Höfen.  Im  Aufriss  mit 
Dachreiter  bekundet  sich  ein  eigen- 
artiges Barock,  besonders  in  der 
Giebelbildung  des  Mittelbaues.  Eine 
sorgfältig  durchgearbeitete  Grund- 
riss-Diagonallösung  mit  zwei  un- 
gleichen Höfen  ist  auch  dem  Ent- 
wurf „1456“  ei^n.  Durch  eine  sehr 
feine  deutsche  Frührenaissance  sind 
ausgezeichnet  die  Entwürfe  „Sic“ 
und  „Das  alte  Freiburg“;  durch 


Entwurf  »LOwenpIatz“.  Architekten:  Rust  & Müller  in  Leipzi|^.  (Angekauft). 


54a 


No.  84. 


eine  schöne  Spätrenaissance  „Breisgau".  Verhältniss- 
mässig  wenige  Entwürfe  wiesen  Thürrae  auf;  Thurm- 
paare zeigten  der  Entwurf  der  Hrn.  Curjel  & Moser 
in  Karlsruhe,  der  Entwurf  „Im  Städtebild",  eine  inter- 
essante Arbeit,  die  aber  unter  dem  Üebermaass 
der  beiden  massigen  Thürme  leidet,  und  der  Ent- 
wurf „Zu  Freiburg  lebt  und  that  viel  Buss“,  eine 
Diagonallösung  mit  Kuppel  und  flankirenden  Thürmen, 
wenn  wir  uns  recht  erinnern,  die  einzige  Arbeit,  die 
den  Versuch  machte,  moderne  Formen  zu  verwenden. 
Eine  Arbeit  von  starker  Kraft,  von  monumentaler 
Durchführung  und  geschlossener  Strenge  in  dem  an 
die  oberitalienischen  Bildungen  der  Hochrenaissance 
gemahnenden  Aufbau  ist  die  mit  dem  Kennzeichen 
des  badischen  Wappens;  nicht  glücklich  jedoch  ist 
sie  im  Grundriss. 

Doch  genug  der  Aufzählung.  Verglichen  mit 
anderen  grossen  Wettbewerben  der  letzten  Zeit  zeigte 
dieser  Wettbewerb  nicht  die  gleichmässige  Güte,  die 
man  bei  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe  vielleicht  hätte 
erwarten  können;  denn  diese  hat  eine  grosse  Anzahl  un- 


Vermischtes. 

Pensionirte  Baubeamte  und  beeidigte  höhere  Bautechniker. 
„Der  Magistrat  der  Residenzstadt  Schwerin  hat  sich  be- 
kanntlich entschlossen,  einen  Stadtbaurath  anzustellen,  der 
vollberechtigtes  Mitglied  des  Magistrates  ist,  und  somit 
unserem  Fache  diejenige  Anerkennung  zu  zollen,  die  dem- 
selben nach  der  heutigen  Stellung  gebührt.  Anders  scheint 
jedoch  die  Gesinnung  des  Magistrates  gegen  diejenigen 
Fachgenossen  zu  sein,  die  bereits  in  den  Ruhestand  ge- 
treten, ihren  Wohnsitz  in  Schwerin  aufgeschlagen  haben. 
Denn  aufgrund  einer  Ministerialverordnung,  wonach  zur 
Abschätzung  von  Gebäuden  behufs  Versicherung  gegen 
Feuersgefahr  ,;zwei  behördlich  vereidigte  Baugewerks- 
meister oder  ein  höherer  beeidigter  Bautechniker“  be- 
rechtigt sein  sollen,  hat  das  Stadt-Polizeiarat  durch  Rund- 
schreiben an  alle  Versicherungs-Agenten  angeordnet,  dass 
Taxen  von  Gebäuden  nur  von  „ im  Amte  befindlichen  “ 
höheren  Bautechnikern  angenommen  werden  sollen,  dem- 
nach alle  schon  in  Ruhestand  getretenen  Kollegen  im 
Verwaltungswege  davon  ausgeschlossen.  Vorstellungen 
an  den  Magistrat  blieben  ohne  Erfolg.  Erst  auf  Beschwerde 
beim  Ministerium  wurde  magistratsseitig  erwidert,  dass 
die  ^Berechtigung  sich  „„nicht  auf  die  von  auswärts  hier 
zuziehenden,  pensionirten  oder  entlassenen  Techniker  be- 
ziehen könne,  da  einmal  der  Magistrat  nicht  weiss,  ob, 
bezw.  wo  sie  beeidigt,  noch  aus  welchem  Grunde  sie  aus 
ihrem  Dienste  geschieden  sind"“.  Auf  die  Einreichung  der 
Bescheinigung  der  geschehenen  Vereidigung  und  unbe- 
scholtenenPensionirung  seitens  einer  preuss.  Staatsbehörde 
erfolgte  der  Bescheid:  „„dass  ein  pensionirter  Beamter 
nicht  als  beeidigter  höherer  Bautechniker  anzusehen 
ist““.  _ Da  das  Ministerium  es  ablehnte,  hiergegen  einzu- 
schreiten, so  sind  in  der  Stadt  Schwerin  alle  pensionirten 
Kollegen  von  der  Anfertigung  von  Gebäudetaxen  aus- 
geschlossen. Diese  Thatsache  verdient  wohl  bekannt  zu 
werden,  um  allen  Kollegen,  die  bei  ihrem  Uebertritt  in 
den  Ruhestand  vielleicht  Schwerin,  das  ja  durch  land- 
schaftliche Umgebung,  Hoftheater,  Museum  usw.  Manches 
bietet,  zum  Wohnsitz  wählen,  in  der  Erwartung,  hier  noch 
kleine  Arbeiten  und  Nebenverdienst  zu  erhalten,  abzu- 
rathen.“  — 

Der  freie  Zutritt  zu  den  öffentlichen  Kunstanstalten 
Italiens.  Das  Italien.  Ministerium  des  öffentl.  Unterrichtes 
hat  in  einem  jungst  ergangenen  Erlasse  den  freien  Zutritt 
zu  den  staatlichen  Museen,  Galerien,  Ausgrabungen  und 
Denkmälern  durch  neue  Bestimmungen  geregelt.  Anspruch 
auf  freien  Zutritt  haben:  i.  die  Künstler,  2.  die  Professoren 
der  Archäologie,  Geschichte,  Litteratur  und  Kunstgeschichte, 
3.  die  Studirenden  der  archäologischen,  historischen  und 
Kunstinstitute,  der  philologischen  und  philosophischen 
Fakultäten  und  der  Ingenieurschulen.  Den  Gesuchen  um 
jene  Vergünstigung  ist  beizufügen  bei  Gruppe  i eine  aka- 
demische Urkunde;  bei  Gruppe  2 eine  veröffentlichte 
Arbeit;  bei  Gruppe  3 ein  amtliches  Zeugniss,  das  bestätigt, 
dass  der  Gesuchsteller  ia  dem  betreffenden  Jahre  bei  einer 
der  bezeichneten  Anstalten  eingeschrieben  ist.  Die  aka- 
demischen Urkunden  und  amtlichen  Zeugnisse  müssen  von 
der  italienischen  diplomatischen  Vertretung  und  einem 
italienischen  Konsulate  in  dem  Lande,  dem  der  Gesuch- 
steller angehört,  oder  von  der  betreffenden  diplomatischen 
Vertretung  in  Italien,  beglaubigt  sein.  Die  Gesuche  sind 
auf  I Lire  20  Cent.-Stempelbogen  unter  Beifügung  der 
amtlichen  Dokumente  und  einer  Photographie  in  Reichs- 

18.  Oktober  1902. 


genügender  Kräfte  nicht  abgehalten,  sich  zu  betheiligen. 
Gleichwohl  ist  das  thatsächliche  Ergebniss  ein  ausge- 
zeichnetes und  ein  für  die  beste  Lösung  der  Aufgabe 
ausserordentlich  glückliches.  In  dem  an  erster  Stelle 
ausgezeichneten  Entwurf  ist  dem  badischen  Ministerium 
der  Justiz,  des  Kultus  und  des  Unterrichtes  eine  Arbeit 
gegeben,  welche  eine  reife,  eine  zweckmässige,  eine 
schöne  und  zugleich  monumentale  Lösung  der  Auf- 
gabe darstellt,  eine  Arbeit  von  so  hohem  künstle- 
rischem Gepräge,  dass  ihre  Ausführung  neben  der 
neuen  Bibliothek  die  werthvollste  künstlerische  Be- 
reicherung bilden  würde,  welche  die  Müsenstadt  Frei- 
burg in  neuerer  Zeit  erfahren  hat.  Möge  daher  über 
dem  weiteren  Verlauf  der  Angelegenheit  der  gleiche 
glückliche  Stern  walten,  der  ihr  bis  dahin  leuchtete! 
Es  möge  dem  genannten.  Ministerium  aber  auch  der 
aufrichtige  Dank  der  Fachgenossenschaft  dafür  aus- 
gesprochen sein,  dass  es  sich  entschlossen  hat,  die 
Lösung  einer  so  anziehenden  und  bedeutenden  Auf- 
gabe den  deutschen  Architekten  in  ihrer  Gesammtheit 
darzubieten.  — 


format  an  das  Ministerium  des  öffentlichen  Unterrichts  in 
Rom  zu  richten,  während  Gesuche  um  freien  Zutritt  für 
kommunale  Sammlungen  auf  60  Cent.-Stempelbogen,  in 
gleicher  Weise  belegt,  an  den  Vorstand  der  betreffenden 
Sammlung  zu  richten  sind.  In  den  neuen  Bestimmungen 
liegt  zweifellos  eine  grosse  Beschränkung,  da  viele;Künst- 
1er  eine  akademische  Urkunde  überhaupt  nicht  beibringen 
können.  Auf  diplomatische  Vorstellungen  wurde  zwar 
seitens  der  italienischen  Regierung  Abhilfe . in.  Aussicht 
gestellt,  gleichwohl  glauben  wir  die  betheiligten  Kreise 
auf  die  vorläufig  zur  Anwendung  kommenden  neuen  Be- 
stimmungen aufmerksam  machen  zu  sollen.  In  Frankreich 
ist  man  ungleich  rücksichtsvoller  gegen  die  Künstler  und 
Kunstgelehrten.  — 

. Honorirung  vonVorentwürfen  im  Helzungs-  undLüftnngs- 
fache.  Der  Verband  deutscher  Centralheiznngs-Industrieller, 
welcher  mit  die  bedeutendsten  und  angesehensten  deutschen 
Firmen  dieses  Geschäftszweiges  zu  seinen  Mitgliedern  zählt, 
hat  sich  u.  a.  die  Aufgabe  gestellt,  dahin  zu  wirken,  dasS' 
den  Firmen  Entwürfe  von  Heizungs-,  Lüftungs-,  Trocken- 
und  ähnlichen  Anlagen  in  Bewerbungsfällen,  in  welchen 
sie  die  Bestellung  nicht  erhalten,  mit  einem  die  Selbst- 
kosten wenigstens  annähernd  deckenden  Betrage  aufgrund 
eines  vom  Verbände  aufgestellten  Tarifes  bezahlt  werde. 
Es  soll  damit  insbesondere  dem  vielfach  eingerissenen 
Missbrauche  gesteuert  werden,  dass  häufig  selbst  für  die 
unbedeutendsten  Anlagen  Entwürfe  in  unverhältniss- 
mässiger  Anzahl  eingefordert  und  nicht  bezahlt  werden. 
Im.  Verfolg  dieser  Bestrebung  hat  der  Verband  die  im 
Anzeigentheile  abgedruckte  Erklärung  erlassen,  welcher 
alle  billig  denkenden  Fachgenossen  ihre  Zustimmung  nicht 
werden  versagen  können,  im  Gegentheil,  vielleicht  den 
Wunsch  haben  könnten,  dass  dieses  dankenswerthe  Vor- 
gehen auch  auf  andere  Geschäftszweige  der  Baupraxis 
ausgedehnt  werde.  — 

Die  Neuorganisation  des  Hochbauwesens  im  Gross- 
herzogthum  Baden  ist  nunmehr  erfolgt,  nachdem  die  ein- 
zelnen Ministerien  ihre  Sachverständigen  ernannt  haben. 
Diese  sind:  für  das  Ministerium  der  Justiz,  des  Kultus  und 
des  Unterrichtes  Ob.-Brth.  Prof.  Dr.  Otto  Warth,  der 
Erbauer  des  Kollegiengebäudes  der  Strassburger  Uni- 
versität, ein  als  Baukünstler,  Lehrer  und  Mensch  gleich 
hochgeschätzter  Architekt;  für  das  Ministerium  des  gross- 
herzoglichen Hauses  und  der  auswärtigen  Angelegenheiten 
Ob.-Brth.  Kräuter,  ein  hervorragender  Eisenbahnfach- 
mann, weil  diesem  Ministerium  die  für  Baden  so  wichtigen 
Eisenbahnen  unterstellt  sind;  für  das  Finanzministerium 
Brth.  Kredell,  einer  der  erfolgreichsten  badischen  Bau- 
beamten, der  auf  eine  Reihe  sehr  bemerkenswerther 
Monumentalbauten  zurückblicken  kann,  und  für  das  Mini- 
sterium des  Inneren  Brth.  Prof.  L.  Levy,  dessen  wir 
bereits  S.  40  gedachten.  — 


Personal-Nachricliten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar. -Brth.  u.  Hafenb.  - Betr.  - Dir. 
Gromsch  ist  von  Tsingtau  nach  Kiel  und  der  Mar.-Hafen-Bmstr. 
Rollmann  von  Wilhelmshaven  nach  Tsingtau  versetzt;  letzterer 
ist  mit  Wahrnehmung  der  Geschäfte  des  Baudir.  u.  Vorst,  der 
Bauverwaltg,  in  Kiautschou  beauftragt. 

(Reichseisenb.  in  Els.-Lothr.)  Der  Reg.-Rath  R h o d e 
in  Strassburg  ist  z.  Ob.-Reg.-Rath,  die  Eisenb.-Betr.-Dir.  K u n 1 2 e u 
und  Fleck  sind  zu  Reg.-Räthen  und  Mitgl.  der  Gen.-Dir. , die 
Eisenb. -Bau-  u.  Betr. -Insp. , Brthe.  Keller  in  Metz  und 
Kriesche  in  Strassburg  zu  Eisenb.-Betr.-Dir.  unt.  Belassung 


543 


des  Ranges  der  Räthe  IV.  Kl.,  der  kgl.  preuss.  Reg.-Bmstr. 
Kilp  in  D.-Oth  und  der  kgl.  württ.  Reg.-Bmstr.  Frey  in  Strass- 
burg i.  E.  sind  zu  Bau-  u.  Betr.-Insp.  ernannt. 

Dem  Reg. -Rath  Dietrich  bei  der  Gen.-Dlr.  ist  der  Char. 
als  Geh.  Brth.  verliehen. 

Dem  Ob.-Reg.-Rath  Rhode  ist  die  Stelle  eines  Abth. -Vorst, 
in  der  Gen.- Dir.,  dem  Eisenb.-Betr.-Dir.  Kriesche  die  Steile  des 
Vorst,  des  bautechn.  Blir.  bei  ders.  und  dem  Eisenb.-Betr.-Dir. 
Keller  die  Verwaltg.  des  Betr.-Dir.-Bez.  Mülhausen  übertragen. 

Der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Seel  in  Strassburg  i.  E.  ist 
gestorben. 

Baden.  Der  Reg.-Bmstr,  Roth  bei  der  Gen, -Dir.  ist  der 
Eisenb.-Bauinsp.  Karlsruhe  zugetheüt. 

Bayern.  Der  Ob.-Bauinsp.  Weiss  in  Landshut  ist  z.  Dir.- 
Rath  bei  der  Eisenb.-Betr.-Dir.  Würzburg,  der  Dir. -Ass.  Wöhrl 
bei  der  Gen.-Dir.  z.  Vorst,  der  Eisenb.-Bausekt.  Landau  a.  Isar  und 
der  Dir.-Ass.  Friedrich  in  Weiden  zur  Gen.-Dir.  der  Staats- 
eisenb.  berufen.  Der  im  Ruhestand  befindl.  Betr.-Masch.-Ing. 
Höllein  ist  als  Dir.-Ass.  zur  Zentr.-Magazin-Verwaltg.  München 
berufen. 

Preussen.  Dem  Reg.-  u.  Brth.  Schmedes  in  Breslau  und 
den  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  B ern  dt  in  Hirschberg  u.  Haedicke 
in  Bielefeld  ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  dem  Prof,  an  der 


Techn.  Hochsch.  in  Hannover,  Geh.  Reg.-Rath  Launhardt  der 
kgl.  Kronen-Orden  II.  KI.  verliehen. 

Dem  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Sannow  in  Erfurt  ist  die 
Stelle  eines  Mltgl.  der  kgl.  Eisenb.-Dir.  das.  verliehen. 

Der  Eisenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Fr  ahm  in  Berlin  ist  der  kais. 
deutschen  Botschaft  in  London  zugetheüt. 

Sachsen.  Der  Reg.-Bmstr.  Müller  in  Wilsdruff  ist  zum 
Bauinsp.  ernannt. 

Württemberg.  Dem  Brth.  Weigle  in  Stuttga;rt  ist  der  Tit. 
eines  Ob.-Brths.  verliehen. 

Der  Prof.  Göller  an  der  Techn.  Hochschule  in  Stuttgart  ist 
gestorben. 


Inhalt : Die  neue  Strassenbrücke  über  das  Thal  der  Petrusse  in 
Luxemburg  (Schluss'.  — Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  ein  neues  Kollegien-Gebäude  der  Universität  Freiburg  i.  Br.  (Schluss). 
— Vermischtes.  — Personal-Nachrichten.  — Verband  deutscher  Architekten- 
und  Ingenieur-Vereine. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  neue  Strassenbrücke  über 
das  Thal  der  Petrusse  in  Luxemburg. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  WUh.  Greve,  Berlin. 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Nachstehend  bringen  wir  zur  Kenntniss  der  Einzelvereine  die  aufgrund  der  Beschlüsse  der  Augsburger 
Abgeordneten-Versammlung  vom  Vorstande  an  die  zuständigen  Stellen  gerichteten  erneuten  Eingaben  in 
Sachen  der  Prüfung  des  Doktor-Ingenieurs. 

Dresden-Berlin,  den  15.  Oktober  1902. 


Der  Verbands-Vorstand: 

I.  Eingabe  an  den  preuss.  Kultus-Minister. 

Dresden-Berlin,  den  i.  Oktober  1902. 

Euer  Excellenz 

beehrt  sich  der  Unterzeichnete  . Vorstand  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine  unter  Bezug- 
nahme auf  seine  Eingabe  vom  20.  September  v.  J,  in  der 
Frage  der  Zulassung  der  staatlich  geprüften  Baubeamten 
zur  Prüfung  des  Doktor-Ingenieurs  erneut  ehrerbietigst 
Folgendes  vorzutragen : 

In  den  Kreisen  der  Staatsbaubeamten  bezw.  der  staat- 
lich geprüften  Architekten  und  Ingenieure  besteht  noch 
irhmer  die  Befürchtung,  es  könne  die  endgiltige  Regelung 
der  Doktor- Promotions-Frage  in  einer  Weise  erfolgen,  die 
geeignet  erscheint,  das  Ansehen  der  genannten  Vertreter 
des  Baufaches,  die  doch  einen  sehr  wesentlichen,  z.  Z. 
wohl  den  grössten  Theil  aller  Techniker  mit  voller  Hoch- 
schulbildung ausmachen,  in  der  öffentlichen  Meinung  herab- 
zudrücken. (Wenn  nun  auch  dem  Vernehmen  nach  eine 
Vereinigung  der  staatlichen  und  der  akademischen  Prüfung 
am  Schlüsse  des  Studiums  in  Aussicht  genommen  ist,  wo- 
durch für  die  Zukunft  die  jetzt  bestehenden  Gegensätze 
ja  ohne  weiteres  verschwinden  würden,  so  ist  damit  die 
Frage  doch  noch  nicht  für  diejenigen  gelöst,  die  sich  bis- 
her den  staatlichen  Prüfungen  unterzogen  haben,  bezw. 
bis  zur  Einführung  der  genannten  einheitlichen  Prüfung 
noch  unterziehen  werden.) 

Die  XXXI.  Abgeordneten-Versammlung  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine,  die  am 
30.  August  d.  J.  in  Augsburg  tagte,  beauftragte  daher  den 
Unterzeichneten  Vorstand  dahin  zu  wirken,  dass: 

1.  die  staatlich  geprüften  Architekten  und  Ingenieure 
hinsichtlich  der  Zulassung  zur  Prüfung  des  Doktor-In- 
genieurs mit  den  Diplom-Ingenieuren  der  Technischen 
Hochschulen  vollkommen  gleich  gestellt. 

2.  überall  da,  wo  Vorschriften  darüber  noch  fehlen, 
im  Interesse  des  gesammten  höheren  Baufaches  schleunigst 
Uebergangs-Bestimmungen  erlassen  werden, 

3.  die  einheitliche  Regelung  dieser  wichtigen  Fragen 
an  allen  deutschen  Hochschulen  angestrebt  werde. 

Wir  richten  an  Euer  Excellenz  die  ehrerbietige  Bitte, 
in  dieser  die  weitesten  Kreise  des  Baufaches  berührenden 
Frage  eine  Regelung  herbeiführen  zu  wollen,  die  den 
oben  ausgesprochenen  Wünschen  entspricht. 

Der  Vorstand 

des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ing.-Vereine. 

Der  Vorsitzende:  Der  Geschäftsführer: 

Waldow.  F.  Eiselen. 

II.  Eingabe  an  den  preuss.  Minister  der  öffentl. 
Arbeiten. 

Abschrift  der  vorstehenden  Eingabe  ist  dem  Herrn 
Minister  der  öffentl.  Arbeiten  mit  der  Bitte  überreicht 
worden,  , die  Bestrebungen  des  Verbandes  nach  dieser 
Richtung  unterstützen  zu  wollen. 

- III.  Eingabe  an  die  Senate  der  Technischen 
Hochschulen  zu  Berlin,  Aachen,  Hannover. 

Abschrift  der  Eingabe  zu  I.  ist  den  Senaten  der  drei 
genannten  technischen  Hochschulen  mitgetheilt  worden. 

544 


Waldow.  F.  Eiselen. 

IV.  Eingabe  an  das  Ministerium  des  Inneren  für 
Kirchen-  und  Schul  - Angelegenheiten  in 
München,  an  das  Ministerium  für  Kirchen- 
und  Schul-Angelegenheiten  in  Stuttgart,  an 
das  Ministerium  der  Justiz,  des  Kultus  und 
des  Unterrichtes  in  Karlsruhe,  an  das  Mini- 
sterium des  Inneren  in  Darmstadt,  an  das 
Staatsministerium  in  Braunschweig. 

An  die  vorstehend  aufgeführten  Ministerien  ist  eine 
dem  Wortlaute  zu  i entsprechende  Eingabe  unter  Fort- 
lassung  der  eingeklammerten,  ausschliesslich  auf  preussische 
Verhältnisse  bezüglichen  Stelle,  gerichtet  worden. 

V.  An  das  Ministerium  des  Inneren  in  München, 
in  Stuttgart  und  in  Karlsruhe,  sowie  an  das 
Ministerium  der  Finanzen  in  Darmstadt 
ist  Abschrift  der  an  die  Kultus-Ministerien  gerichteten  Ein- 
gabe mit  der  Bitte  um  Unterstützung  übersandt  worden. 

VI.  Den  Senaten  der  Technischen  Hochschulen 
zu  München,  Stuttgart,  Karlsruhe,  Darmstadt 
und  Braunschweig 

wurde  die  Eingabe  zu  IV.  in  Abschrift  mitgetheilt. 

VII.  An  den  sächsischen  Kultusminister. 

Dresden-Berlin,  den  i.  Oktober  1902. 
Euer  Excellenz 

beehrt  sich  der  Unterzeichnete  Vorstand  des  Verbandes 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- Vereine  unter  Be- 
zugnahme auf  seine  Eingabe  vom  15.  Okt.  v.  J.  ehrerbietigst 
eine  erneute  Eingabe  vorzulegen,  die  den  Herren  Kultus- 
Ministern  der  anderen  Bundesstaaten  mit  eigener  technischer 
Hochschule  gleichzeitig  überreicht  wird. 

Für  die  Technische  Hochschule  in  Dresden  ist  durch 
Erlass  des  königl.  Ministeriums  des  Kultus  und  des  öffentl. 
Unterrichts  vom  2.  August  1901  eine  Diplom-Prüfungs- 
Ordnung  genehmigt,  welche  als  Grundlage  für  die  Zu- 
lassung zur  Prüfung  des  Doktor-Ingenieurs  gilt  und  den 
drei  in  den  Beschlüssen  der  XXXI.  Abgeordneten-Ver- 
sammlung des  Verbandes  ausgesprochenen  Wünschen 
nicht  entspricht. 

Der  Unterzeichnete  Vorstand  richtet  deshalb  an  Euer 
Excellenz  die  ehrerbietige  Bitte,  die  in  der  Eingabe  aus- 
gesprochenen Wünsche  der  Staatsbaubearaten  nochmals 
einer  wohlwollenden  Prüfung  unterziehen  zu  wollen,  na- 
mentlich nach  der  Hinsicht,  ob  den  Vorschriften  nicht 
durch  Uebergangsbestimmungen  die  für  die  jetzige  Gene- 
ration besonders  fühlbare  Härte  genommen  werden  kann. 
Der  Vorstand 

des  Verbandes  deutscher  Arch.-  und  Ing.-Vereine. 
Der  Vorsitzende:  Der  Geschäftsführer: 

Waldow.  F.  Eiselen. 

VIII.  An  das  Ministerium  der  Finanzen  in  Dresden 
ist  Abschrift  der  Eingabe  zu  VIT.  mit  der  Bitte  um  Unter- 
stützung gesandt  worden. 

IX.  Dem  Senat  der  Technischen  Hochschule 
in  Dresden 

ist  von  der  Eingabe  zu  VII.  abschriftlich  Kenntniss  ge- 
geben worden.  — 


No.  84. 


DEUTSCHE 

XXXVI.  Jahrgang  No.  85. 


BAUZEITUNG. 

Berlin,  den  22.  Oktober  1902. 


Berliner  Neubauten. 


No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten 

des  Zoologischen  Gartens.  (Fortsetzung  aus  No.  80.) 


VIII.  Das  Straussenhaus. 

Architekten:  Kayser  & von  Groszheim  in  Berlin. 

(Hierzu  der  Grundriss  S.  162  und  die  Bildbeilage  zu  No.  26.) 

dem  neuen  Straussenhause  der  Architekten 
Cayser  & von  Groszheim  ist  die  be- 
vährte  Ueberlieferung  des  Gartens  fortge- 
etzt,  welche  von  den  Architekten  Ende  & 
löckmann  ausging  und  darin  bestand,  den 
Thierstall  auf  eine  künstlerische  Stufe  zu  heben  und 
ihm  die  Formen  des  Heimathlandes  des  Bewohners  zu 
verleihen.  So  wurde  das  neue  Straussenhaus  im  Stile 
der  ägyptischen  Tempel-  und  Grabbauten  errichtet  und 
seine  Äussenflächen  durchaus  mit  den  koilanaglyphi- 
schen  Darstellungen  der  Tempelflächen,  sein  Inneres 
mit  den  dekorativen  Malereien  geschmückt,  die  sich 
im  Inneren  der  Tempel,  namentlich  aber  in  den  gross- 
artigen ägyptischen  Grabbauten,  vom  heissen  Sande 
verschüttet  und  erhalten,  noch  heute  in  voller  Frische 


finden.  Das  Haus  zeigt  eine  basilikale  Anlage,  cs  ist 
im  Grundriss  dreischiffig.  Das  Mittelschiff  ist  für  die 
Besucher  bestimmt,  während  die  Seitenschiffe  die  Ställe 
für  die  Strausse,  Kasuare  und  einige  kleinere  Riesen- 
vögel  enthalten.  Dem  Mittelschiffe  legt  sich  eine 
Eingangshalle  vor,  an  welcher  der  Wärterraura  liegt. 
Das  Haus  wird  durch  eine  Warmwasserheizung  er- 
wärmt und  hateinezweckentsprechendeLüftungsanlage. 
Die  Heizanlage  geht  von  einem  Raume  unterhalb  der 
Vorhalle  aus.  Gegenüber  der  Vorhalle  liegt  ein  Ab- 
schlussraum, welcher  ein  Diorama  von  Prof.  Eugen 
Bracht  aufgenommen  hat,  das  die  Meranonssäulen  bei 
Abcndbeleuchtung  in  einer  überschwemmten  Nilland- 
schaft darstellt.  Der  Fussboden  der  Eingangshalle 
und  des  Raumes  für  die  Besucher  ist  durch  Terrazzo- 
belag gebildet.  Die  flachen  Dächer  sind  mit  Wellen- 
zink eingedeckt. 

Die  künstlerische  Wirkung  des  Gebäudes  hegt 
ausschliesslich  in  dem  farbigen  Schmuck  seiner  we- 


DACHGESCHOSS. 


nigen  Architektur- 
theile  und  seiner 
Flächen.  Dieser  ist 
auf  Putz  aufgetra- 
gen, dessen  Her- 
stellung daher  so- 
wohl im  Aeusseren 
wie  im  Inneren  mit 
besonderer  Sorgfalt 
überwacht  wurde. 
Die  künstlerischen 
Motive,  sowie  die 
Inschriften  sind  un- 
ter der  Anleitung 
des  Aegyptologen 
Dr.  Kurth  dem  alt- 
ägypt.  Formenkreis 
entnommen.  — Die 


Das  ^osse  Hirschhaus. 
Architekt: 

Fritz  SchuUze  ln  Berlin. 


545 


Wiedergabe  durch  Dekorationsmaler  J.  Senft  ist  die 
koilanaglyphische  Technik  der  Tempelfassaden  des 
Nillandes,  d.  h.  die  Umrisse  der  Darstellungen  sind 
vertieft  in  den  feuchten  Putz  eingegraben  und  die 
Farben  der  Flächen  des  Schmuckes  durch  ein  enkausti- 
sches  Verfahren  wetterfest  gemacht. 

Die  Stallthüren  krönt  der  ägyptische  Willkommen- 
gruss.  An  der  Decke  derVorhalleist  auf  blauemSternen- 
griind  das  Bild  der  ägyptischen  Himmelsgöttin  ange- 
bracht, die  vom  Erdgott  getragen  wird,  und  an  der 
Decke  des  Innenraumes  folgen  in  derselben  Ausfüh- 
rung, unterbrochen  durch  stilisirte  Figuren  schweben- 
der Geier,  die  Sternbilder  des  Nordhimmels  in  alt- 
ägyptischcr  Deutung  und  der  berühmte  Thierkreis 
von  Denderah,  in  dem  fast  alle  Sternbilder  unseres 
Zwölferkreises  wieder  zu  finden  sind.  Sonst  sind  als 
Dekorationsmotiv  die  Lotosblume,  der  Scarabaeus- 
käfer  und  die  Sphinx  verwendet. 

Die  theilenden  Stützen  des  Inneren  sind  durch  die 
Hathormaske  bekrönt.  An  dem  plastischen  Schmuck 
ist  Bildhauer  Prof.  G.  Riegelmann  betheiligt. 

Dielnschriften  zeigen  dieFormen  der  Hieroglyphen. 
Die  Bauinschrift  lautet:  „Im  Jahre  13  des  Herrn 
der  beiden  Länder  Wilhelm 
II.  — Leben,  Heil,  Gesund- 
heit blühe  Ihm!  — wurde 
der  Bau  dieses  Hauses  der 
Straussenvögel  vollendet“ . 

An  der  Aussenseite  befinden 
sich  alte  Sprüche  aus  Tem- 
pel-Inschriften, sowie  der 
Spruch:  „Sie  bringen  herbei 
die  Straussen“.  Innerhalb 
des  Vorraumes  liest  man  an 
den  Wänden  die  Namen  Heck, 

Wilhelm  Meyer,  Alfred  Alt- 
schul, Sasse,  j.  K.,Böckmann, 

Kayser,  von  Groszheim,  Eick, 

Julius  Senft.  Um  die  Säule 
herum  läuft  das  von  Erman 
wiedergegebene  Lied  über 
die  Freudenfeste  zurzeit  der 
Nil  - Ueberschwemmungen. 

Erman  übersetzt  es:  „Der 
Erdgott  lässt  wachsen  seine 
Schönheit  in  jedem  Leibe. 

Ptah  macht  dies  mit  seinen 
Händen  zur  Salbe  für  sein 
Herz,  wenn  die  Teiche  voll 
sind  von  neuem  Wasser  und 
die  Erde  überschwemmt  mit 
seiner  Liebe“.  Keine  der  In- 
schriften ist  erfunden,  sie 
gehen  alle  auf  alte  Vorlagen 
zurück.  Die  Bausumme  für  das  Straussenhaus  be- 
trägt 104  000  M.  — 

IX.  Das  grosse  Hirschhaus. 

Architekt:  Fritz  Schnitze  in  Berlin. 

(Hierzu  die  Abbildgn.  S.  177  sowie  S.  545.) 


der  Wärter  ungesehen  die  Thiere  beobachten  und 
auch  von  hier  aus  das  Oeffnen  und  Schlicssen  der 
Aussenthüren,  die  zu  den  Aussengehegen  führen,  durch 
eine  besondere  Zugvorrichtung  bewerkstelligen.  Von 
dem  zentralen  Inncnraurae  führt  eine  Treppe  zu  den 
oberen  Bodenräumen,  die  zur  Aufbewahrung  von  Heu 
dienen.  Die  beiden  Räume  in  den  Thürmen  sind  zum 
vorübergehenden  Aufenthalte  für  denWärter  bestimmt. 
Die  Galerien  an  den  Fronten  sind  von  dem  Heuboden 
zugänglich  und  haben  den  Zweck,  das  Heu  von  hier 
aus  durch  Oeffnungen,  die  sich  im  Boden  der  Galerien 
befinden,  in  die  unterhalb  derselben  angebrachten 
Raufen  zu  schütten, 

Das  Gebäude  ist  als  Fachwerkbau  aufgeführt 
und  aussen  mit  Halbstämmen  verkleidet;  die  Kopf- 
enden zeigen  die  vollen  Rundstämme  von  rd.  30 
Durchmesser,  sodass  für  den  Beschauer  der  Blockhaus- 
Charakter  voll  gewahrt  ist. 

Die  Baukosten  des  schönen  und  malerischen  Bau- 
werkes, welches  durch  die  Firma  Zaar  & Valil  aus- 
geführt wurde,  beliefen  sich  auf  53  760  Mk.  — 

Auch  bei  diesem  Bauwerke  ist  der  Zweck  verfolgt, 
einen  Einklang  zu  schaffen  zwischen  den  Bewohnern 


Fasanengehege.  Architekten:  Schultz  & Stegmüller  in  Berlin. 


und  ihrer  Behausung.  „Der  phantasievolle  Verfasser 
hat  in  dieses  stattliche  Bauwerk  eine  gewisse  urwüchsig-  , 
wuchtige  Romantik  hineingelegt,  ein  echtes  Waldhaus 
und  natürliches  Heim  für  Waldthiere  geschaffen.“ 
(Heck.)  — 

X.  Das  Kameelhaus. 


er  Auftrag  zum  Neubau  des  grossen  Hirsch- 
hauses erfolgte  aufgrund  eines  mit  dem 
II.  Preise  ausgezeichneten  Entwurfes  des 
Verfassers  zur  „Waldhalle“  für  den  Zoolo- 
gischen  Garten,  der,  wie  es  in  dem  Gut- 
achten der  Preisrichter  hiess,  am  vollendetsten  den 
im  Programm  verlangten  Naturholz-Charakter 
zur  Schau  brachte.  Hauptbedingung  für  die  Grund- 
rissanordnung zum  Neubau  des  grossen  Hirschhauses 
war,  auf  dem  zur  Verfügung  stehenden  dreieckigen 
Gelände  möglichst  viel  Abtheile  für  grosse  Hirsche  zu 
schaffen;  hieraus  ergab  sich  der  S.  545  dargestellte 
Grundriss  des  aus  zwei,  durchVerbindungsgänge  in  den 
einzelnen  Geschossen  zu  einem  Ganzen  verbundenen 
Fheilen  des  Baues,  der  durch  seinen  hochragenden  Ober- 
bau als  beherrschendes,  weithin  sichtbares  Mittelstück 
des  ganzenHirschparkes  gedacht  war.  Die  einzelnen  Ab- 
theile sind  von  einem  zentralen  Innenraume  zugänglich. 
Durch  kleine  runde  Gucklöcher  in  den  Thüren  kann 


Architekten:  Kayser  & von  Groszheim  in  Berlin. 

(Hierzu  die  Abbildungen  Seite  183.) 

u den  Neubauten  des  Jahres  1898  zählt  das 
nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Kayser 
& V.  Groszheim  gegenüber  dem  Antilopen- 
hause, an  der  Grenze  gegen  denThiergarten, 
im  maurisch-arabischen  Stile  errichtete  Ka- 
meelhaus. Es  hat  im  Grundriss  eine  langgestreckte 
Form  mit  zwei  an  beiden  Enden  stark  vortretenden 
Eckbauten.  Es  beherbergt  in  dem  ungeheizten  Seiten- 
flügel die  Kameele  und  Dromedare,  in  dem  gegenüber- 
liegenden heizbaren  Flügel  Antilopenarten,  die  auch 
im  Winter  ins  Freie  gelassen  werden  und  jederzeit 
in  den  durch  Heizung  frostfreien  Stall  zurückkehren 
können.  In  dem  erhöhten  Mitteltheil  des  Hauses  sind 
für  die  kleinen  Antilopenarten  bis  höchstens  zu  der 
Grösse  eines  Rehes  stärker  erwärmte  Ställe,  in  welchen 
auch  der  Boden  warm  ist,  eingerichtet.  Die  Baukosten 
des  Hauses  beliefen  sich  auf  rd.  30000  M.  — 


546 


No.  85.. 


XI.  Die  neue  Fasanerie. 
Architekten:  Schultz  & Stegmüller  in  Berlin. 


XII.  Die  neuen  Wasserflugkäfige. 
Architekten:  Zaar  & Vahl  in  Berlin. 


(Hierzu  die  Abbilduof  S.  546.) 

ie  neue  Fasanerie  führt  den  Besucher  des 
Gartens  aus  fremden  Ländern  in  die  hei- 
mathliche  Waldesstimmung  zurück.  Sie  hat 
die  Bestimmung,  den  Fasanen  und  anderen 
verwandten  Hühnervögeln  ein  Heim  zu 
schaffen,  in  welchem  sie  wenigstens  bis  zu  einem 


(Hierzu  die  Abbildungen  S.  176.) 

B*™SMie  lange  Reihe  der  neuen  Wasserflugkäfige 
fügt  sich  vermöge  der  geschickten  Entwürfe 
1 der  Architekten  als  harmonisches  Schluss- 
stück  in  das  japanische  Viertel  zwischen 
Wirthschaftshof  und  Stelzvogelhaus  ein.  Mit 
einem  natürlichen  Bach  und  mehreren  Wasser  spen- 


Theil  die  natürlichen  Lebensbedingungen  wiederfinden 
und  dadurch  die  Gefangenschaft  vergessen  könnten. 
Zu  diesem  Zwecke  ist  in  die  durch  Drahtgeflechte 
abgegrenzten  Abtheile  wirklicher  Waldboden  mit 
Blaubeeren-  und  Haidekraut  gebracht.  In  der  Fasanerie 
sind  nunmehr  alle  wilden  Hühnervögel  vereinigt,  die 
ihrer  naturgeschichtlichen  Verwandtschaft  nach  zu- 
samraengehören:  Fasanen,  Pfaue,  Hocko’s,  Baum- 
hühner, Frankoline  und  Rebhühner,  Perlhühner  usw.  — 


denden  Felsenaufbauten  nach  Lehmanns  Entwürfen 
ausgestattPt,  sollen  sie  ausser  den  Ibissen  und  Sich- 
lern auch  allen  ausländischen  Reihern,  Rallen  und 
Wasserhühnern,  ferner  denBraut-  und  Mandarin-Enten, 
Baumenten  und  anderem  zarteren  Wassergeflügel  zu 
passendem  Aufenthalt  dienen.  Einen  besonderen  Reiz 
verleiht  ihnen  ein  hochgelegenes  Wasserbecken,  in 
dem  man  durch  seitliche  Aquarium-Scheiben  Pinguine, 
Lummen,  Schlangenhals  vögel  und  andere  Fischtaucher 


22.  Oktober  1902. 


547 


unter  Wasser  beobachten  kann.  In  glücklichster  Weise 
ist  das  dünne  Eisenwerk  der  Käfige  durch  schön  ge- 
zeichnete farbige  Glaseinsätze  zu  etwas  Masse  gebracht 
w'orden,  sodass  theilweise  eine  wohlthuende  und  ruhige 
Flächenwirkung  entsteht.  Die  Kosten  der  durch  die 
Architekten  auch  ausgeführten  Voliere  haben  62247 
betragen.  — 

XIII.  Die  F elslands  c haften  des  Zoolog.  Gartens. 

Entwurf:  Theatermaler  Moritz  Lehmann  in  Berlin. 

(Hierzu  die  Abbildung  S.  547.) 

nter  den  „Neubauten“  des  Zoologischen  Gar- 
tens soUen  die  neuen  Felslandschaften,  wie 
sie  in  der  Adlervoliere,  in  der  Ibisvoliere,  ira 
Pelikanteiche  und  namentlich  in  dem  neuen 
Gemsenberge  erstanden  sind,  nicht  uner- 
wähnt bleiben,  denn  sie  sind  mit  grosser  Kunst  der 
Natur  nachgebildcte  Bauwerke,  für  deren  Anlage  die 
Gartenverwaltung  einen  Maler,  Hrn.  Moritz  Lehmann, 
als  entwerfenden  Künstler  zu  gewinnen  wusste.  Dem 
Künstler  wurde  zunächst  die  Ausstattung  des  grossen 
Flugkäfigs  für  Sumpf-  und  Strandvögel  anver-^ 
traut,  die  mit  grossem  malerischem  Geschick  gelöst 
wurde.  Es  folgte  sodann  die  Anlage  des  Felsen- 
beckens für  Pelikane,  Kormorane  und  grosse 
Möveo,  bei  welchem  das  Ziel  verfolgt  wurde,  für  diese 


Vermischtes. 

Der  Abendbesuch  im  kgl.  Kunstgewerbe -Museum  in 
Berlin  bei  elektrischem  Licht  wird  voraussichtlich  im 
November  beginnen.  Es  handelt  sich  darum,  allen  denen, 
welche  am  Tage  die  Zeit  für  die  Museen  nicht  erübrigen 
können,  vor  allen  den  Arbeitern  der  kunstgewerblichen  Be-, 
triebe,  die  Schätze  des  Museums  zugänglich  zu  machen. 
Zu  diesem  Behufe  erschien  es  zweckmässig,  nicht  die 
ganzen,  durch  ihren  Umfang  eher  ermüdenden  Massen  in 
ihrer  jetzigen  Aufstellung  bei  künstlichem  Lichte  vorzu- 
führen, sondern  in  dem  grossen  Lichthofe  des  Museums 
Sonderausstellungen  herzurichten,  die  aus  grösseren 
Gruppen  erlesene  Stücke  bringen.  Innerhalb  dieses  Rahmens 
sollen  dann  Stücke  in  kürzeren  Fristen  ausgewechselt  wer- 
den. Begonnen  wird  mit  der  Kunst  der  Renaissance  in  allen 
ihren  Zweigen;  nach  2 — '3  Monaten  soll  dann  eine  andere 
Gruppe,  in  gleicher  Art  zur  Aufstellung  gelangen.  Es  werden 
auch  hervorragende  Stücke  -aus  anderen  Abtheilungen  der 
kgl.  Museen  sowie  aus  Privatbesitz  herangezogen  werden. 

Ein  bestimmter  Lehrgang,  der  Besuche  in  regelmässi- 
gen Abständen  fordern  würde,  ist  für  diese  Ausstellungen 
nicht  beabsichtigt,  es  soll  ihnen  vielmehr  die  grösste 
Freiheit  der  Bewegung  gewahrt  bleiben,  um  auch  inter- 
essante Neuerscheinungen  dem  Abendbesuch  zugänglich 
machen  zu  können  und  den  Ausstellungen  im  Lichthof 
auch  für  den  Tagesbesuch  ihr  Interesse  zu  wahren.  Die 
Ausstellung  soll  an  fünf  Wochentagen  (mit  Ausnahme 
des  Montags)  von  7V2~9V2  Ehr  geöffnet  sein.  — 

Der  herzogliche.  Palast  in  Gubbio  Nationaleigenthum. 
„II  Governo  ha  dunque  comprato  il  Palazzo,  Exducaie  di 
Gubbio,  Meglio.tardi  che  mai!“  Das  waren  die  Worte, 
die  dem  Besucher  diesmal  in  Gubbio  zu  Ohren  kamen, 
nachdem  man  bereits  im  vorigen  Jahre  vernommen,  hatte, 
dass  die  herrlichen  Kamine  der  beiden  Säle  des  Palastes 
vom  Staate  aufgekauft  seien.  Man  hat  also  doch  noch 
noch,  rnehr  für  dieses  eine  Erstwerk  der  italienischen 
Hochrenaissance  übrig  gehabt  und  es  ebenfalls  zum  „mo- 
numento  nazionale“  erhoben.  Die  Kaufsumme  für  den 
Palast  ist  eine  geringe,  denn  er  besitzt  trotz  seiner  Aus- 
räubung nicht  nur  geschichtlichen  Werth,  sondern  immer 
noch  Kunstwerth  genug,  und  ist  gerade  für  unsere  neueren 
dekorativen.  Bestrebungen  von  Wichtigkeit.  Kaum  ein 
anderes  Werk  von  Luciano  da  Laurana,  auch  nicht  die 
prächtige  „Sala  degli  Angeli“  im  Urbiner- Palast,  war  so 
reich  und  vornehm  in  Farbe  gesetzt,  wie  die  Steinarchi- 
tektur der  Thüren  und  Fenster  und  wie  die  der  Kamine 
in  Gubbio.  Bei  hellem  Sonnenschein  und  allseits  geöffneten 
Läden  ist  es  noch  heute  möglich,  die  Farbenpracht  zu 
ahnen,  die  einst  hier  ausstrahlte.  Es  ist  in  dem  nur  mittel- 
bar beleuchteten  Zimmer  an  der  Rundtreppe  Vormittags 
und  in  den  vorderen  Sälen  gegen  Mittag  unter  entspre- 
chendem Reflexe  die  farbige  Stimmung  noch  besonders 
schön.  AUe  Höhen  der  Profile  waren  echt  vergoldet, 
allen  Tiefen  der  Schmuckglieder  war  ein  tiefes  Blau  ein- 
gestrichen, das  auch  sonst  noch  aufgesetzte  Goldlinien  be- 
gleitete. Das  galt  sowohl  für  das  plastische,  wie  für  das 
aufgemalte  Ornament  auf  graugrünem  Stein. 

548 


Seevögel  ein  malerisch  wirkendes  Gehege  zu  schaffen, 
in  welchem  sie  sich  bewegen  und  umhersitzen  können 
wie  auf  den  Klippen  ihrer  heimathlichen  Brutplätze. 
Aehnliche  Gesichtspunkte  wurden  bei  den  landschaft- 
lichen Bildungen  der  neuen  Wasserflugkäfige  ver- 
folgt. Die  bemerkenswertheste  Leistung  dieser  Art 
jedoch  ist  der  neue  Gemsenberg,  den  wdr  S.  547 
abbilden.  Dieses  neue  Felsengehege  für  Gebirgs- 
Wiederkäuer  sollte  Ersatz  bieten  für  das  alte,  der 
Umwandlung  des  Gartens  zum  Opfer  gefallene  Lama- 
haus ; es  sollte  den  alten  Muflonfelsen,  der  durch  sel- 
tene Exemplare  dieser  Thiergattung  gefüllt  wurde,  ent- 
lasten; es  sollte  ferner  die  Gemse  in  die  Nähe  der 
Antilopen  bringen,  zu  welchen  sie  gehört;  und  es 
sollte  endlich  auch  Unterkunft  bieten  für  die  antilopen- 
ähnlichen Tharaziegen  vom  Himalaya  und  dem  vorder- 
indischen Nilgherrigebirge.  „Vollkommen  wie  ein  na- 
türlicher, etwas  angewitterter  Felsenrücken  im  Walde 
streckt  sich  das  Ganze  lang  dahin,  das  Gesteingefüge 
und  seine  verwaschenen  Farbentöne  sind  mit  täuschen- 
der Naturtreue  nachgeahmt,  und  wenn  die  verschie- 
denen langzottigen  und  gehörnten  Bewohner,  behag- 
lich wiederkäuend,  auf  den  geröllbedeckten  Abhängen 
liegen,  erscheinen  sie  in  einem  Rahmen  und  auf  einem 
Hintergrund,  wie  er  natürlicher  und  passender  für 
sie  nicht  wohl  gefunden  werden  kann“.  (Heck.)  — 

(ScMuss  folgt.) 

Möchte  es  doch  gelingen,  wenigstens  den  traulichen 
Säulenhof  wieder  herzustellen,  so  wie  er  einst  war,  als 
ein  weiteres  Denkmal  für  den  edlen  Fürsten  Federigo  II. 
und  seinen  ersten  Baukünstler  Luciano  da  Laurana!  — 

Urbino.  Prof.  Theobald  Hofmann. 


Personal-Nachrichten. 

Bayern.,  Der  Eisenb.-Betr.-Dir.  Köhler  in  Regensburg  ist 
unt.  Verleihung  des  Tit.  Ob.-Reg.-Rath  in  den  Ruhestand  getreten. 

Preussen.  Dem  Reg.-  u.  Brth.  Glasenapp  in  Washington, 
dem  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Misling  in  Elberfeld,  dem  Landbauinsp. 
Brth.  Geick  in  Posen  und  dem  Kr.-Bauinsp.  Brth.  Glase  wald 
in  Köslin,  dem  letzt,  aus  Anlass  s.  Uebertritts  in  den  Ruhestand, 
ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.,  dem  Kr.-Bauinsp.  Geh.  Brth. 
Brauweiler  in  Trier  aus  Anlass  seines  Uebertritts  in  den 
Ruhestand  ist  der  kgl.  Kronen-Orden  III.  Kl.  verliehen. 

Dem  Hofbauinsp.  Wittig  ist  die  Erlaubniss  zur  Anlegung 
des  ihm  verlieh.  Ritterkreuzes  des  kgl.  italien.  St.  Mauritius-  und 
Lazarus-Ordeus  ertheilt. 

Zu  Mitgl.  der  techn.  Prüfungsärater  sind  ernannt  in  Berlin ; 
der  Geh.  Mar. -Brth.  und  Schiffb.-Dir.  Jaeger  und  der  Mar.-Ob.- 
Brth.  und  Maschinenb.-Betr.-Dir.  C o 1 1 i n in  Berlin;  — in  Hannover: 
der  Reg.-  u.  Brth.  Leitzmann  in  Hannover;  — in  Aachen;  die 
Prof,  an  der  Techn.  Hochschule  Dr.  Schumann  und  H e r t wi  g. 

Dem  Reg. -Bmstr.  Ernst  Wi  g g e r t in  Breslau  ist  die  nachges. 
Entlassung  aus  dem  Staatsdienste  ertheilt. 

Der  Reg.-  u.  Brth.  Lottmann  in  Jülich  ist  gestorben. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Elrep,  Borken.  Das.  Abputzen  eines  Hauses  kann  als  Um- 
oder Ausbau  im  Sinne  G.  v.,2.  Juli  75  § ir  selbst  dann  nicht  an- 
genommen werden,  wenn  diese  Gelegenheit  benutzt  wird,  die 
Strassenfroot  in  künstlerischer  Hinsicht  zu  verschönern.  Auch  ist  es 
nebensächlich,  ob  das  Abputzen  aus  zwingenden  Gründen  der  Noth- 
wendigkeit  baupolizeilich  gefordert  wurde  oder  freiwillig  aus  Schön- 
heitsrücksichten beabsichtigt'  wird.  Dagegen  erscheint  das  Aus- 
wechseln eines  hölzernen  Gesimses  gegen,  ein  steinernes  sehr  wohl 
unter  den  Begriff  des  Umbaues  gebracht  werden  zu  können,  wenn 
dieses  Gesims  einen  hervorragenden  Bestandtheil  der  Fassade  bildet. 
Denn  durch  die  Verwendung  eines. mehr  haltbaren  Materials  wird 
die  Dauerhaftigkeit  des  Bauwerkes  erhöht  und  der  Zeitpunkt  ver- 
schoben, innerhalb  dessen  sonst  wegen  Baufälligkeit,  zu  einem  Neu- 
bau geschritten  werden  müsste  und  ein  Fall  des  a.  G.  § ii  Vorge- 
legen haben  würde.  Die  Ortspolizei  ist  also  in  einem  derartigen 
Falle  zum  Verbot  berechtigt,  das  hölzerne  durch  ein  gemauertes 
Gesims  zu  ersetzen,  sobald  nach  ihrem  pflichtschuldigen  Ermessen 
über  den  gemeinüblichen  Begriff  des  Abputzes  hinausgegangen 
und  in  das  Gebiet  des  Umbaues  eingetreten  wird.  Ob  im  Einzel- 
falle  über  die-Befugniss  hinausgegangen,  das  Verbot  übereilt  er- 
lassen und  willkürlich  gehandelt  werden  würde,  ist  eine  Frage  that- 
sächlicher  Natur,  die  genauerere  Kenntniss  der  einschlagenden  Ver- 
hältnisse erfordert,  als  die  gelieferte  Sachdarstellung  bietet.  — 

K.  H-e. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Giebt  es  Werke,  welche  niedersächsische  bäuerliche  Kunst, 
insbesondere  Möbel  und  innere  Einrichtung  enthalten? 

G.  H.  in  Hannover. 


Inhalt : Berliner  Neubauten.  No.  102.  Die  Umwaudhmg  und  die  Neu- 
bauten im  Zoologischen  Garten  (Fortsetzung).  — Vermischtes.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m,  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion, 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Gr ev e,  Berlin. 

No.  85. 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  * 
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AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO.  86.  * 

DEN  25.  OKT.  igo2.  * 
«ÄÄÄÄÄStsrsrarÄStstsr 


Berliner  Neubauten. 


No,  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neubauten  des  Zoologischen  Gartens.  (Schluss.) 


it  den  voraufgegange- 
nen Schilderungen  seien 
die  Thierhäuser  ver- 
lassen und  nun  in  kurzen 
Zügen  die  neuen  Ge- 
bäude zur  Darstellung 
gebracht,  welche  den 
Zwecken  der  Verwal- 
tung und  der  Bewirth- 
schaftung  des  Gartens, 
sowie  der  Verpflegung 
der  in  ihm  verkehren- 
den grossen  Menschen- 
massen dienen.  Die  Ge- 
bäudegruppe aus  No.  80 
steht  auf  der  Grenze  und 
bildet  in  ihrer  Vereini- 
gung von  Thierhäusern 
und  Verwaltungs-bezw. 
Lehrgebäuden  denÜber- 
gang  von  einer  Gebäu- 
deart zur  anderen.  Die 
bedeutendste  Gruppe 
der  den  ökonomischen 
Zwecken  des  Gartens 
gewidmeten  Gebäude 
besteht  aus  dem  Ver- 
waltungs-Gebäude mit 
einigen  an  dasselbe  an- 
gcschlossenen  kleineren 
Baulichkeiten  und  dem 
Wirthschaftshof.  — 


XIV. 

Das  Verwaltungs- 
Gebäude. 

Archit.;  Zaar  & Vahl 
in  Berlin. 

(HierzQ  die  Abbildungen  und  die 
Bildbeilage  zu  No.  22.) 

DasVerwaltungs-Ge- 
bäude,  der  Haupt-Ein- 
gang, der  Wirthschafts- 
eingang,  sowie  das  linke 
und  das  rechte  Pfört- 
nerhaus sind  von  den 
Architekten  aufgrund 
eines  von  der  Garten- 
verwaltung ausgeschrie- 
benen Wettbewerbes,  in 
welchem  sie  den  I.  Preis 
erhielten , in  General- 
Unternehmung  ausge- 
führt worden.  Als  freier 
Auftrag  schloss  sich  die- 
sen Gebäuden  die  Fahr- 
radhallean.Dieschlichte 
Anlage  dieser  Gebäude 
geht  aus  den  Grund- 
rissen S.  139  hervor.  Für  den' Aufriss  wurde  der  japa- 
nische Stil  verwendet,  welcher  mit  seiner  zu  gleicher 
Zeit  treuen  und  doch  wieder  freien  Behandlung,  mit 
welcher  er  den  Bedürfnissen  der  Vei*waltung  auf  das 
glücklichste  angepasst  wurde,  und  mit  der  phantasie- 
vollen Verflechtung  von  allen  möglichen  auf  die  Be- 
stimmung des  Gartens  bezüglichen  Einzelheiten  die  ur- 


sprünglichen Nutzbauten  zu  hervorragenden  und  cha- 
rakteristischen Kunstbauten  stempelte.  In  demElephan- 
ten-Thor  gaben  die  Architekten  eine  Schöpfung,  wie  sie 
treffender  und  schöner  kaum  ein  anderer  zoologischer 
Garten  besitzen  dürfte.  Für  die  einzelnen  Gebäude 
dieser  Gruppe  wurden  die  foIgendenSummen  aufgewen- 
det: für  das  Verwaltungs-Gebäude  145650  M.;  für  den 
Haupteingang  zwischen  dem  Verwaltungs-Gebäude  und 
der  rechtsseitigen  Sanitätswache  63  063  M. ; für  den 
Wirthschaftseingang  links  neben  dem  Verwaltungs- 
Gebäude  4300  M.;  für  das  linke  Pförtnerhaus  176^, 
für  das  rechte  Pförtnerhaus  (Sanitätswache)  21522  M.; 
für  die  Fahrradhalle  25  103  M.  — 


XV.  Der  Aussichts -Thurm. 

Arch.:  C.  Teichen  in  Berlin.  (Hierzu  die  Abbildungen  S.  551.) 
I er  Aussichtsthurm  verdankt  seine  Entstehung 
in  der  Hauptsache  dem  Umstande,  dass  ein 
altes,  17,5“  hohes  schmiedeisernes  Gerüst, 

I welches  ein  5“  hohes  und  5“  im  Durch- 
messer haltendes  rundes  Wassergefäss  tnjg 
und  einen  der  malerischen  Gegend  nicht  zur  Zierde 
gereichenden  Anblick  bot,  in  künstlerische  Form  ge- 
bracht werden  und  zugleich  den  Besuchern  des  Gar- 
tens einen  Aussichtsplatz  über  den  Bäumen  des  Thier- 
gartens bieten  sollte.  Da  nun  die  eisernen  Stützen 
nur  gerade  die  Last  des  Reservoirs  tragen  konnten 
und  für  weitere  Aufbauten  nicht  mit  in  Anspruch  ge- 
nommen werden  durften,  so  war  man  gezwungen, 
um  diese  Stützen  herum  und  ohne  sie  in  irgend  einer 
Weise  mit  den  neuen  Lasten  in  Verbindung  zu  bringen, 
einen  besonderen  Ausbau  auszuführen.  Es  geschah 
dies  in  der  Weise,  dass  hinter  die  alten  Eisenstützen 
innen  6 massive  Pfeiler  auf  die  alten  tragfähigen  Fun- 
damente aufgesetzt  und  dass  auf  diese  Pfeiler  oben 
besondere  kurze  Eisenstützen  aufgestellt  wurden,  die 
nun  die  Last  der  höher  zu  führenden  neuen  Thurm- 
konstruktion, der  Umgänge,  Gallerien  usw.  aufnehmen. 
Da  das  grosse  Reservoir  im  Betrieb  bleiben  musste, 
war  man  gezwungen,  die  erste  Gallerie  auf  Konsolen 
vorzukragen  und  in  zwei  vorspringenden  Erkern  die 
Treppen  zu  der  zweiten  Gallerie  anzuordnen,  wodurch 
zugleich  eine  malerischeWirkung  erzielt  werden  konnte, 
ln  Höhe  der  zweiten  Gallerie  wurde  ein  durchgehen- 
des Podium  in  Stein  und  Eisen  konstruirt,  das  in 
seinem  mittleren  Theil  den  neuen  Schaft  mit  den  in 
diesem  weiter  führenden  beiden  Treppen  aufnahm. 
Die  Platte  des  Kapitäls  dieses  Schaftes  bildet  eine 
dritte  Gallerie,  die  in  der  Mitte  mit  einer  schlanken 
Laterne  bekrönt  wurde.  Die  beiden  oben  erwähnten 
Treppen  schlängeln  sich  vom  Gelände  an  neben-  und 
untereinander  bis  in  die  höchste  Spitze  empor;  sie 
sind  durchaus  unabhängig  von  einander,  sodass  eine 
Begegnung  der  hinabsteigenden  Personen  mit  den 
Hinaufsteigenden  ausgeschlossen  ist. 

Die  Höhenabmessungen  sind  bis  zur  i.  Gallerie 
^7)50^  bis  zur  zweiten  23“’,  bis  zur  dritten  Gallerie 
34,50“!,  der  Knauf  der  Laterne,  auf  dem  sich  eine 
schlanke  Fahnenstange  erhebt,  liegt  42,50™  über  dem 
Gelände.  Die  Materialien  sind  Stein  und  Eisen;  die 
Mauerflächen  sind  verblendet,  die  6 Ecken  der  massi- 
ven Pfeiler  des  Unterbaues,  vor  welchen  die  alten 
Stützen  frei  liegen,  sind  mit  Wülsten  aus  grün  glasir- 
ten  Dachsteinen  abgedeckt,  die  zuletzt,  nachdem  et- 
waige Setzungen  der  neuen  gegen  die  alte  Konstruk- 
tion nicht  mehr  zu  befürchten  waren,  als  Verkleidung 


549 


über  die  alten  Stützen  gelegt  wurden.  Die  Hohlkehlen'  [Die  Anlage  des  sechsseitigen  Pavillons  im  Grundriss 
der  Gallerien  sind  in  Monierkonstruktion  ausgeführt|  lund  Durchschnitt  mit  Anordnung  der  Schalltrichter 
und  mit  farbigen  Malereien  in  Keim’schen  Mineral-'  zeigen  die  beistellenden  Abbildungen.  Die  Formen- 
farben geschmückt;  das  sichtbare  Eisenwerk  wurdeV'sprache  schliesst  an  'russische  Vorbilder  an;  in  der 
mit  Ripolinfarbe  gestrichen  und 
mässig  vergoldet.  Der  Bau  hat 
rd.  50000  M.  gekostet.  — 


XVI.  Die  Kinderspielhalle. 
Architekten:  Schultz  & Stegmüller 
in  Berlin. 

Bei^dem  bewegten  Getriebe 
des  Gartens  hat  es  sich 
als  nothwendig  erwiesen, 
abseits  vom  Hanptver- 
' kehr  einen  Kinderspiel- 
platz einzurichten,  auf  welchem  die 
Kleinen  sicher  und  gefahrlos  ihren 
Spielen  sich  hingeben  können.  Am 
grossen  Neptunsteich  gelegen,  zum- 
theil  schattig,  zumtheil  sonnig,  mit 
freier  Aussicht  auf  die  mitSchwimm- 
vögeln  aller  Art  belebte  Wasser- 
fläche, ist  der  eingehegte  Platz  mit 
seinenBänken,  Tischchen  und  Sand- 
haufen ein  vielbegehrtes  Tummel- 
feld für  das  fröhliche  Treiben  der 
Kinderwelt  und  zugleich  ein  ange- 
nehmer Aufenthalt  für  Mütter,  Er- 
zieherinnen und  Wärterinnen.  Zum 
Schutze  gegen  plötzlich  eintreten- 
des Regenwetter  erhielt  der  Spiel- 
platz an  seiner  Westseite  nach  den 
Entwürfen  der  Hrn.  Schultz  & 
Stegmüller  eine  dreifach  geglie- 
derte Holzhalle,  deren  mittlerer 
Theil  durch  den  Maler  Paul  Neu- 
mann in  Berlin,  einen  Schüler  Paul 
Meyerheiras,  mit  6 Märchenbildern 
in  schlichter,  dem  Verständniss  des 
Kindes  angepasster  Darstellung  ge- 
ziert ist.  — 


XVII.  Der  neuerussischeMusik- 
pavillon  mit  Bier-Ausschank. 
Architekten:  Zaar  & Vahl  in  Berlin. 


it  der  Ausdehnung  des 
Restaurations  - Betriebes 
des  Gartens  und  insbe- 
sondere nach  Errichtung 
des  weiter  unten  erwähn- 
ten Hallenbaues  am  Kurfürsten- 
damm trat  die  Nothwendigkeit  an 

die  Garten -Verwaltung  neue  russische  Musikpaviliou  mit  Bierausschank. 

Architekten : 


heran,  anstelle  des  alten, 
unschönen,  nur  nach 
einer  Seite  sich  öffnen- 
den Musikpavillons  in 
der  Nähe  der  Adler- 
voliere einen  neuen  zu 
errichten.  Die  Wahl 
eines  geeigneten  Ent- 
wurfes schwankte  zwi- 
schen den  auf  demWege 
des  Wettbewerbes  ge- 
wonnenen Arbeiten  von 
Zaar  & Vahl  und  A. 
Hartung.  Man  wählte 
zur  Ausführung  den  Ent- 
wurf der  erstgenannten 
Architekten,  weil  sich 
die  von  den  Pächtern 
des  Restaurations  - Be- 
triebes hier  gewünschte 
Einrichtung  eines  Bier- 
ausschankes mit  Eisbe- 
hälter im  Unterbau  bes- 
ser verwirklichen  liess. 


Zaar  & Vahl  in  Berhn« 


550 


No.  86. 


Erscheinung  ist  einer  lebhaften  Farbengebung  eine 
ausgesprochene  Mitwirkung  eingeräumt.  Die  Kosten 
des  Bauwerkes  haben  30652  Mark  betragen.  — 

XVni.  Der  chinesische  Musikpavillon. 
Architekten:  Kayser  & von  Groszheim  in  Berlin. 


weniger  bemittelten  Besucher  des  Gartens  sich  er- 
holen könnten.  Sie  erhebt  sich  an  einem  der  land- 
schaftlich schönsten  Punkte  des  Gartens,  an  dem 
hinter  dem  Wirthschaftshof  gelegenen  Kaskadenteiche. 
Ein  Theil  der  Anlage  bestand  schon  früher;  er 
wurde  nach  den  Entwürfen  der  Architekten  Zaar  & 


(Hierzu  die  Abbildung  S.  i6i.) 

m Schnittpunkte  der  neuen  Dreisternpro- 
menade erhebt  sich  der  chinesische  Musik- 
pavillon, der  an  grossen  Konzerttagen  mit 
einer  dritten  Musikkapelle  besetzt  wird  und 
die  Bestimmung  hat,  das  zahlreiche  Konzert- 
publikum nach  den  neuen  Anlagen  hinzuziehen,  die 
nothwendige  Entlastung 
der  „Läster-Allee“  her- 
beizuführen und  zugleich 
die  Gäste  der  benach- 
barten Waldschänke  mit 
Musik  zu  erfreuen.  Die 
Form  ist  die  eines  chine- 
sischen Rundtempels  mit 
reichster  Farbenwirkung. 

Die  Kosten  haben  23300 
Mark  betragen.  — 

XIX. 

Die  Waldschänke  mit 
Birkenhalle. 

Architekten  :Zaar&Vahl 
in  Berlin. 

(Hierzu  die  Abbildgn.  S.  547  u.  551.) 

lieWaldschänke 
mitBirkenhalle 
ist  gleich  der 
I neuen  Restau- 
rationshalle zu- 
nächst aus  dem  Bedürf- 
niss  entstanden,  für  die 
grossenMenschenmassen, 
die  namentlich  an  den 
„billigen  Sonntagen"  den 
Garten  füllen,  geeignete 
Unterkunftsräume  beson- 
ders auch  für  plötzlichen 
Witterungs  -Wechsel  zu 
schaffen.  Für  die  Wald- 
schänke trat  noch  die  be- 
sondere Bestimmung  hin- 
zu, eine  Verpflegungs- 
stätte zu  sein , wo  die 


Vahl  durch  geräumige  Hallen  in  Naturholz  (Birken) 
mit  bunten  Glasfenstern,  sowie  durch  ein  Restau- 
rations-Gebäude im  oberbajerischen  Stile  erweitert. 
Die  Anlage  des  Ganzen  zeigt  der  Grundriss  S.  551. 
Die  Kosten  haben  für  die  Birkenhalle  26154 
das  Restaurations-Gebäude  36984  Mark  betragen.  In 
ihrer  anheimelnden  Gemüthlichkeit  gehört  die  Bau- 
gruppe zu  den  anzieh- 
endsten des  Gartens.  — 

XX.  Die  neue 
R es  taurations  halle. 
Architekten : 

Kayser  &v.  Groszheim 
in  Berlin. 

(Hierzu  die  Abbildungen  S,  184.) 

Jn  einer  Länge 
von  mehr  als 
90  ™ zieht  sie 
araKurfürsten- 
' dämm  entlang 
und  ist  dazu  bestimmt, 
den  Restaurationsbetrieb 
des  Gartens  als  „Wiener 
Cafe"  zu  ergänzen.  Sie 
ist  gegen  den  Garten  völ- 
lig geöffnet,  gegen  die 
Strasse  aber  geschlossen 
und  in  der  Abschlusswand 
durch  12  farbige  Glas- 
fenster geziert,  die  nach 
den  Kartons  des  Hrn. 
Maler  Senft  Thier-Dar- 
stellungen zeigen.  Die 
Fenster  stammen  aus  der 
Werkstätte  des  Hrn.  Glas- 
maler Jos.  Scherer  in 
Wilmersdorf.  Der  Grund- 
ton der  in  der  Hauptsache 
aus  Holz  gebildeten  Halle 
ist  weiss ; zwei  Pavillon- 
bauten bezeichnen  ihre 
Endpunkte.  An  den  Pfei- 
lern der  Pavillons  sind 
die  Köpfe  von  Lastthieren ; 


Alexander  Linnemann  -r. 


Alexander  Linnemann  f. 

[pWTO’m  21.  Sept.  d.  J.  ist,  wie  wir  bereits  in  No.  79  kurz 
anzeigten,  zu  Frankfurt  a.  M.  Alexander  Linnemann 
im  Alter  von  63  Jahren  aus  dem  Leben  geschieden. 
Unter  den  Künstlern  der  älteren  Generation,  der  er  ange- 
hörte,  war  er  eine  der  ausgesprochensten  Persönlichkeiten. 
Heute,  da  das  Herausarbeiten  der  Persönlichkeit  als  eine 
Hauptbedingung  der  Künstlerschaft  angesehen  wird  und 
eine  Fülle  höchst  eigenartiger  Gestalten  gezeitigt  hat,  ist 
es  doppelt  schwer,  einem  Manne  gerecht  zu  werden,  der 
als  Mensch  und  Künstler  seine  eigenen  Wege  schon  zu 
einer  Zeit  ging,  als  der  „Schwur  auf  die  Worte  des  Meisters“ 
der  selbstverständliche  Beginn  einer  Künstlerlaufbahn  war. 
Dass  Linnemann,  wenn  er  30  Jahre  später  ins  Leben  ge- 
treten wäre,  heute  einer  der  führenden  Meister  der  modernen 
Richtung  sein  würde,  das  ist  ein  Gedanke,  den  man  ja 
nur  als  Vermuthung  aussprechen  kann.  Er  gewinnt  aber 
an  hoher  Wahrscheinlichkeit,  wenn  man  sieht,  mit  welcher 
Selbständigkeit  der  Meister  aie  Stiltraditionen,  unter  deren 
Einfluss-  seine  Fachausbildung  sich  vollzog,  seiner  Eigenart 
unterzuordnen  gewusst  hat. 

Bei  Linnemanns  Lehrgang:  Berliner  Bauakademie  und 
Nicolai’s  Meisterklasse  in  Dresden,  ist  es  bemerkenswerth, 
dass  gerade  die  Kunst  des  Mittelalters  für  seine  Schaffens- 
weise bestimmend  wurde.  Hier  mögen  früheste  Jugend- 
eindrücke und  der  künstlerische  Verkehr  seiner  ersten 
Lehrjahre  maassgebend  gewesen  sein.  Aber  auch  hier 
befähigte  ihn  seine  Eigenart,  den  Bildungen  des  mittel- 
alterlichen Formenkreises  bis  an  ihre  Quellen  nachzugehen 


und  weit  mehr  in  ihrem  Sinne  zu  schaffen,  als  dass  er 
wie  die  zünftigen  Gothiker,  sich  an  den  feststehenden 
Kanon  des  Stiles  gehalten  hätte.  Nur  wo  es  sich  um  die 
Herstellung  vorhandener  Baudenkmäler  handelte,  wusste 
er  sich  pietätvoll  unterzuordnen  — mit  um  so  sichererem 
Gelingen,  je  tiefer  er  in  den  Geist  der  mittelalterlichen 
Formen  eingedrungen  war. 

Linneraann’s  künstlerische  Bedeutung  lag  ganz  auf 
dekorativem  Gebiete.  Die  Zahl  der  von  ihm  ausgeführten 
Neubauten  ist  nicht  gross:  eine  Kirche  zu  Froschhausen, 
einige  Bankgebäude  in  Frankfurt  und  Darrastadt,  mehrere 
Frankfurter  Wohnhäuser  und  die  sehr  originellen  Gebäude 
der  dortigen  Patent-  und  Musterschutz-Ausstellung  im  Jahre 
1881.  Die  meisten  dieser  Ausführungen  fallen  vor  das 
Jahr  1877,  bis  zu  welchem  er  mit  dem  verstorbenen  Archi- 
tekten Striegler  verbunden  war.  Von  dem  ^nannten  Jahre 
an  wendet  sich  Linnemanns  Thätigkeit  mit  Entschiedenheit 
der  dekorativen  Kunst,  vor  allem  der  Glasmalerei,  zu.  So 
sehr  diese  Wendung  in  seiner  künstlerischen  Veranlagung 
begründet  war,  so  bedurfte  es  dazu  doch  eines  äusseren 
Anstosses,  der  in  dem  Aufträge  gegeben  wurde,  gemein- 
schaftlich mit  dem  Maler  Eduard  von  Steinle  den  Frank- 
furter Dom  im  Inneren  auszuschmücken.  Diese  Arbeit, 
die  ihn  von  1878  bis  1898  beschäftigte,  stützte  sich  auf  die 
ernstesten  Vorstudien,  die  er  auf  wiederholten  Reisen 
durch  Deutschland,  Belgien  und  Holland  machte,  und  er- 
freute sich  eines  vollkommenen  Gelingens,  das  auch  von 
der  Regierung  durch  Verleihung  des  Professor-Titels  an- 
erkannt wurde.  Ausser  dem  Frankfurter  Dom  sind  nach 
des  Künstlers  Entwürfen  noch  die  Gartenkirche  zuHannover, 


55a 


No.  86. 


Elephant,  Kameel,  Stier,  Pferd  und  Esel  als  orna- 
mentaler Schmuck  verwendet.  Stilisirte  Thiere  bilden 
auch  den  Friesschmuck  über  den  Oeffnungen  der 
Halle.  Die  Ausführung  lag  in  den  Händen  der  Firma 
G.  A.  L.  Schultz  & Co.  in  Berlin.  Die  figürlichen 
Arbeiten  stammen  von  Bildhauer  Prof.  G.  Riegel- 
mann in  Berlin.  Die  Halle  kostete  90600  M.  — 


Aussicht  genommen,  dessen  Aeusseres  sich  in  seiner 
Formensprache  der  gedachten  Halle  und  mit  dieser 
der  gegenüber  liegenden  Kaiser  Wilhelm-Gedächtniss- 
kirche  anschliessen  wird.  Die  Kosten  des  S.  551  in 
Hauptansicht  und  Grundrissen  dargestellten  Gebäudes 
sind  mit  57  000  M.  veranschlagt.  Das  Erdgeschoss 
enthält  eine  Wohnung  von  3 Zimmern  mit  Zubehör, 


XXL  Neues  Thor-  und  Wohn-Gebäude  an  der 
Hardenberg-Strasse. 

Architekt:  Walther  Ende  in  Berlin. 

Zur  Ueberwachung  eines  neuen  Einganges  an  der 
Hardenberg-Strasse  und  in  Verbindung  mit  der  hier 
geplanten  grossen  Halle  ist  ein  Thor-  undWohngebäude 
nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Arch.  Walther  Ende  in 


das  Obergeschoss  eine  solche  von  4 Zimmern.  Die 
Architekturtheile  des  gut  gruppirten  Gebäudes  werden 
in  rheinischem  Tuff  und  schlesischem  Sandstein  er- 
stellt und  die  Flächen  geputzt.  Die  Dächer  werden 
mit  rothen  Biberschwänzen  eingedeckt,  während  die 
Dachspitzen,  die  Rinnen,  Abfallrohre  usw.  in  Kupfer 
gefertigt  werden.  — 


25.  Oktober  1902. 


553 


Orgel  im  Dom  zu  Frankfurt  a.  M.  1889.  Architekt:  Alexander  Linnemann  i".  Orgel  und  Orgelempore  in  der  Liehfrauenkirche  zu  Trier  1894. 


Aus  den  vorstehenden  Schilderungen  erhellt  die 
in  grossen  Zügen  vorwärts  schreitende  Entwicklung 
des  Zoologischen  Gartens  in  Berlin.  Nach  seiner  Lage 
wie  nach  seiner  bisherigen  Vergangenheit  wird  ohne 
Zweifel  die  Zukunft  des  Gartens  aller  Vermuthung 
nach  eine  glänzende  sein.  Denn  glücklicher  wie  in 
Berlin  können  unmöglich  an  irgend  einem  anderen 
Orte  die  Verhältnisse  für  ein  solches  Unternehmen 
liegen.  Schon  jetzt  fast  ganz  eingebaut,  wird  er  immer 


enger  von  den  Häusermassen  der  vornehmsten  Wohn- 
viertel von  Berlin  umschlossen  und  ist  somit  inmitten 
der  Bewohner  eine  Erholungs-  und  Belehrungsstätte 
ohne  Gleichen.  Nichtsdestoweniger  plant  die  Ver- 
waltung noch  neue  grosse  Ausführungen,  welche  den 
Garten  an  die  Spitze  aller  ähnlichen  Anlagen  führen 
sollen  und  sie  hofft  mit  ihnen  denselben  zu  einem 
immerwährenden  Anziehungspunkte  für  Einheimische 
und  Fremde  machen  zu  können.  — 


Die  geplanten  Binnenschiffahrts-Anlagen  in  Bremen. 


m 19.  Sept.  d.  J.  hat  die  Bürgerschaft  den  Senat  zu 
Bremen  auf  seinen  Antrag  hin  ermächtigt,  3650000  M. 
für  Grunderwerb  aufzuwenden  und  damit  grund- 
sätzlich auch  sein  Einverständniss  mit  weitschauenden 
Plänen  erklärt,  welche  die  Schaffung  ausgedehnter,  dem 
Binnenschiffahrtsverkehr  und  der  Entwicklung  der  Gross- 
industrie dienenden  Anlagen  bezwecken  und  in  ihrem  zu- 
nächst als  nothwendig  erachteten  Umfange,  einschl.  der 
oben  genannten  Summe  für  die  Enteignung  des  Grund 
und  Bodens,  15650000  M.  erfordern  werden, 

Diese  Pläne  bauen  sich  keineswegs  nur  auf  der  Vor- 
aussetzung der  Verwirklichung  des  Mittelland-Kanales  auf, 
wenn  auch  die  Hoffnung  auf  denselben  vielleicht  nicht 
ganz  ohne  Einfluss  auf  die  Entscheidung  gewesen  ist. 
Auch  ohne  die  Ausführung  dieser  grossen  Wasserstrasse, 
deren  hohe  Werthschätzung  für  die  Entwicklung  seines 
Binnenschiffahrts-Verkehres  der  Bremer  Staat  am  klarsten 
dadurch  zum  Ausdruck  gebracht  hat,  dass  er  auf  eigene 
Kosten  mit  einem  Aufwande  von  43  Mill.  M.  durch  Kanali- 
sirung  der  oberen  Weser  bis  Minden  eine  leistungsfähige 
Grosschiffahrts-Verbindung  mit  derselben  herstellen  wollte, 
wird  die  Schaffung  ausreichender  Hafenanlagen  für  die  Bin- 
nenschiffahrt in  unmittelbarer  Nähe  der  Stadt  in  nächster 
Zeit  nothwendig;  diese  sind  mit  der  oberen  Weser  und  der 
Eisenbahn  einerseits,  mit  derUnterweser  und  dem  Seehafen 
andererseits  in  günstige  Verbindung  zu  bringen,  um  so 
den  Austausch  zwischen  See-  und  Binnenschiffahrt  zu 
vermitteln  und  ausserdem  Gelegenheit  zur  Ansiedelung 
industrieller  Anlagen  zu  geben  und  damit  wiederum  einen 
gesteigerten  Schiffahrtsverkehr  heranzuziehen. 

Der  Binnenschiffahrts-Verkehr  Bremens  ist  in  stetigem 
Wachsthum  begriffen.  Nach  dem  Gutachten  der  Handels- 
kammer zu  den  inrede  stehendenPlänen  wird  „der  steigende 
Flussverkehr  Bremens  in  absehbarer  Zeit  die  Inangriff- 
nahme der  geplanten  Anlagen  auch  dann  nothwendig 
machen,  wenn  der  Mittelland-Kanal  nicht  gebaut  werden 
und  die  Kanalisirung  der  Weser  unterbleiben  sollte."  Als 
Begründung  wird  angeführt,  dass  die  Einfuhr  in  Bremen 
flussabwärts  von  1887— 190t  an  Gewicht  um  123%,  die 
Ausfuhr  flussaufwärts  um  279  % gestiegen  ist.  Mit  diesem 
Steigerungs-Verhähniss  wird  sogar  Hamburg  übertroffen, 
bei  welchem  die  bezüglichen  Zahlen  100 ‘^/o  und  219% 
betragen. 

In  kleinerem  Umfange  ist  man  der  Erweiterung  der  un- 
zureichenden Binnenschiffahrts- Anlagen  schon  vor  10  Jahren 
näher  getreten.  Schon  damals  wurden  Landankäufe  ober- 


halb der  Stadt  an  der  kleinen  Weser  gemacht,  die  For- 
derungen, welche  die  Entwicklung  des  Seehafens  stellten, 
die  zu  der  bereits  theilweise  in  Ausführung  begriffenen 
Erweiterung  desselben  um  a grosse  Hafenbecken  mit  einem 
Kostenaufwande  von  rd.  30  Mill.  M.  führten,  Hessen  aber 
diese  Pläne  zunächst  wieder  zurücktreten.  Jetzt  kommen 
dieseErwerbungen  dem  neuenUnternehmen  zugute,  da  sicE 
die  Neustadt  und  die  südliche  Vorstadt  bereits,  in  dichter 
Bebauung  um  den  im  Besitz  des  Staates  befindlichen  Strei- 
fen herumgeschlossen  haben.  Um  ähnliches  auf  den  weiteren 
bisher  garnicht  oder  nur  schwach  bebauten  Flächen 
auf  dem  linken  Weserufer,  die  allein  für  die  Neuahlagen 
inbetracht  kommen  können,  zu  verhindern,  ist  nun  zunächst 
der  Grundetwerb  für  diejenigen  Theile  des  Planes  be- 
schlossen worden,  welche  für  die  nächste  Zukunft  und 
auch  ohne  die  Durchführung  des  Mittellandkanales  als 
nothwendig  erkannt  sind. 

Der  Entwurf,  der  natürlich  bisher  nur  in  seinen  Haupt- 
zügen festgestellt  ist,  soweit  dies  zur  Erwerbung  des  Grund 
und  Bodens  erforderlich  war,  sieht  einen  von  der  Weser 
oberhalb  der  Stadt  abzweigenden  Kanal  vor,  der,  den 
Stadt- Werder  durchkreuzend,  neben  den  Wasserwerken 
in  die  Kleine  Weser  mündet,  hierauf  sich  zwischen  Neu- 
stadt und  südHcher  Vorstadt  südwestlich  wendet,  um  dann 
in  flachem  Bogen,  auf.  längere.Strecken,  den  Hakenburger 
See  benutzend,  gegenüber  dem  ehemaligen,  jetzt  der  See- 
hafen-Erweiterung zum  Opfer  gefallenen  Holz-  und  F abriken- 
hafen  in  die  untere  Weser  zu  münden.  Einige  vorhandene 
Fabrikanlagen,  ferner  die  Rücksicht  auf  günstige  Eisenbahn- 
Anschlüsse  und  schliesslich  auch  die  Ansätze  der  Bebauung 
waren  bestimmend  für  diese  Linienführung.  Die  Linie 
durchbricht  nur  auf  der  Strecke  zwischen  Neustadt  und 
Stidvorstadt,  wo  das  Gelände  bereits  1893  und  1894  er- 
worben wurde,  dichtere  Bebauung.  Das  ' letzte  untere 
Stück  liegt  ganz  auf  dem  zur  Erweiterung  des  Seehafens 
bereits  freigehaltenen  Gelände.  Diese  Strecke  wird  zu- 
nächst als  Winterhafen  als  Ersatz  für  den  an  derii  rechten 
Ufer  verloren  gegangenen  ausgebaut. 

Die  obere  Abzweigung  von  der  Weser  ist ' auf  dem 
Plan  so  dargestellt,  wie  sie  sich  bei  Durchführung  der 
Oberweser-Kanalisirung  vielleicht  gestalten  könnte.  ’ Eine 
Doppelschleuse  an  der  letzten  Staustufe  der  kanalisirten 
Strecke  würde  einerseits  den  direkten  Weg  zum  Seehafen 
bezw.  den  Anlagen  an  dem  die  Stadt  durchziehenden 
Weserlauf  selbst,  andererseits  den  Eintritt  in  den  geplan- 
ten Kanal  vermitteln.  Der  als  eigentlicher  Umschlaghäfen 


die  evangelische  Kirche  zu  Peine  und  die  Kaufmannskirche 
zu  Erfurt  ausgemalt  worden. 

Am  vollkommensten  konnte  sich  Linnemanns  deko- 
ratives Talent  an  solchen  Aufgaben  bekunden,  bei  denen 
ausser  der  Ausmalung  auch  der  Glasfensterschmuck  in 
seine  Hand  gelegt  wurde,  wie  dies  im  Verlaufe  der  Arbeiten 
schon  beim  Frankfurter  Dom,  am  umfassendsten  aber 
wohl  bei  der  Kaiser  Wilhelm-Gedächtnisskirche  zu  Berlin 
der  Fall  war.  Der  Kunst  der  Glasmalerei  hatte  Linnemann 
von  Jugend  auf  eingehende  Studien  gewidmet,  die  ihn  mit 
der  mittelalterlichen  Technik  vollkommen  vertraut  gemacht 
hatten.  Um  so  weniger  konnten  ihn  die  Leistungen  der 
meisten  modernen  Werkstätten  befriedigen,  die  entweder 
in  schreiender  Buntheit  oder  in  künstlicher  Alterthümelei 
ihr  Heil  suchten.  Auch  die  Wiedergabe  seiner  Entwürfe, 
mochte  sie  noch  so  sorgfältig  von  ihm  überwacht  sein  (er 
arbeitete  zuerst  mit  der  Firma  Machhausen  in  Koblenz, 
später  mit  Lettow  in  Frankfurt)  vermochte  ihn  nicht  ganz 
zu  befriedigen,  sodass  für  ihn  der  Entschluss  nahe  lag, 
eine  eigene  Glasmalerei  zu  begründen.  Diese  im  Jahre 
1889  ins  Leben  getretene  Anstalt  hatte  bald  einen  ausser- 
ordentlichen Erfolg,  da  er  ihr  nicht  nur  seine  volle  Thätig- 
keit  widmete,  sondern  auch  in  seinen  beiden  Söhnen  und 
einem  Neffen gleichwerthige Mitarbeiter  zu  erziehen  wusste. 
Es  würde  den  Raum  dieses  kurzen  Lebensabrisses  weit 
überschreiten,  wenn  auf  die  zahlreichen  Ausführungen 
der  Werkstätte  näher  eingegangen  werden  sollte.  Die 
meisten  der  deutschen  Kathedralen  besitzen  Fenster  seiner 

554 


Hand ; bei  nicht  wenigen  wurde  ihm  die  schwierige  Auf- 
gabe der  Wiederherstellung  alter  Glasgemälde  übertragen, 
die  verantwortungsvollsten  Aufgaben  wohl  in  der  Wieder- 
herstellung der  alten  Fenster  im  Dom  zu  Altenberg  und  in 
derjenigen  der  Renaissance-Fenster  des  Emdener  Räth- 
hauses.  Als  umfangreichste  kirchliche  Arbeiten  seien  ge- 
nannt solche  für  die  Münster  zu  Bonn  und  Konstanz,  die 
Katharinenkirche  zu  Oppenheim,  die  Marienkirche  zu  Ha- 
dersleben, die  Stefansstiftkirche  zu  Hannover  und  die  Jakobi- 
kirche zu  Stettin.  Die  grössten  Ausführungen  in  modernen 
Bauten,  die  seinen  Namen  auch  am  weitesten  bekannt  ge- 
macht haben,  waren  diejenigen  für  das  Reichstagshaus  in 
Berlin  und  für  das  Reichsgerichts  - Gebäude  zu  Leipzig. 

Es  darf  ausgesprochen  werden,  dass  Linnemanns 
Leistungen  auf  diesem  Kunstgebiet  erzieherisch  wirkten. 
Wenn  in  den  letzten  10  Jahren  die  deutsche  Glasmalerei 
eine  künstlerische  Vollendung  erlangt  hat,  die  sie  den 
Nachbarnat-ionen  überlegen  zeigt,  so  ist  dies  im  wesent- 
lichen das  Verdienst  seines  Beispiels. 

Von  der  allgemeinen  Anerkennung,  die  Linnemann 
als  dekorativer  lÄnstler  genoss,  zeugt  seine  Betheiligung 
an  den  engeren  Konkurrenzen  für  die  Herstellung  der 
Römerfassade  in  seiner  Vaterstadt,  für  die  Ausschmückung 
des  Aachener  Münsters  mit  Mosaik-Gemälden , für  die 
Bronzethüren  des  Kölner  Domes  und  für  den  Wieder- 
aufbau der  Meissener  Domthürme. 

In  Linnemann  vereinigte  sich  in  seltenem  Maasse  die 
Empfindung  für  grosse  Raumwirkung,  die  er  in  der  Innen- 

No.  86. 


dienende  Kanal  ist  sowohl  oberhalb  an  seiner  Abzweigung  Ende  des  Kanales  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  für 
von  der  Kleinen  Weser  am  Bunten  Thor,  wie  unter-  spätere  Zeiten  vorbehaltenen  Seehafen  - Erweiterungen 
halb  an  der  Durchbrechung  des  Deiches  am  Winterhafen  würdedasRu^ngirgeschäitfürHafenundKanalübemehmen. 
durch  eine  Kammerschleuse  abgeschlossen,  um  einen  von  Zukünftige  Erweiterungen  der  Hafenanlagen  sind  an  dem 
Ebbe  und  Fluth  unabhängigen  konstanten  Wasserspiegel  Knickpunkte  östlich  des  Hakenburger  Sees  vorgesehen, 
halten,  den  Einschnitt  des  Kanales  in  das  Gelände  be-  Wie  die  Lageplanskizze  zeigt,  lassen  sich  hier  in  bequemer 
schränken  und  die  das  Umladegeschäft  hindernde  Strömung  Weise  Hafenbecken  mit  Gleisanschluss  gewinnen, 
vom  Kanal  fern  zu  halten.  Während  das  Gelände  etwa  Die  Länge  des  eigentlichen  Industrie-Kanales,  der  zu 
auf  4- 1,0  “ über  Bremer  Null  liegt,  wird  der  Wasserspiegel  Lösch-  und  Ladezwecken  verwendbar  ist,  stellt  sich  auf 
auf  — 1,0“  gehalten.  (N.W.  der  Weser  — 3,0  bis  4,0“).  5^^“,  des  ganzen  Kanales  (ohne  den  als  Winterhafen 
Es  wird  damit  gleichzeitig  erreicht,  dass  bei  gewöhnlicher  dienenden  unteren  Theil)  auf  7,2^“.  Zu  enteignen  sind 
Fluth  die  Schleusen  offen  bleiben  können.  49)3^^*  Dazukommennochi6,75iiafürdieLadestrassenusw. 

Der  Kanal  soll  bei  vollständigem  Ausbau  vierschiffig  Mit  der  Annahme  dieses,  von  dem  bewährten  laüg- 
Sein,  sodass  durch  das  Ladegeschäft  die  freie  Durchfahrt  jährigen  Leiter  des  bremischen  Bauwesens  und  Schöpfers 
nicht  behindert  wird,  doch  ist  dieser  Ausbau  vorläufig  auf  seiner  Hafenanlagen,  Ob.-Baudirektor  Franzius,  vorge- 
einige  Strecken  beschränkt,  während  auf  den  übrigen  nur  legten  Entwurfes,  hat  der  bremische  Staat  wieder  einmal 
der  zweischiffige  Aushub  erfolgt.  Vor  der  unteren  Schleuse  bewiesen,  dass  er  es  versteht,  der  Verkehrs-Entwicklung 
Und  im  Hakenburger  See  sind  breitere  Hafenbecken  vor-  vorauszueilen,  ihr  neue  Wege  zu  bahnen,  sich  nicht  von 
gesehen,  die  auch  als  Wendeplatz  dienen.  Das  Gelände  ihr  überraschen  und  drängen  zu  lassen,  ein  Vorgehen, 
ist  längs  des  bereits  umbauten  Theiies  vom  Bunten  Thor  das  bisher  stets  seine  guten  Früchte  getragen  hat.  „Ein 
bis  zum  Hakenburger  See  nur  auf  20“  beiderseits  zur  An-  Glaube  ist  allerdings  erforderlich,  diese  Vorlage  zu  Ver- 
lage breiter  Uferstrassen  erworben,  dagegen  wird  längs  der  treten“,  so  drückte  sich  der  Senats -Kommissar  bei  der 
übrigen  Strecke  bis  zum  Hafen  ein' je  100“  breiter  Streifen  Berathung  derselben  aus,  „der  Glaube  an  ein  weiteres 
zur  Ansiedelung  industrieller  Betriebe,  zu  Lagerplätzen  Gedeihen,  ein  Wachsthum  Bremens.  Ohne  ihn  würden 
üsw.,  frei  gehalten.  wir  nicht  dastehen  als  die  zweite  Seehandelsstadt  DeUtsch- 

Eisenbahnanschluss  ist  von  der  Oldenburger  Bahn  her  lands,  sondern  als  kleine  Binnenstadt.“  Möge  sich  dieses 
Unschwer  zu  erhalten.  Ein  Hafenbahnhof  am  westlichen  Vertrauen  auf  die  Zukunft  in  vollem  Maasse  erfüllen!  — 


Dekoration  monumentaler  Räume  bethätigt  hat,  mit  dem  befreien  und  ihm  neue,  phantasievolle  Motive  zuzuführen, 
intimen  Verständniss  für  das  jedem  Material  eigenthüm-  welche  der  schwierigen  Technik  des  Gusses  aufs  voll- 
liche  Detail.  Diese,  auf  einem  liebevollen  Erfassen  aller  kommenste  angepasst  waren.  Auch  der  Bucheinband  und 
handwerklichen  Besonderheiten  beruhende  Eigenschaft  die  innere  Buchausstattung  verdanken  ihm  vielfache  und 
befähigte  ihn  ganz  besonders  für  das  Kunstgewerbe,  fruchtbare  Anregungen. 

Dasselbe  verdaut  ihm  fast  auf  jedem  Gebiete  eine  Fülle  Uebersieht  man  die  grosse  Vielseitigkeit,  welclieLmne- 
von  Entwürfen,  deren  Ausführung  er  mit  besonderer  Sorg-  manns  Schaffen  auszeichnete,  so  liegt  es  nahe,  sich  ihn 
falt  zu  überwachen  pflegte,  sodass  er,  ohne  mit  einer  kunst-  als  einen  Künstler  zu  denken,  dessen  ganzes  Dasein  in 
gewerblichen  Lehranstalt  in  Verbindung  zu  stehen,  doch  stiller,  ernster  Atelierarbeit  aufging.  Das  würde  völlig  un- 
eine  ausgebreitete  Lehrthätigkeit  ausübte.  Er  liebte  es,  zutreffend  sein:  er  war  eine  frische,  dem  vollen  Leben 
sich  seine  Handwerker  heranzubilden.  So  hat  er  die  zugekehrte  Natur,  vor  allem  ein  Freund  der  Geselligkeit, 
besten  Stücke  der  zahlreichen  von  ihm  entworfenen  Möbel  Gern  suchte  er  in  heiterem,  gleichgestimmtem  Kreise  oft 
und  Zimmer- Einrichtungen  von  einem  Bauernschreiner  in  geistreicher,  zugespitzter  Kontroverse  Anregung  und 
ausführen  lassen,  den  er  ganz  für  seine  Eigenart  ange-  Erholung.  Alle  Angelegenheiten  des  öffentlichen  Lebens 
lernt  hatte.  Auch  die  Kunstschmiede,  die  seine  Entwürfe  konnten  seines  Interesses  sicher  sein;  vor  allem  waren 
(u.  a.  für  die  romanischen  Gitter  des  alten  Rathhauses  zu  es  die  Fragen  des  Berufslebens,  die  Stellung  seiner  Fach- 
Gelnhausen  und  die  reichen  Beschläge  im  Uebergangsstil  genossen  im  öffentlichen  Leben,  die  seine  temperament- 
für  die  Berliner  Gedächtnisskirche)  ausführten,  wissen  seine  volle  Antheilnahme  erweckten.  Offen  und  ohne  Hinter- 
Unterweisung  zu  rühmen,  die  stets  das  dem  Material  Ange-  gedanken,  rasch  und  entschieden  in  seinem  Urtheil,  immer 
messene  traf.  Ueberaus  zahlreich  sind  seine  Erfindungen  anregend  durch  die  Lust  am  Widerspruch  — kein  Wunder, 
für  Edelmetall,  die  meisten  derselben  in  romanischem  und  dass  eine  solche  Natur  sich  allgemeiner  Beliebtheit  er- 
gothischem  Stil.  Unter  letzteren  ist  wohl  der  bedeutendste  freute  in  einem  Kreise,  der  in  der  vollen  Schätzung  seiner 
der  goldene  Becher  des  rheinischen  Adels,  den  Hermeling  künstlerischen  Bedeutung  die  ganze,  in  sich  geschlossene 
in  Köln  ausführte.  Audi  dem  Ofenbau  wies  er  neue  Wege;  Persönlichkeit  mit  allen  Vorzügen  und  Fehlern  hinnahm, 
mehr  noch  als  bei  den  Kachelöfen,  die  er  in  ^osser  Zahl  So  wie  in  diesem  Kreise  seine  Gestalt  in  treuer  Erinne- 
für  eine  Nürnberger  Firma  zeichnete,  galt  es  ihm,  den  in  rung  fortleben  wird,  so  hat  er  sich  durch,  seine  Werke  in 
Westdeutschland  allgemein  verbreiteten  Gusseisen- Ofen  aus  der  deutschen  Kunst  ein  dauerndes  Andenken  gesichert. 
dem  Bann  der  hergebrachten,  charakterlosen  Formen  zu  — L.  — 

25.  Oktober  1902. 


555 


MittheilungeQ  aus  Vereinea. 

Mittelfränk.  Kreiagesellschaft  des  bayer.  Arch.-  u.  Ing.- 
Vereins  zu  Nürnberg.  Versamml.  vom  17,  Okt.  1902.  Der 
Vorsitzende,  Hr.  Ob.-Brth.  C.  Weber,  begrüsst  die  zahl- 
reich anwesenden  Mitglieder  und  bringt  einige  geschäft- 
liche Angelegenheiten  zur  Besprechung. 

Hierauf  beginnt  Hr,  Arch.  Emil  Hecht  seine  Mitthei- 
lungen über  den  Umbau  der  Synagoge  in  Nürnberg. 
An  der  in  den  Jahren  1869—74  vom  -&chitekten  Wolff  aus 
Stuttgart  auf  dem  Spitaiplatze  erbauten  Synagoge  traten 
Erscheinungen  auf,  welche  ernstliche  Befürchtungen  für 
den  ferneren  Bestand  des  Bauwerkes  wachriefen.  Ein- 
geholte  Sachverständigen-Gutachten  führten,  gestützt  auf 
angestellte  statische  Untersuchungen,  zu  dem  Ergebniss, 
dass  in  der  grossen  Scheitelbelastung  der  Vierungsgurt- 
bögen bezw.  dem  Auftreten  eines  zu  grossen  Seiten- 
schubes in  den  die  Kup>pel  tragenden  Vierungspfeilern 
die  Ursache  der  bedrohlichen  Erscheinungen  zu  suchen 
sei.  Der  von  Hrn.  Hecht  im  Aufträge  der  Israelitischen 
Kultusgeraeinde  aufgestellte  Entwurf,  welcher  zurzeit  in 
der  Ausführung  begriffen  ist,  überträgt  daher  mit  Zuhilfe- 
nahme einer  Eisenkonstruktion  die  ganze  Last  des  Tambours 
und  der  Kuppel  in  der  Weise  unmittelbar  auf  die  Vierungs- 
.pfeiler,  dass  sie  als  senkrechter  Druck  wirkt.  Hatte  man 
anfänglich  gehofft,  die  Eisenkonstruktion  einziehen  zu 
können,  ohne  umfassende  Aenderungen  an  dem  Aufbau 
der  Kuppel  vornehmen  zu  müssen,  so  hat  sich  im  Laufe 
der  Bauausführung  die  Unmöglichkeit  dieses  Vorhabens 
gezeigt.  Es  mussten  die  Kuppel  und  der  Tambour  bis 
auf  die  vorher  gehörig  eingerüsteten  Vierungsgurtbögen 
abgetragen  werden  und  dann  erst  konnte  die  Eisenkon- 
struktion verlegt  werden.  Letzteres  ist  nunmehr  geschehen 
und  gegenwärtig  ist  man  damit  beschäftigt,  den  Tambour 
wieder  aufzumauern  und  zwar  mit  einer  um  die  Hälfte 
verringerten  Mauerstärke.  Die  Kosten  des  Umbaues  wer- 
den voraussichtlich  gegen  80000  M,  betragen.  Redner 
ladet  schliesslich  die  Vereinsmitglieder  für  den  22.  Okt. 
zu  einer  Besichtigung  dieser  aussergewöhnlichen  Arbeiten 
ein.  Dem  Dank  des  Vorsitzenden  für  die  hochinteressanten 
Ausführungen  schhesst  sich  die  Versammlung  mit  lebhaftem 
Beifall  an.  — K. 

Preisbewerbungen. 

In  dem  Wettbewerb  des  Vereins  zur  Erhaltung  und 
Pflege  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  in  Danzig  erhielten 
den  I.  Preis  in  Gruppe  C die  Hrn.  C.  Prdvot  & Max 
Hummel  in  Kassel;  in  Gruppe  B PIr.  Caspar  in 
Danzig;  in  Gruppe  A Hr.  Friedr.  Dobermann  in 
Breslau.  Es  erhielten  den  II.  Preis  in  Gruppe  C und  B 
Hr.  J.  N.  Krem  er  in  Frankfurt  a.  M. ; in  Gruppe  A 
Hr.  Alb.  Braentli  in  Freiburg  i.  Br.  Den  III.  Preis  errang 
in  Gruppe  C Hr.  Paul  Schaller  in  Erfurt;  in  Gruppe  B 
Hr.  Gust.  Luther  in  Gr.  Salze  bei  Magdeburg;  in  Gruppe  A 
Hr.  J.  N.  Kremer  in  Frankfurt  a./M.  Der  IV.  Preis  ward 
zuerkannt  in  Gruppe  C den  Hrn.  Herrn.  Roh  de  & 
Franzke  in  Wilmersdorf  und  Schöneberg;  in  Gruppe  B 
Hrn.  Heinr.  Schlump  in  Charlottenburg;  in  Gruppe  A 
Hrn.  Joh.  Grothe.  — 

Wettbewerb  Kollegiengebäude  Freiburg  1.  Br.  Es  nennen 
sich  uns  folgende  Verfasser:  Für  den  Entwurf  „In  Frei- 
burg lebt  und  that  viel  Buss“  Hr.  Franz  Brantzky  in 
München- Köln;  für  „Saepe  stilum  vertas“  Hr.  Kurt  Diestel 
in  Dresden;  für  „Stosst  an,  Freiburg  soll  leben“  die  Hrn. 
Boes  & Giesen  in  Köln  a.  Rh.;  für  „Albert  Ludwig“ 
Hr.  Ludwig  Hirsch  in  Jena.  — 


Chronik. 

Die  XV.  Ausstellung  der  Wiener  Sezession-  wird  in  den 
ersten  Tagen  des  November  eröffnet.  Die  dekorative  Ausschmückung 
der  Säle  haben  die  Architekten  Plecnik,  Koloman  Moser  und 
Leop.  Bauer  übernommen.  — 

Der  Plan  einer  Wiener  Volksoper  wird  in  Wien  lebhaft 
erörtert.  Für  das  von  allen  Seiten  frei  gedachte  Gebäude  ist  ein 
3400  qm  grosses  Gelände  in  Hernals,  inmitten  von  5 dicht  bevölkerten 
Arbeiter-Bezirken,  in  Aussicht  genommen.  Die  Kosten  des  Gebäudes 
werden  auf  1,5  Mül.  Kronen  geschätzt.  — 

Privatdozent  kgl.  Landbauinspektor  B.  Hertel.  Der  kgl. 
Landbauinspektor  B.  Hertel  zu  Berlin  ist  bei  der  Abtheilung  für 
Architektur  an  der  Technischen  Hochschule  als  Privatdozent  für 
das  Lehrfach  „Entwerfen  von  Einzelheiten,  besonders  von  Innen- 
ausstattung kirchlicher  und  profaner  Gebäude“  zugelassen  worden.  — 
Zu  der  neuen  Nazarethkirche  zu  Ehren  der  heiligen 
Familie  in  Gross-Lichterfelde,  welche  nach  Entwürfen  des  Hrn. 
Geh.  Reg.-Rath  Prof.  Chr.  Hehl  in  Charloltenburg  als  ein  malerisch 
gruppirter  Backsteinbau  märkischen  Stils  mit  angeschlossenem 
Pfarrhause  im  Fachwerkstil  zur  Ausführung  gelangt,  wurde  am 
12.  Oktober  d.  J.  der  Grundstein  gelegt.  — 

Lehramt  für  mittelalterlichen  Backsteinbau  an  der  Tech- 
nischen Hochschule  in  Charlottenburg.  Hr.  Geh.  Reg.-Rath 
Prof.  Joh.  Otzen  in  Berlin  hat  zu  seiner  Entlastung  das  Lehramt 
für  mittelalterlichen  Backsteinbau  an  der  Technischen  Hochschule 
in  Charlottenburg,  welches  er  seit  dem  Jahre  1879  mit  so  reichem 
Erfolge  verwaltete,  niedergelegt  und  beschränkt  sich  auf  die  Leitung 
des  Meisterateliers  an  der  Akademie  der  bildenden  Künste  in  Berlin.  — 
Das  neue  Motivhaus  in  Charlottenburg,  nach  dem  Ent- 
würfe der  Architekten  Reimer  & Körte  in  Berlin  an  dem  Schnitt- 
punkte der  Hardenberg-  und  der  Knesebeck-Strasse  errichtet,  wird 
am  29.  November  eingeweiht.  — 

Die  Wiederherstellung  der  Sebalduskirche  in  Nürnberg. 
Nach  der  bald  zu  erwartenden  Vollendung  der  Wiederherstellungs- 
Arbeiten  im  Aeusseren  soll  die  Wiederherstellung  des  Inneren  in 
Angriff  genommen  werden.  Die  Kosten  hierfür  sind  mit  230000  M. 
veranschlagt;  dazu  kommen  160000  M.  für  Heiz-  und  Beleuchtungs- 
Anlagen.  — 

Das  Korpshaus  Palatia  in  Münehen.  Nach  dem  Vorgänge 
der  anderen  Korps  hat  auch  die  Palatia  sich  ein  eigenes  Haus  er- 
richtet. Es  wurde  nach  den  Entwürfen  von  E.  Drollinger  in  der 
Reitmorstrasse  ausgeführt.  — 

Entwurf  zur  Kanallsirung  des  Neckar  von  Mannheim 
bis  Esslingen  von  Bauamtmann  Specht.  Von  der  200  km  langen 
Strecke  entfallen  auf  badisches  Gebiet  91  und  auf  württembergisches 
109  km.  Der  Neckar  soll  durch  bewegliche  Wehre  auf  eine  Tiefe 
des  Niederwassers  von  2 m gebracht  werden  für  Schiffe  von  600  t 
mit  1,75  m Tiefgang.  49  Schleusen  von  2,5 — 3 m Höhe  sind  vor- 
gesehen. Die  Baukosten  sind  auf  14,5  Mill.  M.  für  den  badischen 
und  28  Mill.  M.  für  den  württembergischen  Theil  berechnet;  sie 
sind  für  den  letzteren  verhältnissmässig  höher,  weil  die  Schwierig- 
keiten grösser  und  einige  Hafenanlagen  einbegriffen  sind.  Man 
berechnet,  dass  durch  die  Stauung  des  Neckars  Wasserkräfte  (ausser 
den  schon  in  Benutzung  befindlichen)  im  Betrage  von  26000  P.  S. 
gewonnen  würden,  davon  16000  auf  badischem  und  10000  auf 
württembergischem  Gebiete.  — 

Anschluss  Frankreichs  an  den  Simplontunnel.  Zur  Ver- 
besserung des  Jura-Ueberganges  aus  Frankreich  nach  der  Schweiz 
und  um  einen  möglichst  günstigen  Anschluss  an  die  Simplonbahn- 
linie  zwecks  raschester  Erreichung  des  Simplontunnels  zu  erzielen, 
hat  die  Paris-Lyoe-Mittelmeerbahn  sich  für  den  Plan  Frasne-Vallorbe 
mit  Führung  eines  6,2  km  langen  TuiLiels  durch  den  Mont  d’Or 
entschieden.  Die  Linie  Frasne-Vallorbe  bekäme  eine  Länge  von 
24,6km;  die  Baukosten  sind  auf  21  Mill.  Fres.  berechnet,  wovon 
2,5  Mül.  Fres.  auf  den  schweizerischen  Theil  der  Linie  entfallen 
würden.  Der  Anschluss  an  die  Grenze  hätte  Gegenstand  eines 
Uebereinkommens  zwischen  der  Schweiz  und  Frankreich  zu  bilden. — 


Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  102.  Die  Umwandlung  und  die  Neu- 
bauten des  Zoologischen  Gartens  (Schluss).  — Alexander  Lianemaon  f.  — 
Die  geplanten  Binnenschiffahrts-Anlagen  in  Bremen.  — Mittheilungen  aus 
Vereinen.  — Preisbewerbungen.  — Chronik..  — Wilhelm  Böckmann  f-  — 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
■verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  -von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


Wilhelm  Böckmann  f. 

En  dem  Augenblicke,  da  wir  uns  anschicken,  die  Schilderung  seines  letzten  grossen  Werkes, 
der  Umgestaltung  und  der  Neubauten  des  Zoologischen . Gartens  in  Berlin,  zu  beenden, 
erhalten  wir  die  schmerzliche  Trauerkunde,  dass  in  den  Frühstunden  des  22.  Oktober  der 
Geheime  Baurath  Wilhelm  Böckmann  in  Berlin  nach  längeren  Leiden  und  nach  einer  kurz 
voraufgegangenen  Operation  im  Alter  von  71  Jahren  verschieden  ist.  Was  die  deutsche  Baukunst 
in  dem  Entschlafenen,  der  mit  Hermann  Ende  die  Architekten-Firma  Ende  & Böckmann  bildete, 
verloren  hat,  das  erhellt  aus  der  Schilderung  des  Lebensganges  des  seltenen  Mannes,  die  wir  anlässlich 
seines  70.  Geburtstages,  den  er  in  voller  Frische  und  unter  der  jubelnden  Theilnahme  seiner  zahl- 
reichen Freunde  und  Verehrer  vor  noch  nicht  Jahresfrist  als  ein  erlesenes  Fest  begehen  durfte,,  unseren 
Lesern  dargeboten  haben.  Mit  Wilhelm  Böckmann  ist  ein  Fachgenosse  dahingegangen,  der  mit 
unermüdlicher  Arbeitskraft  stets  und  mit  grossem  Erfolge  weitausschauenden  Plänen  sich  hin- 
gegeben und  es  in  hervorragendem  Maasse  verstanden  hat,  die  praktischen  Gesichtspunkte  mit  den 
idealen  Zielen  seiner  Unternehmungen  zu  verbinden.  Darum  Ehre  seinem  Andenken!  — 


556 


No,  86. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  87.  Berlin,  den  29.  Oktober  1902. 


Wilhelm  Böckmann  f. 


bwohl  er  seit  vielen  Monaten  einer  schleichenden 
Krankheit  verfallen  war,  von  welcher  er  von  Zeit 
zu  Zeit  und  mit  anscheinend  gutem  Erfolge  in  den 
Bädern  Linderung  und  theilweise  Heilung  suchte,  kam 
doch  der  in  der  Nacht  vom  21,  auf  den  22.  Okt.  erfolgte 
Tod  Wilhelm  Böckmanns  für  seinen  grossen  Bekannten* 
und  Freundeskreis  schnell  und  unerwartet.  Eine  infolge 
des  leider  unaufhaltbaren  Fortschrittes,  den  das  Leiden 
machte,  unvermeidlich  gewordene  schwere  Operation 
überdauerte  er  nur  wenige  Stunden.  Mit  Böckmann  hat 
der  Kreis  der  Berliner  FachgenosÄcn  ein  eigenartiges 
Charakterbild  verloren.  Ein  Einundsiebzigjähriger,  gingen 
die  Wurzeln  seines  Werdeganges  in  eine  Zeit  zurück,  in 
welcher  es,  wie  er  selbst  der  Festversammlung  erzählte, 
die  sich  bei  seinem  70.  Geburtstage  um  ihn  versammelt 
hatte,  dem  Einzelnen  noch  möglich  war,  sein  Wissen  sich 
aus  den  verschiedensten, 
oft  nicht  gerade  neben  ein- 
ander gelegenen  Gebieten 
zu  suchen.  So  kam  auch 
Böckmann  dazu,  sich  na- 
mentlich auf  technischem 
und  auf  naturwissenschaft- 
lichem Gebiete  eine  um- 
fassende Bildung  zu  erwer- 
ben, die,  durch  eine  hervor- 
ragende kaufmännische  und 
organisatorische  Begabung 
unterstützt,  ihn  befähigte, 
seinen  Arbeits  - Genossen 
Ende  in  der  glücklichsten 
und  erfolgreichsten  Weise 
zu  ergänzen  und  in  der 
baulichen  Entwicklung Ber- 
linsdiehervorragendeRoUe 
zu  spielen,  die  dem  Ver- 
storbenen in  der  Bauge- 
schichte der  Reichshaupt- 
stadt immer  wird  zugespro- 
chen werden  müssen.  Es 
ist  möglich  und  sogar  wahr- 
scheinlich, dass  die  Univer- 
salität in  der  fachlichen  Bil- 
dung Böckmanns  zumtheil 
auf  den  Einfluss  seines  Ur- 
sprungslandes, auf  die  Indu- 
strie des  Rheinlandes  zu- 
rückzuführen ist,  jedc’’falls 
war  das  Technisch-Wirth- 
schaftliche  der  an  ihn  her- 
antretenden Aufgaben  und 
Unternehmungen  der  Theil 
derselben,  dem  er  in  erster 
Linie  und  am  erfolgreich- 
sten seine  bedeutende  Kraft 
widmete.  Es  würde  aber 
nicht  zutreffend  sein, auf  die- 
ser Thatsache  den  Schluss 
aufzubauen,  dass  er  dem 
künstlerischen  Theil  der  ihm  übertragenen  zahlreichen  Auf- 
gaben mit  der  Stimmung  eines  gewissen  „laisser  aller“  gegen- 
übergestanden  hätte.  Im  Gegentheil:  in  den  Ausführungen, 
die  wir  ihm  zur  Feier  seines  siebzigsten  Geburtstages  in 
No.  7 dieses  Jahrganges  widmen  durften,  ist  sein  persönliches 
Verhältniss  zur  Architektur  als  Kunst  so  dargestellt,  wie 
es  der  Wirklichkeit  entsprochen  haben  dürfte.  Keine  der 


grossen  künstlerischen  Aufgaben,  welche  Ende&Böckmann 
das  Glück  hatten  zu  bearbeiten,  dürfte  ohne  seinen  Einfluss 
geblieben  sein  und  wenn  der  Ruhm  der  Firma  weit  über 
die  Grenzen  Deutschlands  und  Europas  hinaus  bis  nach 
dem  fernen  Osten  gedrungen  ist,  um  hier  den  Architekten 
die  grössten  baulichen  Aufträge  zuzuführen,  die  ein  Land 
zu  vergeben  hat,  so  hat  Böckmann  hieran  einen  berech- 
tigten grossen  Anlheil.  Wir  können  es  uns  versagen,  auf 
die  lange  Reihe  der  grossen  Werke,  die  aus  einer  vier 
Jahrzehnte  langen  gemeinsamen  Thätigkeit  hervorgegan- 
gen sind,  einzugehen.  Die  bedeutendsten  derselben  hat 
die  „Deutsche  Bauzeitung“  jeweils  bald  nach  ihrer  Er- 
stehung wiedergegeben  und  gewürdigt.  Was  neben  der 
künstlerischen  und  monumentalen  Kraft,  die  aus  ihnen 
spricht,  als  ein  gemeinsamer  Zug  an  ihnen  wahrgenommen 
werden  kann,  das  ist  der  Zug  idealer  und  grosser  Auf- 
fassung, den  man  jedenfalls 
zum  grossen  Theil  auch  auf 
die  Mitarbeit  Böckmanns 
zurückführen  muss  und  der 
auch  von  seinem  Arbeits- 
genossen ihm  willig  zuer- 
kannt werden  dürfte. 

Denn  das  ist  der  merk- 
würdige Gegensatz  in  dem 
Charakterbilde  des  Ver- 
storbenen, dass  durch  alle 
realen , geschäftlich  nüch- 
ternen, nur  auf  das  Er- 
reichbare bedachten  Er- 
wägungen doch  stets  der 
grosse,  in  seinen  letzten 
Zielen  auf  eine  ideale  Re- 
gung zurückleitende  Zug 
geht.  Dieser  Zug,  dieser 
so  sympathische  Theil  sei- 
nes Charakters,  kam  beson- 
ders in  der  gemeinnützigen 
und  idealen  Thätigkeit  zum 
Ausdruck,  die  Böckmann 
nach  seiner  Zurückziehung 
von  den  regelmässigen 
Berufsgeschäften  ausübte. 
Was  er  noch  während  der- 
selben für  das  Fach,  für 
den  „Architekten-Verein“, 
für  den  „Verband  deutscher 
Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine"  und  die  „Vereini- 
gung Berliner  Architekten“, 
ferner  für  den  Verein  „Mo- 
tiv“, für  die  Sternwarte  in 
Treptow,  für  den  Zoolo- 
gischen Garten  und  für  zahl- 
reiche andere  Unterneh- 
mungen in  uneigennütziger 
und  selbstloser  Weise  that, 
das  hat  seinen  gemein- 
samen Ursprung  in  dem 
Grundzug  nach  dem  Idealen,  den  er  bis  zu  seinem  Ende 
aus  der  rauhen  Wirklichkeit  des  grosstädtischen  Geschäfts- 
lebens sich  zu  retten  verstanden  hat.  In  diesem  Sinne 
bleibt  sein  Andenken  ein  dauerndes  und  ein  gesegnetes; 
als  ein  seltenes  Beispiel  für  die  selbstlose  Hingabe  an 
eine  frei  gewählte  Aufgabe  wird  sein  Charakterbild  fort- 
leben bis  in  ferne  Zeiten!  — 


Das  neue  Bootshaus  der  Mannheimer  Rudergesellschaft. 

Architekt:  Emil  Beutinger  in  Darmstadt. 

(Hierzu  die  AbbilduDgen  Seite  559.) 


er  Erbauer  dieses  Hauses,  Hr.  Arch.  Emil  Beutinger, 
huldigt  als  Mitglied  der  Mannheimer  Rudergesellschaft 
dem  Wassersport  in  hohem  Maasse  und  konnte  so 
aus  eigenen  langjährigen  Erfahrungen  heraus  dem  Vereine 
eine  zweckmässige  Heimstätte  schaffen.  Dem  Künstler 
sind  dabei  allerdings  selten  günstige  Umstände  zustatten 
gekommen,  die  nicht  zuletzt  in  der  begünstigten  Platzlage 
geboten  waren.  Der  Bauplatz  liegt  auf  einer  Art  Insel- 
zunge zwischen  Neckar,  Flosshafen  mit  Flosschleuse  und 


dem  Industriehafen,  und  wurde  von  der  Stadtgemeinde 
Mannheim  unter  günstigen  Bedingungen  erworben.  Die- 
ser Platz  wird  noch  dadurch  wesentlich  an  Bedeutung  ge- 
winnen, dass  in  nächster  Nähe  eine  zweite  feste  Neckar- 
brtcke  zur  Ausführung  kommen  wird.  Damit  rückt  dieses 
bisher  etwas  abseits  vom  Verkehr  gelegene  Vorland  in 
unmittelbare  Verbindung  mit  dem  Mittelpunkt  der  Stadt. 
Des  weiteren  sind  die  Wasserverhältnisse  so  äusserst 
günstige,  wie  sie  selten  dem  Sporte  zur  Verfügung  stehen 


557 


dürften.  Auf  der  einen  Seite  die  lebhafte  Strömung  der 
auf  mehrere  Kilometer  regulirten  Neckarmündung  in  den 
Rhein,  auf  der  anderen  Seite  der  stille  Wasserspiegel  des 
Floss-  und  Industriehafens,  ausserdem  die  beiderseitige  Ver- 
bindung mit  unserem  herrlichsten  Strome. 

Mil  Geschick  hat  der  Architekt  dieser  bevorzugten 
Lage  Rechnung  getragen  und  dem  flachen  Gelände  ein 
Bauwerk  eingefügt,  das  in  seiner  Grundrisslösung  wie  in 
seinem  Aufbau  seine  Bestimmung  in  klaren  Zügen  zeigt. 
Bestimmend  für  die  Gestaltung  war  die  Unterbringung  und 
Sicherung  des  auf  etwa  15000 ?ä.  bewertheten  Bootmaterials. 
Der  Raum  dafür  liegt  zu  ebener  Erde  und  gleicht  in  seiner 
Abmessung  einer  gewaltigen  Tenne,  wie  ja  auch  manche 
Einzelheiten  des  Oberbaues,  namentlich  aber  die  Dach- 
anlage Anklänge  an  das  niederdeutsche  Bauernhaus  ver- 
rathen.  Der  Bootsraum  ist  nicht  unterkellert;  seine  Grün- 
dung ist  jedoch  mit  Rücksicht  auf  den  vor  etwa  20  Jahren 
aufgeschütteten  Baugrund  und  die  Grundwasserverhältnisse 
besonders  gesichert.  Es  wurde  ein  Eisenrost  aus  alten  Eisen- 
bahnschwellen verlegt  und  das  aufgehende  Sockelmauer- 
werk durch  verkreuzte  Flacheisenanker  mit  Vförmig  ab- 
gebogenen Enden  verstärkt.  Der  Fussboden  ist  zementirt 
und  nach  den  Schmalseiten  auf  Abfluss  geneigt.  In  dem 
Raum  ist  Wasserleitung  an  verschiedenen  Stellen  behufs 
umfassender  Reinigung  vorhanden.  Der  Raum  zeigt 
massive  Umfas- 
sungswände; für 
die  Konstruktio- 
nen ist  durch- 
weg Walzeisen 
verwendet, 
ebenso  für  die 
Decke,  die  aus 
Beton- Wölbun- 
gen besteht.  Er 
misst  22  : 13 
und  bietet  in- 
folge seiner  hin  • 
reichenden  La- 
gerungsvorrich- 
tungen Platz  für 
etwa  20  Boote, 
darunter  solche 
von  19  Länge. 

Die  Boote  kön- 
nen von  beiden 
Schmal  - Seiten 
der  Bootshalle 
aus  zu  Wasser 
gebracht  wer- 
den. Das  Ober- 
geschoss wird  durch  eine  gabelförmig  in  die  bis  zum 
Dache  durchgehende  Vorhalle  eingebaute  Treppe,  die  be- 
sonders für  den  gesellschaftlichen  Verkehr  bestimmt  ist  und 


an  den  in  die  Vorhalle  eingebauten  Umgang  anschÜesst, 
erreicht.  Der  verfügbare  Gesammtraum,  etwa  380  q™ 
gegen  450  q“  des  Erdgeschosses  (die  Differenzfläche  ist 
dem  Aufenthalte  im  Freien  zugänglich  gemacht)  umfasst 
neben  verschiedenen  Räumen,  wie  Billardsaal,  Lese-  und 
Vorstandszimmer,  Damenzimmer,  Ankleideraum  usw.,  den 
in  der  Queraxe  durchgehenden  Festsaal  von  15:8“»  und 
5,8™  Höhe,  der  mit  hohem  Holztäfelwerk  versehen  ist. 
Ueberhaupt  ist  auf  den  inneren  Ausbau  grosse  Sorgfalt 
verwendet  worden,  wobei  ausschliesslich  dem  Holze  in 
guter  schreinermässiger  Verarbeitung  bei  durchaus  moder- 
ner Formengebung  der  Vorrang  gelassen  ist.  In  ver- 
schiedenen Räumen  sind  schablonirte  Friese:  Fische, 
Frösche,  Enten  und  Wasserpflanzen  zeigend,  der  einzige 
Wandschmuck  bei  grüner  oder  blauer  Färbung  des 
Holzes  mit  abgesetzten  rothen  Linien.  Die  Vorhalle  ist 
mit  guten  Opaleszentglas-Fenstern  figuralen  Inhaltes  ge- 
schmückt; überall  herrscht  eine  frohe,  gesunde  Lebens- 
freudigkeit. 

Ueber  die  Anordnung  der  Nebenräume  mögen  die 
Grundrisse  weiteren  Anhalt  geben;  es  sei  nur  darauf  ver- 
wiesen, dass  auch  hier  den  gesundheitlichen  Anforderungen 
des  Rudersportes  in  den  Douche-  und  Garderoberäumen 
weitgehend  Rechnung  getragen  ist.  Des  weiteren  sorgen 
die  Altane,  Baikone  und  Veranden  auf  jeder  Seite  des 

Gebäudes  für 
angenehmen 
Aufenthalt  im 
Freien, der  umso 
verlockenderist, 
als  das  Panora- 
ma der  Nähe 
wie  der  Ferne 
mit  den  Höhen- 
zügen des  Oden- 
waldes und  der 
Haardt  ein  recht 
malerisches  ist. 

Hr.  Beutinger 
ging  als  Sieger 
aus  einem  enge- 
ren Wettbewer- 
be für  das  Ge- 
bäude unter  den 
Architekten  der 
Mitglieder  der 
MannheimerRu- 
der-Gesellschaft 
hervor.  DieBau- 
kosten  haben 
sich  auf  etwa 
48000  M.  belaufen,  etwa  15  M.  f.  i cbm.  Die  Bauausfüh- 
rung lag  in  den  Händen  der  Firma  F.  & A.  Ludwig  in 
Mannheim.  — Quo  Schulze-Köln  in  Darmstadt. 


Vermischtes. 

Der  Verein  für  Volkskunst  und  Volkskunde  ln  München^ 
der  sich  unter  dem  Vorsitze  des  Hrn.  Prof.  Aug.  Thiersch 
gebildet  hat,  darf  vielleicht  mit  als  eine  Frucht  der  Bestrebun- 
gen des  „Verbandes  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine"  zur  Herausgabe  des  Prachtwerkes  über  das 
deutsche  Bauernhaus  betrachtet  werden.  Der  Verein  hat 
sich  in  erster  Linie  zur  Aufgabe  gemacht,  für  das  südliche 
Bayern  (Alt-Bayern  und  bayerisches  Schwaben)  die  Ueber- 
lieferungen  zu  sammeln,  welche  im  Hausbau,  in  der  Ein- 
richtung und  Ausschmückung  des  Hauses  und  in  dem 
Hausgeräthe  des  Volkes  noch  erhalten  sind.  Der  Verein 
betheiligt  sich  aber  auch  an  der  Mundarten-Forschung  und 
an  der  Aufzeichnung  der  Sitten,  Gebräuche  und  geschicht- 
lichen Erinnerungen,  welche  in  einzelnen  Sagen  und  in 
Orls-undFamiliennamen  weiterleben.  „Wir  wollen  unseren 
Nachkommen  ein  Bild  von  dem  früheren  Leben  unseres 
Volkes  erhalten  und  die  Ueberreste  aus  denkwürdigen 
Zeiten  sammeln,  ehe  sie  vor  unseren  Augen  in  der  alles 
gleichmachenden  Gegenwart  untergehen.  Wir  wollen 
Allem,  was  noch  von  schöner  alter  Volkskunst  erhallen 
ist,  nachgehen,  es  dem  Volke  vor  Augen  führen  und 
es  über  den  Werth  seines  Besitzes  belehren,  damit  es 
ihn  nicht  mehr  verachte,  sondern  schätzen  und  lieben 

lerne. Wir  beabsichtigen  nicht,  etwa  durch  Sammlung 

schöner  alter  Gegenstände  das  Land  seiner  Alterthümer 
zu  berauben,  denn  jedes  Ding,  vor  allem  jedes  Kunstwerk, 
soll  den  Platz  einnehmen,  für  den  es  geschaffen  ist.  Nur 
zerstreute  oder  aus  ihrer  Umgebung  herausgerissene  Gegen- 
stände, oder  solche,  welche  dem  Verderben  preisgegeben 
sind,  sollen  als  Vorbilder  in  örtlichen  Sammlungen  ver- 
einig und  dadurch  erhalten  werden.  Es  ist  die  Heraus- 
gabe von  VereinsmittheUungen  in  Aussicht  genommen, 

558 


welche  den  gesammelten  Stoff  allen  Verereinsmitgliedern 
und  den  weitesten  Kreisen  zur  Kenntniss  bringen  werden. 
— Wir  wollen  unsere  Zwecke  auch  zu  erreichen  suchen 
durch  Abhaltung  von  öffentlichen  Wandervorträgen  ge- 
legentlich landwirthschaftlicher  oder  gewerblicher  Feste 
oder  zu  sonst  gelegener  Zeit,  womöglich  verbunden  mit 
kleinen  Ausstellungen  von  schönen  Erzeugnissen  der  Volks- 
kunst. Nicht  minder  wollen  wir  auch,  wenn  nöthig,  den 
Lokalmuseen  unserer  Provinzstädte  in  jeder  Weise  zur 
Seite  stehen.  Wir  erstreben,  anknüpfend  an  das  Ueber- 
lieferte,  wieder  eine  Volkskunst!  Wir  wollen  z.  B.  zeigen, 
dass  um  das  gleiche  Geld,  welches  eine  geschmacklose, 
in  Tausenden  von  Stücken  hergestellte  lackirte  Zimmer- 
einrichtung kostet,  sich  im  Sinne  der  alten  Volkskunst 
eine  viel  solidere,  gefällige  und  anheimelnde  Einrichtung 
herstellen  lässt."  — 

Gehalts*  und  Anstellungsgesetz  der  Baumeister  Im  harn- 
burgischen  Staatsdienste.  Durch  Senats-  und  Bürgerschafts- 
Beschluss  hat  nunmehr  die  Stellung  der  Baumeister  im 
hamburgischen  Staatsdienste  eine  wesentUche  Veränderung 
erfahren,  die  namentlich  den  jüngeren  Beamten  zugute 
kommt,  und  bei  welcher  auch  die  Vorbedingungen  zur 
Anstellung  als  Baumeister  im  hamburgischen  Staatsdienste 
festgelegt  sind. 

Durch  die  Gehaltsordnung  vom  8.  Juli  1898  waren  die 
bautechnischen  Beamten  in  Hamburg  in  3 Gehaltsklassen 
eingeordnet;  für  die  Baumeister  2.  Klasse  wurde  ein  Gehall 
von  3200—5000  M.  mit  3 Alterszulagen  von  600  M.  nach 
je  4 Jahren,  für  die  Baumeister  i.  Klasse  ein  Gehalt  von 
5200—7000  M.,  ebenfalls  mit  3 Alterszulagen  von  600  M. 
nach  je  4 Jahren,  und  für  die  Bauinspektorcn  ein  Gehalt 
von  7800 — 9000  M.  mit  2 Alterszulagen  von  600  M.  nach 
je  4 Jahren  festgesetzt.  Das  Aufrücken  in  eine  höhere 

No.  87. 


Gehaltsklasse  hing  jedoch  jedesmal  von  einer  leeren  Stelle 
und  von  einer  Wahl  der  zuständigen  Behörden  ab.  — 
Es  zeigte  sich  aber  sehr  bald,  dass  für  Techniker 


than  waren,  Bewerber  heranzuziehen  und  so  kam  es, 
dass  bei  Ausschreibung  neu  zu  besetzender  Stellen  sich 
mehrfach  nur  ungenügendeKräfte  meldeten  und  dass  ferner 


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eRBSUT*  f BCUTlNGCT-DflR'<'^OT. 
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mehrfach  Baumeister  2.  Kl.  den  haniburgischen 
Staatsdienst  verliessen,  um  anderweitig  besser 
bezahlte  Stellungen  mit  rascherem  Fortkommen 
anzunehmen.  Und  als  dann  1901  durch  ein  Ge- 
setz das  Gehalt  der  wissenschaftlichen  Lehrer  von 
3600  - 9000  M.  mit  Alterszulagen  von  600  M.  nach 
je  3 Jahren  festgesetzt  wurde,  da  ward  es  auch 
den  Behörden  selbst  klar,  dass  es  erforderlich 
sei,  für  die  Baumeister  eine  ähnliche  Aufbesse- 
rung ihrer  Stellung  und  ihres  Gehaltes  vorzu- 
nehmen. So  ist  nunmehr  ein  Antrag  des  Senates 
auch  von  der  Bürgerschaft  genehmigt  worden, 
nach  welchem  das  Anfangsgehalt  der  Baumeister 
auf  3600  M.  festgesetzt  worden  ist  und  wonach 
unter  Fortfall  der  Klasseneintheilung  von  jetzt 
an  das  Gehalt  derselben  mit  Alterszulagen  von 
600  M.  nach  je  3 Jahren  bis  zu  7200  M.  auf- 
steigt. Weil  aber  zwischen  den  Baumeistern 
und  den  Bauinspektoren  ein  übergeordnetes  Ver- 
hältniss  besteht,  welches  dagegen  zwischen  den 
Oberlehrern  und  Professoren  der  hamburgi- 
schen  Schulen  bei  Ausübung  ihrer  Lehrthätig- 
keit  nicht  vorhanden  ist,  so  wird  ein  weiteres 
Aufrücken  der  Baumeister  in  die  Bauinspektor- 
Stellen  nach  wie  vor  von  einer  leeren  Stelle  und 
von  einer  Wahl  der  Behörden  abhängig  bleiben. 

OBER&f  SCHOSS. 


mit  wissenschaftlicher  und  theilweise  auch  praktischer 
Vorbildung  das  Anfangsgehalt  von  3200  M.  und  die  un- 
sichere Aussicht  auf  ein  Weiterkomraen  nicht  dazu  ange- 


Während  bei  allen  übrigen  Beamtenklassen  mit  wissen- 
schaftlicher Vorbildung  schon  seit  langem  in  Hamburg 
Vorbedingungen  gesetzlich  feststehen,  welche  für  den 


29.  Oktober  1902, 


559 


Abschluss  der  Vorbildung  und  für  die  Erlangung  der  An- 
stellungsberechtigung  gelten,  fehlte  es  bisher  in  Hamburg 
für  die  bautechnischen  Beamten  an  entsprechenden  Vor- 
schriften. Es  war  freilich  in  letzter  Zeit  mehr  oder  min- 
der zur  Regel  geworden,  nur  solche  Techniker  als  Bau- 
meister anzustellen,  welche  eine  abgeschlossene  Hoch- 
schulbildung mit  Ablegung  der  Bauführer-  oder  Diplom- 
prüfung nachweisen  konnten  und  ferner  ihre  Befähigung 
durch  eine  mehrjährige  praktische  Beschäftigung  darge- 
than  hatten,  aber  es  kamen  doch  immerhin  noch  mehr- 
fach Anstellungen  von  Technikern  vor,  welche  ein  Examen 
an  einer  technischen  Hochschule  nicht  gemacht,  also  auch 
nicht  den  Nachweis  einer  vorherigen  9-klassjgen  Schul- 
bildung geben  konnten. 

Nunmehr  ist  aber  gesetzlich  festgestellt,  dass  nur  solche 
Techniker  als  Baumeister  zur  Anstehung  kommen  können, 
welche  eine  technische  Hochschule  besucht,  die  Diplom- 
oder Regierungs-Bauführer-  oder  eine  gleichwerthige Staats- 
prüfung bestanden  und  alsdann  mindestens  3 Jahre  in 
ihrem  Fache  praktisch  gearbeitet  haben.  Da  nun  aber 
an  allen  teclmischen  Hochschulen  in  Deutschland  nur 
solche  Studirende  die  genannten  Prüfungen  ablegen  können, 
welche  vorher  auch  eine  Abiturientenprüfung  bestanden 
haben,  so  ist  durch  dieses  Anstellungsgesetz  der  Wille 
der  hamburgischen  Behörden  dargethan,  den  technischen 
Beamtenstand  in  Hamburg  in  seiner  Gesammtstellung  zu 
heben  und  die  Gleichstellung  mit  den  übrigen  wissen- 
schaftlich gebildeten  Beamten  anzuerkennen.  — 

Marmorlager  in  Deutsch-Südwest-Afrika.  Etwa  6 
von  der  Station  Ababis  an  der  Bahnstrecke  Swakopmund- 
Karibib  und  in  einer  Entfernung  von  165 von  der  Küste 
gelegen,  tritt  (nach  der  „Kolonialzeitung")  am  südlichen 
Abhange  eines  sehr  zerrissenen  Gebirgsstockes  eine  ge- 
waltige Marmorablagerung  auf,  die  in  ihrer  Erstreckung 
von  6— 7 k®  im  Liegenden  (nach  Nord)  von  Quarzit  und 
im  Hangenden  von  massiven  Gesteinen  — Granit  und 
Gneis  — eingeschlossen  ist.  Diese  zumtheil  bis  i mäch- 
tige Formation  erweist  sich  in  dem  mittleren  Theile  auf 
mindestens  100  “ infolge  des  Auftretens  massiger  Be- 
schaffenheit, d.  h.  ohne  Vorhandensein  von  Schiefer  und 
sonstigen  wesentlichen  Störungen,  besonders  zum  Abbau 
des  Marmors  geeignet,  da  der  Charakter  des  Geländes 
den  Steinbruchbetrieb  leicht  zulässt.  Die  ziemlich  fein- 
körnige Struktur,  der  lebhafte  Glanz,  die  blendend  reine 
weisse  Farbe,  die  verhältnissmässig  grosse  Durchsichtig- 
keit (stark  kantendurchscheinend)  des  Marmors  und  die 
Möglichkeit  der  Beschaffung  grosser  Werkstücke  sind  gute 
Anzeichen,  wie  sie  bei  den  geschätzten  europäischen 
Marmorarten  zu  finden  sind.  Besonders  auffallend  ist, 
dass  der  Marmor  von  Et.usis  auf  die  grosse  Entfernung 
des  Streichens  hin,  soweit  dieses  an  der  Oberfläche  be- 
obachtet werden  konnte,  weder  das  Korn,  noch  die  Farbe 
wechselt;  nur  nach  Westen  hin,  etwa  3Y2  von  der  Stelle 
Etusis  entfernt,  zeigt  sich  Marmor  mit  schwarzer  Äderung, 
welcher  ebenfalls  grossen,  wenn  nicht  mehr  technischen 
Werth  haben  wird,  als  der  weisse.  An  den  an  der  Ober- 
fläche liegenden  und  der  Verwitterung  ausgesetzten  Stücken 
wurde  nirgends  eine  Zersetzung  oder  ein  Abblättern  be- 
obachtet, ein  Zeichen  dafür,  dass  Glimmerschüppchen  in 
Lagen  und  Eisenoxydul  nicht  vorhanden  zu  sein  scheinen, 
wie  diese  öfter  die  europäischen  Qualitäten  in  ihrer  Ver- 
wendung beeinträchtigen.  Zeigt  nun  der  Marmor  von 
Etusis  schon  an  der  Oberfläche  so  prächtige  Eigenschaften, 
so  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  derselbe  bei  weiterer 
Erforschung  und  Ausbeutung  sich  sehr  geeignet  für  die 
Zwecke  der  Baukunst  und  Skulptur  erweisen  wird.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Ingenieure.  Bei  der  Rektorats- 
Uebergabe  an  der  Technischen  Hochschule  in  Darmstadt 
wurden  zu  Doktor-Ingenieuren  honoris  causa  ernannt  der 
Geh.  Reg.-Rth.  Prof.  Müller-Breslau  an  der  Technischen 
Hochschule  zu  Charlottenburg  und  der  Direktor  der  Ver- 
einigten Maschinenfabrik  Augsburg  und  Maschinenbau-Ge- 
sellschaft Nürnberg  A.  Rieppel  m Nürnberg.  — 


PreisbewerbuQgen. 

In  dem  Internationalen  Wettbewerb  um  zwei  feste 
Brücken  über  die  Newa  ln  St.  Petersburg  (vergl.  No.  82, 1901) 
sind  imganzen  3g  Entwürfe  eingegangen,  davon  4 ausser 
Wettbewerb.  Davon  entfallen  22  (r  a.  W.)  auf  die  Palais- 
Brücke,  13  (3  a.  W.)  auf  die  Ochta-Brücke.  Nach  Nationen 
geordet  sind  unter  den  39  Entwürfen  aus  Russland  18, 
Oesterreich-Ungarn  5,  Frankreich  3,  Deutsch- 
land 2,  Nord-Amerika  2,  Spanien  2 und  Belgien, 
England,  Italien  je  i Entwurf,  dazu  die  4 ausser  Wett- 
bewerb aus  Russland.  In  dem  21-gliedrigen  Preisgericht 
sitzen  8 Ingenieure  und  2 Architekten.  Die  Entwürfe 
werden  vom  18./31.  Nov.  an  im  Rathhause  in  St.  Petersburg 
öffentlich  ausgestellt.  — 

560 


Im  Wettbewerb  Bismarckthurm  bei  Chemnitz  (vergl. 
Dtsche.  Bztg.  1902  S.  404)  ist-  der  I.  Preis  dem  Entwurf 
„Dem  Alten  aus  dem  Sachsenwald'*,  Verf.  Hr. 
Arch.  Jacob  Berns,  z.  Zt.  in  Remscheid,  der  II.  Pr.  dem 
Entwurf  mit  dem  Kennworte  „Friedrichsruh",  Verf. 
Hr.  Arch.  Kurt  Diestel  in  Dresden-Blasewitz  und  der 
III.  Pr.  der  Arbeit  „Gedanken“,  Verf.  Hr.  Reg.-Baufhr. 
Oscar  Eggeling  in  Charlottenburg  zuerkannt  worden. 
Ausstellung  der  Entwürfe  vom  28.  Okt.  bis  10.  Nov.  in 
der  Aula  der  Techn.  Staatslehranstalten  in  Chemnitz.  — 
Wettbewerb  Kollegiengebäude  Freiburg  l.Br.  Es  nennen 
sich  uns  ferner  die  folgenden  Verfasser:  Für  den  Entwurf 
„Kastor  und  Pollux“  die  Hrn.  Georg  Seip  in  Michelstadt 
und  Heinr.  Tessenow  in  Sternberg  i.  M.;  für  den  Ent- 
wurf mit  dem  Kennzeichen  des  barschen  Wappens  Hr. 
Arch.  Hugo  Kröling  in  Langfuhr.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  O.  B.  in  Zürich.  Wofern  nicht  das  Züricher  Orts- 
polizeirecht eine  Bestimmung  des  Inhaltes  hat,  was  wir  bezweifeln, 
ohne  es  augenblicklich  sicher  feststellen  zu  können,  dass  auf  fremdem 
Grunde  beliebig  gebaut  werden  darf,  ist  der  Grundstücks-Eigen- 
thümer  allein  berechtigt,  auf  seinem  Grund  und  Boden  zu  bauen  und 
eine  Bauerlaubniss  nachzusuchen.  Die  Polizei  ist  dann  jedoch  ver- 
pflichtet, sich  zu  vergewissern,  ob  derjenige,  welcher  eine  Bau- 
erlaubniss nachsucht,  zum  Bauen  auf  dem  Grundstücke  befugt  ist, 
auf  welchem  der  Neu-  oder  Umbau  bewirkt  werden  soll.  Hat  sie 
in  einem  Falle  verabsäumt,  das  Rechtsverhältniss  Desjenigen,  der 
die  Bauerlaubniss  nachsucht,  zu  dem  infrage  kommenden  Grund- 
stücke festzustellen,  so  ist  sie  befugt,  ihre  übereilt  erth eilte  Er- 
laubniss  zurückzunehmen,  sobald  sie  sich  überzeugt  hat,  dass  solche 
einem  Unbefugten  irrthümlich  ertheilt  war.  Dieser  Fall  lag  vor, 
mithin  ist  die  erfolgte  Rücknahme  der  Bauerlaubniss  begründet. 
Wurde  in  der  Zeit  ihres  Bestehens  eine  Zustandsveränderung  vor- 
genommen, so  ist  die  vorgekommene  Zustandsveränderung  gleich- 
wohl unerlaubt  erfolgt  Der  Nachsuchende  hat  keinen  Anspruch 
auf  deren  Schutz  seitens  der  Baupolizei,  wphl  aber  kann  ihm  wegen 
seiner  Aufwendungen,  die  er  bisher  hatte  und  die  er  zur  Wieder- 
herstellung des  früheren  Zustandes  haben  wird,  ein  Ersatzanspruch 
zustehen  an  den  Baubeamten,  welcher  versehentlich  die  Erlaubniss 
aussprach.  Ob  jedoch  ausreichende  Unterlagen  zu  einer  Schaden- 
ersatzklage im  gegebenen  Falle  bestehen,  dafür  gestattet  Ihre  Sach- 
darstellung kein  ausreichendes  Bild  der  thatsächlichen  Verhältnisse. 
Gleiches  gilt  von  den  Aussichten  einer  Klage  gegen  den  Grund- 
stücks-Eigenthümer,  aufgrund  des  Miethsvertrages  dem  Miether  die 
rechtliche  Möglichkeit  zur  Ausführung  der  vereinbarten  Aenderungen 
zu  gestatten.  Der  vorgetragene  Rechtsfall  bietet  Stoff  für  ver- 
schiedene Rechtsfragen  und  liegt  so  eigenthümlich , dass  nur  em- 
pfohlen werden  kann,  einen  dortigen  erfahrenen  Sachwalter  mit 
dessen  rechtlicher  Behandlung  zu  betrauen.  — K.  H-e. 

Hrn.  Arch.  H.  Sch.  in  Offenburg.  Vorfenster  sind  nach 
unserer  Auffassung  im  allgemeinen  als  ein  integrirender  Bestand- 
theil  eines  herrschaftlichen  Hauses  anzusehen  und  demgemäss  also 
beim  Verkaufe  auch  mit  zu  übergeben.  Indessen  wird  hierfür  viel- 
fach auch  der  Ortsgebrauch  der  Verwendung  von  Vorfenstern  über- 
haupt entscheidend  sein  können.  Es  ist  uns  nicht  unbekannt,  dass 
in  Ihrer  Gegend  Vorfenster  nicht  allgemein  gebräuchlich  sind,  so- 
dass  sie  nicht  zum  unbedingten  Bestand  eines  Hauses  gehören. 
Unter  den  vorstehenden  Ausführungen  gewinnt  die  Frage  etwas 
von  dem  Charakter  einer  Doktorfrage,  sodass  sie  fast  ganz  von 
der  subjektiven  Auffassung  eines  Richters  abhängig  ist,  wenn  sie 
auf  dem  Rechtswege  zum  Austrag  kommen  sollte.  — 

Hrn.  Arch.  B.  in  Metz.  Praktische  Versuche  über  den  Druck 
des  Eises  in  Eishäusern  sind  unseres  Wissens  bisher  nicht  ausge- 
führt. Da  das  Eis  geschichtet  wird,  rechnet  man  mit  einem  solchen 
Druck  gewöhnlich  nicht,  doch  haben  sich  die  Wirkungen  des  Eis- 
druckes verschiedentlich  in  Eishäusern  gezeigt.  Wir  empfehlen 
Ihnen  das  Studium  des  Aufsatzes  von  C.  Bernhard  über  diesen 
Gegenstand  im  Centralbl.  d.  Bauverwltg.  1899,  S.  81.  Weitere 
Litteratur  ist  uns  nicht  bekannt.  — 

Hrn.  G.  R.  in  Leonrod.  Handelt  es  sich  um  Salpeter,  welcher 
aus  den  Steinen  selbst  ausblüht,  oder  aus  einer  anderen  Ursache 
durch  das  Gewölbe  hindurchdringt,  so  ist  eine  dauernde  Abhilfe 
nur  durch  Beseitigung  der  Ursachen  der  Salpeterausblühung  zu  er- 
reichen. Mit  kleinen  Mitteln  können  lediglich  nur  vorübergehende 
Besserungen  erzielt  werden.  — 

Hrn.  A.  K.  ln  C.  Ihre  Anfrage  eignet  sich  nicht  zu  einer 
öffentlichen  Behandlung,  da  dieselbe  nicht  ohne  genaue  Kenntniss 
des  örtlichen  Befundes  eine  zuverlässige  Beantwortung  finden  könnte. 
Wir  glauben,  dass  es  sich  in  dem  vorliegenden  Falle  um  salpeter- 
artiges  Ausblühen  einzelner  Steine  handeln  könnte.  Dagegen  wäre  eine 
dauernde  Abhülfe  nur  durch  Ausstemmen  der  betr.  Steine  möglich.  — 
F r ag  e b e an  t w 0 r t u ng  e n aus  dem  Leserkreise. 

Zu  der  Anfrage  in  No.  83  nennen  sich  die  Firmen  Franz 
Spengler  in  Berlin  S.W.,  Lindenstr.  44,  Wesser  & Cie.  in  Vel- 
bert (Rheinland)  und  H.  R.  Rudnick  in  Lichtenberg  bei  Berlin 
als  Fabrikanten  von  Fensterfeststellern.  — 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Vortheile  und  welche  Nachtheile  haben  sich  bei  der 
Anwendung  von  Kalksandziegeln  für  Wohnhäuser  ergeben? 


Inhalt:  Wilhelm  Böckmann  j.  — Das  neue  Bootshaus  der  Mannheimer 
Rudergesellschaft.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Brief-  und 
Fragekasten. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  87. 


EUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  ^ 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * NO-  88.  * 

DEN  I.  NOV.  igo2. 
«stsssstÄÄitarstscstsrsr 


Die  Neubauten  der  königlichen  akademischen  Hochschulen  für  die  bildenden 
Künste  und  für  Musik  in  Charlottenburg. 

Architekten:  Kayser  & von  Groszheim,  königl.  Bauräthe  in  Berlin. 

(Hierzu  eine  Bildbeilage.) 

[ie  beiden  königlichen  akademischen  Hoch- 
schulen für  die  bildenden  Künste  und  für 
Musik  in  Berlin  fristeten  — anders  kann 


man  es  kaum  nennen  — seit  langen  Jahren 
schon  ihr  Dasein  in  Räumen,  welche  unzu- 
länglich und  unwürdig  zugleich  waren  und  einer  sach- 
gemässen  und  vorwärts  drängenden  Entfaltung  des 
Unterrichtes  schwere  Hindernisse  bereiteten.  Die  aka- 
demische Hochschule  für  die  bildenden  Künste  war  in 
dem  Akademiegebäude  Unter  den  Linden  unterge- 
bracht, welches  von  der  Charlotten-  und  der  Uni- 
versitätsstrasse begrenzt  wird  und  welches  ausserdem 
noch  einer  Reihe  anderer  Zwecke:  für  die  Akademie 
der  Künste  selbst,  für  die  Akademie  der  Wissenschaften, 
als  königlicher  Marstall,  als  Kaserne  usw.  dient.  Seit 


Umgebung  der  Universität  — nur  diese  Umgebung 
konnte  für  eine  neue  Platzwahl  infrage  kommen  — 
das  Gelände  der  alten  Akademie  dasjenige,  welches 
in  erster  Linie  für  die  Errichtung  der  neuen  Biblio- 
thek inbetracht  kam.  Die  Errichtung  wurde  denn  auch 
für  diese  Stelle  beschlossen  und  dadurch  die  Noth- 
wendigkeit  gegeben,  für  die  Neubauten  der  Akademie, 
welche  nicht  unbedingt  an  der  alten  Stelle  liegen 
mussten,  ein  anderes  Gelände  zu  suchen. 

Nicht  viel  verschieden  von  diesen  Verhältnissen 
waren  die,  welche  bei  der  akademischen  Hochschule 
für  Musik  obwalteten.  Sie  waren  insofern  noch  un- 
günstiger, als  diese  Anstalt  im  Laufe  ihres  Bestehens 
ihre  Räume  hatte  wechseln  müssen,  ohne  dass  dadurch 
eine  dauernde  Verbesserung  herbeigeführt  worden 


im  Jahre  1699  die  neugegründete  Akademie  mit  ihrer  wäre.  Denn  auch  die  Verlegung  der  Anstalt  in  das 
Unterrichtsanstalt  hier  einzog,  hat  eine  Verbesserung  sogenannte  Astrometeorologische  Institut  in  der  Pots- 
und Erweiterung  der  Räume  in  ncnnenswerthem  Um-  damer  Strasse  zwischen  Lützow- Strasse  und  Brücke 
fange  kaum  stattgefunden  und  ’im 
Laufe  der  Jahrzehnte  haben  sich 
die  Verhältnisse  hier  zu  einem  Zu- 
stande entwickelt, den  man  nur  euphe- 
mistisch noch  unwürdig  nennen 
kann.  Er  war  thatsächlich  noch 
mehr  als  das.  So  wurde  denn  die 
Frage  der  Errichtung  von  Neubau- 
ten für  die  Akademie  und  ihre  Unter- 
richtsanstalt von  Jahr  zu  Jahr  bren- 
nender. Sie  trat  in  ein  entschei- 
dendes Stadium,  als  auch  bei  der 
benachbarten  königlichenBibliothek 
die  immer  unzulänglicher  geworde- 
nen Räume  zu  einer  nicht  mehr  ab- 
zuweisenden Lösung  der  Raumfrage 
drängten.  Man  hatte  nun  zunächst 
die  Absicht,  auf,  dem  Gelände  der 
alten  Akademie,  auf  dem  Unter  den 
Linden  gelegenen  und  von  der  Uni- 
versitäts-,  der  Dorotheen-  und  der 
Charlottenstrasse  begrenzten  Bau- 
platze ein  neues  Gebäude  für  die 
Akademie  zugleich  unter  Hinzufü- 
gung von  Ausstellungsräumen  usw. 
zu  errichten  und  es  lässt  sich  nicht 
leugnen,  dass  gerade  für  die  letzte- 
ren die  Lage  im  Strome  des  Ver- 
kehrs einevortheilhafte  und  zugleich 
eine  solche  gewesen  wäre,  um  mit 
ihr  weitgehenden  Repräsentations- 
zwecken zu  genügen.  Indessen,  die 
wirklichenVerhältnisse  waren  mäch- 
tiger, wie  diese  Gedanken.  Als  ein- 
mal die  Neugestaltung  der  Räume 
für  die  kgl.  Bibliothek  als  eine  drin- 
gende Nothwendigkeit  erkannt  wor- 
den war  und  als  man  sich  ferner 
überzeugt  hatte,  dass  nur  in  einem 
grossen,  zugleich  der  machtvollen 
Entwicklung  des  preussischen  Staa- 
tes entsprechendenNeubau  dauernde 
Abhilfe  der  bisherigen  Zustände  und 
eine  freie,  ungehinderteEntwicklung 
der  Bibliothek  für  die  Zukunft  ge- 
geben war,  da  war  von  sämmt- 
Uchen  möglichen  Plätzen  in  der 


561 


war  lediglich  ein  Nothbehelf,  denn  bald  ging  das  An- 
bauen los  und  es  war  auch  die  Hinzunahine  von  Privat- 
gebäuden nicht  zu  umgehen.  Dadurch  aber  wurde  nur 
dem  ailerempfindlichsten  Raummangel  gesteuert,  eine 
freie  Entfaltung  des  Unterrichtes  war  auch  jetzt  eben- 
sowenig möglich,  wie  früher.  Es  lag  daher  vielleicht 
der  Gedanke  nahe,  die  beiden  akademischen  Institute, 
so  verschieden  sie  auch  in  ihrer  Bestimmung  und 
demnach  in  ihren  räumlichen  Ansprüchen  sind,  zu 
einer  Baugruppe  zu  vereinigen  und  für  diese  ein  aus- 
reichendes Gelände  ausserhalb  des  engbebauten  Theiles 
der  Stadt  zu  suchen.  Ein  solches  Gelände  — zugleich 
im  Staatsbesitz  — glaubte  man  gefunden  zu  haben  in 
dem  nahezu  rechteckigen  Grundstücke  unmittelbar  am 
Stadtbahnhof  „Zoologischer  Garten“,  welches  nördlich 
von  der  Kurfürsten-Ailee,  südlich  von  der  Hardenberg- 
Strasse  und  westlich  von  dem  Gelände  der  Artillerie- 
und  Ingenieur-Schule  begrenzt  wird.  Man  glaubte 
eine  Zeit  lang  so  sehr  an  die  Möglichkeit  der  Ver- 
wendung dieses  Geländes  für  den  genannten  Zweck, 
dass  — ein  Umstand,  der  eine  besondere  Her- 
vorhebung verdient  — die  Staatsbehörde  sich  ent- 
schloss, im  Jahre  1896  einen  allgemeinen  Wettbewerb 


der  kgl.  Akademie  des  Bauwesens  vom  6.  Okt.  1897 
mit  den  Worten,  das  Ergebniss  des  Wettbewerbes 
habe  erkennen  lassen,  dass  der  Bauplatz  am  Bahnhofe 
„Zoologischer  Garten“  zwar  räumlich  ausreichend  sei, 
die  baulichen  Bedürfnisse  der  beiden  Hochschulen  zu 
befriedigen,  dass  aber  „doch  gewichtige  Bedenken 
gegen  seine  Wahl  zu  erheben  seien,  weil  einerseits 
der  Unterricht  und  die  Konzerte  der  Hochschule  für 
Musik  durch  den  geräuschvollen  Betrieb  der  Stadtbahn 
gestört  werden  würden,  andererseits  bei  der  Hoch- 
schule für  die  bildenden  Künste  eine  allen  Ansprüchen 
genügende  Beleuchtung  der  Ateliers  und  der  Unter- 
richtsräume nicht  zu  erreichen  sei.“  Diesen  zunächst 
von  den  als  Preisrichter  thätigen  auswärtigen  Archi- 
tekten in  einem  Sondergutachten  geäusserten  Bedenken 
seien  die  Direktoren  der  beiden  Hochschulen  beige- 
treten, während  der  Senat  der  Akademie  der  Künste 
es  für  möglich  hielt,  die  programraässigen  Bedürfnisse 
der  beiden  Hochschulen  auf  dem  Grundstück  am  Bahn- 
hofe „Zoologischer  Garten“  zu  befriedigen,  jedoch  be- 
tonte, „dass  die  wünschenswerthe  künstlerische  gleich- 
mässige  Repräsentation  beider  Hochschulen  in  keinem 
der  Wettbewerb-Entwürfe  gelungen  sei,  vornehmlich 


zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  die  Neubauten"^der 
beiden  Hochschulen  auszuschreiben.  Es  war  dabei  die 
Möglichkeit  offen  gelassen,  die  Räume  für  die  beiden 
Hochschulen,  welche  letztere  eine  getrennte  Verwaltung 
besitzen,  in  sich  geschlossen  in  einer  einheitlichen  Bau- 
gruppe zu  vereinigen  oder  sie  als  zwei  getrennte  Ge- 
bäudegruppen anzulegen.  Der  Wettbewerb,  welcher 
in  hohem  Maasse  erfolgreich  war,  gelangte  im  Januar 
1897  zur  Entscheidung,  nach  welcher  die  Architekten 
Kayser  & von  Groszheim  sowie  Adolf  Hartung 
in  ßerlin  je  einen  I.  Preis  erhielten. 

Neben  einer  Klärung  der  Lösung  der  Aufgabe 
an  sich  führte  der  Wettbewerb  auch  eine  Klärung 
über  die  Verwendbarkeit  der  Baustelle  für  die  beiden 
Hochschulen  herbei.  Diese  zeigte  bei  näherem  Studium 
durch  die  Verhältnisse  ihrer  Nachbarschaft  — nament- 
lich durch  den  geräuschvollen  Betrieb  des  Stadtbahn- 
hofes „Zoologischer  Garten“  — eine  solche  Reihe  von 
Unzuträglichkeiten,  dass  man  beschloss,  von  ihr  ab- 
zusehen und  ein  neues  Gelände  weiter  westlich  in 
der  Hardenberg-Strasse,  einen  Theil  der  Baumschule 
gegenüber  dem  Steinplatze,  östlich  begrenzt  von  der 
Fasanenstrasse,  ein  Gelände,  welches  schon  August 
Orth  für  diesen  Zweck  vorgeschlagen  hatte,  zu  wählen. 
Die  Begründung  dieses  Vorganges  giebt  ein  Gutachten 


deshalb,  weil  das  Grundstück  nur  von  einer  Seite,  von 
der  Hardenbergstrasse  aus,  angemessen  zugänglich  ist.“ 
iDieStaatsregierungkonntesich  dem  Gewicht  der  hier 
geltend  gemachten  Gründe  nicht  verschliessen  und 
stellte  das  bereits  genannte  andere  Grundstück  mit  der 
offenbar  durch  das  Finanzministerium  gestellten  Be- 
dingung zur  Verfügung,  dass  die  in  Anspruch  zu  neh- 
mende Fläche  des  Baumschulen- Grundstückes  die 
Fläche  am  Bahnhof  „Zoologischer  Garten“  nicht  oder 
doch  nicht  erheblich  überschreiten  dürfe.  Diese  sei- 
tens des  Finanzministeriums  mit  einer  ausgesprochenen 
Zähigkeit  festgehalteneBedingung  hat  es  verhindert,  der 
Bauanlage  jene  freie  Entwicklung  zu  geben,  die  ihr 
nach  ihrer  Bedeutung  in  der  künstlerischen  Kultur 
des  preussischen  Staates  hätte  zukommen  müssen. 

Mit  der  Verfassung  der  neuen  Pläne  wurden  die 
Gewinner  des  einen  I.  Preises  . des  Wettbewerbes,  die 
Architekten  Kayser  & von  Groszheim,  betraut.  Sie 
schufen  einen  Entwurf,  dessen  Grundzüge  aus  dem 
vorstehendenLageplan  zu  erkennen  sind.  Sie  legten  die 
beiden  Unterrichts- Anstalten  nicht  als  eine  geschlossene 
Baugruppe,  sondern  als  zwei  getrennte  Gebäude  an, 
die  Hochschule  für  Musik  als  ein  langgezogenes  Recht- 
eck entlang  der  Fasanenstrasse,  die  Hochschule  für 
die  bildenden  Künste  in  nur  sehr  geringem  Abstande 


562 


No.  88. 


von  der  Musikschule  als  eine  um  einen  grossen  Hof 
gelagerte  Gebäudegruppe  gegenüber  dem  Steinplatz. 
Damit  war  die  gleichwerthige  Repräsentation  beider 
Anstalten  gegeben.  Wir  wollen  hier  nicht  in  die  Be- 
urtheilung  des  Entwurfes  im  Einzelnen  eingehen;  er 
wurde  von  der  Akademie  des  Bauwesens  als  eine 
geeignete  Grundlage  für  die  weitere  Ausarbeitung 
und  die  Ausführung  erklärt,  hat  aber  in  der  Aus- 
führung bei  Belassung  der  Gesammtanlage  eine  durch- 
greifende Einzelveränderung  erfahren.  Nicht  versagen 
aber  können  wir  uns  die  Mittheilung  der  Stelle  des 
Gutachtens  der  Akademie  des  Bauwesens,  in  welcher 
sie  das  übermässige  Sparsystem  des  Ministeriums 
Miquel  mit  der  Vorsicht,  die  einer  nachgeordneten 
Körperschaft  zukommt,  aber  doch  deutlich  genug  kenn- 
zeichnet. Das  Gutachten  erklärt  die  Entwurfs-Skizzen 
für  die  beiden  Hochschulen  als  eine  geeignete  Grund- 
lage für  die  Ausführung,  jedoch  nur  „in  anbetracht 
der  besonderen  Verhältnisse,  welche  eine  Lö- 


sung der  schwierigen  Aufgabe  in  freierer 
monumentalerer  Entwicklung  und  ohne  Be- 
schränkung in  der  Verfügung  über  Bauplatz 
und  Baukosten  ausgeschlossen  haben".  Was 
hätte  ein  weiterer  Streifen  Land  von  nur  lo — 20  “ 
Breite  und  was  hätte  eine  nur  um  eine  Viertelmillion 
höhere  Bausumme  für  eine  Einwirkung  auf  die  Aus- 
bildung der  architektonischen  Beziehungen  zwischen 
den  beiden  Gebäuden  haben  können!  Unter  welchen 
engen  und  einschränkenden  Bedingungen  mussten  die 
Architekten  arbeiten,  wie  mussten  sie  mit  dem  kümmer- 
lichen Raume  kämpfen?  Wer  die  Gebäudegruppe,  wie 
sie  heute  dasteht  und  am  2.  November  ihre  feierliche 
Weihe  erhalten  wird,  beurtheilt,  muss,  um  dem  hohen 
Verdienste  der  Architekten  voll  gerecht  zu  werden, 
die  engen  Verhältnisse,  unter  welchen  das  Werk  reifte, 
mitsprechen  lassen.  Sie  sprechen  eine  leider  nur  zu 
beredte  Sprache.  — (Schluss  folgt.) 


Städtische  Schnellverkehrs-Pläne  in  Berlin. 


n den  maassgebenden  Kreisen  der  Berliner  Stadt- 
verwaltung hat  sich  innerhalb  der  letzten  Jahre, 
theils  unter  dem  Drucke  besonderer  Verhältnisse, 
theils  veranlasst  durch  den  Wechsel  der  Persönlichkeiten 
an  leitender  Stelle  dem  Anscheine  nach  hinsichtlich  der 
Stellungnahme  der  Stadtgemeinde  zu  der  Weiterentwicklung 
des  städtischen  Verkehres  sowohl  nach  der  wirthschaft- 
iichen  wie  technischen  Seite  dieser  Frage  ein  völliger  Um- 
schwung der  Meinungen  vollzogen,  ln  wirthschahlicher 
Beziehung  insofern,  als  die  Stadtgemeinde  grundsätzlich 
den  Standpunkt  aufgegeben  hat,  den  weiteren  Ausbau  der 
Verkehrs-Einrichtungen  lediglich  der  Initiative  von  Erwerbs- 
Gesellschaften  zu  überlassen,  an  diesem  vielmehr  durch 
den  Bau  und  Betrieb  eigener  Verkehrslinien  mitwirken 
will,  in  technischer  Beziehung  nach  der  Richtung,  dass 
man  die  früher  vorhandene  Abneigung  gegen  den  Bau 
von  Untergrundbahnen,  oder  richtiger  Unterpflaster- 
bahnen, überwunden  und  damit  die  Möglichkeit  erreicht 
hat,  das  Herz  der  Stadt  durchziehende,  vom  übrigen 
Strassenverkehr  losgelöste  Schnellverkehrs  - Linien  zu 
schaffen.  Es  ist  bekannt,  dass  schon  vor  einigen  Jahren 
ein  umfassendes  Liniennetz  solcher  Unterpflasterbahnen 
von  dem  technischen  Leiter  des  städtischen  Tiefbauamtes, 
Stadtbrth.  Fr.  Krause,  aufgestellt  worden  ist  und  dass  die 
Stadtgemeinde  zunäckst  die  weitere  Ausarbeitung  des 
Planes  der  wichtigsten  dieser  Linien,  der  Nord-Südlinie, 
beschlossen  und  die  Bearbeitung  des  speziellen  Entwurfes 
sowie  die  Aufstellung  des  Kostenanschlages  der  „ Gesell- 
schaft für  den  Bau  von  Untergrundbahnen",  als 
deren  technische  Vertretung  die  Firma  Ph.  Holzmann 
in  Frankfurt  a.  M.  anzusehen  ist,  übertragen  hat.  Dieser 
Plan  ist  jetzt  fertig  gestellt  und  liegt  den  städtischen  Be- 
hörden nunmehr  zur  weiteren  Entscheidung  vor.  Er  sei 
daher  in  seinen  Hauptzügen  nachstehend  erläutert. 

Für  den  Anfangspunkt  der  Linie  ist  die  Einmündung 
der  Eisenacher  Strasse  in  die  Hauptstrasse  in  Schöneberg 
vorgesehen,  von  wo  sie  die  liauptstrasse  bis  zur  Gross- 
görschenstrasse  verfolgen  soll  und  dort  das  Berliner  Weich- 
bild erreicht.  Es  erschien  wünschenswerth,  diese  wirth- 
schaftlich  eng  mit  Berlin  zusammenhängenden,  wenn  auch 
in  der  Verwaltung  getrennten  Stadttheile  an  die  neue  Ver- 
kehrslinie anzuschliessen,  Falls  jedoch  nach  dieser  Rich- 
tung eine  Einigung  der  beiden  Stadtgemeinden  nicht  er- 
zielt werden  kann,  so  ist  entweder  eine  Endigung  auf  dem 
Gelände  des  Botanischen  Gartens  mit  Aufstellungs-Bahn- 
hof oder  eine  Schleife  vorgesehen,  welche  die  Gross- 
görschen-,  Potsdamer-,  Göben-  und  Mansteinstrasse  durch- 
ziehen würde,  also  ganz  auf  Berliner  Gebiet  liegt.  Um 
die  Bahnlinie  dem  südlichen  Verkehrszentrum  nahe  zu 
bringen,  durchzieht  sie  nun  die  Mansteinstrasse,  kreuzt 
im  Zuge  der  Yorkstrasse  die  Wannsee-,  Potsdamer-,  Ring- 
und  Anhalter  Bahn,  verfolgt  die  genannte  Strasse  bis  zur 
Belle-Alliance-Strasse  und  diese  bis  zum  Biücherplatz. 
Hier  muss  der  Landwehrkanal  östlich  der  Belle-Alliance- 
Brücke,  sowie  die  Hochbahn  von  Siemens  & Halske  unter- 
fahren werden.  Die  Bahn  würde  nun  auf  dem  geradesten 
Wege  nach  Norden  durch  die  Friedrichstrasse  gelangen, 
aber  eine  derartige  Ausführung  in  der  Hauptverkehrsader 
Berlins  mit  ihren  schweren  Schädigungen  für  den  Ver- 
kehr und  die  Anlieger  erschien  unmöglich,  da  sich  hier 
auch  besondere  technische  Schwierigkeiten  ergaben.  Die 
Linie  wendet  sich  daher  nach  Kreuzung  des  Kanales 
und  des  Belle-Alliance-PJatzes,  wobei  die  östlichen  Eck- 
grundstücke am  Eingang  des  Platzes  unterfahren  werden 

I.  November  1902. 


müssen,  der  Lindenstrasse  zu,  verfolgt  diese  Strasse, 
sodann  die  Markgrafenstrasse  bis  zur  Jägerstrasse,  geht 
im  Zuge  derselben  zwischen  der  Französischen  Kirche 
und  dem  Schauspielhaus  hindurch  zur  Charlottenstrasse 
und  benutzt  diesen  Strassenzug  und  die  anschliessende 
Prinz  Louis  Ferdinand-Strasse  bis  zur  Spree.  Diese 
wird  östlich  der  Weidendammer  Brücke  unterfah- 
ren, worauf  die  Eckgrundstücke  an  der  Friedrichstrasse 
durchbrochen  werden  müssen,  um  zu  letzterer  Strasse  zu 
gelangen.  Von  hier  aus  wird  der  Zug  der  Friedrichstrasse 
und  dann  anschliessend  der  Chausseestrasse  bis  zum 
Weddingplatz  benutzt,  die  Ringbahn  gekreuzt  und  die 
Reinickendorferstrasse  bis  zum  Platz  H,  d.  h.  bis  zur 
Grenze  des  Weichbildes  im  Norden  durchzogen. 

Die  Gesammtlänge  beträgt  11,2 also  etwas  mehr 
als  der  bisher  ausgeführte  Theil  der  Hoch-  und  Unter- 
grundbahn von  Siemens  & Halske  zwischen  dem  Zoolo- 
gischen Garten  und  Warschauer  Brücke  mit  der  Abzwei- 
gung zum  Potsdamer  Platz  (10,1 

An  dem  öffentlichen  Verkehr  dienenden  Haltestellen 
soll  die  Linie  15  erhalten,  die  in  einem  mittleren  Ab- 
stand von  760  “ liegen  würden.  Als  Vergleich  sei  an- 
geführt, dass  die  mittlere  Entfernung  bei  der  Berliner 
Stadteisenbahn  1,14!^“,  bei  der  Hauptlinie  der  Siemens- 
schen  Stadtbahn  zwischen  Zoologischem  Garten  und 
Warschauerbrücke  790  bei  der  Pariser  Stadtbahn  (Metro- 
politain)  allerdings  nur  6to“,  bei  der  Londoner  Zentral- 
bahn dagegen  807  beträgt.  Die  Haltestellen  werden 
natürlich  an  wichtige  Verkehrskreuzungen  gelegt  werden. 
Die  wichtigsten  werden  diejenigen  an  der  Ecke  der  Pots- 
damer und  Grossgörschenstrasse,  dem  Belle-AlliaDce- Platz, 
der  Leipzigerstrasse,  zwischen  Dorotheen-  und  Georgen- 
strasse, also  in  der  Nähe  des  Bahnhofes  Friedrichstrasse 
der  Stadteisenbahn,  am  Oranienburger  Thor  und  am 
Weddingplatz  sein.  Wichtig  für  den  Uebergang  des 
Verkehrs  auf  andere  Hauptverkehrslinien  ist  die  unmittel- 
bare Uebergangsmöglichkeit  auf  die  Wannseebahn  an  der 
Haltestelle  Mansteinstrasse,  auf  die  Siemens’sche  Hochbahn 
am  Belle-Alliance-Platz,  die  Stadtbahn  an  der  Friedrich- 
strasse und  schliesslich  die  Ringbahn  am  Weddingplatz. 

Von  der  gesammten  Strecke  von  11,2  werden  etwa 
9 in  der  Geraden  liegen,  der  Rest  in  Krümmungen, 
von  nicht  unter  60“  Halbmesser  in  der  freien  Strecke, 
30  “ in  der  nördlichen  Endschleife.  (Siemens’sche  Unter- 
grundbahn 100  bis  80  Metropolitain  in  Paris  50  in  den 
End-Schleifen  ebenfalls  30®.) 

Die  Höhenlage  der  Unterpflasterbahn  schliesst  sich, 
wie  schon  ihr  Name  besagt,  nach  Möglichkeit  den  Strassen- 
Höhen  an  (etwa  80  cm  Ueberdeckung),  da  jede  tiefere  Ein- 
senkung in  das  hochliegende  Grund  Wasser  die  Anlage  natur- 
gemäss  vertheuert.  Kleinere  Senkungen  sind  an  mehreren 
Stellen  nöthig,  wo  Kanäle  der  städtischen  Kanalisation  über 
den  Bahntunnel  hinweggeführt  werden  müssen.  Grössere 
Senkungen  werden  nothwendig  an  den  Unterfahrungen  des 
Landwehrkanals,  der  geplanten  städt.  Ringlinie,  ferner  der 
Siemens’schenWest-Ost- Linie,  die  im  Anschluss  an  die  Unter- 
pflasterbahn am  Potsdamer  Platz,  durch  die  Königgrätzer-, 
Voss-,  Mohrenstrasse  zum  Spittelmarkt  bezw.  zum  Aiexan- 
derplatz  usw.  geführt  werden  soll  und  über  welche  schon 
seitJahren  Verhandlungen  schweben,  die  dem  Anschein  nach 
zur  Verwirklichung  des  Planes  führen  dürften,  schliesslich 
insbesondere  ander  Unterfahrung  des  Spreelaufes  am  Wei- 
dendamra.  Die  Steigungen  werden  aber  auch  hier  1:30  nicht 
überschreiten(Siemens’scheBahn  i :32aufdenRampennach 

563 


dem  Potsdamer  Platz  und  am  Nollendorfplatz,  Metropolitain 
in  Paris  1:25  und  zwar  zum th eil  noch  in  den  Krümmungen 
von  50  “ Halbmesser).  Nur  in  der,  allerdings  nur  von  Leer- 
zügen langsam  befahrenen,  Endschleife  wird  eine  Steigung 
1 : 16  nöthig.  Im  übrigen  erhält  die  Tunnelsohle  soviel  Ge- 
fälle, dass  das  Sickerwasser  sich  mit  natürlichem  Gefälle  in 
einzelnen  Pumpensümpfen  sammeln  und  dann  leicht  ab- 
geführt werden  kann. 

Bei  der  Feststellung  des  Tunnelquerschnittes  hat  man 
von  der  Theilung  desselben  durch  Mittelstützen,  wie  sie 
für  die  Untergrundbahn  von  Siemens  & Halske  zur  Ver- 
ringerung der  Konstruktionshöhe  der  Decke  durchgeführt 
ist,  vollständig  abgesehen.  Trotzdem  ist  die  Lichtweite 
des  für  normalspuriges  Doppelgleis  eingerichteten  Tunnels 
reichlicher,  nämlich  auf  6,90®  (statt  6,24“)  mit  Rücksicht 
auf  die  andere  Gestalt  und  grössere  Breite  der  Wagen 
bemessen.  Die  grösste  normale  Breite  des  im  Strassen- 
körper  von  der  Konstruktion  des  Tunnels  in  Anspruch 
genommenen  Streifens  beträgt  8,90™  (Siemens  8,44  m),  die 
gesamrate  Konstruk- 
tionshöhe 5,85  m (S. 

5.35“)  bei  3, 50  “Licht- 
höhe (S.  3,30  von  O. 

S.  bis  Unterkante- 
Decke).  Die  Ge- 
sammt  - Ausführung 
des  Tunnels  ist  in 
Stampfbeton  gedacht 
(bei  Beschränkung 
des  Profils  mit  Ein- 
legung von  Eisen- 
rahmen), die  Decke 
mit  Wölbungen  zwi- 
schen I-Trägern. 

Die  Form  der  Wa- 
gen entspricht  etwa 
derjenigen  der  Stadt- 
bahnwagen, an  wel- 
che sich  das  Berliner 
Publikum  gewöhnt 
hat,  jedoch  natürlich 
mit  Schiebethüren, 
statt  der  Klappthüren. 

Es  soll  jedoch  der 
44  c“  breite  Durch- 
gang in  die  Mitte  ge- 
legt und  durch  ge- 
ringe Verbreiterung 
beiderseits  Raum  für 
je  2 Quersitze  ge- 
schaffenwerden. Die 
Wagen  erhalten9,8o  “ 

Länge  zwischen  den 
Puffern  (beiS.  12,7“). 

Der  Betrieb  soll  so 
eingerichtet  werden, 
dass  Züge  von  4 
Trieb-  und  3 Beiwa- 
gen in  3 Min.  Abstand 
nach  jeder  Richtung 
verkehren  können. 

Jeder  Zug  enthält  282 
Sitzplätze  und  203 
Stehplätze,  kann  also 
485  Personen  befördern.  Als 
Betriebskraft  kann  naturgemäss 
nur  Elektrizität  infrage  kommen, 
die  durch  ein  eigenes  Kraftwerk 
auf  den  nördlich  der  Spree  durch- 
schnittenen Grundstücken  gelie- 
fert werden  soll.  Durch  beson- 
dere Oberleitungen  soll  den 
Stromabnehmern  der  Motor- 
wagen Gleichstrom  von  600  Volt  Spannung  zugeführt 
werden,  während  die  Schienen  als  Rückleitung  dienen. 
Ein  Betriebs-  und  Werkstätten-Bahnhof  ist  auf  städtischem 
Gelände  am  nördlichen  Ende  der  Bahn  an  der  Seestrasse 
geplant.  Einschneidend  ist  naturgemäss  die  Wirkung,  welche 


Zollhaus  bei  der  Talferbrücke  in  Bozen. 


die  Durchführung  des  Unterpflasterbahn-Projektes  auf  das 
von  derselben  durchschnittene  städtische  Versorgungsnetz 
haben  wird.  Bei  den  Gas-  und  Wasserleitungen,  den 
zahllosen  Kabeln  der  Elektrizitätswerke,  der  Reichspost 
usw.  liegen  besondere  Schwierigkeiten  nicht  vor,  hier  ist 
die  ganze  Frage  nur  eine  solche  der  Kosten.  Schwieriger 
gestaltet  sich  die  Sache  dagegen  bei  den  Kanälen  der 
städtischen  Kanalisation,  bei  welchen  die  Verlegungs-Mög- 
lichkeit beschränkt  ist  durch  die  Erhaltung  des  natürlichen 
Gefälles,  wo  die  Anlage  von  Parallelkanälen,  Untcrdückerun- 
gen  (nur  bei  den  Nothauslässen  zugelassen)  nicht  zu  um- 
gehen ist,  wo  an  einzelnen  Stehen  der  Tunnel  gesenkt 
werden  muss,  um  unter  den  Kanälen  hinwegzugehen.  In 
diesen  kostspieligen  Umänderungen,  die  in  einer  den 
Betrieb  der  Kanalisation  vollkommen  befriedigenden  Weise 
z.  Th.  nur  mit  besonderen  Hilfsmitteln  ausgestaltet  werden 
können,  liegt  eine  Hauptschwierigkeit  für  die  Ausführung 
von  Unterpflasterbahnen  in  Berlin,  eine  Schwierigkeit,  in  der 
auch  ein  wesentlicher  Grund  für  die  frühere  Abneigung  der 
' Stadt  gegen  solcheAn- 

lagcn  zu  suchen  ist, 
DieGesammtkosten 
der  Linie  sin  d zu  56,22 
Mill.  M,  veranschlagt, 
d.  h.  auf  rd.  5,1  Mill. 
M.  für  I km.  Diese 
hohen  Einheitskosten 
sind  nicht  verwun- 
derlich, wenn  man 
dieSchwierigkeit  der 
Ausführung  bedenkt, 
besonders  da  der 
Tunnel  2 bis  3,5  “, 
streckenweise  auch 
vollständig  im  Grund- 
wasser eingesenkt  ist. 

DieGesammtkosten 
vertheilen  sich  wie 
folgt;  Für  den  Bau 
der  Strecke  nebst  den 
Haltestellen  und  dem 
Grunderwerb  46,0 
Mill.  M.,  für  den  Be- 
triebs - Bahnhof  j,6 
Mill.  M.,  das  Kraft- 
werk 2,79  Mül.  M., 
Betriebsmittel  1,75 
Mill.  M.,  allgemeine 
Kosten  2,79  Mill.  M., 
Verwaltungs- Kosten 
1,78  Mill.  M.  und 
schliesslich  Bauzin- 
sen während  der  4- 
jährigen  Bauzeit  4,6 
Mill.  M.  Von  diesen 
Gesammtkosten  sind 
etwa  6 Mill.  M.  für 
wieder  verkäufliche 
Grundstücke  abzu- 
ziehen, sodass  sich 
die  Gesaramtsumme 
\ on  56  22  Mill.  M.  er- 
gicbc.  Unter  den  rei- 
nen Baukosten  erfor- 
dert die  Unterführung  der  Linie 
unter  der  Spree  die  bedeutende 
Summe  von  fast  9 Mill.  M.,  die 
Unterführung  unter  dem  Land- 
wehrkanal  3,1  Mill.  M. 

Wird  dieser  Plan,  der  2.  Zt. 
der  städtischen  Verkehrs-Depu- 
tation zur  Genehmigung  vor- 
liegt, wie  man  hoffen  darf,  ver- 
wirklicht, so  würde  damit  in  die  Verkehrs-Einrichtungen 
Berlins  ein  neues  Glied  von  ganz  hervorragender  Wich- 
tigkeit eingefügt,  da  es  gerade  an  einer  leistungsfähigen 
Verbindung  zwischen  dem  Süden  und  dem  Norden  der 
Stadt  ganz  besonders  fehlt.  — 


Verschiebbares  Oberlicht  über  dem  Hauptkassenhofe  des  Bankgebäudes  der  Diskonto-Gesellschaft 

in  Berlin.  Architekt  Brth.  Heim,  Ingenieur  F.  H.  Barth  in  Berlin, 
n Ergänzung  unserer  Mittheilungen  in  No.  76  dieses  Längs-  und  Querschnitt,  Abbildg.  3 links  im  Grundriss  er- 

«K«-  j: 17_  gebemt , von  16,86  zu  12,03“  Grundfläche  überdeckt.  Es 

verbleibt  dann  in  dem  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Oberlicht 
liegenden  Stockwerke  von  18,72  zu  13,89  “ Lichtweite  an 
allen  4 Seiten  noch  ein  Umgang  von  0,93  “ Breite.  Das 
allseitig  abgewalmte  Oberlicht  wird  von  5 parallel  zur 
Langseite  des  Raumes  liegenden  Gitterträgern  getragen, 
die  ihrerseits  an  der  quer  zum  Raume  angeordneten  oberen 


I Jahrganges  der  Dtschn.  Bauztg.  über  die  neuen  Er- 
^ weiterungsbauten  des  Bankgebäudes  der  Diskonto- 
Gesellschaft  in  Berlin  sei  nachstehend  die  Konstruktion 
des  verschiebbaren  Oberlichtes  über  dem  grossen  Kassen- 
hofe erläutert. 

Der  durch  2 Stockwerke  hindurch  gehende  Kassenhof 
ist  mit  einem  festen  Oberlicht,  das  in  Abbildg.  i und  2 in 


564 


No.  88. 


Dachkonstruktion  mit  je  6 regulirbaren  Hängestangen  aus  je  2 L-Eisen  40 . 40 . 6 aufgehängt  sind.  Diese  Hauptträger, 
deren  Aufriss  aus  Abbildg.  2 hervorgeht,  sind  aus  4 L-Eisen  40 . 20 . 3 mit  Gitterwerk  von  Flacheisen  40 . 4 gebildet  bei 
18  cm  Höhe.  Sie  sind  nach  der  Quere  wiederum  durch  7 Gitterträger  von  gleicher  Höhe  verbunden,  deren  Gurte 

aus  T-Eisen  40 . 40 . 5 hergestellt  sind. 

Sprossenwerk  aus  X-Eisen  40.40.5 

\ AbbiWg.  6.  theilt  das  Oberlicht  im  Mitteltheile  in  /'^  /' 

quadratische  ^Felder  von  0,63  m Seiten-  / 

I diesen  Lichthof  über  dem 

Oberlicht  noch  in  2 Stockwerken  um-  X 

\ l'i  ziehenden  Räumen  sind  noch  Bureaus  / / /f'' 

, v\ '14=  untergeb  rächt  und  es  erschien  daher  \ ^ j ''  / / Xm 

dringend  erforderlich,  in  dem  äusseren  O ^ ^ / 'jV  ^ 

Oberlicht  des  Daches  grosse  Lüftungs-  . \ V— X'.X  'X,' 
s.  tf^rXfehbkchtos } //  y Oeffnungen  anzubringen,  die  im  Som-  '' 

\ iih  mer  bei  gutem  Wetter  geöffnet  werden  X'\  L_  %oZ 

//  j^y  können.  Das  ist  in  der  Weise  ge-  T 

\ \ x>i°a  iJr  schehen,  dass  von  den  5 sägeförmigen  \ ' 

Oberlichten,  welche  die  Dachkonstruk-  \ 

tion  bilden,  2 derartig  eingerichtet  sind,  ~ 

A Mitte  nach  beiden  \\  ^ // 

^ ^ Seiten  auseinander  schieben  lassen,  Iw  5 /# 

(//  sodass  2 Oeffnungen  von  je  3,75  zu  5 \\«  // 

^•.  .y  6,95“,  a^so  je  rd.  26 <5“  Grundfläche  '• 

völlig  frei  gegeben  werden  können.  | ^ °-il°1^4_  --7  - 

Die  obere  Dachkonstruktion  wird 

fvon  4 in  der  Querrichtung  des  Ge-  I "1  [jr 

bäudes  Hegenden  Gitterträgern,  vergl.  | I U 

Abbildg.  I und  2,  getragen,  deren  An- 

Ordnung  im  Einzelnen  aus  Abbildg.  4 

I hervorgeht.  An  diesen  Gitterträgern  ist 


T.  November  1902. 


565 


auch  das  untere,  feste  Oberlicht  aufgehängt.  Der  Obergurt 
dieser  Träger  musste  entsprechend  steif  ausgebildet  wer- 
den, da  auf  ihm  der  bewegliche  Dachtheil  rollt.! 

Die  festen.  Dachtheile  sind  an  den  Kopfenden  abge- 
walmt.  Ihre  Konstruktion  zeigt  Abbildg.  2 und  5 im  Ein- 
zelnen. Ihre  Binder  bestehen  aus  einfachen,  durch  2 L 
50  • 50  • 5 gebildete  Sparren  mit  Zugband,  die  in  der  Mitte 
noch  durch  eine  Strebe  gestützt  werden,  die  sich  auf  den 
Untergurt  der  Gitterträger  aufsetzt.  In  den  Kehlen  liegen 
Rinnen,  die  durch  den  Schienenträger  des  beweglichen 
Oberlichtes  getheilt  werden.  DieSprossen  der  Glasdeckung, 
die  sich  auf  eine  I-förmige  Scheitelpfette  und  C-förmige 
Pfetten  an  der  Traufkame  stützen,  bestehen  aus  hoch- 
kantigen Flacheisen  60.8,  über  welche  die  Zinkmäntel 
mit  Schwitzwasserrinnen  gestülpt  sind. 

Die  verschiebbaren  Dachtheile  bedürfen  einer  etwas 
steiferen  Binderkonstruktion,  die  so  ausgebildet  werden 
musste,  dass  sich  diese  Theile  über  die  festen  Oberlichte 
hinüber  schieben  lassen.  Die  Bindersparren  sind  Gitter- 
träger, Abbildg.  6,  am  Kopfabschluss  volle  Blechträger, 
die  sich  auf  kastenförmige  Blechträger  an  den  Traufkanten 
stützen.  Zwischen  letzteren  Hegen  die  gusseisernen  Lauf- 
rollen von  20  cm  Durchmesser  (vgl.  Abbildg.  4 und  6). 

Die  Dichtung  der  beiden  beweglichen  Dachhälften  ist 
durch  ein  L-Eisen  bewirkt,  welches  den  Mittelbinder  der 
einen  Hälfte  besäumt  und  über  den  der  anderen  Hälfte 


hinübergreift  (Abbildg.  4),  ausserdem  durch  einen  Filz- 
streifen. Für  den  äusseren  Binder  des  beweglichen  Theiles 
bildet  eine  Besäumung  des  oberen  Randes  des  letzten  Bin- 
ders des  festen  Theiles  einen  mit  Filzstreifen  gedichteten 
Anschlag,  sodass  also  ein  sicherer  Fugenschluss  erzielt  ist. 

Die  verschiebbaren  Oberlichte  mussten  natürlich  mit 
besonderen  Traufrinnen  ausgestattet  werden,  die  auf  dem 
schon  erwähnten  kastenförmigen  Blechträger  liegen,  an 
den  Enden  geschlossen  sind  und  durch  ein  Loch  im  Boden 
am  äusseren  Ende  ihr  Wasser  in  die  darunter  liegende 
Rinne  in  der  Kehle  der  festen  Oberlichte  abgeben. 

Der  Bewegungs-Mechanismus  besteht  aus  einer  ein- 
fachen Windevornchtung.  Wie  Abbildg.  i zeigt,  ist  für 
jedes  verschiebbare  Oberlicht  und  für  jede  Dachhälfte 
derselben  an  der  Querwand  des  Raumes  in  Traufkanten- 
höhe  eine  wagrechte  Welle  gelagert,  die  von  der  Höhe  des 
darunter  liegenden Geschossesdurch  eineKurbelmitKetten- 
rad  und  durch  2 Kegelräder  in  Drehung  versetzt  wird. 
Auf  dieser  Welle  sitzt  eine  Kettenscheibe  (Abbildg.  3 
rechts),  eine  zweite  Kettenscheibe  an  einem  festen  Bock 
in  der  Mitte  des  verschiebbaren  Oberlichtes  (Abbildg.  4), 
Ueber  diese  Scheibe  ist  eine  Kette  geführt,  weiche  mit 
ihren  beiden  Enden  an  dem  Kopf-  bezw.  Mittelstück  des 
verschiebbaren  Oberlichtes  befestigt  ist,  also  je  nach  der 
Kurbeldrehung  dieses  öffnet  oder  schliesst.  — 


Zollhaus  bei  der  Talferbrücke  in  Bozen. 


Architekt:  J.  Strehl  in  Kassel. 
|as  kaiserliche  Zollhaus  in  Bozen,  welches  bis  dahin 
I der  ärarischen  Zollabfertigung  diente,  wurde  von 
' der  Stadt  Bozen  angekauft,  wobei  die  Stadt  die 
Verpflichtung  übernahm,  in  der  Nähe  der  Talferbrücke 
für  die  Zwecke  der  Regierungsmauth  die  erforderlichen 
Räume  (Bureaus  und  Wohnung)  auf  jeweiliges  Verlangen 
zur  Verfügung  zu  halten.  Diesem  Verlangen  wurde  seitens 
der  Stadt  dadurch  entsprochen,  dass  in  der  Nähe  der 
Brücke  ein  Zollhaus  für  das  städtische  und  das  staatliche 
Zollamt  einschliesslich  einer  Wohnung  für  einen  Beamten 
errichtet  wurde.  Das  Zollhaus  liegt  an  der  Ecke  der 
Spital-  und  der  Fleischgasse;  die  Abbildgn.  S.  564  zeigen 
dasselbe  in  den  Grundrissen  und  im  Aufbau.  Das  Erd- 
geschoss enthält  die  Amtszimmer  für  den  Land-  und  den 
Stadtzoll  mit  getrennten  Eingängen  von  der  Strasse,  das 


(Hierzu  die  Abbildungea  Seite  564,) 

Obergeschoss  eine  kleine  Wohnung  für  einen  Beamten 
aus  3 Zimmern,  Küche  usw.  Das  Material  des  Aeusseren 
ist  rother  und  blauer  Porphyr  für  die  Flächen  mit  starker 
weisser  Fugung,  und  grauer  Porphyrsandstein  für  die 
Architekturtheile.  Die  Dachdeckung  besteht  aus  den  in 
dieser  Gegend  seit  alters  üblichen  schmutzig-grauen  Hohl- 
ziegeln (Mönch  und  Nonne).  Das  Erkerdach  ist  in  grünen 
glasirten  Biberschwänzen  gedeckt.  In  der  formalen  Be- 
handlung der  Architektur  ist  eine  Anlehnung  an  den  Cha- 
rakter der  tiroler  Burgen  versucht.  Das  Plaus  wurde  im 
Jahre  igoo  errichtet,  seine  Baukosten  haben  27  000  Kr.  = 
23000  M.  betragen.  Die  Bauleitung,  welche  auch  für  die 
Höhenlage  des  Gebäudes  verantwortlich  ist,  lag  in  den 
Händen  des  bozener  Stadtbauamtes.  — 


Mittheüungen  aus  Vereinen. 

Verein  für  Eisenbahnkunde  zu  Berlin.  Der  Verein 
blickt  in  diesem  Monat  auf  ein  60-jähriges  Bestehen  zu- 
rück. Der  Vorsitzende.  Hr.  Minist.-Dir.  Schroeder,  gab 
aus  diesem  Anlass  in  der  Sitzung  vom  14.  d.  M.  ein  Bild 
der  Vereinsthätigkeit  während  der  letzten  10  Jahre  und 
eine  Schilderung  der  Aufgaben,  die  von  der  Zukunft  zu 
erwarten  sind.  Staatsminister  v.  Thielen,  sowie  die  Geh. 
Reg.-Räthe  Schwabe  und  Prof.  Dr.  Reuleaux  wurden 
zu  Ehrenmitgliedern  ernannt  und  der  Geh.  Reg.  Rath  Prof. 
Goering  zum  Stellvertreter  des  Vorsitzenden  gewählt. 

Dann  sprach  der  Ob.-Ing.  Joh.  Körting  aus  Hanno- 
ver über  „Verbrennungs-Kraftmaschinen“.  Die  Er- 
kenntniss  der  Thatsache,  dass  werthvolle  industrielle  Gase 
in  den  Gasmaschinen  viel  zweckmässiger  ausgenutzt  wer- 
den können,  als  bisher,  und  zwar  vor  allem  das  Hoch- 
ofengas, gab  nach  den  Ausführungen  des  Vortragenden 
den  Anstoss  zur  Herstellung  grosser  Gasmaschinen,  denen 
das  Gas  entweder  unter  Druck  zugeführt  wird,  oder  die 
es  selbst  ansaugen.  Die  hohe  Bedeutung  des  Gasmaschinen- 
Betriebes  mit  Hochofengas  erkennt  man  am  besten  dar- 
aus, dass  man  mit  derselben  Gasmenge  das  7-  bis  8-fache 
an  Kraft  erzeugen  kann,  als  wenn  man  durch  Verbrennung 
des  Gases  Dampf  erzeugt  und  diesen  in  Dampfmaschinen 
benutzt.  Unter  Zugrundelegung  der  Roheisenerzeugung 
von  Deutschland  und  Luxemburg  im  Jahre  1897  kann  man 
mit  dem  entstehenden  Hochofengas  rd.  die  Leistung  von 
600000  P.  S.  dauernd  erzeugen.  Es  handelt  sich  im  Eisen- 
hüttenbetriebe um  Maschinen  grösster  Kraftleistungen,  bis 
zu  mehreren  tausend  Pferdestärken,  sowohl  für  Gebläse-, 
Walzenzug-  wie  für  elektrische  Betriebe.  So  hat  ein 
Hüttenwerk  in  Amerika  allein  die  Aufstehung  von  40  000  P.  S. 
in  Gasmaschinen  beschlossen  und  nach  dem  Körting’schen 
Zweitakisystem  bestellt.  Der  Vortragende  ging  dann  näher 
auf  die  Einzelheiten  der  Maschine  selbst  ein.  Des  weiteren 
wurde  die  Anlage  zur  Erzeugung  von  Generatorgas  zum 
Betriebe  von  Kraftgasmaschinen  näher  beschrieben  und 
zwar  sowohl  für  Maschinen  nach  dem  Druck-,  wie  auch 
nach  dem  Saugesystem.  Dabei  wurde  namentlich  auf  die 
Förderung  hingewiesen,  die  der  Herstellung  von  Gas- 
maschinen durda  die  preuss.  Staatsbehörden  insbesondere 

566 


dadurch  zutheil  geworden  ist,  dass  die  Generatoranlagen 
nicht  unter  die  konzessionspflichtigen  Anlagen  nach  § 16 
der  Gew.-O.  gerechnet  werden  und  dass  die  Staats-Eisen- 
bahnverwaltung  viel  früher  als  die  Privat-Industrie  grosse 
Aufträge  ertheilte.  Nachdem  sich  nunmehr  diese  Maschinen 
für  alle  möglichen  Zwecke  der  Industrie,  insbesondere  für 
Elektrizitätswerke,  Wasserwerksanlagen  usw.  als  sehr  ge- 
eignet erwiesen,  hat  sich  auch  eine  grosse  Zahl  von 
Maschinenfabriken  dem  Bau  von  Gasmaschinen  zugewandt; 
insbesondere  erfreuen  sich  auch  die  Maschinen  für  flüssige 
Brennstoffe,  vor  allem  für  Spiritus,  grosser  Beliebtheit  in 
landwirthschaftlichen  und  sonstigen  Betrieben. 

Schliesslich  besprach  der  Vortragende  noch  einen  von 
seiner  Firma  aufgestellten  Entwurf  zu  einem  durch  einen 
Spiritusmotor  angetriebenen  Eisenbahnwagen. 

Im  Anschluss  an  den  mit  grossem  Beifall  aufgenommenen 
Vortrag  berichtete  der  Geh,  Reg.-Rth.  Prof.  Goering  ein- 
gehend über  das  neu  erschienene  Werk  des  Generaldir. 
vom  Osnabrücker  Stahlwerk,  des  Kommerz.-Rths.  A.  Haar- 
mann: „Die  Kritik  des  Eisenbahngleises“.  Das 
Buch  schliesst  sich  an  die  bereits  1891  in  zwei  gleich  gut 
ausgestatteten  Bänden  herausgegebene  „Geschichte  des 
Eisenbahngleises“  an  und  ist  schon  damals  vom  Ver- 
fasser als  Abschluss  in  Aussicht  gestellt  worden,  bildet  jedoch 
ein  in  sich  abgerundetes  selbständiges  Werk.  Es  giebt  zu- 
nächst einen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  hundert- 
jährige Entwicklung  des  Eisenbahngleises,  betrachtet  dann 
eingehend  die  wichtigsten  Oberbau-Systeme  der  Gegenwart 
und  sucht  aus  einer  höchst  sorgfältigen  und  sachlichen 
Kritik  der  dabei  gesammelten  Erfahrungen  Grundsätze  zu 
gewinnen  für  eine  gesunde  Weiterentwicklung  des  Gleis- 
baues. Als  BeispieF  für  deren  Anwendung  wird  der  von 
Haarmann  neuestens  geschaffene  Starkstossoberbau 
ausführlich  besprochen.  .Als  Unterlage  für  die  kritischen 
Untersuchungen  diente  eine  grosse  Zahl  von  Gleisslücken 
aller  Art,  die  dem  Betriebe  entnommen  sind  und  wie  sie 
nur  im  Osnabrücker  Gleismuseum  zur  Verfügung  standen, 
das  der  Verfasser  in  jahrzehntelangem  Sammelfleiss  aus 
der  ganzen  Welt  zusammengebracht  hat.  Vorzügliche  Ab- 
bildungen in  sehr  grosser  Zahl  lassen  alle  Betriebswirkungen 
mit  photographischer  Treue  im  Buche  deutlich  erkennen. 
Ein  Schlusswort  giebt  sodann  eine  Fülle  von  lehrreichen 

No,  88. 


Gesichtspunkten  und  Vorschlägen  allgemeiner  Art.  Das 
Ganze  kennzeichnet  sich  als  ein  vortreilliches  wissenschaft- 
liches Werk  von  hohem  bleibendem  Werth  für  die  Kennt- 
niss  des  Gewesenen  und  die  weitere  Ausgestaltung  des 
Eisenbahngleises  in  der  Zukunft.  — 

Frankfurter  Arch.-  und  Ing.-Verein.  Die  Zusammen- 
setzung unseres  Vorstandes  für  das  Geschäftsjahr  1902/03 
ist  folgende:  Vorsitzender;  Dir.  W.  H.  Lauter;  stellv. 
Vors.;  Arch.  Fr.  von  Hoven;  Schriftf.:  Arch.  E,  Lemme; 
Säckelmeister:  Dir.  Fr.  Scheelhaase;  Bibliothekar:  Arch. 
Wilh.  Müller;  Vorträge:  Brih.  E.  Brinkmann  und  Stdtrth. 
C.  F.  Kölle;  Festordner:  Arch.  H.  Cuno  und  F.  Sander.  — 


Vermischtes. 

Elektrischer  Betrieb  der  Schweizer  Eisenbahnen.  Der 
Ing.  Thormann  aus  Zürich  hat  in  einer  Veröffentlichung 
die  Möglichkeit  des  elektrischen  Betriebes  sämmtlicher 
Schweizer  Eisenbahnen  durch  Ausnutzung  natürlicher 
Kraftquellen  nachzuweisen  versucht.  Die  Kohlentheuerung 
der  letzten  Jahre  hat  die  Aufmerksamkeit  stärker  als  je 
zuvor  auf  die  Ausnutzung  der  natürlichen  Wasserkräfte 
gelenkt,  und  die  Schweiz  hat  einen  besonders  reichlichen 
Äntheil  an  dieser  Entwicklung  genommen.  Man  kann  es 
jetzt  als  durchaus  sicher  betrachten,  dass  die  in  der  Schweiz 
verfügbare  Wasserkraft  genügt,  um  elektrische  Energie 
für  den  Betrieb  sämmtlicher  Schweizer  Eisenbahnen  ab- 
zugeben. Gleichzeitig  muss  jedoch  Thormann  zugestehen, 
dass  die  Verkehrskosten  in.  beträchtlichem  Maasse  dadurch 
nicht  vermindert  werden  würden.  Er  ist  zu  der  Ansicht 
gelangt,  dass  die  Umwandlung  der  Bahnen  für  den  elek- 
trischen Betrieb  ein  so  bedeutendes  Kapital  erfordern 
würde,  dass  sich  an  dessen  Amortisation  nicht  denken 
Hesse.  Die  5 Hauptbahnen  der  Schweiz  benöthigen  eine 
tägliche  Betriebskraft  von  über  30C00  P.  S.  Wenn  man 
an  einen  elektrischen  Betrieb  denken  wollte,  so  müsste 
man  jedenfalls  einen  Betrag  von  60000  P.  S.  in  der  Form 
von  elektrischem  Wechselstrom  hoher  Spannung  verlangen, 
wozu  noch  eine  unerlässliche  Reserve  zu  rechnen  wäre. 
Thormann  ist  nun  auf  statistischem  Wege  der  Frage 
näher  getreten,  ob  diese  Kraft  geliefert  werden  könne, 
und  die  Antwort  ist  bejahend  ausgefallen.  Ohne  die 
mächtigen  bisher  unausgenutzten  Wasserfälle  inbetracht 
zu  ziehen,  rechnet  er  aus  den  bisher  vorhandenen 
21  Kraftwerken  eine  Summe  von  86000  P.S.  heraus, 
das  Sielwerk  bei  Einsiedel  u.  a.  für  20000  P.S, , die 
Werke  bei  Laufenburg  a.  Rh.  mit  10000;  dann  weiter  die 
von  St.  Moritz,  von  Wangen  a.  d.  Aar,  von  Bernau  und 
vom  Wäggisthal  je  5000,  das  Kraftwerk  zu  Freiburg  4000, 
von  Rheinau  3000  und  das  von  Giornico  am  Tessin  4000, 
das  von  Ritomsee  8000  usw.  Die  21  vorhandenen  Kraft- 
werke würden  also  mehr  als  genügend  sein,  den  Eisen- 
bahnen die  nöthige  Elektrizität  zur  Verfügung  zu  stellen, 
aber  die  Kosten  des  Unternehmens  würden  doch  eine  be- 
deutende Höhe  erreichen.  Thormann  berechnet  sie  auf 
insgesammt  i6r  Mill.  Frcs.,  wovon  40  Mill.  auf  das  rollende 
Material,  70  Mill.  auf  die  Anlage  der  elektrischen  Zuleitung 
und  51  Mül.  auf  die  Errichtung  der  Stromweudestationen 
kämen.  Andererseits  muss  aber  auch  der  Gesichtspunkt 
Beachtung  finden,  dass  trotz  dieser  geringen  Ersparniss 
das  Land  durch  die  Einführung  der  Elektrizität  auf  den 
Eisenbahnen  erheblichen  Nutzen  haben  würde,  weil  der 
hohe  für  Kohlen  verausgabte  Betrag  in  Fortfall  käme. 
Die  allgemeine  Benutzung  der  Wasserkraft  würde  auch 
eine  bedeutsame  Ermuthigung  für  andere  Industrien  sein. 
Die  Veröffentlichung  des  Ingenieurs  Thormann  hat  eine 
ernste  Aufnahme  gefunden  und  zu  dem  praktischen  Er- 
gebniss  geführt,  dass  die  Oerlikon-Eisenbahngesellschaft 
bei  der  Bundesregierung  den  Antrag  gestellt  hat,  eine 
Versuchsstrecke  von  20  km  Länge  als  elektrische  Volibahn 
herstellen  zu  dürfen.  — 

Eine  Ausstellung  des  Kunstgewerbe-Museums  zu  Leipzig 
betrifft  „die  Pflanze  in  ihrer  dekorativen  Verwerthung" 
und  findet  vom  i.  Februar  bis  31.  März  1903  statt.  Für 
Ankäufe  stehen  zunächst  3000  M.  zur  Verfügung;  die  ein- 
gesandten  Arbeiten  unterliegen  einer  Aufnahmejury.  An- 
meldungen bis  I.  Dezember  1902.  Einsendungen  bis 
IO.  Januar  1903.  — 

Die  Baugewerkschule  in  Nienburg  a.  W.,  übrigens  die 
älteste  preussische  Baugewerkschule  (gegründet  1853), 
richtet  mit  diesem  Winterhalbjahr  ebenfalls  eine  Tiefbau- 
abtheilung ein.  Der  Lehrstoff  vertheilt  sich  auf  2 Klassen 
zu  je  Vs  Jähreskursus  entsprechend  den  Einrichtungen  der 
anderen  Schulen.  Dass  diese  Tiefbauabtheilungen  einem 
dringenden  Bedürfnisse  entgegenkommen,  zeigt  der  starke 
Andrang  zu  denselben.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  des  Architekten-  und  Ing.-Verelns  ln 
München  für  seine  Mitglieder  betrifft  Entwürfe  für  ein 
Progymnasium  in  Forchheim  in  Oberfranken.  Bausumme 
150  000  M. ; Anlehnung  an  die  fränkische  Bauweise ; Material 
für  die  Architekturtheile  heller  Sandstein.  3 Preise  von 
300,  200  und  100  M.  Preisrichter  u.  a.;  Arch.  0.  Lasne, 
Prof.  M.  Littmann,  Ob.-Baudir.  von  Maxon,  Brth. 
Rehlen,  Prof.  G.  von  Seidl  und  Ob.-Brth.  Stempel.  — 

Ein  internationales  Preisausschreiben  zur  Erlangung 
von  Entwürfen  für  die  Kathedrale  St.  Andree  in  Patras 
(Griechenland)  erlässt  das  bezgl.  Comite  zum  31.  Januar 
bezw.  30.  Juni  1903.  Es  gelangen  3 Preise  von  10000, 
4000  und  2000  Frcs.  zur  Vertheilung.  Unterlagen  durch 
das  Griechische  General-Consulat,  Berlin  NW.,  Unter  den 
Linden  71. 

Wettbewerb  Kollegienhaus  Freiburg  1.  Br.  Dem  uns 
inzwischen  zugegangenen  Protokoll  entnehmen  wir,  dass 
von  123  Entwürfen  zunächst  63  und  weiterhin  35  Entwürfe 
ausgeschieden  wurden.  Einer  dritten  Ausscheidung  fielen 
weitere  10,  einer  vierten  Ausscheidung  noch  8 Entwürfe 
zum  Opfer,  sodass  7 Entwürfe  auf  die  engste  Wahl  kamen. 
Da  das  Preisgericht  einstimmig  der  Ansicht  war,  dass  kein 
Entwurf  der  engsten  Wahl  den  Anforderungen  des  Pro- 
grammes in  allen  Theilen  entsprach,  auch  kein  Entwurf 
dem  anderen  in  Grundriss  und  Aufbau  so  überlegen  war, 
dass  er  mit  dem  I.  Preise  ausgezeichnet  werden  konnte, 
so  wurde  einstimmig  beschlossen,  die  Summe  des  I.  Preises 
in  3 IV.  Preise  von  je  1500  M.  zu  theilen  und  den  Rest 
zu  Ankäufen  zu  verwenden.  Die  Preis  vertheilung  war 
dann  die  bereits  mitgetheüte.  Von  dem  an  erster  Stelle 
ausgezeichneten  Entwurf  „Ovum“  von  Prof.  Friedr.  Ratzel 
sagt  das  Gutachten,  er  gelange  durch  Verlegung  des  Schwer- 
punktes der  architektonischen  Entwicklung  an  die  Ecke 
der  Beifort-  und  Werderstrasse  „bei  glücklicher  Vermeidung 
der  diagonalen  Grundriss-Anordnung  zu  einem  charakte- 
ristischen und  kraftvollen  Ausdruck  der  dominirenden 
Innenräume.  Die  gewählte  Anordnung  ermöglicht  eine 
klareund  übersichtliche  Raumfolge  und  eine  ausserordentlich 
reizvolle  äussere  Gruppirung.“  An  dem  Entwurf  „Floreat“ 
der  Hrn.  Meckel  lobt  es  den  „übersichtlich  und  einfach“ 
angeordneten  Grundriss  und  die  vortreffliche  Ausbildung 
des  Aeusseren  und  des  Hofes;  „weniger  zu  rühmen  ist 
die  Gliederung  der  Massen  und  die  Ausbildung  der  Ecke 
an  der  Werder-  und  Löwenstrasse“.  An  dem  Entwurf 
„Kelim“  der  Hrn.  Bonatz  in  Stuttgart  tadelt  das  Gutachten 
„Ungelöstheiten  und  Unvollkommenheiten  in  der  Grund- 
riss-Disposition“, meint  aber,  die  „markante  Behandlung 
der  Aula  gebe  dem  Gebäude  einen  hervorstechenden 
repräsentativen  Charakter“.  An  dem  Entwurf  „Deutschem 
Geiste  eine  Warte“  der  Hrn.  Schulz  & Schlichting 
lobt  das  Gutachten  die  sorgfältige  Durcharbeitung,  die  klare 
Raumvertheilung  und  die  gute  Beleuchtung  der  Räume, 
glaubt  aber,  die  architektonische  Ausgestaltung  entbehre 
eines  „grösseren  künstlerischen  Reizes“,  das  Gebäude  sei 
mehr  ein  Verwaltungs- Gebäude  als  das  Kollegien-Gebäude 
einer  Universität.  Der  Entwurf  „Schauinsland“  des  Hrn. 
Herrn.  Distel  in  Freiburg  findet  den  Beifall  des  Gutachtens 
durch  seine  „geschickte  Grundrissanlage“,  die  sehr  gute 
Beleuchtungs-Verhältnisse  ergebe.  Die  Beurtheilung  des 
zweiten  preisgekrönten  Entwurfes  von  Prof.  Ratzel  mit 
dem  Kennwort  „Altmodisch“  ist  eine  zurückhaltende.  Ueber 
die  zum  Ankauf  empfohlenen  Entwürfe  schweigt  das  Gut- 
achten; aber  gerade  über  den  einen  oder  anderen  Entwurf 
dieser  Gruppe  hätte  man  gerne  etwas  Näheres  erfahren.  — 

In  einem  Wettbewerb  des  Münchener  Architekten-  und 
Ingenieur-Vereins  betr.  Entwürfe  für  eine  Glasfachsohule  in 
Zwiesel  mit  einer  Bausumme  von  70—75  000  M.  liefen 
16  Arbeiten  ein.  Es  erhielt  den  I.  Preis  Hr.  Arch.  Schulz, 
den  II.  Preis  Hr.  Arch.  Knöpfle  und  den  IIL  Preis  Hr. 
Arch.  Steffan,  sämmtllch  in  München.  — 


Chronik. 

Neue  katholische  Kirchen  in  Schlesien.  Zwei  neue  kath. 
Kirchen,  u.  zw.  eine  in  Kochlowitz  O.-Schl,  ganz  in  Sandstein,  eine 
dreischiffige,  zweithürmige  basiiikale  Anlage,  romanisch,  für  etwa 
2500  Kirchenbesucher,  bei  1450  qm  bebauter  Grundfläche  mit  einem 
Kostenaufwande  von  rd.  350000  M.  einschl.  der  reichen  inneren 
Einrichtung,  sowie  eine  am  Zentralbahnhofe  Kosel-Kandrczin  be- 
legene  einfache  dreischiffige  gothische  HalJenkirche  in  Backstein- 
bau, für  etwa  1200  Besucher  und  850  qm  bebauter  Grundfläche, 
mit  einem  Kostenaufwande  von  rd.  90000  M.,  beide  nach  Entwürfen 
und  unter  Leitung  des  Architekten  Ludwig  Schneider  in  Oppeln 
erbaut,  wurden  am  17.  u.  19.  Okt.  dem  Gottesdienste  übergeben.  — 
Die  neue  Bernharduskirche  ln  Karlsruhe,  ein  nach  den 
Entwürfen  des  Hrn.  Baudir.  M.  Meckel  in  Freiburg  i.  Br.  errichteter 
spätgothischer  Bau  aus  rothem  Sandstein,  wurde  am  26.  Okt.  feier- 
lich geweiht.  — 


567 


I.  November  1902. 


Die  Einweihung  der  neuen”  Bethanienkirche  in  Neu- 
Weissensee  bei  Berlin  ist  am  26.  Okt  vollzogen  worden.  Das 
neue  Gotteshaus  ist  nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Reg.-Bmstr.  a.  D. 
Leibnitz  im  Stile  der  märkischen  Backsteingothik  mit  Putzflächen 
errichtet,  — ■ 

Das  neue  pharmazeutische  Institut  der  Universität  Berlin 
in  Dahlem  wurde  am  27.  Oktober  seiner  Bestimmung  übergeben. 
Das  Gebäude,  als  Ziegelfugenbau  mit  Putzflächen  gestaltet,  trägt 
im  wesentlichen  den  Charakter  des  lediglich  aus  dem  Bedürfniss 
heraus  errichteten  Nutzbaues.  Es  ist  das  erste  Glied  der  in  Dahlem 
zu  errichtenden  Reihe  von  Universitätsbauten.  — 

Elektrische  Schwebebahn  Brüssel-Antwerpen.  DieSociete 
Cockerill  unterbreitete  der  belgischen  Regierung  ein  Konzessions- 
gesuch für  eine  elektrische  Schwebebahn  nach  dem  System  der 
Nürnberger  kontinentalen  Gesellschaft  für  die  Strecke  Brüssel- 
Antwerpen,  Streckenlänge  43  km,  Fahrzeit  20  Minuten,  Kosten 
26  Mill.  Frcs.  — 

Kunstausstellung  in  Dresden  1904.  In  einer  Sitzung  von 
Vertretern  der  Regierung,  des  Rathes  und  der  Künstlerschaft  wurde 
beschlossen,  im  Jahre  1904  eine  grosse  Kunstausstellung  mit 
nationaler  Grundlage  und  in  Verbindung  mit  einer  retrospektiven 
Ausstellung  in  Dresden  abzuhalten.  — 

Die  Eröffnung  eines  Tunnels  durch  den  Quirioal  ln  Rom, 
der  unter  dem  königlichen  Schloss  hinzieht  und  die  hochgelegene 
Via  Nazionale  mit  den  tiefer  gelegenen  Stadttheilen  verbindet,  hat 
am  22.  Okt.  d.  J.  stattgefunden.  — 

per  Bau  eines  Wasserwerkes  in  Heide  in  Holstein  ist  in 
Angriff  genommen  worden.  Die  vorgeoomraenen  Bohrungen  haben 
in  einer  Entfernung  von  3500  m von  der  Stadt  gutes  Trinkwasser 
in  genügender  Menge  ergeben.  Die  Kosten  sind  auf  380000  M.  veran- 
schlagt. Die  Ausführung  ist  der  Firma  Windschild  & Langelott 
in  Cossebaude  bei  Dresden  in  Generalunternehmung  übertragen 
worden.  — 

Die  Einweihung  des  grossen  Donau- Winterhafens  Wien. 
Der  neue  grosse  Donau- Winterhafen  nächst  der  Freudenau  ist  nun- 
mehr vollendet.  Die  feierliche  Einweihung  und  Eröffnung  dieser 
Hafenanlage  ist  am  28.  Okt.  durch  ICaiser  Franz  Josef  vollzogen 
worden.  — 

Neues  Waisenhaus  ln  Hunfeld.  Am  15.  Okt.  ist  das  nach 
den  Entwürfen  des  Architekten  Reg.-Bmstr.  A.  Menken  in  Berlin 
als  Ziegelfugenbau  mit  Putzflächen  errichtete  neue  Waisenhaus  ein- 
geweiht worden.  Bausumme  160000  M.  — 

Das  Brahms-Denkmal  in  Wien  ist  nunmehr  endgültig  be- 
schlossen worden.  Es  wird  nach  den  Entwürfen  von  Prof.  Rud. 
Weyr  am_  Karlsplatz,  vor  der  evangelischen  Schule,  aufgestellt. 
Sein  Material  ist  Laaser  und  Sterzinger  Marmor.  — 

Bismapksäule  bei  Eisenach.  Am  Abend  des  19.  Okt.  hat  die 
feierliche  Einweihung  der  nach  den  Entwürfen  des  Arch.  Wilhelm 
Kreis  in  Dresden  auf  dem  Wartenberg  errichteten  Bismarcksäule 
stattgefunden.  — 

Ein  tiroler  Künstlerhaus  in  Innsbruck  ist  geplant.  In  dem- 
selben sollen  jährliche  grosse  Kunstausstellungen  abgehalten  werden. 
Möchte  es  gelingen,  für  dasselbe  einen  Bauplan  zu  gewinnen,  welcher 
dem  wunderbaren  Städtebild  nicht  den  Eintrag  thut,  wie  ihn  der 
bisher  in  Oesterreich  noch  in  überwiegendem  Maasse  herrschende 
unschöne  Kasernenstil  anderen  alten  Städten  that.  — 

Das  neue  evangelische  Krankenhaus  in  Köln  a.  Rh., 
erbaut  nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Alfr.  Ludwig  in  Leipzig,  ist 
am  21.  Okt.  d.  J.  eingeweiht  worden.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Die  Mar.-Bfhr.  Stach  und  Raabe  sind 
zu  Mar.-Masch.-Bmstrn.  ernannt. 

Baden.  Dem  Bahnbauinsp.  Ob.-Ing.  H e r g t in  Offenburg 
ist  der  Tit.  Brth.  verliehen. 

Bayern.  Der  Ob.-Bauinsp.  Grossmann  in  Rosenheim  ist 
nach  Eisenstein  versetzt.  Der  Dir.-Ass.  Hasslauer  in  München 
ist  z.  Ob.-Bauinsp.  bei  der  Eisenb.-Betr.-Dir.  das.  und  der  Dir.-Ass. 
Dr.  Gleich  mann  zum  Ob.-Masch.-Insp.  bei  d.  Gen.-Dir.  befördert. 

Der  Eisenb.-Ass.  Maier  in  München  ist  zur  Betr.-Werkstätte 
Regensburg  und  der  Dir.-Ass.  Dr.  Heubach  in  Würzburg  zur 
Gen.-Dir.  versetzt.  Der  Bauamtsass.  Heilmann  in  Landshut  ist 
z.  Dir.-Ass.  bei  der  Eisenb.-Betr.-Dir.  Kempten  berufen. 

Der  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.  N i s s 1 in  Bayreuth  ist  s.  Bitte  entspr. 
auf  die  Dauer  i Jahres  in  den  Ruhestand  versetzt;  der  Bauarotsass. 
Bruch  in  Augsburg  ist  z.  Reg.-  u.  Kr.-Bauass.  für  das  Landbfch. 
l3ei  der  Reg.  von  Oberfranken  befördert;  der  Staatsbauassist.  Eg  er  e r 
ist  z.  Ass.  beim  Landbauamte  Augsburg  ernannt. 

Preussen.  Dem  Dir.  der  städt.  Gas-,  Wasser-  und  Elektri- 
zitätswerke Grohraann  in  Düsseldorf,  den  Reg.-  und  Brthn. 
Zachariae  und  Stampfer  in  Elberfeld,  dem  Eisenb.-Bau-  und 
Betr.-Insp.  Schmalem  Düsseldorf,  dem  Wasser-Bauinsp.  Beyer- 
haus  in  Koblenz,  dem  Landbauinsp.  Hertel  in  Berlin  und  dem 
Prof.  Kleesattel  in  Düsseldorf  ist  der  Rothe  Adler-Orden 
W.  KL,  dem  Kr.-Bauinsp.  Metzing  in  Charlottenburg  die  Rothe 
Kreuz-Medaille  III.  Kl.  verliehen. 

Dem  Reg.-  u.  Brth.  Uber  ist  die  Annahme  und  Anlegung  des 
ihm  verlieh.  Ritterkreuzes  I.  Kl.  des  kgl.  sächs.  Albrechts-Ordeiis 
gestattet. 

Dem  Reg.-Bmstr.  a.  D.  G a u s e in  Berlin  ist  der  Char.  als 
Brth.  verliehen. 

Der  Reg.-Bfhr.  Rud.  Gölitzer  aus  Neustadt  a.  O.  ist  zum 
Reg.-Bmstr.  f.  d.  Hochbfch.  einaunt. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Leop.  S a I i n g r e in  Halle  a.  S.  ist  die 
nachges.  Entlass,  aus  dem  Dienst  der  allgemeinen  Bauverwaltg. 
ertheilt. 

Der  Geh.  Brth.  Wilh.  Böckmann  in  Berlin  ist  gestorben. 

Sachsen.  Dem  Stadtbrlh.,  kgl.  preuss.  Brth.  Scharenberg 
tn  Leipzig  ist  das  Ritterkreuz  I.  Kl.  vom  Albrechts-Orden  verliehen. 

568 


Briet-  und  Fragekasten. 

Hrn,  Arch.  M,  N.  in  Duisburg.  Die  BaupoHzeiordnung  für 
Duisburg  liegt  nicht  vor.  Muthmaasslich  wird  dieselbe  jedoch  die 
allgemein  übliche  Bestimmung  enthalteu,  welche  gesetzlich  zulässig 
ist,  dass  im  Wege_  des  Dispenses  Ausnahmen  von  der  Regel  zu- 
lässig sind.  In  diesem  Falle  hat  die  zuständige  Behörde  nach 
pflichtschuldigem  Ermessen  darüber  zu  befinden,  ob  sie  unter  den 
gebotenen  Verhältnissen  (z.  B.  Beschaffenheit  der  Baustelle,  Be- 
stimmung des  Bauwerkes  und  ähnlichem  mehr)  eine  Abweichung 
gestatten  darf  und  will.  Gelangt  sie  zur  Bejahung  dieser  Frage,  so  ist 
ihr  Dispens  rechtswirksam  und  es  haben  andere  kein  Recht,  eine  ge- 
naue Einhaltung  der  PoiizeiverordnuDg  zu  fordern.  Ueberdies  fehlt 
es  an  einem  Verfahren,  welches  Sie  zu  dem  beregten  Ziele  führen 
könnte.  Dies  vorausgeschickt,  beantworten  sich  Ihre  Fragen  dahin: 
a)  Eine  Bahnverwaltung  kann  von  der  Einhaltung  der  baupolizeilichen 
Vorschrift,  dass  hinter  der  Baulinie  aufzuführende  Bauwerke  parallel 
zur  Strassenflucht  zu  stehen  kommen  sollen,  durch  Dispens  befreit 
werden,  wenn  die  Bauordnung  einen  Dispens  überhaupt  zulässt  und 
wenn  die  Beschaffenheit  der  Baustelle  bei  dem  Verwendungszwecke 
des  Bauwerkes  als  Stationsgebäude  solches  aus  öffentlich-rechtlichen 
Erwägungen  zweckmässig  erscheinen  lässt,  b)  Unter  der  gleichen 
Voraussetzungkann fürBeamten-Wohnhäuservon  dcrAusschmückung 
der  Giebelwände,  die  einer  Strassenfront  zugewendet  sind,  umso- 
mehr abgesehen  werden,  wenn  die  betreffende  Strasse  zwar  im  Be- 
bauungspläne vorgesehen,  aber  noch  nicht  angelegt  sein  sollte. 

Bei  diesem  Anlass  machen  wir  darauf  aufmerksam,  dass 
Fragen,  welche  eine  Berücksichtigung  des  örtlichen 
Baupolizeirechtes  nöthig  machen,  nur  dann  zuverlässig 
beantwortet  werden  können,  wenn  der  Fragesteller 
einen  Abdruck  der  Baupolizeiordnung  beilegt,  da  in 
Berlin  nirgends  eine  vollständige  Sammlung  aller  Ortspolizei-Ver- 
ordnungen  besteht.  Selbst  die  Bibliothek  der  Technischen  Hoch- 
schule hat  keine  solche  Sammlung.  — K.  H-e. 

Hrn.  St.  M.  in  Köln  a.  Rh.  Ueber  die  Einrichtung  von 
Postschalterräumen  usw.  finden  Sie  ausführliche  Angaben  in  dem 
im  Februar  neuen  Jahres  in  dem  Verlage  der  Deutschen  Bauzeitung, 
G,  m.  b.  _H.,  erscheinenden  Bd.  II.,  6 der  Gebäudekunde.  Eine  bis- 
her erschienene  Litteratur  darüber  ist  uns  nicht  bekannt,  doch  haben 
die  Postbauärater  hierfür  Normalien,  die  Ihnen  vielleicht  zugänglich 
gemacht  werden  würden.  — 

Fr  ag  e b e an  t w o r t u n gen  aus  dem  Leserkreise. 

Hrn.  Arch.  H.  R.  in  Köln  a.  Rh.  Die  in  No.  80  vom  4.  Okt. 
gestellte  Anfrage  No.  i,  „ob  für  eine  nicht  unterwölbte  Kirche 
Mosaikplatten-Belag  weniger  fusskalt  sei  als  Marmorbelag“,  dürfte, 
da  es  sich  in  beiden  Fällen  um  massive,  die  Erdkälte  gut  leitende 
Fussbödeo  handelt,  kaum  zugunsten  des  einen  oder  anderen  Mate- 
riales sich  beantworten  lassen.  Die  Zweckmässigkeit  des  für  beide 
Arten  bei  solider  Ausführung  nothwendigen  Unterbodens  ist  viel- 
mehr entscheidend  für  die  Abgabe  der  Erd- 
kälte durch  den  Bodenbelag  nach  oben. 

hes  Pflaster  oder  Zementbeton  ge- 
nügt erfahnrngsmässig  nicht,  dagegen  ist 
in  ähnlichen  Fällen,  z.  B.  bei  nichtunter- 
kellerten  Krankensälen,  schon  seit  geraumer 
Zeit  mit  gutem  Erfolge  als  Unterboden  ein 
SRummsj^^mTsemw  sogen.  RosJpflasterzurAusführung  gebracht 
wordeu.  Dieses  besteht  aus  drei  überein- 
ander lieg  enden  flachen  Ziegelscbichten,  von 
denen  die  mittlere  inforni  eines  Rostes  her- 
gestellt  wird.  Es  bildet  sich  dadurch  eine 
ruhende  Luftschicht,  die  der  aufsteigenden 
Erdkälte  ein  wirksames  Hinderniss  ent- 
gegensetzt. Die  Ausführung  der  mittleren 
Schicht  ist  in  nebenstehender  Skizze  im 
Grundriss  dargestellt;  die  Stossfugen  blei- 
ben offen,  damit  ein  einziger  zusammen- 
hängender Luftraum  zustande  kommt.  Auf 
die  Ausführung  der  obersten,  in  der  Skizze 
gestrichelt  angedeuteten  Decklage  ist  die 
allergrössteLSorgfalt  zu  verwenden.  Jedem  Stein  muss  an  einer 
Längs-  und  einer  Stossfuge  Mörtel  angestrichen  und  der  Stein  mit 
der  Hand  kräftig  au  den  vorher  verlegten  angestossen  werden. 
Sollte  das  Emporsteigen  von  Erdfeuchtigkeit  in  den  durch  das  Rost- 
pflaster sich  bildenden  kleinen  Pfeilerchen  befürchtet  werden,  so 
können  die  Steine  der  Mittelschicht  mit  der  Sohlfläche  vorher  in 
Goudron  getaucht  werden.  Diese  Maassnahme  hat  sich  aber  nach 
den  gemachten  Erfahrungen  bei  inneren  Räumen  als  unnöthig  er- 
wiesen. Empfehlenswerth  wäre  weiterhin  die  Anordnung  einer 
Schicht  des  ziemlich  porösen  Torgament-Estrichs  unter  dem  eigent- 
lichen Fussbodenbelag.  — 

Paul  Weidner,  Architekt  in  Charlottenburg. 

Bei  nicht  unterkellertem  Fussboden  wird  der  Fusbodenbelag 
(ob  Marmor  oder  Thonplättchen)  der  Temperatur  des  Untergrundes 
folgen,  wenn  nicht  ein  schlechter  Wärmeleiter  eingeschaltet  wird. 
Wir  haben  diese  Aufgabe  stets  mit  Erfolg  durch  Verwendung  un- 
seres Korksteins  gelöst,  z.  B.  im  Jahre  1895/96  und  s.  f.  bei  dem 
Bau  der  hiesigen  Pavillon- Schulanlage. 

Grünzweig  & Hartmann,  G.  m.  b.  H., 
Korksteinfabrik,  Ludwigshafen  a.  R. 

Inhalt:  Die  Neubauten  der  köuiglichen  akademischen  Hochschule 
für  die  bildenden  Künste  und  für  Musik  iu  Charlottenburg.  — Städtische 
Schnellverkehrs-Pläne  in  Berlin.  — Verschiebbares  Oberlicht  über  dem 
Hauptkassenhofe  des  Banksebäudes  der  Diskonto-Gesellschaft  in  Berlin.  — 
Zollhaus  bei  der  Talferbrtlcke  in  Bozen.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — 
Vermischtes.  — Preisbewerbuogen.  — Chronik.  — Personal-Nachrichten. 
— Brief-  und  Fragekasten.  — 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Die  Neubauten  der  kgl.  akadem. 
Hochschulen  für  die  bildenden  Künste  und  für  Musik. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


w- 


m-j-i 


No.  88. 


IE  NEUBAUTEN  DER  KÖNIGLICHEN 
AKADEMISCHEN  HOCHSCHULEN  FÜR 
DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  UND  FÜR 
MUSIK  IN  CHARLOTTENBURG  * ^ 

ARCH.;  KAYSER  & VON  GROSZHEIM, 
KÖNIGE.  BAUKÄTHE  IN  BERLIN  # ’t' 

AUFNAHMEN  VON  H.  LICHTE,  BERLIN 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG  XXXVI.  JAHRG.  - N?;  88  = 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  89.  Berlin,  den  5.  November  1902. 


Die  königl.  akadem.  Hochschule  für  Musik  in  Charlottenburg.  Arch.:  Kayser  & v.  Groszheim,  kgl.  Brthe.  in  Berlin. 
(Photogr.  Aufaahmcn  von  H.  Lichte  ia  Berlin  SW.) 


Ein  neues  Schwebebahn-Projekt  für  Berlin. 


vsa  ast  gleichzeitig  mit  dem  von  uns  in  No.  88  der 
Bztg.  in  seinen  Hauptzügen  skizzirten  Plane 
der  Stadtgeraeinde  Berlin,  eine  dem  städtischen 
Schnellverkehr  dienende  Unterpflasterbahn  in  südnörd- 
licher Richtung  von  Schöneberg  beginnend  und  an  der 
Weichbildgrenze  bei  Reinickend^orf  endigend,  zu  bauen, 
ist  auch  ein  neuer  Plan  der  „Continentalen  Gesell- 
schaft für  elektrische  Unternehmungen  in  Nürn- 
berg", den  Bau  einer  ebenfalls  nord-südlich  verlaufenden 
S ch  w e b eb  ahn  nach  demLangen’schen  System  betreffend, 
in  die  Oeffentlichkeit  gelangt  und  von  der  Gesellschaft  den 
betheiligten  Behörden  vorgelegt  worden.  Es  ist  bekannt, 
dass  schon  vor  einer  Reihe  von  Jahren  (vgl.  unsere  Mit- 
iheilungen  im  Jahrg.  1895  S.  62  ff.)  Schwebebahnpläne 
für  Benin  aufgestellt  und  den  Behörden  zur  Prüfung  vor- 
gelegt worden  sind,  die  dann  aber  trotz  des  grossen  Inter- 
esses, das  man  ihnen  entgegenbrachte,  sich  zerschlugen, 
hauptsächlich  wohl,  weil  man  für  dieses  neue,  damals  noch 
nicht  erprobte  System  eine  Stadt  wie  Berlin  doch  wohl 
nicht  als  das  geeignete  Versuchsfeld  ansehen  mochte.  In- 
zwischen ist  die  nach  gleichem  System  ausgeführte 
Schwebebahn  Elberfeld-Vohwinkel  fertig  gestellt  wor- 
den und  hat  in  mehr  als  it/ojährigem  Betriebe  sich  be- 
währen können,  sodass  die  'öeselTschaft  es  nunmehr  an 
der  Zeit  glaubte,  ihre  Pläne  für  Berlin,  wenn  auch  in  ge- 
änderter Gestalt,  wieder  aufnehmen  zu  dürfen. 

Der  neue  Plan  verfolgt  denselben  Zweck,  wie  das 
städtische  Unternehmen,  eine  dem  Schnellverkehr  dienende 
Nord-Südlinie  herzustellen  und  für  den  Verkehr  in  dieser 
Richtung  das  zu  leisten,  was  Stadtbahn  und  Siemens'sche 
Hochbahn  für  die  Verbindung  in  west- östlicher  Richtung 
für  die  Stadt  bedeuten.  Während  aber  die  städtische  Linie 
von  Schöneberg  ausgehend  vom  Belle-Alliance-Platz  an 
die  Stadt  parallel  zu  dem  grossen  Verkehrszage  der 
Friedrich-  und  Chausseestrasse  durchqueren  soll,  ist  die 
Schwebebahnlinie  als  Verbindung  von  Rixdorf  über  den 
Alexanderplatz  zum  Gesundbrunnen  gedacht,  sodass  beiden 
Linien  ihre  gesonderten  Verkehrsgebiete  zufallen,  diese 
sich  also  wie  man  glaubt,  nicht  gegenseitig  Konkurrenz 
machen  würden.  Die  Linien  würden  im  Norden  und  Süden 


den  Uebergang  auf  die  Ringbahn  und  die  dort  anschliessen- 
den Fernbahnen,  am  Alexanderplatz  auf  die  Stadtbahn 
und  die  von  dieser  abzweigenden  Fernbahnen  und  schliess- 
lich an  der  Kreuzung  mit  der  Siemens'schen  Hochbahn 
am  Kottbuser  Thor  auch  den  Uebergang  auf  diese  letztere 
ermöglichen. 

Die  Bahn  würde  von  Milte  zu  Mitte  der  Endbahnhöfe 
ebenfalls  rd.  ii  Länge  erhalten  mit  14  Zwischen-Bahn- 
höfen,  sodass  sich  eine  Entfernung  der  letzteren  von  0,7  km 
ergiebt.  Die  Steigungen  sollen  auf  freier  Strecke  nicht  grösser 
als  1:40,  die  Krümmungs-Halbmesser  nicht  kleiner  als  50“ 
sein.  Der  Verlauf  im  Einzelnen  ist  so  gedacht,  dass  die  Bahn 
über  dem  tief  liegenden  Bahnhofe  Gesundbrunnen  beginnend 
der  Brunnenstrasse  bis  zum  Rosenthaler  Thor,  der  Loth- 
ringer Strasse  bis  zum  Schönhauser  Thor,  sodann  dem 
neuen  Strassenzuge  durch  das  Scheunenviertel  sowie  der 
Kaiser  Wilhelmstrasse  bis  zur  Stadtbahn  folgen  soll.  Vom 
Kreuzungspunkle  aus  ist  eine  Mitbenutzung  des  Stadtbahn- 
Viaduktes  gedacht,  der  mit  i)ortalartigen  Stützen  zu  über- 
bauen wäre,  bis  zur  Jannowitzbrücke.  Dann  soll  sich  die 
Schwebebahn  neben  die  Stadtbahn  legen  bis  zur  Michael- 
kirch-Brücke,  wo  sie  die  Spree  kreuzt,  in  die  gleichnamige 
Strasse  einbiegt  und  diese  bis  zum  Michaelkirch- Platze 
durchzieht.  Unter  Benutzung  des  Luisenufers,  theilweise 
auch  des  Kanales,  wird  der  Oranienplatz  erreicht;  weiter- 
hin werden  die  Dresdener  und  Kottbuserstr.,  der  Kottbuser 
Damm  bis  zum  Hermann-Platz  in  Rixdorf,  schliesslich  die 
Berliner-,  Berg-  und  Kirchhofstr.  verfolgt  bis  der  Anschluss 
am  Südring  bei  der  Station  Ilermannslrasse  erreicht  ist. 

Die  Bahn  würde  also  wichtige  Geschäfts -Gegenden 
durchziehen  und  die  vorwiegend  von  der  Arbeiter-Be- 
völkerung bewohnten  Aussenstadttheile  mit  einander  ver- 
binden. Die  Bahn  ist  zweigleisig  mit  Rückkehrschleifen  an 
beiden  Enden  gedacht,  um  den  Verkehrsansprüchen  an 
Dichte  der  Zugfolge  und  Betriebssicherheit  zu  entsprechen. 

Die  Bahn  würde  nach  demselben  Prinzip  wie  m Elber- 
feld, also  als  einschienige  Schwebebahn  mit  leichtem 
eisernem  Viadukt  ausgestaitet  werden.  Die  Konstruktion 
der  Wagen  würde  ebenfalls  den  dortigen  entsprechen. 
Es  sollen  nur  Motorwagen  in  Betrieb  kommen. 


569 


Der  Betrieb  soll  so  eingerichtet  sein,  dass  ein  2—3  Die  Erhöhung  der  Kosten  für  eine  einigermaassen 
Minuten-Verkehr  m jeder  Richtung  möglich  ist  mit  Zügen  ästhetisch  befriedigende  Lösung  der  Gesummt  Erscheinung 
aus  anfangs  3,  später  6 Wagen,  die  je  50  Plätze  fassen,  des  Schwebebahn-Viaduktes  wird  man  allerdings  nicht  zu 
Die  grösste  Geschwindigkeit  ist  zu  50k»  in  der  Stunde  gering  anschlagen  dürfen,  da  sich  in  Elberfeld  die  Be- 
angenommen,also  die  mittlereReisegeschwindigkeiteinschl.  Strebungen  nach  dieser  Richtung  auf  einige  schwache  Ver- 
des  Aufenthaltes  auf  den  Stationen  zu  30*^®.  suche  beschränken  und  da  die  Leistungen  auf  der  west- 

Bezüglich  der  Kosten  der  Anlage  nimmt  der  Entwurf  liehen  Strecke  der  Hochbahn  von  Siemens  & Halske  jeden- 
an,  dass  dieselben  mit  Rücksicht  auf  die  mehr  nach  ästhe-  falls  die  Wirkung  haben  dürften,  dass  man  die  Ansprüche 
tischen  Rücksichten  auszugestaltende  Konstruktion,  die  jetzt  wohl  höher  stellen  wird,  als  man  das  früher  vielleicht 
grösseren  Kosten  der  Umänderungen  an  den  Strassen  und  zu  thun  geneigt  war,  selbst  in  Stadtgegenden  unterord- 
die  reichlicher  zu  beschaffenden  Betriebsmittel  die  Bau-  neter  Bedeutung. 

kosten  der  Anlage  in  Elberfeld,  die  sich  auf  rd.  i Mül.  M.  Die  Frage  einer  weiteren  durchgreifenden  Verbesse- 
für  gestellt  haben,  allerdings  überschreiten,  ,aber  rung  unseres  grosstädtischen  Verkehres  steht  also  wieder- 
wesentlich  unter  den  Kosten  einer  anderen,  einen  be-  um  im  Vordergründe  des  öffentlichen  Interesses.  Möge 
pnderen  Bahnkörper  besitzenden  und  gleich  leistungs-  sie  in  einer  der  Allgemeinheit  nützlichen  Weise  gelöst 
fähigen  Schnellbahn  bleiben“  würden.  werden.  — 


Hauptfassade  an  der  Alster.  Nebenfassade  an  der  Ferdinand-Strasse. 

Neubau  Dr.  Albrecht  in  Hamburg,  Alsterdamm.  Architekt:  Reg.-Bmstr.  A.  Erbe  in  Hamburg. 


Mittheilungen  aus  Vereiaen. 

Arch.»  und  Ing.-Vereln  zu  Hamburg.  Ausserordentliche 
Vers,  am  II.  Juli  1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anwes. 
20  Personen. 

Der  Vorsitzende  gedenkt  zunächst  des  Hinscheidens 
zweier  Vereins-Mitglieder,  des  Buchhändlers  Otto  Meissner 
am  4.  Juni  und  unseres  Ehrenmitgliedes,  des  Bauinsp.  a.  D. 
L.  C.  Bargum  am  3.  Juli.  Bei  des  letzteren  Beisetzung  in 
Kiel  (vergl.  Nachruf  in  No.  60  d.  Dtschn.  Bztg.  v.  26.  Juli) 
war  der  Verein  durch  seinen  2.  Vorsitzenden,  Hrn.  Bauinsp. 
Classen,  vertreten,  welcher  einen  Kranz  auf  den  Sarg 
unseres  durch  seine  langbewährte  Vereinstreue  hochge- 
schätzten Ehrenmitgliedes  niederlegte. 

Unter  den  geschäftlichen  Mittheilungen  ist  hervorzu- 
heben, dass  der  Hamburger  Kunstverein  mit  der  im  näch- 
sten Frühjahre  bevorstehenden  alljährlichen  Kunstaus- 
stellung eine  Architektur- Ausstellung  zu  verbinden  wünscht 
und  den  Arch.- u.  Ing.- Verein  ersudit  hat,  die  Einrichtung 


dieser  Ausstellung  in  die  Hand  zu  nehmen.  Dieser  Schritt 
ist  in  doppeltem  Sinne  zu  begrüssen,  einmal  wegen  der 
auch  in  anderen  Städten  hervorgetretenen  wachsenden 
Werthschätzung  der  Architektur  als  Bestandtheil  von  Aus- 
stellungen der  bildenden  Künste,  und  zweitens  wegen  der 
Heranziehung  des  Arch.-  u.  Ing. -Vereins  als  der  geeigneten 
Instanz  von  Sachverständigen,  um  diesen  Theil  einer  solchen 
Ausstellung  in  die  Wege  zu  leiten. 

Sodann  wird  in  die  eigentliche  Tagesordnung  der 
ausserordentlichen  Sitzung  eingetreten:  Die  Entscheidung 
in  dem  Vereins-Wettbewerbe  zu  Fassaden-Ent- 
würfen  für  Hrn.  Dr.  M.  Albrecht.  Es  ist  als  ein  er- 
freuliches Zeichen  der  Anerkennung  unseres  Vereines  in 
der  Oeffentlichkeit  anzusehen,  dass  sich  in  wiederholten 
Fällen  ein  Bauherr  zur  Erlangung  von  Entwürfen  an  den 
Verein  mit  dem  Ersuchen  gewandt  hat,  unter  seinen  Mit- 
gliedern einen  Wettbewerb  zu  veranstalten.  Das  letzte 
Mal  war  dies  im  vorigen  Jahre  für  eine  Villa  des  Hrn. 
Siemers  an  der  Elbe  geschehen  (vgl.  No.  73  d,  Dtschn. 

No.  89, 


570 


Bzig.  V.  II.  Sept.  1901).  Itn  vorliegenden  Falle  handelte 
es  sich  abermals  um  eine  reizvolle  Aufgabe,  den  Entwurf 
der  Hauptfassade  für  ein  grösseres  Geschäftshaus 
in  hervorragender  Lage  an  der  Alster  nebst  einer  Neben- 
fassade an  der  Rückseite  des  bis  zur  Ferdinand-Strasse 
durchlaufenden  Grundstückes.  Die  Anziehungskraft  der 
Aufgabe  war  noch  erhöht  durch  die  für  Preise  zur  Ver- 
fügung gestellte  ansehnliche  Summe  von  5000  M. 

Hr.  Viol  erstattete  den  Bericht  des  Preisgerichtes  an 
Hand  eines  schriftlichen  Gutachtens  und  gab  dabei  zu- 
nächst seiner  Freude  Ausdruck  über  die  ausserordentlich 
reichhaltigen  schönen  Leistungen,  welche  in  den  einge- 
laufenen, im  Saale  ausgestellten  29  Entwürfen  zur  Be- 
urtheilung  Vorgelegen  hatten.  Bemerkenswerth  war  in- 
dessen, dass  etwa  die  Hälfte  der  Entwürfe  den  baupoli- 
zeilichen An- 
forderungen 
nicht  entspro- 
chenhatten.— 

Der  Wettbe- 
werbhattefol- 
gendes  Ergeh- 
niss.  Es  er- 
hielten; den  I. 

Preis  von  1500 
M.  Hr.  Reg.- 
Bmstr.  Erbe 
(Kennzeichen 
„Schwarzes 
Wappen");  je 
einen  II.  Preis 
von  1000  M. 

Hr.  Walt.  Mar- 
tens (Kenn- 
wort ,Soblau‘) 
und  Hr.  H. 

Wurzbach 
(Kennw.  „Ba- 
ku"); je  einen 
III.  Preis  von 
.Soo  M.  Hr. 

E.  Rentsch 
(Kennwort 
„Barock“),  die 
Hrn.  Raabe 
&Wöhlecke 
(Kennw.  „Gut 
Deutsch“), und 
Hr.GeorgRa- 
del  (Kennw. 

„Gera").  Der 
Vorsitzende) 
spricht]  den 
Siegern  die 
Glückwünsche 
des  Vereins 
aus, besonders 
Hrn.  Erbe, 
welcher  sich 
als  das  jüngst 
aufgenomme- 
neMitgliedmit 
einemsoscbö- 
nenErfolgeim 
Verein  einge- 
führt habe, und 
dankt  dem 
Wettbewerbs- 
Ausschüsse 
unddemPreis- 
gerichtfürihre 
Bemühungen. 

Mo. 


Die  königl.  akadem.  Hochschule  für  Musik  in  Charlottenburg. 

Architekten:  Kayser  & v.  Groszheim,  kgl.  Brthe.  in  Berlin.  (Photogr.  Aula,  von  H.  Uchte,  Berlin.) 


Todtenschau. 

Eugen  Muentz  t-  In  Paris  ist  am  30.  Okt.  der  Kunst- 
historiker und  Professor  an  der  Ecole  des  Beaux-Arts  Eugen 
Muentz,  ein  Elsässer,  im  Alter  von  57  Jahren  gestorben.  Der 
Verstorbene  hatte  als  Lebensaufgabe  die  Geschichtsschrei- 
bung der  Kunst  der  Renaissance  gewählt  und  stand  unter 
den  Kunsthistorikern  in  Frankreich  mit  an  erster  Stelle, 
sodass  sein  Heimgang  als  ein  empfindlicher  Verlust  für 
die  französische  Kunstwissenschaft  betrachtet  werden  muss. 
Er  schrieb  ein  1881  erschienenes  preisgekröntes  Werk  über 
Raphael,  welchem  er  als  ein  Bändchen  der  Biblioth^que 
internationale  de  l'art“,  eine  Studie  „Les  historiens  et  les 
critiques  de  Raphaöl“,  folgen  liess.  Seine  erste  grössere  Ver- 
öffentlichung über  die  Zeit  der  Renaissance  war  das  drei- 
bändige Werk  „Les  arts  ä la  cour  des  Papes  pendant  le  XV. 
et  le  XVI,  siöcle“.  Ihm  folgten  „La  Renaissance  en  Italie  et 


en  France  ä l’öpoque  de  Charles  VIII  ",  „Histoire  de  l’artpen- 
dantlaRenaissance“und„Lesprecurseursde  laRenaissance". 
Von  den  übrigen  Büchern  Muentz’  seien  noch  genannt: 
„Histoire  genörale  de  la  lapisserie",  „Etudes  sur  l’histoire 
des  arts  ä Rome  pendant  le  moyen-äge;  Boniface  VIII. 
et  Giotto“,  „La  biSliothöque  du  Vatican  au  XV.  sifecle" 
und  „Les  antiquitös  de  la  ville  de  Rome  au  XIV.,  XV.  et 
XVI.  sifecles.“  Wie  man  sieht,  war  der  Verstorbene  ziem- 
lich fruchtbar;  seine  Arbeiten,  auf  der  Höhe  des  französi- 
schen Buchwesens  stehend,  haben  sich  auch  über  die  Gren- 
zen Frankreichs  hinaus  zahlreiche  Freunde  erworben.  

Preisbewerbungen. 

Der  Internationale  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  die 
Kathedrale  des  Apostels  Andreas  In  Patras  in  Griechenland 

ist  einer  grös- 
seren Aufga- 
be gewidmet, 
denn  es  han- 
delt sich  um 
ein  Gottes- 
haus , in  wel- 
chem^oooPer- 
sonen  dem 
Gottesdienste 
anwohnen 
können,  nicht 
gerechnet  die 
Besucher, wel- 
cheimFranen- 
raum  oder  in 
anderen  Thei- 
len  der  Kirche 
dem  Kultus 
anzuwohnen 
wünschen.Der 
Bauplatz  liegt 
unmittelbar 
am  Meere,  was 
die  Aufgabe 
besonders  an- 
ziehendmacht. 
DerStil  ist  frei- 
gegeben; das 
Programm  for- 
dert für  die 
Ausbildung 
lediglich  einen 
guten  Ge- 
schmack. Die 
Bausumme 
darf  den  Be- 
trag vonaMill. 
Drachmen  (i 
Drachme  ~ 
0,81  M.)  nicht 
überschreiten. 
Der  Wettbe- 
werb ist  ein 
doppelter;  für 
den  ersten 
Gangjdenman 
als  Skizzen- 
Wetibewerb 
bezeichnen 
könnte , sind 
die  Zeichnun- 
gen in  be- 
schränktem 
Umfange  und 
in  1 : 200  ver- 
langt; dem 

zweiten  Wettbewerb  unter  den  Auserwählten  des  ersten 
ist  eine  umfangreichere  Arbeitsleistung  zugedacht,  da  nicht 
nur  alle  Ansichten,  Schnitte  usw.  i : 100  verlangt  werden 
sondern  selbst  Theüansichten  i : 10,  Angabe  der  Heizung 
und  Lüftung  usw.  vorgeschrieben  sind.  Und  das  alles,  d.  h. 
beide  Wettbewerbe,  für  3 Preise  von  nur  10000,  4000  und 
2000  Frcs.  und  ohne  irgend  eine  Angabe  über  die  Aus- 
führung. Die  Arbeiten  des  zweiten  Wettbewerbes  sind 
5 Monate  nach  Entscheidung  des  ersten  Wettbewerbes 
einzuliefem.  Die  des  ersten  Wettbewerbes  werden  von 
einem  Preisgerichte  (international?)  beurtheüt,  welches 
nach  dem  Einsendungstermin  gewählt  wird,  während  die 
Arbeiten  des  zweiten  Wettbewerbes  in  eine  nicht  genannte 
europäische  Hauptstadt  gesendet  werden,  um  hier  durch 
die  Akademie  der  Künste  dieser  Hauptstadt  beurtheüt  zu 
werden.  Man  hat  es  nach  alledem  bei  diesem  Wettbewerb 
offenbar  mit  dem  besten  Willen  zu  thun ; die  Bedingungen 


5.  November  1902. 


571 


aber  weichen  so  sehr  von  dem  ab,  was  in  westeuropäischen 
Ländern  (Deutschland,  Frankreich,  Oesterreich)  sich  als 
feststehender  Brauch  herausgebildet  hat,  dass  wir  dem 
Wunsche  Ausdruck  geben,  es  möge  Jemand  die  Kom- 
mission für  die  Errichtung  der  Kirche  in  Patras,  an  ihrer 
Spitze  Erzbischof  Jerotheos,  über  die  abweichenden  Um- 
stände aufklären.  Denn  die  Aufgabe  an  sich  verdient 
durchaus  die  Beachtung  der  Fachgenossen.  — 

Einen  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  die  Umgestaltung 
des  Inneren  der  Annenkirche  in  Dresden,  auf  Architekten 
der  Kreishauptmannschaft  Dresden  beschränkt,  erlässt  der 
Kirchengemeinderath  zum  31.  März  1903.  Es  gelangen  3 
Preise  von  2000, 1000  und  600  M.  zur  Vertheüung;  ein  An- 
kauf nicht  preisgekrönter  Entwürfe  für  je  400  M.  ist  Vorbe- 
halten. Im  Preisgerichte  bilden  die  Architekten  die  Mehr- 
zahl; ihm  gehören  an  die  Hrn.  Hofbrth.  Frölich,  Post- 
brth.  Zopff,  Arch.  Wohlfarth  und  Arch.  Hauschild.  — ■ 
Wettbewerb  betr.  Fassaden  der  Landesversicherungs- 
anstalt für  Westpreussen  in  Danzig.  Den  I.  Preis  erhielt 
Hr.  W.  Hempel  in  Gr.  Zschocher  bei  Leipzig,  den  II.  Preis 
Hr.  Max  Anders  in  Bielefeld,  den  III.  Preis  Hr.  Fritz 
Kritzler  in  Friedenau.  Die  Entwürfe  der  Hrn.  Druxes 
in  Danzig  und  Blaue  in  Karlsruhe  wurden  zum  Ankauf 
empfohlen.  — 


Bücüerschau. 

Leitfaden  der  Hygieine  für  Techniker,  Verwaltungs-Beamte 
und  Studirende  dieser  Fächer  von  H.  Chr.  Nuss- 
baum. München  und  Berlin  1902.  R.  Oldenbourg. 
601  S,  in  Oktav  mit  no  Abb.  Preis  16  M.  geb, 

Das  Buch  behandelt  in  den  ersten  9 Abschnitten  (128  S.) 
gewissermaassen  einleitend  die  Luft  in  ihrer  Beschaffen- 
heit und  in  ihren  für  die  Gesundheit  nothwendigen  Eigen- 
schaften bezüglich  ihrer  Zusammensetzung,  ihres  Gas-  und 
Staubgehaltes  und  ihrer  Temperatur;  die  daraus  abzu- 
leitenden Grundsätze  für  rationelle  Vorkehrungen  zur 
Lufterneuerung,  zur  Heizung  und  Kleidung.  Ferner  das 
Licht,  auftretend  in  Tages-  und  künstlicher  Beleuchtung; 
den  Boden  und  das  Verhalten  der  Luft  und  der  Feuchtig- 
keit sowie  die  Zersetzungs-Vorgänge  in  demselben. 

Der  X.  Abschnitt  (103  S.)  ist  dem  Städtebau,  die  Ab- 
schnitte XI  bis  XV  (128  S.)  sind  dem  Wohnhause,  der 
Schule,  dem  Krankenhause,  der  Kaserne  und  dem  Ge- 
fängnisse gewidmet,  der  XVI.  Abschnitt  befasst  sich  mit 
dem  Wasser  und  der  Wasserversorgung,  der  XVII.  mit 
der  Beseitigung  der  Abwässer  und  Abfallstoffe,  der  XVIII. 
mit  der  Leichenbestattung,  der  XIX.  mit  der  Gewerbe- 
Thätigkeit  (Unfallverhütung,  Sorge  für  die  weiblichen  und 
jugendlichen  Arbeiter,  Belästigungen  durch  Gewerbe-Be- 
triebe, Wohlfahrts-Einrichtungen  usw.).  Der  XX.  Abschnitt 
gewährt  einen  kurzen  Einblick  in  die  Bakteriologie,  und 
derXXI.giebt  kurze  Lehren  über  zweckmässige  Ernährung. 

Es  handelt  sich  nicht  um  ein  Lehrbuch  mit  Anleitung 
zu  wissenschaftlichen  Untersuchungen  für  Fach- Hygieiniker, 
sondern  vorwiegend  um  eine  Darlegung  der  besonders  für 
die  Bautechnik  wichtigen  Errungenschaften  der  noch  jungen 
mit  der  Gesundheitspflege  sich  beschäftigendenWissenschaft. 

Als  besonderes  Verdienst  der  Arbeit,  die  in  allen 
Theilen  das  Gepräge  einer  selbständigen  Durchdringung 
des  Stoffes  an  sich  trägt,  mag  hervorgehoben  werden,  dass 
der  Verfasser  die  Rücksichten  auf  die  Volkswirthschaft  als 
unzertrennlich  von  denen  auf  die  Gesundheit  behandelt, 
und  dass  er  durch  zahlreiche  Illustrationen  auch  die  An- 
wendung der  Lehren  anschaulich  gemacht  hat.  Demgegen- 
über lässt  das  Buch  eine  reichhaltigere  Litteratur-Angabe 
vermissen,  ein  Mangel,  der  besonders  von  den  Lesern 
empfunden  werden  dürfte,  denen  es  um  die  wissenschaft- 
liche Vertiefung  auf  dem  einen  oder  anderen  Gebiete  zu 
thun  sein  sollte. 

Das  Interesse  für  die  Gesundheitslehre  und  Gesund- 
heitspflege ist  in  der  Neuzeit  allgemein  so  lebendig  ge- 
worden und  hat,  namentlich  im  Grosstadtleben,  soviel 
Nahrung  gefunden  und  der  Industrie  soviel  Nahrung  ge- 
geben, dass  ihre  meisten  wichtigen  Erkenntnisse  bereits  zum 
Gemeingut  geworden  sind.  Ein  tieferer  Blick  in  das  Leben 
und  eine  ernste  Prüfung  der  technischen  Ausführungen  alles 
dessen,  was  in  unserer  Umgebung  auf  die  Gesundheit  und 
das  Wohlbefinden  von  Einfluss  ist,  belehrt  jedoch  darüber, 
dass  die  im  Publikum  verbreiteten  hygieinischen  Kennt- 
nisse noch  recht  oberflächlich  sind  und  sich  noch  gar 
wenig  in  die  Praxis  übersetzt  haben.  Umso  verdienst- 
licher erscheint  das  Nussbaum’sche  Werk,  als  es  zum 
ersten  Male  in  übersichtlicher  Weise  zusammenfasst,  was 
Jedermann,  und  namentlich  dem  Bautechniker  auf  diesem 
Gebiete  zu  wissen  noththut. 

Es  ist  eine  grosse  Lücke  in  der  technischen  Fach- 
litteratur,  die  der  Verfasser  mit  seinem  Werke  auszufüllen 
unternommen  hat,  und  es  ist  ihm,  als  zugleich  technischem 


Fachmann,  dies  in  vortrefflicher  Weise  gelungen,  wenn 
auch  über  einzelne  Punkte  die  wissenschaftliche  Forschung 
noch  nicht  zu  abschliessenden  Ergebnissen  gelangt  ist. 

Sehr  viele  werthvolle,  auch  neue  Darlegungen  und 
Anregungen  enthalten  die  Kapitel  über  den  Städtebau  und 
das  Wohnhaus,  welche  mit  besonderer  Liebe  und  Aus- 
führlichkeit behandelt  sind,  und  es  setzt  den  Werth  des 
Ganzen  nicht  herab,  wenn  auch  einzelne  Vorschläge  darin 
enthalten  sind,  deren  Stichhaltigkeit  erst  erprobt  werden 
will.  Der  Gedanke  z.  B.,  schmale  Vorgärten  in  beschei- 
denen Wohnbezirken  zu  offenen  Parkstreifen  zu  machen 
und  in  die  Strasse  und  die  öffentliche  Pflege  niit  einzu- 
beziehen, wird  sich  wohl  nur  selten  als  ausführbar  er- 
weisen. Dagegen  dürfen  die  für  die  Gestaltung  der  Bau- 
blöcke und  die  sonstigen  in  Rücksicht  auf  die  Ausnutzungs- 
möglichkeit der  Grundstücke  und  auf  das  wirthschaftliche 
Können  der  Bevölkerungsgruppen,  ferner  die  bezüglich 
der  offenen  und  geschlossenen  Bauweise  aufgestellten 
Grundsätze  als  grundlegend  bezeichnet  werden. 

Bei  aller  gesonderten  Rücksichtnahme  auf  die  Quali- 
täten der  Liegenschaften,  auf  die  verschiedenen  Wohn- 
weisen  und  Benutzungsarten,  die  durch  abgestufte  Bau- 
ordnungen zur  Geltung  gebracht  werden  sollen,  warnt 
Verfasser  mit  Recht  doch  vor  jedem  Schematismus  und 
vor  Festlegungen,  die  für  eine  naturgemässe  Entwicklung 
der  Städte  hemmend  werden  könnten,  und  legt  den 
grössten  Werth  darauf,  dass  schon  allein  die  Bebauungs- 
pläne so  behandelt  werden,  dass  die  zu  erstrebende  zweck- 
mässige Art  der  Bebauung  durch  sie  eingeleitet  und  ge- 
wissermaassen naturnothwendig  wird.  Dies  gilt  nament- 
lich von  der  Bemessung  derStrassenbreiten  und  Baublock- 
tiefen und  der  gesetzlichen  Beschränkung  der  Gebäude- 
höhen, wobei  — unter  weitgehender  Rücksichtnahme  auf 
die  klimatischen  Verhältnisse  — die  zu  ziehenden  Gren- 
zen nicht  durch  absolute  'Maasszahlen,  sondern  durch  zu 
einander  in  Beziehung  gebrachte  Maassverhältnisse  ge- 
regelt werden  sollen. 

Als  besonders  lehrreich  mögen  noch  die  Abhandlungen 
über  Wärmewirthschaft,  über  die  Konstruktion  der  Wände 
und  Decken  zum  Schutz  gegen  Feuchtigkeit  und  Schall- 
durchlässigkeit, sowie  auch  viele  vomVerfasser  empfohlene 
Maassnahmen,  die  dem  Behagen  und  der  Schonung  des 
Nervensystems  dienen  sollen,  hervorgehoben  werden. 

So  verdient  das  Werk  als  zuverlässiger  Führer  em- 
pfohlen zu  werden.  Die  klare  und  leicht  fassliche  Aus- 
drucksweise, die  übersichlliche  Gliederung  des  Stoffes  und 
die  würdige  Ausstattung  erleichtern  das  Studium  des  Buches 
und  machen  es  auch  zum  Nachschlagen  vortrefflich  ge-, 
eignet.  — K.  Henrici. 

Personal-Nachrichten. 

Bayern.  Dem  Gen.-Dir.  der  Staatseisenb.  v.  Ebermayer 
ist  die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zum  Tragen  des  ihm  verlieh. 
Grossoffizierkreuzes  des  belg.  Leopold-Ordens  ertheilt. 

Braunschweig.  Die  Strassen-  und  Wasser-Bauinsp.  Seesen 
ist  nach  Gandersheim  verlegt.  Der  tit.  Kr.-Bauinsp,  Kunz  ist  z. 
Kr.-Bauinsp.,  anstelle  des  verstorbenen  Brth.  Müller,  in  Gandersheim 
ernannt.  — Der  Reg.-Bmstr.  Gl  eye  in  Wolfenbüttel  ist  nach 
Braunschweig  versetzt  und  dem  techn.  Sekret,  des  Reg.-  u.  Brth. 
Brinckmann  zugetheilt;  der  Reg.-Bmstr.  Nagel  in  Seesen  ist 
nach  Wolfenbüttel  versetzt. 

Preussen.  Dem  Wasser-Bauinsp.  Brth.  R o e d e r in  Diez  a.  L., 
den  Wasser-Bauinsp.  B e r g i u s und  H a g e n in  Berlin,  dem  Landes- 
bauinsp.  Brth.  Wohlfarth  in  Hanau,  dem  Reg.-Bmstr.  T o d s e n 
in  Berlin,  dem  grossherz.  hess.  Brth.  und  Beigeordneten  Ku h n in 
Mainz  und  dem  Dir.  Muchall  in  Wiesbaden  ist  der  Rothe  Adler- 
Orden  IV.  Kl. ; dem  Reg.-  u.  Geh.  Brth.  Prof.  Krüger  in  Potsdam 
und  dem  Arch.  Hofrath  Frühling  in  Hannover  ist  der  kgl. 
Kronen-Orden  III.  IQ.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Anlegung  der  ihnen  verlieh,  fremdländ. 
Orden  ist  ertheilt  und  zwar;  dem  Hofbrth.  Heim  in  Berlin  des 
Offizierkreuzes  des  kgl.  Italien.  St.  Mauritius-  und  Lazarus-Ordens^ 
dem  Arch.  Grosser  in  Breslau  des  kais.  russ.  St.  Stanislaus- 
Ordens  III.  Kl.,  dem  Arch.  Möhring  in  Berlin  des  Ritterkreuzes 
des  franz.  Ordens  der  Ehrenlegion  u.  dem  Holbauinsp.  V olkweiii 
in  Sigmaringen  des  Ordens  der  rumän.  Krone. 

Versetzt  sind : Der  Reg.-  u.  Brth.  Traeger  in  Wittenberge  als 
Mitgl.  (auftrw.)  an  die  kgl.  Eisenb.-Dir.  in  Posen,  der  Eisenb.-Dir. 
Uhlmann  in  Berlin  nach  Breslau  als  Vorst,  einer  Werkst.- Insp. 
bei  der  Hauptwerkst,  i das.,  die  Eisenb.-Bauinsp.  Wüst  n ei 
in  Posen  nach  Wittenberge  als  Vorst,  einer  Werkstätten-Insp. 
Schittke  in  Salbke  als  Vorst  einer  Werkst.-Insp.  nach  Posen, 
Oppermann  in  Magdeburg,  als  Vorst,  (auftrw.)  der  Werkst.- 
Insp.  nach  Salbke  und  Schramke  in  Mainz  nach  Berlin  als  V oi'St. 
(auftrw.)  einer  Werkst.-Insp.  bei  der  Hauptwerkst.  2 das.,  der 
ELsenb.-Bau-  u.  Betr.-Insp.  Rob.  Müller  in  Elberfeld  zur  kgl. 
Eisenb.-Dir.  in  Stettin. 


Inhalt:  Die  Neubauten  der  königlichen  akademischen  Hochschulen 
für  die  bildenden  Künste  und  für  Musik  in  Charlottenburg.  — Ein  neues 
Schwebebahn-Projekt  für  Berlin.  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  Todten- 
schau.  — PreisbewerbuDgea.  — Bücherschau.  — Personal-Nachrichten. 


Verlag'  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
veraatwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  .Greve,  Berlin. 

No.  ,89. 


572 


EUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
HcBERLIN  ^ 
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AUZEITUNG. 

GANG.  ♦ * N2:  go.  * 
DEN  8.  NOV.  1902.  * 


Die  Aula  der  kgl.  akadeni.  Hochscisule  für  die  bildenden  Künste. 

Die  Neubauten  der  königlichen  akademischen  Hochschulen  für  die  bildenden 
Künste  und  für  Musik  in  Charlottenburg.  Architekten:  Kayser  & von  Groszheim  in  Berlin. 

(Schlags.)  Hierzu  die  Abbildungen  ln  No.  89  und  91. 


as  Gebäude  für  die  akademische  Hochschule 
für  die  bildenden  Künste  gliedert  sich 
nach  den  Grundrissen  S.  576  und  577  in 
mehrere  Raumgruppen,  deren  Lage  durch 
die  für  sie  bedingten  Lichtverhältnisse  ge- 
geben war.  Der  nach  Süden,  an  der  Hardenberg- 
Strasse,  gelegene  Gebäudetheil  enthält  im  Unterge- 
schoss, beinahe  zu  ebener  Erde,  rechts  und  links 
von  der  Eintrittshalle  Diener-,  Kastellan-,  Pförtner- 
und  Inspektor-Wohnungen;  zur  Linken,  in  einem  be- 
sonderen Flügel  einen  Erfrischungsraum,  im  ent- 
sprechenden Flügel  rechts  den  Abend -Aktsaal  mit 
Nebenräumen,  und  in  einer  hinteren  Raumflucht  mit 
davor  gelegenen  schmalen  Höfen  geräumige  Kostüm- 
kammern,  Packräume,  eine  Werkstatt  und  eine  Kleider- 
ablage mit  Fahrradraum.  Zwei  weitere  Dienerwoh- 
nungen sind  an  passenden  Stellen  in  diesem  Theile 
des  Gebäudes  angelegt.  Die  Eintrittshalle  und  die 
grosse  Wandelhalle  liegen  auf  der  Höhe  des  Unter- 
oder Sockel-Geschosses.  Nördlich  und  südlich  der 
grossen  Halle  führen  einarmige  Treppenläufe  zur 
Höhe  des  Erdgeschosses,  welches  zur  Rechten  an 
der  Hardenberg-Strasse  die  Wohnung  des  Inspektors 
und  die  Kasse,  an  einem  inneren  Hofe  die  Direktorial- 
räume, fernerhin  einen  weiteren  Aktsaal  mit  Neben- 
räumen , auf  der  entsprechenden  Stelle  der  linken 
Seite  einen  Hörsaal  für  Kunstgeschichte  und  Kostüm- 
kunde, im  übrigen  die  bis  ins  Untergeschoss  reichende 
Bücherei  mit  Lesezimmer  für  Lehrer  und  Schüler  ent- 
hält. Die  nördliche  Flucht  dieses  Gebäudetheiles  ist 
den  Ateliers  für  die  Meisterschüler,  einem  Atelier  für 
denDirektorial-Assistenten  und  Räumen  für  dieZeichen- 
klasse  eingeräumt.  Die  Abmessung  dieser  Räume  ist 
eine  sehr  stattliche,  sie  beträgt  rd.  9 auf  10™.  Die 


Nordwand  der  Räume  ist  völlig  in  Fensterflächen 
aufgelöst.  Im  Zuge  der  Hauptaxe  liegt,  gegen  das 
Untergeschoss  noch  um  einige  Stufen  vertieft,  im  übri- 
gen aber  in  das  Erdgeschoss  reichend,  der  Antiken- 
saal mit  den  stattlichen  Abmessungen  von  15:30“. 
Er  ist  frei  in  den  nahezu  quadratischen  grossen  Garten- 
hof hineingebaut,  welcher  rd.  76:77“  misst  und  um 
welchen  sich,  in  dem  östlichen-und  westlichen  Flügel 
zweigeschossig,  im  Querflügel  dreigeschossig,  die 
Atelier-  und  Unterrichtsräume  reihen.  Im  Hofe  be- 
findet sich  ein  gläsernes  Freilicht-Atelier  für  Thier- 
malerei. Die  Grösse  des  Hofes  nach  beiden  Richtun- 
gen ist  so  bemessen,  dass  störende  Reflexerscheinungen 
für  die  Ateliers  eine  Wirkung  nicht  ausüben  können. 
Da  nun  von  der  nördlich  gelegenen  Hofwand,  welche 
volles  Südlicht  erhält  und  dreigeschossig  ist,  Reflex- 
licht für  die  gegenüberliegenden  Ateliers  immerhin  be- 
fürchtet werden  konnte,  so  ist  hier  das  Auskunftsmittel 
gebraucht  worden,  die  verbindenden  Korridore  ein- 
mal auf  Bögen  mit  sehr  tiefen  Laibungen  zu  setzen, 
zum  anderen  sie  im  obersten  Geschoss  als  Holzarchi- 
tektur durchzubilden.  Dadurch  hat  dieser  Theil  des 
Hofes,  den  wir  in  der  Abb.  S.  577  darstellen,  ein  eigen- 
artiges und  malerisch  wirkendes,  an  dieHöfevon  Schloss- 
bauten der  deutschenVergangenheiterinnerndes  Moment 
erhalten,  das  zu  voller  Geltung  kommen  wird,  wenn  ein- 
mal die  Gartenanlagen  des  Hofes  im  Wachsthum  weiter 
vorgeschritten  sein  werden.  In  dem  denHof  umziehenden 
westlichen  Flügel  liegen  die  Klassen  für  anatomisches 
Zeichnen  und  fürThiermalerei,  im  östlichen  Flügel  Lehr- 
räume für  die  Technik  der  Malerei  und  die  Ornament- 
klasse. Die  Lichtverhältnisse  dieser  Räume  stehen  nicht 
in  dem  Maasse  unter  dem  unbedingten  Zwange  des  Nord- 
lichtes, wie  die  der  Meister-  und  Mcisterschüler-Ateliers. 


573 


Längsschnitt. 


In  dem  nördlich  gelegenen  Quer- 
flügel haben  im  Erdgeschoss  die, 
Bildhauer  ihre  Arbeitsstätte  ge- 
funden. Hier  sind  Schüler-  und 
einige  Meister- Ateliers,  sowie  ein 
Hörsaal  für  Chemie  mit  Labora- 
torium untergebracht.  In  einer  Ent- 
fernung von  17“  erhebt  sich  ein 
parallel 'laufender;  einstöckiger  Bau, 
welcher  weitere  Bildhauer -Ateliers 
für  Meister  und  Modellirklassen  für 
Schüler  enthält.  Er  ist  vom  Haupt- 
bau durch  einen  mittleren  Durch- 
gang.mit  überdecktem  Verbindungs- 
gang zugänglich.  In  die  nordwest- 
liche Ecke  der  Gebäudegruppe  ist 
das  Kesselhaus  mit  Maschinen-, 
Kohlen-  und  Akkumulatoren-Raum 
für  die  Heizung  und  Lüftung  der 
gewaltigen  Anlage,  sowie  für  ihre 
künstliche  Beleuchtung,  die  durch- 
weg die  elektrische  ist,  verlegt. 

Das  ersteObergeschoss  des  süd- 
lichen Gebäudetheües  ist  durch  zwei 
zweiarmige,  an  den  inneren  Höfen 
liegende  Treppenpaare  zugänglich. 
In  der  Hauptaxe,  beleuchtet  von 
den  Höfen,  liegt  die  Aula;  sie  ist 
mit  Abmessungen  von  etwa  13:22“ 
nicht  übermässig  gross,  dürfte  aber 
für  die  gewöhnlichen  festlichen  An- 
lässe der  Hochschule  genügen.  Um 
sie  reiht  sich,  mit  den  Fassaden  an 
der  Hardenberg-Strasse,  eine  Flucht 
stattlicher  Räume,  bestehend  aus 
einem  Berathungssaale  und  6 Aus- 
stellungsräumen, von  welchen  2, 
mit  doppelseitiger  Beleuchtung,  den 
mehr  quadratischen  Grundriss  der 
Eckräume,  die  übrigen  eine  lang- 
gezogene Grundrissfläche  erhalten 
haben.  Der  nach  Norden  gelegene 
Flügel  -dieses  Gebäudetheiles  .ist 
ganz  in  Lehrerateliers  aufgetheilt, 
in  der  Axe  liegt  als  geräumigstes 
Atelier  das  des  Direktors.  Ein- 
armige Treppenläufe  führen  in  die- 
sem Querflügel  zu  dem  zweiten 
Obergeschoss  , (die  doppelläufigen 
Treppenpaare  bleiben  liegen),  wel- 
ches mit  Ausnahme  der  Gallerie  der 
Aula  durchaus  Malzwecken  dient:  im 
südöstlichen  Theile  liegt  die  Raum- 
grupp.e  für  Landschafts-Malerei  mit 
Freilicht-Atelier,  im  südwestlichen 
Theile  die  Raumgruppe  für  Still- 
leben-Malerei gleichfalls  mit  Frei- 
licht-Atelier. Der  Quertrakt  enthält 
in  diesem  Geschoss  in  der  Haupt- 
axe ein  Atelier  zum  Malen  sehr 
grosser  Bilder,  z.  B.  für  Frescotech- 
nik,  welches  je  nach  Bedarf  ver- 
geben wird,  im  übrigen  Schüler- 
Ateliers  mit  Malklassen,  sowie  ein 
Lehrer- Atelier  für  Kupferstich.  Die 
Obergeschosse  der  westlichen  und 
östlichen  Verbindungsflügel  enthal- 
ten die  Architektur- Schule,  sowie 
weitere  Atelierräume.  Im  zweiten 
Obergeschoss  gegen  die  Harden- 
berg-Strasse sowie  in  den  Dach- 
räumen haben  eine  Reihe  von  Ein- 
richtungen Platz  gefunden,  welche 
den  Zweck  haben,  für  die  Schüler 
das  Malen  nach  der  Natur  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  zu  ersetzen. 
Hier  finden  sich  Nachahmungen 
alten  Gemäuers  und  alten  Fach- 
werkes, hier  sind  alte  Erkeraus- 

No.  90 


bauten  ausgekragt,  es  sind  ferner  eine  Reihe  von 
Bauernstuben  eingebaut,  es  sind  eine  Bauernküche  und 


eine  Kapelle  mit  altem  Altar  errichtet,  es  finden  sich 
aber  auch  salonartige  Räume  zum  Zwecke  des  Studiums 

8.  November  1902. 


des  Innenraumes  und  seiner  Licht-,  Formen-  und 
Farben-Verhältnisse.  Natürlich  ist  das  nicht  die  eigent- 
liche Natur,  aber 
immerhin  ein  für 
den  Anfang  und 
die  ersten  Versu- 
che brauchbares 
Abbild  derselben. 
Fehlt  auch  der 
Duft  des  Milieus, 
so  fehlt  doch  nicht 
ganz  der  Stim- 
mungs-Charakter. 

Soviel  über  die 
R aum  vertheil  un  g 
derHochschulefür 
diebildendenKün- 
ste.  In  der  Hoch- 
schule für  Musik 
liegen  die  Räume 
enger  bei  einan- 
der. Hier  wurden 
an  den  Scharfsinn 
und  die  glückliche 
Dispositionsgabe 
der  Architekten 
besonders  hohe 
Anforderungen 
gestellt;  in  diesem 
langgestreckten,in 
nur  geringem  Ab- 
stande von  der 
Hochschule  für  die 
bildenden  Künste 
sich  erhebenden 
Gebäude  tritt  der 
Kampf  mit  den 
spärlich  bemesse- 
nen Mitteln  recht 
eindringlich  zu- 
tage. Und  doch 
ist  es  gelungen, 
ein  Gebäude  zu 
schaffen,  welches 
nicht  nur  den  an 
dasselbe  gestellten 
praktischenBedin- 
gungen  in  vollem 
Maasse  genügt, 
sondern  bei  wel- 
chem auch  die  als 
Selbstzweck  auf- 
tretendeSchönheit 
der  architektoni- 
schen Gestaltung 
zu  ihrem  Rechte 
gekommenist.  Das 
Gebäude  zerfällt 
in  drei  ihrer  Be- 
stimmung nach 
völlig  verschie- 
dene Raumgrup- 
pen und  lässt  diese 
Dreitheiligkeit  im 
Aeusseren  auch 
deutlich  erkennen. 
Von  der  Harden- 
berg-Strasse aus 
durchschreitet  der 
Besucher  zunächst 
ein  geräumiges 
Vestibül  als  Vor- 
raum zu  dem  gros- 
sen Konzertsaal 
welcher  den  sym- 
phonischen Schü- 
ler - Aufführungen 
dient,  aber  auch  vermiethet  werden  kann.  Er  fasst 
1000  Besucher  und  600  Musiker.  Geräumige  Garderoben 


Arch.:  Kay; 


Hofansiclit. 


Sockelgeschoss 
der  Akademie  für 
die  bildenden 
Rflnste. 

1.  Eintrittshalle. 

а.  Grosse  Halle. 

3.  Abend-Aktsaal, 

4.  Höfe. 

5.  Er^iscbungs-Rauoi. 

б.  KoBtflm-Rammen). 

7.  Kleider-Ablage  und 
Fahrrad-Rau  tn. 

8.  Werkstatt. 

9.  Packrfiume. 

la  Diener- Wohnungen. 

II.  Bflcherei. 

la.  Kastelian-Wobnung. 

13.  Pförtner-Wohnung. 

14.  Inspektor-Wohnung. 


Die  kgl.  Hochschule  für  die  bildenden  Künste. 


Hochschule 
fflr  Musik. 

I.  VestibQl  u.  Vorraum. 

а.  Grosser  Konzertsaal. 

3.  Theater-SaaL 

4.  Höfe. 

5.  Vestibül  zumTbeater- 
Saal  und  den  oberen 
Geschossen. 

б.  VorraumznmTheater- 
SaaL 


Obergeschoss. 


Erdgeschoss. 


Die  könlgl.  akademischen  Hochschulen  tür  die  bildenden  Künste  und  für  Musik  ln  Charlottenburg. 

Architekten:  Kayser  & v.  Groszheim,  kgl.  Brthe.  in  Berlin. 


8.  November  190a. 


577 


schliessen  sich  an  das  Vestibül  an.  Von  der  Fasanen- 
Strasse  aus  ist  ein  Zugang  mit  besonderer  Treppe  für 
den  kaiserlichen  Hof  geschaffen,  der  zu  der  an  der  Kurz- 
seite gegenüber  dem  Orchester  im  Obergeschoss  gelege- 
nen Logenreihe  führt,  in  welcher  die  mittlere  Loge  dem 
Kaiserpaare  Vorbehalten  ist,  während  die  beiden  seit- 
lichen Logen  dem  Gefolge  eingeräumt  wurden.  An  dem 
entgegengesetzten  Ende  des  Gebäudes  liegt  die  Bühne 
mit  Theatersaal  für  etwa  800  Besucher  und  100  Musiker, 
dazu  bestimmt,  den  jungen  Orchester-Mitgliedern  wie  den 
angehenden  Sängern  und  Sängerinnen  die  allmähliche 
Gewöhnung  an  die  wirklichen  Theater-Verhältnisse  zu 
ermöglichen.  In  den  Obergeschossen  des  Mittelbaues 
befinden  sich,  mit  besonderem  Treppenhause  von  der 
Fasanen-Strasse  aus  zugänglich,  dieBibliothek  mit  Lese- 
zimmer, die  Lehrerzimmer  und  die  Lehr-  und  Uebungs- 
räume.  Der  Mittelbau  ist  dreigeschossig,  während  der 
Konzertsaal  und  der  Theaterflügel  zweigeschossig  sind. 
Mit  besonderer  Sorgfalt  sind  die  akustischen  Verhält- 
nisse behandelt;  der  Konzertsaal  bildet  in  der  Haupt- 
sache eine  innere,  mitschwingende,  als  Resonnanz- 
boden  wirkende  Haut  in  massiver  Umgebung;  ähnliche 
Verhältnisse  sind  beim  Theatersaal  zu  beobachten. 
Sind  hier  den  Ton  verstärkende  und  charakterisirende 
Mittel  angewendet,  so  sind  bei  den  Uebungsräumen 
Vorkehrungen  getroffen,  welche  dazu  bestimmt  sind, 
den  Ton  in  weitgehendem  Maasse  zu  dämpfen  und 
ihn  möglichst  wenig  auf  dieNachbarschaft  übergehen  zu 
lassen.  Wir  hoffen,  auf  die  Schilderung  der  im  Einzel- 
nen getroffenen  Vorkehrungen,  die  gerade  hier  beson- 
ders interessant  sind,  gelegentlich  noch  zurückkommen 
zu  können.  Erwähnt  sei  einstweilen  nur,  dass  bei 
den  Einweihungs-Feierlichkeiten  die  Akustik  vorzüglich 
befunden  wurde  und  dass  sich  die  hier  berührten  Vor- 
kehrungen auf  das  glänzendste  bewährt  haben.  Be: 
den  vielen  Möglichkeiten  des  Zufalles,  mit  welchen 
die  Baukunst  bei  der  Gestaltung  akustischer  Verhält- 
nisse immer  noch  rechnen  muss,  waren  die  hier  unter- 
nommenen konstruktiven  Anordnungen  immerhin  ein 
Wagniss,  aber  ein  Wagniss,  welches  von  dem  vollen 
Erfolge  begleitet  wurde. 

Was  den  Aufbau  der  Gebäudegruppe  anbelangt, 
so  war  für  denselben  die  Lage  der  Baugruppe  an  zwei 
vornehmen  Strassen,  sodann  aber  auch  der  Gesichts- 
punkt maassgebend,  die  Atelierbauten,  die  in  der  Aus- 
stattung lediglich  den  Charakter  von  Nutzbauten  er- 
halten konnten  und  somit  in  der  architektonischen 
Gestaltung  in  den  bescheidensten  Grenzen  gehalten 
werden  mussten,  j a welchen  nicht  einmal  durch  V or-  oder 
Rücksprünge  eine  gewisse  Gruppirung  gegeben  werden 
konnte,  da  jeder  grössere  Vorsprung  eine  schädliche 
Reflexwirkung  veranlasst  hätte,  nach  Möglichkeit  zu 
verdecken.  Das  wurde  erreicht  einerseits  bei  der 
Akademie  für  die  bildenden  Künste  durch  die  Vor- 
legung eines  Gebäudetheiles,  welcher  durch  die  An- 
lage von  grossen  Sälen  in  den  Obergeschossen  Ge- 
legenheit zu  einer  über  das  einfache  Bedürfniss  hin- 
ausgehenden architektonischen  Entfaltung  bot,  anderer- 
seits durch  die  Anlage  der  Hochschule  für  Musik  inform 
eines  langen  schmalenStreifens  und  dessen  Vorlagerung 
vor  die  Atelierbauten.  Auf  diesem  Wege  ist  für  die 
gewaltige  Gebäudegruppe  bis  zu  einem  weitgehenden 
Maasse  eine  monumentale  Wirkung  erreicht  worden 
— nicht  durchaus,  denn  die  Sparsamkeit  blickt  hier 
und  da  noch  durch  den  reichen  Mantel  monumentaler 
Steinarchitektur  durch.  Diese  konnte  nahezu  für  die 
ganzen  Fronten  der  beiden  Hochschulen  in  der 


Hardenberg-  und  in  der  Fasanen-Strasse  verwendet 
werden  und  dass  es  geschehen  konnte,  ist  das  Ver- 
dienst des  Hrn.  kgl.  Brth.  Adams,  des  umsichtigen 
geschäftlichen  und  technischen  Leiters  der  Akademie- 
bauten, dessen  Scharfsinn  es  gelang,  eine  Deckenkon- 
struktion für  weitgespannte  Räume  zu  erfinden,  durch 
welche  eine  Ersparniss  von  rd.  120000  M.  gemacht 
werden  konnte,  die  innerhalb  der  knapp  bemessenen 
Bausumme  nunmehr  zur  würdigeren  Ausstattung  des 
Aeusseren  verwendet  wurde.  Die  Stilfassung  des 
Aeusseren,  soweit  dasselbe  zur  Repräsentation  be- 
stimmt ist,  ist  ein  strengeres  Louis  XVI.,  mit  Elemen- 
ten der  Hochrenaissance  vermischt,  Die  Detaillirung 
des  schönen  Steinmaterials  ist  eine  edle  und  vornehme. 
Bei  den  Atelierbauten  herrscht  der  Putzbau  vor;  in 
der  Stilfassung  spielen  hier  romanische  Einflüsse  mit 
und  es  ist  versucht  worden,  der  Anlage  dieser  Bauten 
durch  zinnenartige  Aufbauten  eine  gewisse  malerische 
Lebhaftigkeit  zu  verleihen;  die  Wirkung  aber  ist  nicht 
von  dem  gleichen  Glück  begleitet,  wie  bei  den  übrigen 
Theilen  der  Bauten.  An  hervorragenden  Stellen  sind 
diese  mit  reicherem  plastischem  Schmucke  bedacht. 
Die  Hochschule  für  die  bildenden  Künste  hat  ein  figür- 
liches Giebelbild  mit  der.  Darstellung  der  Künste  unter 
dem  Schutz  des  Friedens  von  Prof.  Ludw.  Manzel, 
sowie  zwei  monumentale  Wandbrunnen,  das  Prome- 
theus-Motiv von  Prof.  E.  Hundrieser,  sowie  das 
Orpheus-Motiv  von  Prof.  E.  Herter  darstellend,  er- 
halten. Die  Hochschule  für  Musik  wird  am  Kopfbau 
an  der  Hardenbergstrasse  durch  ein  Giebelrelief  mit 
der  Darstellung  der  weltlichen  Musik  von  Prof.  E. 
Breuer,  am  Mittelbau  in  der  Fasanenstrasse  durch 
ein  Giebelrelief  mit  einer  Darstellung  von  Engeln  und 
Hirten  von  Prof.  Gerh.  Janensch  geziert. 

Eine  feine  künstlerische  Stimmung  zeigt  die  deko- 
rative Ausschmückung  des  Inneren  der  Gebäude,  soweit 
dasselbe  repräsentativen  Charakter  hat.  Hier  geht  der 
Stil  aus  dem  Louis  seize  vielfach  in  das  Empire  über 
und  beobachtet  eine  sehr  glückliche  vornehme  Zurück- 
haltung. Die  Gesammthaltung  ist  durchweg  licht,  das 
farbige  und  das  plastische  Ornament  sind  auf  das 
Nothwendigste  beschränkt  und  vielleicht  ist  es  ge- 
rade dieser  Beschränkung  zuzuschreiben,  dass  die 
Wirkung  eine  so  edle  und  feingestimmte  ist.  Ein  Bei- 
spiel für  die  Ausschmückung  des  Inneren  möge  die 
Ansicht  der  Aula,  die  leider  diesem  schönen  Raume 
nicht  ganz  gerecht  wird,  amKopfe  dieserNummer  geben. 

In  dem  Gesammturtheil  über  die  gewaltige  Bau- 
anlage spricht  naturgemäss  die  knappe  Bausumme  leb- 
haft mit  und  man  wird  das,  was  die  Architekten 
Kayser  & v.  Groszheim,  die  in  der  Errichtung  des 
Baues,  wenn  wir  so  sagen  dürfen,  ein  Jugendideal 
verwirklicht  sehen  — denn  sie  haben  sich  seit  früher 
Zeit  mehrfach  mit  der  Planung  eines  neuen  Aka- 
demiegebäudes für  Berlin  beschäftigt  — im  Verein 
mit  der  hervorragenden  Kraft  für  die  Konstruktion 
und  die  Verwaltung,  die  ihnen  in  Firn.  Brth.  Adams 
als  Mitwirkendem  gegeben  war,  geleistet  haben,  erst 
voll  würdigen,  wenn  man  erfährt,  dass  der  kubische 
Einheitspreis  für  das  Gebäude  bei  einer  Gesammt- 
summe  von  5 300  000  M.,  die  sich  auf  etwa  % auf  die 
Kunstakademie  und  V3  auf  die  Musikhochschule  ver- 
theilt, nur  17  M.  betragen  hat.  Trotz  dieser  geringen 
Summe  haben  die  bildende  Kunst  und  die  Musik  in 
Preussen  in  den  Berliner  Hochschulen  zwei  Lehrstätten 
erhalten,  welche  in  Anlage  und  Ausstattung  für  lange 
Zeit  vorbildlich  bleiben  dürften.  — — H.  — 


Neuregelung  des  kulturtechnischen  Dienstes  in  Bayern, 


er  kulturtechnische  Dienst  war  bisher  Sache  der 
Kreise  und  in  einigen  derselben  bezüglich  des  Hilfs- 
personales  (Wiesenbaumeister,  Vorarbeiter  u.  dergl.) 
Sache  der  landwirthschaftlichen  Kreisausschüsse.  Dieser 
Organisation  hafteten  wesentliche  Mängel  an;  eine  grosse 
Ungleichheit  der  Verhältnisse  der  Kulturingenieure  der 
einzelnen  Kreise  inbezug  auf  Gehalt,  Pension,  dienstliche 
Stellung  und  anderes,  wodurch  namentlich  der  Zugang 
junger,  befähigter  Kulturingenieure  ungünstig  beeinflusst 
wurde,  eine  nicht  genügend  einheitliche  Regelung  ihrer 

578 


Aufgaben,  der  Mangel  einer  technischen  Kontrolle  und 
Revision  der  Arbeit  der  Kulturingenieure,  eine  zu  geringe 
Anzahl  derselben  und  infolge  dessen  eine  grosse  Arbeits- 
überlastung der  kulturtechnischen  Bureaus,  sowie  schliess- 
lich eine  nicht  ganz  entsprechende  Vorbildung  der  Kultur- 
ingenieure, namentlich  in  praktischer  Hinsicht. 

Zur  Beseitigung  dieser  Mängel  wurde  eine  Neuregelung 
des  kulturtechnischen  Dienstes  angebahnt.  Nach  dieser 
Neuregelung  bleibt  zwar  der  äussere  Dienst  Sache  der 
Kreise,  welche  ihn  nach  einheitlichen  Grundsätzen  aus- 

N;o.  90. 


zubauen  haben,  der  Staat  leistet  aber  hierzu  erhebliche 
Zuschüsse.  Für  die  Besorgung  des  kulturtechnischen 
Dienstes  werden  zur  Verfügung  stehen:  im  k.  Staats- 
ministerium des  Inneren  iLandes-Kulturingenieur,  bei  jeder 
k.  Regierung,  Kammer  des  Inneren,  i Kreis-Kulturingenieur, 
und  die  entsprechende  Anzahl  von  Bezirks-Kulturinge- 
nieuren und  Assistenten  (zurzeit  19). 

Der  Landes  - Kulturingenieur,  sowie  die  Kreis-  und 
Bezirks  - Kulturingenieure  werden  mit  den  Rechten  der 
Staatsdiener  ernannt.  Die  Assistenten  werden  vom  k. 
Staatsministerium  des  Inneren  als  nichtpragmatische  Staats- 
beamte angestellt.  Der  Landes-Kulturingenieur  erhält  den 
Gehalt  und  Rang  eines  Regierungsrathes,  die  Kreis-Kultur- 
ingenieure denjenigen  der  Regierungs-Assessoren  und  die 
Bezirks-Kulturingenieure  den  der  Bezirksamts-Assessoren. 
Die  Assistenten  werden  den  Bauassistenten  gleichgestellt. 
Die  Bezüge  des  Landes-Kulturingenieurs  werden  aus  der 
Staatskasse,  die  der  Kreis-  und  ßezirks-Kulturingenieure 
sowie  der  Assistenten  aus  Kreisfonds  geschöpft. 

Der  Landes-Kulturingenieur  ist  dem  k.  Staats- 
ministerium des  Inneren  unterstellt.  Dem  Landes-Kultur- 
ingenieur obliegen:  die  Oberaufsicht  über  die  Thätigkelt 
des  gesummten  kulturtechnischen  Personals  in  technischer 
Beziehung,  die  Abgabe  von  Gutachten  in  kulturtechnischen 
Fragen  und  die  Mitwirkung  in  einschlägigen  Angelegen- 
heiten bei  der  k.  Landeskulturrenten-Kommission,  der  k. 
Flurbereinigungs-Kommission,  der  k.  Moorkulturanstalt  und 
der  Moorkuliur-Kommission.  Die  Zutheilung  weiterer  Auf- 
gaben, an  den  Landes-Kulturingenieur  ist  dem  k.  Staats- 
ministerium des  Inneren  anheimgegeben. 

Die  Kreiskultur-Ingenieure  sind  technische  Or- 
gane der  Kreisregierungen  und  werden  den  Kammern 
des  Inneren  zugetheilt.  Es  gelten  für  sie  die  für  die  Mit- 
glieder der  Regierungen  bestehenden  allgemeinen  Vor- 
schriften. Die  Bezirkskultur-Ingenieure  und  Assistenten 
sind  den  Regierungen,  Kammern  des  Inneren,  unterstellt. 

Den  Kreis-  und  Bezirkskultur  ■ Ingenieuren, 
sowie  den  Assistenten  obliegt  die  Förderung  des  land- 
wirthschaftlichen  Meliorationswesens,  insbesondere  die  An- 
regung, Ausarbeitung  und  Durchführung  von  Kulturpro- 
jekten und  die  Üeberwachung  der  Instandhaltung  ausge- 


Vermischtes. 

Eröffnung  des  neuen  Winterhafens  in  der  Freudenau 
bei  Wien.  Die  in  den  letzten  6 Jahren  im  wesentlichen 
durchgeführte  Umwandlung  des  Donau-Kanales  in  Wien 
in  einen  Handels-  und  Winterhafen  ist  durch  die  am 
28.  V.  M.  erfolgte  Eröffnung  des  grossen  Winterhafens  in 
der  Freudenau,  d.  h.  an  der  unteren  Einmündung  des 
Kanales  in  die  Donau,  ihrer  Vollendung  um  ein  bedeuten- 
des Stück  näher  gebracht.  Bietet  auch  der  oberhalb  des 
Kanales  in  der  Donau  angelegte  Kuchelauer  Hafen,  der 
den  von  oben  kommenden  Schiffen  als  Liege-  und  Warte- 
platz vor  der  Einfahrt  in  den  Kanal  dient,  für  einige  Schiffe 
im  Winter  Zuflucht  und  ist  auch  der  Donau-Kanal  selbst 
zu  diesem  Zwecke  mit  heranzuziehen,  so  reichen  diese 
Anlagen  für  den  Bedarf  der  187  langen  niederöster- 
reichischen  Stromstrecke,  die  ausserdem  nur  noch  einen 
kleinen  Hafen  in  Klosterneuburg  und  eine  längere  als 
Liegeplatz  dienende  Uferstrecke  bei  Fischamend  bei  der 
Einmündung  der  Fischa  in  die  Donau  besass,  nicht  für 
das  vorhandene  Bedürfniss  aus. 

Der  neue  Hafen  umfasst  eine  Fläche  von  140,8  da- 
von 43,5  i’a  Wasserfläche,  die  nach  Ausführung  von  Stich- 
becken auf  öoi'ä  gebracht  werden  kann,  ist  also  ein  sehr 
bedeutender  Binnenhafen.  (Als  Vergleich  sei  angeführt, 
dass  der  Duisburger  Hafen  42,511a  der  Ruhrorter  z.  Zt. 
51,3  lia  Wasserfläche  besitzt,  ohne  die  Erweiterung,  vergl. 
S.  236  dieses  Jahrganges. 

Der  Kanal  wird  durch  die  Donauländebahn,  welche 
ihn  überschreitet,  in  zwei  ungleiche  Theile  zerlegt,  den 
kleineren  äusseren  Vorhafen,  der  auch  als  Wendeplatz 
dient,  und  den  inneren  eigentlichen  Winterhafen,  der  be- 
quem 300  grossen  Frachtschiffen  und  80  Dampfern  Platz 
zum  Ueberwintern  gewährt.  Der  Hafen  hat  eine  Längen- 
ausdehnung von  etwa  4 eine  Breite  bis  zu  280  r»  und 
besitzt  eine  benutzbare  Uferlänge  von  rd.  Ein  10“ 

breiter  Damm  schützt  ihn  gegen  das  Donau-Hochwasser. 
Der  Hafen  steht  durch  die  Donauländebahn  mit  dem  Franz- 
joseph-Bahnhof und  mit  den  Bahnhöfen  der  Staatsbahn, 
Südbahn  und  Westbahn  in  Verbindung,  ausserdem  mit 
der  Stadt  durch  eine  breite  Zufahrtsstrasse.  Um  auch 
bei  verschiedenen  Wasserständen  einen  Güterumschlag  zu 
ermöglichen,  sind  doppelte  Kaianlagen  in  verschiedener 
Höhe,  durch  Rampen  mit  einander  verbunden,  hergestellt. 
Die  für  Wohngebäude,  Speicher,  Werkstättenanlagen  be- 
stimmten Hafenflächen  liegen  über  höchstem  Hochwasser. 
Die  Baggerarbeiten  waren  verhältnissmässig  nicht  so 

8.  November  1902. 


führter  Kultur-Unternehmen,  die  Mitwirkung  bei  der  tech- 
nischen Üeberwachung  der  Privatflüsse  und  Bäche,  die 
Abgabe  von  Gutachten  in  Meliorationsfragen  an  Dienst- 
stellen und  Behörden,  dann  an  Organe  des  landwirthschaft- 
lichen  Vereins,  die  Mitwirkung  bei  der  Aufstellung  von 
Plänen  für  Fiusskorrektionen,  für  Anlagen  zum  Uferschutz 
und  zum  Schulz  gegen  Ueberschwemmungen,  sowie  bei 
anderen  einschlägigen  Angelegenheiten. 

Die  Dienstverhältnisse  und  die  Thätigkeit  der  ge- 
nannten Kultur-Ingenieure  im  Einzelnen  werden  durch 
eine  Dienstvorschrift  geregelt.  Die  Thätigkeit  der  Kultur- 
Ingenieure  ist  in  der  Regel  eine  unentgeltliche. 

Für  die  Anstellung  im  kulturtechnischen  Dienste  sind 
künftighin  erforderlich;  der  Erwerb  des  Diploms  eines 
Kultur-Ingenieurs  an  der  kgl.  Technischen  Hochschule  zu 
München  oder  an  einer  anderen  als  gleichwerthig  aner- 
kannten deutschen  technischen  Hochschule  und  die  Voll- 
endung eines  zweijährigen  Vorbereitungsdienstes,  sowie 
das  erfolgreiche  Bestehen  der  staatlichen  praktischen  Prü- 
fung. Vom  Vorbereitungsdienste  sind  in  ununterbrochener 
Dauer  18  Monate  bei  einem  Kreiskultur-Ingenieur  oder 
mit  Genehmigung  der  betr.  kgl.  Regierung,  Kammer  des 
Inneren,  bei  einem  Bezirkskultur-Ingenieur  mit  eigenem 
Bezirke  und  6 Monate  bei  einem  kgl.  Strassen-  und  Fluss- 
bauamte oder  bei  einer  Sektion  für  Wildbachverbauungen 
unter  Beschäftigung  bei  Wasserbauten  zu  verbringen. 

Die  Prüfung  ist  schriftlich  und  umfasst:  die  allgemeine 
Meliorationslehre,  soweit  sie  sich  auf  die  klimatologischen, 
hydrologischen,  Boden-  und  Vegetationsverhältnisse  des 
Königreiches  Bayern  bezieht,  die  besondere  Meliorations- 
lehre (eigentliche  Kulturtechnik)  und  die  administrative 
Behandlung  des  kulturtechnischen  Dienstes. 

Diejenigen  Kultur-Ingenieurpraktikanten,  welchen  das 
Zeugniss  der  bestandenen  staatlichen  praktischen  Prüfung 
zuerkannt  worden  ist,  werden  in  die  Liste  der  geprüften 
Kultur- Ingenieurpraktikanten  eingetragen  und  auf  Ansuchen 
im  kulturtechnischen  Dienste  verwendet. 

Geprüfte  Kultur-Ingenieurpraktikanten  von  besonderer 
Befähigung  und  von  hervorragendem  Fleisse  erhalten  nach 
Maassgabe  der  verfügbaren  Mittel  staatliche  Stipendien 
für  kulturtechnische  Studienreisen.  — 


bedeutend.  Es  waren  nur  rd.  2 Mül.  zu  baggern,  eine 
Arbeit,  die  aber  in  sehr  kurzer  Zeit  geleistet  wurde.  Die 
Kosten  des  Hafens  haben  einschl.  Wasserversorgung,  Gleis- 
anlage, Strassen  usw.  rd.  3,4  Mül.  M.  betragen.  Die  Ar- 
beiten wurden  im  Jahre  1899  in  Angriff  genommen  unter 
der  Oberleitung  des  Hafenbau-Direktors  Ob.-Brth.  Sigmund 
Taussig  durch  Ob.-Ing.Rudolf  Halter  ausgeführt.  — 

Sojähriges  Bestehen  der  Firma  Büsscher  & Hoffraann 
in  Eberswalde.  Am  18.  Okt.  beging  die  Firma  Büsscher 
& Hoffmann  in  Eberswalde  die  Feier  ihres  50jährigen 
Bestehens.  1852  durch  den  als  Schöpfer  und  Förderer 
der  Ziegel-Ringöfen  bekannten  Brth.  Fr.  Hoffmann  und 
den  Bmstr.  F.  W.  Büsscher  begründet,  führte  sie  die  Her- 
stellung der  Dachpappe  und  der  Pappbedachungen  in 
Deutschland  zuerst  ein.  2 Jahre  darauf,  1854,  folgte  die 
Erfindung  der  elastischen  Asphalt-Isolirplatten,  welche  für 
die  Wasserabdichtung  gewölbter  Bauten  hohe  Bedeutung 
gewannen,  ferner  die  Aufstellung  der  „Technischen  Bedin- 
gungen für  die  Herstellung  der  Pappdächer  nebst  eingehen- 
der Begründung“,  welche  die  bis  dahin  auf  diesem  Gebiete 
herrschende  Unsicherheit  beseitigten,  sofern  sie  von  fast 
sämmtlichen  staatlichen  und  kommunalen  Baubehörden 
Deutschlands  als  maassgebliche  Unterlagen  benutzt  wurden. 
Das  Verdienst  der  Firma  erstreckt  sich  ferner  auf  die 
Einführung  der  Kiespappdächer  im  Gegensatz  zu  den 
Papierdächern,  auf  eine  neue  Methode  der  Grund-  und 
Druckwasser- Isolirungen  mittels  ihrer  kombinirten  Asphalt- 
platten, auf  die  Herausgabe  der  Sammlung  typischer,  von 
den  Verwaltungen  angewendeter  Methoden  für  die  wichtige 
nachträgliche  Abdeckung  von  Eisenbahn-Brücken  während 
des  Betriebes,  auf  welchem  Sondergebiete  die  Firma  sich 
einen  Ruf  geschaffen  hat.  — 

Auszeichnungen  an  Künstler.  Der  Architekt  und  Prof, 
an  der  Techn.  Hochschule  in  München  Karl  Hocheder 
wurde  zum  Ehrenmitgliede  der  kgl.  bayer.  Akademie 
der  bildenden  Künste  ernannt.  — Auf  der  deutsch-natio- 
nalen Kunstausstellung  in  Düsseldorf  erhielt  Hr.  Arch.  Prof. 
Jos.  Kleesattel  die  kleine  goldene  Medaille  für  Kunst.  — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Hallenschwimmbad  Pforzheim.  Wie  wir 
S.  496  mittheilten,  hat  das  Preisgericht  denEntwurf  „In  balneis 
salus“  der  Hrn.  Reg.-Bmstr.  F.  Kritzler  in  Friedenau  und 
Arch.  G.Emmingmann  in  Berlin  zum  Ankauf  empfohlen, 
thatsächlich  aber  hat  der  Stadtrath  von  Pforzheim  den  Ent- 


579 


Wurf  der  Hrn.  Böklen  & Feil  in  Stuttgart,  der  zwar  in. der 
engsten  Wahl,  aber  nicht  zum  Ankauf  empfohlen  war,  an- 
gekauft (S.  535).  Nun  enthalten  zwar  die  Bedingungen  des 
Preisausschreibens  lediglich  die  Bestimmung:  „Der  Ankauf 
weiterer  Entwürfe  zu  je  400  M.  bleibt  Vorbehalten“.  Es  ist 
aber  bisher  noch  bei  allen  Wettbewerben  der  Brauch  geübt 
worden,  dass  in  erster  Linie  die  Entwürfe  zum  Ankauf  ge- 
langten, welche  hierzu  empfohlen  wurden.  Sollte  sich,  wie 
im  vorliegenden  Falle,  ein  anderer  Brauch,  der  hier  formell 
nicht  anzugreifen  ist,  einzubürgern  beginnen,  so  würde  das, 
abgesehen  von  dem,  nicht , erwünschten  Uebersehen  des 
Spruches  der  Preisrichter,  immerhin,  eine  Verstimmung 
im  Wettbewerbswesen  zurfolge  haben  können.  Um  dieser 
vorzubeugen,  , empfehlen , wir  daher  der  Stadtverwaltung 
von,  Pforzheim,  den  erstgenannten  Entwurf  noch  nach- 
träglich , für.  400.  M.  anzukaufen.  — 

Zur  Handhabung  der  Wettbewerbe.  Wir  werden  zur 
Erörterung  einer  nicht  uninteressanten  Frage  angeregt.  Auf 
den  begleitenden  Briefumschlägen  haben  Verfasser  erklärt, 
nur  insofern  bedingungsweise  in  einem  Wettbewerbe  .mit- 
konkurriren  zu  wollen,  als  ihren  Entwürfen  ein  I.  oder. 
II.  Preis  :.zuertheilt  würde.  Man  .ersucht  uns  zu  einer 
Stellungnahme  zu.  diesem  Vorbehalte:  .’  Wir  stehen  nicht 
an,  unserer.Meinung.  dahin' Ausdruck  zu  geben,  dass  man 
. sich  durch  Kenninissnahme  der  Unterlagen  und  durch 
Einsendung  der  geforderten  Arbeit  bedingungslos  den 
Bedingungen  des:  Preisausschreibens  unterwirft.  . Wird 
aber  eine  Arbeit  dennoch  mit  dem  erwähnten  zugleich 
einem  unzulässigen  Versuch  der  Beeinflussung  der  Preis- 
richter gleichkommenden  Vorbehalte  eingesendet,  so  giebt 
es  unseres  Erachtens  nur  zwei  Möglichkeiten:  Entweder, 
das  Preisgericht  nimmt  keine  Kenntniss  von  dem  Vorbe- 
halte und  beurtheilt  den  Entwurf  in  der  Reihe  der  übrigen 
nach  bestem  Wissen  und  Gewissen,  oder  aber,  das  Preis- 
gericht beschliesst,  die  betr.  Arbeit  ausser  .Wettbewerb  zu 
stellen,  da  sie  den  Bedingungen  des  Preisausschreibens, 
welche  eine  vorbehaltlose  Einsendung  voraussetzen,  nicht 
entspricht.  Wir  würden  der  letzteren  Möglichkeit  den  Vor- 
zug geben.  — 


Bücherschau. 

Deutscher  Baukalender  1903,  herausgegeben  von  den  Heraus- 
gebern der  „Deutschen  Bauzeitung".  36.  Jahrgang. 
2 Theile;  .Theil  I gebunden,  Theil  II  broschirt.  Preis 
beider  Theile,  Theil  I in  dunkel  Lederband,  3,50  M., 
Theil  I in  roth  Lederband  mit  Neusilberschloss  als 
Brieftasche  4M.  — Verlag  der  „Deutschen  Bauzeitung, 
G.  m.  b.  H.“,  Berlin  SW.  ii. 

Auch  der  soeben  erschienene  XXXVI.  Jahrgang  des 
„Deutschen  Baukalenders“  enthält  wieder  vielfache  Ver- 
besserungen, den  Fortschritten  in  der  Entwicklung  des 
Bauwesens  entsprechend.  Im  Taschenbuche  selbst  sind 
allerdings  nur  einige  Nachträge  undBerichtigungen,  nament- 
lich die  Preisangaben  und  die  Berechnung  der  Sterapel- 
kosten  betreffende,  erforderlich  gewesen.  In  der  Beigabe 
jedoch  haben  erheblichere  Veränderungen  Platz 
gegriffen,  und  zwar  ist  zunächst  die  Pegeltabelle  ver- 
suchsweise mit  dem  Vorbehalte  fortgelassen  worden,  sie 
nöthigenfalls  mit  den  langsam  sich  ansammelnden  Er- 
gänzungen erst  in  längeren  Zeiträumen  wieder  zum  Ab- 
druck zu  bringen.  Dann  sind  unter  den  „Mauerarbeiien“  die 
neuen  Bestimmungen  über  Dampfschornsteine 
aufgenommen  und  die  Angaben  über  die  massiven 
Deckenkonstruktionen  umgearbeitet  und  erwei- 
tert worden.  Die  Abschnitte  über  elektrische  Beleuch- 
tung, Haustelephon-  und  Blitzableitungs- Anlagen  endlich 
sind  gänzlich  neu  bearbeitet. 

Auch  in  der  neuen,  auf  das  sorgfältigste  durch- 
gearbeiteten Form  sei  der  Kalender  als  ein  bei  den 
Arbeiten  auf  Büreau  und  Baustelle  unentbehrliches 
Hilfsmittel  wärmstens  empfohlen.  — 


Chronik. 

Neue  kathol.  Kirche  in  Camen.  Am  28.  Okt.  wurde  in 
Camen  in  Westfalen  die  neue  Kirche  eingeweiht,  eine  frübgothische, 
3-schiffige  Basilika  mit  Querschiff  und  Thurm  in  der  Axe.  Innere 
Höhe  21  m,  Mittelschiffbreite  14  m.  Die  Kirche  enthält  1000  Sitz- 
und  1200  Stehplätze.  Kosten  330000  M.  Werksteinbau  mit  Putz- 
flächen. Architekt  Hr.  Reg.-Baumeister  A.  Menken  in  Berlin.  — 
Der  Lehrstuhl  für  mittelalterlichen  Backsteinbau  an  der 
Technischen  Hochschule  in  Charlottenburg  wurde  vertretungs- 
weise dem  Privatdozenten  Stadtbauinsp.  O.  Stiehl  übertragen.  — 
Zum  Konservator  für  Rothenburg  o.  T.  ist  Hr.  Prof.  Theod. 
Fischer  in  Stuttgart  bestellt  worden.  — 

Die  Betheiltgung  Deutschlands  an  der  'Weltausstellung 
ln  St.  Louis  ist  beschlossen  und  Geh.  Ob.-Reg.-Rath  Lewald  zum 
Reichsk-oromissar  ernannt  worden.  Als  Architekt  der  deutschen 
Abtheilung  wurde  Hr.  Bruno  Möhring  io  Berlin  erwählt.  — 

Das  Geschäftshaus  der  Landwirthschaftskammer  für  die 
Provinz  Sachsen  in  Halle  a.  S.,  ein  Werk  des  Architekten 

580 


FritzFahro  in  Halle,  wurde  am  ai.Nov.  in  feierlicher  Weise  der 
Benutzung  übergeben.  Das  umfangreiche  Gebäude  ist  in  einer 
maassvollen  deutschen  Renaissance  errichtet.  — 

Die  feierliche  Eröffnung  des  neuen  westlichen  Friedhofes 
in  München,  eines  Werkes  des  Hrn.  städt.  Baurath  Hans  Grässel 
in  München,  hat  am  i.  Nov.  stattgefunden.  — 

Ein  'Wohlfahrtshaus  des  Trinitatis  - Wohlthätigkeits- 
Vereins  in  Cbarlottenburg,  Schülerstr.  4s,  ist  mit  einem  Auf- 
wande  von  750000  M.  durch  den  Architekten  Schrobsdorf  er- 
richtet worden.  Das  Haus  enthält  ein  Kinderheim,  eine  Diakonissen- 
station, Räume  zu  Versammlungszwecken  usw.  — 

Ein  neues  Gebäude  der  Handels-  und  Gewerbekammer 
in  Prag  ist  mit  einer  Bausumme  von  1050  000  Fk  zu  errichten 
beschlossen  worden.  — 

Das  neue  Schauspielhaus  in  Frankfurt  a.  M.,  ein  be- 
deutendes Werk  des  Arch.  Brth.  Heinrich  Seelihg  in  Berlin, 
wurde  am  r.  Nov.  unter  grossem  Gepränge  eröffnet.  ' — 

Die  Anlage  einer  elektrischen  Schwebebahn  nach  dem 
System  Langen  ist' durch  eine  englische  Gesellschaft  in  Aussicht 
genommen.  Es  handelt  sich  um  eine  Versüchsstrecke  von  10  engl- 
Meilen  mit  einer  Bausumme  von  rd.  s Mill.  Pfd.  St.  — 

Die  Eröffnung  des  neuen  fürstlichen  Theaters  in  Gera 
mit  Konzertsaal,  errichtet  nach  den  Entwürfen . des  Hrn.  Baurath 
, H.  Seeling  in  Berlin,  hat  am  18.  Okt.  in  feierlicher  Weise  stalt- 
gefunden.  Das  Theater  hat  1100,  der  Koozertsaal  1700  Plätze.  — 
Ein  Ausbau  des  Klosters  Ettal  in  Oberbayern  findet  durch 
Anlage  eines  98  m langen  Seitenflügels  mit  etwa  loo  Zimmern  und 
Lehrsälen  statt  und  soll  1904  beendet  sein.  — 

Die  St.  Rupertuskirehe  in  München  (Arch.:  Prof.  Gabriel  • 
von  Seidl)  ist  im  Rohbau  volleudet.  Die  im  Grundriss  im  Vier- 
pass angelegte  Kirche  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  sie  3000  Per- 
sonen fassen  und  nur  380000  M.  kosten  wird.  Ihrer  Vollendung 
sieht  man  zum  Oktober  1903  entgegen.  — 

Ein  Künstlerheim  in  Nürnberg,  welches  von  der  dortigen 
Künstlerschaft  schon  lange  angestrebt  wird,  kann  nunmehr  infolge 
der  Stiftung  einer  Summe  von  150000  M.  verwirklicht  werden, , Das 
Heim,  welches  auch  die  städtische  Gemäldesammlung  aufnehmen 
und  Räume  für  den  Albrecht-Dürer-Verein  enthalten  soll,  wird  auf 
dem  Salzstadel  errichtet  und  soll  noch  vor  der  Ausstellung  des 
Jahres  1906  vollendet  werden.  — 

Eine  Wiederherstellung  der  Kirche  St.  Stefan  in  Würz- 
burg, eines  auf  das  Ende  des  ersten  Jahrtausend  zurückgehenden  . 
Gotteshauses,  welches  bei  der  Säkularisation  den  Protestanten  über- 
wiesen wurde,  ist  beschlossen  worden.  Die  frühromanische  Anlage 
wurde  Ende  des  XVII.  Jahrh.  durch  Abt  Eucharius  auf  das  reichste 
ausgeschmückt  und  erhielt  am  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  die 
grossen  Deckenfresken,  das  reiche  Chorgestühl  usw.;  Die  Wieder- 
herstellung geht  von  dem  Gedanken  aus,  die  verschiedenen  Bau- 
perioden der  Kirche  in,  ihrem  vollen  Rechte  zu  erhalten  und  nicht 
zu  „reinigen“.  — ■ . , 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Den  kgl.  Brthn.  H.  Kayser  und  v.  Groszheim 
in  Berlin  ist  der  kgl  Kronen-Orden  III.  Kl.  und  dem  Bauinsp.  Brth. 
Adams  in  Berlin  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Der  Gew  .-Rath  Pirsch  in  Düsseldorf  ist  z.  i.  Jan.  1903  nach 
Münster  versetzt  und  mit  der  Wahrnehmung  der  Geschäfte  eines 
Reg.-  u.  Gew.-Rathes  bei  der  dort.  Reg.  beauftragt.  Dem  Gew.- 
Rath  Simon  io  Düsseldorf  ist  vom  i.  Jan.  1903  ab  die,  Stelle 
eines  gewerbetechn.  Hilfsarb.  bei  der  dort.  Reg.  verliehen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Friedr.  Balfanz  aus  Kolberg,  Emil  Schütz 
aus  Brombach  und  Ad.  Wollenberg  aus  Breslau  (Hochbfch ), 
— Karl  Holtvogt  aus  Vechte  (Wasser-  u.  Strassenbfch.),  — 
Hugo  Schmidt  aus  Sprenge,  Karl  Verlohr  aus  Winkhausen, 
Otto  H a m p k e aus  Brandenburg  und  Heinr.  .Schluckebier 
aus  Adorf  (Eisenbfch.),  — Emil  Koch  aus  Halle  a.  S.  und  Haus 
Sommer  aus  Kreuzburg  (Masch.-Bfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn. 
ernannt. 

Den  Reg.-Bmstrn.  Vict.  Mansfeld  in  Gartz  a.  O.,  Jobs. 
Bousset  in  Berlin,  Bruno  Schulz  in  Charlottenburg,  Ludw. 
Aschoff  in  Bochum,  Rheinh.  Bitzer  und  Karl  Felsch  in 
Königsberg  ist  die  nachges.  Enlass.  aus  dem  Staatsdienst  ertheiit. 

Württemberg.  Dem  Prof.  Halmhuber  an  der  Baugewerk- 
schule in  Stuttgart  ist  die  goldene  Medaille  für  Kunst  und  Wissen- 
schaft atu  Bande  des  Ordens  der  Württemberg.  Krone  verliehen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Ein  Schornstein  einer  Kirchenheizung  (8  Luftheizungsöfen  mit 
tiefgeführten  Rauchrohren)  will  nicht  ziehen.  Die  Kirche  liegt  hoch, 
der  Schornstein  neben  dem  hohen  Chordach  auf  der  Nordseite. 
Er  ist  über  der  6m  hohen  Heizkammer  noch  i6m  hoch  (zumeist 
angelehnt)  aus  Ziegeln  Stein  stark  in  Zement  gemauert,  aussen 
mit  Goudron  gestrichen  und  mit  Zement  verputzt.  In  Höhe  der 
Heizkammer  hat  er  3 Rohre  20 . 30  cm,  die  i m höher,  wo  die  Zunge 
aufhört  und  der  erweiterte  Querschnitt  30,55  cm  beträgt,  auf  i,7.m 
Höhe  '\  ein  Rohr  30.30  cm  zusammengezogen  sind.  Auf  dem 
Schorf-Stein  sitzt  ein  3,5  m hohes,  in  den  runden  Querschnitt  30  cm 
Durchm.  übergeführtes  Eisenrohr,  dessen  obere  Mündung  (25.5  m 
über  Heizkammerfussboden)  auch  bei  ungünstigem  Winde  (SW.) 
frei  bestrichen  wird.  Aufgesetzte  Sauger  haben  nichts  geholfen.  — 
Welches  sind  die  Ursachen  für  den  mangelhaften  Zug?  — 

H.  in  M. 


Inhalt;  Die  Neubauten  der  königlichen  akademischen  Hochschulen 
für  die  bildenden  Künste  und  für  Musik  in  Charlottenburg.  (Schluss.)  — 
Neuregelung  des  kulturtechnischen  Dienstes  in  Bayern.  — Vermischtes.  — 
Preisbewerbungen.  — Bücherschau,  — Chronik.  — Personal-Nachrichten. 

— Brief-  und  Fragekasten.  ^ 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!,  Albert  Hof  mann,  Berlin.  Druck  von  “Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  90. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 


XXXVI.  Jahrgang  No.  91.  Berlin,  den  12.  November  1902. 


Dle  könlgl.  akademische  Hochschule  tür  die  bildenden  Künste  ln  Charlottenburg.  SeiteopavUlon  und  Brunnen  mit  dem 
Orpheusmotiv  von  Prof.  E.  Herter  in  Berlin.  — Architekten:  Kayaer  & v.  Groszheim,  kgl.  Brthe.  in  Berlin. 

Bestimmung  von  Flächeninhalten,  Schwerpunkten,  statischen,  Zentrifugal-  und  Trägheits-Momenten 

mittels  des  Projektirbogens. 


Hbwohl  das  Wort  Projektirbogen  kein  deutsches  ist, 
so  habe  ich  es  dennoch  gebraucht,  weil  diese  im 
Handel  vorkommenden  Bogen  unter  diesem  Namen 
am  besten  bekannt  sind. 

Dass  Netze  von  Quadraten  zum  Bestimmen  von 
Flächeninhalten  benutzbar  sind,  ist  jedenfalls  nicht  neu; 
soweit  bekannt,  sind  sie  aber  noch  nicht  zu  den  übrigen 
in  der  Ueberschrift  angegebenen  Zwecken  benutzt.  Smlte 
eine  solche  Benutzung  dennoch  bereits  geschehen  und 
veröffentlicht  sein,  so  ist  sie  jedenfalls  nicht  allgemein 
bekannt  und  verdient  ihrer  Zweckmässigkeit  wegen  aus 
dem  Dunkel  hervorgezogen  zu  werden. 

Denkt  man  sich  in  AbbUdg.  i eine  beliebige  Fläche, 
deren  statisches  Moment  und  Trägheitsmoment  mit  Bezug 
auf  eine  beliebige  Axe  00  ermittelt  werden  so\\,  so  ist 
für  jeden  Streifen  von  der  Höhe  h über  oder  unter  0 0 
und  von  der  unendlich  kleinen  Breite  d l das  statische 

Moment  gleich—  das  Trägheitsmoment  gleich  — d /, 

welche  Werthe  man  nach  einem  beliebigen  Maasstabe 
in  der  Richtung  von  h auftragen  kann. 

Das  jedesmalige  Messen  der  Ordinaten,  Berechnen 
Ä® 

ihrer  Werthe  — und  — ist  nebst  dem  Aufträgen  der- 

23 


selben  sehr  umständlich.  Man  kann  diese  Berechnung 
aber  ein  für  alle  Mal  ausführen,  in  den  Projektirbogen 
eintragen  und  diesen  nun  für  jede  be- 
liebige Figur  benutzen.  Den  Maasstab 
derselben  muss  man  aber  so  bemessen, 
dass  die  Momentenfläche  noch  auf  dem 
Projektirbogen  Platz  findet.  Ueber  die 
Maasstäbe  ist  am  Schluss  einiges  be- 
merkt. Zur  Ermittelung  der  Momente 
, werden  in  dem  Projektirbogen  nicht 
neue  Theillinien  eingezeichnet,  sondern 
in  die  vorhandenen  Theillinien  die  zu- 
gehörigen Werthe  eingeschrieben,  f * 
So  sind  z.  B.  in  Abbildg.  2 die 
Werthe  für  V2  und  Vio*^  eingetragen 
und  die  Flächen  einer  Eisenbahnschiene 
für  ihr  statisches  Moment  und  ihr  Träg- 
heitsmoment gezeichnet,  deren  Inhaltsgrössen  mit  2 bezw. 
mit  10  zu  multipliziren  sind.  Es  ist  indessen  nicht  zu  über- 
sehen, dass,  wenn  man  den  statischen  Momentenflächen 
über  O 0 ein  positives  Vorzeichen  giebt,  die  unter  0 0 ein 
negatives  erhalten  müssen  und  dass  di<  Differenz  beider 
inbetracht  kommt.  Um  den  Projektirbogen  für  Querschnitte 
benutzen  zu  können,  welche  keine  Symrretrieaxe  haben, 
legt  man,  wie  in  Abbildg.3  angedeutet,  den  Nullpunkt  in  die 


> 

' \ 

1/  f 

'//  % 

1 i 

ILcT'" 

Abbildg.  1. 


581 

\ 


Mitte  des  Bogens  und  trägt  von  diesem  die  berechneten 
Zahlen  nach  oben,  unten,  links  und  rechts  ein.  Ferner  legt 
man  die  Pause  des  Querschnittes  am  besten  so  auf,  dass 
die  Hauptaxen  möglichst  vielen  geraden  Querschnittslinien 
parallel  sind  und  der  Nullpunkt  in  der  Mitte  der  Figur 
liegt;  Letzteres  um  nicht  zu  grosse  und  Iß  zu  erhalten. 
Nunmehr  kann  man  die  Flächen  für  8 und  J nach  zwei 
Richtungen  hin  für  die  durch  Null  gehenden  Axen  er- 
mitteln. Die  Schwerpunkts-Abstände  e und  e'  von  diesen 

sind  gleich  und  von  den  Trägheitsmomenten  hat  man 

Fe^  abzuziehen,  wenn  man  die  beiden  Axen  parallel  mit 
sich  so  verschoben  denkt,  dass  sie  sich  im  Schwerpunkte 
schneiden,  und  wenn  F’ den  Flächeninhalt  des  Querschnittes 


bedeutet.  Die  so  erhaltenen  Trägheitsmomente  mögen 
mit  und  bezeichnet  werden. 

Um  die  Hauptaxen  und  die  dazu  gehörigen  Trägheits- 
momente zu  erhalten,  benutzt  man  (siehe  u.  a.  Beigabe 
zum  Dtschn.  Baukalender)  die  Formel: 

I.  J=J^.  cos  cß  J^.  sin  cß  — . sin  2 a, 

a ist  in  dem  Sinne  -f  zu  nehmen  wie  in  Abbildg.  3. 

Dreht  man  die  Pause  um  45O  und  lässt  den  Schwer- 
punkt des  Querschnittes  mit  Null  zusammenfallen,  so  findet 

man  nach  obigem  und  hat  = ~ -\-  J,^  ~ Den 

2 J 

Winkel  « für  die  Hauptaxe  findet  man  aus  tg  2 a = — — 

Setzt  man  « in  Gleichung  I ein,  so  erhält  man  ein  Träg- 
heitsmoment für  eine  Hauptaxe  und  zieht  man  dieses 
von  + Jy  ab,  so  erhält  man  das  für  die  andere  Haupt- 
axe. Man  kann  auch  das  Zentrifugalmoment  für  eine  ge- 
gebene Axe  unmittelbar  ermitteln.  Hat  man  nämlich. 


Abbildg.  4,  die  Fläche  Fj  als  .S' Fläche  für  den  Querschnitt 
F mit  Bezug  auf  die  cc-Axe  ermittelt,  und  ermittelt  in  der- 
selben Weise  die  Fläche  Fjx  als  8 Fläche  für  Fj,  mit  Bezug 
auf  die  t/-Axe,  so  giebt  die  F’jj- Fläche  das  Zentrifugal- 
moment für  die  Querschnittsfläche  F. 

Ist  für  die  Fj-  und  F’^j-Flächenermiitelung  der  Maass- 
stab i:  n angewendet,  so  muss  F^j  mit  multiplizirt  werden. 

Zu  beachten  ist,  dass,  wenn  der  Querschnitt  in  4 durch 
dieHauptaxen  getheilten  Quadranten  liegt,  die  Flächen  rechts 
oben  und  links  unten  positiv,  die  beiden  anderen  negativ 
sind  und  dass  sich  das  Zentrifugalmoment  aus  der  Summe 
dieser  vier  ergiebt.  Zieht  man  von  dieser  Summe  F.e  .e' 
ab,  so  erhält  man  bekanntlich  das  Zentrifugalmoment  für  die 
oben  erwähnte  Verschiebung  der  Axen  in  den  Schwerpunkt. 
m Empfehlenswerth  ist  es  aber,  anstatt  des  Zentrifugal- 
momentes J4.  zu  ermitteln,  da  die  in  Fj  gemachten  Un- 
genauigkeiten sich  in  vergrössern  können.  Die  im 
1 Querschnitt  mit  den  Hauptaxen  pa- 
i rallelen  oder  zu  ihnen  senkrechten  ge- 
" raden  Linien,  bleiben  auch  in  den 
i Momentenflächen  gerade  Linien;  die 
■-  dazu  schrägen  ergeben  Kurven.  Zur 
Ermittelung  der  Momentenfläche  ist 
es  aber  nur,  nöthig  die  8-  und  J- 
Höhen  für  die  Endpunkte  und  den 
Mittelpunkt  der  geraden  schrägen 
Linie  zu  ermitteln.  Denkt  man  sich 
nämlich  in  Abbildg.  5 eine  gerade 
Linie  ab  und  darüber  eine  zu  der- 
selben gehörige  8-  oder  F-Kurve  a'b' 
mit  den  betreffenden  Höhen  kj  hu  und  Am,  so  ist  der 


Momentenflächen-Inhalt  = + Am^  oder  wenn 

Aj  -p  Ajjj 

man  m = , sowie  dessen  Differenz  d gegen  A^ 

aus  der  Zeichnung  entnimmt,  jener  Flächeninhalt  auch 
= (m  — ~ ferner  im  Querschnitt  das  in  Abb.  6 

angegebene  Trapez  enthalten  und  darüber  die  krummlinig 
begrenzte  Momentenfläche  ermittelt,  so  ist  deren  Inhalt 

ebenfalls  = -^  4-  4 & -}-  c^. 


Dieses  Gesetz  gilt  für  alle  Flächen,  deren  obere  und 
untere  Begrenzungslinien  sich  ausdrücken  lassen  durch 
y =A-{-  Bx  -p  Gx^  -f-  Dx^\  dagegen  nicht,  wenn  noch  x* 
vorkommt;  Letzteres  komrrit  in  diesen  Fällen  aber  nicht 
vor,  weil  die  F-Höhe  nur  und  die  S-Höhe  nur  enthalten. 

Inbetreff  der  Maasstäbe  findet  sich  noch  zu  bemerken, 
dass  die  Projektirbogen  gewöhnlich  eine  45  breiite  und 
60  cm  hohe  mit  Liniirung  versehene  Fläche  enthalten.  Giebt 
man  die  S-Höhen  in  halber  und  die  F-Höhen  in  Vu,  Grösse 
an  und  bezieht  sie  auf  cm  in  der  Zeichnung,  so  wie  es  in 
Abbildg.  3 geschehen,  wobei  der  Nullpunkt  in  der  Mitte 
der  grössten  Höhen-  und  der  grössten  Längen-Abmessung 
liegt,  so  darf  das  gezeichnete  Objekt  nicht  mehr  als  17,5 
Breite  und  19,3  c®  Höhe  erhalten,  weil  sonst  die  F-Höhen 
nicht. mehr  Platz  finden.  Sind  die  Profile  in  pVi  natür- 
licher Grösse  aufgetragen,  so  sind  die  in  der  Zeichnung 
enthaltenen  Längen  mit  n,  die  Profitquerschnitte  mit  tß, 
die  statischen  Momente  8 mit  vß  und  die  Trägheitsmo- 
mente mit  tß  zu  multipliziren,  damit  sie  der  Wirklichkeit 
entsprechen.  — Hacker,  Baurath. 


Betoneisea-Piahlrost  vom  Neubau  des  Amtsgenchtes-Weddmg  in  Berlin. 


ie  umfangreichen  Gründungsarbeiten,  welche  das 
vorgenannte  Gebäude  erfordern,  haben  für  Berlin 
erstmalig  zu  ausgedehnter  Anwendung  des  Beton- 
eisen-Pfahlrostes Veranlassung  gegeben.  Der  auf  grös- 
sere Tiefe  unsichere,  aus  moorigen  undSchliefsandschichten 
unter  den  oberen  Auffüllungen  bestehende  Untergrund 
machte  eine  tiefere  Gründung  erforderlich,  für  welche 
man  auf  Holzpfahlrost  verzichten  musste,  da  der  z.  Zt. 
etwa  2 m unter  Gelände-Oberfläche  liegende  Gruudwasser- 
stand  dem  Anschein  nach  sich  in  sinkender  Bewegung 
befindet,  sodass  ein  Holzpfahlrost  in  späterer  Zeit  ge- 
fährdet erschien.  Infrage  kam  daher  die  Gründung  auf 
durchgehender  Betonplatte  bezw.  auf  Kasten,  oder  eine 
Gründung  auf  Betoneisen-Pfählen,  die  nur  eine  der  Sohl- 
breite der  Mauern  entsprechende  Betonplatte  tragen.  Letz- 
terer Gründungsweise  wurde  durch  den  die  Bauausführung 
leitenden  Architekten,  Hrn.  Landbauinspektor  Hertel,  der 
Vorzug  gegeben  und  von  der  Behörde  auch  erfreulicher 
Weise  die  Genehmigung  zu  dieser  immerhin  noch  neuen 
Gründungsweise  ertheih.  Erschwerend  war  dabei,  dass 

582 


man,  um  keinesfalls  die  Möglichkeit  einer  Verringerung  der 
Tragfähigkeit  herbeizuführen,  das  sonst  bei  Betonpfählen 
übliche  Spülen  vollständig  untersagte,  also  eineEinrammung 
der  5 bezw.  6,5  und  stellenweise  sogar  8 “ langen  Pfähle 
auf  ihre  ganze  Länge  vorschrieb.  Trotzdem  hat  sich  diese 
Gründungsweise  durchaus  bewährt  und  zwar  in  einem 
keineswegs  durchweg  leichten  Boden;  denn  auch  die  von 
Sand  durchsetzten  Moorschichten  zeigten  eine  gewisse 
Festigkeit,  während  der  Schliefsand  ja  bekanntlich  für 
Rammarbeiten  zu  den  schweren  Bodenarten  zu  rechnen  ist. 

Für  die  zweckmässigste  Querschnitts- Gestaltung  der 
Pfähle  und  der  Eiseneinlagen  wurden  mehrfache  Ver- 
suche gemacht.  Man  entschied  sich  auf  Veranlassung  der 
Bauleitung  für  einen  dreieckigen  Querschnitt  von  je  50  «n 
Seitenlange  mit  etwas  abgestumpften  Kanten.  In  diesen 
Querschnitt  sind  nur  3 Rundeisen  nahe  den  Ecken  von  je 
26  Durchmesser  eingebettet,  die  in  je  25  c*“  Abstand  von 
parallel  zu  den  Seiten  geführten  Schlingen  von  5 ““  starkem 
Rundeisen  umfasst  werden.  In  der  Mitte  zwischen  diesen 
Verbindungen,  also  ebenfalls  in  25  Abstand,  sind  S-förmig 

No.  91. 


gebogene  dünnere  Drähte  von  den  Rundstangen  ausgehend,  unten  zu  einer  stumpfen  Spitze  zusammengeführt  und 
nach  aussen  und  innen  gerichtet,  eingelegt,  die  also  sowohl  auf  etwa  15  cm  Länge  mit  einander  verschweisst.  Ein 


die  äussere  Rinde,  wie  den  inneren  Kern  zur  Aufnahme 
der  Scheerspannungen  befähigen.  Die  3 Langeisen  sind 

12.  November  1902. 


weiterer  Schutz  der  Spitze  ist  nicht  erfolgt.  Der  Pfahl 
ist  am  oberen  Ende  etwas  stärker  an  den  Kanten  gebrochen, 

583 


behufs  bequemerer  Umlegung  des  Rammringes,  sonst  glatt 
abgeschnitten  und  an  den  Querschnitts  Kanten  abgefast. 
Die  Seitenflächen  der  Pfähle  sind  eben  gehalten,  nicht 
ausgehöhlt,  wie  dies  bei  belgischen  und  holländischen  Aus- 
führungen z.  Th.  geschehen  ist,  in  der  Absicht,  eine  Ver- 
ringerung der  Reibung  beim  Einrammen  zu  erzielen.  Als 
Material  für  die  Pfähle  diente  sandiger  Flusskies,  dem 
Zement  im  Mischungsverhältniss  i : 3 beigegeben  wurde. 
Die  Pfähle  sind  durchweg  stehend  hergestellt. 

Es  kamen  imganzen  1800  Pfähle  zur  Verwendung.  Da 
der  Unternehmung  eine  tägliche  Leistung  von  40  Pfählen 
vorgeschrieben  war  und  diese  10  Tage  in  der  Form  blieben, 
so  waren  400  Formen  erforderlich,  die  von  dem  Unter- 
nehmer Th.  Möbus  in  Berlin,  in  geschickter  Weise  so  an- 
geordnet sind,  dass  sie  bei  bequemer  Zugänglichkeit  beim 
Einstampfen  möglichst  wenig  Material  beanspruchen.  Es 
wurden  in  3 Reihen  zwischen  Gerüsten  zickzackförmige 
senkrechte  Bohlwände  aufgestellt,  welche  die  innere  Be- 
grenzung der  Form  bildeten,  während  die  äussere  durch 
Anschraubung  wagrechter  Bretter  entsprechend  dem  Fort- 
schritt des  Einstampfens  gebildet  wurde.  An  jeder  der- 
artigen Wand  waren  also  2 Formenreihen  vorhanden.  In 
diese  Formen  wurde  das  zusammengeschweisste  und 
durch  die  übergeschobenen  Schlingen  versteifte  Eisen- 
gerippe eingesetzt  und  durch  ein  oberes  Abschlussbrett 
in  richtiger  Lage  festgehalten.  Dann  erfolgte  das  Ein- 
stampfen des  ziemlich  trocken  eingebrachten  Betons,  der 
durch  eine  unmittelbarneben  denFormen  aufgestellteDampf- 
Mischmaschine  hergestellt  wurde,  mittels  kurzer  Eisen- 
stampfen in  Schichthöhen  entsprechend  den  wagrechten 
Brettstärken  unter  regelmässiger  Einlage  der  Schlingen 
und  gebogenen  Drähte  in  den  vorschriftsmässigen  Abständen 
von  je  25  cm.  Mit  dem  Fortschritt  des  Einstampfens  wur- 
den die  Arbeitsbühnen  entsprechend  gehoben.  Nach  zehn- 
tägiger Erhärtung  in  der  Form,  wobei  die  Pfähle  dauernd 
befeuchtet  wurden,  konnte  die  Form  geöffnet  und  der 
fertige  Pfahl  zunächst  mittels  Laufkrahn  etwas  bei  Seite 
gesetzt  werden.  Nach  weiteren  10  Tagen  wurde  er  ganz 
aus  der  Arbeitsstelle  durch  Auslegerkrahn  herausge- 
schwenkt und  auf  den  Lagerplatz  verbracht. 

Um  die  Pfähle  beim  Rammen  gegen  Beschädigung 
durch  den  Schlag  des  35—50  Ztr.  schweren  Bären  zu 
schützen,  wird  zunächst  ein  etwa  50  cm  hoher,  starker 
Eisenring  umgelegt,  der  durch  3 Kreissegmente  in  Holz 


Vermischtes. 

Abendbesuch  im  kgl.  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin. 
Bei  der  mit  grosser  Anerkennung  zu  begrüssenden  Neuerung 
im  kgl.  Kunstgewe^be-Museum,  die  Ausstellungen  für  Abend- 
besuch einzurichten,  ist  die  Beleuchtung  in  das  Glasdach 
des  grossen  Lichthofes  verlegt,  welches  zu  diesem  Zwecke 
völlig  umgestaltet  werden  musste.  Die  Arbeiten  sind  von 
Siemens  & Halske  ausgeführt  worden. 

Bei  der  Auswahl  der  Stücke  für  die  Abend-Ausstellungen 
wird  das  Museum  davon  ausgehen,  dass  man  in  den  knappen 
Abendstunden  keine  grossen  Massen  vorführt,  sondern  er- 
lesene Stücke,  welche  der  Besucher  am  Tage  nur  mit  einer 
bereits  geschulten  Kennerschaft  herausfindet. 

Die  jetzt  angeordnete  Ausstellung  der  Renaissance  hält 
sich  nicht  an  das  technische  System,  nach  welchem  die 
Säle  des  Museums  zumeist  geordnet  sind.  Es  gilt  viel- 
mehr, den  Gesammtcharakter  der  Renaissance  - Periode 
darzustellen  und  hierzu  haben  sämmtliche  Abtheilungen 
hervorragende  Stücke  hergegeben.  Im  Vordergründe  steht 
die  Renaissancekunst  von  Italien,  aber  auch  Deutschland, 
Frankreich  und  die  Niederlande  sind  vertreten.  Den  eigent- 
lichen Rahmen  bilden  die  Möbel,  vornehmlich  die  Truhen, 
welche  sich  von  Wänden  abheben,  die  mit  alten  Leder- 
tapeten bespannt  sind;  die  im  16.  Jahrhundert  allgemein 
in  Europa  gebrauchten  orientalischen  Teppiche  sind  zwi- 
schen den  Säulenreihen  aufgehängt.  Auf  den  Truhen  sind 
grössere  Gruppen  von  Metallarbeiten,  Gold-  und  Silber- 
geräth,  Bronzen  und  Terrakotten  aufgebaut;  in  den  Glas- 
schränken finden  sich  erlesene  Stücke  von  Glas,  Majolika, 
Edelmetall,  Email,  feinste  wissenschaftliche  Instrumente, 
Kästchen  und  Schmuckgeräth  jeder  Art.  Die  eine  Schmal- 
wand enthält  Prachtstoffe  und  Stickereien,  die  Eingangsseite 
auf  sechs  Wänden  die  vorzüglichsten  Blätter  der  Bibliothek 
und  Ornamentstich-Sammlung,  sowie  der  Frhr.  v.  Lipper- 
heide’schen  Kostüm-Bibliothek.  Die  Prachtstoffe  und  die 
Kunstblätter  werden  in  kürzeren  Pausen  mit  verwandtem 
Material  ausgewechselt  werden,  an  welchem  das  Museum 
ganz  ausserordentlich  reich  ist. 

Um  das  Gesammtbild  zu  vervollständigen,  ist  auch 
die  Plastik,  herangezogen;  die  Abtheilung  der  kgl.  Museen 
für  Plastik  der  christlichen  Epoche  hat  Reheftafeln  und 
Figuren  hergegeben.  Aus  der  Privatsammlung  von  James 
Simon  sind  6 Bronzefiguren  und  Gruppen  von  grosser 

584 


der  Dreieckform  des  Pfahlquerschnittes  entsprechend,  aus- 
gefüttert und  dann  durch  Schrauben  fest  an  das  obere 
Pfählende  gepresst  wird.  In  diesen  Ring  ist  zunächst 
eine  25“”  starke  Bleiplatte  auf  den  Pfahlköpf  aufgelegt, 
darauf  eine  5*=“  starke  Holzscheibe,  die  bis  etwas  über 
den  Ring  reicht  und  auf  diese  Holzplatte  schliesslich  eine 
starke  Eisenplatte,  die  zunächst  den  Schlag  des  Bären 
aufzunehmen  und  diesen  durch  Vermittelung  des  elasti- 
schen Holzes  und  der  Bleiplatte  auf  den  Pfahlkopf  ;zu 
übertragen  hat.  Durch  diese  elastische  Zwischenlage 
geht  natürlich  ein  Theil  des  Effektes  verloren,  ausserdem 
erzeugen  die  rauhen  Pfahibetonfiächen  eine  starke  Rei- 
bung (die  aber  später  der  Tragfähigkeit  zugute  kommt), 
so  dass'  das  hohe  Bärgewicht  erklärlich  wird.  Es  sei 
hier  erwähnt,  dass  Hennebique  bei  seinen  Betonpfählen 
eiserne  Hauben  aufsetzt,  die  innen  mit  Holz  ausgefüttert 
sind,  oder  auch  nur  mit  Sand  aufgefüllt  werden.  In  letz- 
terem Falle  bildet  dieser  die  elastische  Zwischenlage. 

Die  getroffenen  Maassregeln  haben  die  Pfähle  voll- 
kommen vor  Beschädigungen  beim  Rammen  geschützt. 
Auch  die  Spitzen  haben  sich,  wie  ausgezogene  Pfähle  be- 
weisen, als  ausreichend  stark  erwiesen,  sodass  also  die 
Anwendung  von  Pfahlschuhen  ebenso  wie  bei  Holz- 
pfählen nur  in  grobem  Boden  erforderlich  erscheint. 
Wichtig  für  die  Haltbarkeit  der  Pfähle  ist  eine  sorgfältige 
Aufrauhung  jeder  eingestampften  Schicht  Trotzdem  die 
Herstellung  der  Schichten  sich  so  unmittelbar  folgt,  dass 
der  Beton  noch  keine  Zeit  zum  Abbinden  hat,  zeigten 
sich  beim  Rammen  Querrisse,  sobald  diese  VorsLchts- 
maassregel  unterlassen  wurde.  Im  übrigen  Hessen  sich 
auch  Pfähle  mit  diesen  feinen  Rissen  sicher  einrammen, 
naturgemäss  sind  diese  aber  nicht  mehr  entsprechend 
knicksicher  und  ausserdem  wird  die  Eiseneinlage  der  ein- 
dringenden Feuchtigkeit  zugänglich.  ' 

Die  Kosten  der  Herstellung  einschl.  Material  stellten 
sich  auf  etwa  10  M.  für  das. lauf.  Meter  Pfahl,  die  Gesamrht- 
kosten  etwa  doppelt  so  theuer,  als  bei  Holzpfahlrost.'  , 
Mit  dieser  Ausführung  dürfte  die  bisher  in  Berlin  bei 
den  Behörden  herrschende  Scheu  vor  Anwendung  von 
Betoneisen-Konstruktionen  (die  bisher  fast  nur  zu  Decken 
angewendet  werden  durften)  überwunden  sein,  sodps 
eine  weitere  Anwendung  dieser  überaus  vielseitigen  Aus- 
führungsweise erwartet  werden  darf.  — 


Bedeutung  beigesteuert.  —.Die  Ausstellung  beginnt  jam 
II.  Nov.,  Abends  7V2Uhr,  und  wird  Dienstag  bis  Sonnäb^nd 
jeder  Woche  geöffnet  sein.  — j 

Die  Ausstellung  des  Vereins  für  deutsches  Kunstgewejrbe 
in  Berlin  zur  Feier  seines  25jährigen  Bestandes  in  den 
Räumen  der  kgl.  Akademie  der  Künste,  Unter  den  Lin- 
den 38,  wird  am  14.  Nov.  eröffnet;  sie  wird  zum  ersten 
Male  hervorragende  Leistungen  desBerliner  Kunstgewerbes 
aus  allen  seinen  Zweigen  in  künstlerischem  Rahmen  z\x- 
saramenfassen.  Das  Portal,  die  Vorhalle  und  das  Treppen- 
haus, die  bisherigen  Ausstellungsräume  der  kgl.  Akademie 
und  eine  zweite,  gleich  grosse  Zahl  von  Sälen,  die  seit 
dem  Umzuge  der  Hochschule  freistehen,  sind  von  den 
Bildhauern,  Malern,  Mosaikkünstlern,  Tischlern  und  Deko- 
rateuren unter  Leitung  des  Arch.  Prof.  A.  Grenander 
zu  über  30  künstlerisch  einheitlichen  Räumen  vollständig 
neu  umgestaltet.  — 


Preisbewerbungen. 

Der  Bebauungsplan  für  Santa-Cruz  auf  Teneriffa,  für 
die  etwa  25000  Einwohner  zählende  Hauptstadt  der  kana- 
rischen Inseln,  wird  , von  der  Stadtverwaltung  zum  Gegen- 
stände eines  öffentlichen  Wettbewerbes  gemacht.  Es  ge- 
langt eine  Preissumme  von  15000  Pesetas  (zu  0,81  M.)  zur 
Vertheilung.  Frist  3.  Juni  1903.  Unterlagen  durch  das 
Mus6e  comraercial  in  Brüssel.  — 

Ein  internationales  Preisausschreiben  zur  Erlangung 
von  Entwürfen  für  ein  neues  Rathhaus  in  Durban  in  der 
britischen  südafrikanischen  Kolonie  Natal  erlässt  der  Ge- 
meinderath unter  Verheissung  von  6 Preisen  in  Beträgen 
von  12 500  bis  2500 Frcs.  Die  Bausumme  ist  auf  4500000  M. 
festgesetzt.  Frist  ist  der  18.  Dez.  d.  J.  Dem  Verfasser 
des  besten  Entwurfes  soll  die  Ausführung  übertragen 
werden.  Näheres  durch  das  „Office  national  du  commerce 
extörieur"  in  Paris.  — 


Inhalt:  Die  Neubauten  der  königlichen  akademischen  Hochschulen 
für  die  bildenden  Künste  und  für  Musik  in  Charlottenburg.  — Bestimmung 
von  Flächeninhalten,  Schwerpunkten,  statischen,  Zentrifugal- und  Tiägheits- 
Momenten  mittels  des  Projektirbogens.  — Betoneisen-Pfahhost  vom  Neu- 
bau desÄ.mtsgerichtes- Wedding  in  Berlin.— Vermischtes.— Preisbewerbungen. 


Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort).  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  WUh.  Greve,  Berlin. 

No.  91. 


EUTSCHE 

XXXVI JAHR- 
*BERLIN  Hs 
«Ä:s:s:2t«:s!s!«rs:s: 


AUZEITUNG. 

GANG.  Hs  Hs  N2:  Q2.  Hs 

DEN  15.  NOV.  igo2.  * 
isrÄStftssÄsrsrarÄsrststsr 


Das  neue  Stadttheater  in  Köln. 

Architekt:  Regierungs-Baumeister  Karl  Moritz  in  Köln  a.  Rh. 

^Hierza  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  Seite  588  und  589.) 


er  Entwurf  des  kürzlich  eröffneten  zweiten 
Theaters  der  Stadt  Köln  ist  hervorgegan- 
gen aus  einem  öffentlichen  und  einem  be- 
schränkten Wettbewerb.  Bei  dem  erste- 
ren  wurden  preisgekrönt  die  Arbeiten  von 
Moritz,  Seeling,  Pflaume  und  Alfred  Müller;  an  der 
engeren  Bewerbung  betheiligten  sich  die  Hrn.  Moritz, 
Pflaume  und  Alfred  Müller.  Dem  Sieger,  Hrn.  Reg.- 
Bmstr.  Karl  Moritz,  wurden  Leitung  und  Ausführung 
in  Verbindung  mit  der  Baufirma  Ferdinand  Schmitz  in 
Köln  übertragen.  Das  nunmehr  vollendete,  am  mittleren 
Theile  der  Ringstrasse  sich  erhebende  Gebäude  ist  ein 
Werk  von  so  eigenartiger  Kraft  und  Schönheit,  dass 
es  die  Aufmerksamkeit  der  Fachgenossen  und  aller 
Kunstverständigen  in  hohem  Grade  fesselt. 

Ungewöhnlich  sind  zunächst  der  gewählte  Bau- 
platz und  das  Bauprograram.  Ersterer  besteht  aus 
zwei  durch  eine  Strasse  getrennten  Blöcken  von  vier- 
seitiger und  von  dreiseitiger  Gestalt,  die  ursprünglich 
zur  Bebauung  mit  Wohnhäusern  bestimmt  waren.  Das 
Programm  verlangte  ausser  dem  eigentlichen,  für  Oper 
und  Schauspiel  zu  benutzenden  Theater  eine  Garten- 
wirthschaft  an  der  Ringstrasse  und  ein  geräumiges  De- 
korationsmagazin. Der  Lageplan  S.  588  zeigt  die  allge- 
meine Anordnung.  Theater  und  Gartenwirthschaft  sind 
durch  eine  bei  Schluss  derVorstellung  zumAbholen  von 
Besuchern  bestimmte  Durchfahrt,  Theater  und  Magazin- 
gebäude durch  die  Engelbertstrasse  von  einander  ge- 
schieden. Die  Durchfahrt  ist  überbrückt  mittels  der 


Zugänge  zum  Restaurationssaale,  die  Ueberbrückung 
der  Engelbertstrasse  besteht  aus  der  Hinterbühne,  einer 
Probebühne  und  einem  Chorprobesaale.  Für  die  Rich- 
tungslinie des  an  den  Habsburger  Ring  anstossenden 
HohenzoUemringes  bildet  der  Theaterbau  einen  monu- 
mentalen Abschluss.  Die  verschiedenen  Bestandtheüe 
des  Gebäudes  treten  als  solche  deutlich  in  die  äussere 
Erscheinung;  auch  die  Bautheile  des  Theaters  selbst 
kennzeichnen  sich  nach  aussen.  Die  se^mentförmige 
Rückwand  des  Zuschauerraumes  setzt  sich  im  Foyer 
bis  zur  Hauptfront  fort,  deren  geschwungene  Form 
durch  die  Eckthürme  aufgenommen  wird.  Diese  ent- 
halten die  bis  ins  oberste  Geschoss  emporreichenden 
Gallerietreppen.  Zu  jedem  Range  führen  je  zwei  be- 
sondere Treppen  hinauf,  die  ebenfalls  in  der  Aussen- 
architektur  sich  ausprägen. 

Sieben  Bogenöffnungen  vermitteln  durch  eine  9 “ 
breite  offene  Vorhalle  den  Haupteingang  in  das  Haus, 
die  beiden  äussersten  zum  3.  Rang  und  zur  Gallerie,  die 
5 mittleren  zum  Vestibül  und  von  dort  zum  Parkett 
sowie  zum  Balkon  und  zum  i.  und  2.  Rang,  ln  allen 
Stockwerken  münden  dieTreppen  auf  helle,  mitToiletten 
ausgestattete  Garderoberäume  von  12  zu  16,5®  Grösse, 
also  von  bedeutenden  Abmessungen,  verbunden  durch 
breite  Wandelgänge  um  das  Rund  des  Zuschauer- 
raumes. Die  zum  Balkongeschoss  cmporleitenden 
Treppenhäuser  sind  besonders  reizvoll  ausgebildet, 
noch  vornehmer  ist  das  diesem  Geschoss  vorgelagerte 
Foyer.  Der  Wandelgang  des  ersten  Ranges  gewährt 


585 


einen  Einblick  ins  Foyef,  der  Wandelgang  des  zweiten 
Ranges  enthält  zwei  seitliche  Büffeträume,  die  Gallerie 
endlich  besitzt  einen  Erholungssaal  von  Breite  und 
33“^  Länge,  dessen  Zugänge  in  den  beiden  hochragen- 
den Thurmbauten  gelegen  sind.  Das  oberste  Geschoss 
beherbergt  überdies  die  Vorrichtungen  für  die  Er- 
wärmung und  Kühlung  des  Hauses.  Zu  diesem  Zwecke 
sind  die  seitlichen  Aufbauten  ihrer  Höhe  nach  in  drei 
Abtheilungen  zerlegt,  in  welche  die  frische  Luft  je  nach 
ihrer  Bestimmung  durch  Oeffnungen  in  der  Gallerie- 
stirnwand  eingesogen  wird.  Der  unterste  Raumtheil 
enthält  die  Kaltwasser-  und  Salzwasser-Gefässe,  über 
welche  die  Luft  streicht,  um  in  abgekühltem  Zustande 
das  Haus  zu  erreichen;  der  mittlere,  durch  Rabitzdecke 
und  Korkisolirung  abgetrennte  Theil,  nimmt  die  von 
unten  mit  Dampf  gespeisten  Rippenheizkörper  auf, 
welche  die  frische,  vorher  durch  Filter  gereinigte  Luft 
erwärmen  und  in  einen  dritten,  zu  oberst  angeordneten 
Kanal  einströmen  lassen,  wo  verstellbare  Klappen  ihren 
Eintritt  in  das  Zuschauerhaus  an  dessen  Decke  regeln. 
Durch  die  gleichen  Oeffnungen  kann  ebenso  der 
Eintritt  gemischter  wie  kalter  Luft  bewirkt  wer- 
den. Der  Abzug  der  verdorbenen  Luft  erfolgt 
unter  den  Parkett-  und  Lögensitzen  nach  einer 
an  der  Engelbertstrasse  gelegenen  Esse  hin,  vor 
welcher  ein  grosser  Exhaustor  eingebaut  ist. 

Der  Zuschauerraum  misst  21  zu  25“  und 
besitzt  ausser  dem  Parkett  {und  Parterre)  die 
Parkettlogen,  den  Balkon,  den  i.  und  den  2.  Rang 
mit  anschliessender  Gallerie.  Die  1806  Sitzplätze 
vertheilen  sich  wie  folgt:  Parkett  und  Parterre 
518,  Parkettlogen  72,  Balkon  126,  Balkonlogen 
106,  I.  Rang  272,  Logen  am  i.  Rang  42,  2.  Rang 
315,  Gallerie  355.  Auch  für  die  seitlichen  Sitze 
sind  dadurch,  dass  die  Rangbrüstungen  nicht 
wagrecht  laufen,  sondern  nach  der  Bühne  hin 
fallen,  und  dass  die  hinteren  Sitzreihen  stark 
überhöht  sind,  gute  Sehlinien  geschaffen.  Die 
Decke  ruht  auf  8 Stützpunkten,  zwischen  welchen 
4 grössere  und  4 kleinere  Stichkappen  den  Ueber- 
gang  zu  den  Umfassungswänden  vermitteln.  Das 
zusammenhängende  grosse  Deckenbild,  Prome- 
theus den  göttlichen  Funken  der  Kunst  zur  ver- 
langenden Menschheit  hinabbringend  (von  Maler 
Seuffert  aus  Düsseldorf),  wird  durch  keineMittel- 
krone  gestört.  Als  Haupt-Beleuchtungskörper 


dienen  Wandarme  an  den  8 Deckenstützen,  die  ein  ge- 
mischtes Bogen-  und  Glühlicht  ausstrahlen.  Die  für 
Theatersäle  übliche  Farbengebung  von  Gold,  Rothund 
Weiss  ist  zur  feineren  Abstimmung  mit  grauen  und 
tiefblauen  Tönen  durchsetzt.  Die  Akustik  hat  sich  als 
ganz  ausgezeichnet  erwiesen. 

Die  Bühne  wird  mit  ihrer  Breite  von  33“  und 
ihrer  Tiefe  von  20  nur  von  wenigen  der  grossen 
Hoftheater  in  den  Abmessungen  übertroffen;  ihre  Aus- 
nutzungsfähigkeit wird  gesteigert  durch  eine  12  breite, 
19“  tiefe  Hinterbühne.  Die  Bühnenöffnung  hat  die- 
selbe Weite,  wie  beim  Festspielhause  in  Bayreuth  und 
beim  Hofburgtlieater  in  Wien,  nämlich  12,75”.  Die 
Bühne  selbst  ist  beiderseitig  von  Fluren  umgeben,  die 
auf  die  Stockwerke  vertheilt  und  durch  zwei  besondere 
Treppenhäuser  verbunden  sind.  An  diesen  Fluren 
liegen  die  Ankleidezimmer  für  Solodamen  und  Solo- 
herren, Chor-  und  Knaben -Anldeideraum,  Statisten- 
saal, ein  Raum  für  Extrachor  und  eine  Rüstkammer; 
ferner  Kleiderkammern,  Schneiderei,  die  Probesäle 


Zur  Vollendung  der  Usambarabahn  in  Deutsch- 
Ostafrika. 

Von  Gustav  Seil,  Ingenieur. 

m 15.  März  d.  J.  hat  die  Betriebs  - Eröffnung  der 
Usambara-Eisenbahn  von  Tanga  bis  Korogwe  statt- 
gefunden, ohne  dass  die  baulichen  Anlagen  im  letzten 
Theile  der  Theilstrecke  „Muheza-Korogwe“  völlig  vollendet 
waren.  Nunmehr  sind  auch  diese  Restarbeiten  vollendet 
und  es  lohnt  sich,  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Ent- 
wicklung der  Usambarabahn  im  allgemeinen  und  über  den 
seitens  derkaiseriiehenRegierungbethätigtenBau  derTheil- 
strecke  „Muheza-Korogwe"  zu  werfen. 

Als  im  April  1891  die  Verwaltung  von  Deutsch-Ost- 
afrika seitens  der  Regierung  übernommen  worden  war, 
hatte  auch  bereits  eine  Privat-Gesellschaft  den  Bau  einer 
Eisenbahn  von  Tanga  aus  nach  den  Usambara-Bergen  zu 
in  Aussicht  genommen  und  im  Laufe  der  Jahre  den  Plan 
insofern  theilweise  verwirklicht,  als  von  ihr  der  Bau  der 
ersten  Theilstrecke  „Tanga-Muheza"  bewerkstelligt  wurde. 

Für  die  Erschliessung  des  Hinterlandes  von  Tanga, 
insbesondere  aber  für  den  Anschluss  der  in  Usambara 
entstandenen  Kaffeepflanzungen  an  die  Küste,  hätte  der 
Ausbau  der  Strecke  „Tanga-Muheza“  allein  nicht  genügt. 
Es  musste  daher  der  Weiterbau  über  Muheza  hinaus  bis 
mindestens  nach  Korogwe  ins  Auge  gefasst  werden,  der 
auch  in  der  Zeit  von  Juni  1899  bis  Juni  1902  vor  sich 
ging,  nachdem  der  Reichstag  die  Mittel  für  diesen  Weiter- 
bau in  Höhe  von  etwa  3,2  Mül.  M.  bewilligt  hatte  und 
durch  Kauf  die  erste  Theilstrecke  , „Tanga-Muheza“  von 
der  Usambara-Eisenbahn-Geseilschaft  am  7.  April  1899  an 
den  Reichsfiskus  übergegangen  war. 

Die  Längenentwiddung  der  nunmehrigen  Gesammt- 
strecke  beträgt  83,8  km.  Davon  entfallen  auf  die  Strecke 
„Tanga-Muheza“  39,6  km  und  auf  die  innerhalb  der  letzten 
drei  Jahre  erbaute  Strecke  „Muheza-Korogwe“  44,2  km. 

586 


Der  Bahnhof  Tanga  liegt  auf  etwa  ii™  ü.  N.  N ; der 
von  Muheza  auf  204  “ und  Korogwe  auf  292  m ü.  N.  N.  Es 
waren  also  auf  der  ersten  Strecke  etwa  193  m Steigung 
auf  39,6km^  und  bei  der  letzten  88“  auf  44, zu  über- 
winden. Dabei  war  die  Gradientenführung  nicht  eine 
gleichmässig  ansteigende,  sondern  es  mussten  wiederholt 
durch  Anwendung  von  Steigungen  bis  i ; 40  Höhenrücken 
überwunden  werden. 

Die  genauen  Vorarbeiten  der  seitens  des  Reiches  er- 
bauten Strecke  begannen  im  Frühjahr  1899  und  waren 
Anfangs  1900  so  weit  vorgeschritten,  dass  mit  den  Erd- 
arbeiten im  Zuge  der  ganzen  Linienführung  begonnen 
werden  konnte.  Die  Vorarbeiten,  welche  ebenso  wie  den 
Bau  die  kais.  Eisenbahn-Verwaltung  in  Tanga  leitete,  boten 
insbesondere  bei  der  Bearbeitung  der  Linie  im  Felde 
mancherlei  Schwierigkeiten,  die  durch  die  klimatischen 
Verhältnisse  noch  erhöht  wurden.  Für  die  Trassirung 
wurde  als  grösste  zulässige  Steigung  i : 40  und  als  kleinster 
Halbmesser  200“  zugrunde  gelegt.  Bei  der  verhältniss- 
mässig  untergeordneten  Bedeutung  der  Usambarabahn  und 
der  Spurweite  derselben  von  i “ erscheinen  diese  Grenzen 
als  sehr  eng  gezogen  und  es  Hessen  sich  daher  bei  dem 
wellenförmigen  Gelände  verhältnissmässig  grosse  Erdarbei- 
ten nicht  vermeiden.  Dieselben  betrugen  für  die  Baulänge 
von  44,2  km  etwa  Saocoocbm^  ausschliesslich  der  zu  lösen- 
den Gesteinsmassen  von  etwa  20  000  cbm.  Die  grössten 
Schwierigkeiten  boten  der  Durchstich  des  Bombuera-Sattels 
bei  km  50  der  Strecke  durch  einen  rd.  300  “ langen  und 
13™  tiefen  Einschnitt  mit  bedeutender  Felslösung  und  die 
Durchquerung  des  Luengerathales  auf  einem  7 km  langen 
Damm,  der  noch  innerhalb  des  Ueberschwemmungs-Ge- 
bietes  des  Luengeraflusses  liegt  und  daher  mit  zahlreichen 
Fluihöffnungen  versehen  werden  musste.  Der  Boden  be- 
steht in  der  Hauptsache  aus  Latent,  der  ein  gutes  Material 
für  die  Dammschüttungen  liefert.  Nur  in  dem  schon  ge- 
nannten Luengerathal  war  gutes  Schüttungsmaterial  nicht 

No.  92. 


für  Chor  und  Ballet  und  eine  vollständige  PVobehühile. 
— Der  Bühnenraum  hat  von  der  Sohle  der  Unter- 
Maschinerie  bis  zum  Dachfirst  43“  Höhe.  Die  frei- 
tragenden eisernen  Dachbinder  tragen  die  feste  Ober- 
Maschinerie,  Schnür-  und  Rollenboden,  seitliche  Ar- 
beitsgallerien,  Verbindungs-Brücken  und  Treppen.  Die 
Dekorationszüge  sind  in  6 Gassen  vereinigt;  eine  be- 
sondere Einrichtung  ist  der  Rundhorizont,  ein  als  Luft 
gemalter  Vorhang,  der  bei  grossen  freien  Fernsichten 
den  Hintergrund  auch  seitlich  unbegrenzt  erscheinen 
lässt.  Die  feste  Unter-Maschinerie  trägt  den  Bühnen- 
Fussboden  und  die  beiden  Unterbühnen  und  dient  gleich- 
zeitig zur  Führung  von  6 Versenkungen.  Die  Bewe- 
gungen geschehen  mit  Presswasser,  die  Druckpumpen- 
Anlage  wird  elektrisch  betrieben.  Auf  die  elektrische 
Bühnen-Beleuchtung,  die  Regen-Einrichtung,  den  eiser- 
nen Vorhang,  die  Flugwerke,  Läutewerke  und  andere 
Sonderanlagen  können  wir  hier  nicht  näher  eingehen. 
Entworfen  und  ausgeführt  wurde  die  ganze  Bühnen- 


Einrichtuhg  durch  den  auf  diesem  Gebiete  wohlbe- 
wanderten Ober-Maschinenmstr.  Rosenberg  in  Köln, 
Jenseits  der  Engelbertstrasse,  durch  die  Hinter- 
bühne mit  dem  Bühnenhaus  verbanden,  liegt  das 
Magazingebäude,  welches  neben  den  Aufbewahrungs- 
räumen für  Theater  - Requisiten  aller  Art  einen 
grossen  Malersaal,  Schlosserei,  Schreinerei,  Schmiede 
und  Stall  für  6 Pferde  enthält.  Die  Verbindung  eines 
solchen  Nutzbaues  mit  dem  Theatergebäude  ruft  stets 
ästhetische  Schwierigkeiten  hervor;  auch  hier  steht 
das  einfache  und  ungegliederte  Magazinhaus  mit  dem 
eigentlichen  Monumentalbau  nicht  recht  im  Einklänge, 
Die  bebaute  Grundfläche  der  ganzen  Baugruppe 
beträgt  5348 1“,  ohne  Magazin  4462  Im  Vergleich 
mit  der  letzteren  Zahl  haben  die  Theater  zu  Wies- 
baden 3350,  Bayreuth  3462,  München  (Prinzregenten- 
Theater)  rd.  3720,  Frankfurt  (Oper)  3767,  Dresden  5003, 
Wien  (Burgtheater)  5057  bebauter  Grundfläche.  — 

(Schluss  folgt.) 


Zur  Pensioninmg 

ie  wiederholten  Erörterungen  der  „Deutschen  Bau- 
zeitung"'^)  über  die  Frage,  ob  den  älteren  Baubeamten 
bei  der  Pensionirung  die  bei  Privat-,  Kommunal- 
bauten usw.  zugebrachte  Zeit  als  „Dienstzeit“  angerechnet 
werden  muss,  haben  dazu  geführt,  völlige  Klärung  die- 
ser für  die  Banbearaten  hochwichtigen  Frage 
in  der  Rechtsprechung  herbeizuführen.  Denn  eine 
Reihe  von  Baubeamten  haben  sich  durch  unsere  Ausfüh- 
rungen veranlasst  gesehen,  ihre  -wohlerworbenen  An- 
sprüche gegen  den  Fiskus  geltend  zu  machen.  Soweit 
wegen  Nichtablaufes  der  gesetzlichen  Frist  von  6 Monaten 
der  Rechtsweg  beschritten  werden  konnte,  sind  die  Be- 
amten, soweit  uns  bekannt  geworden  ist,  in  sämmtlichen 
Gerichtsinstanzen  durchgedrungen.  Der  Fiskus,  der  die 
Tragweite  der  höchstrichterlichen  Entscheidung  für  die 
gesammte  Staatsverwaltung  (nicht  nur  die  Bauverwaltung) 
sehr  wohl  einsah,  beruhigte  sich  aber  nicht  bei  den  zuerst 
ergangenen  höchstrichterlichen  Entscheidungen,  sondern 
ergriff  auch  in  späteren  Fällen  die  Gelegenheit,  von  neuem 
Entscheidungen  des  Reichsgerichtes  herbeizuführen.  Es 
liegen  zurzeit  vier  Reichsgerichts-Entscheidungen  *"‘')  vor, 
die  sich  über  die  bezeichnete  Frage  aussprechen.  Die 
Frage  ist  jetzt  von  zwei  Senaten  des  obersten  Gerichts- 


*>  Vgl'  Jahrgang  1897  S.  135,  1898  S.  287,  399,  617,  1902  S.  81. 

**)  Vom  12.  5.  1898  Entsch.  in  Zivilsachen  Bd.  4t  S.  iio,  vom  21.  3. 
1899  Bd.  43  S.  129,  vom  II.  IO.  igoo  Bd.  47  S.  283  und  vom  6.  5.  1901  uodi 
nicht  abgedruckt. 


der  Baubeamten. 

hofes  sowohl  für  die  Reichsbeamten,  als  auch  für  die 
preussischen  Staatsbeamten  im  Sinne  der  Beamten 
entschieden.  Namentlich  die  letzte  Entscheidung  ver- 
breitet sich  ausführlich  über  alle  Rechtsausführungen  des 
Fiskus,  sie  widerlegend,  so  dass  jetzt  wohl  die  Rechte  der 
Beamten  als  feststehend  angesehen  werden  können. 

Wenn  die  Baubeamten  für  eine  Zeit,  während  deren 
sie  Privatbeschäftigung  gehabt  und  aus  der  Staatskasse 
keine  Besoldung  empfangen  haben,  späterhin  Pension  for- 
dern, so  kann  das  zunächst  befremdend  klingen.  Die  eigen- 
thümlichen  Verhältnisse,  die  früher  im  Staatsbaufache 
herrschten,  brachten  es  aber  mit  sich,  dass  solche  Privat- 
beschäftigungen bei  den  meisten  Bauführern  und  Bau- 
meistern nothwendig  waren,  und  es  entspricht  — wenn 
man  von  der  Rechtsfrage  absieht — auch  der  Billigkeit, 
dass  den  Beamten  die  fragliche  Zeit  unverkürzt  ange- 
rechnet wird.  Die  letzte  Entscheidung  des  Reichs- 
gerichtes hat  eine  Reihe  wichtiger  staatsrechtlicher  Fra- 
gen erörtert,  von  denen  in  dieser  Zeitung  hauptsächlich 
folgende  von  Interesse  sind.: 

a)  Der  Kläger  war  erst  im  Jahre  1867  vereidigt  wor- 
den, nachdem  er  schon  1863  die  Bauführerprüfung  be- 
standen hatte  und  in  verschiedenen  Staatsstellen  beschäftigt 
worden  war.  Nach  dem  Ausspruche  des  Reichsgerichtes 
stand  dem  Kläger  der  Beweis  offen,  dass  er  schon  vor 
der  Vereidigung  in  den  Staatsdienst  getreten  war,  und 
diesen  Beweis  sieht  das  Reichsgericht  als  geführt  an. 


vorhanden  und  musste  zumtheil  viele  Kilometer  weit  her- 
angeschafft werden. 

Die  elementare  Gewalt  der  Tropenregen  verursachte 
während  der  Bauausführung  mehrfach  erhebliche  Be- 
schädigungen des  Bahnkörpers,  wodurch  wesentliche  Ver- 
zögerungen des  Baufortschrittes  entstanden. 

Besonderes  Augenmerk  musste  der  Lage  und  den 
Abmessungen  der  Bauwerke  geschenkt  werden.  Vor 
allen  Dingen  war  ein  eingehendes  Studium  der  Hoch- 
wasser-Verhältnisse und  der  Zuflussgebiete  zu  den  ein- 
zelnen Brückenöffnungen  nothwendig:  eine  nicht  leichte 
und  langwierige,  aber  ausserordentlich  wichtige  Aufgabe 
für  den  Erbauer  von  Tropenbahnen,  die  in  geschickter 
Weise  gelöst  wurde.  Es  sind  imganzen  135  Bauwerke, 
einschliesslich  der  Rohrdurchlässe,  zur  Ausführung  ge- 
kommen. Die  grösste  Spannweite  der  gewölbten  Durch- 
lässe beträgt  lo  die  Stützweite  der  bedeutendsten  eiser- 
nen Ueberbauten  18“  (in  42,3,  Uebergang  über  den 
Mnyuzi-  und  Luengerafluss).  Diese  Ueberbauten  bestehen 
aus  Parallelträgern  mit  zwischenliegender  Fahrbahn  und 
sind  derartig  ausgebildet,  dass  sie  in  wenigen  Tagen  und 
ohne  Nietung  auf  der  Baustelle  zusammengesetzt  werden 
konnten.  Der  grösste  Theil  der  Ueberbauten  wurde  aus 
Deutschland  bezogen;  nur  wenige  sind  in  der  Eisenbahn- 
Werkstätte  in  Tanga  hergestellt  worden. 

Die  Gründungen  der  Bauwerke  waren  meist  einfache. 
Nur  im  Luengerathal  wurden  theils  tiefe  Betonfundamente, 
theils  Pfahlroste  (Luengerabrücke)  nothwendig.  Das  Mauer- 
werk besteht  fast  ausnahmslos  aus  Gneis  von  vorzüglicher 
Beschaffenheit,  der  sich  überall  unweit  der  Baustellen  vor- 
fand. Aus  diesem  Gneis  wurde  auch  ein  treffliches  Schotter- 
material  von  grosser  Härte  gewonnen. 

Bei  den  Rohrdurchlässen  machte  man  auch  einen 
Versuch  mit  Zementrohren,  die  an  Ort  und  Stelle  fertig 
zum  Verlegen  hergestellt  wurden.  Leider  haben  sich 
diese  Rohre  nicht  bewährt;  sie  vermochten  nicht  ein- 


mal dem  aufruhenden  Erddruck  zu  widerstehen*).  — Die 
Stations- Anlagen  sind  den  Verhältnissen  entsprechend 
einfach.  Für  die  europäischen  Sireckenaufseher  sind 
alle  5 km  massive  Wärterhäuser  vorgesehen,  die  je  2 ge- 
räumige Zimmer  enthalten.  Dabei  ist  auf  möglichst  ge- 
sunde Lage  der  Wärterhäuser  Bedacht  genommen  worden, 
einige  der  Häuser  dienen  zugleich  als  Stationsgebäude.  In 
Muheza  sind  ausserdem  ein  Beamtenwohnhaus  und  ein  Loko- 
motivschuppen mit  2 Ständen  errichtet  worden,  während 
in  Tanga  der  Bau  eines  grösseren  Lokomotivschuppens 
und  eines  Haupl-Magazingebäudes  bewerkstelligt  wurde. 

Für  den  Oberbau  sind  Eisenschwellen  zur  Verwen- 
dung gekommen,  da  sich  Holzschwellen  aus  besten  Hölzern, 
selbst  bei  vorzüglicher  Imprägnirung,  nicht  bewährt  haben. 
Mit  dem  Verlegen  des  Oberbaues  wurde  Anfang  igor  be- 
gonnen, nachdem  die  Erdarbeiten  in  der  Hauptsache  voll- 
endet waren  und  die  Brückenbauten  ihrer  Vollendung  ent- 
gegengingen. Es  wurden  nach  einander  eröffnet  die 
Strecken  Muheza-Bombuera  (i.  Juli  1901),  Muheza-Kihuhwi 
(26.  August  1901),  Muheza-Mnyuzi  (5.  November  1901)  und 
am  15.  März  1902  wurde  die  gesammte  Strecke  Muheza- 
Korogwe  dem  Betriebe  übergeben.  Damit  war  die  so  noth- 
wendige  Verbindung  der  Küste  mit  Usambara  hergestellt. 

Die  Gesammtkosten  der  44,2 langen'.Strecke  Muheza- 
Korogwe  belaufen  sich  auf  etwa  3,8  Mül.  M.,  woraus  sich 
die  Kostensumme  von  rd.  86000  M.  für  i ergiebt. 

Das  Unternehmerthum  setzte  sich  fast  ausschliess- 
lich aus  Griechen  und  Italienern  zusammen,  die  im  all- 
gemeinen zur  Zufriedenheit  gearbeitet  haben,  ohne  dass 
ein  grosser  Theil  derselben  wirkliche  Fachkenntnisse  besass. 
Deutsche  fachmännisch  gebildete  Unternehmer  haben  sich, 
mit  einer  Ausnahme,  bedauerlicherweise  nichtum  grössere 
Arbeiten  beworben,  bei  deren  Ausführung  ein  schöner 
Verdienst  zu  erwarten  war.  — 

*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Dieser  Misserfolg  dürfte  wohl 
den  ungeübten  Arbeitskräften  zuzuschreiben  sein. 


15.  November  1902.  587 


Richard  WagQCT-Strasse. 


b)  DerFiskus'hatte  bestritten,  dass  den  Kläger  durch  leistungen  angenommene  Personal  nur  in  einem  gewöhn* 


die  Vereidigung  Beamteneigenschaft  erlangt 
habe.  Das  Reichsgericht  hat  dies  zunächst  durch  Hin- 
weis auf  die  in  allen  Staatsdienstzweigen  einlreten- 
den  Folgen  der  Vereidigung  zurückgewiesen,  indem  es 


liehen  bürgerlich  - rechtlichen  Arbeitsverhältnisse  zum 
Staate  steht  und  die  Vereidigung  ausgesprochener* 
maassen  nur  zu  dem  Zwecke  erfolgt,  für  bestimmte,  nur 
ausnahmsweise  eintretende  Fälle  dem  Arbeiter  die  Eigen- 


gegeben  und  dass  die  dieser  nach  Maassgabe  des  gelten-  „Es  trifft  demnach  nicht  zu,  wenn  in  der  von  dem 
den  Staatsrechtes  zustehende  Befugniss  zur  Verfügung  Beklagten  mitgetheilten  Denkschrift  betreffend  die  Dienst- 


über  die  Arbeitskraft  der  Beamten  grundsätzlich  anerkannt  und  Rangverhältnisse  der  bautechnischen  Beamten  vom 
war.  Es  heisst  weiter  in  dem  Urtheile:  Jahre  1874  S.  3 ausgeführt  wird,  einer  Disziplin  oder  Kontrole 


15.  November  1902, 


589 


seitens  der  Staatsbehörden  seien  die  Bauführer  und  Bau- 
meister bis  zu  ihrer  Anstellung  als  Land-,  Wasser-  oder 
Kreisbaumeister  weiter  nicht  unterworfen  worden.  Ob 
die  Ueberwächüng  der  Beschäftigung  der  Bauführer  und 
Baumeister,  soweit  sie  nicht  im  Staatsdienste  selbst  statt- 
fand, durch  den  Minister  für  Handel,  Gewerbe  und  öffentl. 
Arbeiten  eine  mehr  oder  minder  strenge  war  oder,  wie 
die  Revision  behauptet,  thatsächlich  rein  formell  gehandhabt 
wurde,  kann  , auf  die  Rechtslage,  wie  sie  durch,  die  in  den 
mitgetheilten  Vorschritteii  den  Bauführern  und  Baumeistern 
unter  Androhung  der  Zurückweisung  von  der  Baumeister- 
Prüfung  und  der  Nichtberücksichtigung  bei  der  Besetzung 
der  Staafsbeamtenstelieh-  äuferlegten  Verpflichtungen  ge- 
schaffen war,  keinen  Einfluss  ausüben/'  ....  „Die  Be- 
schäftigung der  Bauführer  bei. nicht  staatlichen  Bauaus- 
führungen war  immer  ein  Tlieil  des  staatlich  vorge- 
schriebenen Vorbereitungsdienstes  für  die  Bau- 
meister-Prüfung, die  den  Zugang  zu  den  festen  Staats- 
Baubearhtenstellen  .eröffnete.  Ebenso  war  die  Freigabe 
der  Thätigkeit  der  Baürheister  bis  zu  ihrer  festen 
Anstellung  nur  eine  Folge  der  thatsächlich  bestehenden 
Unmöglichkeit,  sie  säm'mtlich  bis  , dahin . bei  staatlichen 
Bauten  zu  beschäftigen;  aber  die  oben  dargestellten  Ver- 
pflichtungen, denen  sie  trotzdem  der  staatlichen  Aufsichts- 
Behörde  gegenüber  unterworfen  blieben-,  prägten  dieser 
Beschäftigung  doch  stets  den  Charakter  einer  vorüber- 
gehenden-, das  Staatsdienst- Verhältniss  nicht  aufhebenden 
Thätigkeit  auf,  die  es  dein  Baumeister  eben  nur  ermög- 
lichen sollte,  sich  für  seine  Anstellung  in  einem  festen 
Staatsamte  überhaupt  zu  erhalten  und  ihm  die  nöthige 
fortdauernde  Uebung  in  seinem  Berufe  zu  gewährleisten.“ 
d)  Das  Reichsgericht  hält  ferner  an  den  älteren  Ent- 
scheidungen insofern  fest,  als  es  die  gesammte  Laufbahn 
eines  höheren  Staatsbeamten  vom  Zeitpunkte  seines 
Diensteintrittes  an  als  ein  fortdauerndes  Dienst- 
. verhältniss  ansieht,  ohne  Unterschied,  inwieweit  sie  sich 


aus  der  Wahrnehmung  eines  bestimmten  etatsraässigeri 
oder  nicht  etatsmässigen  Staatsamtes  oder  zunächst  aus 
bloss  vorbereitender  Beschäftigung  für  die  Erlangung  der 
Fähigkeit  zu  einem  solchen  zusammensetzt,  sofern  sie  nur 
nicht  durch  wirkliches  Ausscheiden  aus  dem  unmittelbaren 
Staatsdienste  beendigt  wird.  Von  diesem  Gesichtspunkte 
aus  hat  das  Reichsgericht  dem  Kläger  die  im  Dienste 
der  Stadt  Berlin  und  der  provinzialständischen 
Zentralverwaltung  der  Rheinprovinz  zugebrachte 
Zeit  als  „Dienstzeit“  angerechnet. 

e)  Schliesslich  ist  ausgesprochen,  dass  die  vor  der 
Vereidigung  erfolgte  Beschäftigung  des  Klägers  bei  dem 
nicht  mit  Staatsmitteln,  sondern  für  Rechnung  des 
west  rheinischen  Bezirks -Strassenfonds  ausge- 
führten Strassenbau  von  Boppard  nach  Simmern,  dennoch 
eine  staatliche  Beschäftigung  gewesen  sei,  weil  der  Bau 
unter  Leitung  des  Staates  stattgefunden  habe  und  der 
Staat  den  Kläger  als  seinen  Beamten  zu  diesem  Bau  ab- 
geordnet habe.  — 

Wir  hoffen,  dass  es  nach  dieser  Entscheidung  die 
.Baubeamten  nicht  mehr  nöthig  haben  werden,  ihr  Recht 
in  schwierigen  und  langwierigen  Prozessen  zu  erkämpfen. 
Wenn  auch  der  Ausgang  der  .Prozesse  ziemlich  zweifellos 
war  und  der  Sieg  in  keiner  Instanz  ausgeblieben  ist,  so 
haben  die  Prozesse  doch  stets  die  Ungewissheit  lange  auf- 
recht erhalten  und  die  Kläger  wegen  der  mit  der  Prozess- 
führung verbundenen  grossen.  Kosten  in  bange  Sorge 
versetzt.  Wir  glauben,  die  Akten  über  diese  Streitfrage, 
die  seit  sieben  Jahren  die  Baubeamtenschaft  erregt,  jetzt 
schliessen  zu  können. 

"Dem  Unterzeichneten  sei  es  nur  noch  gestattet,  der 
„Dtschn.  Bauztg.“  seinen  Dank  dafür  auszusprechen,  dass 
sie  ihm  stets  bereitwilligst  ihre  Spalten  geöffnet  und  da- 
durch den  Bau-Beamten  einen  Vortheil  verschafft  hat,  der 
auf  andere  Weise  kaum  zu  erreichen  war.  — 

Landrichter  Dr.  Boethke  in  Berlin. 


Zur  Prüfung  von  Portland-Zement  nach  den  „Normen  für  einheitliche  Lieferung  und  Prüfung  von 

Portland-Zement/*') 


ie  bekannt,  hatten  sich  die  kgl.  mechanisch- tech- 
nische Versuchsanstalt  zu  Charlottenburg  und 
der  Verein  deutscher  Portland-Zerhent-Fa- 
brikanten  zu  gemeinsamer  Arbeit  vereinigt,  um  eine 
Neuregelung  der  vom  preuss.  Minister  der  öffentl.  Arbeiten 
mittels  Erlass  vom  lo.  Nov.  1878  anerkannten  und  einge- 
führten, später  durchgesehenen  und  mittels  Runderlass 
vom  28.  Juni  1887  von  neuem  genehmigten  preuss.  „Nor- 
men für  einheitliche  Lieferung  und  Prüfung  von 
Portiänd-Zement“  durchzüführen,  da  sich  die  Noth- 
wendigkeit  herausgestellt  hatte,  diese  Vorschriften  dem 
mit  der  zunehmenden  Verbesserung  der  Zementfabrikation 
sich  ändernden  Wesen  der  Erzeugnisse  besser  anzupassen 
und  namentlich  einzelne  wichtige  Bestimmungen  der  „Nor- 
men“, die  eine  verschiedenartige  Auslegung  zulässen,  ge- 
nauer festzulegen. 

Insbesondere  war  es  ausser  der  Bestimmung  des 
WasserzüsatZeS  zum  Normen-Mörtel  die  Frage  des  Misch- 
verfahrens, welche  dringend  einheitlicher  Regelung  be- 
durfte, da  es.  wegen  'der  bisherigen  unklaren  Vorschriften 
fast  unmöglich  geworden  war,  an  verschiedenen  Versuchs- 
stellen zu  vergleichbaren,  geschweige  denn  übereinstimmen- 
den Ergebnissen  bei  Prüfung  ein  und  desselben  Zementes 
trotz  anscheinend  genauer  Beobachtung  der  Ausführungs- 
Bestimrrfüngen  zu  gelangen.  Dazu  kam  die  Frage  der  Be- 
schaffung eines  gleichartigen  Normal • Sandes,  sodass  die 
Verhältnisse  schliesslich ' schleunige  Abhilfe  erforderten. 

Nachdem  die  Frage  der  Gewinnung  von  durchaus 
zuverlässigem  Normal-Sand,  eine  befriedigende  Lösung 
gefunden  hatte’),  galt  es,  auch  für  das  Mischverfahren  bei 
der  Prüfung  mit  Normal-Sand  und  für  die  Bemessung  des 
Wasserzusatzes  zum  Normen-Mörtel— welche  beide  Fragen 
nicht  von  einander  zu  trennen  waren  — geeignete  und 
einheitliche  Vorschriften  aufzustellen. 

Bekanntlich  schreiben  die  preuss.  Normen  hinsichtlich 
der  Herstellung  des  Normen-Mörtels'2)  nur  vor,  dass  die 
Mischung  von  Zement  und,  Normalsand  in  einer  Schüssel 
zunächst  trocken  und  nach  Zusätz  von  10  % Wasser  feucht 
gemischt  und  zwar  5 Minuten  lang  tüchtig  durchgearbeitet 
werden  soll. 

War  man  schon  -im.,- Laufe  der  Zeit  infolge  Mangels 
genauer  Bestimmungen  über  die  zu  benutzenden  Geräthe 
dazu  übergegangen,  'an  den  verschiedenen  Stellen  mit 
verschiedenen  Geräthen  verschiedenartig  zu  mischen,  so 

*)  Anrtierknh|  der  Redaktion.  Die  vorstehendea  Mittkeiluügen 
kommeQ  infolge  Raummangels  erst  verspätet  zum,  Abdruck. 

Protokoll  der  Verhandlungen  des  Vereins  deutscher  Portland- 
Gement-Fabrikanten.  1901. 

2)  I Gewichtstheil  Zement  -j~  3 Ge-wichtstheile  Normal-Sand. 


wurde  die  Einführung  einer  einheitlichen  Vereinbarung 
für  die  Herstellung  des  Normen-Mörtels  um  so  dringender, 
als  man  selbst  an  den  maassgebenden  Versuchsstellen  von 
der  Einhaltung  des  nach  den  Normen  für  alle  Zemente 
vorgeschriebenen  Wasserzusatzes  von  lo  % bereits  abwich, 
weil  die  Erfahrung  gelehrt  hatte,  dass  dieser  Zusatz  für 
Portland-Zemente,  wie  sie  nach  Aufstellung  der  „Normen“ 
in  Deutschland  erzeugt  wurden,  nur  in  den  seltensten 
Fällen  passten,  vielmehr  den  Mörtel  (i  Gewthl.  Zement -J- 
3 Gewthle.  Normal-Sand)  fast  stets  zu  feucht  und  somit 
zum  Einschlagen  in  die  Formen  ungeeignet  machten.  So 
verstand  es  sich  von  selbst,  dass  der  Wasseranspruch  der 
Eigenart  der  Zemente  angepasst  werden  musste,  weil  be- 
kanntlich die  Festigkeit  des  Mörtels  durch  die  Höhe  des 
Wasserzusatzes  ausserordentlich  beeinflusst  wird. 

Von  der  vorgenannten  Versuchsanstalt  und  den  Mit- 
gliedern des  bestehenden  Ausschusses  zur  Fesstellung  der 
Geräthe  für  die  Prüfung  von  Portland-Zement  wurden 
umfangreiche  Versuche  behufs  Erprobung  verschiedener 
Mischverfahren  und  zur  Ermittelung  des  Einflusses  der 
Art  des  Mischens  und  der  Mischarbeit  auf  die  Festigkeit 
des  Normenmörtels  ausgeführt.  Das  Ergebniss  führte  zu 
dem  Beschluss,  anstelle  des  bis  dahin  üblichen  Mischens 
von  Hand  das  maschinelle  Mischverfahren  einzuführen, 
um  den  Einfluss  der  Handarbeit,  die  viel  Willkürlichkeiten 
gestattete,  auszuschliessen,  besonders  nachdem  sich  heraus- 
gestelit  hatte,  dass  der  wahrscheinliche  Fehler  der  mit 
der  Maschine  gemischten  Proben  kleiner  wird,  als  der 
wahrscheinliche  Fehler  bei  der  Handmischung  an  ver- 
schiedenen Orten’’). 

Als  Mischapparat  wurde  der  von  Dir.  Steinbrück  in 
Karlstadt  a.  M.  ersonnene  und  von  der  Masch.-Fabrik 
A.  Schmelzer  in  Magdeburg  gebaute  Apparat  gewählt. 
Nachdem  dieser  noch  einige  Verbesserungen  erfahren 
hatte,  einigten  sich  im  Februar  1901  die  Versuchsanstalten 
zu  Stuttgart  und  Charlottenburg  mit  dem  Verein  deutscher 
Portland-Zement-Fabrikanten  zu  einem  festen  Beschlüsse 
hinsichtlich  des  Mischverfahrens  und  gleichzeitig  eines 
Verfahrens  für  die  Bestimmung  des  Wasserzusatzes,  der 
dem  preussischen  Minister  mit  der  Bitte  um  sinngemässe 
Anerkennung  als  Zusatz  zu  den  preussischen  Normen  vor- 
gelegt wurde.  Diesem  Gesuch  ist  mittels  Zirkularerlasses 
des  Ministers  der  öffentlichen  Arbeiten  vom  ig.  Februar 
d.  J.  entsprochen  worden.  Wegen  der  allgemeinen  Be- 
deutung dieses  Erlasses  für  das  Baugewerbe  im  allge- 
meinen und  die  Baubehörden  im  besondern,  sei  dieser 


8)  Prolokoll  der  Verhaadlungen  des  Vereias  deutscher  Portland-Ze- 
ment-Fabrikanten  1901. 


590 


No.  92. 


nachstehend  im  Wordaut  wiedergegeben.  „Die  im  Ab- 
satz VI.  der  Normen  für  die  einheitliche  Lieferung  und 
Prüfung  von  Portland-Zement  vom  28.  Juli  1887  gegebe- 
nen Vorschriften  zur  Anfertigung  der  Zement-Sandproben 
(Zugproben  und  Druckproben)  werden  durch  folgende 
Bestimmungen  ersetzt: 

Herstellung  des  Normen-Mörtels  (1:3)  und  der 
Probekörper  für  die  Festigkeits-Versuche, 

a)  Mischen  des  Mörtels. 

Das  Mischen  des  Mörtels  aus  i Gew.-Thl.  Zement  und 
3 Gew.-Thl.  Normal-Sand  soll  mit  der  Mörtel-Mischmaschine 
Bauart  Steinbrück-Schmelzer^),  Abb.  i,  wie  folgt  geschehen; 
SoofZement  und  1500  g Normalsand  werden  zunächst  trocken 
mit  einem  LöffeH)  in  einer  Schüssel  Vs  Minute  lang  ge- 
mischt. Dem  trockenen  Gemisch  wird  die  vorher  zu  be- 
stimmende Wassermenge  zugesetzt.  Die  feuchte  Masse 
wird  abermals  V2  Minute  lang  gemischt,  dann  in  dem 
Mörtelmischer  gleichmässig  vertheilt  und  durch  20  Schalen- 
umdrehungen bearbeitet. 

b)  Bestimmung  des  Wasserzusatzes. 

Die  Ermittelung  des  Wasserzusatzes  zum  Normen- 
Mörtel  erfolgt  unter  Benutzung  von  Würfelformen  in  fol- 


Abbildg.  1 a— c.  Mörtelmischer  Bauart  Steinbr ück-Schm elzer. 


gender  Weise ; Trockene  Mörtel- 
gemische in  oben  angegebener 
Menge  werden  beim  ersten  Ver- 
such mit  160  g (8Vo)  und,  wenn 
nöthig,  beim  zweiten  Versuch 
mit  200  g (10  0/0)  Wasser  ange- 
macht und  im  Mörtelmischer, 
wie  vorgeschrieben,  gemischt. 

860  g des  fertig  gemischten 
Mörtels  werden  in  die  Druck- 
form, deren  Aufsatzkasten  am 
unteren  Rande  mit  zwei  Nufhen 
nach  Abbildung  2 versehen 
ist,  gefüllt  und  im  Hammer- 
Apparat  von  Böhme  (mit  Fest- 
haltung nach  Martens)  mit  150 
Schlägen  eingeschiagen. 

Nach  dem  Verhalten  des 
Mörtels  beim  Einschlagen  ist  zu 
beurtheilen,  welcher  Grenze  der 
richtige  Wasserzusatz  am  näch- 
sten liegt;  danach  sind  die  Ver- 
suche mit  verändertem  Wasser- 
zusatz fortzusetzen. 

Der  Wasserzusatz  ist  richtig 
gewählt,  wenn  zwischen  dem 
90.  und  110  Schlage  aus  einer 
der  beiden  Nuthen  Zementbrei 
auszufliessen  beginnt. 

Das  Mittel  aus  3 Versuchs- 
körpern  mit  gleichem  Wasser- 
zusatz ist  maassgebend  und  gilt 
sowohl  für  Anfertigung  der  Zug-, 
als  auch  der  Druckproben. 

Der  Austritt  des  Wassers 
erfolgt  bei  noch  trockenen  Aufsatzkästen  langsamer,  als 
bei  schon  einmal  benutzten;  deshalb  ist  der  Versuch  bei 
erstmaliger  Benutzung  des  Aufsatzkastens  unsicher. 

Die  Beurtheiiung  des  Wasseranspruchs  nach  dem 
Schlammaustritt  bei  Zugproben  ist  unzuverlässig, 

c)  Herstellung  der  Probekörper. 

Die  Anfertigung  der  Probekörper  aus  Normen-Mörtel 
für  die  Zug-  und  Druckversuche'soll  wie  folgt  geschehen; 

*)  Die  Apparate  können  durch  das  chemische  Laboratorium  für  Thon- 
industrie,  Berlin  N.W.  5,  bezogen  werden. 

15.  November  1902. 


180  S des  vorschriftsmässig  gemischten  Mörtels  werden 
in  die  Normal  Zugforraen  und  860  g Mörtel  in  die  Normal- 
Würfelformen  gebracht  und  im  Hammerapparat  (Bauart 
Böhme)  mit  Festhaltung  (Bauart  Martens)  unter  Anwendung 
von  150  Schlägen  eingeschlagen. 

Die  aus  500  g Zement  und  1500  g Normal-Sand  ange- 
machte Mörtelmenge  reicht  zur  Anfertigung  von  2 Zug- 
proben und  2 Druckproben  aus. 

Die  Körper  werden  mit  der  Form  auf  nicht  absaugender 
Unterlage  in  feucht  gehaltene  bedeckte  Kästen  gebracht 
und  die  Zugproben  nach  etwa  1/2  Stunde,  die  Druckproben 
nach  etwa  20  Stunden  entformt,  24  Stunden  nach  erfolgter 
Herstellung  kommen  die  Körper  aus  den  Kästen  unter 
Wasser  von  15— i8°C,  aus  dem  sie  erst  unmittelbar  vor 
der  Prüfung  entnommen  werden  dürfen."  — 

Im  Anschlüsse  hieran  sei  die  Beschreibung  des  im 
Vorstehenden  genannten  Mörtelmischers,  der  in  seiner 
Konstruktion  dem  Leserkreise  d.  Ztg.  wenig  bekannt  sein 
dürfte,  an  Hand  der  Abbildg.  la— c beigefügt. 

Der  in  der  Abbildung  dargestellte  Apparat,  besteht 
aus  einer  Mischschale  s,  in  welcher  der  Mörtel  unter  dem 
Gewicht  der  in  gleicher  Richtung  wie  die  Schale,  aber 
mit  anderer  Geschwindigkeit  laufenden  Walze  to  nieder- 


gedrückt und  ausgestrichen  wird,  um  darauf  an  den  beiden 
Abstreichern  m und  n wieder  aufgelockert  und  gewendet 
zu  werden.  Die  Abstreicher  können  mit  dem  Hebel  h zu- 
sammen zurückgeschlagen  werden  und  auch  die  Achse  der 
Walzern  kann  ausgehoben  und  zurückgelegt  werden;  als- 
dann lässt  sich  der  Apparat  bequem  entleeren  und  von 
anhaftendem  Mörtel  reinigen. 

Der  Antrieb  der  Schale  s und  der  Walze  w erfolgt, 
wie  aus  der  Abbildung  ersichtlich  ist,  durch  Zahnräder, 
die  ihrerseits  von  Hand  mittels  einer  Kurbel  oder  mit 
Riemen  oder  Riemenscheiben  mechanisch  bewegt  werden. 
Im  letzteren  Falle  wird  der  Riemen  an  die  Riemenscheibe 
durch  eine  Spannrolle  angedrückt,  die  mittels  eines  Hebels 
leicht  ausgerückt  werden  kann,  so  dass  der  Apparat  nach 
der  vorgeschriebenen  Umdrehungszahl  augenblicklich  zum 
Stillstand  kommt.  Die  Umdrehungs-Geschwindigkeit  der 
Misch-Schüssel  ist  so  zu  bemessen,  dass  diese  im  Vollgange 
8 Umdrehungen  in  i Minute  macht.  , 

Der  V2  Minute  lang  in  der  Misch-Schüssel  feucht  ge- 
mischte Mörtel  wird  in  der  Misch-Schale  gleichmässig  ver- 
theilt, und  zwar  soll  jedesmal  die  Masse  von  500  S Zement^) 


Grössere  Mengen  vermag  die  Schale  nicht  zu  fassen.  Im  übrigen 
würde  auch  bei  Verwendung  verschiedener  Mörtelmengen  der  Mörtel  ver- 
schieden stark  bearbeitet  und  infolge  dessen  seine  spätere  Festigkeit  be- 
einflusst werden. 


591 


und  1500  i Normal-Sand  nebst  dem  dazu  gehörigen  Wasser 
zum  Mischen  in  die  Schale  gebracht  werden. 

Nach  20  Umdrehungen,  also  nach  2V2  Minuten,  wird 
der  Arm  h mit  den  beiden  Abstreichern  m und  n und  der 
Hebel,  welcher  die  Walze  iv  trägt,  aufgeklappt  und  die 
Misch-Schale  mit  einer  eigens  hierfür  konstruirten  Schippe 
geleert.  Zu  beachten  ist,  dass  beim  Mischen  der  unter 
der  Walze  vorkommende  Mörtel  zuerst  den  Abstreicher  m 
und  dann  erst  den  Abstreicher  n passirt. 

Um  zu  übereinstimmenden  Ergebnissen  bei  Prüfung 
eines  Zementes  an  verschiedenen  Orten  zu  gelangen, 
müssen  natürlich  die  benutzten  Apparate  in  ihren  wesent- 


Vermischtes. 

Ein  Volksheim  in  Jena.  Als  eine  grossartige  Schöpfung 
der  Carl  Zeiss-Stiftung  ist  in  Jena  nach  den  Plänen  des 
Hrn.  Brth.  Dr.  A.  Rossbach  in  Leipzig  eine  Anlage  be- 
gonnen und  vor  kurzem  in  ihrem  ersten  Theile  vollendet 
worden,  welche  auf  ein  Interesse  in  weiten  Kreisen  wird 
rechnen  können.  Es  ist  ein  Volksheim,  welches  als  eine 
grössere  Gebäudegruppe  errichtet  wird,  die  einen  Saalbau 
mit  Bühne  für  etwa  1400  Plätze  für  politische,  gesellschaft- 
liche, musikalische  und  theatralische  Veranstaltungen,  Aus- 
stellungsräume für  künstlerische  und  industrielle  Zwecke, 
Hörsäle  für  wissenschaftliche  und  volksthümliche  Vorträge, 
sowie  eine  Lesehalle  mit  Volksbibliothek  umschliesst.  Letz- 
tere ist  als  erster  Theil  der  Anlage  kürzlich  vollendet  wor- 
den. Dem  Stadtcharakter  entsprechend  w^lte  der  Architekt 
für  sie  bei  gruppirter  Anlage  die  Formen  der  deutschen 
Renaissance  unter  sparsamer  Verwendung  des  malerischen 
Fachwerkes.  — 

Das  Atelier  für  Glasmalerei  des  Prof.  A.  Linnemann  In 
Frankfurt  a.  M.  wird  von  den  Söhnen  des  Verstorbenen, 
den  Hrn.  Rudolph  und  Otto  Linnemann,  beide  Schüler 
ihres  Vaters,  die  ihm  lange  Jahre  als  Mitarbeiter  zur  Seite 
gestanden  haben,  in  unveränderter  Weise  fortgeführt  wer- 
den. Die  Künstler  versichern,  dem  Beispiele  ihres  Vaters 
wenigstens  insoweit  folgen  zu  wollen,  „als  uns  nur  die  Liebe 
zu  unserer  Kunst  und  die  Freude  an  den  uns  gestellten 
Aufgaben,  nie  aber  andere  Interessen  leiten  werden“.  — 


Prei-sbewerbungen. 

Die  architektonische  Ausgestaltung  des  Brigittaplatzes 
In  Wien  war  zum  Gegenstände  eines  Wettbewerbes  ge- 
macht, der  sich  auf  die  Entwürfe  für  ein  neues  Amtshaus 
und  für  zwei  dasselbe  flankirende  städt.  Zinshäuser  bezog. 
Es  liefen  19  Entwürfe  ein.  Dem  Preisgerichte  gehörten 
an:  Brth.  Deininger,  Ob.-Brth.  Berger,  Arch.  Jelinek, 
Prof.  König,  Arch,  Urban  und  Ob.-Brth.  Otto  Wagner. 
Das  Preisgericht  verlieh  die  3 ausgeschriebenen  Preise 
den  Entwürfen  der  Hrn.  K.  Badstiebner,  Arth.  Streit 
und  M.  Mossbäck;  die  Entwürfe  der  Hrn.  R.  Tropsch, 
R.  H.  Krausz  und  R.  Bernt  wurden  zum  Ankauf  em- 
pfohlen. Eine  aus  den  Hrn.  Brth.  Deininger,  Ob.-Brth. 
Wagner  und  Arch.  Urban  bestehende  Minorität  des 
Preisgerichtes  wollte  die  Preise  an  die  Hrn.  Badstiebner, 
Tropsch  und  H.  Mayer  in  Gemeinschaft  mit  E.  Hoppe 
vertneilen.  — 

Chronik. 

Zu  der  evangelischen  Stephanskirche  in  Berlin,  die  sich 
aa  der  Ecke  der  boldinerstrasse  und  der  Prinzen-Allee  erheben 
■wird,  ist  kürzlich  der  Grundstein  gelegt  worden.  Der  Entwurf 
stammt  von  Hrn.  Brth.  Bürckner;  die  Kirche  wird  rsoo  Sitzplätze 
enthalten  und  rd.  500000  M.  kosten.  — 

Zur  Anlage  eines  Zentralfriedhofes  Südwest  von  Berlin 
ist  bei  Stahnsdorf  ein  Gelände  von  etwa  600  preuss.  Morgen  er- 
worben v/orden.  — 

Das  neue  Oberpostdirektions- Gebäude  zu  Königsberg 
i.  Pr.,  ein  mit  einem  Anfwande  von  950000  M.  errichteter  statt- 
licher Monumentalbau,  ist  kürzlich  in  Benutzung  genommen  worden. 
Das  Gebäude  ist  im  Stile  der  mittelalterlichen  Backsteinbaukunst 
der  norddeutschen  Tiefebene  errichtet.  — 

Eine  Wiederherstellung  des  Schlosses  Tirol  bei  Meran, 
welches  sich  im  Staatsbesitz  befindet,  wird  durch  den  Architekten  Alois 
Gstrein  von  Brixen  geleitet.  Wie  es  scheint,  sind  neben  der  eigent- 
lichen Wiederherstellung  umfangreicheErgänzungsarbeiten  geplant. — 
Für  die  Errichtung  eines  königlichen  Residenzschlosses 
in  Posen  sind  die  Verhandlungen  eingeleitet.  — 

Ein  vaterländisches  Museum  in  Braunschweig.  Durch 
die  Verbindung  des  Chores  der  in  ihren  übrigen  Bautheilen  bau- 
fälligen Paulinerkirche , die  niedergelcgt  werden  soll,  mit  dem 
Aegidienkioster  wird  in  Braunschweig  eine  Museums-Anlage  ge- 
schaffen, welche  in  ihren  Grundzügen  auf  das  System  des  Ger- 
manischen National-Museums  in  Nürnberg  zurückgeht.  — 

Eine  neue  Filiale  der  bayerischen  Bank  in  Passau  ist 
nach  den  Entwürfen  des  Architekten  Dir.  Kempf  in  Passau  er- 
richtet worden.  — 

Zur  Aufstellung  eines  Mozartdenkmales  in  Dresden  soll  ein 
Wettbewerb  unter  sächsischen  Künstlern  ausgeschrieben  werden.  — 

592 


liehen  Theilen  unter  einander  und  namentlich  mit  den  in 
der  Versuchsanstalt  zu  Charlottenburg  verwendeten  über- 
einstimmen. Die  Sollmaasse  und  Gewichte  für  den  Mörtel- 
mischer sind  in  folgender  Tabelle  zusammengestellt; 


Gewicht  j Dicke  , 

1 Durch-  ! 

Abstand  x 

der  Mischwalze  1 

j der  Walze 

1 punkt  der 
1 Schale  bis 
i Mitte  Walze 

mit  Achse  j ohne  Achse  j 

■ 1 

1 Schale 

kg  1 kg  i 

: cm 

21,5-22,0  j 19,1-19,4  8,08 

20,25-20,35 

1 0,50—0,60 

! 19,7—19)8 

Btz. 


Der  Plan  einer  elektrischen  Schnellbahn  Brüssel-Ant- 
werpen als  Schwebebahn  System  Langen  geht  von  der  Societe 
Cockerill  in  Seraing  aus  und  wird  in  Gemeinschaft  mit  der  „Kon- 
tinentalen Gesellschaft  für  elektrische  Unternehmungen''  in  Nürn- 
berg verfolgt.  — 

Die  neue  Bethanienkirche  ln  Neu-Weissensee  bei  Berlin 
(s.  Chronik  S.  568)  ist  nach  dem  Entwürfe  des  Hrn.  Geh.  Reg.-Rath 
V.  Tiedemann  unter  der  Leitung  des  Hrn.  Reg -Bmstr.  Leibnitz, 
dem  auch  die  Ausarbeitung  des  Entwurfes  und  die  Anfertigung  der 
Zeichnungen  für  den  inneren  Ausbau  übertragen  waren,  errichtet 
worden.  — 

Brand  des  Theaters  in  Reval  (Esthland).  Am  8.  Nov.  ist 
das  Stadttheater  von  Reval  vollständig  niedergebrannt.  Dasselbe 
ist  schon  einmal  abgebrannt,  und  zwar  im  Jahre  1855.  Dieses  Ge- 
bäude war  i8o2  erbaut  worden.  Der  Neubau  wurde  1860  vollendet 
und  eröffnet  und  erst  im  vorigen  Jahre  wieder  umgebaut  und  mit 
einer  neuen  Beleuchtungsanlage  versehen.  — 

Der  Neubau  der  Seehandlung  am  Gensdarmen-Markt  in 
Berlin,  der  nach  Plänen  errichtet  wird,  die  im  preuss.  Ministerium 
der  öffentl.  Arbeiten  unter  der  Leitung  der  Hrn.  Geh.  Brth.Kieschke 
und  Bauinsp.  Kern  entworfen  wurden  und  von  Hrn.  Landbauinsp. 
Bürde  geleitet  wird,  dürfte  in  der  zweiten  Hälfte  des  nächsten 
Jahres  seiner  Bestimmung  übergeben  werden.  — 

Die  Errichtung  eines  Museums  am  Friedrichsplatze  in 
Mannheim,  gegenüber  der  neuen  Festhalte  des  Architekten  Prof. 
Bruno  Schmitz  in  Berlin,  wird  durch  eine  Stiftung  des  General- 
konsuls Reiss  ermöglicht.  — 

Brand  der  Genofeva-Burg  bei  Mayen,  Reg.-Bez.  Koblenz. 
Das  alte  Wahrzeichen  der  Stadt  Mayen,  der  hohe  Thurm  derGeno- 
feva-Burg  nebst  den  anstossenden  alten  Burggebäuden  ist  gestern 
abgebrannt.  — 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Reg.-  u.  Brth.  Herr  in  Berlin  und  dem 
Stadtbmstr.  Thoma  in  Freiburg  i.  B.  ist  der  Rothe  Adler-Orden 
IV.  Kl.  und  dem  Reg.-Bfhr.  Hugo  Schneiders  in  Schroda  ist 
die  Rettungs-Medaille  am  Bande  verliehen. 

Versetzt  sind:  die  Wasser-Bauinsp.  V i s a r i u s von  Düssel- 
dorf nach  Osnabrück  und  Volk  von  Glückstadt  nach  Geestemünde 
und  der  Kr. -Bauinsp.  Krücken  von  Lauenburg  nach  Weilburg. 

Dem  Eisenb.-Dir.  Schumacher  in  Potsdam  ist  der  Char. 
als  Geh.  Brth.  verliehen. 

Der  Arch.  Hruby  und  der  Reg.-Bmstr.  Teutschbein  an  der 
Baugewerkschule  in  Nienburg  a W.  sind  zu  kgl.  Ob.-Lehrern  ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Wilh.  Rettig  aus  Kassel  und  Edw.  Klee- 
mann aus  Berlin  (Hochbfeh.),  — Jul.  J a c 0 b y aus  Nauen  (Wasser- 
u.  Strassenbfeh.),  — Karl  Andre  aus  Wolfenbüttel,  Alfr.  B a um- 
g a r t e n aus  Euskirchen,  Heinr.  Voigt  aus  Berlin  u.  Erich  G i e s e 
aus  Küstrin  (Eisenbfeh.),  — Rieh.  Bartholomäus  aus  Erfurt 
(Masch.-Bfeh.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Gg.  Benthien  in  Berlin  ist  die  nachges. 
Entlass,  aus  dem  Staatsdienste  ertheilt. 

Sachsen-Weimar.  Der  Brth.  Hässner  in  Neustadt  a.  d.  Orla 
ist  gestorben. 

Württemberg.  Der  Reg.-Bmstr.  Fell  in  Niederstetten  ist 
zum  Abth.-Ing.  bei  der  Eisenb.-Bausekt.  Mühlacker  befördert. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  C.  in  Stassfurt.  Wir  nehmen  an,  dass  Ihre  nicht 
genau  gefasste  Anfrage  dahin  zu  verstehen  ist,' dass  der  Betreffende 
den  Entwurf  der  Villa  aufgestellt,  die  Ausführungs-Zeichnungen  ge- 
fertigt und  dann  die  Oberleitung  beim  Bau  ausgeübt  hat.  In  diesem 
Falle  kommen  ihm  rd.  5”o  der  Bausumme  zu  und  zwar  der  that- 
sächlichen  Kosten,  da  diese  auf  Veranlassung  des  Bauherrn  sich 
entsprechend  erhöht  haben.  Ist  lediglich  die  Bauleitung  (auch  ohne 
Anfertigung  der  Bauzeichnungen)  ausgeübt  worden,  so  sind  nur 
20  “/o  obigen  Honorars  zu  verrechnen.  Bestimmungen,  bei  welcher 
Entfernung  vom  Wohnort  der  Weg  besonders  zu  vergüten  ist,  ent- 
hält die  Gebührenordnung  nicht.  Bei  staatlichen  Dienstreisen  ist 
eine  Mindestentfernung  von  2 km  erforderlich,  die  in  Ihrem  Falle  Ja 
wesentlich  überschritten  ist.  Der  Diätensatz  ist  niedrig  bemessen.  — 
Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Giebt  es  einen  Submissions-Anzeiger  für  Kirchenbauten  oder 
eine  Zeitschrift,  die  sich  nur  mit  solchen  Bauten  beschäftigt?  — 

V.  d.  B.  in  M. 

Inhalt:  Das  neue  Stadttheater  in  Köln.  — Zur  Vollendung  der  Usambara- 
batm  in  Deulsch-Ostafrika.  — Zur  Peasionirurg  der  Baubeamten.  — Zur 
Prüfung  von  Poriland-Zement  nach  den  Normen  für  einheitliche  Lieferung 
und  Prüfung  von  Portland-Zement.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen. 
— Chronik-  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasteo. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Das  neue  Stadttheater  in  Köln. 

Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wüh.  Greve,  Berlin. 

No.  92. 


JAHRGANG  1902  - NO- 92  * 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  93.  Berlin,  den  19.  November  1902. 


KaisersaaPder  deutschen  Abtheilung.  Architekt:  Herrn.  Billiag  in  Karlsruhe  i.  B. 

I.  Internationale  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  ln  Turin  im  Jahre  1902. 


Die  elektrische  Stadtbahn  von  Paris. 


(Nach  einem  Vortrage,  gehalten  itn  Hamburger  Arch.- 
ährend  die  englischen  Grosstädte  schon  lange  zur 
Bewältigung  des  örtlichen  Verkehrs  Stadtbahnen 
mit  Voll-  oder  Kleinbahn-Charakter  besitzen,  ist  man 
in  Paris  erst  in  jüngster  Zeit  zur  Anlage  von  Stadtbahnen 
geschritten*).  Der  Stadtverkehr  war  bis  zum  Jahre  1900 
auf  Omnibus,  Pferdebahnen  undStrassenbahnen  mit  Dampf-, 
Druckluft-  bezw.  elektrischem  Betrieb  angewiesen.  Nicht 
weniger  als  13  verschiedene  Systeme  sind  in  Anwendung. 
Alle  diese  Betriebsmittel  wirthschaften  ungewöhnlich 
theuer.  Da  in  Paris  sehr  viele  Leute  nahe  bei  ihrer 
Arbeitsstätte  wohnen,  so  ist  der  werktägliche  Verkehr 
zwischen  letzteren  und  den  Wohnstätten  weniger  aus- 
geprägt, als  in  manchen  anderen  Grosstädten.  Dagegen 
stellt  der  Feiertagsverkehr  überaus  hohe  Ansprüche  an  die 
Verkehrsmittel.  Die  vorhandene  Gürtelringbahn  leistet 
für  den  eigentlichen  Stadtverkehr  verhältnissmässig  wenig. 
Das  Bedürfniss  einer  Stadtbahn  ist  daher  schon  alt.  Eine 
Reihe  von  Entwürfen  — theils  als  unterirdische  Voll- 
bahnen, theils  als  Hochbahnen  und  theils  als  Röhren- 
bahnen nach  Londoner  Muster  gedacht  — sind  ohne  Er- 
folg geblieben.  Während  der  Staat  grossen  Werth  auf 
den  Anschluss  der  Fernbahnen  an  die  Pariser  Stadtbahnen 
legte,  wünschte  die  Stadt  ein  binnenstädtisches  Kleinbahn- 
netz unter  Ausschluss  jeder  Anschlussmöglichkeit  an  die 
Fernbahnen.  Im  Jahre  1895  fand  im  Hmblidc  auf  die 
Weltausstellung  von  1900  eine  Verständigung  zwischen 
Staat  und  Stadt  über  ein  ausschliesslich  Pariserisches 
Kleinbahnnetz  statt.  i8g8  wurden  sechs  Linien  gesetzlich 
genehmigt  und  gleichzeitig  schloss  die  Stadt  Paris  einen 
Bau-  und  Betriebsvertrag  mit  der  neugegründeten  „Com- 
pagnie du  chemin  de  fer  mötropolitain  de  Paris“  ab,  nach 
welchem  die  Stadt  den  eigentlichen  Bahnkörper,  die  Ge- 
sellschaft dagegen  die  Eingänge  zu  den  Haltestellen,  den 
Oberbau  und  alle  Betriebs  - Einrichtungen  herzustellen 


*)  Vergl.  die  Mittheilungen  im  Jahrg.  1900  S.  191  und  403. 


und  Ing.-Verein  von  Hrn.  Reg.-Bmstr.  a.  D.  Stein.) 
hatten.  Die  weitgehende  Trennung  von  Bau  und  Betrieb 
erscheint  ziemlich  wenig  nachahmenswerth,  weil  die  Be- 
triebsrücksichten dabei  nicht  genügend  znr  Geltung  kom- 
men. Es  wurde  der  Bau  von  8 Linien  von  zusammen 
78,5  km  Länge  vorgesehen,  von  denen  3 bis  1906,  3 bis 
1911  und  weitere  2 bis  1916  fertig  gestellt  sein  sollten. 
Die  Zusammensetzung  der  Linien  erwies  sich  jedoch  als 
für  den  Betrieb  durchaus  ungeeignet,  sodass  eine  ander- 
weitige Zusammensetzung  nach  8 von  einander  unab- 
hängigen Strecken  erfolgen  musste.  Die  Verbindung  die- 
ser Strecken  mit  einander  beschränkt  sich  — abgesehen 
von  Hilfsgleisen  — auf  den  Umsteigeverkehr  und  ist  da- 
her sehr  vielseitig,  aber  nicht  bequem.  Nach  den  ander- 
wärts gemachten  Erfahrungen  dürfte  das  Publikum  im 
Wohnverkehr  das  Umsteigen  möglichst  vermeiden  und 
daher  die  Durchmesserlinien  bevorzugen,  die  Quer-  und 
Ringlinien  dagegen  vernachlässigen.  Im  Feiertagsverkehr 
aber,  bei  welchem  schon  jetzt  häufig  nur  vollbesetzte 
Züge  von  den  Endstationen  abfahren,  dürfte  der  Umsteige- 
verkehr leicht  zu  einer  gefährlichen  Verstopfung  der  Um- 
steigestationen führen. 

Auf  der  Linie  Porte  Vincennes-Porte  Maillot  sind  in 
den  ersten  7 Monaten  d.  J.  durchschnittlich  je  5150780 
Fahrgäste  befördert,  entsprechend  einem  Jahresverkehr 
von  rd.  6r  Mill.  Personen  und  einem  kilometrischen  Jahres- 
verkehr von  rd.  5900000  Personen.  Der  kilometrische 
Jahresverkehr  beträgt  auf  den  Nebenlinien  Porte  Dauphine- 
Stern  und  Trocad^ro-Stern  gegenwänig  1,65  und  MiÜ. 
Personen.  Die  Einnahmen  werden  in  diesem  Jahre  min- 
destens 7900000  M.  betragen,  bei  einem  Durchschnitts- 
erlös von  etwas  über  12  Pf.  für  jede  Fahrt.  Die  Stadt 
erhält  fast  genau  Vs  der  Brutto-Einnahme  und  erfreut  sich 
einer  sehr  guten  Verzinsung  ihres  Anlagekapitals.  Sie 
würde  schon  bei  einem  kilometrischen  Jahresverkehr  von 
rd.  2 Mill.  Personen  annähernd  auf  ihre  Kosten  kommen. 
Die  Lage  der  Betriebsgesellschaft  ist  wesentlich  ungünstiger. 


593 


Die  ersten  6 Linien  bestehen  zu  70,1  % aus  Tunneln, 
zu  16.3%  aus  Viadukten  und  zu  13,6  % aus  offenen  Ein- 
schnitten. Die  Wagenb reite  des  Pariser  Profils  (2,40“) 
hat  sich  als  zu  knapp  erwiesen.  Die  grösste  Lichtweite 
des  Tunnels  stellt  sich  auf  7,10“,  die  Durchfahrtshöhe 
auf  3,50  die  Gesammthöhe  des  gewölbten  zweigleisigen 
Tunnelkörpers  auf  6,25 

Der  Pariser  Untergrund  besteht  aus  einem  weichen 
Kalkstein  (Marne)  und  ist  überlagert  von  mergeligen  Sand- 
schichten. Er  eignet  sich  wegen  des  tiefen  Grundwasser- 
standes ungewöhnlich  gut  für  Tunnelar  beiten.  Infolgedessen 
ist  in  Paris  mit  geringen  Ausnahmen  ein  gewölbtes  Tunnel- 
profil angewendet  und  nur  bei  geringer  Konstruktionshöhe 
sind  eiserne  Decken  ausgeführt  worden,  welche  wegen 
des  Fehlens  von  Zwischenstützen  wesentlich  theurer  als 
Gewölbe  geworden  sind.  Anfänglich  wurde  an  ii  Stellen 
mit  dem  Chagnaud'schen  Brustschilde  gearbeitet,  dieser 
Vortrieb  hat  sich  aber  nicht  sonderlich  bewährt  und  ist 
durch  bergmännische  Zimmerung  ersetzt  worden.  Meistens 
wurde  nach  belgischer  Bauweise  — Herstellung  des  Ge- 
wölbes in  Firststollen  und  nachträgliche  Ausführung  der 
Widerlager  — gearbeitet,  z.Th.  auch  in  umgekehrter  Reihen- 
folge oder  in  offener  Aufgrabung  unter  Benutzung  des  Erd- 
bodens als  Lehrbogen.  In  der  Rivolistrasse  wurde  in  offener 
Baugrube  bei  Sperrung  des  Fahrvencehres  gearbeitet. 

Das  Mauerwerk  besteht  theils  aus  Beton,  theils  aus 
einem  rohen  Bruchsteinmauerwerk  mit  Zementmörtel- 
Hinterspriizung  und  innerem  Zementputz.  Die  gewölbten 
Haltestellen  sind  mit  weissen  Porzellansteinen  verkleidet. 
Die  Eingänge  zur  Untergrundbahn  sind  in  der  Regel  für 
beide  Bahnsteige  gemeinschaftlich,  die  zu  diesem  Zwecke 
oberhalb  der  Gleise  durch  Quergänge  mit  einander  ver- 
bunden sind.  Die  Treppenhöhe  beträgt  infolgedessen  meist 
nicht  unter  6 “i.  Die  Eingangstreppen  sind  in  den  Aussen- 
bezirken  durch  Treppenhäuschen  überdeckt,  in  der  inneren 
Stadt  dagegen  unbedeckt  und  nur  mit  einem  Geländer  um- 
geben. Diese  Maassnahrae  und  die  Anordnung  der  Ein- 
gänge im  Einzelnen  sind  ebenso  zweckmässig,  wie  die 
Formen  der  Treppenhäuschen  und  Einfassungen  eigenartig 
und  reizvoll.  Weder  das  Strassenbild  noch  der  Verkehr 
haben  irgend  welche  Beeinträchtigung  erfahren. 

Die  einzelnen  Linien  endigen  in  Schleifen  von  meist 
nur  30  “ Halbmesser.  Zahlreiche  Verbindungs-  und  Rück- 
stelJgleise  sind  vorgesehen.  Auf  dem  Bastillenplatz  musste 
die  Bahn  der  mangelnden  Konstruktionshöhe  wegen  offen 
über  das  Arsenalbecken  geführt  werden,  sehr  zum  Nach- 
theil der  Linienführung.  Drei  Krümmungen  von  50“  Halb- 
messer folgen  aufeinander. 

Die  im  Bau  befindliche  Linie  No.  2 (Nordring)  ist 
nach  den  gleichen  Grundsätzen  entworfen  worden,  wie 
die  ersten  Linien,  enthält  aber  eine  Viaduktstrecke  von 
fast  2 km  Länge  zur  Ueberbrückung  der  Nord-  und  Ost- 


bahn und  des  Kanales  St.  Martin,  Diese  Viaduktstrecke 
ist  infolge  grosser  Spannweiten  (3  Oeffnungen  von  73  m) 
und  ihrer  Bauart  als  eine  fortlaufende  Reihe  von  Brücken 
mit  seitlich  liegenden  Halbparabelträgern  theurer  gewor- 
den, als  die  anschliessenden  Tunnelstrecken.  Sie  kostet 
für  I Ifd.  “ rd.  2400  M.  Die  Ausführung  der  Fahrbahn  aus 
Ziegelsteingewölbe  zwischen  eisernen  Querträgern  und 
Beton-  und  Zementabdeckung  erscheint  wegen  des  grossen 
Eigengewichtes  unvortheilhaft,  Das  Aeussere  des  Viaduktes 
steht  dank  der  unruhigen  Wirkung  der  durchweg  ungleichen 
Parabelträger  hinter  Viadukten  mit  geraden  Trägern  zu- 
rück. Die  grossartigen  Tunnelarbeiten  am  Place  de  la 
Nation  und  an  der  Avenue  de  Villiers  (nachträgliche  Unter- 
führung der  Linie  3)  verdienen  besondere  Erwähnung. 

Die  Betriebsmittel  sind  durchweg  zweiachsig  und 
nicht  über  9™  lang.  Das  Wagengewicht  (Anhängewagen 
leer  8600  kg)  wird  infolgedessen  gering,  die  Abnutzung  in 
den  Gleisbögen  wegen  des  Radstandes  von  3—3,75“  da- 
gegen gross.  Die  Motorwagen,  welche  je  3 Anhängewagen 
schleppen,  wiegen  leer  18 ' und  sind  mit  2 Motoren  von 
je  100  P.  S.  ausgerüstet.  Die  Reisegeschwindigkeit  beträgt 
auf  Linie  i bei  610“  durchschnittlicher  Haltestellen- Ent- 
fernung nur  etwa  18  km  in  i St.,  trotz  der  sehr  kurzen  Auf- 
enthalte. Sie  wird  auf  Linie  2,  deren  mittlere  Haltesteilen- 
Entfernung  nur  490  “ ist,  noch  geringer  werden.  Mit  Rück- 
sicht auf  die  zu  erwartende  erhebliche  Abnutzung  durch 
den  starken  Verkehr  ist  ein  besonders  schweres  Schienen- 
profil (52  kg/m)  gewählt  worden. 

Als  Signalsystem  ist  das  selbstthätige  Hall’sche  in  An- 
wendung. Da  jeder  Zug  durch  2 Blockstrecken  gedeckt 
sein  muss,  so  liess  sich  eine  raschere  Zugfolge  als  durch- 
schnittlich 3 Minuten  bisher  nicht  erreichen.  Die  Strom- 
erzeugung und  die  Stromzuführung  erfolgt  nach  dem  Dreh- 
strom Gleichstrom -System  von  dem  Kraftwerke  in  Bercy 
aus.  Eine  unterirdische  Unterstation  am  Stern  speist  den 
westlichen  Theil  der  Strecke. 

Die  im  Bau  befindliche  Vollbahnstrecke  der  Westbahn 
von  Versailles  nach  Paris  (Invalidenbahnhof)  wird  gleich- 
falls für  elektrischen  Betrieb  ausgerüstet.  Auch  die  Ver- 
längerung der  Orleansbahn  vom  Valhubert-Platz  nach  dem 
Orsaykai  wird  elektrisch  betrieben.  Da  für  die  Zukunft 
eine  Gleisverbindung  dieser  beiden  Bahnen  geplant  ist,  so 
dürfte  sich  später  eine  zweite  elektrische  Stadtbahn  am 
südlichen  Seineufer  herausbilden,  in  welche  auch  noch  die 
Vorortlinie  Limours-Sceaux-Paris  einmünden  soll.  Diese 
wurde  1893  in  eine  Bahn  gewöhnlicher  Bauart  umge- 
baut, nachdem  sie  seit  dem  Jahre  1846  mit  1,75“  Spur, 
Krümmungs- Halbmessern  bis  zu  25“  herab  und  eigen- 
artigen Betriebsmitteln  ein  Eisenbahn-Kuriosum  gebüdet 
hatte  (vergl.  Zeitschrift  für  Bauwesen  1899  S.  58t).  Sie 
endet  vorläufig  noch  als  Darapfbahn  in  einer  vorzüglich  ge- 
lüfteten Tunnelstrecke  am  Luxemburggarten.  — Hm. 


Die  I.  internationale  Ausstellung  für  moderne 
dekorative  Kunst  in  Turin  1902.  (Schluss.) 

IV.  (Hierzu  die  Abbildun|;en  auf  Seite  593,  50,  597  und  599-) 

0ir  sind  jetzt  fast  in  historischer  Ferne  von  der  Turiner 
Ausstellung,  und  da  sind  an  uns  denn  die  Thatsachen 
mehr  in  den  Raum  der  Objektivität  gestellt,  als  vor 
einem  halben  Jahre,  da  uns  die  Dinge  und  die  Menschen 
durch  ihre  lebendige  Nähe  den  Blick  nach  aussen  sperrten. 
Und  doch  ist  das  Wesentliche  des  allgemeinen  Urtheils 
unverrückt:  „dass  die  deutsche  Abtheilung  als  die  gehalt- 
vollste sich  in  der  Reihe  der  übrigen  Nationen  präsentirte 
und  dass  sie,  mehr  als  jede  frühere  Ausstellung,  ein  Spiegel- 
bild des  heutigen  Kunstschaffens  in  der  raumschmücken- 
den Kunst  gab". 

In  diesem  Sinne  löst  sich  die  Beobachtung,  dass  wir 
es  heute  mit  zwei  verschiedenen  Richtungen  in  der  Innen- 
gestaltung des  Raumes  zu  thun  haben.  Der  einen,  die  den 
Raum  als  Ganzes  packt  und  ihn  von  Grund  aus  gestaltend, 
in  einen  einheitlichen  formal  strengen  Gedanken  zwingt, 
der  anderen,  die  den  Raum  als  etwas  Gegebenes  ansieht 
und  ihn,  respektvoll  schonend,  durch  ihre  Schöpfungen 
ergänzt.  Dort  entsteht  der  Raum  als  architektonische  Noth- 
wendigkeit  füglich  in  der  Seele  des  Schaffenden,  an  dem 
nicht  mehr  ohne  Gefahr  für  seine  künstlerische  Einheit  zu 
rütteln  ist;  hier  ist  der  Raum  Hintergrund,  der  aus  vier 
umschliessenden  Wänden,  der  Decke  und  dem  Fussboden 
besteht,  in  unseren  Zimmern  also  ausnahmslos  aus  ebenen 
Flächen  besteht,  auf  welchem  sich  zwanglos  Raumgruppen 
abheben. 

Das  eine  ist  architektonisch,  das  letztere  malerisch 
erfasst.  Wir  haben  zwei  bemerkenswerthe  Beispiele  für 
diese  Scbaffensart  in  dem  Raum  von  Br.  Möhring  und  dem 
von  C.  Stöving.  Im  ersteren  die  bestimmende  Raumkom- 
position, die,  in  sich  unlösbar,  den  Blick  des  unbefangenen 


künstlerischen  Beschauers  sofort  auf  die  architektonische 
Ausstattung  weist,  im  letzteren  die  willkommene  Freiheit  im 
Schauenden,  nirgends  ein  formaler  Zwang,  an  jedem  Winkel 
abgetönte  Harmonie,  in  dieman  hineintaucht,  wie  in  ein  philo- 
sophisches Maxim,  das  uns  von  den  Zufälligkeiten  des  engen 
Heute  befreit  und  uns  hinausführt  in  die  himmelweite 
Ruhe  des  ewig  Bleibenden.  Der  Stöving’sche  Raum  ist 
der  Raum  eines  Malers,  der  da  dekorirt,  feinsinnig  deko- 
rirt,  damit  auch  jedem  Stück  das  Recht  auf  Wirkung 
unbeschnitten  bleibe  und  keines  den  Stimmungskreis  des 
anderen  störe.  Hier  weckt  die  Nietzsche-Büste  in  ihrer 
mächtigen  Energie  zu  tiefem  Nachsinnen,  dort  strömt  das 
Glasfenster  eine  ansprechende  Traulichkeit  durch  die  for- 
male Komposition  aus;  über  dem  architektonisch  geglieder- 
ten Saalburger  Marmorkamin  den  verschwimmenden  Reiz 
der  Farbe  im  Gemälde  der  „Ton",  kurz  das  Ganze  eine  Reihe 
in  sich  geschlossener  Stimmungen,  ein  Stimmungsring, 
ohne  ausgesprochene  Bewegungsrichtung  in  der  Kompo- 
sition; bei  Möhring,  um  im  Bilde  zu  bleiben,  aber  ein 
Stimmungspolygon,  dessen  Seiten  als  Komponenten  eine 
ganz  besiimmte  resnltirende  Bewegungsrichtung,  die  nach 
dem  Gewölbe  aufsteigende,  in  uns  erzwingen. 

Diese  beiden  Schaffensarten  und  Probleme  in  der 
Ausgestaltung  von  Wohnräumen  verdienen  eine  ernste  Be- 
achtung, denn  es  handelt  sich  in  letzter  Linie  darum,  ent- 
weder einen  Raum  zu  erfinden  oder  ihn  zu  schmücken. 
Die  erstere  Aufgabe  bleibt  dem  Architekten,  die  letztere 
jedem  bildenden  Künstler  Vorbehalten. 

< In  diese  beiden  Richtungen,  von  denen  die  eine  auf 
eine  Raumwirkung,  die  andere  auf  eine  Bildwirkung  aus- 
geht, schiebt  sich  versöhnend  die  Farbe  ein.  Architekten 
und  Maler,  beide  bedienen  sich  derselben.  Beide  haben 
ihre  entscheidende  Wirkung  auf  die  Raumstimmung  er- 
fasst; ja,  Hermann  Biliiiig  in  Karlsruhe  ist  von  derselben 
so  durchdrungen,  dass  er  den  äusserst  interessanten  Ver- 
such gewagt  hat,  die  Raumstimmung  seines  Repräsen- 

No.  93. 


594 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Archltekten-Verein  zu  Berlin.  Die  Berichterstattung 
über  die  Thätigkeit  des  Vereins  schloss  mit  der  letzten 
ordentlichen  Hauptversammlung  am  12.  Mai  d.  J.,  vergl, 
S.  272.  Es  folgte  derselben  noch  eine  ausserordentliche 
Hauptversammlung  am  26.  Mai  d.  J.,  vorwiegend  zur  Er- 
ledigung geschäftlicher  Angelegenheiten,  namentlich  behufs 
Genehmigung  des  Kassenabschlusses  für  igoijigoz  und 
des  Voranschlages  für  1903/1903,  ausserdem  zur  Beschluss- 
fassung über  die  Betheiligung  des  Vereins  beim  Empfang 
der  Gäste  aus  dem  österreichischen  Ingenieur-  und  Archi- 
tekten-Verein,  die  bekanntlich  vom  2.  bis  5.  Juni  d.  J.  in 
Berlin  weilten.  Wir  haben  über  diesen  Empfang  und  die 
gemeinsamen  Besichtigungen  bereits  früher  berichtet, 
vergl.  S.  298  und  303. 

Während  des  Sommers  wurden  dann  interessante 
Bauten,  wenn  auch  in  diesem  Jahre  in  verhältnissmässig 
beschränkter  Anzahl  besichtigt.  Man  besuchte  zunächst 
im  Juni  die  Erweiterungsbauten  der  städtischen  Gas- 
anstalt in  der  Danzigerstrasse,  dann  das  Institut  für 
Infektionskranke  in  der  Föhrstrasse  und  im  Anschluss 
daran  die  von  Hrn.  Reg.-Bmstr.  Siebold  erbaute  Kaper- 
naumkirche  in  der  Seestrasse.  — 

Im  Juli  wurden  3 grosse  Schulbauten  besucht,  und 
zwar  das  Bismarck-Gymnasium  in  der  Pfalzburger- 
strasse in  Wilmersdorf,  sowie  die  Kaiser  Friedrich- 
Schule,  ein  Reform- Gymnasium  nebst  anschliessender 
Gemeinde-Doppeischule  in  Charlottenburg.  Das  Gym- 
nasium ist  mit  einem  Kostenaufwande  von  570000  M.  nach 
den  Plänen  des  Hrn.  Gemeinde-Brth.  Herrnring  auf  einem 
Grundstück  von  6455  q™  Grundfläche  mit  65*“  Strassen- 
front  errichtet.  Es  fasst  in  26  Klassen  1150  Schüler.  Die 
Decken  sind  durchweg  in  Monierkonstruktion,  die  Fuss- 
böden  aus  Gipsestrich  mit  Linoleumbelag  erstellt.  Das 
Gebäude  wird  mit  Dampfniederdruck-Heizung  mit  Körting’- 
schen  Schüttkesseln  versorgt.  Die  lange  Strassenfassade 
hat  eine  reiche  Gliederung  und  Ausschmückung  erhalten. 

Die  Kaiser  Friedrich-Schule  und  die  anschliessende 
Doppel-Gemeindeschule  liegen  auf  einem  Grundstück  von 
9937  ‘i“  Grundfläche,  von  grosser  Tiefe  und  verhältniss- 
mässig geringer  Strassenfront  an  der  Knesebeckstrasse. 
Letztere  ist  zur  Errichtung  eines  Wohnhauses  ausgenutzt, 
das  im  Erdgeschoss  eine  Direktor-Wohnung,  darüber  Mieths- 
wphnungen  enthält.  Dahinter  liegt  die  Schule  von  U-för- 
migem Grundriss,  enthaltend  24  Klassenzimmer  und  die 
nöthigen  Nebenräume.  Die  Schule  fasst  1020  Schüler. 
Daran  schliesst  sich  die  Gemeinde-Doppelschule  mit  je 
18  Klassen,  die  zusammen  2053  Schüler  und  Schülerinnen 
fassen.  Die  Schulen  sind  von  Hrn.  Stadibrth.  Bratring 
1899—1901  erbaut.  Die  Kosten  stellten  sich  auf  560000  M. 
(18,9  M.  für  I cbm)  für  das  Gymnasium,  510  000  M.  (17,5  M. 


taüons-Saales  nur  auf  der  Wirkung  der  Farbe  aufzubauen. 
Die  Folgerung  ist  ebenso  überraschend  wie  die  Wirkung. 
Bilüng,  der  durch  seine  stimmungsvollen,  feinen  Karls- 
ruher Bauten  an  die  erste  Stelle  unter  den  deutschen 
Architekten  gerückt  ist,  und  der  gerade  durch  seine  ein- 
fache farbige  Behandlung  der  Aussenarchitektur  hinreissend 
poetische  Wirkungen  erzielt,  ist  wohl  durch  diese  Wirkung 
bestimmt  worden,  dieses  Problem  auch  in  der  Innenarchi- 
tektur anzuwenden. 

Der  Gedanke  ist  verlockend,  mit  einem  Schlage  alle 
unnöthigen  Gesimse  und  Profile  von  den  Innenflächen 
wegzurasiren,  und  folgerichtig,  da  die  Architektur-Formen 
auf  ihrem  Wege  von  aussen  nach  innen  in  der  Renaissance 
ihren  geistigen  Inhalt  verloren  haben.  Diese  entgeisiigten 
Formen,  die  uns  kein  lebensfrisches  Empfinden  übermitteln 
können,  sind  entbehrlich.  Ja,  sie  stören  jede  flüssige, 
lebendige  Formengebung  durch  ihre  starre  Unerbittlich- 
keit, durch  ihre  Verknöcherung.  Die  Folgerichtigkeit  lässt 
uns  den  wagemuthigen  Künstler  umso  höher  schätzen,  je 
mehr  der  Gefahren  sind,  denen  er  sich  bei  Fassung  solcher 
künstlerischen  Probleme  aussetzt. 

Der  Raum  ist  fast  quadratisch  und  wird  bis  zu  den 
grossen  Seitenöffnungen  von  einer  goldigen  Mosaikfläche 
zusamraengehalten ; die  Grenzlinie  zwischen  der  schweren 
dunkelen  Goldfläche  und  der  darüber  gespannten  lichten 
Wölbfläche  bildet  zugleich  die  Kämpferlinie  und  so  wird 
die  Funktion  des  Tragenden  und  Getragenen  durch  die 
Farbenwerthe  gekennzeichnet. 

Im  Spiegel  des  Gewölbes  ist  ein  mächtiges  buntes 
Oberlicht  eingesetzt.  Wenn  die  Sonne  durch  die  farbigen 
Gläser  auf  den  grauen  Wandbrunnen  durch  den  weiten 
hohen  Raum  fällt,  so  scheint  es,  als  ob  an  manchen  Stellen 
in  der  Luft  farbige  Flecke  hängen  blieben;  diese  farben- 
sprüheiiden  Helligkeiten  vertheiJen  sich  im  Raume,  lockern 
die  architektonisdie  Strenge  in  der  Farbe  und  geben  ihrem 
schweren  Ernst  die  heitere  Verklärung. 

19.  November  1902. 


für  I für  die  Gemeindeschule  und  177  000  M.  (22,3  M. 
für  I cbm)  für  das  Wohnhaus.  Die  ganze  Gebäudegruppe 
wird  von  einer  Stelle  aus  durch  eine  Warmwasser- 
Heizung  erwärmt.  — 

Im  August  fanden  nur  ein  Besuch  des  von  den  Hrn. 
Architekten  Solf  & Wichards  erbauten  Landhauses 
Nölle  in  der  Villenkolonie  Grunewald  und  der  übliche 
Sommerausflug  mit  Damen  statt,  der  sich  nach  Wannsee 
richtete,  während  im  September  die  Besichtigungen  voll- 
ständig ausfielen.  Im  Oktober  wurde  das  von  Hrn.  Reg.- 
Bmstr.  Walther  mit  grosser  Pracht  ausgestattefeD  e u t s ch  e 
Kolonialhaus  zum  Roland  in  der  Potsdamerstrasse  be- 
sucht, während  eine  geplante  Besichtigung  der  Hoch- 
schulen für  die  bildenden  Künste  und  für  Musik 
verschoben  werden  musste.  Die  Besichtigungen  schlossen 
im  November  ab  mit  dem  Besuche  der  Baustelle  des  Amts- 
gerichtes Berlin- Wedding  mit  seiner  bemerkens- 
werthen  Gründung  auf  Betoneisen  - Pfählen,  über 
welche  wir  schon  S.  582  berichtet  haben,  sowie  schliess- 
lich am  15.  Nov.  mit  einem  Ausfluge  nach  dem  westlichen 
Theile  des  Teltow-Kanales.  — 

Die  Wintersitzungen  des  Vereins  wurden  am 
13,  Okt.  d.  J.  wieder  aufgenommen.  Der  Vorsitzende, 
Hr.  Beer,  begrüsste  die  Erschienenen  und  gedachte  so- 
dann in  warmen  Worten  der  Mitglieder,  die  der  Verein 
im  Laufe  des  Sommers  durch  den  Tod  verloren  hat,  ins- 
besondere des  Ehrenmitgliedes  des  Vereins,  des  Geh.  Brths. 
Dr.  J.  Hobrecht.  Die  Versammlung  ehrte  das  Andenken 
derselben  durch  Erheben  von  den  Sitzen. 

Nach  geschäftlichen  Mittheilungen,  die  sich  auf  die 
Vorträge  im  Winter  und  die  Wahl  neuer  Schinkelaufgaben 
bezogen,  erstattete  Hr.  Solf  Bericht  über  die  Abgeord- 
neten-Versammlung  des  Verbandes  in  Augsburg  (vergl. 
den  Sitzungsbericht  S.  459).  Daran  schloss  sich,  durch 
Firn.  Walle  eingeleitet,  eine  längere  Besprechung  über  die 
Zulassung  der  Reg.-Bauführer  und  der  staatlich  geprüften 
Bauführer  zur  Doktor-Promotion,  welche  zu  dem  Beschlüsse 
führte,  den  Vereins-Vorstand  zu  einer  erneuten  Eingabe  an 
den  Hrn.  Minister  zu  ermächtigen.  Der  Wortlaut  dieser 
Eingabe  wird  dem  Vorstande  überlassen. 

Hr.  Walle  sprach  sodann  über  „Die  gegenwärtige 
Lage  des  Denkmalschutzes  und  die  Erhaltung  der 
vaterländischen  Baudenkmäler“.  Die  interessanten 
Ausführungen  wurden  unterstützt  durch  die  Ausstellung 
einer  Sammlung  von  Werken  aus  älterer  Zeit,  der  bisher 
veröffentlichten  Bände  der  Denkmal-Inventarisation  in 
Deutschland  und  durch  Aufnahmen  der  kgl  Messbildanstalt. 

Nach  der  Sitzung  wurden  Proben  einer  neuen  Decken- 
und  Wandbekleidung  der  Holzmanufaktur  Vrbovsko,  ver- 
treten durch  Hrn.  M.  Proskauer  in  Berlin,  besichtigt.  Sie 
bestehen  aus  dreifach  unter  hohem  hydraulischem  Druck 
mit  einem  wasserdichten  Kitt  quer  geleimten  Fournieren, 


An  solchen  Experimenten  sehen  wir  am  besten  die 
Bedeutung  der  Ausstellungen:  denn  es  ist  vollkommen 
ausgeschlossen,  dass  ein  offizieller  Repräsentationsraum 
bei  den  heutigen  Anschauungen  in  den  leitenden  Kreisen 
in  dieser  architektonisch  malerischen  Konzeption  hätte 
ausgestaltet  werden  dürfen. 

Gerade  die  künstlerische  Energie,  init  welcher  hier  in 
Turin  erreicht  worden  ist,  etwas  fruchtbrmgendes  Neues 
zu  schaffen,  unbekümmert  um  das  Philisterium  unten  und 
oben,  giebt  der  Ausstellung  für  uns  Deutsche  diese  rich- 
tige Stellung;  es  mag  nicht  alles  so  gelungen  sein,  es 
mögen  manche  Leistungen  angreifbar  sein,  es  wird  aber 
niemand  leugnen  können,  dass  in  den  Arbeiten  ein  tiefer 
Ernst  steckt  und  dass  mit  vielem  aufopfernden  Idealismus 
ein  jeder  Einzelne  an  die  Sache  gegangen  ist; 

Wir  können  nicht,  wo  wir  kaum  gesäet  haben,  auch 
die  Früchte  ernten  wollen,  es  genügt  zunächst,,  wenn  wir 
sehen,  dass  die  Saat  gedeiht. 

Nehmen,  wir  den  Möhring’scheii  Vorsaal.  Hier  ist 
kein  Tappen  mehr,  sondern  ein  sicheres  Handeln,  obwohl 
es  sich  um  den  Versuch  handelt,  in  Holz  und  Farbe 
monumentale  Wirkungen  zu  erzielen.  Das  Weiterführen 
der  Sophalehnen  ins  Gewölbe  hinauf  als  farbige  Grat- 
linien zeigt  am  deutlichsten  das  grosszügige  Erfassen  der 
Aufgabe,  zeigt  die  Konzentration  in  der  schöpferischen 
Stimmung,  während  die  massige  Detaillirung  die  Sicher- 
heit des  Künstlers  im  feinen  Abwägen  der  Profilwirkung 
absolut  bekundet. 

Nur  wenn  wir  uns  erinnern,  wie  schwer  gewölbte 
Räume  von  ihrem  formalen  .Kleide  zu  trennen  sind,  und 
wie  kläglich  zumeist  diese  Versuche  scheitern,  erhalten 
wir  einen. Maasstab  für  die  Möhring’sche  Leistung.  Der 
Vorsaal  hat,  aus  dem  Billing’schen  Raume  gesehen,  einen 
herben  grünen  Duft,  der  wie  schimmernder  Frühlingsreif 
über  dem  Laub  lagert.  — Leo  Nacht. 


595 


die  durch  hintere  Blendlcisten  zusammengchalten  werden. 
Durch  diese  Zusammensetzung  und  Herstellungsart  soll 
jedes  Verbiegen,  Werfen  und  Reissen  ausgeschlossen  sein. 
Ausserdem  stellt  sich  das  in  jeder  Form  herzustellende 
Material  bei  grosser  Leichtigkeit  billig.  Auf  i q™  in  ver- 
schiedenartiger Holzzusammensetzung  und  Bearbeitung, 
fertig  angebracht,  entfallen  etwa  15—20  M.  — 

Sitzung  vom  27.  Okt.  Vors.  Hr.  Haack,  später  Hr. 
Plathner,  an- 
wesend 47  Mit- 
glieder, 4 Gäste. 

Der  Hr.  Vor- 
sitzende musste 
die  Sitzung  wie 
derum  mit  der 
Mittheilung  von 
einem  schmerz- 
lichen Verluste, 
dem  Tode  des 
Geh.  Brths.  W. 

Boeckmann, 
eröffnen,  den 
der  Verein  noch 
in  diesem  Früh- 
jahre anlässlich 
seines  70.  Ge- 
burtstagesdurch 
die  Ernennung 
zum  Ehrenmit- 
gliede  ausge- 
zeichnet hatte. 

Redner  gedach- 
te seiner  beson- 
derenVerdienste 
als  Mensch,  Bau- 
meister und  Mit- 
glied des  Archi- 
tekten -Vereins, 
dessen  Vorstand 
er  viele  Jahre  in 
früherer  Zeit  an- 
gehört hat.  An  Weiahaus  am  See.  Architekt 


anheimgestellt  wird,  überhaupt  die  würdigerc^Ausgestal- 
tung  dieses  Raumes  im  Auge  zu  behalten. 

Sodann  sprach  Hr. Karl  Meier  über  „die  Rechenbild- 
kunde (Nomographie)  d’Oeagnes  und  ihre  Bedeu- 
tung für  den  Bauingenieur“.  Die  interessanten  und 
klaren  Ausführungen  des  Redners  über  diese  von  Frank- 
reich ausgehende  und  dort  in  hohem  Grade  ausgebildete 
Wissenschaft,  als'deren  Hauptvertreter  der  Professor  ander 

Brücken-  und 
Wegebau-Schu- 
le in  Paris,  Mo- 
ritz d’Oeagne 
anzusehen  ist, 
wurden  mit 
grossem  Beifall 
aufgenommen. 
Diese  „Rech- 
enbildkunde“, 
wie  der  Redner 
das  den  Kern 
der  Sache  eig- 
entlich garnicht 
treffende  Wort 
„Nomographie“ 
verdeutschte, 
liefert  die  Mög- 
lichkeit, mithilfe 
einfacherzeich- 
nerischer Dar- 
stellung die  Be- 
ziehungen von 
einander  abhän- 
giger Grössen, 
Funktionen,  für 
die  verschie- 
densten Werthe 
rasch  und  leicht 
zu  ermitteln. 
Redner  belegt 
seine  allgemei- 
nen theoreti- 

D’Aronco  in  Konstantinopel.  sehen  Ausfüh- 


PavLUon  fQr  künstlerische  Photographie.  Architekt:  D'Aronco  in  Konstantinopel. 


I.  internationale  Ausstellung  tür  moderne  dekorative  Kunst  ln  Turin  im  Jahre  1902. 


geschäftlichen  Angelegenheiten  war  nur  die  Beschluss- 
fassung Über  die  Verwendung  der  aus  der  Springer- 
Stiftung  fälligen  Zinsen  zu  erledigen.  Dem  Anträge  des 
Vorstandes  entsprechend  wird  der  Betrag  zur  Beschaffung 
eines  schönen  Beleuchtungskörpers  für  die  Rotunde  des 
Architekten-Hauses  bestimmt,  wobei  demVorstande  zugleich 

596 


ruugen  durch  Beispiele  aus  der  Praxis  der  Kanalisation  (wie 
die  Beziehungen  zwischen  Gefälle, Wassermenge  und  Quer- 
schnitt eines  Kanales),  die  sich,  nachdem  einmal  das  Bild 
des  allgemeinen  Funktionsausdruckes  ermittelt  und  ge- 
zeichnet ist,  für  die  verschiedensten  Werthe  der  Funktionen 
in  rascher  und  sicherer  Weise  auflösen  lassen,  ohne  jede 

No.  93. 


weitere  langwierige  Rechnung.  Es  kann  also  selbst  für 
verwickelte  Beziehungen  verschiedener  Grössen  die  für 
die  bestimmte  Aufgabe  günstigste  aus  einer  grossen  Zahl 
verschiedener  Annahmen  ermitteltjwerden,  eine^ufgabe. 


Bei  der  Berliner  Kanalisation  ist  das  Verfahren  durch 
den  Redner  für  die  Berechnungen  bei  den  Rohrleitungen 
mit  grossem  Vortheil  zur  Einführung  gebracht  worden.  — 

Fr.  E. 


Repräsentationssaal.  Architekt;  Bruno  Möhring  in  Berlin 


Raumfolge  der  „Vereinigten  Werkstätten-.  Architekt:  Paul  Pankok  in  München. 

I.  internationale  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  in  Turin  Im  Jahre  190a. 


von  der  die  umständliche  und  geisttödtende  Rechenarbeit 
bisher  vielfach  abschreckte.  Die  Rechenbildkunde  ist 
also  für  die  verschiedensten  Aufgaben  des  Ingenieurs  von 
hervorragend  praktischem  Werth. 

19.  November  1902. 


Vereinigung  Berliner  Architekten.  In  der  ord.  Haupt- 
versammlung vom  23.  Okt.  190a  unter  Vorsitz  des  IR-n. 
von  der  Hude  und  unter  Theilnahme  von  34  Mitgl.  und 
2 Gästen  ehrte  die  Versammlung  das  Andenken  ihres 


597 


verstorbenen  Mitgliedes  Geh.  Brth.  Wilh.  Böckmann.  Neben 
ihm  hat  die  Vereinigung  noch,  wie  der  Vorsitzende  in 
Erstattung  des  Jahresberichtes  mittheilte,  im  Laufe  des 
Berichtsjahres  die  Mitglieder  Jacobsthal,  Kraft,  Heyden, 
Hase,  Krone  und  Schilling  verloren.  Der  Mitgliederstand 
ist  I Ehrenmitglied,  i66  einheimische  und  23  auswärtige 
Mitglieder.  Die  Kasse  zeigt  einenUeberschussvon  2090, 05M. 
der  Mitgliederbeitrag  wird  auf  25  M.  festgesetzt.  Bei  Be- 
rührung der  Ausstellungen,  an  welchen  die  „Vereinigung“ 
betheiligt  war,  wird  die  schlechte  Lage  des  Ausstellungs- 
raumes in  Düsseldorf  für  die  auswärtigen  Architekten  ge- 
rügt. Eine  Kommission  der  Vereinigung  wird  auch  im 
Jahre  1903  wieder  eine  Architektur-Abüieilung  auf  der 
Grossen  Berliner  Kunstausstellung  hervorrufen.  Um  das 
Werk  „Der  Kirchenbau  des  Protestantismus“  weiteren 
Kreisen  zugänglich  zu  machen,  wird  sein  Verkaufspreis 
von  30  auf  15  M.  herabgesetzt.  Hr.  Ebhardt  berichtete 
über  den  III  Tag  für  Denkmalpflege  in  Düsseldorf  und 
betonte  das  völlige  Fehlen  der  Privatarchitekten  auf  dem- 
selben. Die  Vorstandswahlen  ergaben  die  Wiederwahl 
der  bisherigen  Vorstands-Mitglieder  und  die  Neuwahl  des 
Hrn.  Alb.  Gessner.  Ueber  den  mit  grossem  Beifall  auf- 
genommenen Vortrag  des  Hrn.  Herrn.  Werle  über  die 
von  ihm  ausgestellten  Entwürfe  für  eine  „Landesanstalt 
für  Leibeserziehung“  behalten  wir  uns  vor,  in  gesonderter 
Form  zurückzukommen. 

An  der  geselligen  Zusammenkünft  vom  6.  Növ. 
unter  dem  Vorsitz  des  Hrn.  Wolf  fenstein  nahmen  33  Mit- 
glieder theil.  Es  sprach  Hr.  Albert  Hofmann  über  die 
moderne  Bewegung  zur  Gestaltung  von  Konzert- 
sälen; derselbe  nahm  insbesondere  Bezug  auf  einen  ent- 
sprechenden Aufsatz  im  ersten  Hefte  des  II.  Jahrganges 
der  „Musik“  von  Paul  Marsop  und  bot  die  hier  aus  dem 
Lager  der  Musiker  kommende  Kritik  und  die  daran  ge- 
knüpften Vorschläge  der  Versammlung  als  Grundlage  für 
eine  Besprechung  dar.  An  dieser  sehr  lebhaften  Be- 
sprechung betheüigten  sich  die  Hrn.  Kays  er,  Gold- 
schmidt, Reimer  usw.  — Es  folgten  im  weiteren  Ver- 
laufe des  Abends  an  der  Hand  flotter  Zeichnungen  kurze 
Mittheilungen  des  Hrn.  Herrn.  Krause  über  ein  von  ihm 
in  Stettin  eingerichtetes  Automaten-Restaurant.  Bei  der 
Vorlage  neuer  Verlagswerke  gab  Hr.  Alb.  Hof  mann  einen 
kurzen  Bericht  über  die  I.  internationale  Ausstellung  für 
moderne  dekorative  Kunst  1902  in  Turin.  — 

Arch.-  u.  Tng.'Vereia  zu.  Hamburg.  Vers.  ;am  3.  OkL 
1902.  Vors.  Hr.  Hennrcke,  anwes.  sr  Personen. 

Hr.  Hennicke  begrüsst  die  Versammlung  zum  Be- 
ginn des  Winterhalbj'ahres  mit  dem  Wunsche,'^  dass  das- 
selbe dem  Vereinsleben  ein  fruchtbringendes  werden  möge, 
und  richtet  die  Aufforderung  an  alle  Mitglieder  des  Vereins, 
durch  recht  zahlreiche  Beiheiligung  an  den  zwanglosen 
Mittheilungen  aus  der  Baupraxis  die  Tagesordnungen  mög- 
hchst  abwechslungsreich  zu  gestalten.  Der  eingegangene 
19.  Bericht  des  Heidelberger  Schlossvereins  wird  unter 
den  Anwesenden  in  Umlauf  gesetzt.  Endlich  theilt  der 
Hr.  Vorsitzende  mit,  dass  der  Vorstand  dem  langjährigen 
verdiestvollen  Vereinsmitgl.  Hrn.  B.  Otto  Roosen  zum 
70.  Geburtstage  die  Glückwünsche  des  Vereins  brieflich 
ausgesprochen  habe. 

Darauf  erhält  das  Wort  Hr.  Haase  zu  einem  Vorträge 
über  die  neue  Schiffahrts-Schleuse  bei  Tiefstack. 
Redner  schildert,  unter  Hinweis  auf  ein  sehr  reichhaltiges 
ausgestelltes  Anschauungsmaterial  an  Lageplänen  und  Bau- 
zeichnungen, zunächst  die  Verhältnisse  der  Hamburger 
Marsch  zwischen  Eibe  und  Bille.  Er  erinnert  an  die  schon 
von  Ing.  Lindley  ausgeführte  Anlage  von  Strassen  und 
Kanälen  im  inneren  Hammerbrook,  bei  welcher  sich  die 
gewählte  Höhe  der  Strassen  später  als  nicht  genügend 
herausgestellt  hat,  und  bei  welcher  auch  der  Wasserstand 
in  den  Kanälen  höher  ausgefallen  ist,  als  dies  bei  der 
Planung  der  Anlagen  angenommen  war.  Diese  Uebel- 
stände  wurden  durch  nachträgliche  Erhöhung  der  Strassen 
auf  -j-  6,90  “ bei  einem  normalen  Wasserstand  in  den 
Kanälen  von  -j-  3,85  “ nach  Möglichkeit  beseitigt.  Das 
Sielsystem  dieses  Stadtiheiles  bestand  aus  wagrechten 
Sielen,  welche  anfänglich  durch  diePumpstation  beiBrands- 
hof  in  die  Elbe,  später  durch  die  Pumpstation  beim  Arkel- 
mannsplatz  in  das  Geeststammsiel  entwässert  wurden. 

- Bei  dem  weiteren  Vordringen  der  städtischen  Be- 
bauung entstand  die  Aufgabe,  auch  die  Marsch  zwischen 
Bille  und  Elbe,  den  sogenannten  Billwärder-Ausschlag,  für 
diese  Bebauung  vorzubereiten,  Nach  den  bei  Aufhöhung 
des  Hammeibrookes  gemachten  Erfahrungen  hat  man  sich 
entschlossen,  das  Gelände  auf  9,20“  aufzuhöhen,  bei 
welcher  Höhe  noch  eine  Sielentwässerung  mit  natürlichem 
Gefälle  bis  zur  Pumpstation  möglich  ist. 

Diese  Aufhöhung  sollte  durch  das  ßaggermaterial  aus 
der  Elbe  bewirkt  werden  uQter  unmittelbarer  Einführung 

598 


der  Baggerschuten  mittels  eines  Kanalsystemes  bis  an  die 
aufzuhöhenden  Geländeflächen.  Zu  diesem  Zwecke  ist 
von  der  Billwärder-Konkave  im  alten  Laufe  der  Eibe  bei 
Tiefstack  ein  Querkanal  bis  zur  Bille  ausgegraben  und, 
von  diesem  abzweigend,  ein  Längskanal  durch  den  ganzen 
Billwärder-Ausschlag,  welcher  bei  der  Bullenhuser  Schleuse 
ebenfalls  in  die  Bille  einmündet.  Da  der  Querkanal  (Elbe- 
Bille-Kanal)  bei  Tiefstack  den  Elbdeich  durchschneidet, 
so  ergab  sich  die  Nothwendigkeit,  dort  eine  für  die  Durch- 
führung der  Baggerschuten  geeignete  Schleuse  zu  erbauen. 
Die  Schleuse  enthält  zwischen  Ober-  und  Unterhaupt  eine 
grosse  Kammer  von  70  zu  70“  zur  Aufnahme  der  Schlepp- 
züffe  mit  doppelten  Schleusen-Durchfahrten  von  je  10  m 

I.  W.  in  beiden  Häuptern.  Im  Unterhaupt  sind  je  2 Fluth- 
und je  2 Ebbethorpaare,  im  Oberhaupt  nur  je  i Fluth-  und 
Ebbethorpaar  angeordnet.  Diese  Einrichtung  ermöglicht 
es,  die  Durchfahrten  im  Unterhaupt  allein,  oder  falls  eine 
grosse  Zahl  von  Fahrzeugen  gleichzeitig  durchgeschleust 
werden  soll,  die  grosse  Kammer  als  eigentliche  Schleusen- 
kammer zu  benutzen.  Ausserdem  ist  das  Unterhaupt  in 
jeder  Durchfahrt  noch  mit  einem  Slurmthorpaar  ausge- 
rüstet. Die  Drempel  sind  im  Unterhaupt  auf  -pi®,  im 
Oberhaupt  auf  1,15  entsprechend  der  Sohle  der  Kanäle 
und  der  Bille  angelegt.  Zwischen  den  Durchfahrten  sind 
oeide  Häupter  noch  durch  einen  Freilaulkanal  von  2“1.  W. 
und  2 ™ Höhe  durchbrochen.  Die  Bewegnngs- Vorrichtungen 
für  die  Schleusenihore  und  die  Schosse  der  Freilaufkanäle 
sind  für  Handbetrieb  eingerichtet. 

Bezüglich  der  Bauausführung  sei  nur  erwähnt,  dass 
diese  durchschlechten  Untergrund  und  durch  Verlegung 
des  die  Baustelle  durchschneidenden  alten  Querdeiches 
zwischen  der  Marsch  des  Billwärder-Ausscfilages  und 
derjenigen,  der  Landschaft  Billwärder,  vielfachen  Er- 
schwerungen unterworfen  war.  Die  Lage  der  Schleusen- 
Baustelle  ermöglichte  eine  Ausführung  des  Bauwerkes  im 
Schutze  des  Elbdeiches,  also  ohne  Herstellung  von  Fange- 
dämmen. An  weiteren  grösseren  Bauwerken  waren  im 
Zusammenhänge  mit  den  beschriebenen  Anlagen  auszu- 
führen; eine  Strassenbrücke  über  den  Kanal  am  Durchstich 
des  Elbdeiches,  eine  Eisenbahnbrücke  über  den  Elbe-Bille- 
Kanal  und  eine  Brücke  im  Zuge  der  Lübecker  Güterbahn 
über  den  Längskanal. 

Die  Arbeiten  wurden  im  Frühjahr  1897  in  Angriff  ge- 
nommen und  gehen  z.  Zt.  ihrer  Vollendung  entgegen. 

Zum  Schluss  seines"  vxin  der  Versammlung  mit  leb- 
haftem Beifall  entgegengenommenen  . Vortrages , lud 
Redner  die  Vereinsmitglieder  zu  einer  Besichtigung  der 
B-austellen  und  der  fertigen  Kanal-  und  Schleusenbauten 
ein,  worauf  der  Hr.  Vorsitzende  demselben  für  seine 
interessanten  Mittheilungen  dankte.  — Hm. 

Vers,  am  10.  Okt.  1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann, 
anwes,  52  Pers. 

Dem  Andenken  des  entschlafenen  Vereinsmitgliedes 

J.  H.  G.  Rockstrohen  erweist  die  Versammlung  die 
übliche  Ehrung. 

Nach  einer  Reihe  geschäftlicher  Mittheiiungen  wird 
dann  der  Abend  durch  mündliche  Berichte  über  die  Ab- 
geordneten- und  die  Wanderversammlung  des 
Verbandes  zu  Augsburg,  sowie  über  die  Tagung 
des  Bauernhaus-Ausschusses  zu  Salzburg  ausge- 
füllt. Den  ersten,  Bericht  erstattet  Hr.  Zimmermann, 
welcher  mit  den  Hrn.  Gleim  und  H.  Olshausen  als  Ver- 
treter unseres  Vereins  der  Abgeordneten-Versammlung 
am  30,  Aug.  d.  J.  beigewohnt  hatte.  Bezüglich  des  sach- 
lichen Inhalts  mag  hier  auf  die  bereits  in  No.  72  der 
Dtsch.  Bztg.  vom  6.  Sept.  erschienene  Veröffentlichung  des 
Sitzungsberichtes  Bezug  genommen  werden,  und  bliebe 
nur  hervöfzuheben,  mit  welch’  warmer  Anerkennung  der 
Vortragende  der  ausgezeichneten  geschäftlichen  Leitung 
der  Verhandlungen  durch  Hrn.  Geh.  Brth,  Waldow  ge- 
denkt, über  welche  alle  Theilnehmer  des  Lobes  voll  waren, 
ebenso  wie  über  die  rasche  und  gewandte  Aufstellung  des 
Protokolles  durch  den  Hrn.  Verbands  - Geschäftsführer 
Reg.-Bmstr.  Eiselen. - 

Auch  von  dem  am  folgenden  Tage  anschliessenden 
Ausfluge  nach  dem  interessanten  alten  Städtchen  Lands- 
berg a.  Lech  hat  Redner  die  angenehmsten  Eindrücke 
erhalten,  bei  deren  Schilderung  er  besonders  des  künst- 
lerischen Abglanzes  gedenkt,  den  der  berühmte  englische 
Maler  Hubert  Herkomer  auf  seine  Vaterstadt  Landsberg 
geworfen.  Er  besucht  dieselbe  alljährlich  und  wohnt  da- 
bei in  dem  von  ihm  zum  Andenken  an  seine  Mutter  er- 
bauten sogen.  „Muiterthurme",  der  zu  Atelier  und  Woh- 
nung eingerichtet  ist.  Ferner  wird  rühmend  erwähnt,  wie 
die  kleine  Stadt  von  nur  5000  Einwohnern  es  fertig  ge- 
bracht habe,  ihren  Rathhaussaal  mit  4 grossen  Gemälden 
von  Piloty  zu  schmücken,  wozu  Herkomer  noch  zwei 
weitere  schöne  Gemälde  geschenkt  habe,  Sitzungen  des 
Magistrates  und  des  Stadtkollegiums  darstellend. 

No.  93. 


Den  zweiten  Bericht  erstattet  Hr.  Walter  Martens 
Über  den  Verlauf  der  Wanderversammlung  in  Augs- 
burg. Auch  hier  erübrigt  sich  mit  Rücksicht  auf  die  be- 
reits erschienenen  Beschreibungen  ein  Eingehen  auf  Ein- 
zelheiten. Als  [den  Glanzpunkt  der  Veranstaltungen  be- 
zeichnet Redner  den  Ausflug  nach  Hohenschwangau,  und 
hat  als  Beleg  dafür  eine  reichhaltige  Sammlung  grosser 
schöner  Photographien  der^Burg^Neuschwanstein  im 
Saale  ausgestellt. 

Der  dritte  Redner,  Hr.  Faulwasser,  giebt  einen  Be- 
richt über  die  diesjährige  8.  Jahresversammlung  des 
Gesammt- Ausschusses  für  das  Werk  über  das 
Bauernhaus  in  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn 
und  der  Schweiz.  Diese  Versammlung  hat  am  30.  Aug. 
zu  Salzburg  im  Marmorsaale  des  Mirabellenschlosses  un- 
ter Vorsitz  des 
Hrn.  Ob.-Brth. 
v.Wielemans 
getagt.  Red- 
ner berührt  zu- 
nächst die  Lei- 
stungen unse- 
res Hamburger 
Lokal -Aus- 
schusses für  das 
von  ihm  bear- 
beitete Gebiet, 
dessen  Aufnah- 
men im  Früh- 
jahr d.  J.  mit 
einigen  80  Blatt 
Original-Zeich- 
nungen zum 
Abschlüsse  ge- 
bracht seien, 
auch  ist  der  be- 
gleitende Text 
ausgearbeitet. 

Von  den  zahl- 
reichen Auf- 
nahmen hat  in 
dem  Werke  na- 
turgemäss  nur 
eine  beschränk- 
te Auswahl  Auf- 
nahme finden 
können.  Der 
Stand  der  Ver- 
öffentlichung 
ist  folgender : 
für  Deutsch- 
land 7 Liefe- 
rungen mit  8| 

Blättern  er- 
schienen, für 
die  nächste  8. 

Lieferung  ist 
der  Stoff  vor- 
handen, die 
dann  folgenden 
24  Blatt  fehlen 
noch.  Für  die 
Schweiz  sind 
die  Zeichnun- 
gen mit  5 Lie- 
ferungen voll- 
ständigerschie- 
nen.  FürOes- 
terreich  sind 
3 Lieferungen 
erschienen,  15 
Tafeln  fehlen 
noch.  Bezügl. 
des  Textes  be- 
merkt Redner, 


Herrenzimmer.  Architekt:  Anton  Huber  in  Berlin. 


Restaurationsgebäude  mit  elektrischen  Lichtwiikungen.  Architekt:  D’Aronco  in  Konstanlinope) 
LHnternatlonale  Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  in  Turin  1902. 


dass  die  Einleitung  für  Deutschland  vonProf.Dietr.  Schäfer 
in  Heidelberg  geschrieben  wird  und  die  noch  fehlenden 
Texte  binnen  JÄresfrist  fertig  gestellt  werden  sollen.  Die 
Text- Beiträge  aus  Hamburg  sollen  einige  Abbildungen 
enthalten,  von  denen  Redner  Probedrucke  ausgestellt  hat. 
Für  Oesterreich  wird  die  Einleitung  von  Dr.  Haberlandt, 
der  Text  selbst  von  Brth,  Koch  geschrieben.  Hieran  an- 
knüpfend entspann  sich  ein  Streit  über  die  Betheiligung 
der  Ungarn,  welche  sich  gegen  die  Bezeichnung  Oester- 
reich-Ungarn wehrten  und  den  Text  nur  in  ungarischer  — 
allenfalls  in  ungarischer  und  französischer  — keinesfalls 
aber  in  deutscher  Sprache  beigeben  wollten. 

Bezüglich  des  zweiten  Wettbewerbes  für  ein  Titelblatt 
wird  auf  die  bereits  in  No.  73  d.  Ztg.,  S.  471,  gebrachte 


Mittheilung  verwiesen.  Redner  bemerkt  noch,  dass  in 
Sachsen  weit  ausgedehntere  Aufnahmen  gemacht  wor- 
den seien,  als  in  dem  Werke  Raum  finden  konnten,  so- 
dass  man  eine  Sonderausgabe  derselben  plane,  und  er- 
wähnt auch  der  hieran  anknüpfenden  Bestrebungen  des 
dortigen  landwirthschaftlichen  Ministeriums  zur  Verbesse- 
rung der  ländlichen  Bauweise  durch  gute  Vorbilder. 

Die  angeregte  Frage,  dem  Werke  eine  Uebersichts- 
karte  von  Deutschland  beizugeben,  blieb  im  Hinblick  auf 
den  Kostenpunkt  noch  unentschieden.  Verbraucht  sind 
bis  jetzt  von  den  30000  M.  Beihilfe  des  Deutschen  Reiches 
16413  M.,  :der  Anschlag  für  den  Rest  beträgt  12850  M., 
bleiben  für'’ Unvorhergesehenes  noch  737  M. 

Ein  hübsch  verlaufenes  Essen  im  Hötel  Pitter  auf  Einla- 
dung des  österreichischen  Vereines,  dessen  Gastfreundschaft 

rühmend  her- 
I vorgehoben  4 
wird,  beschloss 
die  Versamm- 
lung. ~ Zum 
Schlüsse  regte 
Redner  eine 
öffentlicheAns- 
stellung  der 
HamburgerOri- 
ginal  • Aufnah- 
men an.  Der 
Vorsitzende 
knüpft  an  seine 
Dankesworte 
für  den  inter- 
essanten,durch 
Ausstellung  ei- 
ner stattlichen 
Auswahl  aus 
den  bislang  er- 
schienenen 
Blättern  beleb- 
ten Bericht  be- 
züglichdesletz- 
ten Punktes  die 
Bemerkung  an, 
dass  es  eine 
Ehrenpflicht 
unseres  Ver- 
eines sei,  sich 
gegenüber  Se- 
nat und  Bür- 
gerschaft über 
die  Verwen- 
dung der  frei- 
gebigen Beihil- 
fe auszuweisen, 
und  dass  der 
Vorstand  dem- 
gemäss über 
eine  angemes- 
sene Form  der 
Ausstellung  der 
Original  - Auf- 
nahmen Vor- 
Schläge  machen 
werde. — Mo. 

Vers,  am  17. 
Okt.  1902.  Vors. 
Hr.  Zimmer- 
mann, anw.78 
Pers.  Der  Vor- 
sitzende for- 
dert zur  Be- 
sichtigung der 
von  Hrn.  B. 
Harrass  im 
Hamburger 
Hof  veranstal- 


teten Ausstellung  von  Koptoxyl  (ein  echtes  Holz  in  vcrvoll- 
koramneter  Holztechnik  znr  Bekleidung  von  Innenräumen) 
auf,  und  ertheilt  darauf  das  Wort  Hrn.  Stein  zu  dem 
Vortrage  über  ,Die  elektrischen  Stadtbahnen  von 
Paris“.  Ueber  diesen  Vortrag  wird  an  erster  Stelle  die- 
ser Nummer  besonders  berichtet.  — Hm. 


Vermischtes. 

Oie  feierliche  Eröffnung  der  Ausstellung  des  „Vereins 
für  Deutsches  Kunstgewerbe“  ln  Berlin,  veranstaltet  zur 
Feier  des  25jährigen  Bestandes  desselben,  hat  am  14.  Nov. 
in  den  Räumen  der  Akademie  stattgefunden.  Die  unter 
der  Oberleitung  und  zumtheil  nach  den  Entwürfen  des 


19  November  1902. 


599 


Arch.  Prof.  Alfred  Grenander  und  unter  Mitwirkung  der 
Hrn.  Arch.  Schneckenberg  und  Schmidt  angeordnete 
Ausstellung  macht  einen  vorzüglichen  Eindruck  und  ist 
geeignet,  dem  Berliner  Kunstgewerbe  wieder  die  Rang- 
stellung in  der  künstlerischen  Kultur  Deutschlands  zu 
geben,  die  es  einstmals  besessen,  aber,  in  den  letzten 
Lustren  zweifellos  eingebüsst  hatte.  Die  zahlreichen  Fest- 
gäste wurden  von  den  beiden  Vorsitzenden,  Geh.  Brth. 
P.  Kieschke  und  Dir.  Dr.  P.  Jessen,  empfangen.  In 
einer  sachlichen  und  würdigen,  vielbemerkten  Ansprache 
gab  der  erstere  unter  dem  Beifall  der  Versammlung  u.  a. 
den  Wunsch  des  Vereins  kund,  nicht  nur  Ausstellungen 
dieser  Art  in  passenden  Zwischenräumen  zu  wiederholen, 
sondern  auch  dafür  wirken  zu  wollen,  dass  das  Kunst- 
gewerbe  mehr  als  bisher  an  den  alljährlichen  grossen 
Kunstausstellungen  theilnehme.  Der  in  einem  ansprechen- 
den Gewände  gegebene,  von  Dir.  Dr.  Jessen  verfasste 
vorläufige  Katalog,  welcher  pünktlich  , zur,  Eröffnung  vor- 
lag, verzeichnet  die  stattliche  Anzahl  von  35  Räumen,  die 
sich  mit  nur  wenigen  Ausnahmen  in  fesselnder  Weise 
darbieten.  Möge  diese  Ausstellung  der  glückliche  Anfang 
einer  Reihe  gleich  werthvoller  Veranstaltungen  des  leben- 
digen Vereins  sein.  — 

Die  Errichtung  eines  bayerischen  Verkehrs-Ministeriums 
scheint  nunmehr  beschlossene  Sache  zu  sein.  Nach  Ueber- 
gang  der  pfälzischen  Bahnen  an  den  Staat  wird  der  Ge- 
halt für  einen  Verkehrsminister  ab  i.  Jan.  1905  im  Etat 
gefordert  werden  und  nach  Genehmigung  des  Landtages 
das  Ministerium  von  diesem  Zeitpunkte  ab  in  seine  Wirk- 
samkeit treten.  Es  werden  dem  neuen  Ministerium  unter- 
stellt die  bayerischen  Eisenbahnen,  die  bayerischen  Posten 
und  Telegraphen,  die  Verwaltungen  der  Ketten-Schlepp- 
schiffahrt  auf  dem  Main  und  der  Dampfschiffahrt  auf  dem 
Bodensee,  die  Binnenschiffahrt,  sowie  eine  Reihe  kleinerer 
Verkehrs-Einrichtungen.  Eine  Hauptaufgabe  des  neuen 
Ministeriums  dürfte  auch  die  Förderung  der  Kanalbauten 
in  Bayern  sein.  Jedenfalls  ist  vom  Standpunkte  des  Ver- 
kehrs die  Neueinrichtung  mit  grösstem  Beifall  zu  _ be- 
grüssen.  Möchte  es  gelingen,  für  die  so  wichtige  leitende 
Stelle  dieser  neuen  Körperschaft  eine  Persönlichkeit  zu 
gewinnen,  welche  frei  von  formalistischen  und  büreau- 
kratischen  Neigungen  in  der  Lage  ist,  die  gewaltigen  An- 
forderungen des  modernen  Verkehrs  unbefangen  zu  be- 
urtheilen  und  mit  entschlossener  Händ  zu  befriedigen. — 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
Weltpostvereins-Denkmal  ln  Bern.  Dieser  von  uns  in  No.  27 
Seite  172  schon  angekündigte  Wettbewerb  ist  nunmehr 
durch  den  schweizerischen  Bundesrath  zum  15.  September 
1903  erlassen  worden.  Das  Denkmal,  mit  welchem  eine 
Brunnenanlage  verbunden  werden  kann,  über  dessen  Ge- 
staltung aber  im  übrigen  Vorschriften  nicht  gemacht  sind, 
ausser  der  einen,  dass  es  seine  Bestimmung  zu  klarem 
Ausdruck  bringen  soll,  wird  auf  dem  Steinhauerplatz  in 
Bern,  zwischen  der  Bundesgasse  und  den  Anlagen  der 
kleinen  Schanze  errichtet  werden.  Die  Kosten  sollen 
170000  Frcs.  nicht  überschreiten.  Dem  Preisgerichte 
stehen  zur  beliebigen  Vertheilung  15000  Frcs.  zur  Ver- 
fügung. Die  Ausführung  ist  dem  Künstler  zuge- 
sichert, welcher  durch  das  Preisgericht  hierzu 
bestimmt  wird.  Empfiehlt  sich  keiner  der  eingereichten 
Entwürfe  zur  Ausführung,  so  findet  ein  zweiter,  engererWett- 
bewerb  gegen  eine  noch  festzustellende  Entschädigung  statt. 
Verlangt  werden  ein  Modell  i : lö,  ein  Lageplan  i : 200, 
eine  Perspektive  und  die  üblichen  Berichte.  Dem  Preis- 
gerichte gehören  an  die  Hrn.  Geh.  Ob.-Postrath  Hake  in 
Berlin;  Bildhauer  Prof.  E.  Helmer  in  Wien;  Bildhauer 
Graf  de  Lalaing  in  Brüssel;  Prof.  F.  Meldahl  in  Kopen- 
hagen; Architekt  H.  Velada  in  Madrid;  Bildhauer  H. 
Bartholomö  in  Paris;  Bildhauer  H.  Armstead  in  Lon- 
don; Bildhauer  A.  Strobl  in  Budapest;  Bildhauer  Prof. 
E.  Ximenes  in  Rom;  Architekt  Prof.  Fr.  Bluntschli  in 
Zürich  und  Dir.  E.  Ruffy  in  Bern.  Unterlagen  kosten- 
frei durch  das  „Schweizerische  Post-  und  Eisenbahn-De- 
partement" oder  vom  „Internationalen  Btireau  des  Welt- 
postvereins“ in  Bern. 

Der  Wettbewerb  ist  ein  eigenartiger  und  verdient 
nach  unserer  Meinung  aus  nationalen,  künstlerischen  und 
praktischen  Gründen  die  ernsteste  Beachtung  der  Fach- 
genossen. — 

Einen  Wettbewerb  zu  einer  Ueberdachung  der  Treppen- 
Auf-  und  Abgänge  für  elektrische  Untergrundbahnen  schreibt 
der  Architekten-Verein  zu  Berlin  unter  seinen  Mit- 

gliedern  mit  Frist  zum  ii.  Februar  1903  aus.  Von  der 
Gesellschaft  für  elektrische  Hoch-  und  Untergrundbahnen 
in  Berlin  ist  der  Betrag  von  300  M.  zu  2 Preisen  für  die 


besten  Lösungen  der  Aufgabe  zur  Verfügung  gestellt. 
Das  Preisgericht  ist  der  Beurtheilungs-Ausschuss  des  Ver- 
eins auf  dem  Gebiete  der  Architektur.  Unterlagen  zu  be- 
ziehen durch  das  Vereins-Sekretariat.  — 

Zu  einem  engeren  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine 
Lazareth-Anlage  in  Kiel  waren  die  Hrn.  Brth.  E.  Schwartz- 
kopff  und  Schmieden  & Boethke  in  Berlin,  sowie  Hr. 
Prof.  H.  Hartung  in  Dresden  durch  das  Reichs-Marine- 
amt  eingeladen.  Die  Bausumme  für  die  Anlage  war  mit 
1600  000  M.  angegeben.  Jeder  Bewerber  erhielt  ein  Hono- 
rar von  5000  M.  und  es  gelangten  ausserdem  zwei  Preise 
von  5000  und  3000  M.  zur  Vertheilung.  Diese  Preise  fielen 
an  Hrn.  Brth.  E.  Schwartzkopff  (I.  Pr.)  und  an  die  Hrn. 
Schmieden  & Boethke  (II.  Pr.)  — 


Ghronik. 

Ein  Entwurf  zur  Kanalisirung  des  Main,  aufgestellt  von 
Hrn.  kgl.  Bauamtmann  B 0 e s h e n s s in  Aschaffenburg,  ist  derKana- 
lisirung  der. .Strecke  zwischen  Offenbach  und  Hanau  sowie  Um- 
schläganlagen  bei  Aschaffenburg  gewidmet.  Die  erstere  umfasst 
4 Staustufen  und  soll  in  den  gleichen  Abmessungen  zur  Ausführung 
gelangen,  wie  die  Kanalisirung  . unterhalb  von  Offenbach,  sodass  die 
grossen  Rheinschiffe  bis  Aschaffenburg  verkehren  können.  Die 
Kosten  für  die  rd.  50  km  lange  Strecke  Hanau-Aschaffenburg  sind 
mit  etwa  9,5  Mill.  M.  veranschlagt.  Die  Kosten  für  die  Umschlag- 
Anlagen  bei  Aschaffenburg  sind  mit  12  Miü.  M.  berechnet.  — 

Die  Betriebseröffnung  der  Isergebirgsbahn,  welche  das 
nordböhmische  Industriegebiet  mit  dem  preussischfiu  Schlesien  ver- 
bindet, hat  am  i.  bezw.  20.  Okt.  stattgefunden.  Die  interessante 
Gebirgsbahn  ist  eine  Verlängerung  der  Strecke  Reichenberg-Gablonz- 
Tannwald;  auf  östeiTeichischem  Gebiete  liegt  die  Strecke  Tannwald- 
Grünthal,  auf  preussischem  die  Strecke  Grünthal-Petersdorf  mit  der 
Fortsetzung  nach  Hirschberg.  — 

Der  Brand  des  Schlosses  von  Eu  an  der  Niederseine  hat 
uns  eines  der  hervorragendsten  Denkmäler  der  französischen  Re- 
naissance beraubt^  Das  Schloss  wurde  1651  durch  den  Herzog  von 
Guise  begonnen  und  durch  Madame  de  Montpensier  vollendet. . 182  t 
wurde  es  durch  Louis  Philipp  wieder  hergestellt.  Es  gehörte. der 
Familie  Orleans. , Unter  dem  Titel  „Le  chäteau  d'Eu“  hat  Vatout 
im  Jahre  1839  in  Paris  eine  Monographie  über  das  Schloss  her- 
ausgegeben. — 

Die  Oberlausitzer  Ruhmeshalle  und  das  Kaiser  Friedrich- 
Museum  in  Görlitz,  nach  dem  Entwürfe  des  Architekten  Ober- 
lehrer.Hugo  Behr  in  Görlitz  errichtet,  werden  am  28.  November 
eingeweiht.  — 

, Saalbau  in  Nürnberg.  Der  Industrie-  und  Kulturverein 
in  Nürnberg  beschloss  die  Errichtung  eines  Saalbaues  nach  den 
Plänen  des  Hrn.  Oberbäurathes  v.  Kramer.  Die  Bausumme  ist  auf 
850.000  IVI.  veranschlagt.  — 

Die  Errichtung  einer  neuen  Isarbrücke  bei  Thalkirchen 
bei  München  ist,  wie  wir  mit  Genugthuung  bemerken,  in  erster 
Linie  deshalb  als  fünfbogiger  Betonbau  durch  die  Firma  Säger  & 
Wörner  in  Aussicht  genommen,  weil  eine  Betonbogenbrücke  sich 
besser  in  das  Landschaftsbild  einfüge,  wie  eine  Eisenbrücke.  Die 
Bausumme  dürfte  rd.  1400000  M.  betragen.  — 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Mar.-Schiffbmstr.  Brotzki  ist  z- 
kals.  Reg. 'Rath  und  Mitgl.  des  Pat.-Amtes  ernannt. 

Baden.  Der  Bauing.  Hausmann  bei  der  Wasser-  und 
Strassen-Bauinsp.  in  Donaueschingen  ist  gestorben. 

Bayern.  Der  Telegr.-Oberiug.,  Ob.-Postinsp.  Heelein  in 
Regensburg  ist  in  den  Ruhestand  getreten. 

Preussen.  Dem  Geh.  Brth.  Rathenau,  Gen.-Dir.  der 
Allgem.  Elektricitäts-Ges.  in  Berlin,  ist  der  kgl.  Kroneu-Orden  III.  Kl. 
verliehen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Gust.  Lodemann  aus  Stellichte,  Kurt  Marder 
aus  Arys,  Gast.  Sauermilch  aus  Steinbach  und  Wilh.  Hoehne 
aus  Bunzlau  ^Eisenbfch.),  — Karl  Eloesser  aus  Insterburg,  Paul 
Mirauer  aus  Berlin  und  Hans  Martens  aus  Prenzlau  (Masch.- 
Bfch.)  sind,  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Württemberg.  Dem  Reg.-Bmstr.  Kühn  ist  die  Stelle  eines 
hochbautechn.  Ass.  bei  der  Domähen-Dir.  übertragen;  dem  Reg.- 
Bmstr.  Heess  bei  derselb.  ist  der  Titel  und  Rang  eines  Bauinsp. 
verliehen. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Anfragen  an  den  Leserkreis, 
r.  Zu  einem  Villenbäu  im  Flachland,  wo  Brunnenbau  nötbig  ist, 
möchte  ich  das  Wasser  den  3 Stockwerken  möglichst  bequem, 
ähnlich  einer  Wasserleitung,  zuführen.  Welche  Anordnungen  bezw. 
Systeme  haben  sich  hierfür  bewährt?  G.  in  Kempten. 

■ 2.  Welche  Firma  fertigt  Lorbeerbäume,  welche  als  Fassaden- 
schmuck dienen  sollen,  in  Metall  an?  F.  V.  in  Kölii  a.  Rh. 

3.  In  einer  alten  gothischen  Hallenkirche,  in  welcher  eine  Gas- 
beleuchtung besteht,  soll  Gasheizung  eingerichtet  werden.  Welches 
System  von  Gasöfen  hat  sich  bis  jetzt  bei  Kirchenheizungen  be- 
währt und  wo  sind  solche  eingeführt?  — G.  Homburg. 


Inhalt:  Die  elektrische  Stadtbahn  von  Paris.  — Die  I.  internationale 
Ausstellung  für  moderne  dekorative  Kunst  in  Turin  1902.  IV.  (Schluss). 
Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Chronik. 
— Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m,  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!., Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  93. 


600 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2: 94-  sis 
DEN  22.  NOV.  IQ02. 
ÄS!9rsr9:3tars:s:s!S!Srat«r 


Foyer. 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  Hc 
statsr?s«rs!s!r«3t2ts: 


Das  neue  Stadttheater  in  Köln. 


Architekt:  Regierungs-Baumeister  Karl  Moritz  in  Köln  a.  Rh. 


(Schluss.)  Hierzu  die 


|as  nun  die  architektonische  Ausgestaltung 
j des  neuen  Theaters  betrifft,  so  zeigt  die 
W;  Stilgeb ung  eine  freie  moderne  Weiterbil- 
dung der  Formen  des  deutschen  Barocks 
unter  Ausschluss  einer  willkürlichen  und 
„naturalistischen“  Ornamentik.  Sowohl  in  der  Massen- 
gliederung des  Aeusseren  als  in  der  Raumgestaltung 
und  Farbengebung  des  Inneren,  sowohl  im  Grossen 
wie  im  Kleinen,  bekundet  das  Werk  überall  ein  persön- 
liches Empfinden,  frei  von  Schulzwang  und  Schablone. 
Entzückend  schön  wirken  namentlich  die  schon  er- 


wähnten Haupttreppen  zum  Balkongeschoss  und  noch 
mehr  das  in  hohem  Grade  stimmungsvolle  Foyer.  Es 
ist  vielleicht  die  künstlerisch  am  höchsten  stehende 
Wandelhalle  aller  neuen  Theater.  Die  durch  die  Kon- 
struktion des  Hauses  bedingten  grossen  Mauerkörper 
sind  in  kraftvoll  durchgebildete  Bogenstellungen  auf- 
gelöst. Die  Segmentform  des  Grundrisses  hatte  eine 
Axentheilung  zurfolge,  nach  welcher  den  drei  Bogen- 
öffnungen auf  der  Innenseite  deren  sieben  auf  der 
Aussenseite  gegenüberstehen,  Die  letzteren  sind  durch 
einen  3 tiefen  Seitengang  erweitert,  der  an  der 
Hauptfront  liegt  und  aus  sieben  gewölbten  Nischen 
besteht,  zwischen  welchen  kleine  Kabinette  zu  behag- 
lichen Sitz-  und  Plauderplätzen  einladen.  Aus  der 
edel  gegliederten  Bogenarchitektur  wächst  das  Tonnen- 
gewölbe der  Decke  unmittelbar  hervor.  Den  Boden 
bedeckt  ein  rother  Teppich,  der  seine  abendlichen 
Reflexe  auf  einen  grossen  7'heil  der  Wand-  und 
Deckenflächen  einwirken  lässt.  Das  Getäfel  und  die 
Bogenzwischenwände  der  eingebauten  Ruheplätze  sind 
aus  schwarzgebeiztem  Eichenholz  gefertigt,  in  welches 


Abbildungen  Seite  605. 

ein  grüngold  behandeltes,  zierliches  Ornament  sich 
einfügt;  die  Polster  sind  wiederum  roth  mit  silber- 
grauen. goldverzierten  Behängen.  Ueber  diesem  dun- 
keln Unterbau  setzt  die  Wandarchitektur  durchweg 
in  graugrünem  Tone  ein  mit  hellgrünen  Pilaster- 
füllungen, mit  Kapitalen,  Giebelaufsätzen  und  sonsti- 
gen skulptirten  Theilen  in  grüngoldener  Färbung,  die 
glücklich  abgestimmt  ist  zum  Blau  des  Deckengewölbes. 
Die  koloristische  Wirkung  wird  ergänzt  durch  den 
eigenartigen,  von  Sascha  Schneider  in  Dresden  ge- 
schaffenen malerischen  Schmuck:  acht  lebensgrosse 
Figuren  auf  den  Pfeilerflächen,  die  Weltlitteratur  ver- 
sinnbildend,  und  ein  grosszügiger  Fries  von  Ideal- 
gestalten, die  Geschichte  des  Menschengeschlechtes  an- 
deutend und  frei  überleitend  von  der  Wandarchitektur 
zur  Deckenfläche.  Diese  Malwerke  sind  von  herber 
Kritik  nicht  verschont  geblieben,  und  ihr  vielleicht  zu 
tiefsinniger  Ernst  ladet  dazu  in  der  That  ein.  Aber 
ihre  vortreffliche  Eingliederung  in  die  Architektur,  ihr 
innerer  Werth,  ihre  künstlerische  Höhe,  ihre  monu- 
mentale Wirkung  kann  von  Niemand  verkannt  werden. 

Von  sonstigen  Künstlern,  die  den  Architekten 
unterstützten,  sind  ausser  dem  bereits  erwähnten  Maler 
des  grossen  Deckenbildes  im  Zuschauerraum  zu  nennen 
Karl  Rickelt  als  Maler  zweier  Ideallandschaften  auf 
den  Wandflächen  oberhalb  des  zweiten  Ranges,  Karl 
Hemming  als  Schöpfer  der  kleineren  dekorativen  und 
ornamentalen  Ausmalungen  des  Zwischenraumes,  Maler 
Mauss  als  Ausschmücker  der  Restauration,  die  Bildh. 
Haller,  F austner,  Altmann,  Meisen  und  Schrei- 
ner in  Köln,  sowie  Meissner  und  Hofmann  in  Berlin 
als  Schöpfer  der  inneren  und  äusseren  Skulpturen. 


6oi 


Die  künstlerische  That  des  Architekten  Karl  Moritz 
ist  nicht  bloss  eine  Glanzleistung,  sondern  nach  ihrem 
Werthe  ein  vorbildliches  Meisterwerk  in  der  neueren 
Baugeschichte  Kölns  und  weit  über  die  Grenzen  der 
Stadt.  Bei  der  Einweihung  des  neuen  Kunsttempels 
wurde  der  glückliche  und  geniale  Erbauer  mit  Recht 
gepriesen  und  gefeiert.  Wie  er  selbst  über  sein  Werk 
denkt,  möge  der  Leser  den  nachfolgenden  Worten 
entnehmen,  welche  Moritz  in  seiner  Dankrede  beim 
Einweihungsfeste  äusserte: 

„Wenn  ich  anstrebte,  in  modernem  Geiste  zu 
schaffen,  so  bewegte  ich  mich  auf  gefährlichem  Boden. 
Breite  Kreise  auch  des  gebildeten  und  kunstverständigen 
Publikums  sind  gegen  die  moderne  Bewegung  stark 
voreingenommen  und,  leider  oft  mit  Recht,  da  unter 
der  angemaassten  Flagge  einer  neuen  Kunst  arg  viel 
Nichtkönnen  einher  segelt.  In  dem  Wogen  und  Gähren 
der  neuen  Strömungen  hat  man  vielfach  noch  keinen 
festen  Standpunkt  für  sein  Urtheil  gefunden  und  be- 
hilft sich  mit  der  Nomenklatur  der  glücklich  über- 
wundenen archäologischen  Periode  des  Kunstbetriebes. 
Man  spricht  von  den  historischen  Stilen  und  konstruirt 
einen  neuen  aus  lauter  nebensächlichen  Formen,  die 
den  Kern  des  baukünstlerischen  Schaffens  nicht  treffen. 
Dieser  aber  ist  in  der  Architektur  der  gleiche,  wie  in 
der  Malerei  und  Plastik.  Soll  man  überhaupt  von 
einer  Baukunst  reden,  so  muss  der  Architekt  die  in 
seiner  Aufgabe  enthaltenen  Stimmungswerthe  heraus- 
empfinden und  diese  derart  mit  den  Mitteln  seiner 
Kunst  zum  Ausdruck  bringen,  dass  die  gleiche  von 
ihm  vorempfundene  und  gewollte  Stimmungsreihe  in 


dem  Beschauer  ausgelöst  wird.  Nur  darin  liegt  künst- 
lerisches Schaffen,  nur  auf  diesem  Wege  kann  ein 
persönlicher,  nationaler,  wmhrer  Stil  unserer  Zeit  ent- 
stehen. Alles  sonst,  Nachahmen  der  alten  und  Aus- 
gebähren neuer  Formen,  ohne  diesen  Wesensinhalt 
ist  Handwerk  oder  Spielerei,  aber  niemals  Kunst. 
Fühle  ich  mich  auch  weit  vom  Ziele  und  bin  ich  mir 
vollbewusst,  dass  eine  neue  Kunst  nur  durch  das 
gleichklingendeZusammenwirkenVielcrunterseelischer 
Betheiligung  des  ganzen  Volkes  Zustandekommen  kann, 
so  danke  ich  Ihnen  doch  aufrichtig,  dass  Sie  mir  Ge- 
legenheit geboten  haben,  bei  diesem  Bau  mein  künst- 
lerisches Glaubensbekenntniss  abzulegen.“ 

Die  Kosten  des  Baues  sind  nicht  unbedeutend 


gewesen;  sie  haben  betragen: 

für  Zuschauer-  und  Bühnenhaus  einschl. 

Heiz-  und  Kühlanlage 1800000  M., 

„ die  Bühnen-Maschinerie  ....  540  000  „ 

„ Mobiliar 210000  „ 

„ das  Restaurations  - Gebäude  nebst 

seiner  Einrichtung 431 000  „ 

„ dieGartenanlagenu.ihreBdeuchtung  46000  „ 

„ Dekorationen  und  Kostüme  . . . 580  000  „ 

„ das  Magazin-Gebäude  . . . ' . . 300  000  „ 

„ Strassen-Anlagen 31 000  „ 

zusammen  3 938  000  M. 


Rechnet  man  den  auf  reichlich  i Million  M.  zu 
schätzenden  Werth  des  Bauplatzes  hinzu,  so  ergiebt 
sich  eine  Kostensumme  von  rd.  5 Mill.  ,M.  — 

J.  Stübben. 


Einiges  über  Saugebagger  und  Schwemmapparate. 


ig^ln  dem  letzten  Jahrzehnt  sind  die  Grösse  und  der  Tief- 
[Pl  gang  der  grossen  Handelsdampfer  ganz  wesentlich 
gesteigert  worden,  da  in  den  Schiffahrt  treibenden 
Kreisen  Werth  auf  möglichste  Steigerung  des  Fassungs- 
vermögens der  Seeschilfe  zur  Verringerung  der  Trans- 
portkosten gelegt  werden  musste.  Dieses  Bestreben  konnte 
nicht  ohne  Einiluss  auf  die  Einrichtungen  der  Seehäfen 
und  deren  Zufahrten  bleiben.  Die  Ingenieure  sahen  sich 
dadurch  vor  die  Aufgabe  gestellt,  die  Strommündungen 
und  Hafenzufahrten,  welche  bisher  meist  durch  die  natür-, 
liehe  Strömung  auf  einer  gewissen  bestimmten  Tiefe  ge- 
halten wurden,  künstlich  zu  vertiefen,  um  das  Aus-  und 
Einfahren  der  grossen  Ozean-Dampfer  zu  gestatten,  ohne 
dass  dieselben  vorher  einen  Theil  ihrer  Ladung  an  Leichter- 
fahrzeuge abzugeben  brauchten.  Für  die  Durchführung 
dieser  Arbeiten  konnten  zumeist  nur  umfangreiche  Bagge- 
rungen inbetracht  kommen.  Die  Vornahme  von  Bagge- 
rungen für  derartige  Zwecke  war  aber  oft  deshalb  ein 
ausserordentliches  Unternehmen,  als  die  Arbeiten  an  dem 
Seegang  ausgesetzten  Stellen  vorzunehmen  waren  und  die 
Abiagerungsplätze  für  die  gehobenen  Baggermassen  oft 
weit  draussen  in  der  offenen  See  gesucht  werden  mussten. 
Dazu  waren  aber  die  bis  dahin  vornehmlich  bei  Bagge- 
rungen in  Stromläufen  und  auch  in  deren  Mündungsgebiet 
verwendeten  Bagger  und  Trausport-Einrichtungen  wenig 
geeignet.  Es  musste  ein  neuer  Baggertypus  geschaffen 
werden,  dessen  Einrichtungen  den  Anforderungen  der 
veränderteu  Arbeitsgelegenheit  besser  entsprechen,  als  die 
bisher  üblichen.  Diese  Anforderungen  bestehen  in  dei 
Hauptsache  darin,  dass  die  Bagger  seetüchtig  sind,  sich 
selbst  mit  hinreichender  Geschwindigkeit  fortzubewegen 
vermögen,  sowie  selbst  Räume  zur  Aufnahme  des  ge- 
baggerten Bodens  besitzen.  Ausserdem  muss  das  Lösen 
und  Heben  des  Bodens,  für  welches  in  anderen  Fällen 
die  Eimerleiter  vorzügliche  Dienste  leistete,  auf  andere 
Weise  erfolgen.  Ferner  hat  das  Entleeren  der  Material- 
räume des  Baggers,  sei  es  durch  einfaches  Verklappen 
des  Materials  mittels  der  Bodenklappen  oder  mittels 
schwimmender  oder  schwebender  Transport-Rohrleitung 
durch  die  Schwemmkraft  des  Wassers  durch  den  Bagger 
selbst  zu  geschehen.  Zweckmässig,  wenn  auch  nicht  für 
jede  Arbeit  erforderlich,  erscheint  es,  die  Einrichtung  des 
Baggers  auch  so  zu  treffen,  dass  derselbe  nicht  nur  seine 
eigenen  Materialschächte  zu  füllen  und  zu  entleeren  ver- 
mag, sondern  ein  Gleiches  auch  mit  Baggerschuten  zu 
verrichten  im  Stande  ist.t. 

Diese  Bedingungen  werden,  mehr  oder  weniger  voll- 
kommen erfüllt  von  den  sogenannten  Saugebaggern 
mit  Materialschäcliten,  die  sich  im  Laufe  der  Jahre  zu 
einem  bestimmten  Baggertyp  herausgebildet  haben.  An 
Stelle  der  Eimerleiter  ist  die  Saugwirkung  einer  Kreisei- 

602 


pumpe  getreten , durch  welche , mittels  eines  beweg- 
lichen, in  den  Grund  herabgelassenen  Saugrohres  ein  Ge- 
misch von  Boden  und  Wasser  angesaugt  wird  und  in  die 
Materialschächte  des  Baggers  oder  der  Schuten  oder  durch 
eine  schwimmende  oder  schwebendeTransport-Rohrleitung 
unmittelbar  zur  Ablagerungsslelle  gedrückt  wird.  Gute 
Ergebnisse  werden  mit  dieser  Baggerart  erzielt,  sobald  es 
sich  um  sandigen  Boden  oder  auch  solchen  mit  Beimischung 
von  Thon  und  Schlick  handelt;  geringe  Wirkung  erzielt  der 
Saugebagger  jedoch  bei  festem  Thonboden  und  auch  bei 
leichtem  Schlick,  sobald  die  Materialschächte  des  Baggers 
oder  der  Schuten  gefüllt  werden  sollen,  da  die  Schlick- 
theilchen  in  den  Schächten  nicht  so  schnell  wie  z.  B.  die 
schwereren  Sandkörner  zu  Boden  fallen  und  infolge  dessen 
von  dem  überschüssigen  Wasser,  welches  über  die  Ränder 
der  Schächte  läuft,  zumtheil  wieder  mitgerissen  werden. 
Handelt  es  sich  um  Baggerung  von  Schlickboden,  und  wird 
das  angesaugte  Gemisch  von  Schlick  und  Wasser  unmittelbar 
in  eine  bis  zur  Ablagerungsstelle  reichende  Transport- 
Rohrleitung  gedrückt,  so  ist  die  "Wirkung  gleichfalls  eine 
günstige.  Ueber  die  Versuche,  diese  Mängel  des  Sauge- 
baggers zu  beseitigen,  ist  schon  auf  S.  545  ff.  der  Dtschn. 
Bztg.  Jahrg.  1901  berichtet  worden;  es  braucht  hier  nur  auf 
die.se  Mittheilungen  hingewiesen  zu  werden. 

Dass  ein  Saugebagger  auch  als  „Schwemmapparat 
oder  Schutensauger“  zur  Förderung  von  Baggergut  mittels 
schwimmender  oder  schwebender  Transport-Rohrleitung 
verwendet  werden  kann,  ist  im  Vorhergehenden  schon 
verschiedentlich  erwähnt.  Es  liegt  darin  ein  grosser  Vor- 
zug des  Saugebaggers,  da  dieser  Art  des  Transportes  von 
Baggergut  bis  zur  Ablagerungsstelle  neuerdings  wegen 
seiner  Wohlfeilheit.mit  Recht  grosse  Beachtung  zugewandt 
wird.  Es  sei  als  Beispiel  erwähnt,  dass  die  bei  den  grossen 
Erweiterungen  des  Seeschiffhafens  bei  Bremen-Stadt  mittels 
Eimerkettenbagger  gewonnenen  erhebllchenBaggermassen 
zur  Aufhühung  des  Hafengeländes  verwendet  wmrden  und 
dass  diese  Aufhöhung  durch  stationäre  „Schutensauger  oder 
Schwemmapparate“,  denen  Baggerschuten  den  Boden  zu- 
führen, bewirkt  wird. 

Die  maschinellen  Einrichtungen,  welche  ein  Sauge- 
bagger, der  auch  als  Schwemmapparat  oder  Schutensauger 
wirken  soll,  erhalten  muss,  um  den  vielseitigen  Anforde- 
rungen zu  genügen,  bestehen  in  der  Hauptsache  aus  der 
oder  den  Kreiselpumpen  für  die  Baggerung  und  den  dazu- 
gehörigen Antriebmaschinen  und  ferner  in  einer  Kreisel- 
pumpe nebst  Antriebmaschine  zur. Förderung  von  Wasser 
in  die  Materialschächte  des  Baggers  oder  der  Schuten,  um 
das  in  diesen  Schächten  lagernde  Baggermaterial  gehörig 
mit  Wasser  zu  vermischen,  damit  die  Baggerpumpe  das 
Gemisch  ansaugen  und  durch  die  Transportleitung  nach 
der  Ablagerungsstelie  drücken  kann.  Die  Vorhaltung  einer 

No.  94. 


besonderenKreiselpumpe 
für  die  Wasserförderung, 
sobald  der  Bagger  als 
Schwemm- Apparat  oder 
Schutensauger  thätig  sein 
soll,  hat  zurfolge,  dass 
der  von  dieser  Maschi- 
nenanlage eingenommene 
Raum  des  Baggerrumpfes 
unausgenutzt  bleibt,  so- 
bald der  Bagger  vorwie- 
gend als  Bagger  Verwen- 
dung findet.  Es  sind  aber 
wohl  sehr  oft  Fälle  denk- 
bar, wo  der  Besitz  eines 
solchen  Universal  -Appa- 
rates, der  bald  als  Bagger 
und  Schwemm  - Apparat 
oder  als  Schutensauger 
benutzbar  ist,  ohne  dass 
während  der  Dauer  der 
weniger  vielseitigen  Ver- 
wendung eine  nutzlose 
Last  milzuführen  ist,  für 
eine  Bauverwaltung  oder 
einen  Unternehmer  von 
grösstem  Vortheil  sein 
wird.  Seit  einer  Reihe, 
von  Jahren  baut  die  be- 
kannte holländische  Firma 
L.  Smit  & Zoon  in  Kin- 
derdij  k Saugebagger,  wel- 
che nur  mit  zwei  Bagger- 
pumpen und  den  dazu  ge- 
hörigen, gleichzeitig  auch 
für  die  Fortbewegung  des 
Baggers  bestimmten  Ma- 
schinen und  Kesselanla- 
gen versehen  sind  und 
keineWasserpumpe  nebst 
Antriebmaschine  besitzen 
und  trotzdem  sowohl 
als  Saugebagger  und 
Schwemm- Apparat,  als 
auch  als  Schutensauger 
und  Schwemm  - Apparat 
Verwendung  finden  kön- 
nen. Der  grosse  Vortheil, 
welchen  dieseBagger  hin- 
sichtlich der  Einfachheit 
der  Bedienung  und  der 
Anpassung  an  die  jewei- 
ligen Arbeitsbedingungen 
bieten,  haben  diesen  Bag- 
gertypus in  den  einschlä- 
gigen Kreisen  rasch  be- 
hebt gemacht.  Wir  geben 
im  Nachstehenden  unter 
Beifügung  des  Längs-  und 
Querschnittes  (Abbildg.  i 
und  2,  S.  606)  eine  Be- 
schreibung eines  solchen 
Baggers,  der  für  deutsche 
Rechnung  gebaut  worden 
ist,  und  zwar  sowohl  hin- 
sichtlich der  allgemeinen 
Einrichtung  desselben,  so- 
weit das  hier  gerade  noth- 
wendig  erscheint,  als 
auch  besonders  derjeni- 
gen Einrichtungen, welche 
getroffen  worden  sind, 
um  die  Wasserpumpe 
nebst  Maschinen -Anlage 
entbehrlich  zu  machen. 
Es  ist  das  der  Sauge- 
bagger „Gelderland“  der 
genannten  Firma;  ein  an- 
derer Bagger  dieses  Ty- 
pus „Hotm“  ist  in  Dan- 
zig verwendet  worden. 
Im  Aeusseren  ähnelt  der 
Rumpf  des  Baggers  dem 
eines  kräftigen  Seedampf- 
ers. Der  vorderste  Theil 
desRurapfeswirdvon  den 
Schlafräumen  der  Bagger- 
Mannschaft  und  von  einem 
Dienstraum  für  den  bau- 


leitenden Ingenieur  eingenommen.  Das  Mittelschiff  ist  zu 
einem  einzigen  grossen  Schacht  zur  Material-Aufnahme 
ausgebildet,  dann  folgen  die  Baggerpumpen,  die  Ma- 
schinen- und  Kesselräume,  sowie  die  Schlafräume  für  die 
Maschinisten.  Auf  Deck  befinden  sich  ausser  den  für  die 
Steuerung,  den  Schiffs-Maschinenbetrieb,  die.  Signalsetzung 
usw.  erforderlichen  Aufbauten  und  Einrichtungen,  die 
Rohrleitungen  für  die  Vertheilung  des  Baggergutes  in  dem 
Materialschacht,  die  beweglichen,  seitlich  auskragenden 
Rohrstücke  zur  Füllung  von  Baggerschuten,  der  Ansatz- 
stutzen für  die  schwebende  Transport-Rohrleitung,  sobald 
der  Bagger  als  Schwemmapparat  seinen  eigenen  Material- 
schacht oder  Baggerschuten  leersaugen  soll,  ferner  die 
Winden  und  Flaschenzüge  zur  Bedienung  der  Boden- 
klappen des  Materialschachtes,  sowie  der  beweglichen 
Schutensaugrohre  und  des  grossen  Saugrohres  des  Baggers. 
Das  an  seinem  oberen  Ende  im  Scharnier  hängende  und 
an  das  feste  Saugrohr  der  Pumpen  durch  bewegliches 
Verbindungsstück  angeschlossene  Saugrohr  des  Baggers 
hängt  in  Flaschenzügen  am  Steuerbord  des  Baggerrumpfes 
(vergl.  auch  Abbildg.  5). 

Die  maschinelle  Ausrüstung  des  Baggers  besteht  in 
2 Maschinen-  und  Kesselanlagen,  von  denen  jede  350  P.  S. 
indizirt.  Die  Kessel  sind  einfache  zylindrische  Schiffs- 
kessel. Die  Maschinen  sind  senkrecht  stehende  Dreifach- 
Expansions-Dreizylinder-Maschinen  mit  Oberflächen-Kon- 
densation.  Jede  der  Maschinen  treibt  eine  der  beiden 
vorhandenen  Schiffsschrauben  und  kann  ferner  mit  einer 
der  beiden  Kreiselpumpen  zusaramengekuppelt  werden. 

Die  Bestimmung  und  die  Wirkungsweise  der  einzel- 
nen Rohre  usw.  ist  am  leichtesten  zu  übersehen  durch 
eine  Besprechung  der  verschiedenartigen  Thäiigkeit  des 
Baggers  selbst  (vergl.  Abbildg.  i und  2). 

Ist  der_  Bagger  durch  eigene  Kraft  und  mittels  seiner 
beiden  Schiffsschrauben  an  die  Arbeitsstelle  gelangt,  so 
werden  die  Buganker  ausgelegt,  und  es  wird  das  frei  be- 
wegliche Ende  des  Baggersaugrohres  auf  den  Grund  herab- 
gelassen. Die  vorher  mit  den  Schiffsschrauben  gekuppelten 
Maschinen  werden  nunmehr  mit  den  beiden  Bagger- 
Kreiselpumpen  gekuppelt  und  letztere  darauf  in  Be- 
wegung gesetzt.  Während  nun  ein  Gemisch  von  Boden 
und  Wasser  durch  das  Saugrohr  aufgesaugt  und  den 
Pumpen  zugeführt  wird,  werden  die  Ankerketten  durch 
eine  Dampfankerwinde  langsam  aufgenommen,  so.dass,  ,4,er 
Bagger  sich  allmählich  vorwärts  bewegt  und  so  auf -der 
Sohle  eine  Rinne  ausbaggert.  Die  von  den  Kreiselpumpen 
geförderte  Masse  wird  in  einen  gemeinsamen  Stützen  ge- 
drückt und  kann  von  hier  aus  einmal  zur  Füllung  des 
Materialschachtes  des  Baggers  in  die  auf  Deck  liegenden 
Vertheilungs-Rohrleitungen  und  durch  deren  Oeff- 
nungen  in  den  Baggerschacht  gelangen.  Ist  der  Schacht 
gefüllt  und  sollen  ausserdem  noch  Baggerschuten  gefüllt 
werden,  so  kann  dies  unter  Benutzung  des  sich  über  Deck 
nach  beiden  Schilfsseiten  verzweigenden  Schutenlüll- 
rohres  geschehen.  Dieses  Rohr  besitzt  an  beiden  Schiffs- 
seiten T-lörmige,  in  lothrechter  Ebene  drehbare  Enden, 
welche  in  den  Schutenraum  hinabgelassen  werden  können. 
Um  eine  gleichmässige  Vertheilung  des  Baggermaterials 
in  dem  Schutenraum  beim  Ausströmen  zu  erreichen,  be- 
steht die  Ausmündung  des  Zuleitungsrohres  nicht  in  einer 
einzigen  Oeffnung,  sondern  das  wagrechte  Rohr  der 
T-förmigen  Zuleitung  hat  an  der  unteren  Rohrfiäche  zahl- 
reiche Löcher  erhalten. 

Soll  dagegen  der  Bagger  an  der  Baggerstelle  unmittel- 
bar als  Schwemmapparat  arbeiten  und  soll  das  Baggergut 
durch  eine  schwimmende  Transport-Rohrleitung  nach  der 
Ablagerungsstelle  gedrückt  werden,  so  wird  die  von  den 
Pumpen  nach  dem  Heck  des  Baggers  führende  Sch  wemmr 
Leitung  mit  der  schwimmenden  Rohrleitung  verbunden. 

Die  Entleerung  des  Materialschachtes  des  Baggers  an 
der  Ablagerungsstelle  kann,  sobald  an  letzterer  genügende 
Fahrtiefe  für  den  Bagger  vorhanden  ist,  durch  einfaches 
Verklappen  (Oeffnen  der  Bodenklappen)  geschehen.  Um. 
den  Materialschacht  des  Baggers  aber  auch  trotz  der 
fehlenden  Wasserpumpe  auch  nach  dem:  Lande  hm  enh 
leeren  zu  können,  um  also  in  solchem  Falle  den  Bagger 
ebenfalls  als  Schwemm apparat  zu  gebrauchen,  ist  folgende 
Einrichtung  getroffen  worden:  Unter  dem  Materialscnacht 
in  ganzer  Länge  desselben  beiderseits  der  Kiellinie  ziehen 
sich  zwei  Kanäle  hin,  deren  obere  Wände  den  Boden 
des  Materialschachtes  abgeben.  Diese  Wände  sind  je  von 
13  Oeffnungen  ^durchbrochen,  welche  die  Verbindung 
zwischen  Materialschacht  und  den  Kanälen  herstellen. 
Diese  Oeffnungen  können  durch  Holzklappen  geschlossen 
werden.  An  den  Klappen  sind  Zugketten,  welche  äh 
Deck  mit  Schraubenspmdeln  verbunden  sind.  Befestigt 
durch  Handräder  können  diese  Spindeln  einzeln  gehoben 
oder  gesenkt  werden  und  so  die  Verbindung  zwischen 
Materialschacht  und  den  Kanälen  abgeschnitten  bezw.  her- 

603 


22.  November  1902. 


Abbildg.  3.  Saugebagger  »Gelderland“.  — Abbildg.  4 und  5.  Saugebagger  aHolm“. 
Erbaut  von  L.  Smit  & Zoon  in  Kinderdijk,  Holland. 


604 


No.  94. 


gestellt  werden  fvergl.  Querschnitt  Abbildg.  2X  Iti  den  bare  Oeffnungen.  Die  [Schliessketten  für  diese  äusseren 
gegenüberliegenden,  vom  Schiffsboden  gebildeten  Kanal-  Klappen  gehen  seitlich  von  den  Kanälen  in  die  Höhe  und 


Wandungen  befinden  sich  entsprechende,  mit  einfachen,  laufen  oben  an  Deck  über  Rollen  nach  einer  gemeinsamen 
aussen  mit  Stahlblech  armirten  Holzklappen  verschliess-  Dampfwinde.  Die  Klappen  werden  für  gewöhnlich  in 

22.  November  1902.  äq- 


neue  Stadttheater  in  Köln  a.  Rhein.  Architekt:  Reg.-Baumeister  Karl  Moritz  in  Köln. 


der  Schlusslage  durch  eine  über  Deck  angeordnete  Keil-  Die  beiden  Kanäle  stehen  hinten  durch  ein  Schoss  in 
Vorrichtung  (siehe  Querschnitt)  gehalten.  Um  den  Inhalt  Verbindung  mit  den  Saugrohren  der  beiden  Baggerkreisel- 
des  Materialschachtes  zu  „verklappen“,  werden  die  inneren  pumpen,  vorn  münden  sie  in  je  einen,  in  olfener  Ver- 
Klappen  der  Reihe  nach  durch  Herabdrehen  der  Spindeln  bindung  mit  dem  Aussenwasser  stehenden  Tank.  Kanäle 
von  Hand  geöffnet,  sodann  werden  die  Keile  mittels,  und  Tank  können  getrennt  werden  durch  Schosse,  welche 
eines  Hammers  herausgeschlagen,  sodass  die  äusseren  vom  Deck  aus  bedient  werden.  Soll  nun  der  Bagger 
Klappen  sich  ebenfalls  öffnen  und  das  Baggergut  durch  als  Schwemmapparat  dienen,  seinen  eigenen  Materiai- 
die  entstandenen  Oeffnungen  in  die  Tiefe  gleitet.  Nach  schacht  leersaugen  und  das  Baggergut  durch  schwebende 
beendigter  Entleerung  werden  die  äusseren  Klappen  durch  Transport-Rohrleitung  an  das  Land  spülen,  so  werden 
die  Dampfwinden  gleichzeitig  angehoben  und  durch  Ein-  die  Kanäle  durch  Ziehen  der  letztgenannten  Schosse  mit 
treiben  der  Keile  festgelegi,  sodann  werden  auch  die  dem  Aussenwasser  in  Verbindung  gesetzt.  Die  Schosse 
oberen  Klappen  durch  Anziehen  der  Spindeln  wieder  lassen  eine  beliebige  Regelung  des  Wasserzuflusses  zu. 
geschlossen.  Darauf  werden  die  die  Oeffnungen  zwischen  Material- 


Die  Baupacht-  und  Grundrenten-Verhältnisse 
in  England. 

le  eigenthümlichen  Pacht-  und  Rentenverhältnisse  des 
englischen  Bodens  und  die  in  ihrem  Gefolge  auf- 
treienden  Einflüsse  auf  den  englischen  Hausbau  haben 
seit  langem  schon  die  Aufmerksamkeit  der  Sozialhistoriker 
auf  sich  gezogen  und  sind  auch  bei  dem  in  Deutschland 
in  letzter  Zeit  viel  erörterten  System  der  Erbpacht  Gegen- 
stand des  Studiums  gewesen.  Es  bietet  deshalb  vielleicht 
einiges  Interesse,  einmal  einen  flüchtigen  Blick  auf  diese 
Verhältnisse  zu  werfen,  die  in  ihren  Anfängen  bis  auf 
Wilhelm  den  Eroberer  zurückgehen,  der  am  29.  Sept.  1066 
den  englischen  Boden  , betrat  und  in  der  Schlacht  bei 
Hastings  am  14.  Okt.  loCö  den  von  den  Grossen  des  Lan- 
des zum  Nachfolger  Eduards  des  Bekenners  (1042—1066) 
erwählten  König  Harald  besiegte  und  tödtete,  sich  als  Be- 
herrscher des  Landes  einsetzte  und  nach  wiederholten 
Aufständen  der  Angelsachsen  den  gesaramten  Landbesitz 
an  sich  riss,  um  ihn  zum  königlichen  Besitz  zu  erklären. 
Diese  tiefgreifende  Umwandlung  der  Besitzverhältnisse 
wurde  durch  Wilhelm  in  einem  etwa  um  das  Jahr  1085 
verfassten  Reichsgrundbuch,  Domesday-Book,  urkundlich 
festgelegt.  Dieses  Buch  umfasst  den  Besitzstand  von  34 
GraTschaften  und  giebt  ein  ausführliches  Verzeichniss  des 
Grundbesitzes  in  diesen  Bezirken.  1783  erschien  in  London 
eine  Druck-Ausgabe  des  Buches,  während  die . Original- 
handschrift in  der  englischen  Schatzkammer  aufbewahrt 
wird.  Während  nun  Wilhelm  die  alte  Eintheilung  des 
Landes  in  Grafschaften  beibehielt,  schuf  er  für  den  Besitz 
selbst  ganz  neue  Verhältnisse,  die  bis  zum  heutigen  Tage 
fortwirken.  Der  durch  ihn  aufgestellte,  noch  heute  in  der 
Theorie  gültige  Grundsatz  des  englischen  Rechtes  besteht 
darin,  dass  der  König  alleiniger  und  ausschliesslicher  Eigen- 
thümer  des  ganzen  von  ihm  eroberten  Landes  ist,  und  dass 
Niemand  Land  besitzen  kann,  dem  es  nicht  • durch  den 

606 


König  in  irgend  einer  Form  verliehen  ist.  So  kommt  es, 
dass  beinahe  alles  Land  im  Besitze  einiger  weniger  Lehns- 
herren ist.  Ira  Jahre  188g  waren  85%  des.  urbaren  Lan- 
des überhaupt  Pachtland. 

Es  besteht  in  England  bis  heute-  noch  ein  Lehnsver- 
hältniss  derart  dass  die  Lehen  zwar  erblich  waren,  jedoch 
beim  Aussterben  eines  Geschlechtes  oder  bei  schlechter 
Führung  des  Lehnsinhabers  an  den  König  znrückfallen 
konnten.  Auf  wie  wenige  Inhaber  sich  der  Grundbesitz 
vertheilt,  wird  ersichtlich,  wenn  man  erfährt,  dass  es  in 
England  nur  etwa  600  persönliche  oder  körperschaftliche 
Lehnsinhaber  giebt,  die,  „chief  tenants"  oder  „tenentes  in 
capite“- genannt,  das  Lehen  unmittelbar  von  der  Krone 
empfingen.  Daneben  gab  es  dann  etwa  gegen  8000  After- 
lehnsleute. Es  kann  nicht  überraschen,  dass  unter  diesen 
Umständen  eine  Art  Latifundienwesen  einen  weiten  Um- 
fang angenommen  hat,  namentlich  wenn  man  erfährt,  dass 
348  Eigenihümer  fast  den  4.  Theil  der  gesammten  nutzbaren 
Grundfläche  des  vereinigtenKönigreichesbesitzen.  i2Eigen- 
thümer  besitzen  zusammen  18000  davon  einer  allein 
5500  qkm.  Aus  diesen  Verhältnissen  heraus  sind  Erschei- 
nungen gezeitigt  worden,  welche  eine  Abänderung  dieser 
Zustände  immer  dringender  erscheinen  Hessen.  l3er  Ruf 
nach  dem  Freihandel  mit  Land  wurde  lauter  und  lauter, 
doch  es  gelang  bis  heute  nicht,  die  fast  tausendjährige  Ge- 
wöhnung mit  allen  ihren  merkwürdigen  Begleiterschei- 
nungen zu  beseitigen.  Das  einzige,  was  bisher  erreicht 
werden  konnte,  das  war  die  Settied  Land  Act  des  Jahres 
3882,  durch  welche  die  lebenslänglichen  Nutzhiesser  des 
durch  Errichtung  eines  Fideikommisses  gebundenen  Grund- 
besitzes ermächtigt  wurden,  das  Land  zu  verkaufen,  zu 
vertauschen  oder  mit  Hypotheken  zu  belasten,  das  erstere 
jedoch  nur  gegen  Vollwerthigkeit  des  Kaufes.  Durch  die 
letztere  Beschränkung  wurde  aber  kaum  eine  Besserung 
der  Verhältnisse  erzielt.  Was  hatten  diese  nun  für  einen 
Einfluss  auf  den  englischen  Hausbau?  Darüber  entnehmen 

No.  94. 


schacht  und  den  Kanälen  schliessenden  Klappen  geöffnet, 
die  Baggerpumpen  werden  in  Bewegung  gesetzt  und 
saugen  das  Wasser  der  Kanäle  an.  Das  Baggergut  im 
Materialschacht  stürzt  durch  die  Oeffnungen  in  die  Kanäle, 
mischt  sich  mit  dem  Wasser  und  wird  von  den  Pumpen 
gleichfalls  mit  angesaugt,  welche  es  durch  den  loihrechten 
Stutzen  drücken.  Dieser  Stutzen  trägt  an  seinem  oberen 
Ende  ein  Kugelgelenk,  an  welches  die  schwebende  Trans- 
portleitung, sobald  der  Bagger  an  der  Löschstelle  ange- 
langt ist,  ohne  Schwierigkeiten  angeschraubt  werden  kann. 

Soll  der  Bagger  als  „Schutensauger'*  arbeiten  und 
handelt  es  sich  dabei  um  die  Entleerung  von  „Patent- 
schuten“, d.  h.  solchen  Schuten,  welche  zur  Mischung 
ihres  Inhaltes  mit  dem  nöthigen  Wasser  eine  gleiche  Ein- 
richtung erhalten  haben,  wie  eben  für  den  Bagger  be- 
schrieben worden  ist,  so  ist  vorher  das  Baggersaugrohr 
durch  einen  kurzen  Saugschlauch  zu  ersetzen,  der  an  die 
Saugkanäle  der  zu  entleerenden  Schute  angeschlossen 
wird.  Abbildg.  4 und  5 zeigen  den  schon  erwähnten  Bagger 
„Holm“  mit  dem  Schuten  Saugschlauch  an  Backbord  etwas 
vor  dem  Führerhäuschen. 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  und  Ing.-Verein  zu  Düsseldorf.  Am  27.  März 
1902  fand  unter  Führung,  des  bauleitenden  Architekten 
I-I.  Wöhler  eine  Besichtigung  des  von  der  Firma  Kayser 
& V.  Groszheira  erbauten  „Parkhötels"  am  Cornelius- 
Platz  statt.  Dasselbe,  inmitten  der  Stadt  und  doch  in 
landschaftlich  hervorragender  Umgebung  gelegen,  bildet 
mit  seinen  imposanten  Abmessungen  und  sandsteinernen 
Barockschauseiten  nicht  nur  einen  prächtigen  Abschluss 
des  genannten  Platzes,  sondern  bietet  auch  in  4 Stock- 
werken bei  rd.  180  Betten  und  vollendetster  Einrichtung 
eine  allen  Ansprüchen  genügende  Unterkunft,  sodass  am 
Niederrhein  ein  vorzüglicheres  Haus  für  den  Fremden- 
verkehr z.  Zt.  kaum  zu  finden  sein  dürfte. 

ln  der  Versammlung  am  i.  April  1902  wurden  in  die 
Jury  der  Düsseldorfer  Kunstausstellung  1902  die  Hrn. 
Radke,  Peiffho  ven  und  vom  Endt  gewählt;  am  30.  Mai 
wurde  Hr.  Brth.  Radke  zur  Vertretung  des  Vereins  in  der 
AbgeordnetemVersamralung  in  Augsburg  bevollmächtigt 
und  das  Fürstenbergbräu  zum  Schwarz  waldhaus  zum  Stand- 
quartier der  Verbands-Vereine  in  der  Ausstellung  bestimmt. 
Aufgen.  in  den  Verein  wurde  Hr.  Arch,  Mühlenkamp. 

Am  13.  Sept.  19Ö2  fand  ein  Ausllug' .mit  Damen  unter 
zahlreicher  Betheiligung  der  Kölner  und  Aachener  Kollegen- 
schaft  in  die  Ausstellung  statt.  Nach  einer  Reihe  instruktiver 
Besichtigungen  und  experimenteller  Vorführungen  ver- 
sammelten sich  die  Theilnehmergruppen  im  Restaurant 
„Zur  schönen  Aussicht“,  um  den  an  Darbietungen  reichen 
Tag  in  echt  rheinischer  Fröhlichkeit  zu  beschliessen. 


Es  ist  aber  auch  möglich,  gewöhnliche  Schuten  durch 
den  als  Schutensauger  arbeitenden  Bagger  zu  entleeren 
und  es  ist  dann  die  Anordnung  des  Schuten-Saugrohres  eine 
andere  als  bei  den  Patentschuten,  und  zwar  gleicht  die- 
selbe dann  der  bei  gewöhnlichen  Schutensaugern  üblichen. 
Die  Zuführung  des  nöthigen  Mischwassers  in  den  Schnten- 
raum  erfolgt  dann  mittels  der  einen  Baggerpumpe,  welche 
als  Wasserpumpe  arbeitet,  während  dann  die  andere  Pumpe 
allein  die  Entleerung  der  Schute  und  das  Fortschwemmen 
des  Baggergutes  zu  bewirken  hat.  Abbildg.  5 zeigt  den 
Bagger  „Holm",  wie  er  eine  gewöhnliche  Baggerschute 
entleert  unter  Zuführung  von  Mischwasser  durch  die  eine 
Pumpe.  Das  Saugrohr  ist  im  Bilde  etwas  angehoben,  um 
zeigen  zu  können,  wie  die  Saugrohrmündung  und  die 
Wasserzuführungs-Rohre  gegeneinander  angeordnet  sind. 

Abbildg.  3 zeigt  den  Bagger  „Gelderland",  wie  das 
grosse  Baggersaugrohr  eingebaut  wird,  Das  T-förmige 
Rohrstück  zum  Füllen  der  Schuten  ist  in  seine  höchste 
Lage  gezogen  und  ist  gut  zu  erkennen,  ebenso  wie  das 
eine  Vertheilungsrohr  an  Deck  über  dem  Materialschacht 
des  Baggers.  — Günther. 


In  der  Versammlung  am  14.  Okt.  1902  wurde  Hr.  Reg.- 
Bmstr.  Dormann  aufgenommen.  Hr.  Korn  berichtete  über 
die  Abgeordneten-  und  Wander-Versammlung  in  Augsburg 
unter  Vorlegung  der  Festschriften. 

Am  28.  Okt.  1902  gelangte  Hr.  Ingen.  Boerner  zur 
Aufnahme,  worauf  in  Vorberathungen  betr.  die  Abgeord- 
neten- und  Wander-Versammlung  1904  in  Düsseldorf  ein- 
getreten  wurde.  Eine  interessante  Unterhaltung  knüpfte 
sich  schliesslich  an  die  Frage  der  Erhaltung  des  Aus- 
stellungs-Bauwerkes der  vereinigten  Beton-Vereine.  Die 
für-  und  widersprechenden  Ansichten  innerhalb  der  Fach- 
genossen und  des  Laienpublikums  sind  vorläufig  Anlass 
dazu  gewesen,  dass  die  Stadt  als  Grundeigenthümerin  be- 
schlossen hat,  das  künstlerisch  und  technisch  hervorragende, 
mit  sehr  grossem  Aufwande  (300  000  M.)  errichtete  Bau- 
werk gegen  Sicherstellung  der  Abbruchskosten  wider- 
ruflich bestehen  zu  lassen. 

Am  8.  Nov.  1902  fand  zur  feierlichen  Ueberreichung 
des  inform  einer  bronzenen  Bildtafel  künstlerisch  ausge- 
statteten Diploms  an  sein  Ehrenmitglied,  Geh.  Brth.  D r e I i n g , 
eine  Festversammlung  des  Vereins  in  der  Tonhalle  statt.  — 


Zum  70.  Geburtstag  von  Heinrich  Gerber.  Den  70.  Ge- 
burtstag feierte  am  18.  d.  Mts.  Ob.- Brth.  Heinrich  Gerber 
in  München,  dessen  Name  mit  der  Entwicklung  des  moder- 
nen Eisenbrückenbaues  untrennbar  verknüpft  ist.  Nament- 
lich in  der  Stellung  als  Leiter  einer  unserer  bedeutendsten 
Brückenbau- Anstalten  (der  Nürnberger  Maschinen-Fabrik), 


wir  Mittheilungen  des  Hrn.  kgl  Landbauinspektors  Dr. 
H.  Muthesius  in  London  Folgendes; 

Der  Bau  yon  Häusern  auf  gepachtetes  Land  ist  in 
England  ziemlich  allgemein  gebräuchlich,  in  London  sogar 
die  Regel.  Der  Grund  und  Boden  von  London  gehört 
im  Wesentlichen  einer  beschränkten  Anzahl, von  Gross- 
grundbesitzern, von  denen  die  bedeutendsten  der  Herzog 
von  Westminster,  der  Herzog  von  Bedförd  und  der  Viscount 
Portman  sind.  Alle  drei  Geschlechter  sind  verhältniss- 
mässig  neuen  Ursprunges,  sind  aber  jetzt  durch  den  Um- 
stand, dass  sich  das  Häusermeer  der  Weltstadt  über  ihre 
Besitzungen  gewälzt  hat,  die  reichsten  Geschlechter  der 
Welt  geworden  und  stellen  in  dieser  Beziehung  noch 
immer  die  amerikanischen  Milliardäre  in  den  Schatten. 
Der  Baupacht  von  London  wie  in  anderen  Theilen  Englands 
ist  ganz  einfach  dadurch  entstanden,  dass  die  Besitzer  des 
baureif  gewordenen  Landes,  der  Anschauung  des  englischen 
Grossgrund-Eigenthümers  folgend,  unter  keiner  Bedingung 
willens  waren,  ihr  Gebiet  zu  verkaufen.  Es  blieb  dann 
nichts  anderes  übrig,  als  ein  Pachtverhältniss  für  die  Bau- 
lustigen. Man  theilte  das  Land  in  kleine  Blöcke  und  ver- 
pachtete es  als  Bauland  auf  längere  Dauer,  wobei  man 
die  Bedingung, stellte,  dass  nach  Ablauf  der  Pachtzeit  das 
Land  einschliesslich  des  darauf  stehenden  Gebäudes  an 
das  Geschlecht  zurückfiel.  Die  grossen,  den  drei  genannten 
Familien  gehörenden  Gebiete  von  London  wurden  auf 
solche  Weise  vor  etwa  100  Jahren  bebaut.  Sie  sind  in 
den  letzten  10 — 15  Jahren  allmählich  an  die  Familien  zu- 
rückgefallen und  haben  diesen  dabei  ungeahnte  Reich- 
thümer  in  den  Schooss  geworfen.  Der  Baupacht  wurde 
zurzeit  der  Bebauung  dieser  Distrikte  auf  99  Jahre  be- 
messen. Diese  Zahl  ergab  sich  in  Anpassung  an  ein  für 
kirchliches  Land  bestehendes  Gesetz,  wonach  dieses,  unter 
Ausschluss  des  Verkaufes,  auf  nicht  mehr  als  99  Jahre 
verpachtet  werden  konnte.  Die  daraus  zunächst  zur  Ge- 
wohnheit gewordene  99jährige  Baupachtdauer  ist  bei  Ge- 

22.  November  1902. 


legenheit  der  Neubebauung  von  Geländen  in  und  um  London 
ständig  verringert  worden,  man  hat  auf  80,  60,  zuletzt  so- 
gar auf  40  Jahre  unter  denselben  Bedingungen  verpachtet. 
Ausserhalb  Londons  ist  die  Grenze  von  99  Jahren  bis  jetzt 
nicht  so  häufig  unterschritten  worden  als  in  der  Haupt- 
stadt, es  hat  sich  im  Gegentheil  an  vielen  Orten  ein  leb- 
hafter Widerstand  selbst  gegen  diese  Zeitdauer  geltend 
gemacht,  und  man  hat  den  Landbesitzern  vielfach  eine 
Zeitbemessung  von  999  Jahren  abgerungen,  die  dann  dem 
Pacht  unmittelbar  den  Charakter  eines  Eigenthums-Be- 
sitzes  verleiht. 

Landbesitzer  verpachten  das  Bauland  gegen  eine  in 
der  Höhe  ungemein  wechselnde,  aber  im  allgemeinen  nie 
unter  5*^/0  des  Verkaufswerthes  betragende  jährliche  Ab- 
gabe. Dabei  legen  sie  dem  Pächter  gewisse  Bedingungen 
über  die  zu  errichtenden  Bauten  auf.  Sie  schreiben  z.  B. 
vor,  dass  nur  Häuser  von  einer  gewissen  Grösse  errichtet 
werden  dürfen,  dass  nur  gute  Materialien  gewählt  und 
gute  Ausführung  eingehalten  werden  sollen.  Grössere 
Grundbesitzer  haben  immer  einen  Architekten  in  ihrem 
Dienste,  der  sich  ganz  diesen  Angelegenheiten  widmet. 
So  sind  auf  einigen  vor  etwa  15  Jahren  neubebauten  Ge- 
bieten südlich  vom  South-Kensington-Museum  sogar  archi- 
tektonisch sehr  bedeutende  Wohnviertel  entstanden,  weil 
der  Grundbesitzer  die  Bedindung  gesetzt  hatte,  dass  nur 
gewisse  gute  Architekten  für  den  Bau  der  Häuser  herange- 
zogen  werdensollten.  In  anderen  Fällenaber  werden  irgend- 
welche schwerwie^nden  Bedingungen  nicht  gestellt,  ganz 
besonders  in  dem  Falle,  dass,  wie  es  zumeist  geschieht, 
ein  Unternehmer  einen  ganzen  Bezirk  auf  Spekulation 
bebaut.  Der  Landeig.enthümer  sucht  dann  gerade  durch 
die  Milde  seiner  Bedingungen  den  Pachtbetrag  in  die  Höhe 
zu  schrauben.  Der  Unternehmer  baut  rasch  in  die  Höhe 
und  verkauft  die  Häuser  so  schnell  wie  möglich  (einschl. 
der  auf  dem  Grund  und  Boden  liegenden  Abgabe-Bedin- 
gungen). In  diesem  oft  geübten. Falle  fällt  jeder  günstige 

607 


die  er  längere  Jahre  bekleidete,  hat  er  eine  fruchtbrin- 
gende Thätigkeit  ausgeübt,  die  für  das  Ansehen  des  deut- 
schen Brückenbaues  von  wesentlichem  Einflüsse  gewesen 
ist.  In  weitesten  Kreisen  bekannt  geworden  ist  er  durch 
die  nach  ihm  benannteKonstruktion  des„Gerberträgers“, 
d.  h.  des  durchlaufenden  Trägers  mit  freischwebenden 
Stützpunkten,  der  für  Eisenbrücken  sehr  grosser  Spannun- 
gen fast  zum  vorherrschenden  System  geworden  ist  und 
auf  anderen  Gebieten  der  Technik  eine  ausgedehnte  An- 
wendung gefunden  hat. 

Die  Technische  Hochschule  in  München  hat  ihm,  als 
„dem  bahnbrechenden  Ingenieur,  dessen  wissenschaftliche 
Behandlung  der  Konstruktions-Einzelheiten  vorbildlich  ge- 
worden, dem  Schöpfer  der  Auslegerbrücken,  dem  Alt- 
meister deutscher  Eisenbaukunst"  auf  einstimmigen  Antrag 
der  Bauingenieur- Abtheilung  die  Würde  eines  Ehren- 
Doktors  der  technischen  Wissenschaften  verliehen. 
Möge  ihm  noch  manches  Jahr  desSchaffensvergönnt  sein.  — 

Schwarz-Weiss-Ausstellung  Amelang  in  Charlottenburg. 
In  der  Reihe  der  privaten  Berliner  Kunstausstellungen  ist 
die  vorstehende,  Kantstr.  164  in  Charlottenburg,  die  jüngste. 
Sie  widmet  sich  ausschliesslich  der  Schwarz-Weiss-Kunst 
und  dem  Aquarell  und  dementsprechend  ist  auch  die 
Stimmung  der  Ausstellungsräume  gehalten.  Nach  dem 
Entwürfe  von  Wilhelm  Kimbel  zeigen  sie  eine  einheit- 
liche, strenge  Architektur  in  Eichenholz,  welches,  soweit 
es  nicht  Schaukästen  bildet,  grünbespannte  Wandflächen 
umrahmt,  auf  welchen  die  Schwarz-Weiss-Blätter  wieder 
in  Eichenholzrahmen  hängen.  Die  lichte,  in  einem  ge- 
brochenen Weiss  gehaltene  Decke  ist  ohne  allen  Schmuck 
geblieben,  damit  sie  in  der  Lage  ist,  das  elektrische  Licht, 
welches  nicht  in  den  Raum,  sondern  zuerst  gegen  die 
Decke  strahlt  und  von  dieser  zurückgeworfen  wird,  sodass 
in  den  Ausstellungsräumen  ein  gleichmässiges,  diffuses  Licht 
herrscht,  zurückzuwerfen.  Die  Ausstattung  der  Räume 
hatten  Kimbel  & Friderichsen  in  Berlin  übernommen. 

Ersatz  der  staatlichen  Bauführerprüfung  in  Preussen 
durch  das  Diplomexamen  und  Uebergangsbestimmungen  für 
die  Zulassung  zur  Doktor-Promotion.  Von  dem  Hrn.  Rektor 
der  Techn.  Hochschule  in  Charlottenburg  geht  uns  folgende 
Mittheilung  zu: 

Zwischen  den  Hrn.  Ministern  '’des  Kultus  und  der 
öffentl.  Arbeiten  ist  vereinbart  worden,  die  staatliche  Bau- 
führerprüfung durch  die  Diplom-Prüfung  zu  ersetzen  derart, 
dass  der  Eintritt  in  den  höheren  technischen  Staatsdienst 
künftig  die  Ablegung  der  Diplom- Prüfung  an  einer  tech- 
nischen Hochschule  zur  Voraussetzung  hat.  Die  neue 
Einrichtung  tritt  am  i.  April  1903  in  Kraft. 

Während  einer  Uebergangszeit  von  etwa  einem  Jahre 
kann  die  staatliche  Vorprüfung  und  i.  Hauptprüfung  noch 
bei  den  technischen  Prüfungsämtern  in  Berlin,  Hannover 


Einfluss  des  Baupachtverhältnisses  auf  die  Bauart  fort  und 
es  herrscht  genau  derselbe  Zustand  wie  bei  dem  Bau  der 
Spekulations-Miethkasernen  in  kontinentalen  Städten.  Die 
Bauart  ist  die  leichtfertigste,  so  schlecht,  wie  sie  eben  noch 
durchgehen  kann.  Der  spätere  Hausbesitzer  aber  ladet 
durch  den  Erwerb  eines  solchen  Hauses  geradezu  einen 
Fluch  auf  sich.  Denn  auf  einem  auf  Baupachtland  stehen- 
den Hause  lastet  stets  die  Bedingung,  dass  es  nach  Ablauf 
der  Frist  des  Pachtes  in  gut  bewohnbarem  Zustande 
an  den  Grundeigenthümer  zurückgegeben  werden  muss. 
Liegt  dieser  Zeitpunkt  vielleicht  auch  weit  ausserhalb  der 
Lebensdauer  des  derzeitigen  Besitzers,  so  äussert  sich  die 
Bedingung  jedoch  ganz  fühlbar  in  der  vorzeitigen' Ent- 
werthung  des  Hauses,  besonders  im  Falle  ein  Besitzwechsel 
eintritt.  Ein  ganz  schlecht  gebautes  Haus  erlebt  vielleicht 
gar  nicht  die  50  oder  60  Jahre  Baupachtdauer.  Trotzdem 
muss  der  letzte  Besitzer  es  einmal  „gut  bewohnbar"  zu- 
rückgeben, er  muss  also  dafür  sorgen,  dass  er  ein  gutes 
Haus  weiter  giebt,  weil  der  letzte  Besitzer  ein  solches  ab- 
liefern muss.  Die  Ablieferung  gleicht  für  den  unglück- 
lichen letzten  Besitzer  oft  einem  jüngsten  Gericht.  Durch 
besonders  dafür  vorhandene  Taxatoren  werden  die  durch 
den  Gebrauch  eingetretenen  Schäden  und  Mängel  fdila- 
pidations)  festgesetzt.  Die  auf  Baupachtland  stehenden 
Häuser  verlieren  demensprechend,  auch  wenn  sie  gut  ge- 
baut und  wohl  erhalten  sind,  um  so  mehr  an  Werth,  je 
mehr  der  Rückfalltermin  heranrückt,  bis  ihr  Verkaufs- 
werth zuletzt  auf  Null  herabsinkt.  Es  giebt  besondere 
Rechentafeln,  die  den  Werth  eines  Hauses  in  jedem  Sta- 
dium der  Baupachtzeit  feststelien.  Bei  Häusern  in  sich 
rasch  entwickelnden,  vielleicht  in  Mode  kommenden  Ge- 
genden tritt  dem  ständig  sinkenden  Hauswerthe  natürlich 
ein  steigender  Marktwerth  entgegen  und  der  wirkliche 
Verkaufswerth  ist  dann  die  Resultante  beider  Kräfte. 

Ist  die  Zeit  des  Baupachtes  zu  Ende,  so  ist  der  Grund- 
eigenthümer nicht  mehr  nur  Besitzer  des  Grund  und  Bodens, 

608 


und  Aachen  abgelegt  werden.  Die  bis  zum  Ablauf  der 
Uebergangszeit  bei  diesen  und  den  ihnen  gleichgestellten 
Prüfungsämtern  in  Braunschweig  und  Darmstadt  abge- 
legten Vorprüfungen  ersetzten  die  in  den  Diplomprüfungs- 
Ordnungen  vorgesehene  akademische  Vorprüfung,  ebenso 
ersetzt  die  von  den  Studirenden  des  Maschinenbaufachs 
bis  dahin  nach  den  Vorschriften  des  Hrn.  Ministers  der 
öffentl.  Arbeiten  zurückgelegte  praktische  Eleven-Ausbil- 
dung  die  in  der  Diplomprüfungs-Ordnung  vorgesehene 
einjährige  praktische  Thätigkeit. 

Nach  der  Neuregelung  des  Prüfungswesens  können 
sich  die  Diplom-Ingenieure,  welche  in  den  Staatsdienst 
eintreten  wollen,  hierzu  melden.  Nach  Ablauf  der  Ueber- 
gangszeit werden  die  Reg.-Bauführer  nur  aus  den  Diplom- 
ingenieuren entnommen  werden,  jedoch  vorbehaltlich  der 
in  den  Vereinbarungen  mit  Braunschweig  und  Hessen  ge- 
troffenen Bestimmungen. 

Staatlich  geprüfte  Baumeister  sind  ohne  Weiteres  be- 
rechtigt, sich  zur  Promotion  zum  Doktor-Ingenieur  zu 
melden.  Von  staatlich  geprüften  Bauführern,  die  den 
Grad  eines  Diplom-Ingenieurs  erwerben  wollen,  wird 
während  einer  Uebergangszeit  von  3 Jahren  nur  eine  in 
einer  Frist  von  6 Wochen  abzuliefernde  Diplomarbeit 
verlangt,  von  einer  mündlichen  Prüfung  wird  abgesehen. 
DieBestimmungen  des  letzten  Absatzes  treten  sofort  inKraft. 


Preisbewerbungen. 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  eine  höhere  Töchterschule  mit  Lehrerlnnen-Seminar  in 
Emden  erlässt  der  Magistrat  zum  i.  April  1903  für  im 
Deutschen  Reiche  ansässige  deutsche  Architekten.  Dem 
Preisgerichte  gehören  u.  a.  an  die  Hrn.  Reg  - und  Brth. 
Behrndt  in  Aurich;  Brth.  Ehrhardt  in  Berlin;  Geh. 
Brth.  Stübben  in  Köln  a.  Rh.  und  Stadtbrth. Dr.  C.  Wolff 
in  Hannover.  Unterlagen  gegen  2,50  M.  durch  das  Sladt- 
sekretariat  in  Emden.  — 

Wettbewerb  Kollegiengebäude  der  Universität  Freiburg 
i.  Br.  Als  Verfasser  des  Entwurfes  „alma  mater"  nennt 
sich  uns  Hr.  Stadtarch.EmilVollstädt  in  Kattowitz  in  Ober- 
schlesien. Wir  verbinden  mit  dieser  Nennung  die  wieder- 
holt schon  früher  geäusserte  Bitte,  uns  Namensnennun- 
gen bei  Wettbewerben  möglichst  umgehend  zu- 
gehen lassen  zu  wollen,  damit  ein  mehrmaliges  Zu- 
rückkommen auf  den  gleichen  Wettbewerb  vermieden 
werden  kann.  — 


Inhalt!  Das  neue  Stadttheater  in  Köln  iSchluss).  — Einiges  über  Sauge- 
bagger und  Schwemmapparate.  — Die  Baupacht-  und^Grundrenten-Ver- 
hältnisse  in  England.  — Mitlheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — 
Preisbewerbungen.  — 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitnng,  G.  m.  b.  I-L,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


sondern  auch  des  Hauses.  Die  meisten  bisherigen  Be- 
wohner werden  in  ihrem  Hause  zu  bleiben  wünschen. 
Der  Grundherr  schliesst  also  mit  ihnen  einen  Vertrag  ab, 
der  ihr  Weiterwohnen  ermöglicht.  Bei  einem  vor  kurzem 
heimgefallenen  Londoner  Häuserviertel  bestand  er  im 
Folgenden;  Es  sei  der  bestimmte  Fall  eines  Hauses  von 
einem  Miethwerth  von  4000  M.  angenommen.  Der  Grund- 
herr überlässt  es  dem  bisherigen  Bewohner  für  40  weitere 
Jahre  gegen  eine  einmalige  Baarzahlung  (premium)  von 
28  000  M.,  eine  jährliche  Miethsentschädigung  von  1600  M. 
und  die  Verpflichtung,  ein  neues  Stockwerk  aufzusetzen, 
sowie  das  Haus  von  Grund  auf  zu  „modernisiren",  was 
dahin  näher  festgesetzt  wird,  dass  er  die  Be-  und  Ent- 
wässerung vollkommen  neu  anzulegen,  neue  Fenster  ein- 
zusetzen  und  die  ganze  Innendekoration  neu  zu  gestalten 
hat,  eine  Ausgabe,  die  sich  in  London  kaum  auf  weniger 
als  30—35000  M. , sagen  wir  auf  rd.  33000  M.,  belaufen 
wird.  Er  hat  also  eine  baare  Auslage  von  60  000  M.,  die 
mit  4 o/o  Verzinsung  2400  M.  Jahreszins  ausmacht.  Dies 
in  Verbindung  mit  der  Jahresmiethe  von  1600  M.  beläuft 
sich  gerade  auf  die  4000  M.  Miethe,  die  das  Haus  werth 
ist.  Soweit  wäre  die  geschäftliche  Seite  für  den  Haus- 
besitzer nicht  weiter  ungünstig.  Er  besitzt  jedoch  nach 
40  Jahren  kein  Haus  mehr,  sondern  hat  es  wieder  „in  gut 
bewohnbarem  Zustande"  an  den  Grundeigenthümer  ab- 
zugeben. 

Uebrigens  sind  die  Verträge,  die  der  Grundeigenthümer 
mit  den  verschiedenen  Hausbewohnern  macht,  ganz  ver- 
schieden. Liegt  einem  Miether  ganz  besonders  daran,  in 
seinem  Hause  zu  bleiben,  etwa  weil  er  dort  ein  von  der 
örtlichen  Kundschaft  abhängiges  Geschäft  ausübt,  so  wer- 
den ihm  schärfere  Bedingungen  gesetzt.  In  dieser  Beziehung 
werden  grosse  Härten  der  Grundeigenthümer  berichtet.  Man 
sollte  jedoch  bedenken,  dass  es  nur  natürlich  ist,  dass  jede 
Parthei  bei  dem  Geschäft  die  grösstmöglichsten  Vortheile 
für  sich  zu  gewinnen  sucht.  — (Schluss  folgt.) 

No.  94. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  95.  Berlin,  den  26.  November  1902. 


Landhaus  Curry-Reute  in  Riederau  bei  Diessen  am  Ammersee. 

Architekt:  Prof.  Martin  DOlfer  io  München. 


as  Landhaus  Curry-Reute  am  Ammersee,  ein  eigen- 
artiges, vor  etwa  2 Jahren  entstandenes  Werk  von 
Martin  Dülfer,  geht  in  seinem  Aufbau,  einem  Wun- 
sche des  amerikanischen  Bauherrn  entsprechend,  auf  ameri- 
kanische Vorbilder  zurück,  macht  sich  jedoch  in  seinen 
Einzelheiten  die  werthvollen  künstlerischen  Eigenschaften 
des  deutschen  Bauernhauses,  namentlich  die  frische  Farben- 
gebung und  die  natürliche  Materialwirkung  zunutze.  Das 
Haus  entwickelt  sich  in  breiter  Lagerung  unter  dem  Schutze 
eines  weit  ausladenden,  die  Witterung  abhaltenden  und 
im  Erdgeschoss  einen  Umgang  bildenden  Daches.  Das  Erd- 
geschoss enthält,  von  einer  Veranda  zugänglich  und  auf 
eine  Terrasse  mündend,  die  Diele  mit  Kleiderablage  usw. 
Links  liegen  Empfangs-  und  Gesellschaftszimmer,  rechts 
Speisezimmer  mit  Küche,  Anrichte,  Speisekammer  und 
Nebentreppe.  Von  der  Diele  aus  führt  eine  in  maass- 
vollen Abmessungen  gehaltene  Haupttreppe  zu  dem  in  das 
Dach  eingebauten  Obergeschoss,  welches  ein  Maleratelier, 


beziehung  so  angeordnet,  wie  der  ungehinderte  Ausblick 
auf  die  reizvolle  Landschaft  des  Ammersees  sowie  auf 
die  prächtige  Alpenkette  sie  erfordern.  Der  Keller  ent- 
hält Waschküche  und  Vorrathsräume,  über  der  Kehlbalken- 
lage befinden  sich  die  Magdkammern.  Die  Raumaus- 
nutzung des  Hauses  geht  so  bis  aufs  Aeusserste. 

Die  Ausstattung  des  Inneren  ist  eine  ländlich  schlichte, 
jedoch  durchaus  vornehme.  Ein  Kamin  von  Hausleitner 
in  München  heizt  die  geräumige  Diele,  die  den  Mittelpunkt 
des  Hauses  bildet.  In  allen  Theilen  ist  der  Landhaus- 
Charakter  mit  strenger  Enthaltsamkeit  durchgeführt.  Far- 
benfreudigkeit athmen  das  Innere  wie  das  Aeussere.  Ara 
letzteren  sind  es  vorzugsweise  ungebrochene  Töne,  wel- 
chen Wind  und  Wetter  eine  mildernde  Patina  zu  geben 
berufen  sind.  Das  Dach  ist  mit  Bieberschwänzen  in  der 
lichten  rothen  Farbe  gedeckt;  das  Holzwerk  sowie  die 
Verschindelung  des  Obergeschosses  sind  braun  gestrichen, 
die  Fenster  und  Thüren  sind  blau  gehalten.  Die  Ver- 


die  Schlaf-  und  Fremdenräume  mit  dem  üblichen  Zube- 
hör enthält.  Es  verdient  bemerkt  zu^  werden,  dass  die 
Veranden  des  Erdgeschosses  so  angelegt  sind,  dass  sie 
die  hinter  ihnen  liegenden  Räume  nicht  verdunkeln;  die 
Lichtquellen  dieser  Räume  liegen  unmittelbar  am  Freien. 
Die  Fenster  sind  unbekümmert  um  Symmetrie  und  Axen- 


Schalung  des  Dachüberstandes  ist  aus  geöltem  Kiefernholz 
hergestellt.  An  bezeichnenden  Stellen  sind  blau  gestrichene 
und  theilweise  vergoldete  Eisengitter  eingefögt.  Die  Bau- 
kosten haben  rd.  45000  M.  oder  19,5  M.  für  das  «bm  um- 
bauten Raumes,  gemessen  von  Erdgleiche  bis  zur  Kehl- 
balkenhöhe, betragen.  — 


andhaaS  Lyiirn 


’'ryJ^eute,  --^iederau^^^ieJJen 
^yßnmerJee^.. 


Kanalisation  und  Wasserversorgung  der  Stadt  Burg  bei  Magdeburg. 


m 21.  Nov.  d.  J.  wurde  in  Burg,  einer  Industriestadt 
von  23000  Einwohnern,  das  Wasser-  und  Kanali- 
sationswerk  dem  Betriebe  übergeben.  Das  Wasser 
wird  aus  5 Bohrbrunnen  von  300  ra®  1.  w.  und  35  “Tiefe 
gewonnen,  die,  ohne  Zwischenbecken,  durch  eine  rd, 
500  “ lange  Saugeleitung  unmittelbar  mit  den  Pumpen  ver- 
bunden sind;  es  enthält,  wie  fast  alle  Untergrundwasser 
in  Norddeutschland,  Eisen  und  zwar  etwa  3 “>/&,  als  Oxydul, 
in  1 1,  dessen  Fällung  und  Ausscheidung  nach  dem  München- 
Gladbacher  System  in  geschlossenen  Apparaten,  die  in  die 
Druckrohrleilung  eingeschaltet  sind,  erfolgt. 

Bei  der  Kanalisation  ist  das  Trennungs-System  streng 
durchgeführt:  die  Meteorwasser  werden  z.  Th.  unterirdisch, 
z.  Th.  offen  dem  die  Stadt  in  ihrer  Längsrichtung  durch- 
fliesser.den  Ihleflusse  zugeführt.  Die  Schmutzwasser  wer- 
den in  2 Sammelbecken  durch  Rechen  von  den  groben 
Sink-  und  Schwebestoffen  befreit  und  dann  durch  Sauge- 
und  Druckpumpen  unterhalb  Blumenthal  in  die  6 von 
Burg  entfernte  Elbe  geleitet,  die  an  dieser  Stelle  bei  Mittel- 
wasser 500  Sek.,  cbm  Wasser  führt.  Bei  dem  höchst  selten, 
bisweilen  in  vielen  Jahren  nicht  vorkommenden  niedrig- 
sten N.  W.  führt  der  Strom  dort  noch  über  100,  und  bei 
H.  W.  mehr  als  5000  Sek./cb®.  Es  ist  durch  geeignete  Vor- 
richtungen dafür  gesorgt,  dass  das  Abwasser  gebotenen 
Falles  jederzeit  wirksam  desinfizirt  werden  kann. 

Die  Wasserversorgungs-  und  Abwasserpumpen  be- 
finden sich  in  ein  und  demselben  Gebäude;  die  Maschinen- 


stuben sind  durch  die  gemeinschaftliche  Dampfkesselan- 
lage getrennt. 

Die  beiden  wasserdicht  hergestellten  Sammelbecken 
der  Kanalisation  haben  je  8™  1.  Durchmesser;  sie  siud  aut 
eisernen  Kränzen  im  Ganzen  g ® tief,  davon  7 ® in  wasser- 
führendem Sand,  in  das  Erdreich  gesenkt  worden.  Die 
Kanäle  von  einer  Weite  bis  550®®  Durchm.,  bestehen  aus 
Steinzeugröhren,  deren  Muffen  mit  Asphaltkitt  gedichtet 
sind;  der  grösste  Kanal  von  650  ®®  1.  W.  ist,  weil  er  sehr 
tief  liegt,  aus  starkwandigen  gusseisernen  Muffenröhren 
hergestellt.  Die  Gesammtlänge  d^es  Rohrnetzes  der  Wasser- 
leitung und  Kanalisation,  einschliesslich  der  Hausanschluss- 
rohre und  der  Druckrohrleitung  nach  der  Elbe  beträgt 
über  70  davon  liegen  rd.  7 Kanal  und  die  ganze 
Druckrohrleilung  nach  der  Elbe  im  Grundwasser,  zum- 
theil  im  Triebsand  bei  3®  Wasserslandhöhe. 

Die  Herstellung  der  Arbeitsgräben  ist,  unter  Anwen- 
dung von  eisernen  Spundwänden,  zum  grössten  Theil 
mit  Absenkung  des  Wasserstandes  durch  Abessynier- 
Brunnen  erfolgt.  Letztere  Methode  ist  auch  beim  Bau 
der  oben  erwähnten  Sammelbecken  angewendet  worden; 
hierdurch  ist  es  — trotz  des  Wasserdruckes  von  7® 
Höhe  — ermöglicht  worden,  deren  Betonsohlen  trocken 
einzubringen  und  erhärten  zu  lassen.  Bemerkenswerth  ist, 
dass  nicht  weniger  als  14  Unterführungen  des  Ihleflusses 
mit  natürlichem  Gefälle,  die  Unterdückerung  des  Ihle- 
kanales  durch  das  Druckrohr,  in  seinen  für  die  künftige 


Vertiefung  und  Verbreiterung  des  Kanales  erforderlichen  gelegt  hatte,  sind  von  der  Firma  Börner  & Herzberg 
Abmessungen,  die  Ueberführung  des  Druckrohres  über  in  Berlin  entworfen  und  in  der  sehr  kurzen  Zeit  von 
den  Elbdeich  und  dessen  Einbettung  bis  über  die  Buhnen-  15  Monaten  in  General-Unternehmung,  mit  allen  Hoch- 
köpfe hinaus  in  die  Stromelbe  erforderlich  wurden.  bauten,  ausgeführt  worden.  Die  Baukosten,  mit  den  Haus- 

Die  beiden  Werke,  deren  obere  Bauleitung  der  Ma-  anschlüssen,  betragen  etwa  1600000  M.  — 
gistrat  in  die  Hände  des  Hrn.  kgl.  Brihs.  B e e r in  Magdeburg 


Vermischtes. 

Zu  Ehren  der  kgl.  Bauräthe  Kayser  & v.  Groszheim,  der 
Erbauer  der  neuen  Hochschulen  für  die  bildenden  Künste 
und  für  Musik,  fand  am  Donnerstag,  den  ao.  d.  M , eine 
festliche  Vereinigung  des  Vereins  Berliner  Künstler, 
dessen  Vorsitz  Hr.  Brth.  Kayser  z.  Zt.  führt,  und  der 
Vereinigung  Berliner  Architekten  statt,  an  welcher 
auch  Vorstandsmitglieder  des  Berliner  Architekteu- 
Vereins  theilnahmen.  Etwa  250  Personen  füllten  den 
Festsaal  des  Künstlerhauses  in  der  Bellevuestrasse  bis  auf 
den  letzten  Platz,  sodass  den  Damen  nur  in  beschränkter 
Anzahl  auf  der  Gallerie  Raum  hatte  gewä,hrt  werden  können. 
Unter  den  Erschienenen  bemerkten  wir  von  Künstlern 
den  Direktor  der  Akademie  der  bildenden  Künste  Ant. 
V.  Werner,  die  Professoren  Siemering,  Schaper, 
Knaus,  unter  den  Architekten  Ob.-Baudir.  Hinckel- 
deyn,  den  Präsidenten  der  Akademie  der  Künste  Geh. 
Reg.-Rath  Ende,  Stadtbrth.  L.  Hoffmann,  Prof.  K E.  0. 
Fritsch  und  andere.  Die  Hochschule  für  Musik  war  nicht 
vertreten,  jedoch  lief  ein  Brief  von  Direktor  Joachim 
ein,  den  Hr.  v.  d.  Hude  später  verlas,  der  in  den  wärm- 
sten Ausdrücken  den  beiden  Architekten  zu  ihrem  vor- 
trefflich gelungenen  Werke  Glück  wünschte  und  namentlich 
den  grossen  Musiksaal  als  eine  Leistung  inbezug  auf  treff- 
liche Akustik  pries,  die  Schule  machen  werde. 

Die  Reihe  der  Ansprachen  eröffnete  Hr.  Geh.  Brth. 
V.  d.  Hude,  Vorsitzender  der  V.B.  A.  Seine  Worte  galten  den 
beiden  Gefeierten  und  ihren  Werken.  Wenn  ihnen  jetzt  von 
allenSeiten  Anerkennung  zutheil  werde,  so  träfe  aber  auch  das 
Wort  „benemerenti“  in  vollem  Umlange  zu.  Leider  habe  die 
Architektenschaft  keine  Medaillen  zu  vergeben,  als  „ideale 
Medaille“  mögen  jedoch  die  wärmsten  Glückwünsche 
und  die  aufrichtigste  Anerkennung  der  Fachgenossen 
gelten.  In  ein  Hoch  auf  die  beiden  vereinigten  Künstler 
klang  die  Rede  aus,  an  welche  sich  die  Verlesung  des 
erwähnten  Joachim’schen  Briefes  knüpfte,  der  mit  stür- 
mischem Beifall  aufgenommen  wurde. 

In  warmen  und  zugleich  humorvollen  Worten  antwortete 
Hr.  Brth.  v.  Groszheim.  Er  wolle  nicht  prüfen,  ob  das 
Wort  „bene  merenti“  wirklich  in  diesem  Falle  zutreffe, 
aber  jedenfalls  sei  es  damit  auch  nicht  allein  gethan.  Nicht 
jedem  Verdienste  werde  seine  Krone,  es  gehöre  dazu 
auch  Glück,  viel  Glück,  und  das  hätten  sie  beide,  wie 
schon  oft  im  Leben,  bei  diesem  Werke  ganz  besonders 
gehabt.  Glück  sei  es  zunächst  gewesen,  dass  die  Staats- 
bauverwaltung den  Wettbewerb  ausgeschrieben  und  ihnen 
so  Gelegenheit  gegeben  habe,  den  Auftrag  zur  Ausführung 
des  Werkes  zu  gewinnen.  Glück,  dass  statt  des  ursprüng- 

Die  Baupacht-  und  Qrundrenten-Verhältnisse 
in  England.  (Schluss.) 

Dan  könnte  nun  mit  Recht  einwenden,  dass  der  Grund- 
eigenthümer  für  seinen  Besitz  sehr  lange  Zeit  den  vor 
99  Jahren  festgesetztenZinswerthbezogen  halte,  seine 
Einnahmen  also,  nachdem  sich  die  Gegend  inzwischen 
ungeheuer  verbessert  hatte,  Jahrzehnte  lang  unter  dem 
Werthe  blieben  und  er  mit  Recht  sich  bei  Gelegenheit 
des  Heimfalles  schadlos  halten  muss.  Die  erste  Voraus- 
setzung trifft  sicherlich  zu.  Sie  hat  unter  anderem  ganz 
hauptsächlich  dazu  geführt,  die  Pachtzeiten  neuerdings  zu 
verringern,  um  den  Grundbesitzern  die  Vortheile  der 
SteigerungdesMarktwerthesmehrzuerschliessen.  Anderer- 
seits aber  ist  keineswegs  gesagt,  dass  sich  die  künstliche 
Zurückhaltung  des  fortschreitenden  Bodenwerthes  zum 
Vortheile  der  Bevölkerung  vollzöge.  Die  werthvollen 
lease-hold  (Pacht)-Grundstücke  im  Inneren  der  Stadt  wer- 
den genau  so  in  den  Kreis  der  marktmässigen  Werth- 
steigerung gezogen,  als  wären  sie  Freehold-Grundstücke, 
d.  h.  Grundstücke  im  freien,  bedingungslosen  Genuss. 
Der  Besitzer  des  Hauses  kann  sein  Haus  zusammen  mit 
der  darauf  liegenden  Verpflichtung  gegen  die  Grundeigen- 
thümer  jeden  Tag  verkaufen  und  dafür  den  Preis  erzielen, 
den  der  Markt  diktirt.  Dieser  Preis  wird  allerdings  immer 
unter  dem  Einflüsse  des  eigenthümlichen  lease-hold- Ver- 
hältnisses stehen  insofern,  als  es  sich  immer  nur  um  einen 
Kauf  für  den  Rest  der  Baupachtzeit  handeln  kann.  In 
sehr  entwickelten  Stadtgegenden,  namentlich  in  Geschäfts- 
strassen, macht  das  aber  nicht  viel  aus;  ein  gutgehendes, 
weil  an  der  rechten  Stelle  befindliches  Geschäft,  kann  in 

6 IO 


liehen  Bauplatzes  neben  der  Stadtbahn  der  so  viel  bessere 
nachträglich  gewählt  sei,  Glück,  dass  sie  bei  der  Ausführung 
ein  solches  Entgegenkommen  an  den  maassgebenden  Stellen 
gefunden  hätten  und  Glück  vor  allem,  dass  ihnen  in  Hrn. 
Brth.  Adams  ein  solcher  Mitarbeiter  an  die  Seite  gestellt 
worden  sei,  der  es  verstanden  habe,  das  schwierige  „Re- 
chenexempei“  dieses  Baues  so  vortrefflich  zu  lösen.  Das 
höchste  Glück,  das  geeignet  sei,  auf  das  ganze  spätere  Leben 
einen  verklärenden  Schein  zu  werfen,  genössen  sie  aber 
heute,  wo  sie  gleichsam  den  Mittelpunkt  eines  solchen 
Künstlerkreises  bildeten  und  dessen  Anerkennung  erhiel- 
ten. Der  anwesenden  Künstlerschaft  weihe  er  sein  Glas. 

Auf  Brth.  Kayser  als  den  i.  Vorsitzenden  des  Ver- 
eins Berliner  Künstler,  der  die  beiden  Familien  der  Künst- 
lerschaft mit  einander  vereine,  toastete  Hr.  Maler  Wend- 
ling, der  2,  Vorsitzende  des  Vereins.  In  launiger  Rede 
lenkte  Hr.  Kayser  die  Ehrung  auf  die  übrigen  Mitglieder 
des  Vorstandes  ab,  die  ihre  Thäiigkeit  gleich  ihm  in  den 
Dienst  des  Vereins  stellten.  Die  Familienfreundschaft 
zwischen  den  bildenden  Künsten  und  der  Architektur  sei 
aber  noch  nicht  so  ganz  sicher,  die  ersteren  wollten  letz- 
tere oft  noch  nicht  recht  anerkennen.  Sein  Streben  als 
Vorsitzender  des  Vereins  gehe  dahin,  die  beiden  Gruppen 
sich  immer  mehr  zu  nähern,  sie  zu  voller  gegenseitiger 
Anerkennung  zu  bringen  und  zu  gemeinsamem  Zusammen- 
halten und  Eintreten  für  die  Sache  der  gesamraten  Künst- 
lerschaft. Dass  dies  in  vollem  Maasse  gelingen  möge,  sei 
sein  Wunsch. 

Die  Reihe  der  Toaste  beschloss  Hr.  Prof.  Breitbach, 
welcher  der  Damen,  die  leider  an  diesem  Abend  nicht 
mit  im  Kreise  hätten  sitzen  können,  in  scherzhafter  Rede 
gedachte. 

Mit  jubelndem  Beifalle  wurde  die  Erklärung  der 
Festkarte  durch  Marinemaler  Prof.  Hans  Bohrdt  auf- 
genommen. Platte  der  Künstler,  Maler  F.  Jüttner,  es 
verstanden,  in  wenigen  kraftvollen  Strichen  Erscheinung 
und  Wesen  der  beiden  gefeierten  Künstler  m humorvoller 
Weise  zu  charakterisieren,  so  trat  ihm  der  Erklärer  eben- 
bürtig zur  Seite,  ' dessen  witzige  Anspielungen  wahre 
Lachstürme  entfesselten. 

Mit  einem  zwanglosen,  gemüthlichen  Zusammensein  in 
der  Künstlerkneipe  beim  Glase  Bier  schloss  das  in  jeder  Be- 
ziehung harmonisch  verlaufene  Fest,  ein  schönes  Zeugniss 
von  der  Einigkeit  der  Berliner  Künstlerschaft.  — Fr.  E. 

Drahtkiesleiste  für  Holzzement-Dächer  von  G.  A.  Nebe- 
ling  & Co.  in  Remscheid.  Von  der  genannten  Firma  wird 
eine  durch  Gebrauchsmuster  geschützte  neue  Kiesleiste  in 
den  Handel  gebracht,  die  den  Uebelstand  der  bisherigen 

der  kürzesten  Zeit  eine  grosse  Anlagesumme  durch  ent- 
sprechende Einkünfte  aufwiegen.  Deshalb  wagt  man  diese 
Anlagesumme,  obgleich  es  sich  nur  um  einen  Zeitbesitz 
handelt.  Die  zwei  sich  widerstreitenden  Kräfte  in  der 
Preisbildung,  die  ständige  Entwerthung  des  Hauses  in- 
folge der  immer  näher  heranrückenden  Rückfalizeit,  und 
die  ständige  Steigerung  des  Bodenwerthes  infolge  der 
Entwicklung  der  Stadtgegend  äussern  sich  in  diesem  Falle 
in  der  Weise,  dass  die  erstere  im  Vergleich  zur  zweiten 
unendlich  klein  wird,  ja  in  denGeschäftsstrassen  der  inneren 
Stadt  fast  ganz  aus  der  Rechnung  verschwindet.  Und  so 
bleibt  als  Ergebniss  des  Baupachtes  hier  nur  die  Hemmung 
der  freien  Verfügung  übrig,  die  es  mit  sich  bringt,  dass 
kein  Hausbesitzer  baulich  etwas  Grösseres  unternimmt, 
weil  es  nicht  lohnt,  ein  dauerndes  Gebäude  für  beschränkte 
Zeit  zu  errichten.  In  Wohnvierteln  äussert  sich  die  Ent- 
wicklung der  Gegend  entsprechend  als  Gegengewicht 
gegen  die  Entwerthung  des  Hauses  durch  dessen  Heim- 
fall, allerdings  bei  weitem  nicht  in  dem  Maasse,  wie  in 
Geschäftsgegenden.  Immerhin  verleiht  sie  auch  hier,  be- 
sonders wenn  es  sich  um  eine  vornehm  gewordene  Ge- 
gend handelt,  dem  Hause  einen  von  der  Zeit  abhän- 
genden Marktwerth.  In  beiden  Fällen  tritt  demnach  auch 
hier  der  Spekulant  zwischen  den  Hausbesitzer  und  den 
Kauflustigen,  allerdings  ohne  den  Grundbesitzer  zu  be- 
rühren, und  macht  sich  die  Schwankungen  des  Marktes 
zu  Nutze,  treibt  die  Preise  in  die  Höhe  nsw.  Kenner  der 
Verhältnisse  behaupten,  dass  nicht  davon  die  Rede  sein 
könne,  dass  der  gebundene,  in  Baupacht  gegebene  Grund 
und  Boden  in  aufstrebenden  Gegenden  die  Spekulation 
unterbinde.  Die  Spekulation  tritt  hier  ebenso  ein,  als 
wenn  keine  Baupacht  vorhanden  wäre,  allerdings  hat  sie 

No.  95. 


Formen  vermeiden  soll,  dass  bei  plötzlichen,  heftigen  Regen- 
güssen das  Wasser  aus  den  Oeffnungen  der  Leiste  nicht 
rasch  genug  abfliessen  kann,  namentlich  wenn  diese  sich 
verstopfen,  und  dass  demzufolge  eine  Ueberschwemmung 
der  Dachfläche  eintritt.  Die  neue  Kiesschutzleiste  ist  da- 
her in  verzinktem  Drahtgeflecht  mit  Rand-  und  Eckein- 
fassung aus  verzinktem  Eisenblech  hergestellt,  ist  also  fast 
in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  wasserdurchlässig,  während 
sie  gleichzeitig  ein  Abtreiben  des  Holzzementes  verhindert. 
Die  Abbildung  zeigt  die  Form  der  Leiste,  die  eine  Zu- 
sammensetzung auf  dem  Dache  ohne  Löthung  gestattet. 


Sie  wird  in  i “ Längen  fertig  montirt  geliefert  und  alle 
0,50“  mit  den  Haltern  befestigt.  Für  die  Dachecken  sind 
besondere  Eckhalier  vorgesehen. 

Der  Preis  stellt  sich  (ohne  die  0,33  breite,  auf  Wunsch 
mitgelieferte  Vorbedeckung)  auf  1,25  M.  für  1 “ Kiesleiste, 
0,15  M für  das  Stück  der  Halter  und  0,50  M.  für  Eck-  und 
Winkelstücke,  alles  in  verzinktem  Eisen  hergestellt.  — 


Ziegel-  oder  Schlackenbeton-Steinen,  in  deren  Fugen  Eisen 
eingelegt  sind,  die  mit  ihren  umgebogenen  Enden  oben  her- 
ausragen, sodass  sie  noch  in  eine  obere  Staraplbetonschicht 
eingreifen,  welche  das  Ganze  deckt.  Bei  kleineren  Spann- 
weiten bis  unter  4“  genügt  imWohnhausbau  die  Ziegelschicht 
mit  einer  Zementabgleichung  allein,  während  für  schwereBe- 
lastungen,  also  2.  B.  bei  Anwendungen  im  Ingenieurwesen 
die  gesammte  Deckenstärke  einheitlich  in  Stampfbeton  her- 
gestellt wird.  Die  Eisen  erhalten  dann  unter  Umständen  statt 
der  Umbiegung  an  den  Enden  Ankerplaiten,  um  ein  sicheres 
Uebertragen  der  Kräfte  vom  Eisen  auf  den  Beton  zu  er- 
möglichen. Von  den  Eisen,  die  nicht  in  ganzer  Länge 
durchgehen,  liegen  mehrere  in  einer  Fuge,  sodass  eine 
grössere  Zahl  aufgebogener  Enden,  namentlich  nach  den 
Auflagern  zu,  wo  die  Scheerkräfte  grösser  werden,  in  den 
Beton  eingreifen.  Die  Decke  erfordert  nur  geringe  Kon- 
struktionshöhen. So  besitzt  die  dargestellte  10  “ weit  ge- 
spannte Decke  nur  235  c“!  Ges.-Stärke,  etwa  9 cm  für  die 
obere  Betonschicht,  die  3“  weit  gespannte  nur  9 cm  bei 
X500  kg/qm  Belastung.  Die  Decken  sind  leicht,  lassen  sich 
auf  der  rauhen  Unterseite  der  leichten  Steine  gut  ver- 
putzen und  dürften  sich  als  weniger  schalldurchlässig  er- 
weisen als  reine  Betondecken.  Die  Decke  ist  zum  Patent 
angemeldet.  — 

Neues  Stadttheater  in  Köln  a.  Rh.  Auf  Wunsch  der 
Architekten  und  mit  Bezug  auf  die  entsprechenden  Aus- 
führungen S.  585  tragen  wir  nach,  dass  nicht  Hr.  Alfred 
Müller  allein  zu  den  zu  dem  engeren  Wettbewerb  ein- 
geladenen  Architekten  gehörte,  sondern  die  Firma  Müller 
& Grah  in  Köln  a.  Rh.  — 


Die  Eggert-Decke,  eine  neue  fugenlose,  ebene  Massiv- 
decke haben  wir  bereits  in  No.  70  bei  Besprechung  der 
Düsseldorfer  Betonausstellung  erwähnt.  Es  ist  dies  die 
Eggertdecke,  von  Hrn.  Geh.  Ob.-Brth.  Eggert  in  Berlin 
erfunden  und  für  das  Rathhaus  zu  Hannover  von  dem- 
selben erstmalig  angewendet.  Die  tlerstellung  erfolgt  durch 
die  Firma  Dyckerhoff  & Widmann  in  Biebrich  a.  Rh. 
Wir  geben  io  der  Abbildung  die  Probeausführung  von  der 
Düsseldorfer  Ausstellung  wieder,  welche  die  Konstruktion 


Todtenschau. 

Friedrich  Krupp  f-  Am  22.  d.  M.  starb  unerwartet 
an  einem  Gehirnschlage  auf  seiner  Villa  Hügel  bei  Essen 
Friedrich  Alfred  Krupp  im  Alter  von  noch  nicht  ganz 
49  Jahren.  Vor  15  Jahren  übernahm  er  nach  dem  Tode 
seines  Vaters  Alfred  Krupp  die  Essener  Gusstahl- 
werke,  deren  Weltruf  er  nicht  nur  zu  erhalten,  sondern 
noch  zu  erhöhen  und  durch  geschickte  Angliederung  an- 
derer bestehender  Werke,  wie  des  Gru- 


sonwcrkes"  in  Buckau  bei  Magdeburg, 

I (U,  _ _ ^ F d der  Schiffs-  und  Masch.-Bau  A.-G.  „Ger- 

,oJ^. . _______ ^-0  rp  [“  mania“,  Berlin  und  Kiel,  weiter  zu  be- 

r‘i-1  ;■  hnnnnnim  rj  festigen  wusste.  Liegt  auch  die  Bedeu- 

Ifj  I I tung  der  Firma,  in  der  sie  mindestens 

i'tH  i : I von  keiner  anderen  Firma  der  Welt  über- 

troffen, wenn  überhaupt  erreicht  wird, 
W.V  ; i.;  .1:  vorwiegend  auf  dem  Sondergebiete  der 

|-a:i Aufsicht. ^ Geschützgiesscrei  und  Panzerplatten-Her- 

§uer^^hn,H  Stellung,  SO  ist  damit  doch  keineswegs 
ihre  Bedeutung  in  der  technischen  Welt  er- 
schöpft.  Namentlich  in  dem,  was  die  Firma 
Krupp  in  der  Gusstahlfabrikation  überhaupt 
bei  einer  Stützweite  von  rd.  10  bezw.  3 m zeigt.  Die  geleistet  hat,  ist  sie  vorbildlich  geworden  und  hat  sich  ganz 
Decke  besteht  in  ihrer  Grundform  bei  grösseren  Spann-  hervorragende  Verdienste  um  die  Hebung  dieses  Industrie- 
weiten aus  einer  unteren  gemauerten  Schicht  von  leichten  zweiges  erworben.  Dass  sie  ausserdem  noch  auf  mannig- 


mit  verwickelteren  Bedingungen  zu  thun,  die  namentlich 
gegen  das  Ende  der  Baupachtzeit  sehr  schwierig  werden. 

Schon  aus  den  bisher  angeführten  Einzelheiten  wird 
hervorgehen,  dass  die  englischen  Baupachtverhältnisse,  so 
wie  sie  sich  gestaltet  haben,  keineswegs  eine  ideale  Ein- 
richtung sind.  Es  ist  wahr,  dass  sie  den  Vortheil  ge- 
währen, Vielen  den  Besitz  eines  Hauses  zu  ermöglichen, 
die,  wenn  sie  die  hohen  Bauplatzpreise  mit  bezahlen 
müssten,  nicht  in  der  Lage  sein  würden,  ein  Haus  zu  er- 
werben. Auch  muss  zugegeben  werden,  dass  die  Speku- 
lation in  baureifem  Bauland  in  weitgehendem  Maasse  unter- 
bunden ist.  Ferner  trifft  es  zu,  dass  ein  uneigennütziger 
und  edeldenkender  Grundherr  viel  Gutes  stiften  kann,  in- 
dem er  auf  die  Errichtung  nur  guter  und  gesunder  Häuser 
hält.  Damit  aber  dürften  die  guten  Seiten  der  Sache 
erschöpft  sein. 

Das  Bedenkliche  dieser  Verhältnisse  liegt  darin,  dass  der 
Hausbesitzer  eigentlich  reichlich  alle  Kosten  inform  von  Ab- 
gaben an  den  Grundeigenthümer  aufbringen  muss,  die  ihn 
die  Verzinsung  des  Anlagekapitales  für  Haus  und  Grundstück 
kosten  würde,  dass  er  dafür  niemals  völlig  über  sein  Haus 
verfügen  kann,  da  er  inbezug  auf  Umbauten,  Benutzungsart 
usw.  von  der  Genehmigung  des  Grundherrn  abhängig  ist, 
und  dass  er  bei  Ablauf  des  Pachttermines  trotz  allem  ein 
gut  bewohnbares  Haus  zurückgeben  muss.  Daraus  folgt, 
dass  er,  auch  wenn  er  selbst  baut,  leichter  und  schlechter, 
kurz,  mit  geringerem  Interesse  bauen  wird,  als  wenn  er 
auf  eigenes  Land  baute.  Der  altmodische,  ungeordnete 
Eindruck,  den  London  macht,  hängt  wesentlich  mit  den 
hier  herrschenden  Baupachtverhältnissen  zusammen.  Der 
englische  Baupacht  ist  nicht  im  Interesse  der  bauenden 
Bevölkerung  erfunden,  sondern  im  Interesse  der  Gross- 

26.  November  1902. 


grundbesitzer.  Es  handelt  sich  um  nichts  weiter  als  um 
ein  Monopol  auf  den  Grund  und  Boden,  das  immer  einer 
Bedrückung  der  freien  Entwicklung  gleichkommt.  Es  ist 
daher  in  den  letzten  Jahrzehnten  auch  viel  davon  die  Rede 
gewesen,  eine  Art  gesetzlicher  Ablösung  der  Bodenrechte 
in  bebauten  Gegenden  herbeizuführen.  Bei  dem  Ueber- 
gewicht  der  plutokratischen  Elemente  im  englischen  Par- 
lament wird  man  aber  vorläufig  kaum  auf  irgend  welche 
Aenderungen  rechnen  können.  Die  Einrichtung  ist  in  der 
Form,  in  der  sie  jetzt  besteht,  nur  aus  einer  Anzahl 
spezifisch  englischer  National- Eigenthümlichkeiten  zu  er- 
klären : dem  F estkleben  am  Ueberkommenen,  der  Abneigung 
der  breiteren  Volksschichten,  auf  weitere  Zeiträume  hin- 
aus zu  denken  oder  gar  Vorsorge  zu  treffen. 

Uebrigens  wird  der  Gedanke  des  Baupachtes  an  sich 
durch  die  geschilderten  englischen  Verhältnisse  keineswegs 
verurtheilt.  Eine  andere  Handhabung  desselben  mit  ge- 
ringerer Betonung  der  Vortheile  des  Grundbesitzers  und 
stärkerer  Berücksichtigung  der  Rechte  des  Hausbesitzers 
könnte  nach  der  Ansicht  von  Muthesius  der  bauenden 
Bevölkerung  nur  zum  Wohle  gereichen.  Vor  allem  müssten 
die  Heimfallsverhälinisse  grundsätzlich  anders  geregelt 
werden,  damit  sie  der  derzeitige  Besitzer  weniger  ver- 
hängnissvoll  empfindet.  Denkt  man  sich  an  die  Steile  des 
Einzelgrundbesitzers  ein  Gemeinwesen  gesetzt,  etwa  eine 
Ortsgemeinde,  die  vorzugsweise  die  Interessen  der  Alige- 
meinheit  und  nicht  ausschliesslich  die  des  Grundbesitzers 
vertreten  will,  so  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  in  dem 
Baupacht  ein  gutes  Mittel  gegeben  ist,  breiteren  Schichten 
in  ihrem  Bestreben  entgegen  zu  kommen,  sich  selbst  in 
den  Besitz  eines  Hauses  zu  setzen.  — 


611 


fachen  anderen  Gebieten  mit  Erfolg  thätig  war,  hat  der 
Inhalt  des  Pavillons  Krupp  auf  der  diesjährigen  Industrie- 
und  Gewerbe-Ausstellung  in  Düsseldorf  wieder  zur  Genüge 
bewiesen. 

Aber  auch  hinsichtlich  der  Wohlfahrts-Einrichtungen 
für  ihre  Beamten  und  Arbeiter  marschirte  die  Firma  Krupp 
an  der  Spitze  der  Industrie.  Welch  reiches  Arbeitsgebiet 
hier  zu  pflegen  war,  ergiebt  schon  die  Zahl  der  auf  den 
Krupp’schen  Werken  beschäftigten  Beamten  und  Arbeiter, 
die  sich  auf  rd.  44000  im  Jahre  1899  belief.  Mustergiltig 
sind  die  Einrichtungen  der  Arbeiter- Wohnhäuser  und 
sonstiger  Wohlfahrts- Einrichtungen,  die  von  dem  Besitzer 
mit  freigiebiger  Hand  geschaffen  wurden.  Auch  hierin 
bot  die  Düsseldorfer  Ausstellung  ein  reiches  Studien- 
Material,  das  Zeugniss  davon  ablegte,  dass  der  Besitzer 
dieses  Riesenbetriebes  sich  auch  der  ungeheuren  Verant- 
wortung bewusst  war,  die  dieser  Besitz  ihm  auferlegte. 

An  äusseren  Ehren  hat  es  Krupp  nicht  gefehlt.  Er 
war  Mitglied  des  Staatsrathes,  des  Herrenhauses,  zeit- 
weilig auch  des  Reichstages  und  wurde  vor  wenigen 
Jahren  zum  Wirklichen  Geheimen  Rath  ernannt,  eine  Aus- 
zeichnung, die  ausser  ihm  keinem  Industriellen  bisher  zu- 
theil  geworden  ist.  Mit  ihm  ist  der  unmittelbare  Mannes- 
stamm des  Begründers  des  Werkes,  das  nun  in  3 Gene- 
rationen zu  seiner  jetzigen  beherrschenden  Stellung  empor- 
.gestiegen  ist,  erloschen.  — 


Preisbewerbungen. 

Der  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
neues  Ratbhaus  in  Eberswalde  ist  dahin  entschieden  worden, 
dass  der  I.  Preis  von  3000  M.  dem  Entwurf  der  Hrn. 
Cremer  & Wolffenstein  in  Berlin;  der  II.  Preis  von 
2000  M.  dem  der  Hrn.  Köhler  & Kranz  in  Charlotten- 
burg; der  III.  Preis  von  1500  M.  dem  Entwurf  des  Hrn. 
Karl  Roeraert  in  Berlin  zuerkannt  wurde.  Zum  An- 
kauf wurden  empfohlen  die  Entwürfe  mit  den  Kenn- 
worten: „Seehund“,  „Reviso“,  „Bunte  Kuh“  und  „Massig“  . 

Engerer  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  eine  Lazareth- 
Anlage  in  Kiel,  Wir  erhalten  die  Mittheilung,  dass  nicht 
Hr.  Prof.  H.  Hartung  in  Dresden,  sondern  Hr.  Architekt 
Ad.Hartung  in  Berlin  an  dem  Wettbewerb  betheiiigtwar. — 

In  dem  Wettbewerb  der  Ehrlich -Stiftung  in  Dresden 
betr.  Entwürfe  zu  einer  Kapelle,  der  auf  Dresdener  Archi- 
tekten beschränkt  war,  erhielten  den  I.  Preis  von  1000  M. 
die  Hrn.  Arch.  Wilh.  Kreis  und  Prof.  0.  Gussmann; 
den  II.  Preis  von  500  M.  Hr.  Arch.  Wilh.  Opfermann, 
den  III.  Preis  von  gleichfalls  500  M.  Hr.  Arch.  Ufer.  Drei 
Entwürfe  wurden  für  je  300  M.  angekauft  und  zwar  die 
Arbeiten  der  Hrn.  Mas  Hans  Kühne,  K.  E.  Scherz  und 
Hugo  Grothe.  — 

In  einem  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  Bucheinbände,  welcher  von  der  Leipziger  Buchbinderei- 
Aktiengesellschaft  in  Leipzig  ausgeschrieben  worden  war 
und  an  welchem  sicher  eine  grössere  Anzahl  auf  dem 
Gebiete  der  Kleinkunst  arbeitender  Architekten  betheiligt 
waren,  wurden  von  428  Künstlern  1622  Entwürfe  einge- 
liefert, ein  leider  sehr  betrübendes  Zeichen  der  Zeit.  — 


Chronik. 

Die  neue  kathol.  Kirche  in  Böckingen  bei  Heilbronn,  a.  N. 
wurde  den  14.  Ok.t.  eingeweiht,  eine  romanische  dreischiffige  Säulen- 
basilika mit  Thurm  neben  dem  Chor.  Lichte  Länge  und  Breite 
37m  und  14,2m.  Aussenflächen  sichtbarer  Backstein;  Gliederungen, 
sowie  Säulen  und  Arkadenbögen  von  Heilbronner  Werkstein.  500 
Sitzplätze  und  600  Stehplätze  zu  ebener  Erde.  Robbaukosten  nur 
80000  M.  Architekt:  R.  Raisch  in  Stuttgart.  — 

Die  IX.  internationale  Kunstausstellung  in  München  wird 
im  Jahre  1905  im  GLaspalast  abgehalten  werden.  — 

Zur  Errichtung  einer  Kunsthalle  ln  Essen  vermachte  Land- 
gerichtsdir.  Cappel  in  Berlin  der  Stadt  eine  Summe  von  150  000  M. 
und  eine  grössere  Gruppe  von  Gemälden  und  Broncen.  — 

Die  Wiederherstellung  der  Alexanderkirche  in  Zwei- 
brüoken,  einer  Grabkirche  der  Zweibrücker  Wittelsbacher,  düifte 
nunmehr  beschlossen  werden,  da  sich  die  kgl.  Regierung  gegen 
den  Plan  einer  Niederlegung  und  eines  Wiederaufbaues  der  Kirche 
nach  den  vorhandenen  Plänen  erklärte.  Es  kommen  nunmehr  die 
Wiederherstellung  des  Langhauses,  so-wie  der  Neubau  des  abzu- 
tragenden Thurmes  inbetracht.  Die  Wiederherstellungs-Entwürfe 
rühren  von  Hrn.  Arch.  Carl  Doflein  in  Berlin  her.  — 

Die  Vollendung  einer  Kreis  - Irrenanstalt  Eglfing  bei 
München,  an  der  Strecke  München-Rosenheim,  erfolgt  1905.  Es 
handelt  sich  um  eine  Anstalt  für  1000  Irre,  für  die  das  Pavillon- 
system gewählt  wurde.  Auf  einem  Gelände  von  780  Tagwerk  (zu 
34  a}  werden  sich  64  Gebäude  erheben.  — 

Die  Eröffnung  der  Kaiser  Wilhelm-Bibliothek  in  Posen, 
nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Ob.-Baudir.  Hinckeldeyn  durch 
die  Hrn.  Reg.-  und  Brth.  E.  Weber  und  Landbauinsp.  G.  Zeidler 
in  Posen  errichtet,  hat  am  14.  Nov.  stattgefundeo.  — 

Zentral-Arbeitsnachweis-Gebäude  in  Berlin.  Das  von 
der  Landesversicherungs-Anstait  Berlin  neu  erbaute  Zentral-Ar- 
beitsnachweis-Gebäude  in  der  Gormannstrasse,  Architekt  Stadt- 

612 


bauinspektor  G.  Matzdorff  in  Berlin  wurde  am  16.  Novbr.  er- 
öffnet. Das  Gebäude,  welches  ausschl.  des  Grunderwerbel 650000  M. 
gekostet  hat,  umfasst  zwei  Gebäude,  deren  Fassaden  in' Backstein 
mit  einfachen  Sandsteingliederungen  ausgeführt  sind.  .Nach  der 
Gormannstrasse  zu  liegt  der  Nachweis  für  ungelernte  Arbeiter  mit 
dem  900  qm  grossen  Oberlichtsaal,  der  Sitzplätze  für  i40(£  Personen 
hat,  und  einem  zweiten  Saale  für  420  Jugendliche;  nach  der  Rücker- 
strasse zu  liegt  das  für  2000  Personen  eingerichtete  Gebäude,  in 
dem  sich  der  Nachweis  für  weibliche  Personen  und  für  Facharbeiter 
befindet.  Ein  Brausebad  mit  15  Zellen,  Werkstätten  zur  Instand- 
setzung von  Kleidern  und  Schuhwerk,  eine  Sanitätsstube,  eine 
Bücherei  mit  Lesematerial  für  die  Arbeitsuchenden  und  eine  Kantine 
.vervollständigen  die  in  jeder  Beziehung  luustergiltige  Einrichtung.  — 
Auf  dem  Westgiebel  des  Domes  zu  Münster  i.  W.  wurde 
am  30.  Okt.  die  höchste  Kreuzblume  wieder  aufgesetzt.  Hiermit 
ist  die  Arbeit  für  dieses  Jahr  — die  Erneuerung  des  oberen  Thelles 
des  Giebels  — beendet.  Als  Material  ist  Teutoburgerwald -Sand- 
stein aus  den  Brüchen  bei  Horn  io  Lippe  verwendet.  Die  Ober- 
leitung hat  der  Reg.-Bmstr.  H.  Hertel  zu  Münster  i.  W.  — 

Die  feierliche  Einweihung  des  neuen  kath.  Kranken- 
hauses zu  Beckum  i.  W.  fand  am  13.  Nov.  statt.  Das  Kranken- 
haus, welchem  eine  grosse  gothische  Kapelle  angebaut  Ut,  bietet 
Platz  für  ICO  Betten  und  ist  nach  den  Plänen  und  unter  Ober- 
leitung des  Reg.-Bmstrs.  H.  Hertel  zu  Münster  i.  W.  mit  einem 
Kostenaufwande  von  rd.  225  000  M.  errichtet.  — 

Eine  grosse  internationale  Kunstausstellung  1904  in 
Düsseldorf  ist  durch  die  dortige  Künstlerschaft  beschlossen  wor- 
den. Mit  der  Ausstellung  soll  eine  kunsthislorische  Abtheilung  für 
Werke  der  bildenden  Kunst  aus  Privatbesitz  verbunden  werden.  — 
Der  elektrische  Betrieb  auf  den  österreichischen  Alpen- 
bahnen ist  durch  österreichische  Abgeordnete  unter  Hinweis  auf 
die  Verwendung  von  Wasserkräften  zum  elektrischen  Betriebe  von 
Eisenbahnen  in  Italien,  der  Schweiz,  Schweden  und  Norwegen  beim 
österreichischen  Eisenbahnminister  angeregt  worden.  — 

Ein  neues  Gerichtsgebäude  München-Au  wird  auf  einem 
etwa  17  000  qm  grossen  Gelände  zwischen  der  Ohlmüller-Strasse 
und  dem  Mariahilf-Platz  errichtet.  Das  Gebäude  erhält  4 Geschosse 
und  eine  Länge  der  Hauptfront  von  60  m.  Die  Entwürfe  zu  dem 
als  Putzbau  gedachten  Gebäude  wurden  unter  der  Oberleitung  des 
kgl.  Brths.  Adelung  im  kgl.  Landbauamte  io  München  gefertigt,  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  Arch.  J.  W.  in  Berlin.  Die  Einräumung  einer  Siche- 
rungs-Hypothek dürfen  Sie  wegen  Ihres  Honorars  nicht  bean- 
spruchen. Das  Recht  auf  eine  solche  steht  nach  dem  klaren, 
unzweideutigen  Wortlaute  des  B.  G.-B.  § 648  nur  dem  „Unternehmer 
eines  Bauwerkes  oder  eines  einzelnen  Theiles  eines  Bauweikes  für 
seine  Forderungen  aus  dem  Vertrage"  zu.  Ihr  Anspruch  ist  kein 
solcher  aus  der  Werkverdingung,  sondern  ein  solcher  aus  der 
Dienstmielhc.  Ihre  Leistungen  mögen  bei  Ausführung  des  Baues 
benutzt  und  verwertliet  sein,  sind  jedoch  keineswegs  in  das  Bau- 
werk verwendet.  Hierauf  kommt  es  jedoch  hauptsächlich  an,  deun 
der  jetzige  § 648  ist  erst  bei  der  zweiten  Lesung  in  das  Gesetz- 
buch aufgenommen  worden,  während  eine  gleichartige  Bestimmung 
im  ersten  Entwürfe  gefehlt  hatte.  Seine  Aufnahme  erfolgte  auf 
Betreiben  der  Bauhandwerker  und  ausschliesslich  zu  deren  Schutz, 
wegen  Ansprüchen  aus  bauhandwerksmässigeu  Leistungen,  die  dem 
Bauwerke  zugute  gekommen  waren.  Während  ■ der  verschiedenen 
Berathungen  wurde  wiederholt  ausgesprochen,  dass  der  Begriff 
Bauforderung  eng  auszulegen  und  auf  das  Entgelt  für  Entwürfe  und 
Bauleitung  nicht  anwendbar  sei.  — H.  H-e. 

Hrn.  Amtsbmstr.  Ue.  in  Herten.  Zu  i.  Holen  Sie  die  Mei- 
nung einer  auf  dem  Gebiete  des  Schornsteinbaues  erfahrenen  Firma 
ein,  die  Sie  aus  unserem  Anzeigentheil  erfahren.  2.  Ueber  Modeli- 
hölzer  und  Bausteinchen  werden  Sie  gute  Auskunft  erhalten  durch 
die  Firmen  Karl  Schröter,  PoJytechn.  Arbeitsinstitut  in  Darmstadt; 
Leipziger  Lehrmittelanstalt  Dr.  Osk.  Schneider  in  Leipzig,  Schul- 
strasse 12.  3.  Die  Fassade  wird  zunächst  mit  einem  reinen  Oel- 
anstrich  versehen.  4.  und  6.  Ueber  Volks-  und  Schul-ßadeaustalten 
finden  Sie  Ausführliches  in  dem  Kapitel  „Badeanstalten"  des  zweiten 
Bandes,  dritter  Theil  der  „Baukunde  des  Architekten“,  Verlag  der 
Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H-,  Berlin,  Bernburgerstrasse  31. 
5.  Ueber  ,, Turnhallen*'  finden  Sie  Material  im  Kapitel  10  der  , .All- 
gemeinen Schulanstalten“  des  vierten  Theiles  des  zweiten  Bandes 
unserer  ,, Baukunde  des  Architekten“,  gleicher  Verlag  wie  vor.  — 

Hrn.  Arch.  H.  W.  in  Cannstatt.  Es  ist  uns  nicht  bekannt, 
wie  sich  der  Mayer’sche  „Fundamentprüfer"  (vergl.  Dtsche.  Bztg. 
1900,  S.  214)  in  der  Praxis  bewährt  hat.  Vielleicht  erhalten  wir 
aus  dem  Leserkreis  eine  Auskunft?  Zu  beziehen  ist  der  Apparat 
jedenfalls  durch  Vermittlung  des  Erfinders.  — 

Hrn.  C.  M.  in  Schwetzingen.  Fragen  Sie  bei  der  Verlags- 
buchhandlung von  Ernst  & Sohn,  Berlin  W.  66,  an;  dort  erhalten 
Sie  die  beste  Auskunft  über  alle  im  Druck  erschienenen  staatlichen 
Vorschriften  im  Baufache.  — 

Hrn.  Arch.  P.  B.  in  Rheydt.  Wir  wissen  Ihnen  zunächst 
nur  das  eine  Mittel  anzugeben,  den  rissigen  Verputz  abzuschlagen, 
die  Fugen  tief  auszukratzen,  die  ausgekratzten  Fugen  wieder  sorg- 
fältig zu  verstreichen  und  endlich  das  Mauerwerk  mit  einem  1—2  cm 
starten  Zementüberzug  zu  versehen,  der  jedoch  nur  langsam  ab- 
trocknen darf.  — 

Hrn.  Arch.  E.  D.  in  Karlsruhe.  So  gerne  wir  gefällig  sind, 
so  erlaubt  es  unsere  Zeit  doch  nicht,  Honorar-Berechnungen  zu 
begutachten.  — 

Inhalt;  Landhaus  Curry-Rfute  in  Riederau  bei  Diessen  am  Ammer- 
see. — Kanalisation  und  Wasserversorgung  der  Stadt  Burg  bei  Magde- 
burg. — Vermischtes.  — Die  Haupacht-  und  Grundreaten-Verhältnisse  in 
England  (Schluss).  — Todtenschau.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — 
Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berliu.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 

No.  95 


AUZEITUNG. 

GANG.  * * N2;  96.  * 

DEN  29.  NOV.  1902. 

stsrsjsjararsrstsrststsrsrsf 


Ansicht  von  ausserhalb  der  Umwährungsmauer. 


Schloss  Schwaneck  im  Isarthal  bei  München. 

Begonnen  von  Ludwig  von  Schwanthaler;  Architekt  der  Erweiterungsbauten:  Osk.  Delisle  in  München, 

(Hierzu  eine  Bildbeilage,  sowie  die  Abbildungen  5.  617  und  in  No  97.) 


Südlich  von  München  liegt  auf  dem 
linken  hohen  Steilhang  der  aus  dem  Kar- 
1 wendel-Gebirge  kommenden,  hier  in  enger 

Thalschlucht  wild  daher  rauschenden  Isar 
Schloss  Schwaneck  als  gegen  München  vor- 
geschobener Posten  des  kleinen  Oertchens  Pullach. 
Wenn  Meister  Ludwig  von  Schwanthaler  sich  von  den 
überreichen  Aufträgen,  die  auf  ihn  eindrangen,  erholen 
und  in  freier  Natur  zu  neuen  Thaten  seines  kunst- 
reichen und  Gestalten  formenden  Holzes  frische  Kräfte 
sammeln  wollte,  dann  wanderte  er  gen  Süden,  nach 
jener  Richtung,  in  welcher  die  wunderbare  Gotteswelt 
der  Alpenländer  einen  bezaubernden  Vorboten  bis  tief 
in  das  Herz  von  Isar-Athen  hinein  gesendet  hat:  ins 
Isarthal.  Hier  überkam  ihn  die  Sehnsucht  nach  dauern- 
dem Verweilen  in  einer  an  Romantik  und  Naturschön- 
heit reichen  Landschaft;  an  seinem  Lebensabend  von 
hier  aus  der  aufgehenden  Sonne  entgegenharren  und 
dem  untergehenden  Lichte  die  letzten  Grüsse  des  Tages 
in  den  rothen  Abendhimmel  nachsenden  zu  können, 
war  die  Schwärmerei  seiner  letzten  Lebensjahre.  Und 
so  entschloss  er  sich  denn,  beeinflusst  durch  die 
deutsche  Ritterromanlik  jener  Tage,  bei  Pullach  ein 
Schlösschen  zu  errichten,  welches  den  Kern  der  heuti- 
gen umfangreicheren  Anlage  bildet.  Es  ist  jener  Tiieil 
in  der  Mitte  der  Baugruppe,  welcher  aus  einem  grossen 
quadratischen  Thurm,  einer  daran  schliessenden  Wen- 
deltreppe, einem  weiterhin  folgenden  Gemach  mit  halb- 
kreisförmiger Abside  und  einem  länglichen  Raum  mit 


rundem  Thurmanbau  besteht  — ritterlich  romantisch 
in  der  Erscheinung,  wie  in  der  Unmöglichkeit  behag- 
licher Wohnlichkeit.  Aber  das  letztere  war  vielleicht 
auch  nicht  einmal  der  Wunsch  des  Meisters,  dem  es 
wohl  mehr  darum  zu  thun  war,  hier  ein  hingebendes 
Zusammenleben  mit  der  Natur  zu  finden.  Nicht  lange 
durfte  sich  der  Meister  seines  Besitzes  erfreuen;  er 
wurde  in  eine  andere  Welt  abberufen  und  fand  einen 
Nachfolger  in  einem  Hrn.  Mayer  von  Mayerfels,  dem 
es  in  noch  höherem  Maasse  wie  Schwanthaler  die 
Ritlerromantik  der  Mitte  des  Jahrhunderts  angethan 
hatte.  Von  den  Zinnen  des  Thurmdaches  herunter 
begrüsste  er  mit  dem  Sprachrohre  die  vorbeifahrenden 
Flösser  und  frug  sie,  gleich  dem  mittelalterlichen  Thür- 
mer,  von  wannen  sie  kämen  und  wohin  sie  gingen. 
Mit  Eifer  trug  er  an  alten  Kunstschätzen  zusammen,  was 
er  finden  konnte,  um  seine  Burg  damit  auszuschmücken. 
Aber  auch  er  sah  das  Ende  seiner  Tage  und  das 
Besitzthum  gelangte  nun  an  eine  reiche  englische 
Malerin,  Mrs.  Dumbar,  die  nicht  minder  wie  die  beiden 
Vorbesitzer  in  der  kleinen  Burg  ihre  romantischen 
Neigungen  zu  befriedigen  suchte.  Sie  setzte  mit  ihren 
reichen  Mitteln  die  Ausschmückung  des  Schlösschens 
mit  alten  Kunstwerken  fort,  rundete  das  Besitzthum 
durch  Ankauf  einer  grossen  Wiese  ab  und  verschönerte 
es  durch  gärtnerische  Anlagen.  Und  als  auch  sie  sich 
eines  Tages  hinlegte  und  starb,  da  erwarb  das  schöne 
Anwesen  der  heutige  Besitzer,  Hr.  Kommerzienrath 
Jakob  Heilmann. 


6i3 


Nicht  ohne  Bangen  und  vielleicht  im  Hinblick  auf  der  Erweiterungsbauten  Hrn.  Arch.  Oskar  Delisle, 
die  grossen  wirthschaftlichen  Unternehmungen  des  welcher,  unterstützt  durch  die  freigebige  Hand  des 
Besitzers,  bei  welchen  mehr  Wirklichkeits-  als  roman-  Bauherrn,  die  schöne  Anlage  schuf,  welche  wir  den 
tischer  Sinn  zum  Ausdruck  kam,  sahen  die  Freunde  Lesern  in  den  angeführten  Abbildungen  im  Bilde  dar- 
des  Isarthaies  der  Zukunft  des  Schlösschens  entgegen,  bieten  können. 

Aber  der  hochverdiente  Mann,  welchem  München  und  Zunächst  galt  es,  die  Bedürfnisse  eines  reich  ge- 
das  Isarthal  so  Grosses  für  ihre  Entwicklung  und  segneten  Familienlebens  zu  befriedigen.  Diesen  An- 
Schönheit  verdanken,  machte  diese  Befürchtungen  forderungen  wurde  durch  die  Anlage  der  östlich  ge- 
durch  den  Beschluss  zu  Schanden,  Schloss  Schwaneck  legenen  Baugruppe  entsprochen.  Sie  schliesst  sich  an 
zu  einem  vornehmen  Farailiensitze  auszubauen.  Er  diealten, von  halbhundertjährigemEpheu  umsponnenen 
betraute  mit  den  Entwurfsarbeiten  und  mit  der  Leitung  Burgtheile  glücklich  und  in  malerischem  Zuge  an.  Die 


Gurlitts  neue  Kunstgeschichte.*)  | 

ll^'^lbsicht  dieser  Zeilen  ist  nicht,  Gurlitts  zweibändiges^' 
^*1  kritisiren;  dazu  fehlt  es  hier  durchaus  anl 
IK^ai  f^aum.  Aber  da  das  Werk  eine  Fülle  neuer  Ge-' 
sichtspunkte  bringt  und  da  es  das  Werk  eines  Architekten 
ist,  sejen  hier  kurz  die  wichtigsten  Absätze  herausgehoben, 
in  denen  Gurlitt  von  der  bisher  gütigen  Auffassung  der 
Kunstgeschichte  abweicht. 

Zunächst  macht  sich  eine  selbständige  Stellung  in  der 
Anordnung  geltend.  Gurlitt  geht  weniger,  als  dies  bisher 
geschah,  von  der  formalen  Seite  der  Baukunst  aus,  als  da- 
von, dass  er  gewissermaassen  das  Bauprogramm  als  das 
entscheidende  Merkmal  hinstellt.  Dieses  findet  er  durch 
kulturgeschichtliche  Untersuchungen,  die  oft  zu  ganz  neuen 
Ergebnissen  führen.  Auch  auf  dieses  Gebiet  — so  inter- 
essant es  ist  — können  wir  ihm  hier  nicht  folgen. 

Schon  in  der  Gruppirung  der  Geschichte  der  antiken 
Baukunst  zeigt  Gurlitts  Darstellung  mancherlei  Abweichun- 
gen. Nach  seiner  Schilderung  entwickelt  sich  vor  dem 
I.  Jahrtausend  vorchristlicher  Zeit  schon  eine  „Mittelrneer- 
kunst“,  die  ihren  Grund  in  einer  tiefgreifenden  Völker- 
mischung hat.  Die  festen  Anknüpfungspunkte  liegen  in 
der  Frühzeit  Mesopotamiens  und  Aegyptens.  Aber  schon 
die  Kunst  des  Reiches  von  Theben  erscheint  als  nicht  frei 
von  fremden  Einflüssen.  Die  vermittelnde  Thätigkeit  der 
Semiten  und  das  von  ihnen  angebahnte  Streben,  gross- 

*)  Corcelius  Gurlitt,  Geschichte  der  Kunst,  s Bände.  Stuttgart, 
1902.  Arnold  Bei^strä>.ser.  Mit  5 bunteu  und  25  eiufarbigen  Bildertafeln. 
Preis  geheftet  44  M.,  in  zwei  Leinenbände  gebunden  48  M,  — 

614 


Steinige  Denkmale  zu  errichten,  führt  zu  einer  relativen 
Gemeinschaft  der  entferntesten  Völker. 

Das  erste  vorchristliche  Jahrtausend  bringt  die  er- 
neuten Ansätze  bildungskräftigen  Volksthumes.  In  der 
Darstellung  dieser  Bildungen  steht  Gurlitt  etwa  auf  dem 
Standpunkte,  den  gleichzeitig  Chamberlain  inseinen  „Grund- 
lagen des  39.  Jahrhunderts'*  einnahm.  Gobineau’s  „Essay 
sur  rinögalitö  des  races  humaines“  hat  sichtlich  Einfluss 
auf  ihn  gehabt.  Die  Perser  gewinnen  hierbei  eine  wesent- 
lich höhere  Bedeutung,  als  man  ihnen  bisher  zuwies,  da- 
gegen drängt  sich  die  national  reinere  hellenische  Ent- 
wicklung eng  zusammen  auf  die  drei  Jahrhunderte  vor 
Alexander. 

„Die  griechische  Kunst  im  Osten'*  nennt  sich  dann  der 
Abschnitt,  der  wohl  das  meiste  Neue  für  die  antike  Kunst- 
geschichte bietet.  Gurlitt  trägt  zusammen,  was  man  über 
die  Kunst  der  Diadochenstaaten  weiss  und  legt  in  sehr 
überzeugender  Weise  klar,  dass  das,  was  wir  römische 
Bauweise  zu  nennen  uns  gewöhnt  haben,  thatsächlich  zu- 
meist in  Syrien  unter  hellenischem  Einfluss  entstand;  d.  h. 
hier  trat  die  wachsende  Verrohung  der  Einzelform  ira 
Gegensätze  zu  der  Steigerung  der  Maassverhältnisse  und 
der  Wirkung- hervor,  die  dem  Barock  des  17.  nachchrist- 
lichen Jahrhunderts  entspricht.  Dieses  antike  Barock 
steigert  sich  mit  dem  Vorwiegen  aramäischer  Elemente 
unter  den  Völkern,  es  erlangt  seine  höchste  Entwicklung 
in  dem  entlegensten  syrischen  Staate,  in  Petra.  Es  stellt 
also  die  vorchristliche  Zeit  vom  5.  Jahrh.  an  eine  steigende 
Invasion  hellenischen  Wesens  nach  Asien  dar,  die  Gurlitt 
bis  nach  China  und  Japan  verfolgt,  deren  Spuren  bei  den 

No.  96. 


Eintheüun^  zeigt  die  Grundzüge  des  gross  angelegten 
mittleren  Einfamilienhauses.  Die  Wirthschaftsgelasse, 
Ställe  usw.  sind  in  einen  besonderen  Flügel- verwiesen, 
von  welchem  aus  eine  Umwährungsraauer  den  Burghof 
einschliesst.  Eine  an  die  alte  Anlage  westlich  angereihte 
neue  Baugruppe  ist  dem  Vergnügen  gewidmet;  sie  be- 
steht in  einem  stattlichen  Bankett-Saal  und  einer  an- 
schliessenden Kegelbahn.  Diese  und  ein  von  ihr  aus- 
gehender anderer  Theil  der  Umwährungsmauer  um- 
schliessenden  architektonisch  geordneten  französischen 
Hausgarten.  "Wiesenflächen  und  Parkanlagen  umgeben 
den  Besitz  ausserhalb  der  Burgmauer.  Während  die 
alten  Theile  durch  Schwanthaler  in  Ziegelmauerwerk 
aufgeführt  wurden,  bestehen  die  neuen  Theile  im 
Sockel  aus  Beton  und  in  den  aufgehenden  Geschoss- 
mauern aus  Bruchsteinmauerwerk  aus  Enzenauer  Mar- 
mor. Die  oberen  Theile  der  Umfassungsmauern  sind 
mit  rauhem  Kalkputz  versehen. 

Die  hauptsächlich  durch  Pössenbacher  in  Mün- 
chen nach  den  Entwürfen  Delisle’s  gearbeitete  Aus- 
stattung des  Inneren  ist  eine  würdige,  an  manchen 
Stellen  zu  maassvoll  zurückhaltender  Pracht  gesteigerte 
und  entspricht  der  Bedeutung  des  vornehmen  Herren- 
sitzes. Das  Arbeitszimmer  im  Erdgeschoss  hat 
eine  Vertäfelung  und  Wandschränke  aus  Zirbelholz 
mit  bemalten  Fiachschnitt- Füllungen  erhalten.  Der 
Kamin  mantel  besteht  aus  Veroneser  Marmor.  Im 
Speisezimmer  breitet  sich  ein  grüner  Teppich  zwi- 
schen Marmorwandfliesen  aus  „blanc  clair“  aus;  die 
Thürumrahmungen  sind  aus  Marmor  „Vert  des  alpes“ 
geschnitten.  Von  dem  als  Wandstoff  gewählten  dunkel- 
violetten Sammet  heben  sich  Thüren  und  Möbel  in 
Mahagoniholz  mit  Goldeinlagcn  ab.  Die  etwas  ge- 
schwungene Rabitzdecke  ist  im  Elfenbeinton  gestrichen, 
w’ährend  die  Antragearbeiten  an  Wänden  und  Decke 
vergoldet  wurden.  Die  Rosetten  für  die  elektrische 
Beleuchtung  sind  in  Bronze  getrieben.  In  diesem 
Speisesaal  sowie  in  dem  benachbarten  rothen  Salon 
und  im  Boudoir  erreicht  die  feine  Pracht  der  Aus- 
stattung ihren  Höhenpunkt.  Der  rothe  Salon  musste 
den  vorhandenen  Ausstattungsstücken  angepasst  wer- 
den. Die  Wände  sind  mit  einem  hellrothen  Stoff  be- 
kleidet; die  Stuckdecke  ist  durch  weisse  Rahmen  ge- 


theilt  und  zeigt  in  der  Mitte  ein  Gemälde.  Die  Be- 
leuchtungskörper sind  Wandarme  an  den  Thürpfosten 
und  gleichfalls  in  Bronze  getrieben.  Das  Boudoir 
zeigt  eine  Wandverkleidung,  deren  Gliederung  aus 
blau  gebeizten  Erlenholzrahmen  mit  Kränzen  und 
Pfeifen  aus  getriebener  Bronze  besteht,  während  ein 
hellgrauer  Stoff  mit  Seidenstickerei  die  Flächen  be- 
deckt. Die  gewölbte  Decke  ist  mit  einem  angetragenen, 
zart  vergoldeten  Blumenfries  geschmückt.  Die  Diele 
besteht  in  Treppe  und  unteren  Wandtheilen  aus  Eichen- 
holz; ein  Wandstoff  aus  grünem  Kochelleinen  schliesst 
sich  dem  grünen  Thonofenmantel  an  und  steht  in 
einem  wirkungsvollen  Gegensätze  zu  der  weissen  Ra- 
bitzdecke. Das  Wohnzimmer,  dessen  Decke  bemalt 
ist,  hat  eine  Eichenholzvertäfelung  mit  Verwendung 
von  geschnitzten  Füllungen  aus  einer  alten  englischen 
Wandvertäfelung  erhalten.  Die  im  Obergeschoss  ge- 
legenen Wohn-  und  Schlafräume  haben  eine  ent- 
sprechend abgestufte  einfachere  Ausstattung  erhalten. 
Von  ansprechender  Wirkung  ist  der  grosse  Bankett- 
saal mit  seinem  offenen  Dachstuhl;  mit  den  einfach- 
sten Mitteln  ist  hier  eine  glückliche  malerische  Wirkung 
erzielt  worden. 

Viel  Sorgfalt  ist  auf  die  Umgebung  des  Besitzes 
verwendet  worden.  Wer  aus  dem  alten  Burghof  durch 
die  schwere  eisenbeschlagene  Pforte  das  Schloss  ver- 
lässt, überschreitet  zunächst  den  Burggraben  und  wan- 
delt dann  eine  gute  Strecke  durch  wohlgepflegte  Garten- 
anlagen, bis  ihn  ein  kleines  Portierhäuschen  an  die 
innere  Grenze  des  weiterhin  von  Waldanlagen  um- 
gebenen Schlossbezirkes  erinnert.  Gegenüber  dem 
Haupteingang  liegt  eine  ausgedehnte  Erdbeerplantage. 
Auf  der  Flusseite  leitet  die  französische  Gartenanlage 
mit  ihren  Pergolen  und  Pavillons  zu  den  Steilhängen 
der  Isar  über. 

Das  Besitzthum  hat  elektrische  Beleuchtung  aus 
den  benachbarten  Isarwerken,  einer  der  Thatkraft  des 
Schlossherrn  entsprungenen  bedeutenden  Anlage. 

Wen  diese  dürftige  Beschreibung  zu  einem  Be- 
suche des  schönen  Herrensitzes  veranlasst,  der  findet 
stets  eine  offene  Pforte  und  ein  gastliches  Haus  und 
wird  doppelt  gelohnt  durch  erlesenen  Kunst-  und  durch 
Naturgenuss.  — H. 


Unser  neuer  Band.  „Aufbau  der  Gebäude“,  aus  „Baukunde  des  Architekten“.*) 

Hls  die  Herausgeber  der  „Deutschen  Bauzeilung'*  vor  ein  Lehrbuch,  als  vielmehr  ein  für  den  unmittelbaren 
nunmehr  fast  23  Jahren  erstmalig  mit  der  „Bau-  praktischen  Gebrauch  geeignetes  Werk  zu  schaffen,  das 
künde  des  Architekten"  (Deutsches  Bauhandbuch)  in  gedrängter  Kürze  alles  Wissenswerthe  des  betreffenden 
hervortraten,  hatten  sie  sich  als  Ziel  gesetzt,  nicht  sowohl  Fachgebietes  umfassen  und  sich  dabei  hinsichtlich  des 

Haukunde  des  Architekten  (Deutsches  Bauhandbuehk  I.  Bd.  i.  Th.  Der  Aufbau  der  Gebäude.  Unter  Mitwirkung;  von  Fachmännem 
der  verschiedenen  Eiuüelgebiete  hcrausgeeebeo  von  den  Hei'aussebern  der  Deutschen  Bauzeitung  und  des  Deutschen  Baukalenders-  Mit  über  2000  Ab- 


bildungen im  Text.  V.  wesentlich  umsearb.  und  vermehrte  Auflage.  Berlin 

hinterindischen  Khmer  ebenso  wie  im  zentralasiatischen 
Tarimbecken  gesucht  werden. 

Von  einschneidender  Wichtigkeit  ist  dann  die  Art,  wie 
Gurlitt  den  Einfluss  Roms  darstellt.  Er  nimmt  ihn  als 
durchaus  bescheiden  an  und  findet  dort  nach  dem  Nieder- 
gange der  Etrusker  eine  völlige  künstlerische  Leere.  Die 
Zeilen  der  letzten  Republik  und  der  ersten  Kaiser  haben 
versucht,  das  klassische  Athen,  also  die  damals  seit  drei 
Jahrhunderten  todte  Griechenkunst  neu  zu  beleben.  Sie 
haben  aber  das  Gewölbe  als  raumbildenden  Faktor  des 
Schönbaues  nicht  gekannt,  sondern  es  nur,  wie  alle 
Völker  des  Alterthums,  zu  technischen  Zwecken  ver- 
wendet. Rom  hat  sich  dann  mehr  und  mehr,  zumeist  unter 
den  flavischen  Kaisern,  nach  Zerstörung  von  Jerusalem, 
der  minder  klassischen  aber  formal  vielseitigeren  helle- 
nistischen Kunst  des  Orient  angeschlossen.  Campanien, 
das  südliche  Gallien,  vor  allem  aber  Antiochia  und 
Alexandria,  seien  in  jener  Zeit  Rom  in  der  künstlerischen 
Entwicklung  weit  voraus  gewesen,  auch  das  römisctie 
Afrika,  Kleinasien,  Oberitalien  hätten  sich  selbständig  ent- 
wickelt. In  Rom  aber  hätten  die  Kaiser,  von  ihren  sieg- 
reichen F eldzügen  heimkehrend,  durch  die  herbeigeschlepp- 
ten Besiegten  Proben  der  Bauweise  aufstellen  lassen,  die 
man  im  eroberten  Lande  antraf:  sie  machten  Rom  zu 
einem  Riesen-Museum  der  in  den  Provinzen  geschaffenen 
Kunst.  Das  Pantheon,  das  Forum  und  das  Septizonium 
waren  also  von  den  Kaisern  mit  Hilfe  Fremder  errichtete 
Beispiele  in  Rom  fremder  Kunstweise. 

Das  Entscheidende  sei  die  Frage:  wo  wurde,  zuerst 
der  Wölbbau  künstlerisch  verwendet,  wo  vollzog  sich 

29;.  November  1902. 


1903.  Verlag  Deutsche  Bauzeitiing,  G.  m.  b.  H.  Preis  geh.  14  M.,  geb.  16  M. 

der  Umschwung  von  der  vorwiegend  plastischen,  d.  h. 
das  Aeussere  berücksichtigenden  hellenischen  Bauweise 
zu  der  Raumkunst  der  letzten  antiken  Zeit?  Gurlitt  nimmt 
an,  dass  diese  Entwicklung  parallel  mit  der  religiösen  sich 
vollzog.  Er  sucht  die  Anfänge  in  Indien,  die  eigentliche 
Schöpfungskunst  in  den  beiden  persischen  Reichen,  indem 
er  auf  die  bisher  nicht  sicher  datirten  Bauten  von  Firuz 
Abad,  Warka,  Hatra  usw.  hinweist,  und  verfolgt  nun  das 
Vordringen  des  Wölbbaues  von  Osten  her  zugleich  mit 
dem  Vordringen  der  orientalischen  Religionen,  des  Mithras- 
dienstes,  des  Osirisdienstes,  des  Gnosticismus  und  des 
Christenthums,  indem  er  immer  wieder  darauf  hinweist, 
dass  die  sogenannte  spätrömische  und  die  altchristliche  Bau- 
kunst nur  als  verschiedene  Aeusserungen  derselben  künstle- 
rischen Zeit  zu  betrachten  sind.  Der  Sieg  fällt  vollständig 
dem  Orient  zu,  Rom  wird  bald  wieder  ganz  aus  der  eigent- 
lichen Kunstentwicklung  ausgeschaliet.  In  Spalato,  Verona, 
Trier  usw.  sieht  Gurlitt  vorzugsweise  orientalische  Kunst. 
Rom  selbst  vermag  trotz  der  Riesengrösse  des  dort  Er- 
richteten Selbständiges  nicht  zu  bieten;  dagegen  ward  neben 
Syrien  Byzanz  der  Ort,  an  dem  sich  die  Kunst  des  Ostens 
aufs  glänzendste  entwickelt  und  von  wo  aus  sie  auf  alter 
Entwicklungsstrasse  weiter  tortschreitet.  Von  hier  aus 
erhält  die  altchristliche  Kunst  die  belebenden  Anregungen, 
die  sie  auf  selbständige  Wege  führen. 

Gurlitt  hält  daran  fest,  dass  der  Orient  bis  tief  ins 
Mittelalter  hinein  die  eigentliche  Führung  in  der  Kunst 
gehabt  habe.  Die  Zeit  der  Völkerwanderung  sammelt 
nach  seiner  Darlegung  im  Norden  Persiens  ihre  auf  den 

(Fortsetzui^  auf  S.  618.) 

615 


Preises  in  Grenzen'‘balten  sollte,  die  eine  Verbreitung  in 
weiterem  Kreise  ermöglichen  könnten. 

Wenn  aus  der  Verbreitung,  die  das  Werk  in  seinen 
bisherigen  Auflagen  thatsächlich  gefunden  hat,  ein  Schluss 


angemessener  Weise  berücksichtigen  zu  können,  sind  seit 
seinem  erstmaligen  Erscheinen  3 neue  Auflagen  heraus- 
gegeben worden,  die  jedesmal  eine  wesentliche  Umgestal- 
tung bedeuteten  und  stets  eine  entsprechende  Vermehrung 


gezogen  werden  kann,  so  dürfen  wir  uns  der  Hoffnung 
hingeben,  dass  es  wenigstens  in  gewissem  Maasse  gelungen 
ist,  dem  gesteckten  Ziele  näher  zu  kommen. 

Um  in  dem  Werke  die  Fortschritte  der  Technik  in 

39.  November  1902. 


des  Inhaltes  mit  sich  brachten,  sodass  bei  der  4.  Auflage 
im  Jahre  1895  eine  Trennung  des  I.  Bandes  in  Thed  i 
„Aufbau"  und  Theil  3 „Ausbau“  stattfinden  musste. 

In  den  nächsten  Tagen  erscheint  nun  die  4.  Um- 

617 


arbeitung,  also  die  5.  Auflage  des  l.  Bandes  Theil  i:  „Der 
Aufbau  der  Gebäude“. 

Diese  neue  Auflage  unterscheidet  sich  nun  schon  rein 
äusserlich  von  ihren  Vorgängern  durch  ein  etwas  grösseres 
Format  (der  Baukunde  des  Ingenieurs  aus  unserem  Ver- 
lage entsprechend),  welches  aus  Zweckmässigkeitsgründen 
gewählt  wurde,  namentlich  auch,  um  im  Maasstabe  der 
Abbildungen  weniger  beschränkt  zu  sein.  Trotz  dieser 
nicht  unwesentlichen  Vergrösserung  der  Seitenflächen  ist 
der  Umfang  wieder  um  rd.  drei  Druckbogen  gewachsen. 
(Unter  Berücksichtigung  der  vergrösserten  Seitenflächen 
um  rd.  10  Bogen.) 

Eine  weitere  äusserliche  Aenderung  ist  die  durch- 
laufende Nummerirung  der  Figuren,  wobei  grundsätzlich 
zusammengehörige  Figuren  nur  noch  mit  einer  Nummer 
bezeichnet  sind.  Auch  die  sogenannten  Tafeln  der  früheren 
Auflagen  sind  jetzt  in  die  Nummerirung  eingereiht.  Es 
wurden  dadurch  die  Textbezugnahraen  auf  frühere  oder 
spätere  Abbildungen  erleichtert.  Der  Bänd  enthält  nun- 
mehr 1900  Figurengruppen  mit  weit  über  2000  Einzel- 
figuren, sodass  sicn  eine  erhebliche  Vermehrung 
des  Abbildungsmaterials  ergeben  hat.  Ganz  besonders 
aber  ist  auf  klare  Darstellung  und  ausreichende  Grösse 
der  Abbildungen,  sowie  auf  grössere  Einheitlichkeit  der 
Maasstäbe  Wert  gelegt.  Es  ist  zu  diesem  Zwecke  daher 
ein  erheblicher  Teil  der  alten  Abbildungen  ausgeschieden 
worden.  Es  gilt  dies  besonders  von  Abschnitt  V,  Meiall- 
konstruktionen  des  Aufbaues,  der  in  seinen,  die  eigentlichen 
Konstruktionen  betreffenden  Kapiteln  fast  durchweg  neue 
Abbildungen  und  Beispiele  erhalten  hat,  Beispiele  vergl. 
S.  616.  Ebenso  sind  in  Abschnitt  IV,  Rücksichten  auf 
Feuersgefahr  usw.,  im  Kapitel  der  neuen  Deckenkonstruk- 
tionen neue  Abbildungen  in  grösserer  Zahl  hinzugetreten. 

Die  Gesammtanordnung  des  Stolfes  ist  im  wesentlichen 
dieselbe  geblieben,  nur  wurde  das  Kapitel  über  Blitzab- 
leiter, das  ganz  neu  bearbeitet  ist,  dem  Abschnitt  IV, 
Rücksichten  auf  Feuersicherheit  usw.,  angegliedert.  Im 
übrigen  wurden  sämmtliche  Abschnitte  durchgesehen,  er- 
gänzt und  zumtheil  beträchtlich  erweitert  unter  Berück- 
sichtigung der  neuesten  Erfahrungen  und  Veröffentlichungen 
auf  den  einschlägigen  Fachgebieten,  zumtheil  unter  Hin- 
zuziehung neuer  Autoren. 


Im  Einzelnen  ist  Folgendes  zu  bemerken: 

Im  Abschnitt  I,  Maurerarbeiten,  wurden  Tabellen  über 
Eigengewichte,  Belastungsannahme  und  zulässige  Bean- 
spruchungen unter  Zugrundelegung  der  beim  preussischen 
Ministerium  der  öffentl.  Arbeiten  und  dem  Berliner  Polizei- 
Präsidium  geltenden  Vorschriften  aufgenommen,  welche 
voraussichtlich  in  absehbarer  Zeit  allerdings  einige  Ab- 
änderungen und  Ergänzungen  erfahren  werden,  die  augen- 
blicklich in  der  preussischen  Akademie  des  Bauwesens  zur 
Berathung  stehen.  Den  Mörtelmaterialien  ist  ein  beson- 
derer Unterabschnitt  gewidmet  und  namentlich  ist  das 
Kapitel  XI  der  Grundmauern  und  Gründungen  angemessen 
ergänzt  worden.  Etwas  breiter  sind  die  gemauerten  Flach- 
decken mit  Eiseneinlage  behandelt,  die  ßetoneisendecken 
dagegen  ganz  dem  Hauptabschnitt  IV  zugewiesen  worden. 

Geringere  Veränderungen  weisen  ■ die  Abschnitte  II 
und  III  auf,  aber  auch  hier  sind  alle  wesentlichen  Neuerungen 
berücksichtigt. 

Der  Hauptabschnitt  IV,  Rücksichten,  auf  Feuersgefahr 
und  Verkehrssicherheit  in  Gebäuden,  ist  in  seinem  allge- 
meinen Theil  den  neuesten  Erlassen  entsprechend  durch- 
gesehen, im  Abschnitt  über  Theater  durch  eine  Anzahl 
neuer  Beispiele  ergänzt  und  in  seinem  Konstruktionstheile 
sehr  wesentlich  umgearbeitet  und  erweitert  worden.  Ins- 
besondere sind  die  Betoneisen-Konstruktionen  sowohl  für 
Decken,  wie  für  Wände  und  Stützen  eingehender  be- 
sprochen und  durch  Zeichnungen  erläutert. 

Die  weitgehendste  Umgestaltung  und  Erweiterung  hat 
aber  der  Hauptabschnitt  V,  Metallkonstruktionen  des  Auf- 
baues, und  in  diesem  wieder  der  Konstruktionstheil  und 
namentlich  das  Kapitel  der  eisernen  Dächer  erfahren. 
Letzteres  ist  in  systematischer  Weise  fast  vollständig  neu 
bearbeitet  worden. 

Auch  der  Abschnitt  VI,  Baumaterialien  usw.  nach 
ihren  gesundheitlichen  Eigenschaften,  ist  fast  vollkommen 
umgearbeitet,  da  gerade  auf  diesem  Gebiete  eine  Reihe 
neuer  Erfahrungen  gemacht  worden  sind.  — 

Wir  übergeben  die  in  so  umfangreicher  Weise  neu- 
gestaltete neue  Auflage  der  Oeffentlichkeit  in  der  Hoffnung, 
. damit  unserem  Ziele  wiederum  .einen  Schritt  näher  ge- 
kommen zu  sein  und  mit  dem  Wunsche,  dass  sie  sich  gleich 
ihren  VorgängernzahlreicheneueFreunde  erwerbenmöge.— 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Mittelfränk.  Krelsgesellschaft  des  bayer.  Arch.-  u.  Ing.- 
Vereins  zu  Nürnberg.  Vers,  vom  31.  Okt.  1902.  Es  er- 
hält das  Wort  Hr.  Arch.  Küfner  zur  Einleitung  einer  all- 
gemeinen Besprechung  der  Düsseldorfer  Ausstellung  1902. 
Nach  kurzem  Verweilen  bei  der  Ausstellungsstadt  behan- 
delt Redner  die  Vorgeschichte  der  Ausstellung,  gedenkt 
der  bedeutenden  Aufwendungen  von  Siadt  und  Staat  für 
die  Bereitstellung  des  Ausstellungs-Geländes  und  dessen 
Anschluss  an  die  Verkehrswege,  und  betrachtet  schliess- 
lich die  Gesammtanlage  der  Ausstellung  und  die  einzelnen 
Gebäude  derselben  etwas  eingehender.  Mit  Rücksicht  auf 


Weg  nach  dem  Westen  mitgenommenen  Motive,  die  Skan- 
dinaviens erhält  sie  über  Russland.  Die  Araber,  selbst 
kunstlos,  schleppen  sie  auf  ihren  Kriegszügen  mit  fort. 
Gurlitt  macht  als  erster  den  Versuch  einer  geschichtlichen 
Betrachtung  der  muhamedauischen  Baukunst,  indem  er 
nachweist,  dass  die  älteren  Bauten  —die  vor  dem  Mongolen- 
sturme entstandenen  — sich  als  Nachbildungen  der  je- 
weilig heimischen  Kunst  darstellen,,  also  von  den  Ortsge- 
borenen für  die  Araber,  nicht  aber  von  den  Arabern  selbst 
geschaffen  seien.  Die  Kopten  in  Ae-gypten  und  die  helle- 
nischen Reste  in  Asien,  das  Völkergemisch  Spaniens  und 
Afrikas  sind  der  Stützpunkt  für  die  muhamedanische  Kunst 
der  ersten  Jahrhunderte.  Aber  auch  für  den  christlichen 
Westen  bleiben  die  Handelsstädte , des  Orients  die  Quellen 
verfeinerten  Schaffens,  an  die  zurückzukehren  ihm  immer 
wieder  zur  Nothwendigkeit  wird,  zumal  seit  im  Reiche 
der  Kalifen  die  Kunst  Persiens  abermals  eine  Verjüngung 
erfuhr,  Persien  sich  also  wieder  als  den  gefeierten  Mittel- 
punkt asiatischer  Kunstentwicklung  darsteilte.  Die  Kreuz- 
züge sind  Züge  der  Sehnsucht  nach  dem  verfeinerten 
Dasein  des  Ostens. 

Die  Baugeschichte  des  frühen  europäischen  Mittel- 
alters vollzog  sich  in  bekannter  Weise.  Hier  stellt  Gurlitt 
an  die  Spitze  die  Darlegung,  dass  Rom,  obgleich  Haupt 
der  Kirche,  ohne  fördersamen  Einfluss  auf  die  Kunst 
bleibt.  Er  führt  folgenden  Gedanken  durch:  Rom  vertritt 
die  an  sich  kunstfeindliche  Askese,  die  Völker  Europas 
vertreten  den  künstlerischen  Bethäügungsdrang,  den  frei- 
lich die  Kirche  durch  die  Lehre  von  den  guten  Werken 
mächtig  fördert.  Die  Bestrebungen  der  grossen  Kirchen- 
lehrer und  namentlich  der  Reformatoren  des  Mönchsthums 


die  im  Jahre  1906  geplante  Jubilaums-Ausstellung  in  Nürn- 
berg interessirte  ein  Grössenvergleich  der  Düsseldorfer 
Ausstellung  mit  der  1896  in  Nürnberg  staitgehabten  II.  Bayr. 
Landesausstellung.  (Die  Ziffern  für  Nürnberg  1896  sind 
nachstehend  in  Klammern  beigesetzt.)  Die  erstere  um- 
fasst ein  Gelände  von  530  000  q®  (162  400),  wovon  mit  Ge- 
bäuden 129  000  q®  (50000)  bedeckt  waren.  Hiervon  ent- 
fielen auf  das  Hauptgebäude  mit  den  beiden  Erweiterungs- 
hallen 35000  q®  (31  400),  auf  die  Maschinenhalle  mit  Kessel- 
haus 16  000  q®  (10250)  und  auf  die  Kunsthalle  8000  q® 
(2100).  Auffallend  ist,  dass  das  Nürnberger  Hauptgebäude 
hinsichtlich  der  Grösse  nur  wenig  hinter  dem  Düsseldorfer 
zurückstand.  • Es  erklärt  sich  dies  dadurch,  dass  in  Düssei- 


wiesen stets  auf  die  grösste  Schlichtheit  und  zwar  aus 
Furcht  vor  . der  Weltlichkeit  der  Kunst.  Die  einzelnen 
Mönchsorden,  Benediktiner,  Clunyacienser,  Prämonstra- 
tenser,  Zisterzienser,  später  E'ominikaner,  Franziskaner, 
Augustiner  und  auch  Jesuiten  setzten  stets  mit  dem  hefti- 
gen Bestreben  ein,  den  Reichthum  im  Kirchenbau  zu 
bekämpfen,  konnten  sich  aber  der  ihren  Regeln  wider- 
sprechenden Kunstliebe . Opferlustiger  nicht  erwehren. 
Die  Bischofs-  und  Pfarrkirchen  leisteten  diesen  Wider- 
. stand  gegen  die  Kunst  nicht,  denn  sie  sahen  in  ihr  ein 
: Mittel,  auf  den  ungebildeten  Laien  einzuwirken.  Von 
einer  Pflege  der  Kunst  um  der  Kunst  willen,  also  des 
„Kunstsinnes“,  könne  aber  bei  der  Kirche  nicht  die  Rede 
sein.  Dagegen  spreche  namentlich  das  Verhalten  der 
■ Päpste  in  Rom  und  Avignon,  die  keineswegs  ihre  Auf- 
- gäbe  darin  sahen,  mit  den  Bischöfen  im  Bauwesen  auch 
■:  nur  zu  wetteifern,  es  sei  denn  im  Bau  von  Festungswerken 
und  Schlössern.  Unter  dem  Gesichtspunkte  nun,  die  Bau- 
kunst weniger  aus  den  Formen,  als  aus  dem  ihr  zugrunde 
liegenden  Bauprogramm  zu  erklären,  das  heisst  die  letzte, 
innerste  Absicht  des  Schaffenden  zu  ermitteln  und  das 
, Bauwerk  als  Ausdruck  dieser  zu  erklären,  kommt  Gurlitt 
, zu  einer  wesentlich  neuen  Gliederung  des  ganzen  Gebietes. 

Er  theilt  nicht  nach  Ländern,  d.  h.  beispielsweise  nicht  in 
, eine  deutsche  und  französische  Kunst.  Er  weist  vielmehr 
nach,  dass  die  Grenzen  von  heute  und  selbst  die  Sprach- 
und  Reichsgrenzen  jener  Zeiten  ohne  Einfluss  auf  die 
Entwicklungsgrenze  waren,  dass  es  vielmehr  vorzugsweise 
die  Handelswege  sind,  auf  denen  die  Kunst  sich  fortbe- 
wegt und  dass  auf  diesen  sich  auch  die  religiösen  Be- 
wegungen vollziehen,  die  die  Glaubensformen  und  mit 

No.  96. 


618 


dorf  die  meisten  Grossbetriebe  eigene  Gebäude  für  ihre 
Ausstellungen  errichteten  (Krupp,  Bochuraer  Verein,  Hör- 
der  Bergwerksverein  usw.),  während  in  Nürnberg  mit  ge- 
ringfügigen Ausnahmen  von  der  Ausstellungs-Leitung  er- 
richtete Bauten  vorhanden  waren.  Dieser  Umstand  brachte 
für  das  Düsseldorfer  Ausstellungs-Unternehmen  eine  nicht 
zu  unterschätzende  Erleichterung  hinsichtlich  der  für  die 
Bauten  aufzuwendenden  Mittel,  war  aber  von  weniger 
günstigem  Einfluss  auf  die  künstlerische  Gesammtwirkung. 

Vorzüglich  waren  die  Verkehrs-Einrichtungen  zur  und 
in  der  Ausstellung,  tadellos  die  Fürsorge  für  das  leibliche 
Wohl  der  Ausstellungs  Besucher,  und  unvergesslich  wird 
jedem  Besucher  das  einzig  schöne  Bild  bleiben,  welches 
sich  Nachts  vom  Rhein  aus  bot,  wenn  Tausende  von 
Lichtern  die  Gebäude  bis  in  die  äussersten  Spitzen  er- 
hellten und  das  Fest  der  Arbeit  verherrlichten. 

Nachdem  der  Vorsitzende,  Hr.  Ob.-Brth.  C.  Weber, 
für  die  trefflichen  Ausführungen  des  Redners  gedankt, 
folgt  die  weitere  Besprechung  der  Ausstellung  unter  zahl- 
reicher Betheiligung  der  Vereinsmitglieder.  Es  wird  unter 
anderem  geschildert  die  Kunsthalle  mit  ihrer  historischen 
Abtheilung,  Verschiedenes  aus  der  Maschinenhalle,  die 
grossartige  Ausstellung  Krupps,  diejenige  des  Vereins 
deutscher  Portland-Cement-Fabrikanten,  der  Bergwerks- 
vereine, der  Firma  Villeroy  & Boch  usw.  Ueber  die  Aus- 
stellung für  Verkehrswesen  verspricht  Hr.  Direktionsass. 
Dr.  Zinssmeister  einen  besonderen  Vortrag  für  eine  spätere 
Versammlung.  — K. 


Vermischtes. 

Der  Verein  für  Volkskunst  und  Volkskunde  ln  München, 
der  kürzlich  begründet  wurde,  findet  in  Bayern  und  über 
dessen  Grenzen  hinaus  vielseitigen  Anklang  und  verdient 
die  wärmste  Unterstützung.  Er  hat  sich  zur  Aufgabe  ge- 
macht, die  Ueberlieferungen  zu  sammeln,  welche  in  der 
Dorfkirche,  im  Hausbau  und  im  Hausgeräthe  des  Volkes 
noch  erhalten  sind.  Der  Verein  betheiligt  sich  aber  auch 
an  der  Mundarten-Forschung  und  an  der  Aufzeichnung 
der  Sitten  und  Gebräuche,  sowie  der  geschichtlichen  Er- 
innerungen, welche  in  Sagen  und  Orts-  und  Familiennamen 
fortleben.  „Wir  wollen  unseren  Nachkommen  ein  Bild 
von  dem  früheren  Leben  unseres  Volkes  erhallen  und  die 
Ueberreste  aus  denkwürdigen  Zeiten  sammeln,  ehe  sie 
vor  unseren  Augen  in  der  Alles  gleich  machenden  Gegen- 
wart untergehen.“  Um  die  Begründung  des  Vereins,  in 
den  einzutreten  auch  die  in  Norddeutschland  lebenden 
Freunde  der  Alpenwelt  eingeladen  werden,  hat  sich  Hr. 
Arch.  Franz  Zell  in  München,  welchem  wir  schon  eine 
Reihe  schöner  Veröffentlichungen  der  Heimathkunst  ver- 
danken, ein  grosses  Verdienst  erworben.  — 

Bauliche  Sonderausstellung  auf  der  XVII.  Wander- 
ausstellung der  Deutschen  Landwirthschafts-Gesellschaft  in 
Hannover  vom  17. — 23.  Juni  1903.'  Eine  Sonderausstellung 
für  landwirthschaftliches  Bauwesen  soll  mit  der  Wander 
ausstellung  in  grösstem  Umfange  verbunden  werden;  sie 
ist  mit  in  erster  Linie  für  den  ländlichen  Handwerker  be- 


diesen  die  gottesdienstlichen  Formen  ändern.  Bis  endlich 
in  der  Umgebung  von  Paris  die  vollkommene  Form  der 
nationalen  Bischofs -Kirche  gefunden  wird  und  diese  als 
Gothik  ihren  raschen  Siegeszug  durch  den  Occident  an- 
tritt.  Zu  gleicher  Zeit  hatte  in  Kairo,  in  Kleinasien,  bei 
den  persischen  und  indischen  Muhamedanern  die  orien- 
talische Kunst  ihren  Höhepunkt  erreicht:  dieser  widmet 
Gurlitt  wieder  eine  sehr  eingehende  Besprechung,  indem 
er  auf  Wechselbeziehungen  zwischen  Osten  und  Westen 
hinweist,  die  viel  stärker  sind,  als  man  bisher  anzunehmen 
geneigt  war.  Erst  mit  dem  Ende  der  Kreuzzüge  und  mit 
dem  Vordringen  der  Türken  schliessen  diese  Beziehungen 
ab  und  zwar  auf  Andrängen  Roms,  das  erkannt  halte, 
wie  sehr  der  Orient  die  Umgestaltung  der  Seelen  beein- 
flusste. Es  war  nicht  gelungen,  die  Muhamedaner  aus 
Syrien  zu  verdrängen,  man  hatte  vielmehr  vollauf  zu 
thun,  die  persisch-gnostischen  Lehren  in  Europa  zu  be- 
kämpfen. Es  beginnt  nun  die  Zeit  der  Einflussnahme  des 
Sektenwesens  auf  das  Kirchenbauwesen  zunächst  dadurch, 
dass  Kampforden  gegen  dieses  nöthig  wurden  und  diese 
die  Predigt  zum  Kampfmittel  wählten.  Die  dadurch  sich 
ergebenden  Wandlungen  im  Kirchenbau  zu  verfolgen,  ist 
von  hervorragendem  Interesse. 

Gurlilt  legt  den  grossen  Einschnitt  der  künstlerischen 
Entwicklung  des  Mittelalters  in  das  14-,  statt  wie  es  bisher 
geschah,  in  das  15.  Jahrhundert.  De*“  Verfall  des  Kaiser- 
thums, des  französischen  Königthums  und  des  Papstihums, 
d.  h.  der  Zusammenbruch  der  alten  Mächte,  erfolgte  seit 
dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts.  Das  14.  erweist  sich 
thatsächlich  als  das  mindest  ergiebige,  wenn  man  absieht 
von  den  Bestrebungen  der  Hansa  und  der  Deutschherren 

29.  November  1902. 


stimmt,  der  in  den  meisten  Fällen  der  Berather  des  Land- 
wirthes  ist.  Neben  einem  Aufbau  von  Musteranlagen 
sollen  zur  Ausstellung  gelangen:  Baumaterialien  aller  Art, 
Steine,  Dachdeckungs-Materialien,  Thüren,  Fenster,  innere 
Einrichtungs-Gegenstände,  überhaupt  alles,  was  in  tech- 
nischer Beziehung  auf  die  Landwirthschaft  Bezug  hat,  also 
namentlich  auch  Stalleinrichtungen.  — 


PreisbewerbUQgea. 

Das  Stipendium  der  an  der  Technischen  Hochschule  zu 
Berlin  bestehenden  Louis  Boissonnet-Stiftung  für  Architekten 
und  Bau-Ingenieure  für  das  Jahr  1902  ist  an  den  T)r.  Sng. 
Hans  Reissner  in  Berlin  verliehen  worden.  Als  fach- 
wissenschaftliche Aufgabe  für  die  mit  dem  Stipendium 
.auszuführende  Studienreise  wurde  das  Studium  der  bis- 
her wenig  bekannten  Eisenhochbau- Konstruktionen  neuerer 
Stadtbahnen,  moderner  industrieller  Anlagen  und  hoher 
Wohngebäude  Nordamerikas  festgesetzt.  — 

Bei  dem  Wettbewerb  um  Vorentwürfe  für  eine  höhere 
Mädchenschule  (Viktoriaschule)  in  Frankfurt  a.  M.,  der 
unter  Frankfurter  Architekten  ausgeschrieben  war,  erhielt 
den  I.  Preis  im  Betrage  von  2000  M.  der  Enlwuif  des 
Stadtbauinsp.  Karl  Wilde  und  den  II.  Preis  von  1000  M. 
ein  Entwurf  des  Arch.  Herrn.  Schädel.  Zwei  weitere 
Arbeiten  wurden  für  je  500  M.  argekauft.  Als  Verfasser 
ergaben  sich  die  Arch.  Poppe  & Hartraann,  sowie  Arch. 
H.  Schädel,  Dem  Preisgericht  gehörten  als  Fachleute 
an  die  Hrn.;  Stadtrath  Behnke,  Arch.  Neher  in  Frank-, 
furt  und  Prof.  Pützer  in  Darmstadt.  — 

Wettbewerb  Rathhaus  Eberswalde.  Unter  den  87  ein- 
gelaufenen Arbeiten  wurden  nach  den  preisgekrönten 
4 zum  Ankauf  empfohlen  und  zwar  die  Entwürfe  „Bunte 
Buche“,  (Verf,:  Ernst  Rang  & A.  Silbersdorf  in  Schöne- 
berg), „Massig“  (Verfasser  Henry  Gross  in  Berlin), 
„Seehund“  (Verf.:  A.  Schneegans  in  Berlin)  und  „Tre- 
viso“  (Verf.:  Eugen  Kühn  in  Berlin).  Die  öffentliche  Aus- 
stellung der  Enttwürfe  findet  bis  7.  Dez.  in  der  Aula  der 
Bürgerschule  II.  in  der  Düppelstrasse  in  Eberswalde  statt.  — 
Wettbewerb  höhere  Töchterschule  Essen.  Unter  288  (!) 
Arbeiten  wurde  keine  des  I.  Preises  für  würdig  erachtet. 
Den.  II.  Preis  errangen  die  Hrn.  K.  Poppe  & A.  Hart- 
mann in  Frankfurt  a.  M.;  die  drei  IIL  Preise  die  Hrn. 
K.  Winter  & A.  Stahl  in  Strassburg  i.  E.,  F.  Paulsen 
in  Stuttgart,  sowie  K.  Heidenreich,  H.  Knothe  & E. 
Döring  in  Charlottenburg.  — 

In  dem  Wettbewerb  um  Skizzen  für  den  Erweiterungs- 
und Umbau  des  Ständehauses  in  Kassel  (s.  S.  368)  sind 
auf  einstimmigen  Beschluss  des  Preisgerichtes  unter  den 
19  rechtzeitig  eingegangenen  Entwürfen  die  Preise  wie 
folgt  vertheilt;  der  I.  Pr.  von  2000  M.  dem  Entwürfe  des 
Hrn.  Arch.  Herrn.  Gerhardt,  der  II.  Pr.  von  1200  M.  dem 
Entwürfe  der  Hrn.  Arch.  Aüg.  Ernecke  und  Karl  Rothe 
und  der  III.  Pr.  von  800  M.  dem  Entwürfe  der  Hrn.  Arch. 
Jul.  Eubell  und  Karl  Riecke,  sämratlich  in  Kassel.  Die 
Entwürfe  sind  bis  zum  3.  Dez.  einschl,  im  Ständehause 
ausgestellt.  — 

von  Ostdeutschland,  von  jenen  Karls  IV.  in  Böhmen  und 
von  dem  oberitalienischen  und  toskanischen,  durch  die 
Franziskaner  angeregten  Schaffen.  Das  sind  örtliche  Vor- 
gänge, denen  gegenüber  steht  das  bürgerliche  Leben  des 
15.  Jahrh.  in  seiner  breiten  Entwicklung.  Wieder  scheidet 
hier  Gurlitt  nicht  nach  den  Kunstformen,  sondern  nach  dem 
Geistesinhalt.  Und  dieser  erscheintihm  als  das  bewusste  oder 
unbewusste  Streben,  aus  der  mittelalterlichen  Form  heraus- 
zukommen, das  er  in  der  Spätgothik  des  Nordens  ebenso- 
sehr. nachweist,  wie  in  den  Renaissance-Bestrebungen  des 
Südens.  Das  Entscheidende  ist  für  Gurlitt,  dass  die  Kunst 
nun  einen  neuen  Besteller  findet,  und  zwar  infolge  des 
Wandels  der  sozialen  Verhältnisse  und  der  grösseren  Be- 
weglichkeit der  Vermögen  ist  dieser  eine  Besteller  das 
Geld  im  Gegensatz  zur  vorhergehenden  Zeit,  wo  es  der 
unbewegliche  Grundbesitz  war.  Das  Geld  aber  wird  vom 
Kaufmann  verwaltet  und  dieser  bildet  daher  die  maass- 
gebende Macht.  Der  Kaufmann  Medici  wird  Fürst,  alle 
staatlichen  und  kirchlichen  Mächte  richten  sich  nach 
den  Anforderungen  der  beweglichen  Vermögen  ein,  das 
schmückende  Kunstwerk  wird  beweglich  geschaffen,  die 
Gewerbe  blühen  auf.  In  der  Auffassung  z.  B.  der  Re- 
naissance-Bewegung erweist  sich  Gurlitt  unter  anderem  als 
ein  entschiedener  Gegner  Burckhardts,  der  in  der  Wieder- 
kehr klassischer  Formen  einen  Triumph  verfeinerten  Geistes 
erblickt,  während  Gurlitt  die  eigentlich  tiefere  Auffassung 
in  der  Spätgothik  findet,  die  einen  selbständigen  Weg  aus 
dem  Ueberkommenen  heraus  zu  originaler  Ausdrucksform 
suchte.  Es  hängt  das  wieder  mit  Gurliits  Tendenz  zu- 
sammen, nicht  in  der  Vollendung  selbst  die  höchste  Kunst- 
leistung zu  erkennen,  sondern  in  dem  Streben  auf  Voh- 

619 


Personal-Nachrichten. 

Preussen.  Dem  Beg.-Bmstr.  a.  D.  Ju!.  Busch  in  Neuss  ist 
der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  und  dem  Arch.  Sam.  Marx  in 
Essen  ist  der  Char.  als  Brth.  verliehen. 

Der  Wasser-Bauinsp.  Schultz  in  Tönning  ist  nach  Harburg  a.  E. 
und  der  Gew.-Insp.  Westmeyer  in  Siegen  nach  Düsseldorf  versetzt. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Alb  Zimmerraannin  Berlin  ist  die  nach- 
ges.  Entlass,  aus  dem  Dienste  der  allgem.  Bauverwaltg.  und  dem 
Reg.-Brastr.  Jobs.  Verbeek  in  Berlin  die  Entlass,  aus  dem  Staats- 
dienste ertheUt. 

Der  Reg.-Bfhr.  Thiesing  in  Hannöver  ist  gestorben. 

Brief-  und  Pragekasten. 

F r a g e b e antw  o rt  un  g aus  dem  Leserkreise. 

Zu  der  Anfrage  in  No.  90  gehen  uns  in  dankenswerther  Weise 
eine  Reihe  von  Antworten  zu,  denen  wir  das  Nachstehende  ent- 
nehmen: 

I.  Es  verengt  sich  der  Querschnitt  des  Schornsteines  nach  seiner 
Ausmündung  bedeutend,  dies  ist  unzulässig  und  wohl  die  Haupt- 
ursacbe,  dass  der  Schornstein  nicht  zieht.  Auch  die  Anordnung 
von  2 Rauchröhren  am  Anfänge  des  Schornsteines  ist  fehlerhaft. 
Der  Schornstein  hat  eine  Lichtweite;  am  Anfang  2 Rohre  mit 
(20 . 30).  2 = 1200  qcm, dann 30. 55  = 1650  qcro.weiter  30. 30  = 900  qcm, 
und  zuletzt  ein  Eisenrohr  mit  Kreisquerschnitt  von  15.15.3,14  = 
706  qcm,  es  ist  also  eine  Verengerung  des  Querschnittes  von  500  qcm 
vorhanden.  Durch  diese  fehlerhafte  Ausführung  werden  die  Rauch- 
gase stark  gepresst  und  dadurch  die  Reibung  an  den  Schornstein- 
wänden vergrössert.  Und  da  die  Rauchgase  nach  dem  Ausgange 
zu  immer  mehr  erkalten  und  dadurch  schwerer  werden,  so  können 
sie  nicht  weiter  steigen  und  abfliessen.  Soll  der  Schornstein  ziehen, 
so  entfernen  Sie  zuerst  das  überflüssige  aufgesetzte  Eisenrohr  und 
die  beiden  Züge  am  Anfänge  des  Schornsteines.  Sodann  bringen 
Sie  die  Lichtweite  des  Schornsteines  auf  den  oberen  Querschnitt 
von  30  zu  30  cm  in  seiner  ganzen  Höhe,  dann  wird  das  Feuer 
brennen.  — W.  Kfm.  in  W. 

IT.  Der  Schornstein  wird  sich  an  seinen  Wandungen,  zumal  er 
noch  in  ein  Eisenrohr  von  3,5  m Höhe  ausmündet,  zu  sehr  abkühlen. 
Ein  am  Ein-  und  Austritt  der  Rauchgase  eingeführtes  Thermometer 
wird  dies  bestätigen.  Abhilfe  kann  geschaffen  werden  durch  nach- 
trägliche Anbringung  von  schlechten  Wärmeleitern,'  hierzu  eignen 
sich  unsere  wetterfesten  Korksteine,  Marke  Reform.  Voraussetzung 
ist  selbstverständlich,  dass  die  Querschnitts  - Abmessungen  des 
Schornsteines  richtig  gewählt  sind.  — 

Grünzweig  & Hartmann,  G.m.b.H.  io  Ludwigshafen. 

III.  Es  ist  möglich;  i.  dass  die  Sauger  unwirksam  sind,  2.  dass 
viel  Nebenluft  vorhanden  ist,  dadurch,  dass  die  Sauger  nicht 
schliessen,  oder  dass  der  Anschluss  des  eisernen  Rohres  auf 
dem  Schornstein,  bezw.  den  Reinigungstbüren  und  Fugen  undicht 
sind;  3.  dass  Rauchwege  verstopft  sind,  4.  dass  das  Ver- 
hältniss  zwischen  Rostfläche  und  Querschnitt  des  Schornsteines 
ungünstig  ist.  Nur  recht  peinliche  örtliche  Untersuchung  durch 
einen  erfahrenen  Sachverständigen  kann  ergeben,  welche  von  diesen 
Annahmen  zutrifft.  Der  Schornstein  ist  vielleicht  noch  nicht 
trocken  und  es  befindet  sich  in  demselben  feuchte  schwere  Luft, 
die  den  Zug  hindert.  Der  Goudronanstrich  und  der  Zementputz 
auf  der  Aussenfläche  des  Schornsteines  lassen  nicht  zu,  dass  die 
im  Zementmörtel  des  Mauerwerkes  und  in  den  bei  der  Ausführung 
nach  den  Handwerksregeln  stark  angefeuchtelen  Ziegeln  vorhandene 
Nässe  nach  aussen  entweicht.  Mao  muss  darauf  gefasst  sein,  dass 
der  Schornstein  viel  mehr  Zeit  braucht  zum  trocknen,  als  wenn 
der  Goudronanstrich  und  der  Zementputz  fehlen  würden.  — Ferner: 
Die  nur  Va  Stein  starke  Schornsteinwange,  mehr  noch  das  aufge- 

endung:  das  Werk  des  inneren  Kampfes,  des  kühnen  Rin- 
gens stellt  er  über  das  Werk,  in  dem  das  Errungene  mühe- 
los verwerthet  ist.  Um  ein  Beispiel  herauszugreifen,  gehen 
wir  auf  Gurlitts  Darstellung  der  Kunstverhältnisse  Roms  im 
15.  und  16.  Jahrh,  ein.  Der  Kampf  stellt  sich  ihm  so  dar, 
dass  das  eigentlich  kirchliche  Element  in  Rom  dauernd 
kunstfeindlich  blieb.  Der  Papst  als  Haupt  der  Kirche  ist 
Gegner  der  kunstbegeisterten  Renaissance.  Aber  der  Papst 
als  Nachfolger  der  römischen  Imperatoren  sammelt  Kunst 
in  Rom,  wie  jene  es  gethan  hatten.  Rom  selbst  ist  aus 
innerster  Feindseligkeit  gegen  die  Kunst  unproduktiv  — 
ausser  Giulio  Romano  ward  kein  Künstler  von  Namen  in 
Rom  geboren  — die  Renaissance-Päpste  mussten  daher 
fremde  Künstler  heranziehen  und  zwingen  sie  zu  der  Rom 
eigenen  Grossförmigkeit  und  Gesetzmässigkeit.  Die  Kunst 
wird  zu  ihrem  Ruin  in  Rom  regelrichtig,  normal.  Nach 
Rom  verpflanzte  Kunst  ist  nicht  fortbildungsfähig,  Rom 
erweist  sich  stets  als  Ende  einer  Kunstentwicklung,  nie  als 
Anfang.  Als  zweites  Beispiel  heben  wir  Gurlitts  Darstellung 
der  französischen  Kunst  des  18.  Jahrh.  heraus.  Er  macht  sich 
vor allemfreivondemin  Deutschland  grassirenden  Unwesen, 
die  französische  Baukunst  nach  den  Ornamentstichen  be- 
urtheilen  zu  wollen.  Seine  Kenntnis  der  Bauten  Frank- 
reichs befähigt  ihn  dazu;  denn  jenes  ergiebt  natürlich 
ein  ganz  falsches  Bild.  Dagegen  stellt  er  fest,  dass  die 
Kunst  Ludwig  XIV.  fast  ganz  eine  Kunst  der  Niederländer, 
Burgunder  und  Lothringer  in  Paris  ist,  dass  nämlich  das 
Grenzgebiet  zwischen  Frankreich  und  Deutschland  in 
jener  Zeit  absolut  der  gebende  und  Frankreich  der  neh- 
mende Theil  ist.  In  der  Baukunst  stellt  sich  Gurlitt  auf 
den  Standpunkt,  dass  das  deutsche  und  italienische  Barock 
dem  französischen  unbedingt  überlegen  seien,  dass  wir 

620 


setzte  eiserne  Rohr,  veranlassen  baldige  Abkühlung  der  Luft  im 
Schornsteine.  Hat  sich  nun  in  demselben  eine  Luftschicht  abge- 
kühlt, _ so  hat  dieselbe  das  Bestreben  zu  sinken  und  hindert  das 
Aufsteigen  der  Verbrennunpgase.  Diese  Annahme  wird  gestützt 
durch  Erfahrungen  bei  Fabrikschornsteinen.  Häufig  versagte  deren 
Zug  am  Möntag,  wenn  die  zugehörige  Feuerung  am  Sonnabend 
gelöscht  war.  Sie  zogen  aber  tadellos,  nachdem  Vorkehrungen  ge- 
soffen waren,  durch  die  eine  Abkühlung  der  Luft  im  Schornsteine 
während  der  Pause  vermieden  wurde.  — — t 

IV.  Die  Ursache  der  mangelhaften  Funktion  eines  Kamines  ist 
ausschliesslich  auf  den  Grund  zurückzuführen,  dass  die  sichtbaren 
Umfassungen  des  angebauten  Kamines  nur  Vs  St.  stark  ausgeführt 
sind.  _ Erhärtet  wird  diese  Annahme  nicht  nur  durch  zahllose 
Beispiele  der  angewandten  Praxis  und  durch  einscbl.  Vorschriften 
verschiedener  Bauordnungen,  welche  in  solchen  Fällen  i St.  starke 
Karainumfassungen  vorschreiben,  sondern  hauptsächlich  durch  den 
Text  der  Anfrage,  welche  u.  .a,  auch  anfohrt,  dass  die  V2  St.  starke 
Kaminumfassung  aussen  mit  Goudron  gestrichen  ist. 

Der  Zug  eines  Kamines,  bezw.  die  Energie  der  aufstrebenden 
Rauchgase  kann  erst  dann  unbehindert  wirken,  wenn  die  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  wirkenden  Kräfte  paralysirt  sind,  oder 
vielmehr,  wenn  die  kalte  Luftsäule  im  Inneren  des  Kaminesund  die 
kalten  Umfassungen  desselben  auf  die  annähernde  Temperatur  der 
Rauchgase  gebracht  werden.  Der  unverletzte  äussere  Goudron- 
anstrich spricht  nur  zu  deutlich  dafür,  dass  die  Temperatur  der 
V2  St.  starken  Kaminumfassung  zufolge  rascher  Abkühlung  eine 
wesentlich  geringere  ist,  als  die  der  Rauchgase,  sonst  wäre  der 
Goudron  unter  dem  Zementverputze  hervorgetropft.  Die  Abkühlung 
der  freiliegenden  Vs  St.  starken  Kaminumfassuog  geht  so  rasch  und 
intensiv  vor  sich,  dass  die  Wärme  oder,  die  auftreibende  Energie 
der  Rauchgase  zum  grossen  Theile  zu  diesem  Ausgleiche  absorbirt 
und  im  Inneren  des  Kamines  reduzirt  wird,  wodurch  die  Gase  an 
Volumen  verlieren  und  an  Gewicht  zunehmen,  dessen  Wirkung  sich 
in  der  nach  abwärts  gerichteten  Bewegung,  bezw.  Einfall  der  Rauch- 
gase unangenehm  bemerkbar  macht. 

Der  Misstand  kann  entweder  dadurch  beseitigt  werden,  dass 
unmittelbar  über  dem  Kaminfusse  eine  entsprechende  starke  Gas- 
flamme eingebracht  wird,  welche  stets  vor  Beginn  des  Heizbetriebes 
anzuzünden  ist,  um  den  Auftrieb  der  Luftsäule 'zu  beschleunigen, 
oder  aber  durch  Ummanteln  der  äusseren  Kaminwäode  mit  7 — 10  cm 
starkem  Rabitzbewurf,  welcher  durch  eine  Luft-  und  Bimsschicht 
von  der  Kaminumfassung  zu  sondern  ist. 

Erstere  Ausführung  erfordert  geringeren  Kostenaufwand,  selbst 
bei  Anlagen  von  2 örtlich  getrennten  Gasflammen,  wirkt  aber 
nicht  in  jedem  Falle,  während  letztere  Ausführung-sicheren  Erfolg 
verbürgt.  — B.  Haas,  Architekt  in  München. 

V.  Die  Ursache  des  mangelhaften  Zuges  im  Schornstein  der 

Kirchenheizung  ist  wahrscheinlich  die  zu  starke  Abkühlung  in  dessen 
Inneren,  hervorgerufen  durch  die  nördliche  Lage  des  Schornsteins, 
die  schwache,  blos  ‘/s  Stein  starke  Wandung  und  die  möglicher- 
weise nur  in  Zwischenräumen  von  mehreren  Tagen  erfolgende 
Beheizung.  Ohne  genauere  Kenntniss  der  Oertlichkeit  kann  man 
schwer  einen  Rath  wegen  Abhilfe  des  Uebelstandes  geben.  Ist  etwa  die 
Anordnung  eines  Gaslockfeuers  in  gewisser  Höhe  über  dem  Heiz- 
raum möglich? — • . E.  Kays  er. 

Inhalt;  Schloss  Schwaneck  im  Isarthal  bei  München.  — Gurlitts  neue 
Kunstgeschichte.  — Unser  neuer  Baud  „Aufbau  der  Gebäude“  aus  „Bail- 
kuude  des  Architekten"  — Mittheilungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — 
PreisbewerbuDgen.  — Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Schloss  Schwaneck  bei  München. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H-,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von- WUh.  Greve,  Berlin. 

noch  heute  vom  Glanze  Ludwigs  XIV.  geblendet,  nicht 
erkennen,  wie  wenig  von  diesem  aus  romanischem  oder 
gar  keltischem  Volksthum  stammt  und  wie  es  vorzugs- 
weise germanischen  Ursprunges  ist. 

Ganz  andere  Wege  wandelt  Gurlitt  in  der  Besprechung 
des  19.  Jahrhunderts,  indem  er  vorzugsweise  England  eine 
leitende  Stellung  zuweist:  Die  romantischen  wie  die  klassi- 
zistischen Bestrebungen  Deutschlands  werden  von  dort 
angeregt  und  wirken  nach  ihrem  Erblühen  mächtig  auf 
England  zurück.  Namentlich  die  kirchliche  Romantik  ist 
eine  vorzugsweise  deutsche.  Dagegen  wird  die  Renais- 
sance-Bewegung in  erster  Linie  auf  französisch-romanische 
Anregungen  zurückgeführt.  Gurlitt  erblickt  in  der  Zeit 
Napoleons  III.  jene,  in  der  Frankreich  das  grösste  Ueber- 
gewicht  in  künstlerischer  Beziehung  auf  Europa  hatte,  und 
sieht  in  den  modernen  Bestrebungen  das  Zeugniss  des 
wieder  erwachenden  germanischen  Geistes,  der  sich  die 
Welt  erobern  will.  Die  Ueberwindung  der  Vergangenheit 
ist  ihm  das  Ziel  der  Gegenwart. 

Gurlitt  vermied  in  seinem  Buch  jede  Polemik.  Er 
stellt  die  Dinge  dar,  so  wie  er  sie  für  richtig  hält.  Er 
giebt  auch  sein  unverkennbar  sehr  reiches  Quellenmaterial 
nicht  an.  Erhielt  doch  trotz  dieser  Beschränkung  sein 
Buch  einen  Umfang  von  1400  Seiten  engen  Druckes.  Es 
wird  aber  über  die  einzelnen  Fragen  gewiss  noch  man- 
cherlei gesagt  und  geschrieben  werden,  was  für  und  wider 
die  Gurliti’schen  Anschauungen  spricht.  Mit  einfacher 
Berufung  auf  ältere  Autoritäten  wird  man  sie  nicht  be- 
kämpfen können.  Denn  unverkennbar  sagtGurlitt  in  seinem 
Buche  nur  das,  was  ihm  zur  Klarlegung  seiner  Ansichten 
unbedingt  nöthig  erschien;  sein  Material  erschöpfend  aus- 
zubreiten, verbot  ihm  der  Umfang  des  Stoffes.  — 

No.  96. 


CHLOSS  SCHWANECK  IM  ISARTHAL  * 
ERWEITERT  NACH  DEN  ENTWÜRFEN 
DES  HERRN  ARCHIT.  O.  DELISLE  IN 
MÜNCHEN  * ANSICHT  EINES  WOHN- 
ZIMMERS UND  DES  SPEISESAALES  * 
= DEUTSCHE  BAUZEITUNG 
- XXXVI.  JAHRGANG  1902  - N°-  96 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  97.  Berlin,  den  3.  Dezember  1902. 


Sohloss  Schwäneck  im  Isarthale  bei  München.  Ansicht  des  französischen  Hausgartens. 
Begonnen  durch  Ludwig  von  Schwanthaler;  Architekt  der  Erweiterungsbauten:  Osk.  Delisle  in  München. 


Die  neue  228  Millionen-Anleihe  der  Stadt  Berlin  zu  baulichen  Zwecken. 


21.  November  d.  J.  ist  vom  Magistrat  der  Stadt 
Berlin  der  Stadtverordneten-Versammlung  eine  Vor- 
* _ läge  zugep;angen,  welche  die  Aufnahme  einer  An- 
Icüte  von  228  Mill.  M.  zur  Erweiterung  der  städtischen  Be- 
triebsanlagen und  zu  sonstigen  baulichen  Zwecken  inner- 
halb der  nächsten  6 Jahre,  d.  h.  bis  Ende  März  1908  vor- 
schlägt. Am  27.  November  hat  die  Stadtverordneten-Ver- 
sammlung  nach  kurzer  Debatte  die  Vorlage  des  Magistrats 
genehmigt,  vorbehaltlich  einer  Prüfung  der  einzelnen  Aus- 
gaben bei  Vorlage  der  bezügl.  Baupläne,  soweit  nach 
dieser  Richtung  hin  nicht  schon  Beschlüsse  der  Versamm- 
lung vorliegen. 

Begründet  wird  die  Anleihe  mit  dem  ausserordent- 
lichen baulichen  Bedürfnisse  der  Stadt  innerhalb  des 
nächsten  kurzen  Zeitabschnittes,  dessen  Befriedigung  aus 
A.  Die  städtischen  Werke; 


t.  für  Neu-  und  Erweiterungsbauten  der  städti- 
schen Gaswerke 52609974,60  M. 

2.  iür  Fortsetzung  der  Erweiterungsbauten  der 

städtischen  Wasserwerke 12456752,38  „ 

3.  für  die  Fortführung  der  Kanalisation  . . . 30593765,89  „ 

4.  für  Erweiterung  des  Zentral-Viehmarktes  und 

des  Schlachthofes 3833J791O7  » 

5.  für  Fortsetzung  des  Baues  von  Markthallen  15073972,00  „ 

6.  Anlegung  des  Hafens  am  Urban 852383,20  „ 

7.  Rückzahlung  des  von  der  jetzigen  städtischen 

Sparkasse  hergegebeneo  Darlehns  zum  An- 
käufe von  5 834  000  M.  Noroinalwerth  Aktien 
der  Aktien-Gesellscbaft  , Berliner  elektrischer 
Strassenbahnen“ 9 743  3/2  75 

8.  Erhöhung  des  Betriebs-Fonds  für  die  Haupt- 
kasse der  städtischen  Werke 5000000,00  „ 

Summe~Ä  130  163  399,89  M. 

B.  Für  Käm m er eiz  w ec k e: 

9.  für  die  Erbauung  von  Brücken 6490029,67  „ 

«5.  für  die  Umgestaltung  des  Mühlendammes  und 

Kanalisirung  der  Unterspree 162515,92  „ 

11.  Strassenregulirungen  infolge  der  Stadtbahn- 

«nlage  88a  209, co  „ 

12.  Strassendurcfalegungen  und -Verbreiterungen  36301000,00  „ 

13.  Bau  einer  IV.  Irren-Anstalt 10640000,00  „ 


laufenden  Mitteln  nicht  mehr  möglich  ist,  umso  weniger, 
als  in  dieser  Zeit  ausserdem  noch  41,8  Mül.  M.  aus  laufen- 
den Einnahmen  für  bauliche  Zwecke  aufgewendet  wer- 
den müssen. 

Von  der  Anleihe  sollen  128  Mill.  M.  sofort  nach  der 
staatlichen  Genehmigung  begeben  werden,  der  Rest  von 
100  Mill.  M.  dagegen  voraussichtlich  erst  bis  Ende  1908. 
Die  Tilgung  des  ersten  Theiles  soll  mit  2%  und  mit  der 
durch  die  Tilgung  ersparten  Zinsensumme  vom  i.  April 
1908  ab  beeinnen,  die  des  zweiten  Theiles  unter  den 
gleichen  Bedingungen  vom  i.  Januar  1910  ab.  Die  ganze 
Anleihe  soll  mit  3’/a%  verzinst  werden. 

Aus  der  nachstehenden  Zusammenstellung  der  ein- 
zelnen, in  die  Anleihe  anfzunebmenden  Unternehmungen 
geht  hervor,  dass  deren  Gesammtbetrag  sich  auf  rd. 


14.  Bau  einer  Idioten-Austalt 6340000,00  M. 

15.  Bau  einer  neuen  Siecben-Anstalt  ....  6000000,00  „ 

16.  Bau  eines  neuen  Krankenhauses  ....  to  000  000,00  „ 

17.  Verlegung  von  drei  höheren  Lehranstalten, 
des  Friedrich  Werderschen  Gymnasiums,  des 

Friedrichs-  und  Andreas-Realgymnasiums  , 3700000,00  „ 

18.  Neubau  einerTechnischen  Mittelschule  (höhere 

Maschinenbauschule) 750  000,00  „ 

19.  Herstellung  des  Nordparkes  von  Berlin  . . 2500000,00  „ 

20.  für  den  Bau  d.  Rudolf  VircboW'Krankenhauses  8556200,00  , 

21.  für  den  Neubau  der  III.  Irren-Anstalt  zu  Buch  7225000,00  „ 

22.  für  den  Neubau  des  Märkischen  Provinzial- 

Museums 741 500,00  „ 

23.  für  den  Neubau  des  Verwaltungsgebäudes  in 

der  Jüdenstrasse  5945000,00  , 

24.  für  den  Bau  von  zwei  höheren  Mädchenschulen 

im  Norden  und  Südwesten  der  Stadt  . . . 2000000,00  „ 

25.  für  den  Bau  eines  neuen  Kinderkrankenhauses 
in  Treptow  oder  in  der  Nähe  des  Plänterwaldes 

auf  städtischem  Terrain 1600000,00  » 


Summe  B 110033454,59  M. 
hierzu  Summe  A 130163399,89  , 
imganzen  240  19685448  M. 
abzüglich  der  aus  der  Anleihe  von  iSgÖ  noch 

zur  Deckung  kommenden 11606062,25  , 

bleiben  228  590  792,23  M. 


621 


240,2  Mill.  M.  stellt,  dass  jedoch  rd.  ii,6  Mill.  M.  davon 
schon  gedeckt  sind  durch  einen  Restbetrag  der  Anleihen 
von  1892  in  Höhe  von  70  Mül.  M.  und  derjenigen  von 
1898  in  Höhe  von  60  Mill.  M,,  sodass  also  228  Mill.  M. 
neu  aufzunehmen  sind. 

Von  der  Gesammtausgabe  in  Höhe  von  240,2  Mill.  M. 
entfällt  der  grösste  Antheil  von  130,2  Mill.  M.  auf  die 
städtischen  Werke,  d.  h.  die  Betriebsanlagen  der  Stadt, 
die  derselben  auch  wiederum  Einnahmen  zuführen. 

Von  dieser  Summe  entfallen  auf  Verkehrsanlagen 
nur  rd.  9,74  Mill.  M.,  die  zur  Rückzahlung  eines  Darlehens 
dienen  sollen,  mit  Hilfe  dessen  seiner  Zeit  die  Aktien  der 
„A.  G.  Berliner  elektrischen  Strassenbahnen“  (die 
von  Siemens  & Halske  erbauten  Linien  „Behrenstrasse- 
Treptow"  und  „Mittelstrasse-Pankow“)  von  der  Stadt  an- 
gekauft wurden,  um  so  den  ersten  Schritt  zur  Erwerbung 
und  Anlage  eines  eigenen  Strassenbahnnetzes  zu  machen. 
Die  weiteren  Pläne  der  Stadt  nach  dieser  Richtung,  von 
denen  ein  Theil  in  nicht  zu  ferner  Zeit  zur  Ausführung 
kommen  dürfte,  sind  in  die  Anleihe  nicht  aufg'enommen. 
Insbesondere  haben  die  ja  noch  nicht  spruchreifen  Pläne 
der  Ausführung  städtischer  Untergrundbahnen  hiermit 
nichts  zu  thun. 

Von  den  städtischen  Werken  beanspruchen  die  Neu- 
und  Erweiterungsbauten  der  städtischen  Gas-Werke  den 
Löwenantheil  mit  rd.  52,6  Mill.  M.  Die  Gesammtsumme, 
welche  bis  Ende  März  1908  für  diese  Zwecke  zu  verausgaben 
ist,  stellt  sich  sogar  auf  67,3  Mill.  M.,  doch  ist  ein  Theil 
anderweitig  gedeckt.  Hierunter  erscheint  der  Neubau  eines 
Gaswerkes  von  zunächst  260000  cbm  Leistungsfähigkeit  auf 
dem  in  Tegel  und  Dalldorf  gelegenen  Gelände  (erstes 
Drittel)  mit  24  Mill.  M.,  desgl.  eine  Gasanstalt  von  208000  cbm 
Leistungsfähigkeit  im  Gutsbezirk  Köpenicker  Forst  an  der 
Oberspree  mit  18,7  Mill.  M.,  Erweiterung  des  Röhrensystems 
usw.  mit  10,7,  Mill.  M.  Die  Deputation  der  städtischen  Gas- 
werke giebt  dazu  die  Erläuterung,  dass  sich  der  grösste 
Tagesverbrauch  von  Gas  schätzungsweise  wie  folgt  stellen 

wifd^  1902  ...  . iir’'  . 880000  cbm^ 

1 1904  . . , . 1070000  „ 

I - 1907  . . - . . . 1348000  „ 

I Die  vorhandenen  5 Gasanstalten  leisten  z.  Zt.  zusammen 
880000  cbm..  Von  dem  also  fehlenden  Theile  übernimmt  das 
zunächst  zu  erbauende,  erste  Drittel  der  Tegeler  Anstalt 
aöpooocbtn.^  der  Rest  entfällt  dann  auf  die  später  zu  er- 
richtende Anstalt  an  der  Oberspree.  Trotzdem  es  natürlich 
billigep-sein-würde-,  die  T-egeler  Anstalt  weiter  auszubauen, 
erscheint  die  Ausführung  einer  ganz  neuen  Anlage  im 
Süden  mit  -Rücksicht  auf  den  starken  Antheil  der  süd- 
lichen Stadttheile  an  dem  Mehrverbrauch  an  Gas  und  mit 
Rücksicht  auf  die  Druckverhältnisse  im  Leitungsnetz  als 
zweckmässiger. 

‘‘  Den  Gaswerken  folgt  nach  der  Höhe  der  geforderten 
Beträge  Mie  städt.  Kanalisation  mit  30,5  Mill.  M.  Hierin 
liegen  8,3  Mill.  M.  für  die  bis  Ende  1902  noch  auszuführen- 
den Arbeiten.  Mit  dieser  letztgenannten  Summe  würden 
für  die  Zwecke  der  Kanalisation  an  Baukosten  für  die 
Radialsysteme  I— XII  einschl.  Pumpstationen  und  Druck- 
rohren  rd.  70,9  Mill.  M,  an  reinen  Baukosten,  rd.  27,2  Mill.  M. 
füt  den  Ankauf  des  Geländes  für  die  Anlage  von  Riesel- 
feldern, rd.  r8,6  Mill.  M.  für  die  Aptirungs-  und  Drainirungs- 
kösten  der  Rieselfelder,  rd.  2,9  Mill.  M.  für  die  Errichtung 
von  Baulichkeiten  auf  den  Rieselgütern  und  12,3  Mil!.  M. 
für  Zinsen  und  -Kursverluste  der  Anleihen,  insgesammt 
also  rd;  132  Mill.  M.  verausgabt  sein. 

An  den  neu  zu  bewilligenden  Mitteln  nimmt  nament- 
lich das  Radialsystem  XI  besonderen  Antheil.  Ausserdem 
handelt  es  .sich  , um  Neuerwerbung  von  Land  für  Riesel- 
zwecke im 'Umfange  von  1000  ba^  sowie  um  Aptirung  zur 
Berieselung- von  weiteren  3150  ba. 

Die  städtischen  Wasserwerkefordern  12,5  Mill.  M., 
davon  9,6  Mül.  M.  für  die  Zeit  nach  Abschluss  des  Etats- 
jahres I9ö2f.  Seit,  1890  sin.d  44  Mill.  M.  für  die  Neuanlagen 
der  Wasserwerke  in  Tegel  und  am  Müggelsee  einschl.  der 
Vertheüurigsstation  in  Licitenberg,  des  Ausbaues  des  Wer- 
kes in  der,  Belforterstrasse  und  der  Druckrohr-Verbindun- 
gen  ausgegeben.  An  den  Neuausgaben  nimmt  namentlich 
das  Wasserwerk  am  Müggelsee  mit  6,75  Mül.  M-.  (Anschlag 
7 Mill.  M.)  theil, . dessen  letztes  Viertel  mit  Rücksicht  auf 
die.zuuehraende  Verunreinigung  der  Oberspree  laut  Be- 
schlÜss’  vöiti  7.  Sept.  1900  mit 'Gruhdwasser-Versorgung 
.eingerichtet- werden,,  und  nicht  wie  die  bisherige  Anlage 
ihr  Wasser  aus  dem.  offenen  See  entnehmen  soll.  Aus 
den  gleichen  Gründen  ist  das  Tegeler  Wasserwerk  in  ein 
Brutinen-Wasserwerk  nmzuwandeln , für  welchen  Zweck 
1,5.  Miil.,M.  -(  Anschlag  1,75  Mill.  M.)  gefordert  werden. 

Die  Markt.halien-Verwaltung  fordert  zur  Fort- 
setzung des  Baues  von  Markthallen  15,1  Mül.  M.  Es  handelt 
sich  dabei  um  die  voUständige  Verlegung  des  gesammten 
Grossmarktes. nach  einem  Gelände  in  der  Nähe  des  Zentral- 


Schlachthofes,  zwischen  der  Landsberger  Allee  und  dem 
Verlorenen  Weg,  da  die  Räumlichkeiten  der  jetzigen  Zentral- 
Markthalle  am  Alexanderplatz  in  keiner  Weise  mehr  aus- 
reichen, dabei  kaum  erweiterungsfähig  sind,  da  ferner  der 
öffentliche  Verkehr  in  jener  Gegend  durch  den  Markthallen- 
Betrieb  hierfür  erheblich  geschädigt  wird  und  da  schliesslich 
selbst  kostspielige  Erweiterungen  der  Gleisanlagen  und  Zu- 
führungsgleise  der  Markthalle  auf  die  Dauer  dem  Verkehrs- 
Bedürfnisse  nicht  entsprechen  können.  Die  Kosten  ver- 
theüen  sich  wie  folgt : Grunderwerb  rd.  105  460  ä“  (gleich 
3,1  Mill.  M-),  zunächst  zu  errichtende  Hallenanlagen  einschl. 
Unterkellerung,  Kühlräumen,  Strassenanlagen  9,6  Mill.  M., 
Eisenbahnanschlüssen,  Ladebühnen,  Fahrstühle  i Mül.  M., 
Verzinsung  usw.  1,35  MiU.  M. 

Diese  Anlage  schliesst  sich  unmittelbar  an  die  Er- 
weiterung des  Zentral  - Viehmarktes  und  des 
Schlachthofes  an,  für  welche  3,8  MiU.  M.  neu  gefordert 
werden, nachdem  bereits  seit  1890  verausgabt  sind 8,2  Mill.  M. 

In  den  dazu  zu  bewilligenden  Mitteln  spielt  der  Grund- 
erwerb für  die  Erweiterung  des  Viehmarktes  mit  2,2  Mül.  M. 
die  Hauptrolle.  Für  bauliche  Zwecke  sind  1,9  Mül.  M. 
auszugeben  (2.  Th.  schon  gedeckt). 

Handelt  es  sich  bei  den  vorstehenden  Angaben  um 
Zwecke,  die  z.  Th.  eine  sehr  erhebliche  Einnahmequelle 
für  die  Stadtgemeinde  bilden,  so  wird  die  Stadt  durch  die 
Ausgaben  für  „Kämmereizwecke“  lediglich  belastet. 
Hierzu  gehören  die  Strassenanlagen  und  Brückenbauten, 
die  Schulbauten,  Krankenhäuser  und  Verwaltungsgebäude. 
Hierfür  sollen  insgesammt  in  der  genannten  Zeit  rd. 
110  Mül.  M.  verausgabt  werden,  wovon  auf  Strassendurch- 
legungen  und  Verbindungen  aüein  36,3  Mill.  M.  entfallen. 
Es  werden  jedoch  auf  diese  Ausgabe  später  aus  dem  Ver- 
kauf der  Strassenparzellen  rd.  22  Mül.  M.  als  Einnahme 
zurückerwartet.  An  erster.  Stelle  unter  diesen  Unterneh- 
mungen steht  die  Verlängerung  der  Kaiser  Wühelmstrasse 
von  der  Hirtenstrasse  bis  Schönhauser-  undPrenzlauer- Allee, 
also  die  Umgestaltung  des  sogen  Scheunenviertels,  über  wel- 
che wir  früher  schon  wiederholt  an  anderer  Stelle  berichtet 
haben,  mit  einem  Aufwand  von  13,3  Mül.  M.  Einem  dringen- 
den Verkehrsbedürfnisse  entspricht  die  Verbreiterung  der 
Landsbergerstrasse  zwischen  Alexander-  und  Kleine  Frank- 
furterstrasse; Kostenaufwand  9,9  Mül.  M.  Von  Wichtig- 
keit für  den  Südosten  der  Stadt  ist  ferner  die  Durchfüh- 
rung der  Manteuffelstrasse  bis  zur  Spree,  sodass  dieser 
Strassenzug  durch  eine  Spreebrücke  an  die  Fruchtstrasse 
angeschlossen  werden  kann.  Es  entsteht  so  eine  günstige 
Verbindung  mit  dem  Güterbahnhof  des  Schlesischen 
Bahnhofes;  Kosten  4,3  Mül.  M.  Auch  für  die  seit  lange 
schwebende  Regulirung  der  Ufer  der  Spree  oberhalb 
des  Mühlendammes  unter  Beseitigung  des  alten  Insel- 
speichers am  linken  Ufer  und  Herstellung  einer  Ufer- 
strasse am  rechten  Ufer  bis  zur  Waisenbrücke  sind  Mittel 
in  einer  Gesammthöhe  von  rd.  6,2  Mill.  M.  eingesetzt. 
Bemerkt  sei,  dass  die  Durchführung  der  Kaiser  Wühelm- 
strasse von  der  Stadt  selbst  nur  dann  in  die  Hand-  ge- 
nommen werden  soU,  wenn  sich  kein  geeigneter  Unter- 
nehmer dafür  finden  sollte. 

Für  Brückenbauten  sind  seit  1890  aus  Anleihen  ge- 
deckt bezw.  verausgabt  rd,  11,4  Mill.  M.  Neu  gefordert 
werden  6,5  Mill.  M.  An  neuen  Spreebrücken  sind  in  Aus- 
sicht genommen  die  schon  erwähnte  Brücke  im  Zuge  der 
zu  verlängernden  Manteuffelstrasse  und  die  Brücke  an  den 
neuen  Museen  vom  Kupfergraben  nach  der  Oranienburger- 
strasse.  Im  Umbau  begriffen  ist  bereits  die  Lessingbrücke 
und  zum  Umbau  vorgesehen  wird  die  hölzerne  Gotzkowski- 
brücke.  Baulich  verdient  die  bereits  in  Angriff  genom- 
mene Brücke  an  den  Museen  insofern  besonderes  Interesse, 
als  der  eine  Landpfeiler  wegen  des  sehr  tiefliegenden 
schlechtenBaugrundes  mit  Luftdruck  zu  gründen  ist.  Ausser- 
ordentlich schlechter  Baugrund  findet  sich  ferner  am 
Schleusenkanal  an  der  sogenannten  Eisernen  Brücke, 
deren  Umbau  in  Betoneisen-Konstruktion  geplant ! ist, 
um  eine  geringere  Belastung  des  Baugrundes  zu  erzielen. 

Für  die  Herstellung  eines  Stadtparkes  sind  zunächst 
2,5  Mül.  M.  für  den  Grunderwerb  von  etwa  40'^^^  Fläche 
ausgeworfen. 

Für  Schulbauten  sollen  aus  der  Anleihe  6,45  Mill.  M. 
entnommen  werden.  Es  handelt  sich  dabei  um  die  Ver- 
legung von  3 höheren  Lehranstalten,  nämlich  des  Friedfich- 
Werderschen  Gymnasiums,  des  Friedrichs-  und  Andreas- 
Realgymnasiums,  um  den  Bau  von  2 höheren  Töchter- 
schulen im  Norden  und  Südwesten  der  Stadt  und  um  die 
'Anlage  einer  technischen  Mittelschule  (höhere  Maschinen- 
bauschule). Letztere  Anstalt  wird  von  der  Industrie  drin- 
gend gefordert 'und  namentlich  ist  der  Verein  deutscher 
Ingenieure  für  die  Schaffung  einer  solchen  auf  das  Wärihste 
eingetreten.  Die  Stadt  erwartet  Beiträge  aus  den  Inter- 
essenten-Kreisen  sowohl  hinsichtlich  der  . er;sten  Anlage 
wie.  der  Erhaltung  der  Schule.  . 


622 


No.  97. 


Einen  erheblichen  Betrag  erfordert  das  zweite 
Rathhaus  der  Stadt  in  der  Jüdenstrasse.  Die  Baukosten 
dieses  bereits  in  Angriff  genommenen  Baues,  der,  trotz- 
dem er  vorwiegend  reinen  Verwaltungszwecken  dient, 
doch  auch  eine  monumentale  Ausgestaltung  erfahren  soll, 
sind  auf  6945000  M.  veranschlagt.  Davon  soll  i Mill.  M. 
aus  laufenden  Einnahmen,  der  Rest  aus  der  Anleihe  be- 
stritten werden.  Auch  das  Märkische  Provinzial- 
Museum,  für  dessen  Ausführung  der  Betrag  von 
I 591  500  M.  ausgeworfen  ist,  muss  z.  Th.  aus  der  Anleihe 
bezahlt  werden.  Es  sind  hierfür  741  500  M.  angesetzt. 

Ganz  aussergewöhnliche  Summen  werden  für  die 
Kranken-  und  Siechenpflege  gefordert  mit  einem 
Gesamratbetrage  von  50,5  Mill.  M.  Hier  nimmt  das  in  etwa 
3 Jahren  zu  eröffnende  Rudolf  Virchow- Kranken- 
haus im  Norden  der  Stadt,  dessen  Baukosten  auf  15,5 
Mill.  M.  veranschlagt  werden,  mit  rd.  8,6  Mill.  M.  theil. 
Durch  dieses  Krankenhaus  werden  1650  neue  Betten  ge- 
währt. Vielleicht  tritt  aber  bis  dahin  andererseits  auch 
ein  Verlust  von  500  Betten  ein,  da  es  fraglich  erscheint, 
ob  die  bisherigen  Provisorien  in  der  Gitschinerstrasse  mit 
150  Betten  und  im  ehemaligen  Erziehungshause  am  Urban 
mit  120  Betten  bestehen  bleiben  können,  während  der 
Ersatz  der  Baracken  in  Moabit  durch  massive  Gebäude, 
wobei  loo  Betten  verloren  würden,  in  einigen  Jahren 
nothwendig  erscheint. 

Es  ist  ausserdem  festgestellt,  dass  bei  einer  Zunahme 
der  Bevölkerung  in  den  letzten  10  Jahren  um  10%  die 
Aufnahme  in  den  Krankenhäusern  im  gleichen  Zeitraum 
um  81,6%,  die  durchschnittliche  tägliche  Krankenziffer 
um  2i,8^^/o  gestiegen  ist.  Hiernach  muss  trotz  der  Eröff- 
nung des  Virchow-Krankenhauses  daran  gedacht  werden, 
weitere  Betten  rechtzeitig  zur  Verfügung  zu  stellen.  Es 
wird  deshalb  ein  Betrag  von  10  Mill.  M.  zum  Bau  eines 
neuen  Krankenhauses  gefordert,  wobei  die  Frage  noch 
offen  gelassen  ist,  ob  dieses  neue  Krankenhaus  im  Süden 
oder  Südwesten  der  Stadt  zu  errichten  ist,  oder  ob 
etwa  durch  den  Bau  von  Krankenhäusern  für  chronische 


Kranke  die  bestehenden  Krankenhäuser  zu  entlasten  wären. 
Ausser  diesem  Krankenhause  sollen  300  Betten  in  einem 
neuen  Kinder  - Krankenhause  in  Treptow  in  der 
Nähe  des  Piänterwaldes  auf  städtischem  Gelände  bereit 
gestellt  werden,  zu  welchem  Zwecke  1,6  Mill.  M.  er- 
forderlich sind.  Dabei  ist  zu  erwähnen,  dass  in  dem  in 
Stadt.  Verwaltung  übergegangenen  Kaiser  Friedrich-Kinder- 
Krankenhaus  zurzeit  eine  Erweiterung  ausgeführt  wird, 
dass  das  Virchow-Krankenhaus  eine  entsprechende  Er- 
weiterung erfährt  und  dass  ausserdem  ein  Genesungsheim 
für  Kinder  auf  einem  Rieselgut  geplant  ist.  Es  soll  also 
mit  einem  Male  auf  diesem  Gebiete  energisch  vorgegangen 
werden. 

Auch  derirrenpf  lege  solldie  Anleihe  zugute  kommen. 
7 225  000  M.  sollen  für  die  Fertigstellung  der  IIl.  Irren- 
anstalt in  Buch  (Anschlag  10,525  Mill.  M.)  daraus  bestritten, 
10,84  Mill.  M.  für  den  Bau  einer  neuen  IV.  Anstalt  für 
1500  Köpfe,  6,34  Mill.  M.  für  die  Herstellung  einer  Idioten- 
anstalt für  600  Köpfe  (erweiterungsfähig  auf  800  Köpfe) 
daraus  entnommen  werden. 

Schliesslich  ist  der  Neubau  einer  Siechenanstalt  für 
1500  Köpfe  erforderlich,  für  welchen  6 Mill,  M.  bereit  ge- 
stellt werden.  Es  ist  dabei  in  Aussicht  genommen,  die 
neue  Anstalt  nicht  als  eine  Erweiterung  der  schon  be- 
stehenden in  der  Fröbelstrasse  auszuführen,  sondern  nach 
ausserhalb,  nach  dem  Rittergute  Buch  zu  verlegen,  um 
so  einerseits  den  Pfleglingen  günstigere  Lebensbedingun- 
gen zu  gewähren,  andererseits  aber  auch  die  Anlage  über- 
mässig ausgedehnter,  der  Entwicklung  des  betreffenden 
Stadttheiles  hinderlicher  öffentlicher  Anlagen  innerhalb 
des  Weichbildes  zu  vermeiden.  — 

Mag  auch  von  diesem  gross  angelegten  Programm 
durch  die  Aufsichtsbehörde  und  durch  die  Stadtverordneten- 
versammlung Manches  noch  gestrichen  werden,  so  wird 
doch  genug  bleiben,  um  den  städtischen  Bauverwaltungen 
neben  ihren  stetig  fortlaufenden  Arbeiten  eine  ganze 
Reihe  bedeutender,  interessanter  Aufgaben  für  das  nächste 
Jahrzehnt  zu  stellen.  — 


Mittheilungen  aus  Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  24.  Okt. 
igo2.  Vors.  Hr.  ßaudir.  Zimmermann,  anwes.  53  Pers., 
aufgen.  a.  Mitgl.  Hr.  Ing.  Halfdan  Pedersen. 

H'r.  Kaidir.  Winter -Hamburg  hält  einen  Vortrag  über 
•den  diesjährigen  internationalen  Schiffahrts-Kon- 
gress in  Düsseldorf*)  und  leitet  denselben  mit  dem  Hin- 
weise ein,  dass  dieser  zweite  Kongress  in  Deutschland 
mindestens  ein  ebenso  gutes  Andenken  hinterlassen  wird, 
als  der  erste  im  Jahre  1889  zu  Frankfurt  a.  M.  abgehaltene. 

In  kurzer  Zusammenfassung  sind  folgende  Beschlüsse 
bemerk  enswerth ; 

1.  Für  die  Ueberwindung  grosser  Höhen  gilt 
bei  Kanälen  noch  jetzt  die  Schleusentreppe  als  das  beste 
Mittel,  falls  nicht  etwa  Wassermangel  in  der  Scheitelstrecke 
herrscht.  In  diesem  Falle,  sowie  bei  sonst  günstigen 
örtlichen  Verhältnissen  tritt  das  Hebewerk  erfolgreich  mit 
ihr  in  Wettbewerb,  ebenso  unt.  Umst.  die  geneigte  Ebene. 
Ob  bei  letzterer  die  Fortbewegung  des  Schiffstroges  in 
Längs-  oder  in  Quer-Richtung  vorzuziehen  sei,  ist  noch 
unentschieden. 

2.  Bei  der  Frage  über  Abgaben  auf  Binnen- 
Schiffahrtsstrassen  kam  man  zu  besserer  Einigung 
und  hielt  massige  Abgaben  zur  Deckung  der  Betriebs- 
kosten ziemlich  allgemein  für  gerechtfertigt,  verwarf  da- 
gegen solche,  die  auf  gleichzeitige  Amortisation  des  An- 
lage-Kapitales gerichtet  waren. 

3.  Bei  den  Verhandlungen  über  Werthverminde- 
rung der'Kohlen  und  Kokes  im  Umschlagver- 
kehre, welche  sich  nach  den  ausserordentlich  hohen, 
von.  den  Berichterstattern  festgestellten  Verlustzahlen  als 
sehr  wichtig  erwiesen,  zeigten  sich  die  bisher  verwende- 
ten Lösch-  und  Ladeeinrichtungen  zum  Schutze  der  Kohle 
als  ungenügend;  Man  kam  überein,  die  Maschinen-Fabriken 
zu  einem  Versuche  besserer  Lösungen  aufzufordern. 

4.  Die  Abtheilung  „Seeschiffahrt"  beschäftigte  sich 
zunächst  mit  Schleusenthoren,  bei  denen  in  jüngster 
Zeit  eine  Reaktion  zugunsten  der  Holzthore  bemerkbar 
war.  Der  Grund  liegt  in  theilweise  guten  Erfahrungen 
mit  Greenheart.  Der  Kongress  sprach  sich  indessen  bei 
Holzthoren  für  Innehaltung  einer  oberen  Grenze  von 
12— 13t“  Lichtweite  aus  und  verwarf  auch  den  Vorschlag 
auf  Verbundthore,  die  unter  Niedrig-Wasser  aus  Holz  und 
darüber  aus  Eisen  ausgeführt  werden  soUten.  Bei  Be- 
sprechung der  Thorweiten  erregte  die  Mittheilung,  Auf- 
sehen,, dass  bei  Erweiterungsbauten  in  Bremerhaven  35  m 
Li'chtweite  vorgesehen  werden  sollen  und.  zwar  aufgrund 

*-);Vers-l.  auch  Seiten  343,  358  und  363. 

3.  Dezember  1902. 


von  Untersuchungen,  die  von  der  schiffbautechnischen 
Versuchsstation  des  Norddeutschen  Lloyd  daselbst  über 
die  muthmaassliche  Entwicklung  des  Schiffskörpers  bei 
modernen  Riesendampfern  angestellt  worden  sind. 

5.  Bei  der  Frage  der  See-Schleppschiffahrt  und 
deren  Aufschwung  wurde  die  Wichtigkeit  dieses  Verkehrs- 
mittels anerkannt;  die  Bestrebungen,  es  durch  Sondex- 
tarife  zu  hemmen,  wurden  zurückgewieseri.  Auch  ist  zu- 
gestanden worden,  dass  zugunsten  der  Seeschlepper  die 
in  Seeschiffahrtsstrassen  mündenden  Kanäle  zweckmässig 
3 “ Tiefe  erhielten. 

6,  Bei  Besprechung  der  Docks  entschied  sich  der 
Kongress  dafür,  dass  überall,  wo  sie  als  Zubehör  zu  einem 
Hafen  ausgeführt  werden  sollten,  das  Trockendock 
den  Vorzug  verdiene,  während  die  Privatindustrie.,  insbeson- 
dere auch  die  Schiffswerften  vortheilhafter  Schwimm- 
docks bauen  würden.  Ob  letztere  aus  Eisen  allein  oder 
aus  eisernen  Gerüsten  mit  Holzhaut  auszuführen  seien, 
blieb  unentschieden.  — 

Besonders  glänzend  und  reichhaltig  waren  die  Fest- 
veranstaltungen und  Ausflüge  des  Kongresses, . unter  letz- 
teren die  nach  den  Flusshafen-Anlagen  mit  den  für  sie 
geplanten  Erweiterungen,  die  den  Verkehrs-Aufschwung 
am  Rhein  schlagend  erläutern.  Köln  hat  bis  jetzt,  über 
rd.  20  Mill.  M.,  Düsseldorf  14^/2  ^tll.  M.,  Duisburg  12  Mill.  M. 
und  Ruhrort  13  Mill.  M.  für  Häfen  ausgegeben.  Die  letz- 
teren beiden  Städte  haben  schon  Erweiterungs-Entwürfe 
festgestellt,  deren  Ausführung  noch  20  und  13  Mül.  M. 
Kosten  verursachen  werden.  Mit  einigen  zeichnerischen 
Darstellungen  weist  der  Vortragende  nach,  dass  der  Ge- 
sammtverkehr  der  vorgenannten  vier  Rheinhäfen  sich  mit 
dem  Gesammt-See verkehr  Hamburgs  deckt,  während  der 
Ober-Elbverkehr  Hamburgs  noch  um  etwas  durch  den 
Verkehr  Ruhrorts  übertroffen  wird. 

Hervorzuheben  ist  noch  der  Ausflug  nach  dem  Dort- 
mund-Ems-Kanal  mit  Besichtigung  des  Hebewerkes,  bei 
Henrichenburg  und  des  Hafens  von  Dortmund,  sowie  der 
nach  den  3 Hansestädten  und  dem  Kaiser  Wilhelms-Kanal, 
welch  letztere  die  Besichtigung  der  Hafenanlagen  in  Bremen 
und  Bremerhaven  brachten,  sowie  eine  schöne  Fahrt  mit 
dem  Lloyd-Dampfer  „Rhein“  durch  die  Nordsee  bis  Bruns- 
büttel. Von  Rendsburg  bis  Holtenau  wurde  der  Kanal 
befahren  und  in  Kiel  eine  Besichtigung  der  grossen  Werf- 
ten vorgenommen.  Schliesslich  endete  der  Ausflug  in 
Hamburg  mit  einer  Dampferfahrt  durch  den  Hafen  und 
nach  Blankenese,  sowie  mit  einem  Schlussfest  auf  dem 
Schnelldampfer  „Blücher“  der  Hamburg-Amerika-Linie. 

Reicher  Dank,  der  Versammlung  belohnte  den  ausser- 
ordentlich fesselnden  Vortta-g-  — • ' ' Gbl 

623 


Vermischtes. 

Die  festliche  Weihe  des  Motivhauses  ia  Charlottenburg 
hat  am  30.  Nov.  d.  J.  in  Anwesenheit  einer  zahlreichen 
und  illustren  Versammlung,  in  welcher  sich  auch  die 
beiden  preussischen  Staatsminister , der  Kultusminister 
Dr.  Studt  und  der  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten 
Budde,  befanden,  stattgefunden.  In  einer  trefflichen  und 
würdigen  Ansprache  gab  der  Vorsitzende  der  Aktien- 
Gesellschaft  „Motiv",  Hr.  Geh.  Brth.  F.  Nitschmann, 
eine  historische  Darstellung  der  Entwicklung  des  Motiv- 
Gedankens  zur  Erlangung  eines  eigenen  Heims  von  seinem 
ersten  Auftauchen  bis  zur  nunmehrigen  Vollendung  des 
Hauses,  wobei  er  namentlich  auch  der  thatkräftigen  Mit- 
wirkung des  kürzlich  verstorbenen  Mitgliedes,  des  „Real- 
politikers“ Wilh.  Böckmänn,  dessen  entscheidendem  Ein- 
greifen die  Verwirklichung  des  Gedankens  in  erster  Linie  zu- 
zuschreiben  ist,  inwarmerAnerkennunggedachte.  Auf  dessen 
hervorragende  Verdienste  um  das  Motivhaus  kamen  noch 
mehrere  Redner  des  Weiheaktes  zurück.  Mit  nicht  min- 
der warmer  Anerkennung  gedachte  der  Redner  auch  des 
Verdienstes  der  Erbauer  des  Hauses,  der  Hrn.  Arch. 
Reimer  & Körte  in  Berlin,  welche  ein  schwieriges  Werk 
unter  nicht  gewöhnlichen  Verhältnissen  mit  gutem  Gelin- 
gen zu  rühmlichem  Ende  führten.  Die  Ansprache  Sr.  Exc. 
des  Hrn.  Kultusministers  Dr.  Studt  wandte  sich  haupt- 
sächlich an  die  im  neuen  Hause  verkehrende  akademische 
Jugend  und  verglich  sie  in  anerkennender  Weise  mit  der 
akademischen  Jugend  des  Auslandes.  Es  folgten  An- 
sprachen Sr.  Magnificenz  des  Hrn.  Rektors  der  Tech- 
nischen Hochschule  in  Berlin,  Prof.  Kämmerer,  des  Hrn. 
Oberbürgermeisters  von  Charlottenburg  Schustehrus, 
von  Vertretern  des  Ausschusses  der  Studierenden  an  der 
technischen  Hochschule,  der  beiden  befreundeten  akade- 
misehenVereine  „Hütte“  und  „Berg-  und  Hüttenmännischen 
Verein“,  des  Hrn.  Geh.  Admiralitätsrathes  Vogeler,  des 
Vorsitzenden  des  Architektenvereins  zu  Berlin,  Brth.  Beer, 
des  Präsidenten  der  Eisenbahn-Direktion  Altona  Jung- 
nickel, des  Vertreters  des  „Vereins  deutscher  Ingenieure“ 
von  Borries,  des  Hrn.  Ob. -Brth.  zur  Nieden  und 
zuletzt  in  geschickter  Form  die  dankende  Erwiderung 
des  Liedervaters  für  alle  dem  Motiv  an  diesem  Weihetage 
des  Hauses  gewidmeten  Wünsche  und  Gaben,  unter  wel- 
chen letzteren  sich  als  die  hervorragendste  die  Marmorbüste 
des  Begründers  des  Motives,  Wilhelm  Stier’s  befindet.  — 
Belnhauer’sches  Verfahren  zur  Herstellung  von  Muffen- 
rohrdichtungen ohne  Verwendung  von  Theerstiicken.  In 
Ergänzung  unserer  Notiz  in  No.  79  theilt  uns  die  Geiger’- 
sche  Fabrik  für  Strassen-  und  Hausentwässerungs-Artikel 
in  Karlsruhe  i.  B.,  welche  die  Fabrikation -und  den  Vertrieb 
der  zur  Anwendung  des  Verfahrens  erforderlichen  paten- 
tirten  Apparate  übernommen  hat  und  diese  für  alle  gang- 
baren Licht  weiten  von  Muffenröhren  hersteüt,  mit,  dass 
auch  bei  unrunder  Form  der  Röhren  nach  den  von  der 
Firma  gemachtenVersuchen  ein  durchaus  dichter  Abschluss 
des  Rohrinneren  durch  den  Schwellkörper  erreicht  würde, 
und  dass  ein  Eindringen  von  Dichtungsmaterial  in  das 
Innere  der  Rohrleitung  ausgeschlossen  erscheine.  Mit 
d^m  Apparat  lassen  sich  ferner  nicht  nur  Asphaltkitt-, 
sondern  auch  Bleidichtungen  hersteilen,  so  dass  man 
das  Beinhauer’sche  Verfahren  ebenso  gut  bei  Steinzeug- 
wie  bei  Gussröhren-Leitungen  für  Kanalisations-,  Wasser- 
und  Gasleitungen  anwenden  kann.  Neben  dem  vom  Ver- 
fasser der  Notiz  anerkannten  Vorzüge  grösserer  Genauigkeit, 
welche  durch  das  Beinhauer’sche  Verfahren  an  der  Zu- 
sammentrittssteÜe  der  Rohrenden  erreicht  wird,  hebt  die 
Firma  als  den.  wichtigsten  Fortschritt  gegenüber  dem  bis- 
herigen Verfahren  hervor,  dass  das  Dichtungsmaterial 
nicht  nur  die  Muffe,  sondern  auch  die  Stossfuge 
zwischen  den  Rohrenden  ganz  ausfüllt,  dass  sich 
also  innen  glatte,  fugenlose  Rohrleitungen  hersteilen 
lassen,  was  bei  der  Verwendung  von  Theerstricken  un- 
möglich ist.  Das  Verfahren  besitze  also  nicht  nur  tech- 
nische, sondern  auch  hygienische  Vorzüge  gegenüber  dem 
bisherigen,  DiePreiseder  Apparate,  welche  einen  inneren 
Druck  von  2—3  Atm.  aushalten  und  der  Einwirkung  des 
heisseii  Asphaltes  und  Bleies  dauernd  widerstehen  müssten, 
seien  der  soliden  Ausführung  wegen  angemessen.  — 

Zur  Versendung  der  „Deutschen  Bauzeitung“.  Aus  dem 
.^nehmerkreise  der  „Deutschen  Bauzeitung“  gehen  uns 
zahlreiche  Beschwerden  über  Beschädigungen  zu,  mit 
welchen  die  Kreuzbandsendungen  der  Zeitung  in  die 
Hände  der  Abonnenten  gelangen.  So  sehr  wir  die  Be- 
rechtigung dieser  Beschwerden  anerkennen  müssen,  so 
sind  wir  doch  leider  ausser  Stande,  auf  eine  Verhinderung 
derselben  hinzuwirken,  wenn  der  Bezugsweg  der  Kreuz- 
bandsendung der  Versendung  durch  das  Postzeitungsamt 
vorgezögen  wird.  Es  ist  bei  der  üblichen  Art  der  Be- 
förderung der  postalischen  Kreuzbandsendungen  im  Brief- 

€24 


beutel  nicht  zu  vermeiden,  dass  die  Zeitung  in  etwas  zer- 
knittertem Zustande  den  Abnehmern  überreicht  wird.  Auch 
pflegen  die  Briefträger  bisweilen  um  die  sortirten  Post- 
sendungen Bindfaden  zu  schnüren,  was  häufig  ein  Ein- 
reissen  der  grösseren  Formate  zurfolge  hat.  Alle  diese 
Uebelstände  können  umgangen  werden  durchBestellung 
der  „Deutschen  Bauzeitung"  nach  der  Post- 
zeitungsliste unmittelbar  bei  dem  zuständigen 
Postamte  des  Wohnortes  des  Empfängers.  Die 
Zeitung  wird  dann  im  Zeitungsballen  befördert,  leidet  hier- 
durch weniger,  kommt  zur  gleichen  Zeit  an  und  es 
tritt  für  den  Empfänger  noch  eine  kleine  Ersparniss  durch 
den  Fortfall  des  Betrages  für  die  Postanweisung  ein.  Um 
eine  Unterbrechung  in  der  Zusendung  zu  vermeiden, 
empfiehlt  es  sich,  die  Bestellung  spätestens  14  Tage 
vor  Schluss  des  Kalender-Vierteljahres  zu  ver- 
anlassen. — 

Auszeichnungen  an  Techniker.  Der  kgl.  Brth.  A.  Herz- 
berg, in  Firma  Börner  & Herzberg  in  Berlin,  wurde  zum 
Ehrenmitgliede  des  „Vereins  deutscher  Ingenieure“ 
ernannt.  — 


Preisbewerbungen. 

In  dem  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
eine  Bugenhagen- Kirche  in  Stettin  liefen  86  Arbeiten  ein. 
Es  erhielten  den  I.  Preis  Hr.  Jürgen  Kröger  ip  Wilmers- 
dorf; den  II.  Preis  die  Hrn.  Vollmer  & Jassoy  in  Berlin 
und  Stuttgart;  den  III.  Preis  Hr.  Gerh.  Müller  in  Koblenz. 
Ein  weiterer  Entwurf  des  Hrn.  J.  Kröger  sowie  ein  Ent- 
wurf des  Hrn.  Fr.  Strobelberger  in  Schartau  bei  Lübeck 
wurden  zum  Ankauf  empfohlen.  Sämmtliche  Entwürfe  sind 
bis  zum  14.  Dez.  in  der  Aula  der  Arndtschule  in  Stettin 
(Barnim- Str.  5)  öffentlich  von  11— lYs  Uhr  ausgestellt.  — 

In  dem  Preisausschreiben  der  Slnzlger  Thonwaaren» 
Fabrik  A.-G.  erhielten  die  beiden  I.  Preise  von  je  200  M. 
die  Hrn.  Martin  Mayr  in  Stuttgart  und  L.  Pfaffendorf 
in  Köln;  die  beiden  II.  Preise  von  je  150  M.  die  Hrn.  Karl 
Prahl  in  Hamburg  und  Carl  Albermann  in  Aachen; 
die  beiden  III.  Preise  von  je  100  M.  die  Hrn.  Carlo  Z immer 
in  Darmstadt  und  K.  S.  Knoch  in  Oybiri  bei  Zittau.  — 


Personal-Nachricbten. 

Preussen.  Dem  Kr.-Bamnsp.  Huber  in  Halle  ä.,S.,  dem 
Landbauiosp.  Tesenwitz  in  Berlin,  dem  Reg.-Bmstr.'Ki  c kt  0 o 
in  Potsdam  und  dem  Dir.,  Reg.-Bmstr.  a.  D.  C a s t n e r in  Schöne- 
berg ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  KL,  dem  Geh.  Reg.-Rath  Prof. 
Dr.  Reuleaux  in  Berlin  der  Stern  zum  kgi.  Kronen-Orden 
II.  Kl.  verliehen. 

Die  Reg.-Bfhr.  Ernst  M a s c k e aus  Königsberg,  Benno  Kühn 
aus  Rogehnen , Herrn.  Fromm  aus  Berlin , Gg.  : S c h u 1 z aus 
Schwiebus,  Karl  Stoffels  aus  Schalke,  Erich  ß i e n t z aus  Magde- 
burg, Oskar  G 0 1 1 k e aus  Danzig  und  Max  Schindowski  aus 
Berlin  (Hochbfch),  — Friedr.  Fresow  aus  Kl.-Tessin  {Wasser- 
Bfch.),  — Ernst  Reissmüller  aus  Berlin  und  Otto  Hoffmann 
aus  Königsberg  i.  Pr.  (Wasser-  und  Strassenbfch.),  — Paul  Slevo  gt 
aus  Sondersbausen,  Job.  Süss  aus  Morbach,  Frz.  Knipping 
aus  Essen  und  Alfr.  M a s u r aus  Rawitsch  (Eisenbfch.),  — Beruh. 
Rutkowski  aus  Cembalowa,  Friedr.  Gaedke  aus  Pyritz  und 
Karl  M ö r c h e n aus  Strossberg  (Masch  -Bfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn. 
ernannt. 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  H.  K.  in  Erle.  Es  dürfte  nicht  leicht,  vielleicht  nicht 
einmal  möglich  sein,  über  einer  Holzbalkendecke  einen  wasser- 
dichten Fussboden  herzustellen.  Die  meiste  Gewähr  gegen  Durch- 
dringen der  Nässe  dürfte  noch  die  Verwendung  eines  fugenlosen 
Fussbodens  ausTorgament  oder  einer  ähnlichen  Masse,  die  zudem 
auf  eine  geringe  Höhe  an  den  Wänden  emporgeführt  wird,  bieten. 

Hrn.  J.  H.  in  Stuttgart  und  Th.  Bl.  in  Stettin.  Wir  müssen 
Sie  wegen  der  Saalbauten  für  rooo — 2500  Besucher  auf  die  Litte- 
ratur  verweisen.  Sie  finden  in  dem  Kapitel  IV.  „Saalbauten",  der 
„Baukunde  des  Architekten",  II.  Bd.  3.  Th  .(Verlag  der  Deutschen  Bau- 
zeitung, G.  m.  b.  H-),  sowie  in  dem  folgenden  Kapitel  V.  , /Vereins- 
häuser", ausführliche  Angaben  über  Säle  der  gedachten  Art.  — 

Hrn.  Stadtbmstr.  W.  H.  in  Trautenau.  Wir  empfehlen 
Ihnen  zum  Studium  für  den  Bau  von  Stadtbädern  das  Kapitel  VI. 
„Oeffentliche  Badeanstalten“  in  „Baukunde  des  Architekten",  II  Bd.', 
dritter  Theil.  Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  Berlin  S.W.  ii, 
Bernburgerstr.  31.  — 

Hrn.  Gebr.  Z.  in  Oberlössnitz.  Der  Auftraggeber  hat  nur 
das  Recht,  eine  Pause  des  Entwurfes  zu  verlangen.  Alle  Arbeits- 
zeichnungen sind  oder  bleiben  Eigenthum  des  Archit^ten.  Für 
die  übrigen  Fragen  verweisen  wir  Sie  auf  die  Lehrbücher,  insbe- 
sondere „Baukunde  des  Architekten“,  I.  Band,  r.  Tfaeil.  Aufbau 
der  Gebäude.  Berlin  1903.  Verlag  der  Deutschen  Bäuzeitung, 
G.  m.  b.  H.,  Bernburgerstr.  31.  — 

Inhalt  s Schloss  Schwaneck  im  Isarthal  bei  München.  — Die  neue 
aaS  Millionen-Anleihe  der  Stade  Berlin  zu  baulichen  Zwecken.  — Mitthei- 
lungen aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Personal- 
Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitnng,  G.  m.  b.  H.;  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Grevci  Berlin. 

No.  97. 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
*BERLIN  Hs 
«ra:s;sr«:!gts:a:s:a:ss: 


GANG.  Hs  Hs  NO.  g8. 
i DEN  6.  DEZ.  igo2.  Hs 

is:s:9:srs:«!sjss:s5;s;a;jj.g;5. 


ijcijiiuci  i\euDauien. 

No.  io6.  Geschäftshaus 
der  Hrn.  Gebr.  Simon, 
Klosterstrasse  80/81. 
Architekten: 

Cremer  & Wolffenstein 
in  Berlin. 

(Hierzu  die  Abbildung  S.  639.) 

as  Geschäfts  - 
haus  der  Hm. 
Gebrüd.  Simon 
in  der  Kloster- 
Strasse  80/81 
wurde  in  seinem  ältesten 
Theile  von  Schwatlo  als 
Hinterhaus  der  Grund- 
stücke Klosterstr.  8o  8i 
mit  geschlossener  Front 
an  der  alten  Königsmauer 
errichtet.  Im  Jahre  1885 
erfolgte  nach  Fortfall  der 
Königsmauer  und  Ver- 
breiterung der  NeuenFrie- 
drichstrasse  die  erste  Er- 
weiterung durch  Neubau 
an  dieser  Strasse,  und  im 
Jahre  1900/01  die  jetzige 
zweite  Erw’eiterung  durch 
einen  Neubau  anstelle  der 
alten  Wohnhäuser  an  der 
Klosterstr.  80/81  durch 
die  Architekten  Cremer 
& Wolffenstein  in  Ber- 
lin. Der  Neubau  (S.  626) 
stellt  sich  als  ein  18“  tiefes 
Vordergebäude  und  ein 
jQ™breites  Mittelgebäude, 
anschliessend  an  den  älte- 
sten und  den  später  er- 
richteten Theil  des  Ge- 
schäftshauses Neue  Frie- 
drichstrasse dar.  Die  bei- 
den grossen  Höfe  zwi- 
schen Mittelgebäude  und 
Vordergebäude , welche 
theilweise  mit  Glas  über- 
deckt und  im  Erdgeschoss 
zum  Geschäftshause  hin- 
zugezogen sind,  dienen 
zum  Geschäftsbetriebe 
(der  für  die  auswärtige 
und  die  Stadtexpedition 
verkauften  Waaren)  und 
sind  durch  Durchfahrten 
von  der  Klosterstrasse  zu- 
gänglich. 

Im  Geschäftshause  Si- 
mon werden  die  Waaren 
nur  stückweise  verkauft, 
deshalb  war  bei  der 
Grundriss  - Anordnung 
hauptsächlich  Rücksicht 
auf  die  Stellung  der  gut- 
beleuchteten Regale  zur 
Aufnahme  der  Waaren 
und  der  zwischen  ihnen 
stehenden  Auslagetische 
zu  nehmen,  auch  Sorge 


625 


zu  tragen, dass  die  Waaren  durchHand- 
wagen  in  den  Geschossen  selbst  und 
durch  Aufzüge  leicht  und  bequem  ohne 
Störung  hin  und  her  beiördert  werden 
konnten.  Das  erforderliche  Maass  von 
Mitte  Regal  zu  Regal  von  rd.  5 ergab 
die  Axe  der  Fenstertheilung.  die  Tiefe 
der  Regale  von  1,6“  die  Breite  der 
Fensterpfeiler.  DasGebäude  hat  ausser 
dem  1,6“*  über  Gelände  aufsteigenden 
Kellergeschoss  von  3*^  Höhe  noch 
drei  Geschosse  von  4,4“  Höhe.  Das 
Dachgeschoss  dient  als  Lagerraum. 
Die  angerollten  Waaren  werden  in 
einem  Kellerabtheil  an  der  Neuen 
Friedrichstrasse  abgeladen,  dort  aus- 
gepackt, eingetragen  usw.  und  von 
diesem  Raume  im  Keller,  der  auch  als 
Waarenlager  dient,  durch  die  Hand- 
wagen nach  den  5 Fahrstühlen  und 
von  diesen  zu  den  verschiedenen  Ge- 
schossen gebracht  und  in  die  Regale 
vertheüt.  Die  verkauften  Waaren 
der  verschiedenen  Geschosse  werden  in 
gleicher  Weise,  jedoch  nur  zum  Erd- 
geschoss , befördert  und  hier  in  Stapeln 
für  die  Kunden  aufgestellt,  um  durch 
die  Stadtexpedition  unmittelbar  den 
Stadtkunden,  oder  durch  die  auswärtige 
Expedition  nach  der  Packkammer  und 
von  hier  den  auswärtigen  Kunden  ge- 
bracht zu  werden. 

Das  Erdgeschoss  enthält  deshalb 
hauptsächlich  die  für  die  Aufstapelung 
der  zur  Stadt  und  auswärtigen  Expedi- 
tion bestimmten  Waaren  gehörigen 
Büreaus  und  Packräume,  also  Zentral- 
büreau,  Kasse,  Musterzimmer,  Zimmer, 
der  Chefs,  Wartezimmer  usw.,  während 
die  Stockwerke  nebst  Dachgeschoss  nur 
zur  Auslage  und  zum  Verkauf  von 


iJtect 


Waaren  benutzt  werden. 

Zur  Verbindung  der  Geschosse 
unter  einander  sind  2 Haupttreppen  I 5 I 
und  5 Nebentreppen,  5 Waaren-  und  ']  t ^ 
1 Personen-Fahrstuhl  angeordnet  Eine  i 
dieser  Haupttreppen  ist  vom  Flaupt- 
eingange  und  von  dem  durch  alle  Ge-  il 
schosse  gehenden  mit  Glas  überdeckten  1; 
Hofe,  in  welchem  die  ankomraenden 
Kunden  im  Erdgeschoss  einen  Ver-  IF 
käufer  zuertheilt  erhalten,  zugänglich,  li 
Der  Packraum  für  die  auswärtige  Expe-  | 
dition  liegt  unter  dem  glasüberdeckten  il) 
Hoftheile  zu  ebener  Erde,  während  die 
Stadtexpedition  mit  dem  Erdgeschoss  I 
auf  gleicher  Höhe  gelegen  ist. 

Im  Kellergeschoss  sind  an  der 
Klosterstrasse  ausreichende  Garde- 
roben und  Toiletten  für  die  Ange- 
stellten und  Hausdiener,  und  im  Dach-  l_ 
geschoss  als  5.  Stockwerk  eine  Kamine 
nebst  Küche  für  die  Beamten  des  Kauf- 
hauses eingerichtetet  worden. 

Der  Neubau  hat  an  der  Kloster- 
strasse eine  Werksteinfassade  aus 
Nesselberger  Sandstein  erhalten,  be- 
sitzt in  allen  Stockwerken  massive 
Decken  mit  Eichenstabfussboden  und 
einen  eisernen  Dachstuhl.  Ausser  dem 
Eingangs-Vestibül  und  der  Halle,  den 
Zimmern  der  Chefs,  die  eine  reichere 
architektonische  Ausgestaltung  er- 
fuhren, ist  das  Gebäude  zweckent- 
sprechend, aber  in  einfachster  Weise 
durchgebildet;  das  Gleiche  ist  von  der 
inneren  Ausstattung  zu  sagen. 

Das  Gebäude  wird  durch  eine 
Niederdruck  - Dampfheizung  erwärmt. 


626 


No.  98. 


Die  Anlage  liegt  im  rechten  Hofkeller  und  besteht  aus 
4 Kesseln  und  i Reserve-Kessel.  Die  Geschäftsräume 
werden  durch  Bogenlampen,  die  Büreaus  durch  elek- 
trische Glühlampen  beleuchtet 

Den  Neubau  leitete  in  umsichtiger  Weise  Hr.  Bau- 
führer Topp.  Folgende  Firmen  waren  an  demselben 
thätig;  Für  die  Maurer-  und  Zimmerarbeiten  Held  & 
Francke,  für  die  Steinmetzarbeiten  O.  Ploeger,  für 
die  Bildhauerarbeiten  Ernst  Westpfahl,  für  die  Tisch- 
lerarbeiten A.  Klempau  undH.Bilecki,  für  die  Maler- 


arbeiten Waller  & Senftleben,  für  die  Schlosser- 
arbeiten Ernst  Francke.  für  die  Aufzüge  Carl  Flohr, 
für  die  Fussbödcn  E.  Wolff  & Sohn,  für  die  Dach- 
ziegel Burg  Hennigsdorf,  Akt-Ges.,  für  die  Glaser- 
arbeiten J.  Schmidt,  für  die  Zentralheizung  Janeck 
& Vetter,  für  die  elektrische  Beleuchtung  Aligem. 
Elektricitäts-Gesellschaft,  für  die  Be-  und  Ent- 
wässerung L.  Moses  und  für  die  Telephon-Anlage 
und  Klingeln  Mix  & Genest  in  Berlin.  — 


Ueber  eine  Neuerung  an  Zugschranken  des  Systems  Röckl.*) 


enn  auch  das  Streben  der  Eisenbahn-Verwaltungen 
allgemein  dahin  geht,  behufs  Hintanhaltung  der  mit 
Zugschranken  verbundenen  Betriebsgefahren  die  an 
Hauptbahnen  befindlichen  schienengleichen  Ueberfahrten 
thunlichst  durch  Wege-Unterführungen  oder  Bahn-Ueber- 
brückungen  zu  ersetzen  oder  an  diesen  Ueberfahrten  selbst 
Schrankenwärter  aufzustellen,  so  wird  doch  voraussichtlich 
noch  auf  lange  Zeit  hinaus  eine  grosse  Zahl  von  Bahn- 
übergängen mit  Zugschranken  versehen  bleiben,  da  sich 
den  erwähnten  Abhilfen  häufig  allzu  grosse  Schwierig- 
keiten finanzieller  oder  technischer  Natur  enteegenstellen. 
Das  ist  aber  umso  bedenklicher,  als  mit  dem  Fortschreiten 
des  zweigleisigen  Ausbaues  der  Hauptbahnen  und  mit  der 
zunehmenden  Anzahl  und  Geschwindigkeit  der  Züge  die 
mit  den  schienengleichen  Ueberfahrten  verknüpfte  Ge- 
fährdung des  Bahn-  und  Strassenverkehres  sich  immer 
drohender  gestaltet. 

Unter  solchen  Verhältnissen  wird  es  unerlässlich  sein, 
die  vorhandenen  Zugschranken  wenigstens  in  entsprechen- 
der "Wirksamkeit  zu  erhalten.  Hierzu  gehört  unter  anderem 
auch  die  Erfüllung  der  Bedingung,  dass  an  der  Ueber- 
gangsstelle  vor  dem  Niedergehen  der  Schlagbäume  ge- 
nügend lange  eine  Warnungsglocke  ertönt,  so  zwar,  dass 
Fuhrwerke,  welche  beim  Beginne  des  Läutens  gerade  an 
die  Ueberfahrt  gelangt  sind,  noch  vor  dem  Schranken- 
schlusse  über  die  Gleise  hinwegkommen  können.  Um 
dies  zu  erleichtern,  bezw.  die  Möglichkeit  des  Einschliessens 
der  Fuhrwerke  zwischen  den  beiderseitigen  Schlagbäumen 
zu  verringern,  setzt  man  ja  wohl  die  Schranken  thunlichst 
nahe  an  die  Gleise  heran.  Man  wird  aber  selbst  bei  senk- 
rechten Uebergängen  und  kleinstem  Gleisabstande  noch 
mit  einer  Entfernung  der  Schranken  von  8 ^ zu  rechnen 
haben.  Andererseits  will  man  doch  die  Gespanne  bei 
geschlossener  Schranke  nicht  bis  hart  an  die  Schlagbäume 
Vorfahren  lassen  und  setzt  deshalb  in  einigem  Abstande  vor 
den  Schranken  Tafeln  mit  der  sinnreichen  Aufschrift:  „Halt, 
wenn  die  Schranke  geschlossen  ist",  bis  zu  welchen  nach  der 
Betriebsordnung  die  Fuhrwerke  auch  dann  nur  vorrücken 
dürfen,  wenn  die  Glocke  ertönt.  Geht  man  mit  diesen 
Tafeln  bis  zu  5™  an  die  Schranken  heran  und  nimmt  man 
die  Länge  eines  Fuhrwerkes  mit  Gespann  auch  zu  5 “i  an, 
was  beides  sehr  gering  bemessen  sein  wird,  so  hat  man, 
da  die  Fuhrwerke  doch  nicht  sogleich  beim  ersten  Giocken- 
schlag  anhalten  können,  sondern  sich  selbst  bei  raschestem 
Eingreifen  des  Lenkers  leicht  noch  einige  Meter  fonbe- 
wegen können,  mit  einer  Länge  des  zwischen  dem  Be- 
gitine  des  Vorläutens  und  dem  Niedergehen  der  Schlag 
bäume  zurückzulegenden  Weges  von  mindestens  20“  zu 
rechnen.  Da  hier  ferner  die  Fuhrwerks-Geschwindigkeit 
kaum  höher  als  zu  0,8 in  i Sek.  angesetzt  werden  darf, 
so  muss  die  Vorläutedauer  mindestens  25  Sek.  betragen. 
Diese  Bedingung  wird  wohl  bei  zahlreichen  Zugschranken 
nicht  strenge  erfüllt  sein. 

Bei  den  Zugschranken  Röckl’schen  Systems  wird  nun 
das  Vorlauten  dadurch  bewirkt,  dass  beim  Andrehen  der 
Schrankenkurbel  zunächst  die  Trommel,  welche  den  zur 
"Warnungsglocke  gehenden  Drahtzug  aufwickelt  und  hier- 
durch das  Anschlägen  des  Glockenhammers  veranlasst, 
seitlich  auf  einer  Schraubenspindel  gleitet.  Erst  nach 
etwa  J2  Umdrehungen  der  Kurbel  schlägt  die  Trommel 
an  ein  mit  der  Spindel  fest  verbundenes  Eisenst-uck,  wo- 
durch dann  das  Mitdrehen  der  Spindel  bewirkt  wird, 
infolge  dessen  nach  einigen  weiteren  Kurbeldrehungen 
unter  fortwährendem  Läuten  die  Schranke  sich  schliesst. 

Die  Vorläutedauer  ist  also  hier  ausser  von  der  Anzahl 
der  Gewinde,  welche  die  Trommel  vom  Andrehen  bis 
zum  Anschläge  zurücklegt,  noch  wesentlich  von  der  Ge- 
schwindigkeit abhängig,  mit  welcher  die  Kurbel  gedreht 
wird,  und  kann,  da  bei  rascher  Bewegung  der  leicht- 
gehenden und  kurzen  Kurbel  eine  Umdrehung  derselben 
kaum  mehr  als  eine  halbe  Sekunde  erfordeit,  bis  zum 
vierten  Theile  der  oben  begründeten  geringsten  Dauer 


*)  An  einigen  bayerischen  Bahnen  ausgefClhrt 


heruntergehen,  was  jedenfalls  sehr  bedenklich  ist,  da  der 
Schrankenwärter  gerade  dann,  wenn  er  sich  etwas  ver- 
spätet hat  und  daher  die  Bahn  wahrscheinlich  minder  sorg- 
fältig im  Auge  halten  wird,  wohl  trachten  muss  die  Schranke 
möglichst  schnell  zu  schliessen.  Aber  selbst  dann,  wenn 
der  Wärter  rechtzeitig  herangeht,  wird  die  Vorläutedauer 
kaum  mehr  als  18  Sekunden  betragen,  er  müsste  denn 
ganz  langsam  arbeiten. 

Der  Giockenzugdraht  ist  nun  bei  der  Röckl’schen 
Schranke  durch  ein  Gegengewicht  in  Spannung  gehalten, 


Ansicht. 


welches  am^sogenannten 
Läutepfosten  auf-  und  ab- 
gleitet und  bei  einem  Um- 
fange der  Trommel  von 
etwa  25  c“  und  etwa  i6 
zum  vollständigen  Schran- 
kenschlusse  nöthigen  Um- 
drehungen derselben  bei» 
läufig  4 “ Weg  zurücklegt. 

Man  hat  also  schon  ziemlich  hohe  Läutepfosten  aufzustellen 
und  wird  Bedacht  darauf  zu  nehmen  haben,  deren  Höhe 
bei  einer  Verlängerung  der  Vorläutedauer  nicht  noch  zu 
vergrössern.  Das  Gegengewicht  soll  ferner  so  schwer 
sein,  dass  nicht  nur  der  Glockendraht  in  genügender 
Spannung  bleibt,  sondern  auch  die  Glockenzugtrommel 
rückwärts  bewegt  würde,  wenn  dies  der  Wärter  nach 
vollzogenem  Schrankenschlusse  nicht  sogleich  selbst  vor- 
schriftsmässig  besorgen  sollte.  Durch  diese  Anordnung 
soll  nämlich  — von  der  Anwendung  unerlaubter  Mittel  zur 
Feststellung  der  Kurbel  abgesehen  — verhindert  werden, 
dass  der  Schrankenwärter  das  Vorlauten  und  Schranken- 
schliessen  zeitlich  trennt,  wozu  derselbe  wohl  versucht 
sein  könnte. 

Es  lässt  sich  nun  bei  den  Röckl’schen  Schranken  eine 
Verlängerung  der  Vorläutedauer  mit  massigen  Ko-ten  da- 
durch erzielen,  dass  die  Glockenzugtrommel  (s,  die  Skizzen) 
auf  einer  zweiten  Schraubenspindel  festgekeilt  und  ihre 
Bewegung  durch  eine  Zahnradübersetzung  verlangsamt 
wird.  Dem  Uebersetzungs-Verhältniss  ent>prechend  muss 
dabei  die  Steigung  der  zweiten  Spindel  so  beme>sen  sein, 
dass  die  beiden  Zahnräder  bei  den  Kurbeldrehungen  sich 
gleichmässig  nach  der  Seite  foribewegen.  Das  kleinere 
Zahnrad,  welches  mit  der  etwas  zu  kröpfenden  Kurbel 
festverbunden  ist,  erhält  ein  Muttergewinde,  so  dass  es 
auf  der  Spindel  sich  zwischen  den  beiderseitigen  An- 
schlagstücken hin  und  her  bewegen  kann.  Das  grössere 
Zahnrad  wird  mit  der  Trommel  fest  verbunden  und  be- 


6.  Dezember  1903. 


627 


wirkt  bei  erfolgender  Umdrehung  auch  die  Drehung  der 
zweiten  Spindel,  welche  in  zwei  am  Triebpfosien  ange- 
brachten, mit  Muttergewinde  versehenen  Gehäusen  ge- 
lagert ist  und  sich  daher  seitlich  so  weit  fortbewegt,  dass 
der  Drehung  der  Kurbel  kein  Hinderniss  im  Wege  steht. 
Sobald  aber  das  kleinere  Zahnrad  anschlägt,  bewegt  sich 
dasselbe  nicht  mehr  seitlich,  während  das  grössere  noch 
verschoben  wird.  Damit  hierbei  stets  genügender  Zahn- 
eingriff vorhanden  ist,  wird  zweckmässig  das  kleinere  Zahn- 
rad doppelt  so  breit  gemacht,  als  das  grössere,  wodurch 
es  auch  ruhiger  aufsitzt.  Seine  Breite  fällt  dabei  doch 
um  so  viel  geringer  aus,  als  jene  der  Glockenzug-Trommel, 


Entwurf 

zu  einem  Landhause. 


Architekt:  Prof.  J.  M. 
Olbrich  in  Darmstadt. 


Grundrisse 

des  Hauses  Peter  Behrens 
in  Darmstadt. 

Vom  Künstler  selbst. 


PAR-^^TÄDTeR  ^RIELe-ISol 


RAtf/nCP.'C'WPRlSS  Ft/R  PlE  ARBEIT. 


Hauses 

J.  M.  Olbrich 
in  Darmstadt. 


■4I6RWPR15S  ruD  PlE  6ÄSTE  WP  PIE>JER5C,HAFT, 


RAVrtSRVUPRISS  ri/R  PiE  WIRTH5C1AFT. 


1*1&RVWPR1SS  F\;?R  PAS  WOHWEW. 


Die  vorstehenden  beiden  Grund- 
risse aus:  Alexander  Koch, 
Die  Ausstellung  der  Künstler- 
Kolonie  in  Darmstadt. 


dass  mindestens  6 Gewinde 
mehr  für  das  Vorläuten  ge- 
wonnen werden.  Bei  der 
nun  nöthigen  Zahl  von  Um- 
drehungen zum  Vorlauten 
wird  die  Umdrehungs- Ge- 
schwindigkeit an  und  für  sich 
schon  etwas  geringer  aus- 
fallen.  Eine  weitere  Ver- 
minderung derselben  erreicht 
manaber  sicher  dadurch,  dass 
man  die  Kurbel  von  etwa 
35  cm  gewöhnlicher  Länge  auf 
55—60  cm  verlängert.  Hier- 
mit wird  dann  eine  Vor- 
läutedauer  von  25  Sek.  ge- 
währleistet sein.  Wählt  man 
das  Uebersetzungs- Verhält- 
niss  1:2,  so  ist  keine  Ver- 
längerung der  Läutepfosten 
nöthig. 

Die  längere  Vorläutedauer 
hat  nun  auch  ihre  Schatten- 
seite. Ganz  abgesehen  davon, 
dass  sie  von  den  Schranken- 
wärtern unangenehm  em- 
pfundenwerden wird,  so  kann 
sie  im  Falle  einer  unbefugten 
Oeffnung  der  geschlossenen 


62S 


Schranke,  auf  welche  der  Wärter  durch  ein  Rückläute- 
werk  aufmerksam  gemacht  wird,  bedenklich  werden,  da 
der  erneute  Schrankenschluss  erst  nach  wiederholtem  Vor- 
läuten, also  mit  einer  halben  Minute  Zeitverlust  bethätigt 
werden  kann,  während  vielleicht  der  fällige  Zug  schon  ganz 
nahe  an  der  Schranke  ist.  Nun  ist  wohl  bei  einer  Zug- 
schranke mit  genügend  langer  Vorläutedauer  die  Gefahr 
des  Einschliessens  von  Fuhrwerken  ohne  Verschulden 


getrennt  zu  jedem  Schlagbaume  gehenden  Drahtzügen. 
Es  wird  daher  ' hier  keinem  Anstande  unterliegen,  wenn 
man  die  Schrankenkurbel  in  einer  solchen  Siellung^gegen 
weitere  Rückwärtsbewegung  sichert,  dass  dabei  die  Schlag* 
bäume  mindestens  zum  Theil  gesenkt  sein  müssen  oder 
aber,  wenn  sie  wagrecht  liegen,  ohne  besondere  Mühe 
um  die  Hälfte  ihres  Ausschlages  von  Hand  gehoben  wer- 
den können. 


des  Fuhrmannes  an  sich  gering.  Es  wird  aber  in  einem 
solchen  Falle  auch  genügen,  wenn  die  Schranke  ohne  ge- 
waltsame Anstrengung  etwa  zur  Hälfte  an  Ort  und  Stelle 
geöffnet  werden  kann,  worauf  dann  nicht  gerade  beson- 
ders hohe  Fuhrwerke  passiren  können.  Bei  der  Röckl’schen 
Schranke  ist  die  theilweise  Oeffnung  eines  Schlagbaumes 
ohne  Anschlag  der  Rückläuieglocke  ohnedies  schon  mög- 
lich, theüs  wegen  der  Durchhänge  des  Zugdrahtes,  theiJs 
wegen  dessen  eigenartiger  Verkuppelung  mit  den  beiden 

6.  Dezember  190a. 


Eine  derartige  Einrichtung  lässt  sich  unter  Verwen- 
dung.'der  seitiicheniBewegung,  welche  die  Glockenzug- 
trommel noch  macht,  nachdem  die  Schrankenkurbel  wegen 
des  Anschlages  des  kleineren  Zahnrades  nicht  mehr  zur 
Seite  rückt,  dadurch  treffen,  dass  die  innere  Scheibe  der 
Trommel  gezahnt  wird.  Am  Getriebpfosten  aber  wird 
ein  in  zwei  Endstellungen  festzuhaltender  Hebel  befestigt, 
der  vom  Schrankenwärter  zum  Eingriff  in  die  Trommel- 
zahnung gebracht  werden  kann,  wenn  derselbe  nach  voll- 

629 


zogenem  Schrankenschlusse  die  Kurbel  zweimal  zurück- 
gedreht hat.  während  ihm  die  hierdurch  bewirkte  Hem- 
mung des  Rücklaufes  der  Trommel  nicht  möglich  wäre, 
wenn  er  die  Kurbel  etwa  nur  bis  zum  Anschläge  des 
kleineren  Zahnrades  drehen  sollte.  Er  müsste  vielmehr 
noch  etwa  zwei  Umdrehungen  der  Kurbel  vornehmen, 
wodurch  sich  die  Schlagbäume  theilweise  senken  würden, 


woran  die  unrichtige  Handhabung  des  Schranken-Trieb- 
werkes  leicht  bemerkt  werden  könnte.  — Es  wird  daher 
bei  dieser  Anordnung  der  Schrankenwärter  sich  eher  hüten, 
sogleich  nach  Oeffnung  der  Schranke  wieder  vorzuläuten, 
und  er  wird  auch  den  Vortheil  nicht  unterschätzen,  dass 
er  im  Falle  unbefugter  Oeffnung  der  Schranke  dieselbe, 
wenn  nöthig,  rasch  wieder  schliessen  kann.  — jj. 


Vermischtes. 

Zur  Reorganisation  des  staatlichen  Hochbauwesens  in 
Baden  bringt  die  „Karlsruher  Ztg.“  die  Nachricht,  dass  der, 
Grossherzog  unterm  27.  Nov.  d.  J.  den  Vorstand  der  Bau- 
direktion Oberbaudir.  Prof.  Dr.  Josef  Durm  infolge  der 
Aufhebung  dieser  Behörde  unter  Anerkennung  seiner  lang- 
jährigen treuen  und  erspriesslichen  Dienste  und  unter  Er- 
nennung zum  Geheimrath  II.  Klasse,  sowie  unter  Belassung 
in  der  nebenamtlichen  Stellung  an  der  Technischen  Hoch- 
schule auf  Schluss  des  Jahres  in  den  einstweiligen  Ruhe- 
stand versetzt  und  die  beiden  ausserord.  Mitglieder  der 
Baudirektion,  Ob.-Brth.  Prof.  Dr.  Otto  Warth  au  der 
Technischen  Hochschule  und  Ob.-Brth.  Dir.  Phil.  Kircher 
an  der  Baugewerkschule  in  KarRruhe,  auf  den  gleichen 
Zeitpunkt  ihrer  nebenamtlichen  Thätigkeit  enthoben  habe. 
Die  genannte  Zeitung  erläutert  die  Vorgänge  wie  folgt: 

„Seit  1898  ist  dem  Finanzministerium  ein  technischer 
Referent  für  das  Hochbauwesen  beigegeben,  der  bis  zum 
laufenden  Jahr  auch  für  das  Ministerium  des  Inneren  thätig 
war.  Die  Dienstaufgabe  dieses  Beamten  erstreckte  sich 
auf  die  schriftliche  und  mündliche  Berathung  des  Mini- 
steriums und  der  Zentralmittelstellen  in  Bauangelegenheiten, 
auf  die  technische  Begutachtung  der  Bauehtwürfe  und 
Kostenvoranschläge,  die  KontrolUrung  der  im  Gang  be- 
findlichen Bauarbeiten,  die  Abnahme  der  Neubauten  und 
die  Beaufsichtigung  der  technischen  Thätigkeit  der  Bezirks- 
Bauinspektioneriv  Nach  den  seitherigen  Erfahrungen  hat 
sich  die  Einrichtung  wohl  bewährt.  Die  Wahrnehmung 
der  Arbeiten  bei  den  bauleitenden  Behörden  ist  hierdurch 
auf  eine  sichere  technische.Basis  gestellt  und  eine  Menge 
zeitraubenden  Schriftwechsels  erspart  worden^  indem  den 
Bezirksstellen-  vom  Beginn  der  Projekdrungsarbeiten  bis 
zur  Vollendung  der  Bauten  eine  fortgesetzte,  über  die  Ab- 
sichten der  bauleitenden  Behörde  unterrichtete  Anleitung, 
die  auch  nach  der  ■ finanziellen  Seite' einzuwirken  in  der 
Lage  ist,  zur  Verlugung  steht.  Nachdem  im  Vollzug  des 
Budgets  für  1902/03  bei  dem  Ministerium  des  Inneren  wie 
bei  dem  Ministerium  der  Justiz,  des  Kulms  und  Unter- 
richtes ebenfalls  technische  Referenten  in  Thätigkeit  ge- 
treten sind,  so,  dass,,  abgesehen  von  dem  Ressort  der  Eisen- 

Das  künstlerische  Ergebniss  des  Darmstädter 
,, Dokumentes“.  "Von  Albert  Hofmann.. 

(Fortsetzung  aus  No.  48.)  Hierzu  die  Abbildgn.  S.  628  und  eine  Bildbeilage. 

ir  würden  uns  nun  aber  des  Vorwurfes  einer  ein- 
seitigen Darstellung  zeihen  lassen  müssen,-  wenn 

J wir  neben  den  Vorzügen  der  Olbrich’schen  Muse 

nicht  auch  ihre  grossen  Schwächen  in  den  Kreis  unserer 
Betrachtung  zögen.  Wir  meinen,  damit  nicht  das  olym- 
pische Uebersehen  der  einfachsten  technischen  Vorkehrun- 
gen, der  schlichtesten  praktischen  Maassnahmen  der  Bau- 
lechnik.  Soweit  in  dieser  Beziefmng  gefehlt  wurde,  werden 
die  Zeit  und  die  Stürme  der  Witterung  schon  seinerzeit  als 
Mahner  auftreten.  Aber  als-  ein  empfindlicher  Mangel 
muss  es  erscheinen,  wenn  die  Darstellung  eines  Wohn- 
hauses zum  obersten  Ziele  einer  künstlerischen  Handlung 
gemacht  wird,  eines  Hauses, .in  welchem  die  Herstellung 
einer  Einheit  zwischen  Kunst  und  Leben  versucht  wird, 
welches  das  Herau^wachsen  eines  erhöhten  bereicherten 
Lebens  aus  der  Kunst  darstellen  soll,  und-wenn  der  Grund- 
riss eines  solchen  Hauses  unter  den  Einschränkungen  der 
Kümmerlichkeit  zu  leiden  hat,  wie  sie  der  Grundriss  des 
eigenen  Hauses  des  Künstlers  zeigt.,.  Der  Grundriss  des 
Wiener  Wohnhauses  hat  nie  die  Anlage  gehabt,  die  zu  einer 
behaglichen  Wohnlichkeit  nöihig  ist.  In  gleichem  Maasse, 
wie  sich  Deutschland  dem  Grundrisse  des  alten  Wohn- 
hauses der  norddeutschen  Tiefebene  und  des  englischen 
Hauses  zuwandte  und  hier  die  Anregungen  zur  wohn- 
lichen Anlage  des  Einfamilienhauses  suchte,  in  gleicnem 
Maasse  erscheint  Wien  vom  Süden  beeinflusst.  Und  wie 
die  Unbill  der  Witterung  des  Nordens  den  Menschen  zwingt, 
in  den  vier  Pfählen  seines  Heimwesens  sich  die  Lebens- 
behaglichkeit zu  suchen,  welche  die  Natur  ihm  für  einen 
grossen  Theil  des  Jahres  versagt,  so  scheint  trotz  des  ge- 
ringen Unterschiedes  in  den  Breitegraden  der  Wiener 
Hausgrundriss  mehr  südlichen  Einflüssen  zu  unterliegen 
und  das  Unheil  zu  verdienen,  welches  die  Gebrüder  Gon- 
court in  ihrer  anziehenden  Studie  „La  maison  d’un  artiste'* 
über  das  landläufige  Pariser  Wohnhaus  fällen,  welchem 

630 


.bahnyerwaltung,  für  welches  besondere  Vorschriften  be- 
stehen, allen  mit  Bauangelegenheilen  befassten  Verwal- 
tungs-Behörden eine  technische  Berathung  auf  kürzestem 
Wege  zugänglich  ist,  ist  die  Aufgabe  und  der  Wirkungs- 
kreis der  Baudirektion  als  besonderer  zentraler  Begut- 
achtungs-  uiid  technischer  Auf^icht^•behö^de  in  aus^e^- 
ordemlichem  Maasse  eingeengt  worden,  indem  sich  deren 
Inanspruchnahme  im  wesentlichen  nur  noch  auf  die  Er- 
stattung von  Obergutachten  in  besonders  wichtigen  Fragen 
beschränkt!  Für  die  Lösung  dieser  allerdings  wichtigen, 
aber  einen  besonderen  Behörden-Apparat  nicht  mehr  er- 
heischenden Aufgabe  soll  in  Zukunft  in  anderer  Weise 
Vorsorge  getroffen  werden  und  es  lag  daher  für  die  Re- 
gierung kein  Grund  vor,  für  das  Fortbestehen  einer  ober- 
sten technischen,  im  Vergleich  zu  den  Einrichtungen  in 
. den  übrigen  deutschen  Staaten  vereinzelt  dastehenden  Be- 
hörde länger  einzutreten.  Zufolge  landesherrlicher  Ent- 
, Schliessung  vom  27.  d.  M.  wird  deshalb  die  Baudirektion 
auf  Schluss  des  Jahres  aufgehoben  werden  und  an  deren 
Stelle  eine  nach  Bedürfniss  einzuberufende  und  im  Ehren- 
amt wirkende  Ministerial- Kommission  für  das  Hoch- 
bauwesen treten  und  dem  Finanzministerium  beigegeben 
werden.  Es  ist  die  Annahme  berechtigt,  dass  diese  aus 
der  Zahl  der  bewähr-testen  Architekten  des  Landes  zu  bil- 
dende und  gegen  das=Koliegiurn  der  Baudirekcion  um  etwa 
das  Dreifache  verstärkte  Kommission  „ den  an  sie  heran- 
tretenden Aufgaben  auf  bautechnischem  und  künstlerischem 
Gebiet  in  hervorragendem  Maasse  gerecht  werden  wird.“  — 


Bücherschau. 

,Des^  Ingenieurs  Taschenbuch.  Herausgegeben  vom  Verein 

„Hütte“.  18.  neu  bearbeitete  Auflage.  2 Bände. 

Berlin  1902.  Verlag  von  Wilhelm  Ernst  & Sohn. 

Preis  in  eleg.  Ledereinband  16  M. 

Wennman  die  vorliegende  i8.Aufl.des  jedemlugenieur 
unentbehrlichen  Taschenbuches  mit  ihrer  vor  kaum  vier 
Jahren  ers.chienenen  Vorgängerin  „vergleicht,  ,50  lä?st  scho.n 
der  äussere  Umstand,  dass  das  Werk  wiederum  um  19  Bogen 
angewachsen  ist,  eine  Bereicherung  seines  Inhaltes  er- 
kennen, während  die  nähere  Betrachtung  bald  ergiebt, 

ähnliche  Einflüsse  wie  in  Wien  die-Gestalt  verleihen.  Viel- 
leicht mag  hier  wie  dort  die  Nachwirkung  der  übermächti- 
gen Barockzeit  neue  Einflüsse  zurückhalten:  das  eine  ist 
unbestreitbar,  dass  das  germanische  Wohnhaus  eine  viel 
weitergehende  Entwicklung  zeigt,  wie  das  romanische  oder 
das  von  romanischen  Einflüssen  beherrschte  Haus,  also 
das  Wiener.  Im  Norden  ist  so  recht  eingetreten,  was  ein- 
mal Fichte  als  das  Ziel  und  Streben  eines  modernen  Volkes 
hinstelite;  alle  seine  Verhältnisse  in  Freiheit  nach  der  Ver- 
nunft einzurichien.  Ein  Vergleich  des  Grundrisses  des 
Olbrich’schen  Hauses  mit  dem  des  Hauses  von  Behrens 
lässt  den  grundsätzlichen  Unterschied  deutlich  erkennen. 
Und  damit  haben  wir  den  zweiten  Künstler  der  Darm- 
städter Kolonie  berührt,  welcher  bei  diesem  merkwürdi- 
gen Uniernehmen  eine  führende  Rolle  übernommen  haue. 

Peter  Behrens  begann,  wie  uns  sein  Schilderer, 
Prof.  Dr.  Kurt  Breysig  in  Berlin,  in  dem  Koch’schen 
Werke  über  die  Kolonie  erzählt,  seine  Laufbahn  als 
Naturalist.  „Aber  er  hat  diesem  Banner  sehr  früh  abge- 
schworen und  ist,  ohne  von  irgend  einem  Meister  sicht- 
bar beeinflusst  zu  sein,  auf  die  Suche  nach  der  neuen 
Kunstweise  ausgegangen.  Er  hat,  wie  alle  die  stärksten 
unter.den  Jüngern  dieser  Richtung,  das  grosse  innere  Er- 
lebniss  im  Sinnbild  dargestellt,  er  hat  den  Traum  und  die 
Offenbarung  des  Schaffens  selbst  verkörpern  wollen.“  Und 
etwas  von  diesem  in  sich  gekehrten  Seelenleben  haftet 
auch  seinem  Hause  an,  welches  in  seinem  Aeusseren 
wenig  anzieht,  im  Inneren  aber  den  Besucher  mit  einer 
eigenen  Stimmung  umgiebt.  Es  ist  „ganz  beherrscht  von 
der  Vorstellung  eines  Lebens,  von  neuer  Geschmücktheit 
und  neuer  Getragenheit.  Der  Bauzweck  isi“,  nach  Breysig, 
„ganz  und  gar  auf  reiche  Entfaltung  des  häuslichen  Seins, 
aber  zugleich  auf  ein  ausschliesslich  nach  innen  gekehrtes, 
fest  umgrenztes  Leben 'gerichtet.  Das  Innere  überwiegt 
durchaus  in  Absicht  auf  Reichthum  und  künstlerischen 
Aufwand  der  Formen,  es  hat  nur,  wie  sein  Urheber  nach- 
drücklich betont  hat,  nicht  die  lässige  Bequemlichkeit  der 
Zimmer-Vertheilung  auf  die  Anordnung  des  Aeusseren 
emwirken  lassen.“  Wäre  es  der  Fall  gewesen,  das  Aeussere 

No.  98 . 


dass  die  Vermehrting  des  Inhaltes  auch  mit  einer  weiteren 
Verbesserung,  einer  weiteren  Anpassung  an  neuere  wissen- 
schaftliche und  praktische  Erfahrungen  Hand  in  Hand  ge- 
gangen ist.  Den  Bauingenieur  wird  es  besonders  inter- 
essiren.  dass  seinem  Gebiete  im  2.  Bande,  der  demgemäss 
um  reichlich  ti  Bogen  gewachsen  ist,  eine  wesentlich 
weiter  gehende  Berücksichtigung  zutheil  geworden  ist,  als 
das  bisher  der  Fall  war,  indem  besondere  Abschnitte  über 
Wasserversorgung,Entwässerung,StrassenbauundBrücken- 
ban  neu  aufgenoramen  sind.  Der  Abschnitt  über  Entwässe- 
rung ist  allerdings  so  knapp  gehalten,  dass  darin  kaum  die 
wiciuigsten  Angaben  dieses  grossen  Gebietes  Platz  gefunden 
haben  und  den  Ausführungen  des  Abschnittes  Strassenbau 
möchten  wir  hinsichtlich  der  Angaben  über  die  Pflasterung 
städtischer  Strassen  nicht  in  allen  Punkten  zustimmen, 
trotzdem  aber  ist  diese  Erweiterung  des  Stoffes  als  eine 
zweckmässige  zu  bezeichnen  und  wird  mit  Freuden  begrüsst 
werden.  Wesentlich  umgestaltet  und  erweitert,  insbe- 
sondere nach  der  Richtung  der  praktischen  Anwendung 
der  Instrumente  durch  eingehendere  Behandlung  der 
Fehler  derselben  und  der  Mittel  zu  ihrer  Beseitigung 
bezw.  Ausschaltung,  ist  der  Abschnitt  über  Vermessungs- 
kunde, der  auf  das  Doppelte  seines  früheren  Umfanges 
angeschwollen  ist.  Auch  das  Kapitel  über  Statik  hat 
manche  Abänderung  erfahren.  Namentlich  ist  die  Ein- 
führung der  Elastizitäts-Theorie  für  die  Untersuchung  der 
Gewölbe  neu,  während  den  Ausführungen  über  räumliche 
Fachwerke  durch  Untersuchungen  über  Thurm-  und  Kuppel- 
dächer usw.  Neues  hinzugefügt  ist. 

Durchgreifende  Umgestaltung,  zumtheil  völlige  Neu- 
bearbeitung haben  auch  einige  Abschnitte  des  Maschinen- 
und  Schiffbaues  erfahren  und  in  den  theoretischen  Ka- 
piteln des  Theiles  I.  ist  vom  Abschnitt  „Wärme  einschl. 
der  Mechanik  der  Gase  und  Dämpfe"  dasselbe  zu  bemerken. 

Auch  die  neue  Auflage  entspricht  also  der  alten  Tra- 
dition des  Werkes.  — 

Leitfaden  für  das  Entwerfen  und  die  Berechnung  gewölbter 
Brücken.  Von  G.  Tolkmitt,  kgl.  Brth.  2.  Auf!. 
Durchgearbeitet  und  erweitert  von  A.Laskus,  Reg.- 
Bmstr.  Berlin  1902.  Verlag  von  Wilhelm  Ernst  & 
Sohn.  Pr.  5 M.  — 

Die  I.  Auflage  dieses  Werkchens,  die  wir  Jahrg.  1896 

5.  147  besprochen  haben,  hat  sich,  wie  wir  damals  annahmen, 
mit  ihren,  auf  gesunder  Grundlage  aufgebauten  Unter- 
suchungen und'hhren  dem  praktischen  Bedürfnisse  ent- 
gegenkommenden Anleitungen  zur  Bestimmung  der  zweck- 
massigsten  Gewölbeform  bei  gegebener  Belastung  in  weite- 
ren Kreisen  Freunde  erworben,  sodass  eine  Neuauflage 
nothwendig  wurde,  deren  Bearbeitung  infolge  des  1900 

wäre  unzweifelhaft  anziehender  geworden.  Ueberall  im 
Inneren  aber  hat  man  den  Eindruck,  „dass  hier  nicht  ein 
Künstler  sich  mit  seinem  Werke  müht,  das  seinem  Ich 
fremd  ist,  sondern  dass  ein  runder  Mensch,  eine  starke, 
ganz  in  sich  gefestete  Persönlichkeit  mühelos  den  künst- 
lerischen Ausdruck  seines  eigenen  Wesens  gefördert  hat.“ 

Fallen  Abends  in  dem  Prunkgemach  des  Hauses  die 
blauen  Vorhänge  nieder  und  schimmern  von  der  Decke 
die  brennenden  Kerzen,  „so  bemächtigt  sich  des  Gastes 
langsam  der  schöne  Wahn,  als  sei  er  in  ein  Märchen- 
Schloss  versetzt  und  in  das  Land  der  Ferne  und  des  Glücks.“ 
Es  sind  noch  nicht  die  überschwänglichsten  Aeusserun- 
gen  dieser  Art,  die  Breysig  seinem  Künstler  widmet. 
Man  höre,  was  er  über  die  Hauptthüre  des  Hauses,  „den 
grossen  feierlichen  Orgelklang  in  dem  sonst  nur  voi  be- 
reitenden Andante  dieses  Präludiums“  sagt:  „Sie  verräth 
allein,  was  des  Eintretenden  innen  wartet,  ohne  doch  un- 
treu zu  plaudern.  Denn  die  Linien  des  goldgelben  Meiall- 
Ornamentes  auf  dem  violett  getönten  Grau  der  Thüre  sind 
so  wundersam  fremd  und  heilig  zugleich,  dass  sie  dem 
Tempel  irgend  eines  längst  verschollenen  Götterdienstes 
den  Eingang  schmücken  dürften.  Sie  wirken  wie  eine 
weite  priesterlich  segnende  Gebärde,  allein  sie  heischen 
auch  Ehrfurcht  und  wecken  hieratische  Schauer,  die  fast 
zu  niederdrückend  sind  für  den  heiteren  weltlichen  Zweck 
dieses  Hauses.  . . . Tritt  Nachts  ein  Besucher,  dem  der 
Herr  des  Hauses  hold  ist,  aus  dieser  Thüre,  so  flammt  ob 
seinem  Haupte  ein  Licht  auf.  Es  strahlt  aus  einem  kry- 
siallenen  Glase,  das  geformt  ist  wie  ein  edler  Stein  der 
Berge,  und  das  den  köstlichen  Abschluss  des  reichen 
Linien-Aufbaues  dieser  einzigen  Thür  bildet.  Wer  dürfte 
sagen,  er  hätte  ihresgleichen  schon  gesehen?“  Es  ist  eine 
merkwürdige,  weliflüchtige  Gesellschaft,  die  hier  zu  Thaten 
und  Worten  kommt.  • Wir  finden  eine  ähnliche  Verneinung 
des  realen  Lebens,  eine  fast  an  das  Pathologische  grenzende 
Uebersinnlichkeit  auch  bei  der  bedeutenden  Berliner  Künst- 
lergruppe, die  sich  um  Melchior  Lechter  geschaart  hat. 
„Jede  Form  bedeutet  Zwang,  sie  lenkt  uns  von  den  breiten 
und  ebenen  Pfaden  ab,  sie  heischt  von  uns  Entsagung 

6.  Dezember  1902. 


erfolgten  vorzeitigen  Todes  des  verdienstvollen  ersten  Ver- 
fassers einem  anderen  Autor  übertragen  werden  musste. 

Die  neue  Auflage  schliesst  sich  der  ursprünglichen 
Bearbeitung  auf  das  Engste  an,  deren  bisheriger  S:off 
durchweg  erhalten  ist,  wobei  hauptsächlich  der  stellen- 
weise etwas  sprunghafte  Gang  in  den  Entwicklungen  durch 
Einschaltung  von  Zwischengliedern  leichter  verfolgbar  ge- 
macht, das  in  der  Darstellungsweise  zumtheil  nicht  ganz 
glückliche  Figurenmaterial  durch  klareres  ersetzt  und  ausser- 
dem Einiges  an  kleinen  Irrthümern  ansgeraerzt  wurde. 
In  den  Abschnitten  über  Belastungsannahmen  und  Be- 
lastungsgleichwerthen  ist  neues  Material  hinzugefügt,  auch 
sind  die  Betrachtungen  über  die  Standfestigkeit  der  Wider- 
lager und  Zwischenpfeiler  etwas  erweitert. 

Ganz  neu  ist  ein  längerer  Abschnitt  über  dieAnwendung 
der  Tolkmiti’schen  Entwicklungen  auf  Brückengewölbe  mit 
3 Gelenken,  deren  Formbestimmung  durchaus  auf  den- 
selben Grundlagen  erfolgen  kann.  Die  Gründe,  welche 
für  und  wider  die  Zweckmässigkeit  der  Einlegung  von 
Gelenken  sprechen,  werden  dabei  kurz  gewürdigt.  (Bei 
der  Anführung  von  Beispielen  weitgespannter  Gelcnk- 
brücken  ist  übrigens  ein  Irrthum  hinsichtlich  der  Verfasser 
des  Entwurfes  zu  einer  113“  weit  gespannten  Steinbrücke 
über  den  Neckar  in  Mannheim  untergelaufen.  Dieser  Ent- 
wurf rührt  nicht  von  der  angegebenen  Firma,  sondern  von 
Grün  & Bilfinger  in  Mannheim  her.  Vergl.  Jhrg.  1901  No.  45  ) 
Die  Tolkmitt’sche  ßerechnungsmethode  besitzt  für  die 
weitaus  meisten  Fälle  der  praktischen  Anwendung  eine  aus- 
reichende Genauigkeit  und  wird  sich  daher  neben  der  theo- 
retisch schärferen  Untersuchung  nach  der  Elastizitätstheorie 
wohl  behaupten  können.  Die  neue  Auflage  dürfte  daher 
die  gleiche  Anerkennung  finden,  wie  ihre  Vorgängerin.  — 

Fr.  E. 

Bel  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Bock,  Otto,  Ziegelei-Ingenieur.  Der  Ziegelofen,  Konstruktion 
und  Bauausführung  von  Brennöfen,  Ofengebäuden  und  Schorn- 
steinen für  Ziegeleien.  2.  Aufl.  Bearbeitet  von  A.  E c k.  h a r t. 
Leipzig  1902.  Karl  Scholtze  (W.  Junghans).  Pr.  1,50  M. 

Dr.  Dämmer,  Otto.  Handbuch  der  Arbeiterwohlfahrt. 
Lfrg.  2,  3,  4 und  5,  Stuttgart  1902,  Ferd.  Enke.  Pr.  der 
Lfrg.  2 — 4 je  4 M.,  Lfrg.  5:  6 M. 

Ehe,  Gustav,  Architekt.  Architektonische  Raumlehre. 

Entwicklung  der  Typen  des  Innenbaues.  Bd.  II.  Renaissance, 

■ ' ^ Barock  und  Neuklassik.  Dresden  1901.  Gerhard  Kühtmann. 
Pr,  15  M.,  geb.  18  M. 

Ehlerding.  W.  E)  e-r— m o d e r n e Schlosser.  II.  50  Thüren 
"untf—Fh^re,  Ravensburg  1902.  Otto  Maier.  Pr.  4 M. 
Fieser,  Ö'CfoV grossherz.'  BäuräthT"  Lehrbuch  für  die  deut- 
schen Schifferschulen  am  Rhein,  zum  Schul- 
unterricht und  für  den  Selbstgebrauch  der  Schiffer.  Karls- 
ruhe_i902.  G.  Braun’sche  Hofbuchdruckerei.  Pr.  4 M. 

vielen  Lässigkeiten  und  Behaglichkeiten  gegenüber.  Eine 
Kunst,  die  dem  Alltag  nur  ein  Spiegelbild  seiner  eigenen 
breit  und  dümmlich  lächelnden  Züge  vorhält,  ist  ein  be- 
quemer Gast,  und  wer  ihn  vertreiben  will,  darf  nicht  darauf 
rechnen,  laut  willkommengeheissenzu  werden.“  In  gleicher 
Weise  aber,  wie  diesen  Aeusserungen  wird  man  auch 
der  Ansicht  Breysigs  zustimnien  können,  Lebenskunst  sei 
ein  Kulturschaffen,  an  dem  theilzunehmen  nicht  Vorrecht 
eines  Berufes  sei.  Sie  ist  die  Aufgabe  des  Einzelnen,  „der 
sich  als  Starken,  als  Auserwählten  empfindet.“  Diese 
Empfindung  ist  in  besonders  hohem  Grade  bei  unserem 
Künstler  ausgeprägt.  Die  moderne  Philosophie  der  sou- 
veränen Individualität  ist  ihm  in  Fleisch  und  Bim  über- 
gegangen. Er  steigert  die  Ansprüche  für  seine  Kunst  bis 
zu  dem  einsamen  Rechte  des  Scirner’schen  „einzigen  Ich“. 
Wird  man  bei  dieser  Lebensanschauung,  bei  diesem  Em- 
porschweben über  die  Lebensumstände  der  Wirklichkeit 
auch  über  Manches  lächeln  müssen,  so  ringt  uns  die  in 
sich  geschlossene  Persönlichkeit  des  Künstlers  doch  in 
hohem  Grade  Achtung  vor  seinem  idealen  Wollen  ab.  Er 
ist  trotz  seiner  nordischen  Herkunft  kein  Künstler  im 
Sinne  Kants,  der  vom  Künstler  die  praktische  Philosophie 
forderte,  von  dem  was  geschehen  soll,  Gesetze  anzugeben, 
obgleich  es  niemals  geschieht;  sondern  er  ist  ein  Künstler 
in  der  freieren  Schopenhauer’schen  Auffassung,  Mit  diesem 
Philosophen  fragt  auch,  der  Künstler:  „Wer  sagt  euch, 
dass  es  Gesetze  giebt,  denen  unser  Handeln  sich  unter- 
werfen soll?  Wer  sagt  euch,  dass  geschehen  soll,  was  nie 
geschieht?“  Loslösung  vom  Ueberlieferten,  innere  künst- 
lerische Heiligung  des  Lebens,  Vergeist  gung  der  Kunst  bis 
zur  Ekstase,  das  ungefähr  sind  die  Grundzüge  der  Kunst 
von  Peter  Behrens  von  seinen  Werken  der  Darmstädter 
Kolonie  an  bis  heute.  Ist  die  Kunst  Olbrichs  von  dem 
dionysischen  Hauch  der  ungebrochenen  Lebensfreude  und 
Prachtliebe  umflossen,  so  hat  die  Kunst  von  Peter  Behrens 
bei  allerPrachi  einen  starken  Einschlag  askeiisch-hieratiscber 
Stimmung  mit  einem  Schimmer  mystischen  Glanzes.  Mit 
diesen  Gegensäizen  stehen  sich  die  beiden  F ührer  der  Darm- 
städter Bewegung  im  Kampfe  gegenüber.  — (Schluss  folgt.) 

631 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Die  Garn.-Bauinsp.  P aepke  ia  Saarbarg 
und  Steinebach  in  Metz  I sind  gegenseitig  versetzt.  Der  Garn.- 
Bauinsp.  Knoch  in  Metz  ist  in  den  Ruhestand  getreten. 

Baden.  Dem  Prof.  Geiges  in  Freiburg  i.  Br.  ist  die  Er- 
laubniss  zur  Annahme  und  zum  Tragen  des  ihm  verlieh,  kgl.  preuss. 
Kronen-Ordens  IIL  Kl.  ertheilt. 

Der  Reg.-Bmstr.  Kitiratschky  in  Freiburg  ist  zur  Rhein- 
bauinsp.  Mannheim  und  der  Reg.-Bmstr.  Schätzle  in  Offenburg 
zur  Kulturinsp.  Freiburg  versetzt. 

Der  Ob.-Bauinsp.  Wiese  in  Mosbach  ist  gestorben. 

Preussen.  Dem  Hafen-Bauinsp.  Brth.  Mu  sse  t in  Memel  ist 
die  Annahme  und  Anlegung  des  ihm  verlieh,  grossherz,  mecklenburg. 
Greifen-Ordens  III.  Kl,  gestattet. 

Der  Arrh.  Heese  an  der  Baugewerkschule  in  Buxtehude  ist 
zum  kgl.  Ob.-Lehrer,  — die  Reg.-Bfhr.  Alfr.  Salinger,  Karl 
Weber  u.  Alfr.  Gottheiner  aus  Berlin  und  Ad.  Ledschbos 
aus  Steele  (Hochbfch),  — Willi.  Schmidt  aus  Zweifall  (Wasser- 
u.  Strassenbfch.),  — Klem.  Siebeis  aus  Kempen,  Hans  Gohlke 
aus  Koblenz,  Thadd.  v.  Brauneck  aus  Zielniki,  Val.  Herwig 
aus  Niederaula  (Eisenbfch.),  — Jul.  Cohen  aus  Dortmund  und 
Alfr.  Freund  aus  Breslau  (Masch.-Bfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn. 
ernannt. 

Dem  Reg.-Bmstr.  Jak.  J an  z in  Frankfurt  a.  O.  ist  die  nachges. 
Enlassff.  aus  dem  Dienste  der  allgem.  Bauverwaltung  ertheilt 

Württemberg.  Der  Prof.  Fischer  an  der  Techn.  Hoch- 
schule in  Stuttgart  ist  zum  Mitgl.  der  Sachverständigen-Komm.  zur 
Berathung  des  Konservators  der  vaterländ.  Kunst-  u.  Alterthums- 
Denkmale,  hauptsächl.  in  Restaurationssachen,  ernannt. 

Der  Brth.  T h e u r e r , Dir.  der  Maschinen-Fabrik  Esslingen 
ist  gestorben.  

Brief-  und  Fragekasten. 

Hm.  J.  L.  in  Essenberg  a.  Rh.  Ein  grundsätzliches  Verbot, 
guss-  oder  scbmiedeiserne  Säulen  auch  zu  anderen  Zwecken  mit- 
zubenutzen,  dürfte  in  den  meisten  Baupolizei-Verordnungen  kaum 
bestehen,  da  es  zahlreiche  Ausführungen  giebt,  bei  welchen  die 
Säulen  zu  Zwecken  der  Lüftung  und  der  Wasserabführung  mit 


verwendet  werden.  Die  Verwendung  von  Säulen,  namentlich  von 
schmiedeisernen,  zur  Abführung  von  Feuergasen  müssen  wir  aller- 
dings für  bedenklich  halten,  da  letztere  in  vielen  Fällen  eine  solche 
Zusammensetzung  zeigen  werden,  dass  Eisen,  und  namentlich 
Schraiedeisen , dadurch  erheblich  angegriffen  werden  kann.  Dem 
Verbot  der  betr.  Baupolizei-Behörde  ist  also,  falls  sie  aus  diesem 
Grunde  erfolgt,  die  Berechtigung  nicht  abzusprechen.  — 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 

Zu  der  Anfrage  in  No.  93  betr.  Wasserzuführung  zu 
einer  Villa:  Ich  habe  mehrfach  in  alleinstehenden  Villen  Gas- 
apparate von  Inderau-Dresden  aufgestellt,  welche  nicht  zu  kost- 
spielig in  der  Anlage  und  sehr  billig  im  Betriebe  sind.  Das  erzeugte 
Gas  dient  nicht  nur  zur  Beleuchtung,  sondern  auch  zum  Betriebe 
einer  kleinen  Kraftmaschine,  welche  ein  Wasserreservoir  auf  dem 
Boden  speist  und  auf  diese  Weise  eine  bequeme  und  praktische 
Wasserleitung  ermöglicht. 

Reg.-Bmstr.  Wechselmann  in  Stettin. 

In  gleichen  Fällen  habe  ich  die  Wasserleitungsanlage 
derart  ausgeführt,  dass  an  das  Brunnenrohr  eine  Flügelpurape  (in 
einem  Hause  für  eine  Familie)  oder  bei  grösserem  Bedarf  ein 
kleiner  Motor  angeschlossen  wurde.  Derselbe  oder  die  Flügel- 
pumpe pumpt  das  Wasser  in  ein  im  Dachboden  befindliches  Becken, 
welches  je  nach  Bedarf  einen  bis  mehrere  cbm  fasst.  An  dieses 
Becken  habe  ich  die  Wasserleitung  mit  Zapfstellen  in  Küchen, 
Waschküchen,  Klosets  (Wasserklosets) , auch  im.  Garten  (Spring- 
brunnen), angeschlossen,  so  dass  überall  bequem  Wasser  mit  aus- 
reichendem Druck  vorhanden  ist.  Zu  ausführlicher  Beschreibung 
und  Bekanntgabe  meiner  dabei  gemachten  Erfahrungen  bin  ich  gern 
bereit.  — Grosse,  Stadtbmstr.  in  Varel  in  Oldenburg. 

Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  106.  Geschäftshaus  der  Hrn.  Gebr. 
Simon,  Klosterstrasse  80/81.  — Ueber  eine  Neuerung  an  Zugschranken  des 
Systems  Röckl.  — Vermischtes.  — Das  kOnstlerische  Ergebniss  des  Darm- 
städter „Dokumentes“.  (Fortsetzung.)  — Bücherschau.  — Personal-Nachrich- 
ten. — Brief-  und  Fragekasten.  — Verband  deutscher  Arch.-  u.  Ing.-Vereine. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Villa  in  Rosen  in  Darmstadt. 

Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wüh.  Grevc,  Berlin, 


Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur -Vereine. 

Nachstehend  bringen  wir  unter  Hinweis  auf  die  in  No.  84  veröffentlichten  erneuten  Eingaben  des 
Verbandes  in  Sachen  der  Zulassung  der  staatlich  geprüften  Architekten  und  Ingenieure  zur  Doktor-Promotion 
die  Antwort  des  preuss.  Hrn.  Kultusministers  über  die  Regelung  dieser  Frage  zur  Kenntniss  der  Einzelvereine. 
Dresden-Berlin,  den  i.  Dezember  1902. 

Der  Verbands- Vorstand:  Waldow,  Vorsitzender.  Eiselen,  Geschäftsführer. 


Berlin,  den  22.  November  1902. 
Der  Minister  der  geistlichen, 

Unterrichts-  und  Medizinal* 

Angelegenheiten. 

U.  I.  No.  24479. 

Auf  das  Schreiben  vom  i.  Oktober  d.  J.  benachrichtige 
ich  den  Vorstand  ergebenst,  dass  mit  dem  Herrn  Minister 
der  öffentlichen  Arbeiten  soeben  eine  Vereinbarung  ge- 
troffen worden  istj  wonach  die  erste  Staatsprüfung  tür 
den  höheren  technischen  Staatsdienst  (Bauführerprüfung) 
durch  die  Diplomprüfung  an  den  Technischen  Hochschulen 
ersetzt  werden  soll.  Die  Neueinrichtung  soll  zum  i.  April 
k.  J.  inkraft  treten.  Gleichzeitig  hat  eine  Verständigung 
über  die  Zulassung  der  staatlich  geprüften  Bauführer  zu 
den  Diplomprüfungen  und  der  staatlich  geprüften  Bau- 
meister zu  den  Doktor-Ingenieur  Prüfungen  stattgefunden. 
Ueber  beide  Angelegenheiten  sind  die  in  einem  Abdruck 
beigefügten  Grundsätze  vereinbart  worden.  Hiernach  sind 
den  staatlich  geprüften  Bauführern  und  Baumeistern  hin- 
sichtlich der  Erwerbung  desGrades  eines  Diplom- Ingenieurs 
und  eines  Doktor -Ingenieurs  erhebliche  Erleichterungen 
gewährt  worden. 

gez.  Studt. 

Grundsätze  über  die  Ersetzung  der  ersten  Haupt- 
prüfung für  den  Staatsdienst  im  Baufache  durch 
die  Diplomprüfung  und  die  Zulassung  der  staat- 
lich geprüften  Bauführer  und  Baumeister  zur 

Diplom-  bezw.  Dokior-Ingenieur-Prüf ung. 

1.  Der  Diplomprüfung  bleibt  der  Charakter  einer 
akademischen  Prüfung  gewahrt.  Zur  Theilnahme  an  den 
Prüfungen  — Vor-  und  Hauptprüfungen  — werden  für 
jede  Abtheilung  ein  oder  nach  Bedarf  mehrere  ständige 
Kommissare  des  Herrn  Ministers  der  öffentlichen  Arbeiten 
bestellt,  welche  befugt  sind,  von  allen  Prüfungsvorgängen 
Kenntniss  zu  nehmen.  Eine  unmittelbare  Einwirkung  auf 
das  Prüfungsgeschäft  steht  den  Kommissaren  nicht  zu. 
Gegebenenfalls  haben  sie  über  ihre  Wahrnehmungen  und 
daran  zu  knüpfende  Anregungen  ihrem  Ressortchef  Vor- 
trag zu  halten,  welchem  es  überlassen  bleibt,  wegen  des 
Weiteren  mit  dem  Herrn  Minister  der  geistlichen,  Unter- 
richts- und  Medizinal- Angelegenheiten  sich  zu  benehmen. 

2.  Bei  der  Hauptprüfung  tritt  eine  Mitwirkung  von 
Baubeamten  ein.  Zu  diesem  Zwecke  werden  Baubeamte 
auf  Vorschlag  der  Abtheilungen  der  technischen  Hoch- 

632 


schulen  durch  den  Herrn  Minister  der  geistlichen,  Unter- 
richts- und  Medizinal-Angelegenheiten  nach  voreängigem 
Einvernehmen  mit  dem  Herrn  Minister  der  öffentlichen 
Arbeiten  zu  Mitgliedern  der  Prüfungs-Ausschüsse  berufen. 
Die  Zahl  der  Baubeamten  soll  in  keinem  Prüfungs-Aus- 
schusse  mehr  als  ein  Drittel  der  Gesammtzahl  der  Mit- 
glieder betragen. 

3.  Während  einer  Uebergangszeit  von  etwa  einem 
Jahre  kann  noch  die  staatliche  Vorprüfung  und  I.  Haupt- 
prüfung bei  den  technischen  Prüfungsämtern  in  Berlin, 
Hannover  und  Aachen  abgehalten  werden.  Die  bis  zum 
Ablauf  der  Uebergangszeit  bei  diesen  und  den  ihnen 
gleichgestellten  Prüfungsämtern  in  Braunschweig  und  Darm- 
stadt abgelegten  Vorprüfungen  ersetzen  die  in  den  Diplom- 
prüfungs-Ordnungen vorgesehene  akademische  Vorprüfung, 
ebenso  ersetzt  die  von  den  Studirenden  des  Maschinen- 
baufaches bis  dahin  nach  den  Vorschriften  des  Herrn 
Ministers  der  öffentlichen  Arbeiten  zurückgelegte  praktische 
Eleven- Ausbildung  die  in  der  Diplomprufungs- Ordnung 
vorgesehene  einjährige  praktische  Thätigkeit. 

4.  Nach  der  Neuregelung  des  Prüfungswesens  können 
sich  die  Diplom -Ingenieure,  welche  in  den  Staatsdienst 
eintreten  wollen,  hierzu  melden.  Nach  Ablauf  der  unter  3 
vorgesehenen  einjährigen  praktischen  Prüfungszeit  wer- 
den die  Regierungs-Bauführer  nur  aus  den  Diplom  inge- 
nieuren entnommen  werden,  jedoch  vorbehaltlich  der  in 
den  Vereinbarungen  mit  Braunschweig  und  Hessen  ge- 
troffenen Bestimmungen. 

5.  Sobald  über  die  Neuregelung  des  Prüfungswesens 
grundsätzliches  Einvernehmen  erzielt  ist,  sind  staatlich 
geprüfte  Baumeister  ohne  Weiteres  berechtigt,  sich  zur 
Promotion  zu  melden.  Von  staatlich  geprüften  Bauführern, 
die  den  Grad  eines  Diplom-Ingenieurs  erwerben  wollen, 
•wird  während  einer  Uebergangszeit  von  3 Jahren  nur 
eine  in  einer  Frist  von  6 Wochen  abzuliefernde  Diplom- 
arbeit verlangt.  Von  einer  mündlichen  Prüfung  wird  ab- 
gesehen. 

6.  Den  Anforderungen,  welche  au  die  in  den  Staats- 
dienst tretenden  Baubetiissenen  zu  stellen  sind,  wird  durch 
die  Ablegung  der  Diplomprüfungen  nach  den  Ordnungen 
von  1902  entsprochen. 

Es  wird  hierbei  vorausgesetzt,  dass  die  Diplomprüfungs- 
Ordnungen  der  technischen  H(öchschulen  in  Hannover  und 
Aachen  in  ihren  wesentlichen  Bestimmungen  mit  denen  der 
Berliner  technischen  Hochschule  übereinstimmen  werden.— 

No.  98, 


ARCHITEKT: 

PROF.  JOS.  M. 
OLBRICH  IN 
DARM STADT 
DEKORATIVE 
AUSSCHMÜCKUNG: 
H.  CHRISTIANSEN 


STELLU  NG 
DER  KÜNSTLER-KO- 
LONIE DARMSTADT 


DEÜTSCHE  BAUZEITUNG.  XXXVI.  JAHRG.  NO 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  99.  Berlin,  den  10.  Dezember  1902. 


Stromerzeugung  für  elektrische  Hausbeleuchtung. 


Klür  die  elektrischen  Hausbelenchtungs-Anlagen  kleine- 
I ren  und  mittleren  Umfanges  ist  im  allgemeinen  der 
^ Anschluss  an  eine  grössere  Blockstation  oder  an  ein 
öffentliches  Elektrizitätswerk  die  billigste  und  auch  die  be- 
quemste Betriebsquelle.  Ist  ein  derartiger  Anschluss  für 
alleinstehende  Gebäude,  wie  Villen,  Gutshöfe,  Hölels  in 
Kurorten  u.  dergl.,  nicht  möglich  oder  doch  zu  kostspielig, 
so  benutzt  man  als  Betriebsmittel  für  die  Stromerzeugungs- 
Anlage  in  der  Regel  einen  feststehenden  Gas-,  Benzin- 


Q Schalldämpfer 


Abbildg. 


oder  Petroleum-Motor,  welcher  in  Grösse  von  3—10  P.S. 
250  —300  Umdrehungen  in  1 Minute  macht,  und  die  Dynamo- 
Maschine  mittels  Riemen  vom  Schwangrade  aus  antreibt. 
Die  übliche  Gebrauchsspannung  beträgt  rd.  65  Volt  oder 
110  Volt,  eine  mitbenutzte  Akkumulatoren-Batterie  hat 
hierfür  36  oder  60  Elemente,  und  die  Glühlampen  be- 
nöthigen  einen  Energieverbrauch  von  etwa  3—3,5  Watt 
für  die  Normalkerze,  bezw.  50—60  Watt  für  die  lökerz. 
Glühlampe.  Wegen  der  Riemenverbindung  zwischen  An- 
triebmotor und  Dynamo  und  der  Elementenzahl  bean- 
sprucht eine  derartige  Maschinenanlage  einen  ziemlich 
beträchtlichen  Raum. 

Abweichend  von  diesen  bisher  üblichen  Ausführungen 
hat  die  Firma  Elektrizitäts-A.-G.  vorm.  Schuckert 
Ä Co.  in  Nürnberg  im  Laufe  des  letzten  Jahres  eine  neue 
Stromerzeugungs-Anlage  durchgebildet,  dieselbe  in  ihren 
Werkstätten  sowie  an  einigen  Hausbeleuchtungen  erprobt 


und  auch  bei  Gelegenheit  der  Düsseldorfer  Ausstellung 
in  ihrem  Sonderpavillon  im  Betriebe  vorgeführt.  Die 
wesentlichen  Punkte  dieser  Einrichtung  sind  folgende: 
Die  Dynamomaschine  ist  mit  einem  Automobil-Benzin- 
Motor  Schwanemeyer’scher  Ausführungsweise  mit  etwa 
1100—1200  Umdrehungen  in  der  Minute  unmittelbar  ge- 
kuppelt. Auf  gemeinsamer  Grundplatte  vollständig  ver- 
sandtferlig  und  betriebsbereit  montirt,  bildet  iese  Ma- 
schinen-Einrichtung  ein  für  sich  abgeschlossenes  Ganzes 
als  Benzindynamo,  wie  dieselbe 
in  Abbildg.  i in  der  Ansicht  dar- 
gestellt ist.  DiebeweglichenTheile 
sind  fast  vollständig  von  dem  Mo- 
torgehäuse eingeschlossen;  doch 
ist  die  Anordnung  derart,  dass  nach 
Lösen  weniger  Schrauben- Verbin- 
dungen das  Innere  des  Motors  zu- 
gänglich ist.  Die  Dynamomaschine 
hat  hufeisenförmiges  Magnet-Sy- 
stem. Das  ganze  Maschinenaggre- 
gat wird,  sobald  ein  entsprechen- 
des Bedürfniss  dafür  vorliegt,  mit 
leichtem  schalldichtem  Gehäuse 
geliefert.  Der  Deckel  desselben 
kann  für  sich  allein  abgehoben 
werden,  so  dass  man  die  Maschine 
jederzeit  ohne  besondere  Um- 
stände nachsehen  kann.  Von  der 
Wirkung  dieses  Gehäuses  hatte 
man  in  der  Ausstellung  Gelegen- 
heit, sich  zu  Überzeugen. 

Dem  Umstande  Rechnung  tra- 
gend, dass  dieGlühlampenbei  nied- 
riger Spannung  weit  wirthschaft- 
licher  arbeiten,  als  bei  höherer 
Spannung,  und  dass  die  Leitungs- 
verluste in  den  hier  infrage  kom- 
menden kurzen  Leitungen  gering 
sind,  ist  die  Betriebsspannung  auf 
25  Volt  festgesetzt.  Bei  dieser 
Spannung  braucht  eine  ebenso 
dauerhafte  Glühlampe  wie  die  65 
oder  iio  völligen  nur  2 Walt  für 
die  Normalkerze,  anstatt  3—3,5 
Watt.  Anstelle  von  36  oder  60 
Zellen  sind  nur  14  Zellen  in  der 
Akkumulatoren  - Batterie  nöihig. 
Diese  Verhältnisse  bedeuten  also 
eine  wesentlich  höhere  und  so- 
mit wirthschaftlich  vortheilhaftere 
Ausnutzung  der  Maschinen-  und 
Batterie-Einrichtung,  und  deshalb 
eine  Ersparniss  für  Anlage-  und 
BetriebsKosten. 

Bei  der  gedrungenen  Form  ist 
der  Raumbedarf  äusserst  gering. 
Die  Raumskizze  in  Abbildg.  2 
giebt  die  Maasse  für  eine  Anlage 
mit3P.S.-Benzindynamomaschine 
an,  welche  im  Stande  ist,  von  der 
Batterie  aus  etwa  55  gleichzeitig 
brennende  Glühlampen  3 Stun- 
den lang,  oder  eine  kleinere  An- 
zahl entsprechend  länger,  mit 
Strom  zu  versorgen.  Für  die  Wasserkühlung  wird  ent- 
weder ein  Anschluss  an  eine  vorhandene  Wasserleitung 
vorgesehen  oder  ein  Wasserumlauf  mit  einem  etwa  750* 
fassenden  Kühlwasserbehälter  eingerichtet. 

Die  Dynamomaschine  arbeitet  stets  nur  auf  die  Batterie, 
und  diese  erst  wieder  auf  das  Leitungsnetz;  ein  Parallelbe- 
trieb von  Batterie  und  Dynamo  ist  nicht  vorgesehen,  weil  bei 
einem  derartig  kleinen  Benzinmotor  die  Anordnung  einer 
genauen  ökonomischen  Regulirung  für  die  Konstanthaltung 
der  Umlaufzahl  bei  wechselnder  Belastung  nicht  zuver- 
lässig genug  arbeiten,  und  ein  Parallelbetrieb  ausserdem 
die  Bedienung  und  Betriebssicherheit  bei  der  in  der  Re- 
gel ungeschulten  Bedienung  beeinträchtigen  würde. 

Die  Bedienung  beschränkt  sich  allein  auf  das  Nach- 
sehen der  Schmierungen  und  des  Kollektors  vor  dem  An- 
lassen, welches  von  der  Batterie  aus  mit  Hilfe  eines  mit 
der  Schautafel  verbundenen  Anlasshebels  bewirkt  wird. 


633 


Während  des  Maschinen-Betriebes  ist  eine  Bedienung  nicht 
nöthig,  da  alle  Regulirungen  von  Hand  vermieden  sind. 
Die  Konstanthaltung  der  Batteriespannung  während  der 
Stromlieferung  für  die  Beleuchtung  wird  durch  gelegent- 
lichesNachsteilen  eines  dreistufigenEntladeschalters  besorgt. 

Die  Feuergefährlichkeit  ist  ebenso  wie  bei  jedem  ande- 
ren Explosionsmotor  ausgeschlossen.  Das  Aufstellen  des 
Benzinmotors  ist  in  bewohnten  Gebäuden  zulässig;  doch 
müssen  grössereBenzinvorräthe  in  einem  besonderen  Raum 
ausserhalb  des  Gebäudes  untergebracht  werden.  Nach  der 
Abbildg.  2 ist  in  dem  Raum  tür  das  Benzin-Vorrathsfass 


Mittheilungen  ;aus  "^Vereinen. 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  31.  Okt. 
1902.  Vors.  Hr.  Classen,  anwes.  92  Personen. 

Aufgen.  als  Mitgl.  dieHrn.:  Obering.  Richard  Peter- 
sen,  Ing.  Luigi  Vianello  und  Dipl.-Ing.  Richard  Hansa. 

Der  Abend  wurde  ausgefüllt  durch  einen  Vortrag  des 
Hrn.  C.  Merckel  über  die  Versenkung  von  Siel- 
dükern für  das  Stammsiel  Kuhmühle-Hafenthor 
in  Hamburg.  Nachdem  Redner  kurz  die  allgemeine  Sach- 
lage betreffend  die  seit  längerer  Zeit  in  Ausführung  be- 
griffenen neuen  Stammsiele  in  Hamburg  erörtert  hat,  schil- 
dert er  an  Hand  eines  reichen  Materials  von  Zeichnungen 
und  Photographien  die  Schwierigkeiten,  welche  dem  Bau 
des  obengenannten  Stammsieles  dadurch  erwachsen,  dass 
dasselbe  in  seinem  Laufe  vor  der  Einmündung  in  die 
Elbe  drei  grössere  Wasserbecken  zu  kreuzen  hat,  und 
zwar  den  Oberhafen  beim  Deichthor,  den  Brookthorhafen 
beim  Brookthor  und  den  Zollhafen  bei  der  Niederbaum- 
brücke. An  diesen  3 Stellen  mussten  Düker  vorgesehen 
werden,  die  als  Zwillingsdüker  zur  Verlegung  kommen. 
Die  Versenkung  dieser  mächtigen  eisernen  Rohre  von  2^ 
Durchmesser  und  150—200“  Länge  in  die  dafür  in  der 
Sohle  der  Hafenbecken  ausgebaggerte  Rinne,  die  Her- 
stellung der  Anschlüsse  an  die  Ufer,  die  Konstruktion 
der  Versenkgeruste  und  Hebezeuge,  bei  deren  Anordnung 
auf  die  Aufrechthaltung  des  Schiffsverkehres  Rücksicht 
zu  nehmen  war,  bilden  einen  eigenartigen  schwierigen 
Bauvorgang,  dessen  Beschreibung  von  der  Versammlung 
mit  dem  lebhaftesten  Interesse  verfolgt  wird.  Von  einem 
Eingehen  auf  die  Einzelheiten  wird  hier  abgesehen,  da 
Redner  sich  eine  ausführlichere  Veröffentlichung  seines 
Vortrages  Vorbehalten  hat.  — Mo. 

! Verein  für  Elsenbahnkunde  ln  Berlin.  In  der  unter 
Vorsitz  des  Hrn.  Ministerialdir.  Schroeder  am  ii.  Nov. 
abgehaltenen  Sitzung  hielt  Hr.  Dr.  Franke  vom  Hause 
Siemens  & Halske  einen  mit  grossem  Beifall  aufgenomme- 
nen Vortrag  über  drahtlose  Telegraphie.  Der  Vortragende, 
der-  auch  Vorstands-Mitglied  der  Gesellschaft  für  drahtlose 
Telegraphie  (SystemProf.  Braun  und  Siemens  & Halske) 
ist, j gab  an  der  Hand  einer  Reihe  von  experimentellen  Vor- 
führungen ein  anschauliches  Bild  der  wissenschaftlichen 
Grundlagen  und  der  bisherigen  Entwicklungs- Geschichte 
dieses  neuen  Zweiges  der  Elektrotechnik.  An  den  im 
Saale  ausgespannten  Drähten  erläuterte  er  die  Ausbreitung 
der  elektrischen  Wellen  und  die  Bedeutung  des  von  Prof. 
Brami'  in  :Strassburg  erfundenen  geschlossenen  Schwin- 
gungslcreises  zur  Erzeugung  solcher  Wellen,  welcher  für 
die  drahtlose  Telegraphie  von  grösster  Bedeutung  gewor- 
den ist  'und  von  allen  Systemen  verwendet  wird.  Er  legte 
ferner  die;  Wirkungsweise  der  von  Prof.  Slaby  erfundenen 
Multiplikatorspule,  sowie  die  Transformationen  elektrischer 
Wellen  dar  und  liess  sich  an  der  Hand  von  Schaltungs- 
mustern über  die  Unterschiede  der  verschiedenen  Systeme 
aus.  Unter  den  Lichtbildern,  die  eine  Reihe  der  von  der 
Braun-Siemens-Gesellschaft  ausgeführten  Anlagen  veran- 
schaulichten, erregten  besonderes  Interesse  die  für  die 
kgl.  Luftschiffer  - Abtheilung  gelieferten  fahrbaren  Tele- 
graphen-Stationen,  mit  denen  während  der  letzten  Kaiser- 
Manöver  ausserordentlich  günstige  Ergebnisse  erzielt  sein 
sollen.  Hr.  Dr.  Franke  hält  den  Werth  des  Wettstreites 
um  die  grösste  erreichbare  Entfernung  in  der  Ueber- 
tragung  von  Nachrichten  mittels  der  drahtlosen  Telegraphie 
für  gering,  da  praktischen  Nutzen  nur  solche  Einrichtungen 
bringen,  welche  nicht  nur  einmal  bei  einem  Rekordver- 
suche, sondern  immer  und  dauernd  in  voller  Betriebs- 
sicherheit wirksam  sind;  letzteres  müsste  immer  in  die 
erste  Linie  gestellt  werden,  während  die  Entfernung  erst 
in  der  zweiten  Linie  inbetracht  kommt.  Bezüglich  der 
Abstimmung  äusserte  sich  der  Redner  dahin,  dass  die 
Möglichkeit  einer  solchen  innerhalb  gewisser  Grenzen 
ausser  Zweifel  stände  und  bei  den  Versuchen  auch  be- 
reits erreicht  worden  sei,  dass  indessen  verbürgte  Nach- 
richten über  die  praktische  Verwendung  einer  Mehrfach- 
Telegraphie  nach  diesem  Prinzip  bisher  von  keiner  Seite 
vorliegen, 

634 


gleichzeitig  auch  das  mit  dem  Motor  durch  eine  schwache 
Rohrleitung  verbundene  Benzingefäss  für  den  Tages- 
gebrauch untergebracht.  Letzteres  wird  von  dem  Vor- 
rathsfass aus  mittels  Handpumpe  aufgefüllt. 

Die  Betriebskosten  stellen  sich  für  Benzin  und  Schmier- 
verbrauch mit  Einschluss  der  Verluste  in  der  Batterie  auf 
etwa  3,3  Pf.  für  die  Hektowattstunde  oder  auf  etwai,i  Pf. 
für  die  16  kerzige  Glühlampe.  Die  Bedienung  ist  hierbei 
nicht  in  Anrechnung  gebracht,  da  dieselbe  täglich  nur 
wenige  Minuten  in  Anspruch  nimmt  und  in  der  Regel  von 
den  Hausbediensteten  mitbesorgt  werden  kann.  — 


Sodann  machte  Hr.  Reg.-Bmstr.  Schaar  eine  ausführ- 
liche Mittheilung  über  den  Entwurf  einer  Nord-Süd- 
bahn für  das  östliche  Berlin  nach  dem  Schwebe- 
bahn-System. Bezüglich  der  allgemeinen  Ausführungen 
sei  auf  die  Mittheilungen  in  No.  89  verwiesen. 

Redner  führt  weiter  aus,  dass  bei  der  Streitfrage,  ob, 
„Untergrundbahn"  oder  „Schwebebahn",  bestechend 
für  das  grossePublikumderGedankesei, Untergrundbahnen, 
etwa  nach  dem  Pariser  Muster  zu  bauen;  dem  stände  aber 
das  wirthschaftliche  Bedenken  entgegen,  dass  die  ausser- 
ordentlich hohen  Anlagekosten  den  Untergrundbau  für 
Berlin  nur  in  den  seltensten  Fällen  rechtfertige,  nämlich 
da,  wo  ein  ausnahmsweise,  starker  Verkehr  die  Renta- 
bilität gewährleiste.  Es  läge  aber  umso  weniger  die  Noth- 
wendigkeit  vor,  nur  Untergrundbahnen  zu  bauen,  als  sich 
die  Schwebebahn  sehr  wohl  so  konstruiren  Hesse,  dass 
sie  allen  berechtigten  Anforderungen  an  gefällige  ästhe- 
tische Wirkung  gerecht  werde.  Man  sollte  aber  auch 
nicht  vergessen,  dass  ' eine  Schwebebahn  für  Berlin  nur 
1^/2  Mill.  M.  für  I is“  kosten  würde,  während  die  Unter- 
grundbahn mit  mindestens  5 Mill.  M.  für  i veranschlagt 
sei.  Für  dasselbe  Geld,  das  der  Untergrundbau  erfordert, 
könnte  man  demnach  ein  dreimal  so  grosses  Netz  an. 
Schwebebahnen  schaffen  und  damit  nicht  nur  einigen  be- 
vorzugten Stadttheilen,  sondern  der  Gesammtbevölkerung 
der  Grosstadt  dienen.  — 


Vermischtes. 

Bedrohte  Städtebilder.  Zu  dem  Aufsatz  mit  diesem  Titel 
in  unserer  Nummer  vom  ii.  Okt.  d.  J.  erhalten  wir  von 
Hrn.  Dr.  Emil  Ekhoff  von  der  kgl.  Akademie  der  schönen' 
Wissenschaften,  der  Geschichte  und  der  Alterthumskunde 
in  Stockholm  die  folgenden  Ausführungen  inbetreff  der 
alten  Wehrmauer  der  Stadt  Wisby  auf  der  Insel  Gotland: 

„Jede  Gefahr,  dass  die  Wisby-Mauer  durch  eine  Unter- 
minirung auf  die  in  den  Mittheilungen  angedeutete  Weise 
dem  Einsturz  drohe,  ist  vollkommen  ausgeschlossen,  und 
die  betreffende  Angabe  nur  einer  mangelhaften  Beachtung 
des  Thatbestandes  oder  etwa  einer  allzu  regen  Phantasie 
zuzuschreiben.  Selbstverständlich  muss  dieses  ehrwürdige, 
über  600  Jahre  alte  Bauwerk  theilweise  tiefe  Spuren  der 
Einwirkung  der  Zeit  aufweisen.  Diese  Schäden  bestehen 
aber  nicht  in  Unterminirung,  sondern  allgemein  gesagt,  in 
der  Verwitterung  der  obersten  Schichten  der  Mauer,  sc(- 
wie  auch  anderer  hervorragender  Theile,  wodurch  das 
Mauerwerk  grössere  und  kleinere  Risse  bekommen  hat. 
Obwohl  diese  Schäden  keinen  so  schnellen  Untergang, 
wie  eine  Unterminirung  in  Aussicht  stellen,  werden  sie 
dennoch,  wenn  keine  Anstalten  dagegen  getroffen  wer- 
den,  mit  eben  derselben  Sicherheit,  wenn  auch  langsamer, 
den  schliessHchen  Untergang  des  Bauwerkes  herbeiführen. 
Es  ist  demnach  auf  eine  Abhilfe  dieser  Schäden  durch 
die  erwähnten  Erhaltungs-Arbeiten  abgesehen. 

Hinsichtlich  der  in  den  .Mittheilungen  besonders  er- 
wähnten Mauerstrecke,  die,  beiläufig  gesagt,  sich  im  Westen 
befindet,  nicht  im  Norden,  verhält  sich'  die  Sache  so,  dass 
man  vor  längerer  Zeit,  hauptsächlich  wegen  der  Anlage 
eines  öffentlichen  Gartens,  innerhalb  des  grössten  Theiles 
der  westlichen  Mauer,  d.  h.  der  Seemauer,  bedeutende 
Aufschüttungen  von  Erde  gemacht  hatte,  so  dass  der 
Boden  hier  an  der  Innenseite  der  Mauer  bedeutend  höher 
ist  als  ausserhalb  derselben,  wodurch  selbstverständlich 
ein  Erddruck  entstanden  ist.  Diesen  ungünstigen  Ver- 
hältnissen zum  Trotz  hat  doch  die  Mauer  auf  den  grössten 
Theil  ihrer  Länge  auf  eine  ausserordentliche  Weise  ihre 
senkrechte  Stellung  beibehalten.  Auf  einer  sehr  kurzen 
Strecke  hat  jedoch  der  Erddruck  die  Entstehung  einer 
recht  starken  Neigung  nach  aussen  herbeigeführt.  Die 
Mauer  ist  aber  hier  von  sehr  geringer  Höhe  und  es  hat 
keine  drohende  Gefahr  eines  Einsturzes  bisher  Vorge- 
legen. Nichtsdestoweniger  wurde  im  vergangenen  Sep- 
tember sicherheitshalber  gegen  die  schiefe  Stelle  ein 
Strebepfeiler  von  Kalkstein  errichtet,  in  welchem,  um 
seine  Tragfähigkeit  zu  vermehren,  Eisenbahnschienen  in 
Zement  eingesetzt  waren.  Die  erwähnten  eisernen  Stützen 

No.  99. 


sind  mithin  nicht  provisorisch,  sondern  im  Ge^entheil  auf 
die  Dauer  berechnet,'  natürlich  in  den  Strebepfeiler  ein- 
gebaut und  nicht  sichtbar.  -Die  bis  jetzt  ausgeführten  Ar- 
beiten haben  eine  Summe  von  ungefähr  20000  M.  betragen, 
die  noch  rückständigen  sind  auf  etwa  i.sooo  M.  berechnet. 

Ich  dächte,  die  stammverwandten  Freunde  jener  Bau- 
werke,  vielleicht  der  bedeutendsten  im  Norden,  könnten 
an  diesen  Mittheilungen  einiges  Interesse  finden."  — 

Fussbodenhelzung  im  kgl.  Nationalmuseum  in  München. 
Von  dem  Gedanken  ausgehend,  „dass  in  richtig  geheizten 
Räumen  die  Sammlungen  sich  besser  erhalten  als  in  un- 
geheizten, da  die  Aendernng  der  Temperatur  sowie  die 
Feuchtigkeit  in  viel  engeren  Grenzen  erhalten  werden", 
hat  man  die  Sammlungsräume  des  kgl.  National-Museums 
in  München  durchweg  geheizt  und  zwar  die  Räume  mit 
Holzfussboden  mit  Niederdruck-Dampfheizung,  die  Räume 
mit  Steinpflaster  aber  in  der  Form  der  römischen  Fuss- 
bodenheizung.  Diese  Art  der  Heizung  hatte  der  Architekt 
des  Gebäudes,  Prof.  Gabriel  von  Seidl  in  München,  mit 
Erfolg  bereits  in  einem  Sammlungssaale  der  Riedinger’- 
schen  Fabrik  in  Augsburg  zur  Anwendung  gebracht.  Die 
Anordnung  dieser  Heiznngsart  zeigen  die  beistehenden 


Skizzen,  die  wir  dem  kürzlich  erschienenen  Prachtwerk: 
„Der  Neubau  des  bayerischen  National  Museums  in  Mün- 
chen" (F.  Bruckmann,  A.-G.)  entnommen  haben.  Die  An- 
ordnung besteht  darin,  dass  sich  die  Heizrohren  unter  dem 
Bodenbelag  im  Sande  oder  in  offenen  Kanälen  in  Ab- 
ständen von  0,55  m rostartig  hinziehen  und  so  den  Boden- 
belag gleich  einem  Thonofen  erwärmen  und  ihn  zur  Heiz- 
quelle  machen.  In  dieser  Art  sind  drei  Räume,  die  Em- 
pfangshalle, der  romanische  Saal  und  die  Waffenhalle  er- 
wärmt. „Diese  Heizung  hat  sich“,  wie  in  dem  genannten 
Werke  ausgeführt  wird,  „trefflich  bewährt;  sie  bietet 
eine  angenehme,  staubfreie  Wärme,  die  nicht  nach  der 
Decke  fliegt."  Ohne  Zweifel  sind  die  Kosten  für  diese 
Heizart  nicht  unerheblich  höhere,  als  für  die  bisher  ge- 
bräuchlichen Arten;  gleichwohl  wird  man  bei  Räumen, 
in  welchen  kostbare  Sammlungen  untergebracht  sind, 
ihrer  grossen  Vorzüge  wegen  unbedenklich. zu^ihrer  An- 
wendung schreiten.  — 

Ueber  Staukurven-Berechnung.  In  der  bezgl.'Mittheilung 
in  No.  80  der  Dtschn.  Bztg.  S.  514  ist  angenommen,  dass 
ein  Wasserlauf  in  einen  See  münde,  dessen  Spiegel  so 
weit  iii  den  Wasserlauf  zurückstaut,  dass  im  ganzen  Ge- 
biete der  Betrachtung  das  Profil  konstant  ist.  Auch  sei  die 
■■Querschnittsfläche  des  Wassers  eine  lineare  Funktion  der 
Tiefe.  Das  Problem  der  Stauweite  wird  durch  die  einfache 
Voraussetzung  erledigt,  dass  der  Stau  über  dem  Punkte 
seinen  Anfang  nehme,  an  welchem  der  Seespiegel  die 

JO.  Dezember  1902. 


Sohle  des  Wasserlaufes  anschneidet.  Diese  Voraussetzung 
ist  natürlich  ganz  willkürlich  und  durch  nichts  begründet. 

In  der  folgenden  rechnerischen  Behandlung  der  Sache 
soll  man  sich  unter  denjenigen  Theil  der  Geschwindigkeit 
vorstellen,  welcher  sich  aufgrund  des  Umstandes,  dass  ein 
Widerstand  angetroffen  wird,  in  Stau  umsetzt.  Aber  dieVor- 
aussetzungen  für  die  rechnerische  Aufstellung  sind  falsch. 

Es  ist  kein  Wunder,  wenn  man  mit  diesen  Voraus- 
setzungen zu  einem  Knick  im  Wasserspiegel  kommt. 
Dieser  Knick  kehrt  die  Spitze  nach  oben,  sobald  •zv^  '>gh- 
Für  den  Fallü^  = ^Ä  wird  der  Wasserspiegel  in  A nach 
aufwärts  wagrecht  und  nach  abwärts  bekommt  er  das 

Gefälle  y.  Die  durch  die  Gleichung  y = darge- 

stellte Parabel  hat  eine  wagrechte  Tangente  im  Abstande 

T>  u • 9 ctg  <p 

Xq  von  B,  wobei  xq  • 

Wird  nun  v^>gh,  so  fällt  diese  wagrechte  Tangente 
in  die  Strecke  HA  und  der  Wasserspiegel  steigt  von  dort 
an  bis  A hin.  Für  v^'>zgh  wird  sogar  der  Wasserspiegel 
in  A höher,  als  in  B.  Diese  Verhältnisse  von  v und  h 
sind  praktisch  nicht  etwa  unmöglich.  Beispielsweise  kann 
für  Ä,  = 2™  und  ctg  = 200,  wie  am  a.  0.  angenommen 
ist,  die  Geschwindigkeit  v noch  recht  wohl  5 “/Sek.  wer- 
den. Die  Stauweite  würde  sich  gleich  bleiben  wie  dort 
(400“);  aber  schon  bei  314“  von  B aus  hat  der  Wasser- 
spiegel seinen  Tiefpunkt  erreicht  und  steigt  in  den  fol- 
genden 86“. 

Es  dürfte  damit  erwiesen  sein,  dass  die  a.  a.  0.  ab- 
geleiteten Formeln  nicht  nur  auf  unhaltbaren  Voraus? 
Setzungen  aufgebaut,  sondern  auch  unrichtig  sind.  Wenn 
man  bedenkt,  wie  schwierig  es  ist,  für  einen  sonst  nicht 
beobachteten  Wasserlauf  das  grösste  Hochwasser  festzijT 
stellen,  und  mit  welch’  geringem  Grade  von  Genauigkeit 
man  sich  dabei  gewöhnlich  begnügen  muss,  so  kann  man 
wohl  sagen:  im  angenommenen  Fall  wäre  ein  Anlass  zu 
irgend  einer  Rechnung  überhaupt  nicht  gegeben.  — 

Augsburg.  ; K.  Li.’ 

Eggert-Decke,  Zu  den  Ausführungen  in’ No.  95  S.  6ii 
theilt  uns  das  Betonbaugeschäft  H.  Schacht  & Co.  in 
Hannover  mit,  dass  die  nach  diesem  System  dort  im  Rath- 
hausneubau hergestellten  Decken  von  genannter  Firma 
selbst  ausgeführt  sind,  nicht  von  Dyckerhoff  & Wid- 
mann  in  Biebrich  a.  Rh.,  welche  ihrerseits  die  .Probe- 
decke in  Düsseldorf  vorgeführt  hatten.  — 

Zur  Versendung  der  „Deutschen  Bauzeitung“.  Aus  dem 
Abnehmerkreise  der  „Deutschen  Bauzeitung"  gehen  uns 
zahlreiche  Beschwerden  über  Beschädigungen  zu,  mit 
welchen  die  Kreuzbandsendungen  der  Zeitung  in  die 
Hände  der  Abonnenten  gelangen.  So  sehr  wir  die  Be- 
rechtigung dieser  Beschwerden  anerkennen,  müssen,  so 
sind  wir  doch  leider  ausser  Stande,  auf  eine  Verhinderung 
derselben  hinzuwirken,  wenn  der  Bezugsweg  der  Kreuz- 
bandsendung der  Versendung  durch  das  Postzeitungsarnt 
vorgezogen  wird.  Es  ist  bei  der  üblichen  Art  der  Be- 
förderung der  postalischen  Kreuzbandsendungen,  im  Brief- 
beutel nicht  zu  vermeiden,  dass  die  Zeitung  in,  etwas  zer- 
knittertem Zustande  den  Abnehmern  überreicht  wird.  Auch 
pflegen  die  Briefträger  bisweilen  um  die  sortirten  Post- 
sendungen Bindfaden  zu  schnüren,  was  häufig  ein  Ein- 
reissen  der  grösseren  Formate  der  Postsendungen  zurfolge 
hat.  Alle  diese  Uebelstände  können  umgangen  werden 
durch  Bestellung  der  „Deutschen  Bauzeitung" 
nach  der  Postzeitungsliste  unmittelbar  bei  dem 
zuständigen  Postamte  des  Wohnortes  des  Em- 
pfängers. Die  Zeitung  wird  dann  im  Zeitungsballen  be- 
fördert, leidet  hierdurch  weniger,  kommt  zur  gleichen 
Zeit  an  und  es  tritt  für  den  Empfänger  noch  eine  kleine 
Ersparniss  durch  den  Fortfall  des  Betrages  für  die  Post- 
anweisung ein.  Um  eine  Unterbrechung  in  der  ZuSendun,g 
zu  vermeiden,  empfiehlt  es  sich,  die  Bestellung 
spätestens  14  Tage  vor  Schluss  des  Kalender- 
Vierteljahres  zu  veranlassen.  — 


Preisbewerbungen. 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
ein  neues  Kunstbaus  in  Zürich  erlässt  die  Züricher  Kunst- 
gesellschaft für  schweizerische  oder  in  der  Schweiz  nieder- 
gelassene auswärtige  Architekten  zum  i.  Mai  1903.  Zur 
Vertheilung  von  nichtweniger  als3Preisen  stehen  85ooFrcs. 
zur  Verfügung;  der  erste  Preis  soll  mindestens  2500  Frcs. 
betragen.  Dem  Preisgerichte  gehören  als  Architekten  an 
die  Hrn.  Prof.  Theod.  Fischer  in  Stuttgart,  Karl  Moser 
in  Karlsruhe,  H.  Pestalozzi  in  Zürich  und  Prof.  Friedr. 
von  Thiersch  in  München.  Es  besteht  die  Absicht, 
dem  Verfasser  des  an  erster  Stelle  ausgezeich- 
neten Entwurfes  die  Ausführung  zu  Übertragen.  — 

635 


Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
einen  Stadtpark  ln  Plauen  1.  V.  erlässt  der  dortige  Stadt- 
rath zum  28.  Febr.  1903.  Es  gelangen  3 Preise  von  700, 
500  und  300  M.  zur  Verth eilung;  ein  Ankauf  nicht  preis- 
gekrönter Entwürfe  für  je  100  M.  ist  Vorbehalten.  Im 
Preisgericht  befindet  sich  neben  einer  Reihe  von  Garten- 
künstlern als  Techniker  Hr,  Stadtbrth.  Fleck  in  Plauen. 
Unterlagen  gegen  2 M.  durch  die  Stadtbauverwaltung;  der 
Betrag  wird  „an  die  Verfasser  der  nicht  preisgekrönten 
oder  angekauften  Entwürfe  zurückgezahlt“.  — 

Wettbewerb  Skatbrunnen  Altenburg.  Unter  37  Ent- 
würfen erhielten  3 gleich  hohe  Preise,  die  der  Hrn.  Bildh. 
E.  Pfeifer  in  München,  Bildh.  O.  Pech  in  München  und 
Bildh.  O.Rassau  & Arch.  F.  R.  Voretzsch  in  Dresden.  — 


Bücherschau. 

Bas  „Adressbuch  der  Zementfabriken  Deutschlands 
nebst  ihren  Fabrikmarken“,  180  S.,  8*^,  Pr.  in  Leinenband 
3 M.,  ist  soeben  ira  Verlag  der  Thonindustrie-Zeitung,  Ber- 
lin N.W.  5,  erschienen.  Es  enthält  ein  vollständiges  Ver- 
zeichniss der  deutschen  Zementfabriken.  Hieran  schliessen 
sich  alphabetische  Verzeichnisse  der  aufgeführten  Firmen, 
Besitzer  und  Direktoren  der  Orte,  in  welchen  sich  Zement- 
fabriken bezw.  deren  Büreaus  befinden  und  ein  alpha- 
betisches Bezugsquellen-Verzeichniss,  Als  Anhang  folgt 
eine  Darstellung  der  Zementprüfung  mit  Beschreibung  und 
Abbildung  der  zu  diesem  Zwecke  erforderlichen  Apparate 
und  Geräthe.  Diese  Zusammenstellung  ist  von  besonderem 
Werthe,  da  in  ihr  der  Versuch  gemacht  ist,  alle  in  der 
Fachlitteratur  bekannt  gewordenen  Geräthe  und  Apparate 
einheitlich  zusaramenzustellen.  ~ 

Axchitektonische  Rundschau.  Monatlich  i Heft.  Verlag  von 

J.  Engelhorn  in  Stuttgart.  Preis  des  Jahrganges  20  M. 

Seit  einem  Jahre  erscheint  diese  bewährte  Monats- 
schrift in  neuer  Gestalt  und  erweitertem  Inhalte  und  hat 
sich  hierdurch  eine  Reihe  neuer  Freund  erworben.  Nun- 
mehr gehen  auch  die  bisher  im  Verlage  von  Friedr. 
Wolfrum  & Co.  in  Wien  erschienenen  „Architektonischen 
Monatshefte“  nach  Abschluss  des  VIII.  Jahrganges  der- 
selben in  die  „Architektonische  Rundschau“  auf.  Üm  einen 
Uebergang  zu  schaffen,  werden  die  „Architektonischen 
Monatshefte"  zwar  noch  für  Jahrgang.  IX.  diesen  Titel 
führen,  sie  werden  jedoch  zum  grössten;  Theile  mit  dem 
Inhalt  der  „Architektonischen  Rundschau“  erscheinen.  — 
Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Ehrhardt,  W.  Zeitgemässe  Gasthäuser.  Frankfurt  a.  M. 
Reinhold  Mahlau.  Pr.  30  Pf. 

Festschrift  des  Rheinischen  Vereins  zur  Förderung  des  Ar- 
beiter-Wohnungswesens aus  Anlass  des  internat.  Wohnungs- 
Kongresses  in  Düsseldorf  1902.  Pr.  1,50  M. 

V.  Grove,  O.,  Dr.-Ing.,  Prof.  Konstruktionslehre  der  ein- 
fachen Maschinentheile,  mit  Atlas.  Bd.  I.  Leipzig 
1902.  S.  Hirzel.  Pr.  10  M. 

Dr.  Grimshaw,  Robert,  Ing.  Leitfaden  für  das  isometri- 
sche Skizziren,  mit  besonderem  Bezug  auf  die  isometri- 
schen Skizzenblöcke,-  mit  145  Text-Abbildungen.  Hannover 
- 1902.  Gebr.  Jänecke.  Pr.  i M. 

Gros,  Jacq.,  Architekt.  Skizzen  für  Wohn-  und  Land- 
häuser, Villen  usw.,  hauptsächlich  Holzarchitekturen. 
II.  Serie,  Lfrg.  5,  6 und  7 (vollst.  in  10  Lfrgn.).  , Ravensburg 
1902.  Otto  Maier.  Pr.  der  Lfrg.  2 M. 

Haase,  F.  H.,  Ingenieur.  Der  Ofenbau.  Einrichtung  und  Aus- 
führung der  ZimraerÖfen,  der  Kaloriferen,  der  Küchenöfen  und 
der  Badeöfen.  I.  Abth.:  Die  Kachelöfen.  Berlin  1902.  Zeit- 
schrift für  Lüftung  und  Heizung.  Pr.  3 M. 

Hauck,  Karl,  k.  k.  Gewerbe-Inspektor.  Schutz  der  Staub- 
ar b ei  t e r.  Wien  1902.  Zeitschr.  f.  Gew.-Hygiene.  Pr.  1,50  M. 
Hundt,  Robert,  kgl.  Berginspektor.  Bergarbeiter-Woh- 
nungen im  Ruhrgebiet.  Berlin  1902.  Jul.  Springer.  Pr.  5 M. 
Issel,  Hans,  kgl.  Baugewerk-Schullehrer.  Illustrirtes  Hand- 
lexikon der  gebräuchlichen  Baustoffe.  Liefrg. 
2,  3 u.  4.  Leipzig  1902.  Theod.  Thomas.  Pr.  der  Lfrg.  i M. 
— Hans , Architekt.  Architektonische  Hochbau- 
Musterhefte.  XI.  Sammlung,  i.  Theil:  Moderne  Ein- 
familienhäuser und  Villen.  16  Tafeln  mit  Text.  Leipzig  1902. 
Carl  Scholtze.  Pr.  3,50  M. 

Hübner’s  Geographisch-statistische  Tabellen  aller 
Länder  der  Erde.  Herausgegeben  von  Hofrath,  Prof.  Fr. 
von  Juraschek.  Frankfurt  a.  M.  1902.  Heinrich  Keller. 
Kalender  für  Heizungs-,  Lüftungs-  und  Bade-Tech- 
niker.  Herausgegeben  von  Ob.-Ing.  J.  H.  Klinger.  8.  Jahrg. 
Halle  a.  S.  1903.  Carl  Marbold.  Pr.  3 M.,  in  Leder  geb.  4 M. 
Kalender  für  Maschinen-Ingenieure.  Herausgegeben 
von  Ziv.-Ing.  W.  H.  Uhland,  in  2 Theilen.  29.  Jahrg.  1903. 
Stuttgart.  Arnold  Bergsträsser.  Pr.  3 M. 

Kalender  für  Strassen  - & Wasserbau-  und  Kultur- 
Ingenieure.  Neubearbeitet  von  Reg.-  u.  Brth.  R.  Scheck. 
30.  Jahrg.  1903.  Wiesbaden.  J.  F.  Bergmann.  Pr.  4 M. 

P.  Stühlen’s  Ingenieur -Kalender  für  Maschinen-  und 
Hüttentechniker.  Herausgegeben  von  Ziv.-Ing.  C.  Franzen 
und  Ing.  K.  Mathee,  in  2 Theilen.  38.  Jahrg.  1903.  Essen. 
G.  D.  Baedeker.  Pr.  2,80  M.,  Lederband  3,50  M.,  als  Brief- 
tasche 4,50  M. 

(536 


Kürschner’s  Jahrbuch.  Herausgegeben  von  Herrn.  Hillger. 
Jahrgang  1903.  Berlin.  H.  Hillger.  Pr.  i M. 

König,  Friedr.,  Ing.  Die  Pumpen.  Eine  Darstellung  ihrer 
Konstruktion  und  Wirkungsweise,  für  Ingenieure,  Techniker, 
Maschinenfabrikanten,  Brunnenbauer  und  Landwirthe,  mit  196 
Illustrationen.  Berlin  1902.  Herrn.  Costenoble.  Pr.  10  M. 

Konow,  W.,  Ing.  Fiernelsen  af  Stov  og  usund  Luft 
fra  Fabriks-,  Vaerksteds-  og  Arbeidslokaler, 
Kopenhagen  1902.  Vilhelm  Priors  Hof-Boghandel. 


Personal-Nachrichten. 

Deutsches  Reich.  Der  Eisenb.-Betr.-Dir.  Bennegger  in 
Strassburg  i.  E.  ist  gestorben.' 

Bayern.  Der  Reg -Rath  Lehn  er  bei  der  Eisenb.-Betr.-Dir. 
Ingolstadt  ist  s.  Ans.  entspr.  in  den  Ruhestand  getreten. 

Preussen.  Dem  Eisenb.-Dir.  Glanz  in  Braunschweig  ist  der 
kgl.  Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zum  Tragen  der  ihnen  ver- 
liehenen fremdländ.  Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  dem  Ob.-  und  Geh. 
Brth.  Goepel  in  Berlin  des  Kommandeurkreuzes  des  Ordens  der 
Italien.  Krone;  den  Reg.-  u.  Brthn.  Schellenberg  in  Erfurt  und 
Matthes  in  Magdeburg  des  Offizierkreuzes  des  kgl.  italien.  St. 
Mauritius-  und  Lazarus-Ordens;  den  Eisenb.-Dir.  Martiny  in 
Meiningen  und  Meyer  in  Magdeburg  2 des  Offizierkreuzes  des 
Ordens  der  italien.  Krone. 

Dem  Eisenb.-Bauinsp.  Brosius  in  Saarbrücken  ist  die  Stelle 
des  Vorst,  einer  Werkst. -Insp.  bei  der  Eisenb.-Hauptwerkst  das. 
verliehen. 

Der  Reg.-Bmstr.  H u s h a m in  Düsseldorf  ist  z.  Eisenb.-Bau- 
insp. ernannt. 

Die  Reg.-Bfhr.  Herrn.  Bock  aus  Brake,  Ernst  Neumann 
aus  Erxleben  und  Karl  Bökemann  aus  St.  Petersburg  (Wasser- 
u.  Strassenbfch.),  — Paul  Krause  aus  Strassburg  1.  E.  (Hoch- 
bfch.),  — Christ.  Ewig  aus  Hildesheim,  Arth.  Blau  aus  Berlin 
und  Erwin  Sonne  aus  Harburg  (Eisenbfch.),  — Ernst  Student 
aus  Albrechtshof  und  Kurt  Stolzenburg  aus  Simötzel  (Masch.- 
Bfch.)  sind  zu  Reg.-Bmstrn.  ernannt. 

Sachsen.  Der  Prof.  Schumacher  an  der  Techn.  Hoch- 
schule in  Dresden  ist  zum  ord.  Prot,  ernannt. 


Briel-  und  Fragekasten. 

Architekt  R.  in  R.  Eiserne  Rohre  sind  gegen  saure  Wasser 
nicht  haltbar.  Da  nun  die  Druckhöhe,  welche  die  Rohre  auszu- 
halten  haben,  nicht  voll  6m  beträgt,  so  können  Sie  mit  glasirten 
Thon  rohren  von  besonderer  Güte,  wie  sie  z.  B.  von 
der  Deutschen  Thonröhren-  und  Chamottefabrik  in  Münsterberg  und 
von  der  Deutschen  Steinzeugröhren-Fabrik  Fried- 
richsfelde in  Baden  geliefert  werden,  noch  recht  gut  auskommen. 
Die  Rohre  beider  Fabriken  sind  gegen  Säure  beständig,  ebenso  die 
Muffendichtungen  mit  Asphaltkitt.  Rohre  und  Dichtungen  sind  auch 
dem  Druck  von  0,6  Atmosphären  mehr  als  gewachsen.  Sie  können 
sich  darüberin  Büsing:  „Die  Städtereinigung",  S.393U.670.  genau 
unterrichten.  Ummantelung  mit  Monierrohr  verspricht  keinen  Nutzen, 
ist  auch  unnöthig.  An  der  tiefsten  Stelle  der  Leitung  kann  eine  Eirt- 
richtung  zum  Entfernen  von  Ablagerungen  nicht  entbehrt  werden.  — 

Architekt  Fr.  in  Stassfurt.  Die  ausschreibende  Stelle  ist  nicht 
verpflichtet,  Gründe  für  die  Ablehnung  Ihres  Gesuches  anzugeben,  -r- 

Hrn.  J.  B.  in  Nürnberg.  Wenden  Sie  sich  an  die  Kolonial- 
Abtheilung  des  Auswärtigen  Amtes  in  Berlin,  Wilhelmstr.  75  u.  76.- — 
Anfragen  an  den  Leserkreis. 

1.  Sind  hohe  Monumentalbauten  auf  aufgeschüttetem  Boden  in 

früheren  Festungsgräben,  woselbst  der  gute  Baugrund  nur  mit  ganz 
ungeheuren  Kosten  zu  erreichen  ist,  schon  ausgeführt  worden,  ohne 
dass  man  auf  den  guten  Baugrund  mit  Pfeilern  usw.  herüjiter  ging? 
Welcher  Art  war  hier  die  Gründung?  Die  fragliche  Aufschüttung 
ist  etwa  5 Jahre  alt.  A.  M.  in  Berlin. 

2.  Wie  hat  sich  der  feuerfeste  Mörtel  „Proklidin"  bewahrt^ 

und  welches  ist  seine  Bezugsquelle?  — Giebt  es.  für  gereinigte 
bezw.  abgebeizte  Trittstufen  einer  stark  begangenen  Eichenholz- 
Treppe  einen  dauerhaften  Anstrich,  der  die  Naturfarbe  des  Holzes 
erhält?  H.  Br.  in  D. 

3.  Ist  einem  unsererLesertlünnekes  Verfahren  zur  Herstellung 

künstlicher  Bausteine,  sowie  etwas  über  Verarbeitung  und  Bewäh- 
rung dieses  Materials  bekannt?  H.  in  St. 

Fr  age b e an t w o.'rt  un g au^s  dem  Le s e r kr ei;s  e. 

Zur  Anfrage  2 in  No.  80  betr.  Geläute  der  Sacre-Coeur- 
KircheinParis;  Nähere  Auskunft  dürfte  beiA.  Guenee  et  Cie.,  soci6t6 
de  constructions  electriques  et  mecaniques  Paris-Belleville,  Rue  des 
Bois  14  et  16,  zu  erhalten  sein.  Diese  Gesellschaft  hat  ein  Patent 
auf  Elektromagnete  (Solenoide)  mit  konstanter  Kraft  (electro-aimants 
ä efforts  constants  Systeme  Guenee  et  Cie.).  Die  Elektromagnete 
stellen  an  und  für  sich  einen  äusserst  einfachen,  gegen  alle  stören- 
den Einflüsse  unempfindlichen  Bewegungs- Apparat  dar,  besitzen 
aber  wieder  gewisse  Nachtheile.  Diese  letzteren  nun  hat  die  Ge- 
sellschaft durch  eine  besondere  Anordnung  des  Kernes  des  Solenoids 
theilweise  behoben.  Die  Elektromagnete  von  Guenee  lassen  als 
Bewegungs-Vorrichtungen  alle  möglichen  Anwendungen  zu  (z.  B. 
die  französische  Westbahn  verwendet  sie  zum  Umstellen  von 
Weichen  und  Signalen)  und  dürften  auch  bei  dem  mir  im  übrigen 
unbekannteu  Geläute  der  Sacre-Coeur-Klrche  verwendet  sein.  — 
Heinrich  Salier,  k.  Direkt-Ass.  in  Kempten. 


Inhalt:  Stromerzeugung  für  elektrische  Hausbeleuchtung.  — Mitthei- 
lungen  aus  Vereinen.  — Vermischtes.  — Preisbewerbungen.  — Bücberschau. 
— Personal-Nachrichten.  — Brief-  und  Fragekasten. 


Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwort!.  Albert  Hoimann,  Berlin.  Druck  von  Wilb.  Greve,  Berlin. 

No.  99. 


Zur  Frage  des  Um-  oder  Neubaues  der  Augustus-Brücke  in  Dresden. 


jeit  mehr  als  einem  Jahrzehnt  beschäftigt  die 
Frage  des  Umbaues  der  alten  Augustus- 
Brücke  in  Dresden  nicht  nur  die  dortige 
Stadtverwaltung,  sondern  auch  weitere 
- Kreise,  welche  sich  der  Befürchtung  nicht 
entschlagen  können,  dass  eine  Umgestaltung  oder  gar 
ein  vollständiger  Neubau  des  ehrwürdigen  Bauwerkes, 
das  mit  seiner  wuchtigen  Erscheinung  sich  so  glück- 
lich seiner  Umgebung  anpasst,  einen  Misston  in  die 
Harmonie  des  unvergleichlich  schönen,  charakteristi- 
schen Städtebildes  bringen  könnte. 


Dass  das  jetzige  Bauwerk  den  Ansprüchen  des 
Strassenverkehres  nicht  mehr  in  ausreichendem  Maasse 
entspricht,  dass  seine  engen  Durchfahrtsöffnungen  und 
unverhältnissmässig  massigen  Pfeiler  die  Schiffahrt  in 
unzulässigem  Maasse  behindern  und  durch  Aufstau 
bei  Hochwasser  die  oberhalb  gelegenen  tieferen  Stadt- 
theile  und  Geländeflächen  schädigen,  dass  demzufolge 
eine  Veränderung  des  jetzigen  Zustandes  eine  Noth- 
wendigkeit  geworden  ist  und  dass  bei  einer  solchen 
Umgestaltung  den  Anforderungen  des  modernen  Ver- 
kehres Konzessionen  gemacht  werden  müssen,  ist  eine 


Ein  Prachtwerk  über  das  Bayerische  National- 

Museum  in  München.  (Hierzu  eine  Bildbeiiage  u.  die  Abb.  S.  641.^ 
or  kurzem  ist  über  das  neue  Bayerische  National- 
Museum  in  München  eine  gross  angelegte  Ver- 
öffenllichung  erschienen,  welche  zu  den  vornehm- 
sten Erscheinungen  der  modernen  Buchkunst  gehört.*)  Es 
ist  ein  Prachtwerk  mit  82  Tafeln  herrlichster  Lichtdrucke 
und  Lithographien,  und  mit  88  Seiten  reich  illustrirten 
Textes;  die  trefflichen  photographischen  Aufnahmen  stam- 
men von  Ilrn.  Arch  Otto  Aufleger,  die  Lichtdrucke  aus 
der  Kunstanstalt  F.  Bruckmann,  der  Buchdruck  und  die 
Klischees  von  Alphons  Bruckmann  und  die  Lithographien 
von  Hubert  Köhler,  sämmtlich  in  München.  Der  Her- 
ausgeber des  Werke.5,  Prof.  Gabriel  von  Seidl,  hatte 
ursprünglich  die  Absicht,  seine  Gedanken  über  den  Neu- 
bau in  seiner  persönlichen  Sprache  auszusprechen,  ein 
Vorhaben,  von  welchem  wir  eine  höchst  interessante  Dar- 
stellung über  die  Kunstweise  des  seltenen  Münchener 
Meisters  hätten  erwarten  können.  Indessen,  dringende 
Berufsgeschäfte  haben  diese  Ab-^icht  zunächst  verzögert 
und  dann  ganz  vereitelt,  sodass  Seidl  gezwungen  war,  die 
Hilfe  des  Hrn.  Reicbsarchivsekretärs  Dr.  Jvo  Striedijnger 
in  München  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Das  Bayerische  National- Museum  ist  eine  Schöpfung 
Maximilians  II-,  „meinem  Volk  zu  Ehr'  und  Vorbild“.  Nach 
dem  Willen  des  Gründers  sollte  es  neben  einer  reichen 
Sammlung  von  Aiterihümern  alles  dem  bayerischen 
Volke  Eigenthümliche  umfassen  und  alles  sammeln,  was 


*1  Der  Neuban  des  Ttayerlsrhen  Nation al  - Mu s ea m s in 
München.  Herans?ese'^en  mit  (>enehruienn|r  des  kgl,  Siaatsministeriiims 
des  (nneren,  fDr  Kirchen-  und  bchulangelepenheiteo.  MOnenen,  Verlags- 
austalt  F.  Bruckmano  A.-G.  1903.  Preis  70  M. 


zur  Charakterisirung  der  vergangenen  Jahrhunderte,  des 
geistigen  und  materiellen  Volkslebens,  der  herrschenden 
Zeitrichtungen,  insbesondere  in  Bezug  auf  Kunst  und 
Gewerbe  dient,  1855  wurde  es  unter  Aretins  Leitung  in 
den  Räumen  der  Herzog  Max-Burg  eröffnet.  Hier  blieb 
es  nicht  lange,  denn  die  Sammlungen  wuchsen  so  schnell 
an.  dass  am  12.  Okt.  1867  ein  neues  Haus  an  der  Maxi- 
miliansstrasse eröffnet  werden  musste,  welches  indessen 
trotz  seines  Umfanges  für  die  nun  von  Hefner-Alteneck  ge- 
leiteten Sammlungen  gleichfalls  bald  wieder  zu  klein  wurde. 
Zu  den  mehr  und  mehr  sich  wiederholenden  Klagen  über 
Raummangel  traten  Bedenken  wegen  der  Feuergefährlich- 
keit und  baulicher  Mängel  des  Hauses,  sodass  die  baye- 
rische Kammer  sich  der  Nothwendigkeit  eines  Neubaues 
fernerhin  nicht  mehr  verschliessen  konnte.  Eine  Summe 
von  1 100000  M.  fand  Aufnahme  in  das  Finanzgesetz  des 
Jahres  1892  und  zwei  weitere  Summen  von  2500000  M. 
und  1000000  M.  wurden  von  den  Landtagen  189394 
1895/96  bewilligt.  Als  Bauplatz  war  zunächst  der  nörd- 
liche Theil  eines  im  Staatsbesitz  befindlichen  Geländes 
in  derPrinzregenten-Strasse  bestimmt,  ein  unregelmässiges, 
von  der  Bogenhauser-,  der  Himbsel-  und  der  Alexander- 
strasse begrenztes  Viereck,  welches  indessen  namentlich 
mit  Rücksicht  auf  eine  spätere  Erweiterungsfähigkeit  des 
Hauses  für  zu  klein  befunden  und  bis  zur  Lerchenfeld- 
strasse, d h.  bis  zum  Englischen  Garten  vergrössert  wurde. 
Zur  Erlangung  geeigneter  Entwürfe  wurde  ein  engerer 
Wettbewerb  unter  den  Architekten  Prof.  Georg  v.  Hau  ber- 
risser,  Prof.  Romeis  und  Prof.  Gabriel  Seidl  veran- 
staltet, oder  vielmehr,  es  wurden  diese  Herren  „veranlasst, 
ihre  Ideen  konkurrirend  zum  Ausdruck  zu  bringen",  wie 
der  Bericht  sagt.  Im  September  1893  wurden  die  fertigen 
Entwürfe  zur  Vorlage  gebracht.  — (Schluss  foljt.) 


637 


Thatsache,  welche  Niemand,  der  die  örtlichen  Verhält- 
nisse einigermaassen  kennt,  wird  ableugnen  können. 
Um  so  nachdrücklicher  wird  man  aber  auch  anderer- 
seits die  Forderung  stellen  dürfen,  dass  man  bei  dieser 
Umgestaltung  der  äusseren  Erscheinung  des  Bau 
Werkes  die  weitgehendste  Rücksicht  zutheil  werden 
lässt,  dass  man  pietätvoll  erhält,  was  zu  retten  ist, 
dass  man,  falls  sich  ein  vollständiger  Neubau  als  noth- 
wendig  erweist,  diesen  in  eine  Form  kleidet,  welche 
der  Bedeutung  der  historischen  Stätte  entspricht  und 
sich  in  die  Umgebung  würdig  einfügt. 

Nach  einer  Mittheilung  des  „Dresdner  Anzeigers“ 
vom  4.  Dez.  d.  J.,  die  man  nach  der  Stellung  dieses 
Blattes  zur  Stadtverwaltung  im  wesentlichen  wohl  aiszu- 
treffend ansehen  darf,  hat  zwischen  dem  Finanz-Mini- 
sterium und  dem  Rathe  bereits  eine  Einigung  über  einen 
zur  Ausführung  bestimmten  Plan  eines  Neubaues  der 
Brücke  stattgefunden,  der  nur  noch  der  Genehmigung 
der  Stadtverordneten  -Versammlung  bedarf.  Dieser 
vom  städtischen  Tiefbauamte  aufgestellte  Entwurf 
sieht  einen  vollständigen  Neubau  an  der  alten  Stelle 
vor,  da  die  vorhandene  Brücke  in  allen  Theilen 
baufällig  und  auf  längere  Zeit  nicht  mehr  zu  erhalten 
sei.  Da  mari  als  selbstverständlich  voraussetzen  darf, 
dass  dieses  Urtheil  auf  eingehenden  Untersuchungen 
des  alten  Bauwerkes  beruht,  so  wird  man  sich  hier 
mit  also  wohl  abfinden  müssen. 

Nach  der  genannten  Quelle  soll  die  neue  Brücke 
zwischen  den  festgesetzten  Normaluferlinien  statt  der 
vorhandenen  I40effnungen  mit  i3mächtigenZwischen- 
pfeilern  nur  10  Oeffnungen  mit  9 schlanken  Pfeilern 
erhalten.  Der  Mittelöffnung  soll  eine  Weite  von  401« 
gegeben  werden,  daran  schliessen  sich  beiderseits  zwei 
Oeffnungen  von  je  36  an  und  die  übrigen  Wölbungen 
gehen  in  entsprechender  Abstufung  bis  auf  18  “ in 
der  lichten  Weite  herab.  Der  Schiffahrtsweg,  der 
jetzt  für  die  Thal-  und  Bergfahrt  getrennt  durch  die 
beiden  17,2  bezw.  21  weiten  Oeffnungen  neben  dem 
3.  Pfeiler,  vom  Altstädter  Ufer  gerechnet,  hindurch  ging, 
würde  dann  nach  der  Mitte  verlegt  werden.  Da  die 
alten  Wölbungen  eine  sehr  erhebliche  Konstruktions- 
höhe besitzen,  wird  der  neue  Brückenscheitel  trotz 
der  vergrösserten  Spannweiten  nur  rd.  0,90"^  höher 
liegen,  als  der  bisherige,  dabei  aber  gleichzeitig  um  20*" 
seitwärts  nach  der  Neustadt  hinüberrücken. 


Sehr  erheblich  würden  die  Ver^derungen  sein, 
welche  infolge  Vorschiebung  der  Ufer  entstehen.  Auf 
der  Neustädter  Seite  würde  der  Brückenanfang  45“ 
gegen  den  Strom  vorgezogen,  auf  der  Altstädter  Seite 
um  8“.  Dort  rückt  aber  das  Ufer  noch  um  weitere 
24“  vor,  sodass  eine  Verlängerung  des  Terrassen- 
Ufers  in  17 “Breite  unter  der  Brücke  hinweg  bis  vor 
das  Hötel  Bellevue  nach  dem  Theaterplatze  hinauf  ge- 
führt werden  kann  mit  einer  Rampe  von  i : 40  Steh 
gung.  Dieser  Uferstrasse  würde  das  bekannte  Helbig’- 
sche  Restaurant  (italienisches  Dörfchen)  zum  Opfer 
fallen,  für  welches  jedoch  ein  Ersatz  hinter  der  Ufer- 
strasse geschaffen  werden  soll.  Auch  die  Altstädter 
Hauptwache,  die  jetzt  dem  Zwinger  vorgelagert  ist, 
soll  nach  dorthin  verlegt  werden.  Ausserdem  sind 
weitere  Umgestaltungen  der  Uferanschlüsse  geplant. 

Die  Breite  der  Brücke,  die  jetzt  nur  etwas  über 
II  “ zwischen  den  Geländern  beträgt,  wird  gleich 
derjenigen  der  Albertbrücke  auf  18“  erhöht  werden 
(Carolabrücke  16“,  Marienbrücke  17“).  Den  An- 
sprüchen des  Strassen-  und  Schiffahrtsverkehres,  also 
den  Anforderungen  der  Zweckmässigkeit,  würde  durch 
dieses  neue  Bauwerk  wohl  in  vollem  Maasse  genügt 
werden. 

Was  die  architektonische  Ausgestaltung  betrifft, 
so  sagt  darüber  unsere  Quelle,  es  habe  das  Tiefbau- 
arat  „nach  Möglichkeit  sein  Streben  darauf  gerichtet, 
dass  dem  Neubau  thunlichst  Charakter  und  Ansehen 
der  alten  Brücke  erhalten  bleiben“.  Zu  dem  Zwecke 
ist  für  die  neue  Brücke  selbstverständlich  wieder  Werk- 
stein als  Baumaterial  vorgesehen;  sie  soll  sich  ferner 
in  den  PfeUerformen,  soweit  möglich,  dem  Vorhan- 
denen anpassen,  die  Gewölbe  werden  Korbbogenform 
erhalten,  die  Bürgersteige,  wie  bisher  stark  vor  den 
Stirnen  vorgekragt  und  mit  einfachen,  massigen  Kon- 
solen gestützt  werden.  Es  soll  ferner  der  aus  den  5 
grösseren  Wölbungen  bestehende  Mitteltheil  der  Brücke 
durch  kräftigere  Endpfeiler  mit  kleinen  Aufbauten  be- 
sonders hervorgehoben  werden. 

Wie  weit  man  mit  diesen  Mitteln  dem  erstrebten 
Ziele  nahe  kommen  kann,  lässt  sich  ohne  Kenntniss  der 
Entwürfe  nicht  beurtheilen.  Das  Ziel  wird  aber  unseres 
Erachtens  nur  erreicht  werden  können,  wenn  man  dem 
Architekten  nicht  nur  bei  der  Formengebung  im  Einzel- 
nen, sondern  auch  bei  der  Gesammtplanung  einen  weit- 


Das  künstlerische  Ergebniss  des  Darmstädter 
,, Dokumentes“.  Von  Albert  Hofmann. 

('Schluss.)  Hierzu  die  Abbildungen  auf  Seite  640  und  643. 

Her  die  Bedeutung  der  Darmstädler  Künstler- Kolonie 
als  einer  Erscheinung  der  künstlerischen  Kultur  unse- 
rer Tage  in  ihrer  Gesaramlheit  würdigen  will,  darf 
sie  nicht  von  dem  ihr  vorangegangenen  Jahrzehnt  willkür- 
lich abtrennen  und  sie  als  eine  isolirte  Erscheinung  be- 
trachten, sondern  muss  sie,  wie  alles,  was  unter  uns  wird, 
in  ihrem  Zusammenhang  mit  dem  Leben  und  Weben  der 
Zeit  würdigen.  Und  wiederum  ist  sie  auch,  wie  jedes 
Kunstwerk,  nicht  zu  lösen  von  den  Individuen,  von  wel- 
chen die  treibenden  Kräfte  bei  den  Gestaltungen  kamen. 
Schon  das  Jahrzehnt,  in  welches  das  zu  Ende  gehende 
Jahrhundert  in  Frankreich  ausklang,  in  dem  westlichen 
Nachbarlande,  welches  in  der  geistigen  Bewegung  unserer 
Zeit  der  deutschen  Kultur  stets  um  zwei  Lustren  voraus 
war,  reifte  einen  ausgesprochenen  Gegensatz  der  neuen 
Anschauungen  gegen  den  Naturalismus,  wie  er  von  der 
Litteratur  aus  durch  Balzac,  Zola,  Tolstoi,  Ibsen  und  andere 
auch  auf  das  Kunstleben  übertragen  wurde.  Es  vollzog 
sich  auch  hier  der  alte  ewige  Kreislauf.  Von  Jean  Jacques 
Rousseau  bis  zu  Leo  Tolstoi  hat  in  angemessenen  Zwischen- 
räumen immer  wieder  eine  Rückkehr  zur  allein  selig 
machenden  Natur,  zur  natürlichen  Lebensweise  und  Lebens- 
auffassung stattgefunden.  Und  immer  wieder  hat  man 
sich  auch  in  der  Kunst  gefragt,  was  deren  oberstes  Gesetz 
sei,  und  hat  gefunden,  dass  es  darin  bestehen  müsse,  den 
Menschen  die  Wahrheit  zu  geben,  ihnen  ohne  Ornament 
zu  sagen,  was  man  denke  und  fühle.  In  der  That,  immer 
wieder,  wenn  die  Kunst  anfing,  sich  mit  einer  mystischen 
Atmosphäre  zu  umgeben,  sich  in  überfeine  Unterscheidun- 
gen zu  verlieren,  aus  dem  natürlichen  Zustande  in  den 
pathologischen  überzugehen,  immer  wieder  setzte  dann 
kraftvoll  die  Naturfaust  ein,  um  den  bösen  Geist  auszu- 
treiben. Immer  wieder  fand  sich  die  angeblich  verfälschte 

638 


Kultur  in  einer  unbegrenzlichen  Sehnsucht  zur  unver- 
fälschten Natur.  Und  wenn  nun  der  unverfälschte  Natur- 
zustand wieder  eine  Weile  bestanden  hatte  und  in  das 
ausgeartet  war,  was  man  Armeleutekunst,  Elendsmalerei, 
rohe  Konstruktion  und  Pessimismus  nannte,  dann  hob 
der  Kreislauf  von  Neuem  an  und  es  entstand,  wie  in  den 
neunziger  Jahren,  ein  Neuidealismus  mit  gesteigerter  Sen- 
sitivität,  mit  Ringen  nach  einem  Ausdruck  des  Ueber- 
sinnlichen,  mit  einem  Hang  zum  Mystischen.  Zahlreich 
sind  die  Erörterungen  z.  B.  über  „les  idöes  morales  du 
temps  prösent“  (1891  durch  Eduar(i  Rod),  und  es  fehlt 
nicht  an  Klagen  über  die  Tugend  der  Bewunderung  und 
der  Anerkennung,  welche  zu  verschwinden  drohe  und 
einem  grauen  Pessimismus  und  Skeptizismus  Platz  mache. 
Um  die  Mitte  des  genannten  Jahrzehntes  findet  Brunetiere, 
der  Leiter  der  „Revue  des  deux  mondes“  den  Muth,  gegen 
Marcel  Prövost  die  Behauptung  aufzustellen,  „le  roman 
de  demain  sera  sans  doute  idealiste“.  Damit  ist  die  Bahn 
des  „Neu  idealismus"  zunächst  in  der  Litteratur,  in  der 
Dichtkunst,  welche  die  beweglichste  der  Künste  ist,  weil 
sie  am  unmittelbarsten  am  Leben  und  an  der  Seele  hängt, 
betreten.  Von  hier  aus  geht  sie  auf  die  bildende  Kunst 
über  und  schafft  hier  jenen  merkwürdigen  Zustand  einer 
Seelengemeinschaft  zwischen  zwei  technisch  verschiedenen 
Kunstgebieten,  welche  man  früher  nicht  oder  doch  nicht  in 
diesem  Umfang  kannte,  welche  aber  ein  Hauptmerkmal  der 
modernen  Kunstbewegung  überhaupt  ist.  Die  häufig  geübte 
Trennung  und  Zertheilung  der  Kunst  in  eine  Kunst  der  Dich- 
tung, eine  Kunst  der  Malerei,  eine  Kunst  der  Bildnerei,  eine 
Kunst  der  Musik  und  in  eine  Kunst  der  Architektur,  welche 
seit  Gotthold  Ephraim  Lessing  üblich  war,  die  dadurch 
bedingte  Umgrenzung  der  Kunstzweige,  ihre  Einschach- 
telung in  Systeme  und  vor  allem  ihre  Loslösung  vom  Leben, 
ihre  Vertrocknung  in  einen  starren  Zustand  der  Abstraktion, 
alles  das  hat  der  moderne  Neu-Idealismus  zu  beseitigen 
und  an  die  Stelle  der  früheren  Reflexion,  der  theoretischen 
(Fortsetzung  auf  S.  64a.) 


No.  100. 


Abbildg.  I. 
Querschnitt. 


Abbildg.  3.  Ansicht  eines  Theiles  der  Brücke. 

gehenden  Einfluss  gewährt,  wenn  man  von  vornherein 
darauf  verzichtet,  einen  Ingenieurbau  nach  der  Rich- 
tung des  kleinsten  Materialverbrauches  zu  schaffen. 
An  den  überschlanken  Pfeilern  unserer  modernen  Stein- 
brücken, an  den  auf  ein  Mindestmaass  beschränkten 
Konstruktionshöhen  im  Scheitel  scheitert  nur  zu  oft 
die  Kunst  des  Architekten.  Die  übermässige  Strom- 
breite, die  ja  nach  dem  Plane  eine  erhebliche  Ein- 


schränkung erfahren  soll,  die  beträcht- 
liche Längen-Entwicklung  der  Brücke 
gestatten  gerade  hier  nach  den  beiden 
genannten  Richtungen  wohl  eine  freiere 
Entwicklung,  als  das  sonst  der  Fall  zu 
sein  pflegt. 

Ist  nun  das  Schicksal  der  Augustus- 
Brücke  bereits  entschieden?  Bei  aller 
Werthschätzung  der  Tüchtigkeit  der 
Fachgenossen  des  Dresdener  Tiefbau- 
amtes möchten  wir  hoffen,  dass  das 
nicht  der  Fall  ist,  dass  die  bisherigen 
Entwürfe  nur  als  Unterlagen,  nur  als 
Vorentwürfe  betrachtet  werden  möchten, 
dass  man  sich  entschliessen  könnte,  zur 
Gewinnung  der  endgiltigen  Pläne  an 
die  gesammte  deutsche  Fachgenossen- 
schaft  zu  appelliren.  Vielleicht  auf 
keinem  anderen  Gebiete  hat  sich  die 
Veranstaltung  öffentlicher  Wettbewerbe 
in  den  letzten  Jahrzehnten  so  frucht- 
bringend gezeigt,  wie  gerade  auf  dem 
Gebiete  des  Brückenbaues;  selten  wird 
einem  solchen  Wettbewerbe  eine  so 
dankbare  und  zugleich  künstlerisch 
schwierige  Aufgabe  gestellt  werden 
können,  wie  gerade  hier  bei  der 
Augustus-Brücke,  einem  Bauwerk,  das 
so  eng  mit  der  Geschichte  und  der 
Entwicklung  Dresdens  verknüpft  ist. 

Es  liegt  uns  eine  Broschüre  vor: 
„Die  Geschichte  der  Dresdner 
Augustus-Brücke"*),  der  Abdruck 
eines  vor  kurzem  in  der  Aula  der 
Technischen  Hochschule  zu  Dresden 
von  dem  dortigen  Professor  Max  Förster 
gehaltenen  Vortrages,  welche  uns  in 
Wort  und  Bild  die  wechselreichen 
Geschicke  des  interessanten  Bauwerkes,  die  ver- 
schiedenen Entwicklungsphasen  desselben  bis  zu 
seiner  heutigen  Gestalt,  die  nun  nach  Jahrhunderte 
langem  Bestehen  vielleicht  wiederum  verschwinden  soll, 
in  anschaulicher  Weise  vorführt. 


*)  Die  Geschichte  der  Dresdner  Augustus-Brücke  von  Prof. 
Max  Förster,  mit  16  Abbildungen  im  Text  und  einer  Tafel.  Dresden 
190a.  Akademische  Buchhandlung  A.  Dressei. 


13.  Dezember  190a. 


639 


Schon  in  der  2.  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  ist 
hier  eine  feste  Holzbrücke  errichtet  worden,  die. im 
nächsten  Jahrhundert  in  Jahrzehnte  langer,  mehrfach 
unterbrochener  Bauzeit  in  eine  solche  mit  hölzernem 
Ueberbau  auf  Steinpfeilern  umgestaltet  wurde.  Im 
13  Jahrh.  wird  dann  ein  besonderes  „Brückenamt“ 
geschallen,  das  in  eigenthümlicher  wirthschafilicher 
Gemeinschaft  mit  der  Verwaltung  des  Besitzes  der 
Kreuzkirche  steht,  aus  welchem  ihm,  z.  Th.  infolge 
besonderer  päpstlicher  Ablassbriefe,  zeitweilig  reiche 
Mittel  zur  Erhaltung  der  Brücke  als  eines  Theiles  der 


den.  Bis  in  das  dritte  Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts 
hat  diese  Brücke  so  im  wesentlichen  unverändert 
bestanden.  Dann  folgten  mancherlei  Veränderungen 
aus  fortifikatorischen  Gründen,  grössere  Reparaturen, 
Herstellung  von  später  wieder  beseitigten  Aufbauten 
usw.;  der  Kern  der  mittelalterlichen  Anlage  bestand 
aber  noch,  als  August  der  Starke  die  jetzt  seinen 
Namen  tragende  Brücke  in  den  Jahren  1727 — 1731 
mit  einem  Kostenaufwande  von  57000  Thalern,  die 
er  selbst  zu  diesem  Zwecke  hergab,  durch  den  Ober- 
Landbmstr.  Pöppelmann,  den  Schöpfer  des  Zwin- 


Wallfahrtstrasse  zu  genannter  Kirche  zutiiessen.  Zeit- 
weilig vom  Landesherrn  beeinflusst,  später  in  seiner 
Leitung  ganz  der  Stadt  zufallend,  bestand  dieses 
Brückenamt  als  selbständige  Behörde  bis  zur  Ein- 
führung der  Städteordnung. 

Mehrfach  durch  Hochiluthen  beschädigt,  erfährt 
die  Brücke  nach  dem  in  dieser  Hinsicht  besonders 
schweren  Jahre  1343  einen  durchgreifenden  Umbau, 
indem  zwischen  den  alten  Pfeilern,  soweit  diese  nicht 
einer  Erneuerung  bedurften,  Gewölbe  cingespannt  Wür- 


gers, iierstellen  Hess.  Das  alte  Bauwerk  wurde  dabei 
zwar  benutzt,  aber  wesentlich  umgestaltet  namentlich 
durch  Höherlegung  der  Brückenbahn,  Vorkragung  be- 
sonderer Bürgersteige  auf  kräftigen  Konsolen,  Hoch- 
führung derPfeilervorköpfe  bis  zur  Brückenbahn,  sodass 
breite  Flächen  zur  Aufstellung  von  Ruhebänken  auf  den- 
selben gewonnen  wurden,  durch  Entfernung  aller  auf  der 
Brücke  stehenden  Baulichkeiten,  schliesslich  durch  Ein- 
wölbung der  bisher  aus  Vertheidigungs-Rücksichten 
eingeschalteten  beweglichen  Oeffnungen  usw.  Die 


640 


No.  100. 


Brücke  besass  bei  402*"  Länge  17  Gewölbe,  deren 
normale  Spannung  etwa  16,2™  beträgt,  während  die 
Pfeiler  8,2  “^Stärke  besitzen,  also  reichlich  der  halben 
Spannweite  der  Gewölbe  entsprechen.  Bei  nur  8,21  “ 
Breite  zwischen  den  Stirnen  war  durch -Auskragung 
der  Bürgersteige  eine  Breite  von  11,04“  zwischen  den 
Geländern  erreicht. 

Hochfluth  und  Eisgang  machten  mehrfache  Er- 
gänzungen dieser  zurzeit  ihrer  Erbauung  als  eine  her- 
vorragende Leistung  betrachteten  Brücke  nöthig.  Eine 
besonders  schwere  Schädigung  brachte  ihr  aber  die 


nebst  einem  Theile  ihres  Zwischenpfeilers  mussten 
neu  hergestellt  werden.  Seitdem  hat  das  Bauwerk 
den  Angriffen  der  Hochfluthen  und  des  Eisganges 
getrotzt. 

In  den  Abbildungen  i — 3,  die  wir  der  Broschüre 
entnehmen,  ist  der  Querschnitt  der  Brücke,  ausserdem 
ein  Längsschnitt  und  ein  Theil  der  Ansicht  derselben 
wiedergegeben.  Abbildg.  4 aus  derselben  Quelle  zeigt 
die  einfache,  aber  durch  ihre  Wucht  so  wirkungsvolle 
Architektur,  die  mächtigen  Pfeiler,  die  fast  V:  der 
ganzen  Länge  zwischen  den  Ufern  in  Anspruch  neh- 


Saal  mit  Bildwerken  aus  der  Zeit  Kaiser  Ludwigs  des  Bayern. 

Aus:  „Der  Neubau  des  Bayerischen  Natlonal-Museums  in  München“.  (Verlagsanstalt  F.  Bruckmann,  a.-G^  Moncheo.) 


Kriegsnoth,  als  1813  die  Franzosen  den  4.  Pfeiler  vom 
Neustädter  Ufer  aus  sprengten.  Erst  1815  wurde  der 
Pfeiler  nebst  den  beiden  zum  Einsturz  gebrachten 
Gewölben  vollständig  wieder  hergestellt.  Inzwischen 
behalf  man  sich  mit  hölzernen  Provisorien.  Am 
schlimmsten  spielte  das  Hochwasser  am  31.  März  1845 
der  Brücke  mit.  Zwischen  Ober-  und  Unterwasser 
an  der  Brücke  bildete  sich  ein  Höhenunterschied  von 
0,85®.  Die  Kraft  des  Staues  führte  zu  Senkungen 
und  zum  Einsturz  eines  Pfeilerkopfes,  zwei  Gewölbe 

13.  Dezember  1902. 


men,  während  unser  Kopfbild  die  ganze  Brücke  im 
Stadtbilde  zeigt. 

Dass  der  jetzige  Zustand  den  Verkehrs-Ansprüchen 
nicht  genügen  kann,  lassen  diese  Abbildungen  allein 
schon  erkennen.  Das  giebt  auch  der  Verfasser  am 
Schlüsse  seiner  interessanten  Broschüre  i-ückhaltlos 
zu.  Seinem  Wunsche,  „wenigstens  einen  Theil 
der  alten  Brücke  als  baugeschichtliches  Denk- 
mal der  Nachwelt  zu  erhalten“,  steht  nach  den 
früheren  Ausführungen  vielleicht  der  allgemeine  bau- 

641 


HcHe  Zustand  der  Brücke  entgegen.  Gern  stimmen  wir 
aber  dem  Schlussworte  des  Verfassers  zu,  welches  wir 
nachstehend  zum  Abdruck  bringen  und  von  dem  wir 
wünschen,  dass  es  nicht  ungehört  verhallen  möge. 

„Einen  Neubau  anstelle  der  alten  Brücke  aufzu- 
führen, welcher  allen  Anforderungen  des  Land-  und 
Wasserverkehres  gerecht  wird,  die  Stromregulirungs- 
interessen sowie  die  statischen  Erfordernisse  befrie 
digt,  ist  nicht  allzuschwer;  ein  Bauwerk  aber  anstelle 
des  alten  erstehen  zu  lassen,  das  in  seinem  Aeusseren 
dessen  vielhundertjährige  Geschichte  zu  verkörpern 
versteht,  das  sich  harmonisch  einfügt  in  das  herrliche 
Stadtbild  iDresdens,  das  ist  eine  schwere,  aber  auch 
dankbare  Aufgabe,  an  der  mitzuarbeiten  die  ersten 
Kräfte  deutscher  Baukunst,  Ingenieure  und  Architekten, 
berufen  sind.  Sie  heranzuziehen  zu  fruchtbringender 
Arbeit,  wird  die  vornehmste  Pflicht  der  Männer  sein, 
denen  dereinst  die  Aufgabe  zufällt,  einen  Neubau  zu 
verwirklichen.  Weit  hinaus  über  die  Grenzen  unserer 


Residenzstadt  und  über  die  weissgrünen  Grenzpfäble 
des  Sachsenlandes  gebt  das  Interesse  an  diesem  Bau- 
w'erk,  und  nicht  ungehört  wird  der  Aufruf  zu  einem 
allgemeinen  deutschen  Wettbewerbe  verhallen,  wenn 
es  gilt,  der  altehrwürdigen  Augustusbrücke  eine  eben- 
bürtige Nachfolgerin  zu  geben. 

Mag  alsdann  ein  Neubau  sich  erheben,  der  aus 
bestem  und  dauerhaftestem  sächsischen  Steine  fest 
gefügt,  geziert  mit  ragendem  Wartthurm,  geschmückt 
mit  an  seine  Geschichte  mahnendem  Bildwerk,  den 
Ruhm  der  alten  Brücke  hinüberzutragen  vermöge  in 
kommende  Jahrhunderte“.  — 

Die  Stadtgemeinde  beabsichtigt  dem  Vernehmen 
nach,  die  Pläne  für  die  Umgestaltung  des  Ufers  am 
Schlossplätze  nebst  den  daselbst  zu  errichtenden  Bau- 
ten auf  dem  Wege  des  Wettbewerbes  zu  gewinnen. 
Sie  dehne  diese  Absicht  auf  die  Gesammtanlage 
einschliesslich  der  Brücke  aus  und  sie  wird  sich  da- 
durch den  Dank  weitester  Kreise  erwerben!  Fr.  E. 


Vermischtes. 

Der  Untergang  der  Zecca  fMünzgebäude)  in  Venedig 
war  bei  dem  weitverbreiteten  Pessimismus,  welcher  sich 
nach  dem  Einsturz  des  Kampaniie  der  Kunstwelt  be- 
mächtigte,: neben  dem  Untergang  zahlreicher  anderer  Ge- 
bäude des  alten  Venedig  vorhergesagc  worden.  DieserPessi- 
mismus  aber  ist  durchaus  ungerechtfertigt  und  doppelt 
ungerechtf^ertigt,  der  Zecca  gegenüber.  Diese  erfährt  zur- 
zeit unter  der  Leitung  des  Architekten  Boni  wohl  bau- 
liche Umgestaltungen,  aber  nicht,  weil  der  Einsturz  droht, 
sondern  weil  der  Münzpalast  die  Biblioteca  Marciana  auf- 
nebmen  soll,  die  bisher  im  Dogenpalast  untergebracht  war, 
aber  bei  der  Ueberlasmng  desselben  anderweitig  aufge- 
stellt werden  muss.  Um  das  Gewicht  der  mehr  als  500000 
Bände  zu  tragen,  .bedarf  es  bei  dem  immerhin  alten  Ge- 
bäude besonderer  konstruktiver  Maassnahmen,  die  nun- 
mehr durchgeführt  werden  und  zu  welchen  der  Staat  eine 
Summe  von,  175000  Frcs.,  und  die  Stadt  Venedig  gleich- 
falls eine  hohe  Summe  beigesteuert  hat.  Das  sind  Nach- 
richten, welche, wohl  geeignet  sind,  eine  gewisse  Beruhi- 
gung eintreten  zu  lassen.  — 

Ehrenbezeugungen  an  Techniker.  Hr.  Geh.  Reg.-Rath 
Prof.  A.  Riedler  an  der  Technischen  Hochschule  zu 
Berlin  wurde  von  der  deutschen  Technischen  Hochschule 
zu  Prag  zum  Ehrendoktor  der  technischen  Wissen- 
schaften^ ernannt  Prag  besitzt  nicht  nur  die  älteste 
deutsche  Universität,  sonderii  auch  die  älteste  technische 


Hochschule,  die  schon  im  18.  Jahrhundert  als  Ingenieur-  und 
Kriegsschule  gegründet  wurde  und  ursprünglich  den  vor- 
herigen Besuch  derUniversität  zurVoraussetzung  machte. — 


Preisbewerbungen. 

In  einem  Wettbewerb  des  Arch.-  und  Ing.-Verelns  ln 
München  betr.  Entwürfe  für  ein  Progymnasium  ln  Forch- 
heim  liefen  37  Arbeiten  ein.  Es  erhielten  den  I.  Preis 
Hr.  Fr.  Walter  in  Fürth;  den  II,  Preis  Hr.  Otto  Schnarz 
in  München;  den  Ilf.  Preis  Hr.  Otto  Schachner  in  Mün- 
cheö.  ,'Zum  Ankauf  empfohlen  wurde  der  Entwurf  des 
Hrn.  Otto  Schulz  in  München.  Durch  eine  lobende  Er- 
wähnung ausgezeichnet  wurden  die  Entwürfe  der  Hrn.  C. 
Jäger,  J.  X.  Knöpfle,  Langenberger  & Ring,  Gebr. 
Rank,  sämmtiieh  in  München,  des  Hrn.  R.  Senf  in  Lindau 
und  der  Entwurf  mit  dem  Kennzeichen  „A.  D.  1902.“  — 

In  dem  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  zu  einem  Bismarck- 
brunnen für  Breslau  errang  der  gemeinschaftliche  Entwurf 
der  Hrn.  Bildhauer  Ernst  Seger  in  Charlottenburg  und 
Architekt  Bernhard  Sehring  daselbst  den  I.  Preis  von 
3000  M.  und  voraussichtlich  auch  die  Ausführung.  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  L.  V.  in  Mannheim.  Mit  dem  i.  Jan.  igoo  sind  nicht 
ohne  Weiteres  Forderungen  der  Handwerker  aus  älterer  Zeit  ver- 
jährt. Vielmehr  ist  zu  unterscheiden,  ob  die  aus  älterer  Zeit  her- 
stammenden Forderungen  bis  zu  dem  Ablaufe  der  Verjährungsfrist 


Scheidung,  der  „wissenschaftlichen“  Behandlung  der  Kunst 
das  rein  Menschliche  zu  setzen  versucht,  welches  freilich 
in  vielen  jugendlichen  Herzen  zu  einem  bisweilen  zu  höch- 
ster Extase  gesteigerten  Glücksgefühl,  zum  Eudämonismus, 
wurde.  Dieser  Eudämonismus,  dasEroporheben  des  Lebens 
des  Alltages  zu  einem  der  idealen  Schönheit  geweihten 
Leben  der  Feierstunde,  das  ist  das  hervorstechendste  Merk- 
mal der  Veranstaltung  von  Darmstadt.  Sie  war  in  dieser 
Beziehung,  so  sehr  der  Becher  auch  überschäumte,  ein  be- 
redter und  begeisterter  Protest  gegen  den  Philister  in  der 
Kunst;  sie  war  ein  mitreissender  Hymnus  auf  jene  Einheit 
im  Kunstjeben,  welche  das  Haus  Tizians  erfüllte  und 
welche  Albrecht  Dürer  so  sehr  nach  der  Sonne  des  Südens 
lechzen  libss.  Dass  die  ideale  Begeisterung,  welche  die 
jugendlichen  Gemüther  zu  ihren  Thaten  antrieb,  zur  Ueber- 
schwänglichkeit  und  vereinzelt  auch  zum  Zerrbilde  wurde, 
wer  will  es  Künstlern  verdenken,  welche  das  zweite  Jahr- 
zehnt kaum  überschritten  und  das  dritte  noch  ni^it  vollen- 
det oder  4och  noch  nicht  lange  vollendet  hatten'?  Künst- 
lern, welchen  die  Gunst  des  Hofes  leuchtete  und  welche 
in  dieser  erwärmenden  und  fördernden  Sonne  und  in 
dem  wonnigen  Gefühle  arbeiten  durften,  von  allen  e.in-; 
engenden  Bedingungen  des  realen  Lebens  befreit  zu  sein? 
Hans  Christiansen  wurde  im  Jahre  1866  zu  Flensburg  in 
Schleswig- Holstein  geboren;  in  Paris  fand  er  die  reiche 
Quelle  für  seine  berauschende  Kunst.  Zwei  Jahre  später, 
1868,  erblickte  Peter  Behrens  in  Hamburg  das  Licht 
der  Welt;  in  München  reift  er  jener  merkwürdigen 
Vertiefung  entgegen,  die  bei  ihm  in  Mystizismus  umzu- 
schiagen  drohte!  1871  folgt  auf  märkischem  Sande,  in 
Perleberg,  Rudolf  Bosselt,  1873  in  Darmstadt  Ludwig 
Habich.  Das.  Jahr  1878  gebiert  die  beiden  Benjamine 
der  Darmstädter  Gruppe,  am  19.  März  den  verstorbenen 
Patriz  Huber  in  Stuttgart  und  am  3,  September  Paul 
Wilhelm  Bürck  in  Strassburg.  Und  auch  der  architek- 
tonische Leiter  der  Kolonie,  Jos.  M.  Olbrich,  hat  die 
Dreissig  kaum  erheblich  überschritten.  Kann  es  da 

642 


Wunder  nehmen,  wenn  bei  so  viel  Jugend  der  Becher 
überlief , wenn  das  Gelübde  an  die  Göttin  Schönheit 
übermenschlich  wurde,  wenn  die  Phantasie  in  Sphären 
sich  verlor,  welche  den  Künstler  zugleich  mit  Untergang 
bedrohten?  Die  wächsernen  Flügel  der  jugendlichen 
Begeisterung  haben  Viele  schon  zu  dem  sehnenden 
Ikarusfluge  in  das  romantische  Land  idealer  Kunstübung 
getragen  und  manch  einer  ist  mit  zerschmetterten  Glied- 
maassen  auf  dem  festen  Boden  der  Wirklichkeit  wieder 
angelangt.  Auch  die  -kleine  Künstlerschaar  in  Darmstadt 
hat  bereits  ihre  Opfer  gefunden.  Möchte  man  aber  des- 
halb wünschen,,  dass  der  romantische  Flug  überhaupt 
unterblieben  sei? 

Mit  der  Romantik  in  der  Kunst  ist  es  eine  so  eigene 
Sache-  Die  Romantik  , von  heute  ist  nicht  mehr  die  Ro- 
mantik von  ehedem,  in  welcher  der  Künstler  einem  Sänger 
gleicli  seine  Strasse  durch,  das  Land  zog,  die  Feder  am 
Hut,  den  Degen  zur  Seite,  ant  blauen  Bande  die  Laute 
um  die  Schulter  geschlungen,  das  Gold  der  Lieder  hinaus- 
schmetternd über  die  Berge,  durch  die  Thäler.  Diese 
Romantik,  die  Romantik  des  Selbstvertrauens  und  der  Ein- 
samkeit, die  Romantik  der  Postkutsche  und  des  Mond- 
scheins, diese  ist  vorbei,  leider,  leider!  Denn  so  sehr 
auch  vielleicht  der  Philister  und  der  nüchterne  Rechen- 
meister über  sie  lächeln  mögen,  der  Kunst  in  allen  ihren 
Zweigen  brachte  sie  einen  grossen  Gewinn.  Sie  be- 
reicherte sie  mit  Herz  und  Gemüth,  sie  gab  ihr  eine 
menschliche  Seele,  eine  natürliche  Empfindung.  Die 
Kunst  wurde  unter  ihrer  Herrschaft  mehr  zum  schönen 
Lebensinhalte  wie  heute,  der  Künstler  war  harmonischer, 
anspruchsloser  und  lebensfroher.  Die  Noth  des  Tages 
stürmte  noch  nicht  so  hartnäckig  auf  ihn  ein,  wie  jetzt; 
er  fand  noch  Zeit,  sein  Wirklichkeitsleben  und  sein  Kunst- 
leben in  grösseren  Einklang  zu  bringen.  Und  als  sich  in 
Darmstadt  eine  Künstlerschaar  zusammengefunden  hatte, 
welcher  durch  fürstliche  Gunst  die  Noth  des  Lebens 

(B'ortsetzung  auf  S.  644.) 


No.  100. 


de#  Uteren  Rechtes  wenigstens  noch  s Jahre  oder  nur  noch  eine 
kürzere  Zeit  zu  laufen  halten.  Ersterenfalls  verjährten  sie  mit  dem 
31.  Dez.  1901,  letzterenfalls  bei  Eintritt  des  früheren  Verjährungs- 
Ablaufes.  Würde  also  nach  dem  badischen  Landrechte  (code  civil) 
eine  Forderung  am  15.  Juli  1901  verjährt  sein,  so  trat  diese  Ver- 
jährung unter  der  Herrschaft  des  neuen  Rechtes  gleichfalls  am 
15.  Jiili  1901  ein.  Der  Gläubiger  hatte  also  kein  Recht  erworben, 
mit  Geltendmachung  des  Anspruches  über  den  15.  Juli  1901  hinaus 
zu  warten.  Fiel  jedoch  der  Fristenablauf  nach  badischem  Rechte 
z.  B.  auf  den  15.  Juli  190s,  so  endete  gleichwohl  die  Verjährung 
am  r.  Jan.  1902,  weil  die  Forderung  vor  dem  31.  Dez.  1899  bestand 
und  innerhalb  2 Jahren  geltend  gemacht  werden  musste.  Uebrigens 
ist  die  angeregte  Frage  für  Sie  nebensächlich,  da  das  heutige  Recht 


besucht  und  dort  eine  Schlussprflfung  bestanden  haben.  Es  ist 
auch  nicht  zu  erwarten,  dass  es  zu  einem  solchen  Urtheile  kommen 
wird.  Ein  solches  könnte  nur  von  einem  Strafsenat  gefällt  wer- 
den, da  nicht  recht  ersichtlich  ist,  wie  ein  Zivilsenat  in  die  Lage 
versetzt  sein  könnte,  sich  mit  dieser  Frage  zu  befassen.  Weit 
leichter  könnte  sie  der  Rechtsprechung  des  Ober-Verwaltungs- 
genchtes  dadurch  unterbreitet  werden,  dass  jemanden  durch  orts- 
pohzeiliche  Verfügungen  die  Führung  dieser  Bezeichnung  untersagt 
wird  und  der  Betroffene  Klage  auf  Krafiloserklärung  dieser  Ver- 
fügung erhebt.  Indess  enthalten  die  Sammlungen  dieses  Gerichts- 
hofes gleichfalls  noch  keine  Entscheidung  der  beregteu  Streitfrage- 
Ist  Ihnen  jedoch  die  Bezeichnung  Baugewerksmeister  so  werth- 
voll und  wollen  Sie  Weiterungen  vermeiden,  so  können  Sie  .sich 


Zimmer  der  Tochter  im  Hause  Glückert.  Architekt;  Patriz  Huber  f. 

Aus:  Alexander  Koch,  „Die  Ausstellung  der  Darmstädter  Künstler-Kolonie“. 


bereits  länger  als  3 Jahre  gilt,  die  zweijährige  Verjährungsfrist  s 
mit  für  alle  aus  der  Vorzeit  des  B.  G.-B.  entstandenen  Forderung 
abgelaufen  ist.  Sollten  Ihre  Leistungen  jedoch  dem  Empfänger  f 
dessen  Gewerbebetrieb  gewährt  sein,  so  würde  die  zweijähri: 
Verjährung  des  B.  G.-B.  § 196  nicht  zutreffen,  sondern  die  reg« 
massige  30jährige  Verjährungsfrist  noch  jetzt  gelten,  die  dann  jedo« 
Dicht  vom  I.  Jan.  1900,  sondern  von  dem  Tage  ab  zu  laufen  begini 

an  welchem  der  Anspruch  fällig  war.  K..  H e 

Hm.  Arcb.  N.  R.  in  Glogau.  In  den  amtlichen  Sammlung« 
der  Entscheidungen  des  Reichsgerichtes  ist  kein  Urtheil  zu  finde 
welches  Personen  das  Recht  zur  Führung  des  Titels  „öffentlich 
Baugewerksmeister'  zuspneht,  nachdem  sie  eine  ßaugewerkschu 

13.  Dezember  190a. 


ja  einer  Prüfung  vor  der  von  der  Handwerkerkammer  eingesetzten 
Prüfungskommission  unterziehen.  — K,  H-e. 


Inhalt:  Z-tr  Frage  des  Um-  «jder  Neubaues  der  Augustus-KrQeke  tn 
Dresden.  — Ein  Prachtwerk  über  das  Bayerische  National-Museum  in 
München.  — Das  kOnstlcrische  Ergebniss  des  Darmslädter  -Dokumentes". 
(Schluss.)  — Vermischtes.  — Preisbewerbupgen.  - Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Aus  dem  Bayerischen  National- 
Museum  in  München" 


Verlag  der  Deutschen  Banzeitung, 
verantwortL  Albert  Hof  mann,  B 


G.  m.  b.  H.,  Berlin-  Fflr  die  Redaktion 
erlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


643 


genommen  und  die  Grundlage  für  ein  sorgenloses  Schaffen 
gegeben  war,  darf  man  die  Künstler  da  schelten,  wenn 
die  Sorglosigkeit  die  Phantasie  beflügelte,  wenn  die  Sonne 
fürstlicher  Huld  in  den  jungen  Herzen  ein  Hochgefühl 
künstlerischer  Thatkraft  auslöste?  Nicht  auf  alle,  aber 
auf  die  meisten  dieser  Künstlergruppe  lässt  sich  das 
Schülersche  Wort  anwenden: 

„Und  in  eigner  Fülle  schwellend, 

Und  aus  Herzens  Tiefe  quellend, 

Spottet  er  der  Regeln  Zwang!“ 

Vor  mir  liegt  eine  dichterische  Eingebung  mit  der 
stolzen  Aufschrift:  ,, Wiedergeburt“.  Sie  ist  der  Künstler- 
kolonie gewidmet.  Ihr  Verfasser  fühlt  sich,  das  geht  aus 
seinen  Worten  hervor,  eins  mit  dem  Goethe’schen  Harfner, 
„dem  die  Musen  den  Psalter  wohlgestimmt  gereicht.“ 
Was  er  singt,  ist  ein  glühender  Hymnus  auf  die  Kolonie. 
Als  der  Dichter  da  lag,  zu  sterben,  rührte  eine  Hand  an 
seiner  Schulter.  „Und  da  ich  mich  umwandte  zu  schauen, 
stand  ein  Jüngling  zu  meinen  Häupten  von  gewaltigem 
Wuchs.  Mild  glänzte  sein  Antlitz  und  Flügel  trug  er  an- 
geheftet, die  waren  wie  Saphir  des  Abendhimmels,  mit 
flammenden  Rändern  gleich  der  Gluth  der  sinkenden 
Sonne.“  Der  Jüngling  trug  ihn  durch  die  Lüfte;  er  wurde 
nicht  gewahr,  wohin  er  getragen  wurde.  „Nun  ich  aber 
erwachte,  siehe,  da  lag  ich  auf  den  Stufen  einer  Treppe. 
Und  nun  ich  mich  umschaute,  siehe,  da  standen  Woh- 
nungen in  der  Runde,  menschliche  Wohnungen,  in 
Maassen  und  über  die  Maassen  ....  Und  es  ist  viel 
Schmuck  an  ihnen  und  Zierrath,  und  sind  doch  keine 
Wohnungen  für  Götter;  und  es  sind  Stätten  in  ihnen  und 
Stellen,  wo  der  Mensch  kniee  und  anbete,  und  sind  doch 
keine  Wohnungen  für  Götter.  Und  ich  ward  gewahr, 
dass  ich  auf  dem  Hügel  lag,  auf  der  Treppe,  die  war  er- 
richtet vor  einem  HeUigthume.  Und  in  dem  Heiligthume 
wohnte  die  Schönheit.  Auf  dass  sie  ihre  Stätte  habe 

zwischen  den  Wohnungen  der  Menschen Und 

am  Eingang  des  Heiligthums  stand  der  Jüngling  von 
gewaltigem  Wuchs  hoch  oben  auf  der  obersten  Stufe  der 
Treppe.  Ausgebreitet  schwankten  die  saphirnen  Flügel 
mit  den  flammenden  Rändern ; eine  Posaune  wuchs 
ihm  am  Munde,  er  hielt  sie  mit  der  nervigen  Rechten. 
Und  es  jauchzte  die  Stimme  in  meinem  Herzen:  „Kommet 
herbei,  die  ihr  mühselig  und  beladen  seid;  zu  den  Woh- 
nungen, zu  dem  Heiligthume  der  Schönheit . . , Denn:  . . 
jetzt  ist  die  Stunde,  da  der  Tag  erfüllet  ward“. 
Wer  diese  und  ähnliche  Hymnen  als  den  Ausfluss  einer 
pathologisch  gesteigerten  Fieberthätigkeit  auf  sich  ein- 
wirken lässt,  begreift  wohl,  dass  man  in  der  Künstler- 
Kolonie  den  „Grundgedanken  einer  Werbung  um  das 
praktische  Wohlgefallen  der  Allgemeinheit“  vermisste;  be- 
greift ferner  wohl,  dass  man  den  Hinweis  nicht  gelten 
lassen  wollte,  die  Kolonie  sei  eine  Wohnstätte  für  Künst- 
ler und  nicht  für  Alltagsmenschen;  begreift  endlich  wohl, 
dass  man  „im  Sinne  der  neuen  Kunst“  die  Forderung 
stellte,  ein  Raum  müsse  sowohl  für  die  Bequemlichkeit 
der  Giiedmaassen  wie  darüber  hinaus  für  das  Auge  die 
Stimmung  des  behaglichen,  des  „wohlbekömmlich  freund- 
lichen“ Aufenthaltes  erzeugen,  und  dies  im  Sinne  seines 
besonderen  Zweckes  inbezug  auf  die  Lebensweise  der 
Bewohner.  „Die  meisten  Menschen  sind  keine  Künstler, 
also  können  sie  Wohnungen  nicht  brauchen,,  die  auf  die 
Künsilergewöhnung  zugeschnitten  sind.  Man  ging  aber 
noch  weiter  und  machte  aus  dem  Begriff  „Künstler“  et- 
was auf  eme  Partei,  auf  eine  Sekte  der  Künstlerschaft 
Zugeschnittenes  und  gestaltete  die  Ausstellung  zum  Pro- 
gramm einer  weit  über  das  einfachere  Ziel  einer  Stil-Er- 
neuerung hinausgehenden  kunsfphilosophischen  Lebens- 
weise, man  predigte  eine  neue  Kunstreligion.  Die  be- 
sondere Empfindung  besonders  gestimmter  Persönlich- 
keiten, die  selbst  in  der  bildenden  Kunst  nur  einen  be- 
dingten Anspruch  auf  Anerkennung  hat,  wollte  man  einer 
Nutzkunst  für  die  Allgemeinheit  aufzwingen  Die  noch 
lange  nicht  ganz  entschiedene  Streitfrage  des  Verhältnisses 
des  Künstlers  zum  Kunstgeniessenden  und  hier  noch  be- 
sonders zum  Kunstgebrauchenden  entschied  man  ganz  ein- 
seitig aus  dem  Gesichtspunkte  des  Künstlers  und  Hess  sich 
dabei  von  Leuten  aufstacheln,  die  mit  der  Kunst  nur  Spott 
treiben  oder  sie  als  Mittel  ihrer  persönlichen  Aufdringlichkeit 
betrachten.“  Es  kann  nicht  überraschen,  dass  überschwäng- 
liche Verhimmelungen,  wie  wir  sie  oben  anführten,  auf 
der  anderen  Seite  eine  kritische  Gegnerschaft  heraufführen 
mussten,  die  auch  ihrerseits  wieder  die  Grenze  objektiver 
Gerechtigkeit  etwas  zu  überschreiten  droht. 

Betrachtet  man  aber  das,  was  in  Darmstadt  geschehen 
ist,  von  einem  freieren  Standpunkte,  so  erscheint  die  Darm- 
städter That  in  einem  anderen  Lichte.  Fast  Alle  dieser 
kleinen  Küntlerschaar  sind  abseits  Gehende,  die  sich  in 
stillem  Schaffen  um  ihre  Sclbstentwicklung  gemüht  haben, 

644 


die  ihren  eigenen  Weg  verfolgt  haben  und  noch  verfolgen 
und  diesen  Weg  in  der  Auffindung  einer  vornehmen  Schön- 
heit suchen.  Sie  kommen  zu  dieser  Schönheit  — die  sie 
nach  ihrer  Meinung  gefunden  haben  — weniger  durch  die 
ernste  Geschlossenheit  einer  gereiften  Weltanschauung; 
dazu  fehlt  ihnen  die  vielseitige  Lebenserfahrung,  dazu 
stecken  sie  noch  zu  sehr  in  der  Jugend  mit  ihrem  gött- 
lichen leichten  Sinn  und  mit  ihrem  lustigen  Hinüber- 
schwingen über  die  Unebenheiten  des  Lebens.  Bei  ihnen 
„ist  das  Wohlbehagen  erblich, 

Die  Wange  heitert  wie  der  Mund; 

Ein  jeder  ist  an  seinem  Platz  unsterblich, 

Sie  sind  zufrieden  und  gesund“. 

Sie  kommen  zu  ihr,  indem  sie  sich  ihrer  noch  schma- 
len Lebenssphäre  mit  der  breiten  Behaglichkeit  des  un- 
bekümmerten Jugendidealismus  ergeben.  Es  hat  nicht  an 
Versuchen  gefehlt,  sie  deshalb  zusammenzuwerfen  mit  den 
Gruppen  müder  Dekadenten,  die  in  den  dunstigen  At- 
mosphären der  Kaffehäuser  den  Besuch  ihrer  histerischen 
Muse  erwarten,  mit  den  „Trägern  unserer  modernen  künst- 
lerischen Kultur“,  über  die  ein  Dichter  einmal  in  die  Worte 
ausbricht: 

„Ach,  was  giebts  in  deutschen  Landen 
Weiche  Kerle,  schlaffe  Träumer, 

Die  nicht  wissen,  dass  sie  leben. 

Die  nicht  wissen,  dass  ihr  Herzblut 
Heiss  und  treu  am  Volke  bängt!" 

Man  darf  sich  wohl  mit  Recht  gegen  eine  solche 
Aechtung  berechtigten  Selbstgefühles  in  der  Kunst  wen- 
den. Auch  der  Künstlergruppe  in  Darmstadt  ist  die  Er- 
fahrung nicht  erspart  geblieben,  dass  ihre  goethische  „Offen- 
heit eines  frischen  Muthes“  verspottet  und  verhöhnt  wurde; 
auch  sie  ist  der  Drohung  des  krummen  Fingers  des  Dach- 
stubengelehrten verfallen,  der  vermeint  über  den  Dingen 
zu  thronen  und  den  kleinen  Ausschnitt  blauer  Luft,  den 
er  nur  sieht,  als  die  von  ihm  beherrschte  Welt  betrachtet. 
Man  hat  auch  dieser  Bewegung  gegenüber  das  Wort  des 
alten  Spötters  Georg  Christoph  Lichtenberg  angeführt: 
„Seht,  von  dem  Rhein  zur  Spree  ist  nichts  als  Sturm  und 
Drang,  Gedanken  Zolle  gross,  in  Wörtern  Ruthen  lang“. 
Und  was  hat  die  Darmstädter  Künstlergruppe  gethan?  Sie 
hat  den  bis  zu  einem  gewissen  Grade  geglückten  Versuch 
unternommen, ohne  das  Epigonenthum  sklavischer  und 
seelenloser  historischer  Nachahmung  zu  einer  neuen,  vom 
„Irdischen“  möglichst  befreiten  Auffassung  des  Kunst- 
lebens vorzudringen.  Aber  freilich,  es  Hess  schon  in  einer 
Steile,  dieEckermann  inseinenGesprächenmiiGoethediesem 
vortrug,  wenn  ihr  eine  neue  Wahrheit  bekannt  macht,  „so 
werdet  ihr  von  einer  Unzahl  von  Leuten  verfolgt,  die  von  dem 
entgegengesetzten  Irrihum  leben,  indem  sie  versichern,  dass 
eben  dieser  Irrthum  die  Wahrheit,  und  alles,  was  dahin 
geht  ihn  zu  zerstören,  der  grösste  Irrthum  selber  sei“. 

Wer  sich  die  deutsche  Kunstentwicklung  des  letzten 
Jahrzehntes  noch  einmal  ins  Gedächtniss  zurückruft,  der 
muss  sich  derThatsache  erinnern,  dass  bei  der  fortwähren- 
den Inzucht,  die  mit  der  unpersönlichen  Wiederver- 
wendung des  historischen  Erbes  getrieben  wurde,  zuletzt 
eine  reine  Hunger- Agonie  nach  etwas  Besserem,  etwas 
Anderem,  etwas  Vertiefterem  ausgebrochen  war,  für  deren 
Befriedigung  die  Darmstädter  Unternehmung  eine  von 
vielen  Erscheinungsformen  war.  Und  wer  sich  auf  der 
anderen  Seite  klar  darüber  geworden  ist,  welchen  lähmen- 
den Einfluss  bei  rühmlichen  Ausnahmen  die  deutsche 
Kunstschule  sowohl  für  Malerei  und  Bildnerei  wie  für  Bau- 
kunst auf  das  Vorwärtsschreiten  und  die  Vertiefung  der 
Kunstübung  gehabt  hat,  der  kann  sich  nicht  darüber 
wandern,  wenn  er  in  den  Arbeiten  der  Darmsiädter 
Künstlerkolonie  gleichfalls  eines  der  Symptome  jenes  flam- 
menden Protestes  jugendlichen  Künstlerfreimuthes  gegen 
die  Engherzigkeit  des  deutschen  Philisterlhumes,  der  Auf- 
lehnung  der  jungen  Künstlerkraft  und  des  unbeirrten  Selbst- 
vertrauens gegen  das  beengende  Gängelband  des  über- 
üefertenKunststudiums  erblickt, die  sich  allenthalben  erhoben 
haben.  Nach  allen  Seiten  hin  merken  wir  schon  heute  die 
wohlthätige  Einwirkung  des  gährenden  Fermentes,  welches 
auch  hier  vor  zwei  Jahren  in  die  deutsche  Kunstübung 
gemischt  wurde  und  wir  wollen  der  kleinen  Künstlerschaar 
unter  Nachsicht  für  alle  Ausschreitungen  dafür  dankbar 
sein,  dass  sie  es  mit  dem  ungebrochenen  Wagemuih  der 
Jugend  unternommen  hat,  gegen  die  Verflachung  Sturm 
zu  laufen.  „Was  fallen  will,  das  soll  man  auch  noch 
stossen“,  sagte  einmal  Friedrich  Nietzsche.  Das  geht  natür- 
lich nicht  ohne  heftige  Gegenwehr  und  Angriffe.  Ihnen 
gegenüber  aber  wappnet  sich  der  moderne  Künstler  mit 
dem  Wahrsprache  des  Wallenstein’schen  Reiters: 
„Niemand  berauben  und  Niemand  beerben, 

„Und  auf  das  Gehudel  unter  mir 

„Leicht  wegschauen  von  meinem  Thier.“  — 


No.  100. 


DEUTSCHE  BAUZEITUNG. 

XXXVI.  Jahrgang  No.  loi.  Berlin,  den  17.  Dezember  1902. 


Wehranlage  (Grundablass)  in  Schweinfurt  a.  M. 


Der  Grundablass  der  Wehranlage  in  Schweinfurt  a.  M. 


dem  in  diesem  Jahre  in  Düsseldorf  abgehaltenen 
internationalen  Schiffahrts*Kongress  erregte  eine  von 
— ••  der  Brückenbau-Anstalt  Gustavsburg  (Zweig- 
anstalt der  vereinigten  Maschinenfabrik  Augsburg  und 
Maschinenbau-Gesellschaft  Nürnberg  A.-G.)  in  Modell  und 
Zeichnungen  ausgestellte  neue  Wehrkonstrukiion  wegen 
ihrer  Einfachheit  und  Zweckmässigkeit  besondere  Auf- 
merksamkeit. Diese  Konstruktion,  ein  „Walzenwehr“, 
ist  von  genannter  Firma  erstmalig  beim  Bau  des  Grund- 
ablasses des  Mainwehres  in  Schweinfurt  ausgeführt  wor- 
den und  derselben  auch  paientirt. 

An  der  Hand  der  von  dem  stellvertretenden  Direktor 
der  Gesellschaft,  Hrn.  Carstanjen,  dem  Schiffahrts-Kon- 
gress vorgelegten  Mittheilung,  der  wir  auch  die  beige- 
gebenen Skizzen  entnehmen,  sei  kurz  das  Wesen  dieser 
neuen  Ausführungsweise  zur  Darstellung  gebracht. 

Der  Staukörper  ist  eine  nach  Art  eines  Dampfkessels 
■wasserdicht  aus  Eisenblechen  zusammengenieteie  Walze, 
die  in  Schweinfurt  eine  Oeffnung  von  18  “ Lichtweite  ver- 
schliesst.  Diese  Walze  wird  durch  umgeschluugene  Draht- 
seile, welche  die  Enden  umfassen,  auf  geneigten  Ebenen, 
die  sich  in  Nischen  der  die  Oeffnung  abschliessenden 
Seitenmauern  des  Wehres  befinden,  emporgerollt,  wenn 
das  Wehr  ausser  Thätigkeit  treten  soll.  Zur  Gerad- 
führung der  Walze  ist  diese  an  den  Enden  mit  Zahn- 
kränzen versehen,  die  in  Zahnstangen  auf  den  geneigten 
Ebenen  eingreifen. 

In  Schweinfurt  verschliesst  das  Walzenwehr  einen 
Seitenarm  des  Mains,  der  bei  Hochwasser  zur  Entlastung 
des  Hauptarmes  völlig  geöffnet  werden  muss.  Die  Stau- 
höhe beträgt  bis  zu  3,6  die  Wassertiefe  des  Oberwassers 
im  Augenblick  der  Wehröffnung  4,14“.  Diese  grosse 
Wassertiefe  machte  es  nothwendig,  auf  eine  Verminderung 
des  Auftriebes  hinzuwirken,  was  durch  die  eigenthüm- 
liehe  birnenförmige  Gestalt  der  freien  Länge  der  Walze 
erreicht  ist,  deren  in  das  Wasser  eintauchende  Fläche  ge- 


ringer ist,  als  bei  einem  Kreiszylinder.  (Die  auf  den  ge- 
neigten Ebenen  rollenden  Enden  sind  natürlich  kreisrund.) 
Die  vordere  Begrenzungsfläche  ist  ausserdem  so  gestaltet, 
dass  bei  der  Aufwärtsbewegung  des  Staukörpers  sich  alle 
Theile  nach  dem  Unterwasser  zu  verschieben  und  nicht 
ins  Oberwasser  eindriugen,  so  dass  also  keine  Wasser- 
verdrängung stattfindet  und  keine  Behinderung  der  Be- 
wegung, vielmehr  eher  eine  Unterstützung  durch  das  nach- 
dringende Wasser  eintritt. 

Die  Walze  enthält  im  Inneren  ein  an  den  Kopfenden 
offenes  Rohr,  das  sich  also  beim  Eintauchen  derselben 
mit  Wasser  füllt  und  die  Absenkung  erleichtert.  Mit  dem 
sinkenden  Unterwasser  entleert  sich  das  Rohr.  Die  Fest- 
stellung des  Staukörpers,  der  sich  mit  einer  mit  einem 
Eisenbalken  armirten  Schneide  gegen  den  Wehrboden 
stemmt  und  so  die  Dichtung  bewirkt,  erfolgt  durch  Sperr- 
klinken, welche  an  beiden  Ufern  in  die  Zahnkränze  ein- 
greifen. Die  Seitendichtung  des  Wehres  wird  durch  Leder- 
streifen bewirkt,  die  durch  den  Wasserüberdruck  an  die 
Seitenwände  gepresst  werden. 

Die  Auf-  und  Abwärtsbewegung  des  Staukörpers  er- 
folgt durch  ein  gewöhnliches  Windewerk  mit  selbstsperren- 
der Schnecke.  Die  Drahtseile,  welche  die  Bewegung  ver- 
mitteln, greifen  an  einem  Punkte  der  Walze  fest  an  und 
sind  mit  ihren  beiden  Enden  über  2 Seiltrommeln  geführt, 
die  durch  eine  Einrichtung  zur  gegenseitigen  Verschiebung 
in  einfacher  Weise  ein  Nachspannen  der  Seile  zulassen. 
Im  allgemeinen  tritt  nur  ein  Seilende  in  Thätigkeit,  das 
andere  dient  lediglich  zum  festen  Anpressen  des  Stau- 
körpers an  die  Wehrsohle. 

Der  gesammie  Betriebsmechanismus  liegt  geschützt  in 
den  Mauerwerksnischen  und  taucht  auch  hier  nur  zum- 
theil  in  das  Unterwasser  ein.  In  Schweinfurt  liegt  dasselbe 
durchweg  über  dem  höchsten  Unterwasserstande,  bei  wel- 
chem noch  Eisbildung  zu  befürchten  ist.  Die  Schweinfurter 
Anlage  hat  sich  bisher  durchaus  bewährt,  namentlich  hat 

645 


der  Bewegungs- Mechanismus  bei  dem  höchsten  Ober-  die  Konstruktion,  Dichtung  usw.  sind  nicht  bekannt  ge- 
wasser  durchaus  sicher  und  rasch  gearbeitet  und  zwar  worden,  auch  nicht,  ob  dieser  Plan  Aussicht  auf  Verwirk- 
trotz des  ansehnlichen  Gewichtes  des  Staukörpers  von  72  lichung  hat.  — 

In  dieser  höhe-  i 1 

renBeweglichkeit  | □ j 

und  in  der  ein- 
fachenAnordnung 
des  Getriebes  und 
dessen  geschütz- 
ter Lage  liegt  der 
Haupivorzug  der 
neuen  Konstruk- 
tion, die  es  ge- 
stattet, grosseOeff- 
nungen  einesWeh- 
res  rasch  und  si- 
cher trotz  hohen 
Ueberdruckes  des 
Oberwassers  in 
voller  Ausdeh- 
nung frei  zu  legen 
und  ebenso  rasch 
auch  wieder  zu 
schliessen.  Weder 
Eisgang  noch  Ge- 
schiebebewegung 
bieten  dabei  ein 
Hinderniss. 

Die  neue  Kon- 
struktion wird  da- 
her überall  da  von 
Vortheil  sein,  wo 
Aufgaben  dieser 
Art  zu  erfüllen 
sind.  Es  lassen 
sich  damit  übri- 
gens ebensowohl 
Ueberfall  - Wehre 
mit  beweglicher 
Krone  ausbilden, 
wieGrundablässe. 

Bei  dieser  Ge- 
legenheit sei  er- 
wähnt, dass  bei 
einem  Entwürfe 
für  die  Nutzbar- 
machung  der 
Wasserkraft 
des  Rheines 
zwischen  Niffer 
und  Ottmarsheim 
bei  Mülhausen, 
das  gemeinsam 
aufgestellt  ist  von 
den  Hrn.  Brthn. 

Havestadt  & 

ContaginBerlin, 

Zivil-Ingenieur  R. 

Koechiin  in  Pa- 
ris und  Ziviling. 

L.  Potterat  in 
Bern,  ein  Wehr 
vorgesehen  ist, 
dessen  6 je  26,7“ 
weite  Oeffnungen 
über  dem  festen 
Wehr  - Rücken 
durchje  eine  eiser- 
ne Walze  von  3 
Durchmesser  ge- 
schlossen werden 
sollen,  die  in  senk- 
rechten Schlitzen 
der  Pfeiler  ge- 
führt und  durch 
Drahtseile  geho- 
ben und  gesenkt 
werden.  Die  aus 
15  ““  starkem 
Eisenblech  herzu- 
stellendenWalzen 
mit  einem  Ge- 
wichte von  etwa 
45  sind  an  bei- 
den Seiten  offen, 
sodass  sie  sich 
mit  Wasser  füllen 
können.  Nähere 
Einzelheiten  über 


646 


No.  loi. 


Vermischtes. 

Betoneisen-Pfahlrost  bei  Gründung  des  Neubaues  des 
Land-  und  Amtsgerichtes  Berlin-Wedding.  Zu  dieser  Mit- 
theilung in  No.  9£  S.  582  geht  uns  von  dem  Unternehmer 


der  Gründung,  Hrn.  kgl.  Hofzimmerrastr.  Th.  Möbus  in 
Berlin,  nachsiehende  Klarstellung  und  Ergänzung  zu;  wir 
geben  gleichzeitig  in  den  beistehenden  Abbildungen  die  Ein- 
zelheiten der  bei  obigem  Bau  verwendeten,  als  Gebrauchs- 
muster geschützten  Plahlform  nebst  Rammhaube  wieder. 

„Die  in  No.  91  der  „Dtschn.  Bauztg.“  gebrachten  Mit- 
theilungen enthalten  die  Bemerkung,  dass  sich  der  Beton- 
eisen-Pfahlrost doppelt  so  theuer  stelle,  wie  ein  Holzpfahl- 
rost. Diese  Bemerkung  trifft  etwa  zu,  soweit  die  reinen 
Kosten  des  Pfahlrostes  inbetracht  kommen,  da  die 
Betoneisenpfähle  natürlich  entsprechend  theurer  sind  als 
Holzpfähle;  sie  könnte  aber  zu  der  irrthümlichen  Annahme 
Veranlassung  geben,  dass  sich  die  Gründungskosten 
doppelt  so  theuer  gestellt  hätten,  als  bei  Holzpfahlrost. 
Thatsächlich  stellen  sich  die  Gründungskosten  aber  keines- 
wegs höher,  als  wenn  ein  Holzpfahlrost  angewendet 
worden  wäre,  da  letzterer  mit  Rücksicht  auf  den  tief- 
liegenden und  vermuthlich  noch  weiterer  Senkung  aus- 
gesetzten  Grundwasserstand  ent^prechend  tief  hätte  gelegt 
werden  müssen,  während  die  Betoneisenpfähle  mit  ihren 
Köpfen  unmittelbar  bis  unter  Kellersohle  reichen  können. 
Es  wird  also  in  letzterem  Falle  die  ganze  Ausschachtung 
zwischen  Kellersohle  und  Grundwasserspiegel  und  die 
Herstellung  des  Fundamentkörpers  vom  Grundwasser- 
spiegel bis  Kellersohle  gespart.  Der  Betoneisen  Pfahlrost 
wird  also  mit  dem  Holzpfahlrost  überall  da.  auch  hinsicht- 
lich der  Kosten  in  Wettbewerb  treten  können,  wo  das 
Grundwasser  bei  normaler  Kellerhöhe  (Berliner  Verhält- 
nisse) etwa  3 “ unter  Kellersohle  liegt.  Er  wird  in  diesem 
Falle  ausserdem  jedenfalls  billiger,  als  Gründung  auf  Senk- 
kasten bezw.  auf  Beton  zwischen  Spundwänden. 

Der  Betoneisen-Pfahlrost  bietet  den  letzteren  Grün- 
dungsweisen gegenüber  bei  Gründungen  an  der  Nachbar- 
grenze noch  den  Vorzug  grösserer  Sicherheit  gegen  Beschä- 
digung der  Nachbar-Fundamente,  da  die  Pfähle  ohne  vor- 
herige tiefe  Abgrabung  unter  Umständen  mit  Zuhilfenahme 
von  Spülung  eingerammt  werden  können,  sodass  Nach- 
sackungen des  Bodens  vermieden  werden.  Die  Beton- 
eisenpfähle haben  ferner  den  Vorzug,  dass  sie  sich  unschwer 
aufpfropfen  lassen,  falls  sich  während  desBaues  nachträglich 
eine  grössere  Gründungstiefe  als  nothwendig  erweUt. 

Die  Ausführungen  am  Amtsgericht  Berlin- Wedding 
haben  schliesslich  erwiesen,  dass  auch  starker  Frost  bei 
den  einigermaassen  abgelagerten  Pfählen  keinerlei  schäd- 
liche Wirkung  beim  Einrammen  gehabt  hat.  Die  Ramm- 
arbeiten wurden  noch  fortgeführt,  nachdem  10*^  Kälte 
schon  längere  Zeit  auf  die  Pfähle  eingewirkt  hatte,  ohne 
dass  die  Pfahlköpfe  unter  dem  Rammschlage  gelitten  hätten. 

Diese  verschiedenen  guten  Eigenschaften  dürften  den 
Betoneisenpfählen  ein  weites  Anwendungsgebiet  auch  im 


Gedenkfeier  für  James  Hobrecht  und  Wilhelm 
Böckmann  im  Architekten-Verein  zu  Berlin. 

|u  einer  ernsten  Feier  versammelten  sich  am  8.  Dez. 

d.  J.  die  Mitglieder  des  Vereins  in  dem  würdig  ge- 
' schmückten  grossen  Saale  des  Architektenhauses, 
zu  einer  Feier,  an  welcher  auch  der  kgl.  preuss.  Hr.  Minister 
der  öffentl.  Arbeiten  Budde,  Vertreter  der  Stadt  Berlin  und 
befreundeter  Vereine,  sowie  die  Familien  der  Gefeierten 
theilnahmen.  Galt  es  doch,  das  Andenken  zweier  erst 
kürzlich  verstorbener,  um  die  Entwicklung  des  Vereins 
wohlverdienter  Mitglieder  zu  ehren,  Persönlichkeiten  von 
hervorragender  Bedeutung  auf  fachlichem  Gebiete,  des 
Geh.  Brth,  -Stadtbrth.  a.  D.  Dr.  James  Hobrecht,  des 
Schöpfers  der  Berliner  Kanalisation,  und  des  Geh.  Brth. 
Wilhelm  Böckmann,  der  in  Gemeinschaft  mit  Hermann 
Ende  Jahrzehnte  lang  einen  wesentlichen  Antheil  an  der 
baulichen  Entwicklung  Berlins  und  seiner  Vororte  ge- 
nommen und  sich  in  seinem  letzten  Werke,  der  Umge- 
staltung des  Berliner  Zoologischen  Gartens,  ein  dauerndes 
Denkmal  gesetzt  hat. 

Der  Bedeutung  der  beiden  Männer  für  den  Verein, 
der  ihnen  seine  höchste  Auszeichnung,  die  Ehrenmitglied- 
schaft verlieh,  galt  zunächst  die  Ansprache  des  Vereins- 
Vorsitzenden,  Hrn.  Bith  Beer.  Seit  ihrem  Eintritt  haben 
sich  beide  mit  unermüdlichem  Eifer  dem  Verein  gewidmet, 
ihre  Kräfte  in  dessen  Dienst  gestellt.  19  mal  hat  Böck- 
mann dem  Vorstande  angehört,  2 mal  den  Vorsitz  geführt, 
während  Hobrecht  17  Jahre  lang  zu  den  Mitgliedern  des 
Vorstandes  zählte  und  13  mal  den  Vorsitz  geführt  hat.  In 
jener  Zeit  hat  der  Verein  vielleicht  seine  höchste  Blüthe 
gesehen.  Dem  Unternehmungsgeiste  Böckmanns  und  dem 
Einflüsse  Hobrechts,  des  damaligen  Vorsitzenden,  verdankt 
der  Verein  auch  den  Besitz  seines  stattlichen  Hauses.  Der 
Verein  verdankt  ihnen  aber  noch  mehr,  denn  gerade 
solche  Männer,  deren  Verdienste  nicht  nur  auf  rein 
technischem  Gebiete  liegen,  die  sich  vielmehr  auch  ander- 
wärts im  Leben  als  tüchtig  bewährten,  haben  sein 

17.  Dezember  1902. 


Ansehen,  seine  geachtete  Stellung  begründet.  Ihr  Andenken 
bleibt  unvergessen. 

Die  eigentliche  Gedenkrede  auf  Hobrecht  hatte  Hr. 
Stadibauinsp.  K.  Meier  übernommen,  der  unter  seiner 
Leitung  an  dem  Lebenswerke  Hobrechts,  der  Durchfüh- 
rung der  städtischen  Kanalisation  in  Berlin,  fast  von  An- 
beginn raitgearbeitet  hat,  die  Rede  auf  Böckmann,  dessen 
langjähriger  Freund  Brth.  Kyllmann.  Beiden  Rednern 
war  die  Aufgabe  nicht  leicht  gemacht,  gegenüber  den 
ehrenvollen  Nachrufen,  die  den  Hingegangenen  in  den 
Fach-  und  Tagesblättern  seiner  Zeit  gewidmet  worden 
sind  und  noch  in  frischer  Erinnerung  standen,  ihremLebens- 
bilde  neue  Züge  abzugewinnen.  Es  gilt  dies  besonders 
von  Böckmann,  der  erst  im  Frühjahr  dieses  Jahres  aus  An- 
lass seines  70.  Geburtstages  der  Mittelpunkt  besonderer 
Ehrungen  gewesen  ist.  Wir  können  in  dieser  Beziehung 
auf  die  eingehenden  Darstellungen  verweisen,  die  wir  an 
anderer  Stelle  bereits  gebracht  haben,  und  müssen  es  uns 
versagen,  auf  die  beiden  eindrucksvollen  Reden,  die 
dem  Wesen  und  den  Leistungen  der  beiden  Männer  in 
vollem  Maasse  gerecht  wurden,  näher  einzugehen. 

Nur  aus  dem  Hobrecht’schen  Leben  möchten  wir  noch 
einige  charakteristische  Züge  nachtragen,  die  geeignet  sind, 
das  von  uns  früher  entworfene  Bild  dieser  kraftvollen  Per- 
sönlichkeit in  einigen  Punkten  zu  ergänzen  und  zu  ver- 
tiefen. Interessant  ist,  dass  der  später  hervorragende  In- 
genieur ursprünglich  sich  einem  anderen  Lebensberufe- 
widmen  wollte.  Die  Liebe  zur  Natur  und  zum  Landleben,, 
die  ihm  bis  in  sein  spätes  Alter  treu  geblieben  ist,  ver- 
anlasste  nicht  nur  den  16jährigen  Jüngling,  vorzeitig  die 
Schale  zu  verlassen,  um  Land  »virth  zu  werden,  sondern  führte 
den  27jährigen  Mann  zum  zweitenmale  dazu,  sich  diesem 
Berufe  zu  widmen,  nachdem  er  inzwischen  nach  Vollendung 
seiner  Schulbildung,  sowie  nach  Ablegung  des  Feldmesser- 
und  Bauführer-Examens  bereits  mehrere  Jahre  in  der 
Praxis  thätig  gewesen  war.  Die  Ungunst  der  Verhältnisse 
zwang  ihn  aber,  das  übernommene  Gut  aufzugeben.  AU 
28jähriger  und  inzwischen  verheiratheter  Mann  kehrte 

647 


Ineenieurwesen  eröffnen,  z.  B.  zu  Brückengründungen, 
zur  Herstellung  von  Bohlwerken  in  Verbindung  mit  Be- 
tonplatten, zu  kleinen  Brückenbauten  anstelle  massiver 
Durchlässe,  zu  Brückenjochen,  zur  Herstellung  dauerhafter 
und  billiger  Gleisunterstutzung  in  Moorstrecken  anstelle 
der  theuren,  während  langer  Zeit  immer  wieder  ver- 
sackenden Dämme  usw." 

Berlin,  im  Dezember  1902.  Th.  Möbus. 

Techniker  als  Bürgermeister.  Wiederum  hat  eine 
hessische  Stadt,  dem  Beispiele  von  Giessen  folgend,  einen 
Techniker  zu  ihrem  Bürgermeister  erwählt  und  zwar 
Friedberg.  Der  Gewählte  ist  Hr.  Brth.  Stahl  aus  Giessen.— 


Todtenschau. 

Geheimer  Ober-Baurath  Max  Spitta  In  den  Früh- 
stunden des  13.  Dezember  entschlief  in  Berlin  der  Ge- 
heime  Ober-Baurath  und  Vortragende  Rath  im  kgl.  preuss. 
Kultusministerium  Max  Spitta,  ein  feinsinniger  Architekt, 
welchem  das  architektonische  Gepräge  der  Reichshaupt- 
stadt manchen  tieferen  Zug  verdankt.  Spitta  wurde  im 
Jahre  1842  zu  Lissa  in  der  Provinz  Posen  geboren  und 
absolvirte  das  Gymnasium  in  Brandenburg  a.  H.  Während 
des  Elevenjahres  arbeitete  er  bei  dem  damaligen  Hoibau- 
rath  Lohse  in  Berlin  und  bestand  ira  Frühjahr  1866  nach 
zweijährigem  Studium  auf  der  Berliner  Bauakademie  die 
Bauführerprüfung.  Seine  praktische  fachliche  Thätigkeit, 
auf  deren  Höhepunkt  die  Gnadenkirche  im  Invalidenpark 
in  Berlin  steht,  begann  der  Verstorbene  bei  den  Erweite- 
rungsbauten des  Kriegsministerial  - Gebäudes  in  Berlin. 
Zunächst  nur  diese  kurze  Nachricht;  es  wird  sich  noch 
Gelegenheit  finden,  auf  das  Lebenswerk  Spitta’s  etwas 
eingehender  zurückzukommen.  — 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  den  Neubau  einer 
Realschule  mit  Progymnasium  ln  Meissen  wird  vom  dortigen 
Stadtrath  unter  den  im  Königreich  Sachsen  wohnhaften 
Architekten  zum  28.  Febr.  1903  erlassen.  Es  gelangen 
3 Preise,  von  2000,  1000  und  500  M.  zur  Vertheilung,  ein 
Ankauf  nicht  preisgekrönter  Entwürfe  für  je  300  M.  ist 
Vorbehalten.  Dem  sgliedrigen  Preisgerichte  gehören  als 
Architekten  an  die  Hrn.  Brth.  Krüger  und  Stadtbmstr. 
Kaiser  in  Meissen,  sowie  Stadtbrth,  Scharenberg  in 
Leipzig.  Unterlagen  gegen  2,50  M.  durch  den  Stadtrath 
in  Meissen.  — 

Ein  Preisausschreiben  betr.  Entwürfe  für  eia  Plakat 
erlässt  der  Verlag  der  „Modernen  Reklame“  in  Berlin  für 
unabhängige  Künstler  und  vertheilt  3 Preise  von  400,  200 


er  zur  Bauakademie  zurück,  um  sich  nun  nach  Vollendung 
seiner  Studien  und  Ablegung  des  Examens  als  Land- 
baumeister  im  Jahre  )85Ö  endgiltig  dem  Berufe  zuzuwen- 
den, auf  dem  er  so  Bedeutendes  leisten  sollte.  Der  Um- 
weg zum  Ziele  hat  seiner  thatkräftigen  Natur  aber  nicht 
geschadet,  während  ihm  die  dabei  erworbene  Kenntniss 
der  Landwirthschaft  später  von  grossem  Nutzen  gewesen  ist. 

Wenige  Jahre  nach  Ablegung  des  damals  erforder- 
lichen zweiten  Examens  als  Baumeister  für  den  Wasser-, 
Wege-  und  Eisenbahn-Bau  sehen  wir  ihn  als  Stadtbaurath  in 
Stettin,  wo  er  beim  Bau  des  Wasserwerkes  und  bei  Auf- 
stellung des  Kanalisations-Entwurfes  ausreifte,  um  1868  als 
erfahrener  Meister  in  einer  Broschüre  „Ueber  öffentliche 
Gesundheitspflege  und  die  Bildung  eines  Centralamtes  für 
öffentliche  Gesundheitspflege  im  Staat“,  sein  technisches 
und  wissenschaftliches  Glaubensbekenntnis  abzulegen. 

Wie  sich  dann  die  Aufmerksamkeit  der  Stadt  Berlin 
auf  ihn  lenkte,  wie  er  berufen  wurde,  das  grosse  Werk 
der  Kanalisation  durchzuführen,  wie  er  mit  klarem  Blick 
die  Schwächen  der  hierzu  vorhandenen  Pläne  erkannte 
und  zum  Segen  Berlins  auf  ganz  neuer  Grundlage  auf- 
baute, wie  er  trotz  aller  Widersprüche  mit  der  ihm  eigenen 
eisernen  Energie  und  geschäftlichen  Gewandtheit  alle 
Schwierigkeiten  besiegte,  die  sich  der  von  ihm  für  die 
Berliner  Verhältnisse  als  allein  richtig  erkannten  Reinigung 
der  Abwässer  durch  Bodenberieselung  enigegenstellten, 
ist  allgemein  bekannt,  aber  vielleicht  nicht  genügend 
gewürdigt.  Wir  sind  nur  zu  leicht  geneigt,  über  dem 
Erreichten  zu  vergessen,  wie  und  unter  welchen  Voraus- 
setzungen es  erreicht  wurde.  In  welche  Zustände  wäre 
Berlin  gerathen,  wenn  die  Durchführung  seiner  Kanalisation 
nicht  einem  Manne  anvertraut  gewesen  wäre,  „der  bei 
gründlichem  Wissen  und  Beherrschung  des  Stoffes  auch 
das  eiserne  Rückgrat  besass,  sich  um  keines  Zolles  Breite 
von  dem  einmal  als  richtig  erkannten  Wege  durch  Kom- 
promisse irgend  welcher  Art  abdrängen  zu  lassen.“ 

Als  60-Jähriger  übernahm  er  dann  als  Stadtbaurath 
das  gesammte  Tiefbauwesen  der  Stadt  Berlin,  die  ihm 

648 


und  100  M.,  sowie  eine  weitere  Summe  von  300  M.  für 
den  Entwurf,  welcher  zur  Ausführung  gelangt.  — 

Ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen  zu 
Plakaten  erlässt  auch  die  Bleistiftfabrik  vorm.  Johann  Faber, 
A.-G.  in  Nürnberg,  zum  31.  Jan.  1903.  Es  gelangen  3 Preise 
von  1200,  800  und  500  M.  zur  Vertheilung;  ein  Ankauf  nicht 
preisgekrönter  Entwürfe  für  je  100  M.  ist  Vorbehalten. 
Unter  den  5 Preisrichtern  belinden  sich  folgende  3 Ver- 
treter der  bildenden  Kunst:  Prof.  L.  Herterich,  Prof. 
Emanuel  Seidl  und  Kunstmaler  Julius  Diez,  sämmtlich 
in  München.  — | 

Wettbewerb  Progymnasium  Forchheim.  Bei  diesem 
auf  sämmtliche  bayerische  Architekten-  und  Ingenieur- 
Vereine  erstreckten  Wettbewerbe  erhielt  den  III.  Preis 
nicht  Hr.  Otto  Schachner-München,  sondern  Hr.  kgl.  Bau- 
amtsassessor Richard  Schachner  in  Freising.  — 

In  einem  engeren  Wettbewerb  betr,  Entwürfe  für  ein 
Provinzialmuseum  in  Münster  zwischen  den  Hrn.  Arch. 
H.  Schädder  in  Hannover  und  Reg.-Bmstr.  K.  Teichen 
in  Berlin  wurde  der  Grundrissgedanke  des  letzteren  als 
der  bessere  erklärt.  — 

Wettbewerb  Töchterschule  Essen,  Ein  Preis  von 
1500  M,  wurde  dem  Entwurf  „Südwestklasse“,  Preise  von 
je  1000  M..  den  Entwürfen  „Herbstzeitlose",  „Concav“  und 
„Den  kleinen  süssen  Mädeln“  zuerkannt.  Zum  Ankauf 
empfohlen  wurden  die  Entwürfe:  „Pallas",  „Morgen- 
sonne" {2),  „Ehret  die  Frauen“,  „Sonnenlicht“,  „Jugend“ 
und  „Nordwestlicht“.  Leider  nennt  die  Bekanntmachung 
nicht  auch  die  Verfasser  der  vorgenannten  Entwürfe.  — 


Personal-Nachrichten, 

Preussen.  Den  Reg.-  u.  Brthn.  Sigle  und  Sommerfeldt 
in  Essen,  dem  Eisenb.-Bau- u.  Betr.-Insp.  Hentzen  in  Halle  a.  S. 
ist  der  Rothe  Adler-Orden  IV.  Kl.  und  dem  Reg.-Bmstr.  Hamm 
in  Essen  der  kgl.  Kronen-Orden  IV.  Kl.  verliehen. 

Die  Erlaubniss  zur  Annahme  und  zum  Tragen  der  ihnen  verlieh, 
fremdl.  Orden  ist  ertheilt  und  zw.:  den  Stadtbrtho.  L.  Hoffmann 
und  Krause  in  Berlin  des  Offizierkreuzes  des  Italien.  St.  Mauritius- 
und  Lazarus-Ordens;  den  Stadtbauinsp.  Matzdorff  und  Szalla 
in  Berlin  des  Offizierkreuzes  des  Ordens  der  Italien.  Krone. 

Der  Mel -Bauinsp.  Quirll  in  Osnabrück  ist  z.  etatm.  Prof,  an 
der  Techn.  Hochschule  in  Aachen  ernannt. 

Dem  Ob. -Lehrer  B e h r an  der  kgl.  Baugewerkschule  in  Görlitz 
ist  das  Prädikat  Prof,  verliehen. 


Inhalt:  Der  Grundablass  der  Wehranlage  in  Schweinfurt  a.  M.  — 
Vermischtes.  — Gedenkfeier  für  James  Ilobrecht  und  Wilhelm  Böckmann 
im  Architekten-Vereia  zu  Berlin.  — Todtenschau.  — Preisbewerbungen. 
— Personal-Nachrichten. 


Verlag  der  Deutschen  Bauzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


viel  verdankt,  nicht  nur  dem  schaffenden  Ingenieur,  der 
in  der  Umgestaltung  der  Strassen,  Plätze  und  Brücken 
Bedeutendes  leistete,  sondern  auch  dem  bei  aller  Grad- 
heit  des  Charakters  gewandten  Diplomaten,  dem  es  gelang, 
die  oft  scheinbar  entgegengesetzten  staatlichen  und 
städtischen  Interessen  zu  einem  gemeinsamen  Ziele  zu 
führen.  So  ist  das  Zustandekommen  der  für  Berlin  so 
segensreichen  Durchführung  der  Spree-Regulirung  zum 
nicht  geringen  Theile  sein  Werk.  Dass  andererseits  bei 
einem  Charakter  wie  Hobrecht  das  P'esthalten  an  einer 
von  ihm  als  richtig  angesehenen  Anschauung  auch  zur 
Hartnäckigkeit  führen  konnte,  beweist  seine  Stellung- 
nahme zum  Ausbau  des  Berliner  Schnell- Verkehrs  durch 
Anlage  von  Hoch-  und  Untergrundbahnen.'  „Hier  lag  bei 
dem  sonst  so  Gewaltigen  die  Achillesferse“. 

Hatte  Redner  so  ein  treffendes  Bild  von  der  Bedeu- 
tung Hobrecht’s  in  seiner  amtlichen  und  ausseramtlichen 
Berufsthätigkeit  gegeben,  so  gilt  das  nicht  minder  von 
der  Würdigung  seiner  Persönlichkeit:  „Seine  universelle 
Bildung,  verbunden  mit  einer  seltenen  Gabe,  seinen  Ge- 
danken und  Empfindungen  durch  das  Wort  Ausdruck  zu 
verleihen,  sowie  seine  kraftvolle  hohe  Gestalt  machten  ihn 
zum  Mittelpunkt  jeder  Gesellschaft,  in  die  er  trat  und  er- 
klären seine  Erfolge  im  öffentlichen  Leben.  — Er  wareine 
vornehme  Natur,  abhold  jeder  Lüge  und  jedem  Schein, 
offen  und  ohne  Falschheit  gegenjedermann. — Wie  er  selbst 
gewissenhaft  und  pflichttreu  im  Amt  und  von  schonungs- 
loser Hingabe  an  die  Arbeit  im  Beruf  war,  so  forderte  er 
dieselben  Eigenschaften  auch  von  seinen  Beamten“. 

Eine  tückische,  schleichende  Krankheit  zehrte  den  star- 
ken Mann  langsam  auf.  „Wir  aber,  die  wir  ihn  in  der  Voll- 
kraft seines  Schaffens  kennen,  lieben  und  bewundern  ge- 
lernt haben,  werden  ihm  über  das  Grab  hinaus  ein  treues 
Andenken  bewahren,  ihm,  dem  Pfadsucher  und  Pfadfinder 
auf  dem  Gebiete  der  Städtereinigung,  dem  Kanalisator  von 
Berlin,  dem  Verschönerer  seiner  Strassen,  Brücken  und 
Plätze,  der  Leuchte  unseres  Faches  und  nicht  zum  ge- 
ringsten ihm,  dem  Menschen!"  — Fr.  E. 


No.  loi. 


EUTSCHE 
XXXVI.  JAHR- 
BERLIN  * 


S:S!!S!«1RS!S!S!2!Sr2rS:S»S! 

AUZEITUNG. 
GANG.  * * N9;  102.  * 
DEN  20.  DEZ.  igo2.  * 


No.  107.  Das  Palais  Staudt,  Regentenstrasse  i 
und  Thiergartenstrasse  9. 

Architekt:  Professor  Otto  Rieth  in  Berlin. 

(Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildung  S.  652.) 

~ langem  schon  hat  in  Berlin  ein 

Bauwerk  nicht  mehr  das  Aufsehen 
erregt,  wie  das  Gebäude,  welches  in 
den  Jahren  1897 — 1899  an  der  Ecke 
der  Thiergarten-  und  der  Regenten- 
strasse im  Aufträge  des  Hrn.  Konsul 
Wilhelm  Staudt  durch  den  Archi- 
tekten Prof.  Otto  Rieth  in  Berlin  er- 
richtet wurde.  Die  lebhaften  Erwartungen,  mit  welchen 
sowohl  die  Fach-  wie  die  Laienwelt  zunächst  die  Kunde 
von  dem  Bauauftrag  überhaupt  und  sodann  den  Be- 
ginn der  Arbeiten  des  Gebäudes  und  ihre  Fortschritte 
begleiteten,  batten  einen  doppelten  Grund.  Man  wusste, 
dass  der  Bauherr,  welcher  das  Glück  hatte,  bei  kauf- 
männischenUnternehmungen  inSüdamerika  ein  grosses 
Vermögen  zu  erwerben,  dem  Architekten  unbeschränkte 
Mittel  zur  Verfügung  stellen  konnte,  und  man  wusste 
auch,  dass  er  diese  Mittel  in  der  bewussten  künstle- 
rischen Absicht  medicäischer  Freigebigkeit,  in  dem 
stolzen  Gefühle  des  durch  rastlose  eigene  Thätigkeit 
erworbenen  Besitzes  zu  verwenden  und  dass  er  der 
Mitwelt  zu  zeigen  gedachte,  dass  er  wisse,  was  er  als 
Besitzer  der  reichen  Mittel  der  Kunst  schulde.  Es 
handelte  sich  also  um  einen  sogenannten  „idealen“ 


Auftrag,  dessen  künstlerische  Bedeutung  durch  die 
nicht  ganz  günstigen  örtlichen  Verhältnisse  der  Bau- 
stelle kaum  beeinträchtigt  werden  konnte. 

Auf  der  anderen  Seite  fiel  der  Bauauftrag  einem 
Architekten  zu,  dessen  Name  schon  ein  Jahrzehnt  in 
der  deutschen  Baukunst  der  Gegenwart  einen  guten 
Klang  und  eine  hervorragende  Bedeutung  hatte.  Die 
Skizzen  und  Studien,  die  Otto  Rieth  in  Zwischen- 
räumen herausgab,  hatten  ihn  als  eine  künstlerische 
Individualität  von  besonderer  Eigenart  erkennen  lassen. 
Der  überquellende  Reichthum  der  Gedanken,  die 
Leichtigkeit  in  der  zeichnerischen  Wiedergabe  der- 
selben, die  grosse  Gewandtheit  in  der  Verschmelzung 
der  schönen  Formen  des  menschlichen  Körpers  mit 
architektonischen  Bildungen,  die  Grösse  der  Auffassung 
da,  wo  es  sich  um  rein  baukünstlerische  Gestaltungen 
handelte,  kurz,  der  Charakter  einer  in  sich  geschlosse- 
nen künstlerischen  Erscheinung,  die  in  sicherer  Weise 
ihren  Weg  ging,  musste  die  Erwartungen  auf  das 
Höchste  spannen  und  den  berechtigten  Wunsch  aus- 
lösen,  zu  sehen,  wie  sich  ein  Künstler,  der,  abgesehen 
von  einigen  Aufträgen,  die  mehr  in  das  dekorative 
Gebiet  gingen,  bisher  eigentlich  nur  zeichnerische 
Grossthaten  aufweisen  konnte,  einer  ernsten,  grossen 
Bauaufgabe  gegenüber  verhalten  würde.  Denn  was 
der  Bauherr  von  dem  von  ihm  erwählten  Künstler 
erwartete,  war  wohl  ein  Wohnhaus  für  den  eigenen 
Bedarf,  gleichwohl  aber  kein  Wohnhaus  gewöhnlicher 
Art,  wie  es  irgend  ein  vermögender  Bauherr,  der  all- 
gemeinen Sitte  folgend,  sich  wohl  errichten  lässt,  son- 
dern der  Bauherr  wollte  ein  Wohnhaus,  welches  das 
Errungene,  seinen  grossen  Besitz  in  entschiedener 
Weise  in  die  Erscheinung  treten  Hess.  Er  gefiel  sich 
in  dem  behaglichen  Gefühle,  der  Mitwelt  zu  zeigen, 
was  er  mit  den  durch  seinen  Unternehmungsgeist 
gewonnenen  Mitteln  zu  leisten  vermöge  und  wenn  er, 
um  dieses  Gefühl  zum  Ausdruck  zu  bringen,  die  Kunst 
wählte,  so  wird  dieser  Umstand  Manchen  versöhnen,  der 
über  die  Erscheinungsformen  eines  solchen  modernen 
kaufmännischen  Reichthums  anderer  Meinung  ist. 

Aus  dem  stolzen  Ichgefühle  heraus  wurde  zunächst 
die  Baustelle  in  der  vornehmsten  Lage  der  vornehm- 
sten Berliner  Wohngegend  gewählt.  Der  Bauherr  er- 
warb die  beiden  Grundstücke  Thiergartenstrasse  9 und 
Regentenstrasse  i und  vereinigte  sie  zu  einem  lang- 
gestreckten Grundstücke,  welches  der  Grundrissent- 
faltung des  Hauses  auf  der  einen  Seite  nicht  geringe 
Schwierigkeiten,  auf  der  anderen  Seite  aber  auch 
einige  Vortheile  bot.  Es  handelte  sich  um  ein  palast- 
artiges Wohnhaus  reichsten  Stiles  und  angelegt  für 
grossen  gesellschaftlichen  Verkehr.  Den  Forderungen 
des  Raumprogrammes  versuchte  der  Architekt  durch 
Anlage  von  3 Geschossen  zu  entsprechen.  Der  Haupt- 
eingang zum  Hause  ist  an  der  Thiergartenstrasse  ange- 
ordnet. Der  Besucher  betritt  hier  zunächst  einen  ovalen 
Vorraum  und  von  ihm  aus  eine  geräumige  Diele  mit 
Kleiderablage,  an  welche  die  zweiarmige  stattliche 
Treppenanlage  angeschlossen  ist,  die  vom  Sockel-  zum 
hohen  Erdgeschoss  emporführt.  In  ersterem  liegen 
noch  eine  Pförtnerwohnung,  sowie  einige  der  Gesellig- 
keit gewidmete  Räume,  wie  Kegelbahn  mit  Kegelstube, 
Billardzimmer  usw.  In  der  Regentenstrasse  findet  sich 
ein  zweiter  Eingang  mit  geräumiger  Eintrittshalle, 
welcher  im  Anschluss  an  die  von  einem  hier  gelegenen 
zweiten  Vorraum  aus  zugängliche  Stockwerkstreppe 
dem  alltäglichen  Wohnverkehr  gewidmet  ist.  Hier 
liegt  auch  der  Stallhof  mit  Kutscherwohnung,  Pferde- 
ställen und  Wagenremise.  Das  hohe  Erdgeschoss 
enthält,  um  eine  geräumige  und  reiche  Diele  gelagert, 
eine  seltene  Flucht  vornehmer  Gesellschaftsräume,  wie 


649 


OBER  SESCHOSS. 


sie  nicht  leicht  ein  pri- 
vates Wohnhaus  wieder 
aufweisen  wird.  An  der 
Thiergartenstrasse  liegt, 
mit  segmentförmiger  Aus- 
bauchung, der  Tanzsaal; 
an  ihn  reihen  sich  in 
der  Regentenstrasse  ein 
Empfangs  - Zimmer,  der 
Musiksaal , ein  Herren- 
zimmer und  der  Speise- 
saal mitWintergarten  an, 
lauter  stolze  Räume.  Am 
Hofe  liegen  im  gleichen 
Geschoss  die  Küchen- 
räuine  mit  ihren  Neben- 
gelassen und  ein  Diener- 
zimmer. Das  Oberge- 
schoss ist  ausschliesslich 
Wohngeschoss ; es  ent- 
hält die  Wohn-  und 
Schlafzimmer  der  Eltern 
und  Kinder,  ein  Früh- 
stückszimmer,  sowie  ge- 
gen den  Hof  die  Haus- 
haltungsräume. So  sind 
die  Raumgruppen  ihrer 
Benutzung  nach  streng 
getrennt  und  doch  zu  ein- 
ander, wie  auch  in  sich, 
zweckmässig  angelegt. 
Es  ist  unzweifelhaft  eine 
grosse  Wirkung,  die  mit 
der  glänzenden  Flucht 
stattlicher  Gesellschafts- 
räume im  hohen  Erd- 
geschoss des  seltenen 
Hauses  erreicht  worden 

ist.  — (Schluss  folgt.) 


Zur  Vollendung  des  Nil-Staudammes  bei  Assuan. 


iM^lm  II.  Dez.  d.  J.  ist  der  grosse  Staudamm  von  Assuan 
^^^1  am  ersten  Nilkatarakt  in  feierlicher  Weise  seiner  Be- 
Stimmung  übergeben  und  damit  ein  Kulmrwerk  ersten 
Ranges  zum  Abschluss  gebracht  worden,  mit  dem  sich  die 
engli.'Che  Verwaltung  in  Aegypten  ein  dauerndes  Denkmal 
gesetzt  hat.  Weite  Landstriche,  die  bisher  wegen  mangeln- 
der Bewässerung  brach  liegen  mussten,  können  nunmehr 
der  Kultur  erschlossen,  in  fruchtbares  Ackerland  verwan- 
delt werden;  andere,  denen  nunmehr  Wasser  in  reicherem 
Maasse  und  vor  allem  geregelter  als  früher  zugeführt  wird, 
werden  in  ihrer  Ertragfähigkeit  erheblich  gesteigert. 

In  Verbindung  mit  der  im  vorigen  Frühjahr  fertig  ge- 
stellten Stauanlage  bei  Assiut,  400  oberhalb  Kairo  und 
etwa  halbwegs  zwischen  dem  Staudamm  von  Assuan  und 
den  alten  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
durch  französische  Ingenieure  dicht  unterhalb  Kairo  er- 
richteten Stauwehren,  der  Barrage,  wird  durch  den  Stau- 
damm von  Assuan  die  Bewässerung  von  Ober-  und  Mittel- 
Aegypten  und  im  Fajum  geregelt,  indem  diese  Stauanlage 
zwar  die  eigentliche  Nilschwelle  mit  ihrem  befruchtenden 
Schlamme  ungehindert  durchlässt,  die  darauf  folgenden, 
von  Sinkstoffen  freien  Wassermassen  aber  in  den  Monaten 
Dezember  bis  März  zurückhält  und  in  einem  Sammelbecken 
äufstaut,  dessen  höchster  Wasserstand,  + 106  *“  über  mittle- 
rem Meeresspiegel  bei  Alexandria,  noch  erheblich  über 
dem  höchsten  Nil-Hochwasser  liegt.  Dieses  aufgestaute 
Wasser  wird  in  den  Monaten  des  grössten  Wasser- 
mangels, im  Mai  bis  Juli,  nach  und  nach  den  Bewässe- 
rungs-Kanälen zugeführt.  Die  Stauanlage  bei  Assiut 
dient  dabei  hauptsächlich  als  Regler  für  die  Wasserab- 
führung. 

Während  also  früher  das  Wohl  und  Wehe  des  Landes 
von  der  Höhe  der  Nil  schwelle  ab  hing,  eine  besonders 
kräftige  Anschwellung  Fruchtbarkeit  und  Ueberfluss,  eine 
geringe  Misswachs  und  Hungersnoth  bedeutete,  wird  die 
Bewässerung  durch  den  Staudamm  von  Assuan,  von  den 
Hochwasserständen  unabhängiger,  und  während 
früher  nur  eine  einmalige,  etwa  45  Tage  dauernde,  Ueber- 
stauung  der  Ländereien  bei  Hochwasser  im  Juli -August 
möglich  war,  der  Ueberschuss  an  Wasser  aber  nutzlos 
verloren  ging,  gestattet  die  Aufsammlung  mächtigerWasser- 
massen  im  Staubecken  von  Assuan  nunmehr  eine  dauernde 
Bewässerung  während  einer  längeren  Periode. 


Auch  die  Verhältnisse  in  Unter-Aegypten  haben  durch 
diese  Stauanlage  eine  beachtenswerthe  Verbesserung  er- 
fahren, indem  die  erzielte  grössere  Wasserführung  des  Nils 
im  Sommer  ein  um  1,5°'  höheres  Aufstauen  des  Sommer- 
wassers durch  die  alte  Barrage  gestattet,  als  bisher.  Es 
werden  ferner  dem  alten  Ibrahiraieh-Kanal,  der  unmittelbar 
unterhalb  der  Stauanlage  von  Assiut  abzweigt,  grössere 
Wassermassen  zugeführt,  sodass  er  als  Schiffahrtskanal 
brauchbarer  wird  und  gleichzeitig  seine  Aufgabe  als  Be- 
wässerungskanal in  höherem  Maasse  erfüllt.  Nothwendig  war 
zu  diesem  Zwecke  der  Umbau  seiner  Einlass-  und  Schiff- 
fahrischleuse,  während  der  höhere  Aufstau  an  der  Barrage 
eine  entsprechende  Verstärkung  dieser  Anlage  erfordert. 

Die  Barrage  sperrt  mit  2 getrennten  Wehranlagen 
die  beiden  bei  Rosette  bezw.  Damiette  sich  in  das  Meer 
ergiessenden  Hauptarme  des  Nils  ab.  Es  sind  Schützen- 
wehre mit  6r  bezw.  71  Oeffnungen  von  je  4,88  “ Weite 
•zwischen  1,98®  dicken  Pfeilern.  Der  in  Hohe  der  Fluss- 
sohle abschliessende  Wehrboden  ist  eine  45,70®  breite, 
3,35  ® dicke  Mauerwerkplatte,  an  welche  sich  noch  beider- 
seits Sohlensicherungen  anschliessen.  Die  Schütztafeln 
(3  in  jeder  Oeffnung)  werden  von  starken  Laufkatzen  ge- 
hoben. Die  Anlage,  deren  Sohle  sich  trotz  des  verhält- 
nissmässig  geringen  Aufstaues  als  unsicher  erwies,  ist 
1884 — 1886  von  englischen  Ingenieuren  in  Stand  gesetzt 
worden.  Da  man  es  aber  doch  nicht  wagen  durfte,  sie 
einem  höheren  Wasserdrücke  auszusetzen,  so  sind  mit 
einem  Kostenaufwande  von  etwa  10  Mill.  M,  hinter  der 
Barrage  neue  Staudämme  zu  ihrer  Entlastung  ausgeführt 
worden,  sodass  nunmehr  ein  Anstauen  des  Sommerwasser- 
standes um  5,5  ® imganzen  möglich  ist. 

Nach  den  schlechten  Erfahrungen,  die  man  mit  der 
Gründang  der  alten  Anlage  gemacht  hatte,  ging  man  bei 
dem  Bau  der  neuen  Wehre  sehr  vorsichtig  vor.  Sie  sind, 
mit  Hilfe  schwimmender  Holz-Kaissons,  als  Dämme  mit 
einem  massiven  Mauerwerkskern  von  7 ™ Tiefe  bei  3 ® 
Breite  ausgeführt,  an  welchen  sich  beiderseits  in  10  ® Breite, 
1,80®  Dicke  ein  Thonschlag  anschliesst,  der  durch  eine 
2,45  ™ dicke  Steindecke  geschützt  ist,  die  sich  oberhalb  in 
15®,  unterhalb  in  rd.  50®  Breite  erstreckt.  Jeder  Damm 
enthält  natürlich  eine  Schiffsschleuse. 

In  dem  Nilarm  von  Damiette  ist  zur  weiteren  Ver- 
besserung der  Bewässerung  von  Unterägypten  eine  neue 


650 


No.  102. 


Abbildg.  I.  Staudamm  bei  Assuan.  Lageplan  nebst  Anordnung  der  Baustelle. 


^1  Dieses  Wehr'hat  nur'den  Zweck,  das 

.sl  ^ »”  Sommerwasser  um  »,5-3»  aufzu- 

— stauen,  während  bei  H.W.  nur  eine 

II if=ss7r'^t^nä  t^j  oefü/nem  Hcbung  vou  1 5 c™  Stattfindet. 

Der  eigentliche  Wehrkörper  ist 

■In  Ab/sss  Schleusen  P®!  i daher  verhältnissmässig  leicht  kon- 

Willi  lllllll  PI  II  ||||||ll||iilllll!l  -yd  ^ ^ struirt,  während  dem  mit  Flnssohle 

\ lilllllllllllpPlll^llll[lilllllllinll'l-'''^l^^^^  'llliptl  k.  ? abschliessenden  Boden  wieder  be- 

M \ !''■  ■ ■:  ■■.:■■■:.  §|,  0;- ■ yti  & "t  sondere  Aufmerksamkeit  zugewen- 

K 'S  det  werden  musste,  um  so  mehr,  als 

•■'■■  die  Flussohle  aus  von  vielen  Quellen 
M M.'  1 P • durchsetztem  Sandboden  besteht,  der 

K auch  der  Ausführung  erhebliche 

■ k^-  Schwierigkeiten  bereitete.  Der  Ober- 
> ■'‘''‘"'m  rs^c  2^  bau  besteht  aus  Steinpfeilern  von  2m 

' ^ * ’ ' ' ' ' ■ ' ^ ■ ■'  Dicke,  die  durch  Gewölbe  oben  ver- 

pRj,««.  Abbildg.  HtlheDpkn  j Assrao.  banden  sind  nnd  eine  4, 5„“  breite 

Abbildg.  3.  Querschnitt  ) oirasse  tragen.  Jeder  9-  Pfeiler  ist 

Höchster  p h-y/J’/yr^  I p auf  4 rt» verstärkt.  Zwischen  denselben 

liegen  nt  Oeffnungen  von  je  5m 

— = — — < Lichtweite,  die  je  durch  2 Schützen  geschlossen  sind. 

'd///////'\^\ ^ Die  Höhe  von  Sohle  bis  Oberkante  stellt  sich  auf  12,5“. 

'J  \ \ Die  Sohle  besteht  aus  einem  die  ganze  Strombreite  durch- 

"r7  H.  w.  d'''''',  querenden  Mauerwerk-Fundament  von  26.5  m Breite  bei 

3“  Dicke,  das  durch  gusseiserne,  14  m unter  Sohle  herab- 

— '"'/,/W  reichende  Spundwände  ober-  und  unterhalb  gegen  Unter- 

— . /P/  '^A.iV  Spülung  geschützt  ist.  Die  Fugen  dieser  Spundwand  sind 

" kd  ^ ^ noch  durch  Zement  gedichtet.  Gegen  Auskolkung  ist  das 

S Flussbett  in  20  m Breite  ober-  und  unterhalb  durch  Stein- 

>=  - I ■■  Packung  geschützt,  unter  welche  ira  Oberwasser  gegen 

'-p  ■ - ■ ■ - Yx-\—  — — — Durchdrängen  des  Wassers  ein  starker  Thonschlag  unter- 

1—..«...  ir-'x  \ gebracht  ist,  während  umgekehrt  ira  Unterwasser  ein  Kies- 
en ' ' ''t^  \ bett  ein  Micreissen  des  Sandes  durch  Quellen  verhindern  . 

.1,  ,,  i'rOs  Xsömyreriv  Zahlreiche  Quellen,  die  sich  in  der  Sohle  bei  der 

_ Herstellung  zeigten,  wurden  durch  Zementeinpressung 

Ausführung  dieses  Dammes  vollzog  sich,  wie 
\X-  ■■  y..y  . /r ■ w '/AuMi' z~Y7'''%'\ ' schon  hervorgehoben  wurde,  nicht  ohne  Schwierigkeit.  Sie 

,„.<y  . t wurde  Stückweise  zwischcn  Fangedämmen  Unter  Trocken- 

-Wehranlage  bei  Zifta  gebaut,  die  in  ähnlicher  Weise  aus-  legung  der  Baustelle  vorgenommen.  Diese  Dämme  wurden 
gebildet  ist,  wie  die  Stauanlage  von  Assiut.  Sie  ermöglicht  nach  Verlauf  einerHochfluthgebahtundvorEmtrittdernäch- 
einen  Aufstau  von  3 m bei  Hochwasser  und  von  4,75“  stenHochfluth  wieder  beseitigt.  Die  Sohle  nebst  den  Pfeilern 
•bei  niedrigen  Sommerwasserständen.  musste  also  in  einer  Bauperiode  zwischen  November  und 

Eine  sehr  beraerkenswerthe  Konstruktion  ist  dieWehr-  -Juli  bis  über  Niedrigwasser  fertiggestellt  sein.  Mit  der 
anlage  bei  Assiut.  die  das  Nilbett  in  voller  Breite,  d.  h.  in  Arbeit  wurde  am  i.  Dez.  1898  begonnen.  Sie  wurde  dann 
einer  Länge  von  833  m durchquert.  Wir  geben  in  Abbildg.  8 nach  Fertigstellung  des  ersten  Theiles  durch  Bewegungen 
S.  653  die  Gesammt- Ansicht,  in  Abbildg.  4 den  Querschnitt  in  der  Flussohle,  durch  Bruch  der  Fangedämme  im  Sommer 
(beide  nach  „The  Builder“  vom  20.  Sept.  1902)  wieder.  1900  und  durch  die  schon  erwähnte  Quellenbildung  in  der 


20.  Dezember  1902. 


651 


Sohle  zeitweilig  erschwert.  Unbeqaem  für  die  Ausführung 
war  ferner  der  Umstand,  dass  der  Schiffahrtsweg  vor 
Fertigstellung  der  Schiffsschleuse  mehrfach  verlegt  wer- 
den musste.  Trotz  dieser  Schwierigkeiten  war  die  Arbeit, 
bei  welcher  zeitweilig  bis  13000  Arbeiter  beschäftigt  waren, 
im  Frühjahr  1902  beendet. 

Den  wichtigsten  Theil  der  Neuanlagen  nun  bildet  der 
Staudamm  bei  Assuan,  auf  den  wir  etwas  näher  eingehen 
wollen,  wobei  wir,  wie  auch  bei  den  vorhergehenden  Aus- 


Sekretärs  in  Aegypten,  William  Garstin,  der  den  da- 
maligen General-Direktor  der  Bewäss.erungs-Anlagen  Will- 
cocks  mitdemStudium  derFrage  betraute, wie  durch  Anlage 
eines  Staudamraes  eine  weitere  Wasserzufuhr  und  eine 
weitere  Ausdehnung  der  Bewässerung  möglich  sei,  da  die 
vorhandenen  Wassermengen  bereits  bis  zum  Aeussersten 
ausgenutzt  waren.  Willcocks  schlug  eine  Stauung  des  Nils 
bei  Assuan  vor,  die  dicht  oberhalb  des  t.  Kataraktes 
durch  einzelne,  die  verschiedenen  Rinnen  abschneidende 


führungen  und  bei  den  Abbildungen,  die  schon  erwähnte 
englische  Zeitschrift  „The  Builder"  hauptsächlich  benutzen. 
Verwiesen  sei  bei  dieser  Gelegenheit  auch  auf  die  sehr 
interessanten  Miiiheilungen  des  Ingenieurs  dieser  Anlage, 
Willcocks,  im  „Engineering“  vom  6.  Sept.  190t,  die  sich, 
ausser  mit  den  Stauanlagen,  ganz  allgemein  mit  der  Be- 
wässerung im  Nilthale  und  ihrer  Zukunft  beschäftigen. 
Auch  hieraus  sind  einige  Angaben  benutzt. 

Die  grossen,  jetzt  zur  Durchtütirung  gelangten  Pläne 
verdanken  ihre  Entstehung  der  Initiative  des  Unierstaats- 

652 


gekrümmte  Dämme  bewirkt  werden  sollte.  Diese  Dämme 
sollten  einen  Aufstau  bis  -f  114“  über  mittlerem  Meeres- 
spiegel hersteilen  und  3700  Mill.  Wasser  aufslauen. 
Der  Plan  wurde  einem  internationalen  Ausschuss,  be- 
stehend aus  den  Ingenieuren  Benjamin  Baker,  Giacomo 
Torricelli  und  Auguste  Boule  vorgelegt,  die  sich  dahin 
entschieden,  anstelle  der  getrennten  Dämme  (vergl.  den 
urspr.  Plan  Dt.sche.  Bztg.  Jhrg.  1895  S-  70)  einen  einzigen  ge- 
raden Damm  dicht  oberhalb  der  Katarakte  zu  errichten. 
Sie  machten  gleichzeitig  einen  Vorbehalt  bezüglich  der 

No.  102. 


Palais  Staudt  In  Berlin.  Architekt:  Prof.  Otto  Rieth  in  Berlin. 


Abbildg.  5-  Staudamm  von  Assuan.  Gesammt-Ansicht  von  unterhalb. 


Abbildg.  6.  auudaaira  zu  Assuan,  riicilausichi  von  uolcrtiaib. 


Abbildg.  7.  Staudamm  zu  Assuan  mit  Schiffahrtskanal. 


Abbildg.  8.  Stauanlage  bei  Assiut.  (Abbildgn,  6-8  nach  .The  Bullder.') 


30.  Dezember  1902. 


653 


Insel  Philae,  die  bei  der  zuerst  geplanten  Stauhöhe  dauernd 
unter  dem  Wasserspiegel  des  Sammelbeckens  mit  allen 
ihren  werthvollen  Baudenkmalen  würde  begraben  wor- 
den sein. 

Dem  sich  von  allen  Seiten  erhebenden  Entrüstungs- 
sturm, (vergl.  die  schon  angezogene  Stelle  Jahrg.  1895 
S.  70)  gab  die  Regierung  nach  und  die  Stauhöhe  wurde 
8^-iiefer  auf  -}-  io6“  über  mittleren  Meeresspiegel  verlegt, 
sodass  nur  ein  Theil  der  Insel  bei  den  höchsten  Wasserstän- 
den überfluthet  wird.  Das  Wasser  erreicht  dann  den  Fuss- 
boden  des  Isistempels  und  bedeckt  den  Tempel  der  Haihor 
und  den  Bogen  Diokletians  vollständig.  Um  die  Tempel 
gegen  Unterspülung  zu  sichern,  war  es  nothwendig,  die 
meist  schlecht  gegründeten  Bauten  entw^eder  bis  zum  ge- 
wachsenen Granit  hinabzuführen,  oder  eiserne  Unter- 
stützungsträger  einzulegen,  eine  Arbeit,  die  bei  dem  ver- 
witterten Zustande  des  Gesteins  nur  mit  grösster  Vorsicht 
durchgeführt  werden  konnte.  Immerhin  wird  der  Be- 
stand der  werth  vollsten  Bauten  hoffentlich  noch  auf  längere 
Zeit  gesichert  sein. 

Wird  die  engüscheVerwaltung  aber  auch  späterhin  dem 
Audi  ängen  der  Ingenieure  widerstehen,  wenn  sich  die 
Bedürfnissfrage  wieder  geltend  macht?  Die  Erhaltung  der 
Tefnpelruinen  von  Philae  ist  vom  winhschaftüchen  Stand- 
punkt mit  grossen  Opfern  erkauft.  Der  Damm  in  seiner 
jetzigen  Gestalt  kann  nur  1065  Mill  cbm  Wasser  aufstauen, 
also  noch  nicht  I/3  der  ursprünglich  geplanten  Fassung. 
Willcocks  schätzt  diesen  Verlust  auf  etwa  700  Milk  M. 

Wir  geben  in  Abbildg.  i S.  651  den  Lageplan  des  nun- 
mehr vollendeten  Staudamraes  wieder,  sowie  in  Abbildg.  2 
den  Höhenplan,  Abbildg.  3 den  Querschnitt  an  der  Stelle 
einer  Ausla^schleuse  und  m den  Abbildgn  5—7,  S.  653  Ge- 
sammi-  bezw.  Theilansichten  des  Dammes. 

Die  Gesammtlänge  des  in  einer  Geraden  das  Nilthal 
von  Ufer  zu  Ufer  durchquerenden  Dammes  stellt  sich  auf 
etwa  2000  01.  Dig  grösste  Stauhöhe  bei  einem  niedrigsten 
Unterwasser  von  + 86o>  beträgt  201",  die  grösste  Damm- 
höhe von  Unterkante  Fundament  bis  Oberkante  Damm- 
krone 40  die  Kopfbreite  im  massiven  Theile  5 an  den 
Ablass-Schleusen  7 die  grösste  Sohlenbreite  2s™.  Die 
Granitsohle  des  Flusses  erwies  sich  bei  näherer  Unter- 
suchung als  stark  verwittert,  sodass  man  gegenüber  dem  ur- 
sprünglichen Plane,  der  noch  nicht  auf  genauen  Bohrungen 
beruhte,  erheblich  tiefere  Fundamente  herstellen  mus.ste, 
wodurch  bei  dem  starken  Anlauf  der  Hinterseite  der  Mauer 
natürlich  eine  erhebliche  Vermehrung  des  Kubikinhaltes 
derselben  und  demgemäss  der  Kosten  bewirkt  wurde. 

Als  Material  ist  an  Ort  und  Stelle  gewonnener  Granit 
verwendet.  Den  Kern  bildet  Bruchstein  in  Zementmörtel 
1:4  (etwa  40ü.'q  der  Gesammtmasse),  die  Fundamentsohle 
ist  mit  Mörtel  1:2  gemauert.  In  dem  gleichen  Mörtel 
sind  die  Sürnveiblendungen  in  behauenen  Steinen  und 
die  Quader- Verblendungen  der  Ablass- Kanäle  versetzt. 
Auch  der  Fugenmörtel  besteht  aus  i Theil  engl.  Poriland- 
zement  auf  2 Th.  Sand.  Die  Stirnen  der  Ablass-Schleusen 
sind  theils  mit  Granitquadern,  theils  mit  gusseisernen 


Rahmen  besäumt.  — Der  Damm  hat  eine  doppelte 
Aufgabe.  Einerseits.  SölF/er  die  gesammte  eigentliche 
Hochfluth  des  Niles^.mit.  ihrem  fruchtbaren  Schlamme, 
d.  s.  rd,  13440  cbm.  in  .r  Sek.  bei  .grösstem  H.W.,  ohne 
wesentliche  Verringerung  der  Geschwindigkeit  glatt  ab- 
führen  können,  damit  diese  in  alter  WeUe  zur  Ueber- 
stauung  des  Kulturlandes  Verwendung  findet,  anderer- 
seits die  nachfolgenden  höheren  Wasserstände,  die  diese 
Sinkstoffe  nicht  mehr  enthalten,  in  den  Monaten  Dezem- 
ber bis  März  soweit  aufspeichern,  dass  dann  die  Stauhöhe 
von  + 106  m erreicht  wird. 

Zum  Durchlässen  der  Nilschwelle  und  zum  späteren 
Ablassen  des  aufgespeicherten  Wassers  ist  der  Damm  von 
140  unteren  Auslässen  zu  je  14401  Fläche  bei  20»  Licht- 
weite und  40  oberen  von  je  7401  Fläche  durchbrochen. 
Die  Auslässe  sind  mit  Schützen  in  Stahlkonstruktion  ge- 
schlossen, von  denen  130  als  ausbalanzirte  Rollschützen 
ausgebildet  sind,  die  sich  bei  14  t Gewicht  trotz  eines 
Wasserüberdruckes  von  450  ‘ mit  der  Fland  bewegen  lassen 
(System  Stoney).  Der  Rest  der  Schützen  ist  nur  auf 
Gieitflächen  geführt. 

Bei  Fluth  sind  alle  Schützen  geöffnet.  Sie  bieten  dann 
eine  Gesararat-Durchflussfläche  von  2240  401.  Die  Ge- 
schwindigkeit des  durchströmenden  Wassers  wird  bei  höch- 
ster Fluth  rd.  6 m,  bei  gewöhnlicher  Fluth  immer  noch 
etwa  5“  betragen.  Nach  Verlauf  der  Fluth  werden  die 
Schützen  allmählich  geschlossen  und  es  wird  dann  dasBecken 
Anfangs  März  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  gefüllt 
sein.  Dann  werden  die  oberen  Schützen  so  weit  geöffnet, 
dass  der  Wasserstand  konstant  auf  -f  106  gehalten  wird. 
Von  neuem  werden  die  Schützen  wieder  nach  und  nach 
geöffnet,  sodass  sie  Ende  Juli  nach  Entleerung  des  Beckens 
wieder  sämmtlich  offen  stehen,  sodass  das  Spiel  von  vorn 
beginnen  kann. 

_lm  übrigen_  hat  Willcocks  die  Staumauer  derart  aus- 
gebildet,  dass  sie  nach  seiner  Anschauung  eine  derartige 
spätere  Aufhöhung  gestattet,  da-^s  sich  eine  Erhöhung  des 
Staues  auf  -f-  112  ermöglichen  lässt.  Der  Inhalt  des  Stau- 
beckens würde  dadurch  verdoppelt  werden,  während  sich 
die  Aufhöhungskosten  nach  seiner  Anbicht  nicht  viel  über 
25  Mül.  M.  stellen  würden.  Der  Inhalt  des  Staubeckens 
würde  dann  nur  norh  1570  Mill.  cbm  hinter  dem  ursprüng- 
lichen Plane  Zurückbleiben,  das  Schicksal  von  Philae  aber 
besiegelt  sein. 

In  Verbindung  mit  dem  Staudamm  ist  ein  die 
Katarakte  umgehender  Schiffahrtskanal  gebaut  worden, 
der  eine  Schleusentreppe  von  4 je  70  m langen,  9,5  m 
breiten  Schleusen  besitzt.  Die  5 Schleusenthore,  die 
in  Eisen  in  besonderer  Weise  ausgestaltet  sind,  erreichen 
bis  zu  18  m Höhe.  Sie  sind  mit  Rücksicht  auf  den  unge- 
heuren Wasserdruck,  der  dahinter  steht,  besonders  stark 
gebaut  und  mit  besonderen  Bewegungs-Einrichtungen  aus- 
gestattet. Jedes  der  beiden  oberen  Thore  ist  so  stark  ge- 
macht, dass  es  den  ganzen  Wasserdruck  allein  aufnehmen 
könnte.  Die  Schiffahrt  auf  dem  Nii  ist  nunmehr  bis 
Wadi  Haifa  möglich. 


Das  deutsche  Bauernhaus  in  Deutschland, 
Oesterreich-Ungarn  und  der  Schweiz. 

wir  das  letzte  Mal  über  die  grosse  Arbeit  be- 
richteten,  welche  auf  Anregung  der  „Vereinigung 
Berliner  Architekten“  der  „Verband  deutscher  Archi- 
tekten- und  Ingenieur-Vereine“  unternommen  hat,  über 
die  Arbeit,  durch  eine  Darstellung  und  Entwicklungs- 
Geschichte  des  deutschen  Bauernhauses  in  seinen  typi- 
schen Formen  neue  Grundlagen  für  die  „Erkenntniss  über 
das  Wesen  und  die  Entwicklungs-Geschichte  der  Volks- 
baukunst“ zu  gewinnen*),  da  lag  ausser  einem  Berichte 
über  die  Absichten  für  die  Verfolgung  des  gross  ange- 
legten Unternehmens  nur  eine  Lieferung  des  in  3 ge- 
trennten und  in  sich  geschlossenen  Abtheilungen  er- 
scheinenden Werkes  vor.  Was  in  derselben  geboten  war, 
Hess  wohl  ahnen,  was  das  Unternehmen  werden  würde, 
und  regle  zu  hohen  Erwartungen  für  die  Zukunft  an;  es 
darf  aber,  ohne  der  Gefahr  eines  Widerspruches  zu  be- 
gegnen, gesagt  werden,  dass  das,  was  bis  heute  erschienen 
ist,  jene  hohen  Erwartungen  nicht  nur  erfüllt,  sondern 
noch  weit  übertroffen  hat.  Es  sind  erschienen  von  „Das 
Bauernhaus  im  Deutschen  Reiche  und  seinen  Grenzge- 
bieten“ 7 Lieferungen  von  10,  von  „Das  Bauernhaus  in 
Oesterreich-Ungarn  und  seinen  Grenzgebieten“  3 Liefe- 
rungen von  4,  von  „Das  Bauernhaus  in  der  Schweiz“ 
sämmtliche  5 Lieferungen.  Für  alle  drei  Abtheilungen 
steht  ausser  den  fehlenden  Lieferungen  noch  der  Text-- 
aus.  Den  Verlag  lür  sämmtliche  Abtheiiungen  hat  Ger- 
hardKühtmann  in  Dresden  übernommen  und  wir  wollen 

*)  Deutsche  Bauzeitung  1901,  S.  125  ff. 


nicht  verfehlen  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Mitglieder 
der  drei  bei  der  Herausgabe  betheiligten  Vereine,  die  Mit- 
glieder des  „Verbandes  deutscher  Architekten-  und  In- 
genieur-Vereine“, des  „Oesterreichischen  Ingenieur-  und 
Architekten-Vereins"  und  des  „Schweizerischen  Ingenieur- 
und  Architekten-Vereins“,  für  welche  Vereine  das 
Werk  ein  hoher  Ruhmestitel  ist,  bei  seinem  Bezüge 
eine  wesentliche  Preisermässigung  haben,  die  bei  dem 
„Bauernhaus  im  Deutschen  Reiche“  30  statt  80  M,,  bei 
dem  „Bauernhaus  in  Oesterreich-Ungarn“  16,50  statt  45  M. 
und  bei  dem  „Bauernhaus  in  der  Schweiz“  17  statt  51,25  M. 
beträgt.  Bei  so  geringen  Beträgen,  die  in  keinem  Ver- 
hältnisse zu  dem  Reichthum  des  Gebotenen  stehen,  sollte 
eine  so  unerschöpfliche  Fundgrube  der  köstlichsten  Motive 
wahrer  Volkskunst,  sollte  eine  Sammlung  schönster  Vor- 
bilder, die  wie  keine  andere  zur  Gesundung  der  Bau- 
weise in  den  kleinen  Städten,  in  den  Vororten  der  grossen 
Städte  und  auf  dem  Lande  beitragen  können,  in  der 
Bücherei  keines  Mitgliedes  der  genannten  Vereine  fehlen. 
Was  der  Einzelne  m längjährigen  Studienreisen  in  den 
entlegensten  Gegenden  mühsam  zusammensucht,  das  ist 
durch  die  zusammenwirkende  Thätigkeit  einer  grossen 
Anzahl  von  Fachgenossen  hier  zum  Studium  und  zur 
Labung,  zur  Erholung  von  den  Ausschreitungen  der  Gress- 
städte, zur  Sammlung  in  einer  stillen  Stunde  weltabge- 
wandien  Versenkens  in  die  Zeit  der  Vorfahren  in  herr- 
lichen Blättern  vereinigt. 

Lieferung  i von  „Das  Bauernhaus  im  Deutschen  Reiche 
und  in  seinen  Grenzgebieten“  enthält  auf  2 Blättern  das 
trauliche  Bauernhaus  aus  Gutach.und  Kirnbach  im  badi- 
schen Schwarzwald,  das  Haus,  welches  gleich  dem  Bauern- 
hause in  der  Schweiz  und  im  bayerischen  Hochlande  in 

No.  102. 


654 


Die  Ausführung  der  Arbeiten  am  Staudamm  in  Assuan 
bot  aussergewöhnliche  Schwierigkeiten,  galt  es  doch  das 
Bauwerk  durch  die  Stromschnellen  mit  ihren  bedeutenden 
Tiefen  und  erheblichen  Geschwindigkeiten  zu  führen. 
Man  entschloss  sich  zur  Ausführung  von  Fangedämmen  und 
Trockenlegung  der  Baugruben,  namentlich  auch  mit  Rück- 
sicht auf  die  Beseitigung  des  verwitterten  Felsbodens. 
Diese  Fangedämme,  die  auch  dem  Angriff  der  Nilfiuth 
widerstehen  mussten,  waren  in  besonders  starker  Konstruk- 
tion herzustellen.  Man  entschied  sich,  die  stromabgelegenen, 
zuerst  auszuführenden  in  Stein  auszuführen,  die  oberen 
Dämme  in  Erde  in  ruhigem  Wasser  zu  schütten.  Man 
ging  mit  Absperrung  von  3 Stromrinnen  gleichzeitig  vor, 
und  verseuchte  dies  zunächst  durch  Hineinwerfen  von  ein- 
zelnen Felsblöcken  bis  zu  4t  Gewicht,  dann  als  sich 
diese  noch  nicht  schwer  genug  erwiesen  und  von 
der  Strömung  mitgerissen  wurden,  mit  ganzen  Stein- 
haufen, die  in  Drahtnetze  gepackt  waren,  schliesslich 
liess  man  ganze  Waggons,  in  denen  die  Steinladung  mit 
Drahtnetzen  und  Drahtseilen  befestigt  waren,  25  t schwer, 
in  den  Strom  laufen  und  bildete  so  einen  festen  Fuss, 
gegen  den  man  nur  die  Steinschüttung  bringen  konnte. 
So  gelang  es  schliesslich,  der  Strömung  Herr  zu  werden. 
Nachdem  man  im  Sommer  1898  mit  den  vorbereitenden 
Arbeiten,  Legung  von  Transportgleisen,  Bau  von  Arbeiter- 
baracken, Betriebs-Werkstätten-  und  Krankenbaracken  so- 
wie Anlage  einer  Wasserleitung  vorgegangen  war,  gelang 
im  Juni  1899  die  Schliessung  der  ersten  3 Fangedämme 
bis  unter  Fluthspiegel.  Die  Steindämme  mit  7m  Kronen- 
breite besassen  Böschungen  i : i,  die  grösste  Höhe  war 
i5<n.  In  derselben  Zeit  wurden  die  Ausschachtungs- 
arbeiten in  den  höher  gelegenen  Theilen  gefördert.  Die 
oberen  Erddämme,  die  aus  Sandsäcken  gebildet  wurden, 
konnten  nach  Verlauf  des  Hochwassers,  demgegenüber 
sich  die  Fangedämme  als  standfest  erwiesen  haben,  herge- 
stellt werden.  Sie  erhielten  eine  Kronenbreite  von  5“  und 
Böschungen  i : iV2-  Die  niedrige,  rasch  ablaufende  Fluth 
vom  Jahre  Z899  gestattete,  gleichzeitig  auch  den  Schluss 
der  mittleren  Stromrinne  durch  Fangedämme  vorzunehmen, 
sodass  der  Strom  sich  nun  ganz  auf  den  westlichen  Kanal 
beschränkt  sah.  Die  Dämme  erwiesen  sich  dann  als  dicht 
und  liessen  sich  unschwer  auspumpen.  Die  Gründungs- 
und Mauerarbeiten  wurden  darauf  so  rasch  gefördert,  dass 
im  Juli  vor  Eintritt  der  Fluth  die  mittleren  Fangedämme 
durchstochen  werden  konnten,  um  die  anderen  za  ent- 
lasten. Das  schlimmste  Stück  der  Arbeit  war  damit  ge- 


Preisbewerbungen. 

Ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  ein 
Rathhaus  in  Ober-Schöneweide  bei  Berlin  wird  zum  7.  April 
1903  unter  Verheissung  dreier  Preise  von  2500,  1500  und 
1000  M.  ausgeschrieben.  Ein  Ankauf  zweier  nicht  preis- 
gekrönter Entwürfe  für  je  500  M.  ist  Vorbehalten.  Dem 
Preisgerichte  gehören  als  in  der  Mehrzahl  befindliche 
Architekten  an  die  Hrn.  kgl.  Brthe.  Fr.  Schwächten  in 


than  und  die  übrigen  Arbeiten  vollzogen  sich,  zumtheil 
dank  den  schwachen  Anschwellungen  des  Nils  so  rasch, 
dass  das  Werk  wesentlich  früher  fertig  gestellt  worden 
ist,  als  kontraktlich  ausbedungen  war. 

Die  gesammten  Arbeiten  einschl.  des  Assiutdammes 
und  der  Schleusen  am  Ibrahimieh-Kanal  wurde  imganzen 
an  die  schottische  Unternehmer-Firma  Aird  & Co.  über- 
tragen, von  welcher  die  Firma  Ransomes  & Rapier  die 
säramtlichen  Eisenkonstruktionen  der  Thore  und  der  Ab- 
lasschleusen  auch  an  den  Schiffahrts-Kanälen  übernahmen. 
Der  Vertrag  wurde  im  April  1898  von  der  ägyptischen 
Regierung  abgeschlossen  zum  Gesammtbetrage  von  41,5 
Milk  M.,  die  in  60  Jahresraten  (einschl.  Zinsen)  vom  i.  Juli 
1903  an  mit  je  i 63t  217  M.  bezahlt  werden  sollten.  Diese 
Summe  erhöhte  sich  infolge  der  schlechten  Untergrund- 
verhältni.sse,  die  man  vorher  nicht  genügend  festgestelit 
hatte,  auf  71,3  Mill.  M.  Der  Fehlbetrag  von  27  Milk  M. 
wurde  durch  die  vorgestreckten  Mittel  aus  der  ägypti- 
schen Staatsschulden-Verwaltung  gedeckt. 

Die  Planung  des  Assuandammes  sowie  des  Stau- 
wehres von  Assiut  rührt,  wie  schon  hervorgehoben 
wurde,  von  Willcocks  her,  die  Oberleitung  der  Aus- 
führung haben  seine  Nachfolger  im  Amt,  zunächst  der 
Generaldirektor  der  Bewässerungsanlagen  in  Aegypten, 
Wilson,  und  nach  dessen  Tode  Webb  gehabt,  Be- 
rathender  Ingenieur  war  Sir  Benjamin  Baker.  Ing.  John 
Blue  war  der  leitende  Vertreter  der  Unternehmer  in  Assuan. 
Um  die  Erhaltung  der  Baudenkmäler  auf  Philae  durch 
Verstärkung  der  Fundamente  hat  sich  der  deutsche 
Finanzmann  Sir  Ernest  Cassel  in  London  durch  Hergabe 
der  Mittel  ganz  besondere  Verdienste  erworben. 

Mit  der  Schaffung  dieser  gewaltigen  Stauanlagen  ist 
dem  Bedürfnisse  auf  längere  Zeit  abgeholfen  und  vor 
allem  eine  geregelte  Bewässerung  gesichert,  aber  schon 
denkt  man  daran,  auch  die  oberhalb  gelegenen  Theile 
Aegyptens  und  den  Sudan  durch  weitere  Anlagen  in. 
fruchtbare  Ländereien  zu  verwandeln.  In  den  oberen 
Seengebieten  des  Nils  ist  das  Wasser  und  die  Aufstauungs- 
möghchkeit  gegeben  und  so  sieht  AVilIcocks  in  seinen 
Untersuchungen  dieser  Frage  schon  die  Zeit  voran«,  in 
welcher  das  Nielgebiet  von  Faschoda  bis  zum  Mittelländi- 
schen Meer  in  eine  fruchtbare  Ebene  verwandelt  sein  wird. 

Bis  dahin  wird  noch  mancher  Tropfen  den  Nil  hin- 
unterfliessen,  ein  bedeutender  Schritt  hierzu  ist  aber  durch 
die  Schaffung  des  Assuan-Dammes  gemacht.  — 

. Fr.  E. 


Cbarlottenburg  und  Ludw.  Hoffmann  in  Berlin,  Geh.  Ob.- 
Postrth.  Hake  in  Berlin,  sowie  Hr.  Gem.-Brth.  Reg.-Bmstr. 
a.  D.  ivlcyer  in  Ober- Schöneweide.  Unterlagen  gegen 
3 M.,  die  zurückerstattet  werden,  durch  das  Gemeindeamt.  — 
Ein  Wettbewerb  betr.  Entwürfe  für  ein  Mc.  Kinley- 
Denkmal  wird  von  Philadelphia  aus  auch  für  deutsche 
Künstler  erlassen.  Für  das  Denkmal,  welches  in  einer 
architektonisch  umrahmten  Porträtstatue  bestehen  soll, 


seiner  äusseren  Erscheinung  die  ausgesprochenste  Eigen- 
art zeigt.  Es  folgen  Bauernhäuser  aus  dem  Fürstenthum 
Ratzeburg,  aus  der  Lüneburger  Haide,  aus  dem  Alten 
Lande,  aus  dem  Oden-  und  dem  Spreewald,  aus  dem 
Kreise  Lippstadt,  aus  Schlesien  und  Oldenburg,  aus  Ost- 
preussen  und  aus  Bremen-Land.  — Lieferung  2 beginnt 
wieder  mit  Baden  und  zeigt,  wie  die  Eigenart  der  Häuser 
des  Schwarzwaldes  abflaut  mit  dem  Vorschreiten  nach 
Norden.  Die  Bauernhäuser  aus  dem  Amte  Sinsheim  und 
aus  dem  Kreise  Mosbach,  welche  auf  den  beiden  ersten 
Tafeln  dargestellt  sind,  erfreuen  durch  ihren  natürlichen 
Fachwerkstil,  müssen  aber  zurücktreten,  wenn  sie  neben 
die  Bauernhäuser  des  bayerischen  Hochlandes  gestellt 
werden,  welche  auf  den  folgenden  beiden  Blättern  dieser 
Lieferung  in  Beispielen  aus  Benediktbeuren,  Garmisch, 
Oberaudorf  usw.  dargestellt  sind.  Eine  Art  für  sich  sind 
dann  wieder  die  Häuser  des  Spreewaldes,  z.  B.  das  Bauern- 
haus aus  Burg;  es  folgen  ein  Beispiel  aus  Klein  Rappolt- 
stein im  Ob.  Eisass,  schöne  Beispiele  aus  den  Vierlanden, 
darunter  namentlich  das  prächtige  Haus  in  Neuengarame 
No.  216,  Bauernhäuser  von  der  Unterelbe,  aus  Mecklen- 
burg-Schwerin und  aus  Schleswig-FIolstein.  — Wiederum 
in  den  Schwarzwald,  nach  Dauchingen,  Einbach  und  Otten- 
höfen  führt  uns  Lieferung  3 und  bringt  uns  einige  recht 
charakteristische  Häuser,  die  uns  darauf  in  gleicher  Cha- 
rakteristik aus  Miesbach,  Lenggries  usw.  in  den  bayerischen 
Vorbergen  vorgeführt  werden.  Auf  2 Tafeln  mit  schönen 
Häusern  aus  dem  Kreise  Diepholz  im  Hannoverschen  sind 
auch  eine  Anzahl  Bauernmöbel  mit  ihren  schmucken 
Formen  und  ihrer  praktischen  Gestaltung  wiedergegeben. 
Eine  Lichidrucktafel  dieser  Lieferung  bringt  malerische 
Naturansichten  von  Bauernhöfen  in  Sachsen  und  Sachsen- 


Alienburg.  Mit  einem  der  schönsten  Häuser  des  bayeri- 
schen Vorlandes,  dem  des  Bauern  in  der  Au,  ist  Lief.  4 
eröffnet,  die  auch  den  herrlichen  Bauernhof  in  Kauerndorf 
in  Sachsen- Altenburg  sowie  Naturansichten  von  Bauern- 
häusern aus  der  Oberlausiiz  enthält.  Die  hervorstechend- 
sten Beispiele  der  5.  Lieferung  sind  dann  derBläsi-Christele- 
Hof  im  Zinken  Fischbach  bei  Freiburg  i.  Br.,  werthvolle 
Fachwerkhäuser  aus  Herbolzheim  und  Allmannsweiler 
im  badischen  Oberlande,  ein  bayerisches  Haus  aus  dem 
Bezirke  Miesbach,  reiche  malerische  Fachwerkhäuser  aus 
dem  Odenwalde,  aus  Oberhessen,  aus  Sachsen-Altenburg 
und  eine  Häuslerwohnung  aus  der  südlichen  Lausitz.  Nicht 
minder  reichhaltig  und  namentlich  werthvoll  durch  die 
beigegebenen  Einzelheiten  sind  die  Lieferungen  6 und  7. 
Flier  sind  es  in  erster  Linie  die  Bauernhöfe  zum  Obern- 
zauner  bei  Eggstetten  und  zum  Stalleder  in  Reuth,  beides 
in  Niederbayern,  welche  wohl  auch  die  grosse  Anlage  der 
oberbayerischen  Höfe,  in  ihrer  Gesammterscheinung  aber 
doch  wesentliche  Verschiedenheiten  von  ihnen  zeigen.  Aus 
diesen  Lieferungen  seien  ferner  genannt  ein  malerisches 
Haus  aus  dem  Untereisass, Häuser  aus  demHannöver’schen, 
Naturansichten  aus  dem  Erzgebirge  und  dem  Voigtlande, 
eineTafel  mit  prächtigen  Innenansichten  aus  Bauernhäusern. 
Schleswig-Holsteins,  Fachweikbauten  aus  dem  wüittem- 
bergischen  Neckar-  und  dem  Schwarzwaidkreis,  aus  dem 
badischen  Kraichgau  und  dem  Rheinthal,  aus  dem  badischen 
Oberlande,  aus  Schwaben  und  Neuburg  in  Bayern,  aus 
dem  Unterfränkischen,  dem  Obereisass,  aus  dem  König- 
reich Sachsen,  aus  der  Ober- Lausitz,  sowie  aus  dem 
württembergischen  Donau-,  Jagst-  und  Neckarkreise.  Eine 
Fülle  des  schönsten  und  des  werth vollsten  Materiales  allein 
aus  Deutschland.  — (Schluss  folgt.) 


26.  Dezember  1902. 


655 


Stehen  30000  Doll,  zur  Verfügung.  Es  gelangen  5 Preise 
von  je  soo  Doll,  zur  Verthdlung.  Terrain  ist  der  2.  März 
1903.  Näheres  durch  die  amerikanischen  Konsulate.  — 
Wettbewerb  Realschule  mit  Progymnasium  Meissen. 
Bei  diesem  Wettbewerb,  der,  wie  wir  bereits  erwähnten, 
auf  sächsische  Architekten  beschränkt  ist  und  dessen 
nähere  Bedingungen  von  den  für  ähnliche  Bauten  üblichen 
keine  wesentlichen  Verschiedenheiten  aufweisen,  sei  doch 
anerkennend  hervorgehoben,  dass,  wie  es  scheint,  in 
Aussicht  genommen  ist,  einem  Theilnehmer  des  Wett- 
bewerbes die  Anfertigung  der  Ausführungs-Zeichnungen 
zu  übertragen.  Durch  den  Umstand  jedoch,  dass  die 
Wahl  unter  den  preisgekrönten  und  nicht  preisge- 
krönten Entwürfen  Vorbehalten  ist,  werden  die  Vortheile 
die  das  Konkurrenz-Verfahren  bietet,  nicht  unwesentlich 
beeinträchtigt.  Es  wäre  vielleicht  erwünscht  gewesen, 
die  Grenzen  für  die  Wahl  des  Ausführungs-  Entwurles  etwas 
enger  zu  ziehen  und  sie  nur  auf  die  preisgekrönten  und 
die  zum  Ankauf  empfohlenen  Entwürfe  zu  erstrecken.  — 
Wettbewerb  Landeshaus  Wiesbaden.  Den  I.  Preis  von 
3000  M.  errangen  die  Architekten  Paul  Huber  & Friedrich 
Werz  in  Wiesbaden  mit  dem  Entwurf  „Central“;  den 
II.  Preis  von  2500  M.  die  Architekten  Cremer  & 
Wolffenstein  in  Berlin  mit  dem  Entwurf  Zeitgeist“; 
den  III.  Preis  von  1000  M.  die  Architekten  Ernst  Rang 
& Arnold  Silbersdorf  in  Schöneberg  bei  Berlin  mit  dem 
Entwurf  ,.Jedem  das  Seine".  Zum  Ankauf  empfohlen  wurden 
die  Entwürfe  „Concav“  der  Hrn.  Paul  Bon  atz  & Friedr. 
Paulsen  in  Stuttgart  und  „Bach"  der  Hrn.  Paul  Huber  & 
Friedr.  W.  Werz  unter  Mitwirkung  des  Hrn.Arch.  Hinder- 
mann in  Wiesbaden.  Es  waren  51  Entwürfe  eingelaufen. 
Sämmtliche  Entwürfe  sind  vom  18.  bis  24.  und  27.  bis 
30.  Dez.  d.  J.  täglich  von  9—4  Uhr  im  Festsaale  des 
Raihhauses  in  Wiesbaden  öffentlich  ausgestellt.  — 


Chronik. 

Zur  Errichtung  eines  Monumental  - Brunnens  auf  dem 
Kostthorplatze  in  München  stellte  der  Rentier  A.  Wolf  dorten 
15  000  M.  zur  Verfügung.  Der  Entwurf  soll  auf  dem  Wege  eines  Wett- 
bewerbes uhter  den  jüngeren  Künstlern  Münchens  gewonnen  werden. 

Der  elektrische  Betrieb  der  Wiener  Stadtbahn  erscheint 
nach  neueren  Nachrichten  in  weitere  Ferne  gerückt,  da  bei  einer 
Zugstärke  von  7 Wagen  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Dinge  eine 
unfehlbare  Verkehrssicherheit  nicht  gewährleistet  werden  kann. 
Da  die  Stadtbahnziige  jedoch  8 — 10  Wagen  haben,  so  müssten  die 
Motoren  so  veivollkommnet  werden,  dass  Züge  mit  dieser  höheren 
Anzahl  Wagen  mit  voller  Betriebssicherheit  gefahren  werden 
könnten.  Von  anderer  . Seite  wird  jedoch  nicht  dieser  Umstand, 
sondern  der  hohe  Preis  der  elektrischen  Energie  als  verzögernd 
in  der  Einführung  des  elektrischen  Betriebes  angeführt.  — 

Das  neue  städt.  Soolbad  und  Kurhaus  in  Bernburg 
(^Anhalt),  mit  einem  Kostenaufwande  von  rd.  öooooo  M.  durch 
die  Hrn.Arch.  B ö rn  s t ein  & Kopp  in  Friedenau  errichtet,  wurde 
am  8-  Nov.  feierlich  eingeweiht,  nachdem  die  Volksbadeansfalt  be- 
reits im  Frühjahr  und  das  Soolbad  einschl.  der  medizinischen  Bäder 
bereits  im  Sommer  der  öffentlichen  Benutzung  übergeben  waren.  — 
Die  Grundsteinlegung  zum  Neubau  des  krelshauses  zu 
Landeshut  i.  Schl.,  weiches  nach  den  Entwürfen  und  unter  der 
Oberleiti.ng  der  Arch.  Gaze  & Böttcher  in  Breslau  errichtet 
wird,  hat  am  13.  Nov.  staitgefundcn.  — 

Ein  neues  Oberpostamts-Gebäude  in  Augsburg  ist  für  ein 
Gelände  an  der  grossen  Grotienau  in  Aussicht  genommen.  — 

Die  Errichtung  eines  Strauss-Lanner-Denkmales  in  Wien, 
eines  Walzerdenkmales,  ist  gesichert.  Das  Denkmal  wird  sich  nach 
dem  Entwurf  des  Bildhauers  Seifert  im  Rathhausparke  erheben.  — 
Die  V.  internationale  Kunstausstellung  in  Venedig  1903 
wird  vom  22.  April  bis  3 t.  Oktober  im  Ausstellungs-Gebäude  der 
Giardini  Publici  abgehalten  werden.  — 

Eine  tirolische  Landesausstellurrg  in  Innsbruck  für  1904 
ist  durch  die  städtische  Verkehrskomnussion  in  Innsbruck  einge- 
leitet worden.  — 

Die  Einweihung  der  neuen  kathol.  Kirche  in  Ebenried 
fMittelfranken)  ist  am  23.  Novbr.  vollzogen  worden.  Das  neue 
Gotieshaus  ist  nach  den  Entwürfen  des  Hrn.  Arch.  Franz  Ruepp 
in  Nürnberg  im  romanischen  Stile  aus  Quadersandstein  mit  Putz- 
flächen errichtet.  — 

Elektrische  Untergrundbahn  In  Charlottenburg.  Am 
13  Dez.  1902  ist  die  Haltestelle  „Am  Knie'*  der  elektrischen  Hoch-  und 
Untergrundbahn  dem  Retiiebe  übergeben  und  damit  die  weitere  Fort- 
setzung d-  r Bahn  auf  Charlottenburger  Gebiet  eingeleitet  worden.  — 
Der  Neubau  der  Bayerischen  Handelsbank  in  München, 
Architekt  Emil  Schmidt,  ist  in  seinem  ersten,  an  der  Winden- 
macher- und  Schäfflerstrasse  gelegenen  Theile  der  Benutzung  über- 
geben worden.  Der  zweite  Theil  an  der  Maffeistrasse  wird  sofort 
ln  Angriff  genommen,  um  im  Frühjahr  1904  fertig  gestellt  zu  sein. 
Um  einen  glasüberdeckten  Kassenhof  gruppiren  sich  die  durch 
einen  Eingang  von  der  Ecke  der  Maffei-  und  der  Windenmacher- 
strasse  zugänglichen  Geschäftsräume  der  kaufmännischen  Abtheilung, 
während  die  Geschäftsräume  der  Flypothekeu-Abtheilung  nach  der 
Sctiälflerstrasse  liegen  und  durch  einen  Eingang  von  der  Ecite  der 
Schäffler-  und  der  Windenmacherstrasse  zugänglich  sind.  Das 
Untergeschoss  enthält  umfangi  eiche  Tresoranlagen.  — 

Ein  Roon-Denkmal  in  Berlin  soll  an  der  Nordseite  des 
Königsplatzes  errichtet  werden.  Mit  seiner  Ausführung  ist  der 
Bildhauer  H.  Magnussen  betraut  worden.  — 

656 


Erforschung  der  Baukunst  in  der  arabischen  Wüste, 

Prof.  Dr., Musil  .in  Olmütz,  der  Erforscher  des  Khalifenschlosses 
Amras,  ist  von  einer  zweimonatlichen  Expedition  nach  Arabien 
zurückgekehrt,  die  er  im  Aufträge  der  Wiener  Akademie  der 
Wissenschaften  unternommen  und  welche  reiche  Forschungsergeb- 
nisse hatte.  — 

Zum  Schutze  der  Kunstdenkmäler  Tirols  ist  bei  der  Statt- 
halterei in  Innsbruck  eine  eigene  Körperschaft  errichtet  worden, 
mit  deren  Leitung  Statthaltereirath  Freih.  von  Giovanelli  in 
Innsbruck  betraut  wurde.“  — 

Künstlerhelm  Nürnberg.  Für  das  in  Nürnberg  zu  errichtende 
Künstlerheim  sind  von  19  Personen  bereits  über  400  000  M.  ge- 
zeichnet worden.  — • 


Brief-  und  Fragekasten. 

Hrn.  R.  Th.  in  Fr.  Ueber  das.  schiedsrichterliche  Verfahren 
enthält  die  deutsche  Zivii-Prozess-Ordnung  im  lo.'  Buch  die  maass- 
gebenden Bestimmungen.  Insofern  es  dort  nun  heisst:  „in  Ermange- 
lung einer  Vereinbarung  der  Parteien  über  das  Verfahren  wird  das- 
selbe von  den  Schiedsrichtern  nach  freiem  Ermessen  bestimmt“, 
ist  dem  freien  Ermessen  der  Schiedsrichter  ein  weiter  Spielraum 
gelassen.  Gemeinüblich  pflegen  dieselben  jedoch  ihr  Verfahren 
demjenigen  anzupassen,  welches  den  ordentlichen  Gerichten  vorge- 
schrieben ist.  Sache  des  Obmannes,  ist  es;  auf- Beobachtung  des 
zwischen  den  Schiedsrichtern  vereinbarten  Verfahrens  zu  wachen 
und  eine  solche  Vereinbarung  herbeizuführen,  falls  unter  den  Schieds- 
richtern dieserhalb  Meinungs-Verschiedenheit  besteht.  Letzteres 
scheint  in  Ihrem  Falle  vorzuliegen.  Sie  würden  also  zunächst  einen 
Be.schluss  herbeizuführen  haben,  in  welcher  Form  sie  verfahren 
wollen.  Ueber  die  Anträge  der  Parteien  darf  unbedingt  nicht  hin- 
ausgegangen werden.  Haben  Sie  sich  durch  Ausübung  des  Ihnen 
als  Obmann  zustehenden  Fragerechtes  überzeugt,  dass. die  beiden 
Schiedsrichter  völlig  unbefangen  sind  und  nicht  etwa  von  der  Seite, 
die  sie  vorgeschlagen  haben,  vorher  beeinflusst  sind?  Nach  der 
Fragestellung  und  Ihrem  Sachvertrage  haben  wir  den  Eindruck  ge- 
wonnen, als  ob  dies  nicht  der  Fall  sei.  Auf  die  einzelnen  Streit- 
punkte einzugehen,  müssen  wir  uns  indess  versagen,  um  nicht  das 
Schlussergebniss  unsererseits  zu  beeinflussen.  — - K.  H-e. 

Fragebeantwortungen  aus  dem  Leserkreise. 

Zur  Anfrage  i an  den  Leserkreis  in  No.  93.  Im  vorigen  Jahre 
habe  ich  mir  eine  Villa  in  einer  Gegend  gebaut,  wo  z.  Zt.  noch 
keine  Wasserleitung  ist.  Im  Keller  habe  ich  eine  Rammpumpe  mit 
8 m Sauge-  und  Sammelrohr  schlagen  lassen.  Das  Rohr  reicht 
etwa  4 m in  das  normale  Grundwasser.  Unmittelbar  auf  dem  Rohr 
ist  eine  Saug-  und  Druckpumpe  aufgestelh,  mit  welcher  das  Wasser 
bis  ins  Dachgeschoss  in  ein  Reservoir  (Fass  von  500  1 Inhalt)  ge- 
drückt wird.  Das  Reservoir  liegt  11,7  m über  Kellersohle.  Die 
Pumpe  saugt  also  bei  jedem  Hub,  bei  niedrigem  Wasserstande  im 
Rohr,  6m  und  drückt  11,7m.  Jeder  Hub  bringt  etwa  3I  Wasser. 
Von  dem  Reservoir  aus  werden  im  Erd-  und  I.  Obergeschoss  je 
I Wasserklosett  mit  Reservoirkasten,  im  Untergeschoss,  io  welchem 
Küche  und  Waschküche  liegen,  sowie  im  Eidgeschoss  und  i.  Ober- 
geschoss I Zapfhahn  gespeist.  Der  Inhalt  des  Reservoirs  reicht 
ln  der  Regel  2 — 3 Tage  aus.  Am  einfachsten  finde  ich  es,  wenn 
jeden  Tag  der  tägliche  Bedarf  gepumpt  wird,  da  fällt  es  nicht  so 
schwer.  Mir  macht  es  Spass  und  bekommt  mir  sehr  gut,  wenn 
ich  jeden  Morgen  60—70  Schläge  pumpe.  An  das  Reservoir  ist 
ausserdem  ein  Springbrunnen  im  Vorgarten  angeschiossen  Der- 
selbe liegt  etwa  1.7  m über  Keliersoble  und  es  geht  der  Strahl, 
wenn  der  ganze  Druck  darauf  ist,  von  dort  rd.  5 m hoch,  erreicht 
also  etwa  der  Höhe  des  Reservoirs.  Im  Sommer  wurde  das 
Wasser  im  Dachgeschoss  schnell  warm,  daher  zum  Trinken  unge- 
eignet. Das  Pumpensteigerohr  ist  40mm  weit,  desgl.  das  Ueber- 
lauf-  und  SpOlsteinabflussrohr.  Die  Vertheilungsleitungen  sind  20  mm 
weit.  Die  Pumpe  hat  ein  hiesiger  Installateur  gebaut.  Im  Keller 
ist  dieselbe  aus  Kupfer  poliit  und  wird  blank  gehalten.  Hier  ist 
auch  ein  Auslauf  für  den  Wassergebrauch  in  der  Küche;  dieses  Wasser 
geht  nicht  erst  in  das  Reservoir,  sondern  kommt  unmittelbar  aus 
dem  Pumpenrobr.  Die  Anlage  ist  so  eingerichtet,  dass  sie,  wenn 
die  öffemliche  Wasserleitung  in  den  Bezirk  kommt,  nur  vor  dem 
Hause  mit  der  Strassenleitung  verbunden  zu  werden  braucht.  Die 
Pumpe  Hesse  sich  auch  gut  mit  einem  kleinen  Motor  aiitreiben.  — 
Rössler,  Gemeinde-Bmstr  in  Oberkassel  b.  Düsseldorf. 

Zu  Frage  r in  No.  93  möchte  ich  mittheilen,  das.s  wenn  keine 
elektrische  Antriebkraft  einer  Pumpe,  welche  das  Wasser  in  ein 
Becken  auf  dem  Speicher  pumpt,  vorhanden  ist,  und  das  allläglicbe 
Pumpen  durch  Menschenkraft  an  einer  Druckpumpe  mit  Steigiohr 
nicht  angängig  erscheinen  sollte,  noch  immer  die  Anlage  eines  Wind- 
motors, wie  ihn  die  Firma  Pieper  in  Moers  am  Niederrhein  liefert, 
am  praktischsten  ist  und  am  billigsten. 

A.  Hotes,  Architekt  in  Krefeld. 

Zur  Frage  3 „Gasheizung  für  Kirchen“  in  No.  93:  Die 
Dreifaltigkeits-Kirche  in  Neusalz  a.  d.  O.  ist  mit  Gasheizung  ausge- 
stattet. Eingerichtet  wurde  die  Anlage  durch  die  Aktien-Gesellschaft 
Schaffer  & Walker  in  Berlin.  Brannaschk,  Stadtbaurath. 

Anfragen  an  den  Leserkreis. 

Welche  Materialien  kommen  zum  Bau  von  Kühlräumen  in  Arir 
Wendung,  in  denen  bei  einer  Aussenteroperatur  von  15— 20'‘Wärme, 
15®  Kälte  im  Inneren  der  Räume  erzielt  werden  sollen?  Es  wäre 
wünschenswerth , anstelle  von  Torf,  Korkabfällen  und  Korkplatten 
andere  Materialien  zu  verwenden.  S,  M.  L.  in  St.  Petersburg. 


Inhalt:  Berliner  Neubauten.  No.  107.  Das  Palais  Staudt,  Regenteu- 
strasse  I und  Triie-rganenstras-e  9 — Zur  Vollendung  des  Ml  Siaudammes 
bei  Assuan  — Das  deutsche  Bauernhaus  in  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn 
und  der  Schweiz.  — Preisbewerbungen.  — Chronik.  — Brief-  u Fragekasien. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Diele  ira  Palais  Staudt  zu  Berlin. 

Verlag  der  Deutschen  Banzeitung,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmann,  Berlin.  Druck  von  Wüb.  Greve,  Berlin. 

No.  102. 


ERLINER  NEUBAUTEN  107:  PALAIS 
STAUDT,  REGENTEN-STRASSE  1 UND 
THIERGARTEN-STRASSE  9 * * * * 

ARCHITEKT:  PROF.  OTTO  RIETH  IN 
BERLIN  ANSICHT  DER  DIELE  * 
^ DEUTSCHE  BAUZEITUNG  = 
* XXXVI.  JAHRGANG  1902  - N2.  102  * 


EUTSCHE 

XXXVI.  JAHR- 
* BERLIN  Hc 
srs;s:5rarsrsr«s!ss: 


Berliner  Neubauten. 

No.  107.  Das  Palais  Staudt,  Regentenstrasse  i 
und  Thiergartenstrasse  9. 

Architekt:  Professor  Otto  Rieth  in  Berlin. 

(Schluss.)  Hierzu  eine  Bildbeilage  und  die  Abbildungen  S.  660,  66i  u.  665. 

m Aufbau  des  Gebäudes  prägen  sich  mit 
gleicher  Bestimmtheit  wie  im  Grundriss  die 
Absicht  des  Bauherrn  und  der  Charakter 
der  einzelnen  Raumgruppen  aus.  Lieber 
dem  niederen  Sockelgeschoss  aus  grauem 
schlesischem  Granit  erhebt  sich  das  stolze  Hauptge- 
schoss mit  der  selbst  für  das  palastartige  Wohnhaus 
nicht  gewöhnlichen  Höhe  von  5,7  “.  Es  beherrscht 
in  seiner  architektonischen  Gestaltung  wie  in  seinem 
bildnerischen  Schmuck  völlig  den  Charakter  desHauses; 
es  steigert  denselben  im  weitgehendsten  Sinne  über 
das  Repräsentative  hinaus  bis  zu  dem  Eindrücke  eines 
Monumental-Gebäudes,  etwa  eines  Museums.  In  der 
architektonischenGIiederungwieimplastischenSchmuck 
sind  die  stärksten  Akkorde  angeschlagen.  Alles  athmet 
die  unverkennbare  Absicht,  einen  ungewöhnlichen  Ein- 
druck hervorzurufen  und  die  vorOberschreitende  Menge 
zum  Verweilen  zu  zwingen.  Schön  gegliederte  Palast- 
fenster mit  starker  Schattenwirkung  gewähren  dem 
Lichte  Zutritt.  Am  Rundbau  in  der  Thiergartenstrasse 
und  am  Risalit  in  der  Regentenstrasse  ist  die  Gliederung 
über  die  einfache  Fenslerumrahmung  hinaus  zur  Drei- 
viertel-Säulenstellung mit  dem  Versuche  neuer  Kapitäl- 
bildungen  und  mit  freien  Gewandfiguren  über  dem 


reich  profilirten  Gebälk  gesteigert.  Zwischen  den 
Fenstern  in  der  Regentenstrasse  zieht  ein  Relieffries 
hin,  dessen  überlebensgrosse  Figuren  Beziehungen  zum 
Reichsgedanken  und  zur  Friedenskultur  des  Reiches 
darstellen. — Dieser  rauschenden  Symphonie  vereinigten 
architektonischen  und  plastischen  Schmuckes  gegen- 
über tritt  die  Haltung  des  Wohngeschosses  wesentlich 
zurück.  Freilich  wird  dasselbe  noch  durch  die  freien 
allegorischen  Figuren  von  Handel,  Industrie,  Land- 
wirthschaft,  Europa,  Amerika  usw.  ausgezeichnet  und 
es  treten  am  vorderen  Rundbau  wie  am  hinteren  Ri- 
salit dazu  noch  auf  die  Handelsbeziehungen  des  Bau- 
herrn zwischen  Europa  und  Amerika  bezügliche  Re- 
lief-Darstellungen, sowie  an  der  Front  an  der  Regenten- 
strasse Schriftenfriese  mit  den  südamerikaniseben 
Staatennamen  Brasilien,  Paraguay,  Uruguay  und  Ar- 
gentinien, den  Ländern  der  kommerziellen  Unterneh- 
mungen des  Bauherrn,  aber  die  Haltung  dieses  Ge- 
schosses ist  trotz  dieses  Maasses  an  Schmuck,  wel- 
ches für  einen  normalen  Bau  schon  ein  weitgehendes 
wäre,  eine  gegen  das  Hauptgeschoss  völlig  unterge- 
ordnete. Ein  schöner  weisser  Sandstein  aus  den 
Brüchen  von  Cudova  lässt  die  architektonischen  Glie- 
derungen wie  den  bildnerischen  Schmuck  zu  edelster 
Wirkung  kommen.  Die  wiederum  mit  plastischem 
Schmuck  bedachte  Attika  enthält  Lichtöffnungen  für 
die  Räume  des  Dachgeschosses.  Das  Dach  ist  mit 
Schiefer  gedeckt  und  sein  Kamm  durch  schönen  First- 
schmuck aus  getriebenem  Kupfer  ausgezeichnet. 

Die  gleicheHochstimmung  künstlerischen  Schmuckes 
wie  das  Aeussere  durchzieht  das  Innere  und  es  ver- 
dient dem  Bauherrn  als  rühmende  Anerkennung 
gesagt  zu  werden,  dass  er  dem  Architekten  bis  ins 
Kleinste,  bis  auf  das  Schlüsselblech  der  Thüre,  den 
künstlerischen  Einfluss  gewahrt  hat.  So  kommt  es, 
dass  ein  einheitlicher  Adel  das  ganze  Werk  umgibt. 
Ueber  die  Einzelausbildungen  des  Inneren  geben 
unsere  Abbildungen  in  viel  vollkommenerer  Weise 
Rechenschaft,  als  es  die  beredteste  Feder  vermöchte. 
Leider  lassen  sie  nicht  auch  den  eigenartigen  Farben- 
reiz der  herrlichen  Raumstimmungen  erkennen.  Wie 
an  manchen  Stellen  des  Aeusseren  so  zeigt  aber  «auch 
das  Innere  an  einigen  Stellen,  unter  anderem  im  Speise- 
saale, dass  ein  etwas  zu  lebhaftes  Temperament  den 
Architekten  zu  überreichen  Häufungen  schmückenden 
Bildwerkes  hingerissen  hat. 

Obwohl  der  Architekt  selbst  Maler  und  Bild- 
hauer ist,  so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  er  bei  der 
verhältnissmässig  kurzen  Bauzeit  von  nur  zwei  Jahren 
sich  fremder  künstlerischer  Hülfe  versichern  musste. 
Er  fand  dieselbe  in  hervorragender  Weise  bei  den  Bild- 
hauern Prof.  Ludwig  Manzel,  Prof.  Aug.  Vogel  und 
Prof.  W.  Widemann  in  Berlin  für  die  figürliche  Plas- 
tik, und  in  den  Bildhauern  Hugo  Schuchhardt  und 
Schmidt  für  das  Ornamentale.  In  den  Malern  Prof. 
Max  Seliger,  Carl  Birkle  und  Ad.  Thomer  fand  der 
Architekt  die  Mitarbeiter  für  den  gemalten  Schmuck. 
Die  Leitung  der  technisch-konstruktiven  Arbeiten  war 
Hrn,  Reg.-Baumstr.  W.  C.  Schmidt  übertragen. 

In  werkthätiger  Weise  waren  bei  dem  Bau  die 
folgenden  Firmen  beiheiligt:  Held  & Francke  in 
Berlin  für  die  Maurer-  und  Zimmerarbeiten;  Hof- 
Steinmetzraeister  C.  Schilling  in  Berlin  für  die 
tektonischen  und  dekorativen  Steinarbeiten;  Schulz 
& Holdefleiss  in  Berlin  für  die  Kunstschmiede-Ar- 
beiten, sowie  Klempnermeister  Thom  für  die  Kupfer- 
treib- und  Blechner-Arbeiten.  Die  reiche  Zimmer- 
Ausstattung  war  an  die  Tischlermeister  F.  Wirths 
Söhne  in  Stuttgart  und  an  Carl  Müller  in  Berlin  über- 
tragen. Die  Stückarbeiten  lieferten  Gebrüder  Axerio, 

657 


die  Glaserarbeiten  dagegen  Jessel.  Die  Allgemeine 
Elektricitäts-Gesellschaft  in  Berlin  legte  die 
elektrische  Beleuchtungsanlage  an,  für  welche  die 
Firma  . Spinn  & Sohn  in  Berlin  die  Beleuchtungskörper 
lieferte.  ‘Die  Erwärmung  des  Hauses  erfolgt  durch 
eine  Warmwasserheizung-  der  Firma  E.  Angrick  in 
Berlin.  In  straffer  Zusammenarbeit  dieser  Künstler 
und  technischen  Firmen  entstand  aus  dem  Selbst- 
gefühl des  erfolgreichen  Kaufherrn  heraus  das  vielbe- 
sprochene Palais  in  der  Thiergartenstrasse.  — 

Mit  reichen,  mit  überreichen  Mitteln  zog  Otto 
Rieth  in  diesem  Werke  auf  den  von  Richtungen  und 
Strömungen  durchfurchten  Kampfplatz  der  modernen 
Baukunst;  er  betrat  ihn  mit  dem  ausgesprochenen 
Willen,  seiner  starken  Individualkunst  in  dem  Konzert 
der  Künste  volle  Geltung  zu  verschaffen.  Er  machte 
sich  auf  zum  künstlerischen  Tournier  mit  der  festen 
Absicht,  modern  im  vollen  Kampfsinne  des  Wortes  zu 
sein,  modern,  soweit  es  die  Monumentalität  der  Aufgabe 


zuliess.  Diese  Monumentalität  aber  wies  ihn  doch  auch 
auf  dieUeberlieferung,  ohne  deren  Einschlag  bei  ernsten 
und  grossen  Vorwürfen  nicht  auszukommen  ist.  Das 
unbeirrte  Streben  nach  neuen  Bildungen  einerseits, 
das  Aufsetzen  aber  dieser  neuen  Bildungen  auf  ein 
struktives  Gerüst  und  Fundament,  welches  die  Jahr- 
hunderte geschaffen,  darin  beruht  bei  aller  Freiheit 
in  den  Einzelbildungen  der  technische  Werth  seiner 
Kunst.  Er  setzte  den  reichen  materiellen  Mitteln  seines 
Bauherrn  den  überquellenden  Formenreichtum  seiner 
lebendigen  Phantasie  entgegen  und  gab  uns  damit 
eine  Schöpfung,  welche  mit  ihrem  Aufwande  an 
architektonischen  Ausdrucksmitteln  wohl  einzig  da- 
steht, jedoch  in  ihrer  Ausnahmestellung  auch  die. 
Frage  auslöst,  wie  der  Künstler  wohl  nach  zehn 
Jahren  über  dieses  Werk  denken  dürfte.  Diese 
Frage  veranlasst  der  ungewöhnliche  Maasstab,  mit 
dem  ein  ungewöhnliches  Werk  gemessen  werden 
muss,  — 


Bergaufzug  nach  der  Bastei  in  der  Sächsischen  Schweiz. 

Von  Regierungs-Baumeister  a.  D.  Feldmann  in  Elberfeld. 


Hach  der  Bastei  in  der  Sächsischen  Schweiz 
wird  von  einer  kleinen  Gruppe  Industrieller  und 
Bankiers  als  erste  Ausführung  ein  Bergaufzug 
nach  einem  vom  Verfasser  im  In-  und  Auslande  zum  Patent 
angemeldeten  neuen  Bergbahnsystem  geplant,  das,  falls 
die  darauf  gesetzten  Hoffnungen  sich  bestätigen,  wegen 
seiner  Bedeutung  für  Riesenaufzüge  im  Hochgebirge  in 
den . weitesten  Kreisen  Beachtung  finden  dürfte. 

Bei  dem  geplanten  Bergaufzug  soll,  ähnlich  wie  bei 
den  bestehenden  Berg-Seilbahnen,  an  jedem  Ende  der 
Zugseile  ein  Wagen  hängen,  sodass  bei  gleichzeitiger  Be- 
förderung eines  Wagens  zu  Berg  und  zu  Thal  die  Massen 
zum  grössten  Theil  ausgeglichen  sind.  Die  Wagen  sollen 
jedoch  nicht  auf  einem  starren  Gleise  laufen,  sondern  ihre 
Führung  dadurch  erhalten,  dass  sie  an  straff  gespannten, 
in  ganzer  Länge  freischwebenden  Seilen  frei  hängen.  Ge- 
spannt werden  diese  Führungsseile  durch  bewegliche 
Gewichte  an  den  unteren  Seilenden.  Bei  Belastung  ver- 
gröäseri  sich  das  Durchhängen  der  Führungsseile  je  nach 
der  Grösse  der  Last,  wobei  die  Spanngewichte  entspre- 
chend gehoben  werden.  Die  Seilspannung  bleibt  also 
unabhängig  von  der  Belastung  durch  Wagen  und 
unabhängig  von  Wärmewechsel  und  Ausdehnung 


stets  die  gleiche.  Wird  hierdurch  schon  ein  sehr  hoher 
Grad  von  Sicherheit  erzielt,  so  geben  auch  alle  übrigen 
Einrichtungen  eine  so  vollkommene  Sicherheit,  wie  sie  in 
gleicher  Grösse  schwerlich  bei  einem  der  bisher  be- 
kannten S}^steme  erreicht  werden  kann. 

Die  Führung  durch  straff  gespannte,  freischwebend 
hängende  Seile  sichert  ausserdem  im  Vergleich  zu  einem 
Fahren  auf  starren  Schienen,  welche  infolge  der  Stoss- 
lücken  und  der  unvermeidlichen  Unebenheiten  in  der 
Unterstützung  stets  nur  eine  unvollkommene  Führung  er- 
möglichen, eine  ungewöhnlich  ruhige,  angenehme  und  ge- 
räuschlose Fahrt.  Ferner  können  bei  solchen  Anlagen, 
da  die  Anlage-  und  Betriebskosten  sich  im  Vergleich  zu 
anderen  Systemen  sehr  niedrig  stellen,  billige  Fahrpreise 
gewährt  werden,  und  es  ist  endlich,  da  die  Bahnen  sehr 
steil  angelegt  werden  können,  eine  äusserst  rasche  Be- 
förderung möglich. 

Der  Bastei-Aufzug  soll  unmittelbar  an  der  Elbe,  dicht 
neben  der  Dampfer- Anlegestelle  Niederrathen,  beginnen 
und  unmittelbar  bis  an  das  östliche  Ende  der  Basteibrücke: 
führen,  also  an  eine  Stelle,  welche  sowieso  von  allen  Be- 
suchern der  Bastei  ohne  Ausnahme  aufgesucht  wird.  Auch 
zu  der  EisenbahnstationOberrathen  würde  der  Aufzug  recht 


Das  deutsche  Bauernhaus  in  Deutschland, 
Oesterreich-Ungarn  und  der  Schweiz. 

(Schluss.) 

Binen  nicht  geringeren  Genuss  wie  das  Betrachten  der 
deutschen  Lieferungen  gewährt  das  Durchblättern 
‘ der  Lieferungen  über  das  Bauernhaus  in  Oesterreich- 
Ungarn.  Ein  Gehöft  aus  Rossatz  imViertel  ober  dem  Wiener- 
walde eröffnet  die  Lieferung  i und  zeigt  den  Typus  des  ge- 
trauerten Bauernhauses  des  niederösterreichischen  Flach- 
landes, wie  er  sich  nach  Aufhören  des  Holzbaues  vom 
i6.  Jahrhundert  ab  entwickelt  hat.  Wir  haben  hier  schon 
starke  Anklänge  an  das  kleinstädtische  Wohnhaus  zu  ver- 
zeichnen, während  die  Gehöfte  aus  Spitz  und  Weissenkirchen 
an  derDonau  sichwiederraehr  demTypusdes  Bauernhauses 
nähern.  Wieder  völlig  den  Bauernhauscharakter  in  Holz  be- 
sitzen die  beiden  geschlossenen  Gehöfte  aus  den  Bezirken 
Schärding  und  Wels.  Ein  liebenswürdiges  Blatt  ist  das 
mit  dem  Wirthshause  in  St  Agatha  bei  Goisern,  einem 
an  einer  sehr  befahrenen  Postsirasse  belegenen  Einkehr- 
Gasthofe  aus  der  Zeit  vor  Anlage  der  Eisenbahn.  Das 
Oberhaus  in  Seekirchen  im  Salzburgischen  zeigt  eine  Ab- 
art des  Salzburger  Fiachgau-Hauses  der  Dörfer  und  Märkte 
mit  der  Eigenihümlichkeit,  dass  das  I-Iaus  mehrere  mit 
getrennten  Eingängen  versehene  Wohnungen  enthält.  Ein 
akademisches  Beispiel  für  die  stilistische  Ausbildung 
des  Holzhauses  des  kärntnerischen  Berglandes  ist  das 
Haus  aus  Feistritz  an  der  Donau  im  Bezirae  Villach.  Ein 
Bauernhaus  bei  Kirchbichl  im  Bezirke  Kufstein  vertritt 
dann  wieder  den  Typus  des  sympathischeren  tiroler  bezw. 
oberbayerischen  Bauernhauses.  Lieferung  2 beschenkt 
uns  zunächst  mit  einigen  anziehenden  Beispielen  alpiner 
Holzbaukunst  aus  Schärding  in  Oberösterreich  und  aus 
dem  Salzburgischen.  Hier  sind  auch  die  schönen  Sgraffiti 
aus  Steiermark  wiedergegeben,  die  sich  an  Häusern  in 
Adriach  bei  Frohnleiten,  aus  der  Gegend  von  Eisenerz,  bei 
Admont,  Steinach-Irdning,  aus  dem  oberen  Ennsthale 
usw.  finden.  Es  ist  eine  gefällige  Dekorationsweise, 
welche  auch  an  den  verputzten  bürgerlichen  Steinbauten 


der  Steiermark  im  16.  und  17.  Jahrhundert  sehr  häufig 
nachzuweisen  ist.  Der  schöne  Steinputzbau  ist  es  auch, 
pvelcher  uns  in  den  Häusern  aus  dem  Vintschgau, 
aus  Klausen,  sowie  in  den  Erkerbildungen  aus  Südiirol 
entgegentritt.  Mit  dem  Wegerhaus  aus  dem  Lieserthal 
betreten  wir  dann  von  Neuem  das  Gebiet  der  alpinen 
Holzarchitektur.  Die  Erscheinung  der  Häuser  dieser 
Gegend  hebt  sich  scharf  von  den  oberbayerischen  Bauern- 
häusern schon  durch  das  stärker  geneigte  Dach  ab,  dessen 
Holzschindeln  nun  nicht  mehr  durch  schwere  Steine  be- 
lastet zu  werden  brauchen.  Verwandt  ist  das  Winkler- 
haus aus  Seeboden  am  Mülstätter-See.  Einzelheiten  länd- 
licher Plolzbauten  aus  Kitzbichel  und  aus  dem  Valser- 
thal,  sowie  vom  Fischerhaus  in  Pertisau  geben  uns  Kunde 
von  den  maassvollen,  ansprechenden  Schmuckbestrebungen 
der  ländlichen  Bauten  in  Tirol.  Auch  das  reiche  Fach- 
werk tritt  durch  schöne  Beispiele  aus  dem  Egerlande, 
besonders  in  dem  reichen  Hause  aus  Matzlbach  bei  Eger 
auf.  Die  Schmiede  zu  Pfischowitz  bei  Turnau  in  Böhmen 
dürfte  auf  der  Grenze  des  deutschen’ und  des  slavischen 
Bauernhauses  stehen,  während  der  schöne  Bauernhof  in 
Hliney  bei  Leitmeritz  der  Typus  des  alten  Mittelgebirgs- 
hauses  in  Böhmen  ist.  Den  steiermärkischen  Holzbau 
bietet  uns  Lieferung  3 in  erlesenen  Beispielen  aus  Breitenau 
bei  Mixnitz,  aus  Rothleiten  bei  Frohnleiten,  aus  Ramsau 
bei  Schladming,  aus  Kemetberg  bei  Köflach;  den  länd- 
lichen Holzbau  in  Tirol  vertreten  3 Blatt  mit  Einzelheiten 
zum  Theil  aus  spätgothischer  Zeit  mit  Bemalung.  — 

Was  die  Schweiz  zu  dem  schönen  Werke  beigetragen 
hat,  ist  des  höchsten  Lobes  würdig.  Das  Bauernhaus  in 
Watt  bei  Regensdorf  im  Kanton  Zürich  besitzt  die  Viel- 
gestaltigkeit einer  malerisch  gruppirten  Anlage.  Das  schöne 
Bauernhaus  inSumiswald  belebt  mit  seinem  überhängenden 
Dache  den  sanft  ansteigenden  Wiesenboden,  auf  dem  es  steht, 
das  Wohnhaus  aus  Emmenthal  bei  Bern  ist  ein  liebensr 
würdiges  Beispiel  einer  kleineren  Häuslichkeit;  während 
die  Häuser  aus  Erstfeld  im  Kanton  Uri  und  aus  Rothenthurm 
im  Kanton  Schwyz  weitere  Beispiele  grösser  und  reicher 
angelegter  Hauswesen  sind.  Völlig  verschieden  hiervon 


658  No.  103/4. 


günstig  liegen,  da  er  von  hier  aus  in  wenigen  Minuten  erreicht 
werden  kann,  sodass  also  der  Besuch  der  Bastei  ausser- 
ordenüich  bequem  und  billig  und  in  verhältnissmässig 
kurzer  Zeit  ausgeführt  werden  kann.  Wesentlich  ist, 
dass  durch  eine  derartige  Anlage  die  Naturschönheit 
der  Gegend  in  keiner  Weise  gestört  wird. 

Bei  den  durch  bewegliche  Gewichte  gespannten 
Führungsseilen  ändert  sich  durch  eine  Aenderung  der 
Belastung  lediglich  das  Durchhängen  der  Seile,  wobei  die 
Spanngewichte  entsprechend  gehoben  oder  gesenkt  wer- 
den. Der  Vorgang  ist  nebst  den  zugehörigen  andeuten- 
den Kräfteplänen  in  Abbildg.  i in  einfachen  Linien  darge- 
stellt.'  Im  Ruhezustände  nimmt  das  Führungsseil,  vergl. 
Abbildg.  I,  A die  Lage  abc  und  das  Spanngewicht  die 
Lage'^i  ein.  Durch  die  Wagenlast  (?  wird  das  Seil  in 
die  Lage  aec  und  das  Spanngewicht  in  die  Lage  Q ge- 
bracht. Das  Wagengewicht  wird  zum  grössten  Theile  von 
den  Zugseilen  getragen,  auf  die  Führungsseile  fällt  nur  ein 
verhältnissmässig  kleiner  Theil.  Wenn  in  dem  Kräfte-, 
plan  B die  Linie  hi  das  Wagengewicht  G-  darstellt,  so. 
giebt  hg  die  Grösse  des  Druck^es  P auf  die  Führungsseile. 
Der  zweite  Kräfteplan  C 


zeigt  ohne  Weiteres,  in 
welchemZusammenhange 
der  Winkel  « mit  der  Seil- 
spannung Sund  der  Kraft 
P steht. Wenn  bekannt  ist, 
welche  Spannung  in  den 
Führungsseilen  durch-das 
Spanngewicht  Q erzeugt 
wird,  so  lässt  sich  für 
jedeLast  leicht  das  Durch- 
hängen der  Führungsseile 
feststellen,  und  umge- 
kehrt, wenn  das  Durch- 
hängen bei  grösster  Wa- 
genlast ein  bestimmtes 
Maass  nicht  überschreiten 
soll,  lässt  sich  leicht  be- 
rechnen , wie  gross  die 
Seilspannung,  also  auch, 
wie  gross  das  Spannge- 
wicht sein  muss. 

Der  Weg,  den  der  Wa- 
gen zurücklegt,  ist  durch 
die  Linie  adefc  ange- 
deutet. Wenn  man  nähe- 
rungsweise annimmt,  dass 
die  straff  gespannten,  un- 


Abbildg. 


belasteten  Führungsseile  nicht  eine  Kettenlinie,  sondern 
eine  gerade  Linie  bilden,  und  dass  der  Winkel  o unver- 
ändert bleibt,  so  würde  der  Weg  des  Wagens  eine  Kreis- 
bogenlinie sein. 

Für  die  Führungsseile  sind  „grobdrähtige  Drahtseile  ' 
verschlossener  Konstruktion“  besonders  gut  geeignet,  weil 
sie  eine  glatte  Oberfläche  haben  und  deshalb  besonders 
ruhige  Bewegungen  der  Räder  sichern.  Nach  den  bis- 
herigen Erhebungen  werden  zweckmässig  2 Führungsseile 
von  45  Durchm.  angewendet.  Die  Bruchfestigkeit  dieser 
beiden  Führungsseile  beträgt  326 1.  Da  nun  das  gemein- 
same Spanngewicht  mit  27  t ausreicht,  um  dem  Wagen 
auch  bei  voller  Besetzung  genügend  freien  Durchfahrts- 
raum zu  sichern,  so  durfte  eine  grosse  Sicherheit  erzielt 
werden.  Das  Spanngewicht  soll  für  beide  Seile, gemeinsam 
seinundmitdenSeilen,  wie  in  der  die  allgemeine  Anordnung 
zeigenden  Abbildg.  3angedeutet  und  in  Abbildg.sS.  662  näher 
dargestellt  ist,  mittels  eines  Winkelhebels  verbunden  wer- 
den. Durch  die  Stellung  dieses  Wiokelhebels  ist  es  .sofort 
erkennbar,  wenn  etwa  eines  der  Führungsseile  sich  stärker 
längen  sollte  wie  das  andere,  oder  falls  aus  irgend  einem 
nicht  vorherzusehenden  Grande  die  Spannung  des  einen 
Seiles  eine  andere  werden  sollte,  wie  in  dem  anderen, 
sodass  also  eine  genaue  Ueberwachung  möglich  ist.- 

Ist  somit  nach  menschlichem  Ermessen  das  Eintreten 
eines  Bruches  in  einem  der  Führungsseile  an  sich  so  gut 
wie  ausgeschlossen,  so  soll  gleichwohl  zur  Hebung  des  Ver- 
trauens und  zur  Erzielung  .eines  sicheren  Gefühles  selbst 
im  Falle  eines  Seilbruches  noch  volle  Sicherheit  gewährt 
sein.  Aus  diesem  Grunde  sind  die  beiden  Führungsseile 
senkrecht  über  dem  Schwerpunkt  des  Wagens  angeordnet 
und  jedes  der  beiden  Führungsseile  wird  einzeln  sowohl 
von  den  Radgestell'en  wie  auch  von  dem  Wagenkasten 
selbst  durch  feste  Konstruktionstheile  fest  umschlossen.  Ein 
Loslösen  des  Wagens  von  einem  derFührungsseile  erscheint 
ganz  ausgeschlossen  und  es  wird  der  Wagen  unter  allen 
Umständen,  selbst  beim  Bruche  eines  Führungsseiles,  in 
unveränderter  Weise  sicher  gestutzt.  Die  Verbindung  der 
Führungsseile  mit  dem  Spanngewichte  ist  derart,  dass  bei 
einem  Bruche  des  einen  Seiles  das  andere  Seil  nach  und 
nach  und  ohne  Stoss  das  gesammteSpannge  wicht  übernimmt. 

Auch  die  Zugseile  hängen  in  gleicher  Weise  wie 
die  Führungsseile  in  ganzer  Länge  frei  und  bedürfen  keiner- 
lei Unterstützungs-  und  Führungsrollen.  Es  ist  dies  nicht 
nur  von  günstigem  Einflüsse  auf  die  Anlage-,  Unterhaltungs- 
und Betriebskosten,  sondern  es  wird  dadurch  auch  die 
Sicherheit  sehr  erhöht,  weil  bei  den  Zugseilen  weder  ein 
Festklemmen  stattfinden,  noch-überhaupt:ein. unerwarteter 
Reibungswiderstand  auftreten  kann.  Wenn  somit  auch 


ist  das,  was  in  den  romanischen  Gegenden  der  Schweiz 
vom  Bauernhause  auf  uns  überkommen  ist.  Wo  die 
Gegend  nach  Italien  hinübergeht,  z.  B.  in  Graubünden, 
da  macht  sich  namentlich  beim  Stein-  und  Putzbau,  der 
Einfluss  der  Schmuckformen  der  Hochrenaissance  geltend. 
Ein  Beispiel  dafür  ist  das  Haus  Luck  aus  dem  Prättigau 
in  Graubünden,  ein  anderes  Beispiel  das  Haus  aus 
Silz  im  Engadin.  Hervorragend  schöne  Beispiele  des 
schweizerischen  Landhauses  werden  uns  in  dem  Bauern- 
hause „Im  Steg"  bei  Diemngen,  in  einem  Bauernhaus  in 
Lungern,  Kanton  Unterwalden  und  vor  allem  in  dem 
herrlich'en  Bauernhause  in  Fürth  im  Kanton  St.  Gallen 
geboten,  letzteres  vielleicht  eines  der  reichsten  und  edel- 
sten Beispiele  schweizerischer  Holzarchitektur.  Das 
Gasthaus  zur  Krone  in  Grüsch  in  Graubünden  bildet  bereits 
den  Uebergang  zum  Stadthause.  Wie  wundervoll  steht  das 
Bauernhaus  zum  „Fürsten“  in  dem  Schutze  der  dunklen 
Koniferen  und  wie . sicher  ruht  es  sich  unter  seinem 
mächtigen  Dache.  Wie  verlassen  ist  demgegenüber  der 
Eindruck  der  romanischen  Gehöfte  der  Schweiz,  z.  B.  des. 
Hauses  Grosjean  in  Plagne.  Erst  das  Haus  Lüthy  in 
Lützelflüeh  im  Emmenthal  bei  Bern  vermag  den  Eindruck 
der  Schwermuth  wieder  zu  verscheuchen.  Lustig  in  seinem 
reichen  Schmuck  steht  das  Haus  in  Spiezwyler  am  Tuner- 
see. Das  Fachwerk,  wie  es  seine  reiche  Au-bildung  im  süd- 
westlichen und  nordwestlichen  Deutschland  gefunden  hat. 
scheint  in  der  Schweiz  nicht  heimisch  zu  sein.  Ein  Beispiel 
der  edlen  Holzarchitektur  der  Wohnräume  schenkt  uns  das 
Werk  in  der  Täferparthie  aus  der  unteren  und  der  oberen 
Stube  eines  Bauernhauses  in  Sils  in  Graubünden.  Die 
Räume  sind  durch  vollendete  Holzkunst  in  schlichter  Vor- 
nehmheit ausgezeichnet.  Eine  künstlerische  Sonderstellung 
nimmt  das  Telienhaus  in  Einen  im  Kanton  Ober-Walhs 
ein.  Es  trägt  an  seinem  gemauerten  und  verputzten 
Untergeschoss  den  gemalten  Schmuck  der  Tellsage  und 
ist  dadurch  aus  der  Reihe  der  eigentlichen  Bauernhäuser 
herausgehoben.  Ein  schmuckes  gemauertes  Haus,  dessen 
Obergeschoss  allein  aus  Holz  besteht,  ist,  bei  gedrängtem 
Grundriss,  das  Haus  Tonosi  in  Sierre  im  Kanton  Wallis. 


Es  steht  auf  der  Grenze  zu  dem  Steinbau  der  roma- 
nischen Schweiz.  Dieses  kommt  mit  Recht  nur  zur'gelegent- 
lichen  Darstellung,  denn  es  entbehrt  - des  deutschen 
Gemüthes.  seine  Erbauer  und  seine  . Bewohner  gehen 
nicht  in  ihm  auf.  Der  Romane  betrachtet  das  Haus  mehr 
als  seine  Nothdurft.  denn  als  ein  Mittel  zur  Befriedigung 
des  Gefühles  der  Wohligkeit  und  der  Behaglichkeit,  eine 
Regung,  die  am  unmittelbarsten  und  unv.ermittelsten  eben 
im  Bauernhause  in  die  Erscheinung  tritt.  — 

Aus  der  vorstehenden  kurzen  Uebersicht,  die  nicht 
mehr  sein  kann  und  will  als  eine  flüchtige  Inhaltsangabe, 
lässt  sich  der  reiche  Inhalt  des  Verbands  Werkes  aber  wohl 
ahnen.  Es  ist  eine  stolze  Bereichung  der  deutschen 
Kunstliteratur;  es  ist  eines  jener  Werke,  welche  zu  dem 
eisernen  Bestände  der  Fachliteratur  gehören  und  immer 
wieder  hervorgeholt,  werden  durften,  wenn  es  gilt,  frische 
Nahrung  zu  suchen,  zu  verjüngen.  Es  wird.sich  uns,  wenn 
auch  der  Text  der  drei  Abtheilungen  vorliegt,  noch  ein- 
mal Gelegenheit  bieten,  auf  das  abgeschlossene  Werk 
zurückzukommen,  sodass  wir  es  heute  mit  dem  Wun- 
sche verlassen  können,  dass  es  für  jeden  Architekten, 
der  das  Gemüth  höher  schätzt,  wie  das  Geschäft, 
der.  in  der  Volkskunst  des  Landes  noch  ergiebige  Quel- 
len für  die  Bereicherung  des  eigenen  künstlerischen 
Schaffens  erblickt,  ein  Hausbuch  im  deutschesten  Sinne 
des  Wortes  werden  möge.  Es  sei  aber  auch  über 
all  den  reichen  Ergebnissen  der  Vater  des  Gedankens 
nicht  vergessen.  Es  war  in  der  Sitzung  der  „Vereinigung 
Berliner  Architekten“  vom  15.  Okt.  1891,  dass  Cornelius 
Gurlitt,  damals  noch  in  Charlottenburg,  den  Gedanken  au- 
regte  und  vertrat,  die  Kunst  des  ländlichen  Hausbaues, 
die  aus  natürlichen  Gründen  mehr  und  mehr  dem  Unter- 
gang entgegen  geht,  durch  Aufnahme  typischer  Beispiele 
der  Nachwelt  zu  erhalten.  Wenn  die  Fachgenossem 
Schaft  allen  Mitarbeiteim  am  Werke,  darunter  auch  dem 
Geh.  Baurath  0.  Hossfeld  in  Berlin,  der  über  seiner 
äusseren  Gestaltung  wacht,  heute  aufrichtig  dankt  für  ihre 
Hingebung  an  das  Werk,  so  beginnt  sie  mit  der  Abtragung 
dieser  Dankesschuld  bei  Cornelius  Gurlitt.  — ,H.  — 


25.  Dezember  1902. 


659 


die  Gefahr  eines  Seilbruches  ausgeschlossen  erscheint,  kann 
man  gleichwohl  ohne  Schwierigkeit,  wie  bei  den  Führungs- 
seilen. auch  doppelte  Zugseile  vorsehen.  Wie  aus  der 
Abbildg.  3 S.  663  zu  ersehen  ist.  sollen  auch  die  beiden  Zug* 
seile  mittels  Winkelhebel  mit  dem  Aufzugwagen  derart  ver- 
bunden werden,  dass  bereits  bei  jeder  ungleichen  Spannung 
und  jeder  ungleichen  Dehnung  der  Seile  zunächst  Alarm- 


schlossen werden,  sodass  sich  also  leicht  vollkommen 
sichere  Fangvorrichtungen  anbringen  lassen.  Die  meisten 
der  bei  senkrechten  Förderschächten  Üblichen  Fangvor- 
richtungen sind  unmittelbar  verwendbar.  Eine  der  mög- 
lichen Vorrichtungen  ist  in  Abbildg.  3 näher  dargestellt. 

Die  beiden  Zugseile  greifen  hier  nicht  an  einem  ge- 
meinsamen Winkelhebel  an,  sondern  es  sind  zwei  getrennte 


Palais  Staudt_ln  Berlin.  Herrenzimmer. 

Signale  und  sodann  Brems-,  und  zur  weiteren  Erhöhung 
der  Sicherheit  noch  besondere  Fangvorrichtungen  selbst- 
thätig  ausgelöst  werden. 

Da  die  Führungsseile  in  ihrer  ganzen  Länge  frei  hängen 
und  zwi'Chendurch  nicht  unterstützt  sind,  so  können  sie  von 
den  Fangvorrichtungen  von  allen  Seiten  fest  um- 


— Architekt:  Prof.  Otto  Ri.e.th  in  Berlin. 

Winkelhebel  und  fl’g  vorgesehen,  welche  jedoch  durch 
die  Nasen  Ni  und  JVg  so  mit  einander  verbunden  sind, 
dass  sich  die  beiden  Hebelarme  nur  gemeinsam  bewegen 
können.  Bei  einer  ungleichen  Dehnung  der  Seile  müssen 
sich  die  Hebel  schief  stellen,  und  durch  Beihätigung  der 
Kontakte  Ki  und  kann  dieser  Vorgang  sicher  in  selbst- 

No.  103/4. 


660 


thätieer  Welse  angezeigt  werden.  Mit  denDrehaxen  der  bei- 
den Winkelhebel  und  ffg  sind  dann  fernerhin  exzentrische 
Scheiben  Ei  und  E-i  verbunden,  welche  ohne  jedes 
Zwischenglied  unmittelbar  die  Fangvorrichtung  bilden. 
Reisst  zum  Bei-^piel  das  mit  dem  Hebelarm  Hi  verbun- 
dene Zugseil,  so  schlägt  der  Hebelarm  nach  unten. 
Es  wird  dieses  in  dreifacher  Weise  bewirkt.  Einerseits 
drückt  die  Nase’  Ng  verstärkt  gegen  die  Nase  iV,,  anderer- 


Die  Wirkung  ist  eine  sichere  und  schnelle,  und  gleich- 
zeitig tritt,  selbst  wenn  sich  die  Fangvorrichtung  ganz 
plötzlich  festsetzt,  kein  heftiger  Stoss  ein,  weil  die  Füh- 
rungsseile  wegen  ihrer  Schwere  durchhängen  und  bei 
Bethätigung  der  Fangvorrichtung  erst  nach  und  nach  straffer 
angespannt  werden.  Es  dürfte  hierdurch  bei  den  starken 
Seilen  und  verhältnissmässig  leichten  Wagen  eine  sehr 
gut  wirkende  Federung  des  Stosses  eintreten,  was  als  ein 


seits  wird  das  Herunterfallen  des  Helmes  aber  durch  das 
Gewicht  Gi  und  schliesslich  noch  durch  die  Feder  be- 
wirkt. Das  Herunterfallen  des  Hebelarmes  Hi  ist  also 
vollkommen  gesichert  und  es  findet  damit  unmittelbar  ein 
Festkicmmen  des  Radgestelles  an  dem  Führungsseile  statt. 
Das  Festklemmen  wird  dann  durch  das  Gewicht  des  Wa- 
gens noch  weiter  verstärkt. 

Dezember  1902. 


wesentlicher  Vortheil  gegenüber  etwaigen  festen  Führun- 
gen anzusehen  ist. 

Es  ist  angenommen,  dass  der  Hebelarm  Hj  mit  einer 
Fangvorrichtung  am  oberen  Führungsseile  und  der  Hebel- 
arm JTj  mit  einer  Fangvorrichtung  am  unteren  Führungs- 
seile verbunden  ist.  Eine  weitere  Fangvorrichtung 
greift  an  beiden  Führungsseilen  gleichzeitig  an  und  kann 

661 


Prof.  Otto  Rieth  iu  Berlin. 


in  einfacher  Weise  von  Hand  bethätigt  werden.  Die  Dreh-  schliesslich  auch  das  zweite  Seil  Mängel  zeigen,  oder  so- 
axe  der  Fangvorrichtung  greift  unmittelbar  in  den  gar  gleichfalls  gebrochen  sein,  so  würde  ein  Reserve- 
Wagenkasten  und  kann  hier  entweder  von  dem  Führer  Zugseil  von  der  oberen  Haltestelle  herabzulassen  sein  und 
mit  einfachem  Hebelarm  oder  mit  beliebiger  Uebersetzung  nach  Befestigung  dieses  Hilfsseiles  die  Beförderung  vor  sich 
bethätigt  werden.  Statt  der  Fang- 
vorrichtungen mit  exzentrischen  ' 

Scheibenkönnenauchlangekeil-  T-. 

artige  Bremsschuhe  verwendet  ^ r;-  Abbildg.  2,  Gesammtanlage. 

werden,  welche  durch  die  Dre-  '"ü'-:— 
hung-der  betreffenden  Hebel- 
drehaxe  an  das  Seil  angepresst 
werden. 

Die  geschilderten  Fangvor- 
richtungen greifen  von  der  Seite 
an  die  FührungSseile,  und  da  in 
dieser  Richtung  die  Seile  eine 
festeLage  haben, kann  derSpiel- 
raum  zwischen  Fangvorrichtung 
und  Seil  sehr  knapp  gewählt  wer- 
den. In  senkrechter  Richtung 
wird  die  Stellung  derFührungs- 
seileje  nach  derGrösse  der  Belas- 
tung etwas  geändert,  jedoch'  ist 
dieseAenderung,  dadie  Angriffs- 
punkte der  Fangvorrichtungen 
sehr  nahe  an  den  Laufrädern 
liegen,  so  gering,  dass  der  Fang- 
vorrichtungleicht ausreichender 
seitlicher  Spielraum  gegeben 
werden  kann.  Falls  grössere 
Aenderungen  in  der  Stellung  der 
Seile  vorzusehen  sind,  muss  die 
Fangvorrichtung  entweder  noch 
näher  an  die  Laufräder  heran- 
gerückt werden,  oder  es  muss 
einbesondererBremswagen  ein- 
gerichtet werden,  welcher  un- 
mittelbar an  dem  Führungsseil 
seine  Führung  erhält. 

ln  Abbildg.  4 ist  ein  derartiger 
zweiter  Vorschlag  einer  Fang- 
vorrichtung dargestellt.  Es  ist 
hier  angenommen,  dass  die  bei- 
den Zugseile  an  einem  gemein- 
samen Winkelhebe]  angreifen. 

Mitder  Axe  dieses  Winkelhebels 
sind  an  beiden  Enden  2 kleine 
Hebel  fest  verkeilt.  Bei  gleich- 
gespanntenZugseilen  stehendie- 
se  Hebel  genau  in  der  Richtung 
der  Zugseile.  Dehnt  sich  oder 
reisst  ein  Seil,  so  dreht  sich  der 
Winkelhebel  und  mitihm  drehen 
sich  die  kleinen  Hebel.  Diese 
letzteren  sind  durch  Zugstangen 
mit  den  Fangkeilen  in  der  Weise 
verbunden,  dass  sie  von  einem 
bestimmten  Ausschlag  ab  die 
Keile  anziehenundvom  Gewicht 
des  Wagens  unterstützt  so  zusam- 
menpressen, dass  ein  unbeding- 
tes Anhalten  eintreten  muss. 

Die  Keile  werden  in  schwalben- 
schwanzartigen Führungen  ge- 
führt. Ihre  Fangfiächensindsehr 
lang  gewählt,  sodass  eine  Be- 
schädigung der  Tragseile,  selbst 
bei  ganz  plötzlichem  Anhalten, 
nicht  zu  erwarten  ist.  Die  ganze 
Vorrichtung  ist  an  einem  be- 
sonderenWägelchen  angebracht, 
das  an  den  Führungsseilen  läuft 
und  mit  dem  eigentlichen  Rad- 
gestelL  gelenkig  verbunden  ist. 

Sollten  die  Wagen  einmal  in- 
folge der  Bethätigung  einer  der 
Fangvorrichtungen  unterwegs 
zum  Halten  kommen,  so  werden 
zunächst  auch  die  Hand-Fang- 
vorrichtungen angezogen.  Es 
wird  sodann  das  übriggebliebene 
Seil  nebst  allen  zugehörigen 
Konstruktionstheilen  eingehend 
untersucht.  Bei  gutem  Befund 
wird  zunächst  durch  geringes 
Nachlassen  des  Seiles  die  selbstthätige  Fangvorrichtung  gehen  können.  Wenn  auch  bei  der  Maschinenanlage,  wiege- 
-ausgelöst  und  festgelegt,  und  sodann,  nachdem  auch  die  schehen,fürausreichendeHi]fs-Konstruktionengesorgtwird, 
Hand- Fangvorrichtung  gelöst  ist,  der  Wagen  mittels  des  so  ist'kein'Fall  denkbar,  dass  ein  langes  Hängen- 
übrig  gebliebenen  Zugseiles  zur  Haltestelle  befördert.  Sollte  bleiben  einesWagens  unterwegs  eintreten  kann. 

662  A . No.  IP3_|4 


Abbildg-,  5.  Maschinenantage  und  Spanngewicht. 


SpanngewichK 


Oberer  Grundriss. 


Unterer  Grundriss. 


iV 

m: 

- 

— 

J 

— f 

^ [ 

J 

ßaägiesteH  a.  Fangvorrichtung^ 
■T!  doppelten  Msässstabe.  ■ ■ 


Der  freischwebend  untei' den  Führungsseilen  hängende  fachsten  dadurch  zu  erreichen,  dass  ein  am  Wagenkasten' 
Aufzugswagen  soll  aus  einem  dreirädrigenRadgestell  mit  angebrachtes  Blech  zwischen  zwei  federnd  zusammen  ge- 
daran  hängendem  Wagenkasten  bestehen.  Es  wird  hier-  drückten  Flächen  am  Radgestell  schleift.  Die  entstehende 
durch  erreicht,  dass  der  Wagenkasten  bei  beliebigerNeigung  Reibung  beeinträchtigt  nicht,  dass  der  Wagen  sich  stets 
des  Seiles  stets  senkrecht  hängt,  was  zur  Annehmlichkeit  senkrecht  stellt,  verhindert  aber  in  einfacher  und  wirk- 
der  Fahrt  wesentlich  beitragen  dürfte.  Damit  nun  aber  samer  Weise  ein  Schaukeln  um  die  Aufhängedrehaxe. 

Ein  seitliches  Schwanken  der  Wagen  steht 
Abbildg.  3.  Anordnung  des  Aufzugs -Wageus  nebst  Fangvorrichtung.  nicht  ZU  befürchten.  Eine.seitlichePendelbewe- 

gung  können  die  Wagen  bei  der  gewählten  Auf- 
hängeart nur  gemeinsam  mit  den  Führ-ungsseilen 
machen.  Bei  der  grossen  Länge  der  Seile  können 
aber  nur  ganz  langsame  Schwingungen  entstehen. 
Es  wird  deshalb,  wie  die  Versuche  und  Erfah- 
rungen bei  den  Langen’schenSchwebebahnwagen 
auf  das  Ueberzeugendste  gezeigt  haben,  mit  Rück- 
sicht auf  den  geringen  Umfang  der  Wagen  und 
die  grosse  Spannung  der  Führungsseile  selbst 
der  stärkste  Sturm  kein  merkliches,  geschweige 
denn  ein  bedenkliches  Schaukeln  der  Wagen  ver- 
ursachen können. 

Die  steile  Lage  der  Führungsseile  ermöglicht, 
wie  aus  Abbildg.  3 zu  ersehen  ist,  in  sehr  ein- 
facher Weise,  dass  die  Führungsseile  einzeln 
nicht  nur  von  festen  Konstruktionen  des  Radge- 
stelles, sondern  auch  des  Wagenkastens  voll- 
kommen umfasst  werden.  Es  findet  also  der 
Wagenkasten  nicht  nur  bei  einem  Reissen  eines 
der  Führungsseile,  sondern  selbst  beim  Loslösen 
des  Radgestelles  vom  Wagenkästen  immer  noch 
eine  sichere  Stütze. 

Es  ist  vorläufig  vorgesehen,  dass  die  Wagen- 
kasten mit  6 Sitz-  und  lo  Stehplätzen  eingerich- 
tet werden.  Da  die  Fahrzeit  eine  sehr  kurze 
(3  Minuten)  und  die  Wagenfolge  also  eine  häufige 
ist,  dürfte  iiiit  diesen  Wagenkasten  schon  eine  ge- 
nügende Leistungsfähigkeit  erzielt  werden.  Das 
Gewicht  des  vollbesetzienWagens  wird  höchstens 
5000  betragen. 

Auch  die  Maschinen-Anlage  ist,  wie  es  in 
ähnlicher  Weise  bei  allen  anderen  Vorkehrungen 
geschehen  ist,  durchweg  so  eingerichtet,  dass 
beim  Bruche  eines  wichtigen  Konstruk- 
tionstheiles  oder  beim  Versagen  der 
Kraftquelle  unter  keinen  Umständen  ein 
Unfall  eintreten  kann  und  mindestens  die 
Fahrt  bis.  zu  der  Haltestelle  stets  gesi- 
chert ist. 

Die  Zugseile  werden,  nachdem  sie  durch 
senkrecht  stehende  Seilscheiben  abgelenkt  sind, 
mehrfach  um  2 wagrecht  liegende  Seiltrommeln 
gelegt.  Der  Antrieb  erfolgt  nach  den  vorläufigen 
Festsetzungen  durch  Schnecken-Getriebe.  Die 
Schnecke  wird  aus  Stahl  geschnitten,  gehärtet, 
polirt  und  ist  zur  Aufnahme  des  axialen  Druckes 
gegen  Stahlkugeln  gelagert.  Der  Zahnkranz  des 
Rades  besteht  aus  geschnittener  Stahlphosphor- 
Bronze.  Der  ganze  Schneckentrieb  ist  einge- 
kapselt und  läuft  beständig  in  einem  Oelbade. 
Ob  es  mit  Rücksicht  auf  die  grosse  Sicherheit 
dieser  Anordnung  genügt,  nur  eine  der  Seil- 
trommeln anzmreiben,  bleibt  näherer 
Erwägung  Vorbehalten.  Es  ist  natür- 
^ lieh  ohne  Weiteres  möglich,  auch  an 
der  zweiten  Seiltrommel  ein  zweites 
Triebwerk  anzubringen,  wie  es  in  Ab- 
bildg.  5 punktirt  angedeutet  ist. 

Die  Schneckenwelle  soll  durch  einen 
^ elektrischen  Motor  angetrieben  werden. 

Die  Elektrizität  wird  durch  einen  Diesel- 
\ Petroleummotor  erzeugt,  welcherin  dem 

i]  unteren  Theil  des  Maschinenhauses  auf- 

y gestellt  ist.  Eine  zwischengeschaltete 

Pufferbatterie  dient  dazu,  eine  stets 
gleichbleibende  Kraftleistung  zu  sichern, 
zugleich  aber  auch,  um  bei  einem  Ver- 
sagen des  Diesel-Motors  noch  dieWeiter- 
beförderung  zu  ermöglichen.  Es  wird 
noch  Sache  weiterer  Erwägungen  sein, 
ob  der  unmittelbare,  billigere  Antrieb 
der  Seiltrommel  durch  den  Diesel- 
Motor  zulässig  ist. 

In  beiden  Fällen  soll  jedoch,  um 
von  der  gewöhnlichen  Kraftquelle  ganz 
unabhängig  zu  sein,  an  dem  Schneckenwerk  noch  ein 
Handbetrieb  vorgesehen  werden.  Es  scheint  dann  unter 
allen  Umständen  ausgeschlossen,  dass  jemals  ein  längeres 
Häagenbleiben  der  Wagen  unterwegs  stattfinden  kann. 

An  jeder  der  beiden  Seiltrommeln  ist  eine  Breras- 
scheibe  angebracht.  Kräftige  Doppeibacken-Bremsen  wer-' 

663 


diese  Annehmlichkeit  nicht  dadurch  beeinträchtigt  wird, 
dass  der  Wagenkasten  um  seine  Aufhängedrehaxe,  also  in 
der  Längsrichtung  der  Bahn,  schaukeln  kann,  so  muss  Vor- 
sorge getroffen  werden,  dass  dieDrehbewegung  des  Wagen- 
kastens nur  langsam  vor  sich  gehen  kann,  also  auf  irgend 
eine  Weise  etwas  gedämpft  wird.  Es  ist  dies  am  ein- 

25.  Dezember  1902. 


den  durcii  gemeinsame  Steuergestänge  gleichzeitig  be- 
thätigt.  Die  Einwirkung  auf  die  Bremsen  wird  von  der 
vereinigten  Maschinenfabrik  Augsburg  und  der 
Maschinenbaugesellschaft  Nürnberg  auf  folgende 
von  einander  unabhängige  Arten  vorgeschlagen: 

I.  Verzögerungsbremse.  Ein  Fusstritt  gestattet 
dem  Führer,  die  Bremsen  während  der  Fahrt  zu  bedienen ; 
jedoch  können  durch  eine  Sperrung  zwischen  Fusstritt 


Abbildg:.  6.  Ansicht  des  Basteiaufzuges. 


und  Steuerhebel  die  Bremsen  nur  von  einer  bestimmten 
Stellung  des  Steuerhebels  ab  angezogen  werden,  um  deren 
Einfallen  bei  kurzgeschalietem  Motor  zu  vermeiden. 


2.  Halt-  und  Sicherheitsbremse.  Sobald  der 
Anlasshebel  in  die  Nullstellung  gebracht  wird,  lässt  ein 
Magnet  ein  Bremsgewicht  fallen,  das  die  Maschine  unver- 
züglich zum  Stillstand  bringt.  Um  bei  geringem  Ueber- 
gewicht  des  abwärts  fahrenden  Wagens  ohne  Strom  fahren 
zu  können,  wird  durch  den  ersten  Kontakt  der  Steuer- 
walze nur  der  Bremsmagnet,  durch  den  zweiten  erst  der 
Motor  eingeschaltet.  Die  Bremse  wirkt  auch  sofort,  falls 
durch  irgend  einen  Zufall  der  Strom  während  der  Fahrt 
unterbrochen  werden  sollte. 

3.  Zweite  Sicherheitsbremse.  Ein  durch  einen 
Luftputfer  gedämpftes  Fallgewicht  wird  ausgelöst  durch 
einen  gleichzeitig  als  Teufenzeiger  dienenden  Karlik’schen 
Sicherheitsapparat,  falls  die  Geschwindigkeit  der  Wagen 
in  der  Nähe  der  Halte.'Jtellen  nicht  vor>chriftsmässig  ab- 
nimmt, oder  falls  die  Wagen  über  die  Endstellungen  hin- 
ausfahren. Ferner  kann  diese  Bremse  im  Nothfalle  vom 
Führer  durch  einen  einfachen  Handgriff  aasgeworfen  wer- 
den. Zum  Heben  des  in  Thätigkeit  getretenen  Gewichtes 
dient  eine  kleine  Handwinde,  die  mit  dem  Auslösegriff 
zusammenmontirt  links  neben  dem  Führer  steht. 

Ueberschreitet  die  Fahrt  die  zulässige  Höchst-Ge- 
schwindigkeit, so  ertönt  von  dem  erwähnten  Apparat  aus 
eine  Glocke.  Eine  weitere  zeigt  die  Annäherung  der  Wa- 
gen an  ihre  Endstellung  an.  Legt  auf  dieses  letzte  Zeichen 
hin  der  Führer  den  Anlasshebel  nicht  zurück,  so  wird 
dieses  durch  einen  Retardir -Apparat,  der  seinen  Antrieb 
von  einer  der  vorderen  Leitscheiben  erhält,  selbstthätig 
in  allmählicher  Weise  bewirkt.  Hierdurch  wird  die  Ma- 
schine unbedingt  zum  Stillstand  gebracut,  da  in  der  End- 
stellung des  Anlasshebels  die  Haltbremse  einfällt. 

Der  Führer  hat  seinen  Stand  an  der  Vorderseite  des 
Hauses,  sodass  er  durch  ein  grosses  Fenster  die  Aufzug- 
wagen stets  überwachen  kann.  Rechts  neben  ihm  be- 
finden sich  Anlasser,  Fusstritt  und  Teufenzeiger,  links 
neben  ihm  Nothwinde  mit  Winde  für  das  Sicherheits-Ge- 
wicht, sowie  ein  Stativ  mit  Volt-  und  Ampferemeter. 

Bei  Ueberschreiten  der  Höchst-Geschwindigkeit  auf 
freier  Fahrt  könnte  vom  Karlik’schen  Sicherheilsapparat 
aus  ein  Magnet  eingeschaltet  werden,  der,  mit  einer 
Dämpfung  versehen,  den  Anlasshebel  langsam  so  weit 
zurückführt,  bis  die  zulässige  Geschwindigkeit  wieder 
unterschritten  ist.  Es  dürfte  jedoch  die  Anbringung  einer 
Signalglocke  für  diesen  Fall  vollkommen  ausreichend  sein. 

Die  Zeitdauer  der  Fahrt  beträgt  etwa  3 Minuten,  die 
Geschwindigkeit  1,3  °»/Sek.  Ist  der  zu  hebende  Wagen 
mit  etwa  1500  kg  belastet,  während  der  andere  leer  ist, 
so  muss  der  Motor  etwa  46  P.S.  bei  nicht  mehr  als  etwa 
340  Umdrehungen  in  der  Minute  leisten.  Sind  beide  Wa- 
gen mit  isookg  belastet,  so  ist  das  erforderliche  Motor- 
drehmoment nur  1/3,  sind  beide  Wagen  leer,  nur  2/0  so 
gross.  Der  Bremsmagnet  muss  eine  Hubarbeit  von  2000  kg 
leisten.  Die  sonstigen  Einrichtungen  des  Masebinenhauses 
sind  aus  den  Abbildungen  2 und  5 zu  ersehen.  Abbildung  6 
giebt  eine  Ansicht  der  Gesammtanlage  in  der  Landschaft,  bei 
der  jedoch  die  Seile,  um  sie  deutlich  zu  zeigen,  wesentlich 
stärker  dargestellt  sind,  als  sie  in  Wirklichkeit  erscheinen. 

Das  vorstehend  beschriebene  neue  Bahnsystem  bietet 
bei  aller  Kühnheit  so  grosse  Vorzüge  und  so  bedeutende 
Sicherheit,  dass  es,  wieVerfasscr  hofft,  nach  seiner  erstmali- 
gen Ausführung  bei  der  Bastei  für  ähnliche  Fälle,  die  sich  im 
In-  und  Auslande  zahlreich  bieten,  vorbildlich  sein  wird.  — 


Mittheilungeo  aus  Vereinen. 

Badischer  Architekten-  und  Ingenieur  - Verein.  Die 
34.  Hauptversammlung  vereinigte  die  Mitglieder  der  4 Be- 
zirksvereine des  Landes  am  29.  Juni  d.  J.  in  Bruchsal 
in  den  Räumen  des  grossh.  Schlosses,  der  ehemaligen 
Residenz  der  Fürstbischöfe  des  Bisihums  Speyer.  Die 
Versammlung  war  aus  allen  Theilen  Badens  gut  besucht; 
es  waren  in  den  prächtigen  Räumen,  dem  Fürsten-  und 
dem  Marmorsaal,  ungefähr  80 Mitglieder  mit  ihren  Damen  an- 
wesend. Der  Vorsitzende,  Hr.  Bischoff,  begrüsste  die 
Erschienenen  und  gedachte  der  im  verflossenen  Vercins- 
jahre  durch  den  Tod  entrissenen  Mitglieder,  seines  Vor- 
gängers Adolf  Hanser  und  der  Architekten  Rauschert  und 
Hartmann  in  Pforzheim,  Fessler  in  Heidelberg  und  Fabri- 
kant Widmann  in  Karlsruhe.  Die  Versammelten  erhoben 
sich  zum  Zeichen  des  Gedenkens  der  Verstorbenen  von 
ihren  Sitzen.  Der  geschäftliche  Theil  umfasste  Verbands- 
und badische  Angelegenheiten,  bei  letzteren  die  Berichte 
der  Vorstände  der  4 Bezirksvereine,  Rechnungsablage, 
Annahme  neuer  Satzungen  zum  Zwecke  der  Eintragung  des 
Vereins  in  das  Vereinsregister,  Wahl  desnächstjährigen  Ver- 
sammlungsortes der  Landesversammlung,  wofür  Ottenburg 
erkoren  wurde,  und  Vorstands  wähl  für  1903.  Gewählt  wurden 
die  Hrn.  M.  Hummel,  I.  Vorsiuender,  Nestle,  Billing,' 

664 


Wilh.  Hummel,  Weyer.  Der  fachwissenschaftliche Theil 
wurde  ausgefüllt  durch  einen  wohl  durchgearbeiteten,  inter- 
essanten Vortrag  des  Hrn.  Oberbauinsp.  Lang  in  Bruchsal 
über  die  Baugeschichtedes  Bruchsaler  Schlosses, 
demsichunterFührungdesRedners  eine  eingehende  Besich- 
tigung des  Schlosses  in  allen  seinen  Theilen  anschloss.  Der 
Vortragende  ist  seit  Jahren  imAuftrage  derRegierungmitder 
Wiederherstellung  des  Schlosses  beschäftigt,  welche  mit  Auf- 
wendung ganz  bedeutender  Mittel  zur  Ausführung  gelaugt. 
Ein  fröhliches  Mahl  in  den  fesilichenRäumen  und  ein  Prome- 
naden-Konzert  im  schönen  Schlossgarienreihten  sich  dem  ge- 
schäftlichen Theile  an,  und  erst  spät  des  Abends  entführten 
die  Züge  die  Erschienenen  nach  den  verschiedenen  Rich- 
tungen des  Landes  mit  dem  angenehmen  Bewusstsein,  einen 
schönen  Tag  unter  Faebgenossen  verlebt  zu  haben. 

Vierzehn  Tage  später  wurde  eine  Nachfeier  gehalteu 
durch  einen  gutbesuchten  Ausflug  nach  dem  Kloster 
Maulbronn,  woselbst  Hr.  Lang  eine  kurze  Erklärung 
des  Klosters  gab.  Neben  dem  Kloster  wurden  die  berühmten 
Steinbrüche  des  Hrn.  A.  Burrer  besichtigt.  Eine  anre- 
gende gesellige  Vereinigung  in  dem  wunderbaren  Kapitel- 
saal des  Klosters  beschloss  den  schönen  Somraertag. 

Besichtigungen  wurden  ausser  Bruchsal  (Schloss,  Bahn- 
hof, Maschinenfabrik  vorm.  Schnabel  & Henning)  und 
‘Maulbronn  vom  mitielrheinischcn  Bezirksverein  mit  dem 

Np.  103/4 


Sitae  in  Karlsruhe  noch  zwei  in  diesem  Herbst  ausgeführt: 
In  Pforzheim  wurde  am  20.  Sept.  der  Wettbewerb  für  ein 
städtisches  Hallenschwimmbad  besichtigt;  an  der  Er- 
läuterung der  Pläne  betheiligte  sich  neben  Hrn.  Stadibmstr. 
K ern  aus  Pforzheim  einer  der  noch  anwesenden  Preisrichter, 
Hr.  Prof.  Hocheder  von  München.  Hieran  schloss  sich  eine 
Besichtigung  des  Neubaues  des  grossh.  Bezirksamtes  unter 
Führung  seines  Erbauers  Oberbauinsp.  Lang.  In  Karls- 
ruhe wurde  am  29.  Sept.  das  reich  ausgestaltete  Privat- 
haus mit  Klinik  des  Augenarztes  Dr.  Ellinger  unter  Füh- 
rung des  Erbauers,  Arch.  H.  Billing,  besichtigt. 

Die  ersteWinlersitzung  des  mittelrhein.  Bezirksvereins 
fand  am  8.  Okt.  in  Karlsruhe  statt  und  wurde  eingeleitet 
durch  einen  Vortrag  des  Hrn.  Ob.-BrtL  Baumeister  über 


der  Anfang  gemacht  wurde.  Der  Zweck  dieses  Labora- 
toriums ist  ein  doppelter:  einmal  soll  es  als  Lehrmittel 
dienen  für  die  Studirenden  im  Anschluss  an  die  Vorträge 
über  Flussbau;  sodann  soll  es  dem  Lehrer  als  Forschungs- 
mitteldienen zur  Beobachtung  der  Gesetze  und  der  Wirkung 
des  fliessenden  und  des  gestauten  Wassers.  Das  neue  Lehr- 
mittel besteht  aus  einer  j8“>  langen,  2 “ breiten  und  0,4  «« 
tiefen  eisernen  Rinne,  die  in  beliebiges  Gefälle  gestellt 
werden  kann.  Hierein  werden  mit  Sand  Flussanlagen 
eingebaut  und  durch  eine  elektrisch  betriebene  Pumpe 
kann  ein  beliebig  starker  Wasserstrom,  bis  zu  65 1 in  der 
Sekunde,  durch  das  Gerinne  geleitet  werden.  Mittels 
sinnreicher  Zeichenvorrichtungen  können  selbst  dje  gering- 
sten Aenderungen  des  Flussbettes  selbstthätig  aufgezeich- 


Palals  Staudt  in  Berlin.  Hofansicht  mit  Stallgebäude.  — Architekt:  Prof.  Otto  Rieth  in  Berlin. 


„Das  Projekt  zur  Kanalisirung  des  Neckars  von 
Mannheim  bis  Esslingen  von  Bauamtm.  Specht“. 
Der  Vortragende  konnte  bei  aller  Anerkennung  der  sach- 
gemässen  Aufstellung  dem  Plan  keine  aussichtsvolle  Per- 
spektive eröffnen,  da  die  Rentabilität  wegen  der  grossen 
Kosten  zu  gering  sein  wird.  Dem  Vortrage  schlossen  sich 
die  Berichterstattung  der  zwei  Delegirten  des  Gesammt- 
Vereins,  Prof.  Nestle  und  Ob.-Bauinsp.  Lang,  an  über 
die  Abgeordneten-  und  Wanderversammlung  in  Augsburg. 

In  der  November- Versammlung  führte  Prof.  R e h b o c k 
das  nach  seinen  Plänen  in  der  technischen  Hochschule 
erbaute  Flussbau- Laboratorium  den  zahlreich  er- 
schienenen Mitgliedern  vor.  Es  ist  dies  die  zweite  Ein- 
richtung in  Deutschland,  nachdem  von  Geh.  Rath  Engels 
vor  wenigen  Jahren  an  der  Dresdener  Hochschule  damit 

25.  Dezember  1902. 


net  werden.  Die  Kosten  des  Flussbau-Laboratoriums  haben 
etwa  18000  M.  betragen.  Die  interessante  Vorführung  und 
der  damit  verbundene  Vortrag  fanden  bei  der  Versammlung 
allgemeinen  Beifall. 

_ In  derDezembcr-Versammlung  zeigteHr.Hochbauinsp. 
Stürzenacker  in  Karlsruhe  die  Pläne  zu  einem  Krema- 
torium, die  er  für  einen  Verein  für  Leichen-Verbrennung 
aufgestellt  hat.  Das  Gebäude  erhält  einen  Hauptraum  von 
8 : IO  ™ und  soll  etwa  66  000  M.  kosten.  Die  Ausführung 
wird  einfach,  aber  in  ernsten  würdigen  Formen  gehalten 
sein.  Ferner  führte  der  Vortragende  die  Pläne  zu  einer 
städtischen  Knaben- und  Mädchenschule  auf  dem 
Lutherplatze  vor,  die  eben  im  Bau  begriffen  ist;  das 
Gebäude,  an  einer  Strassenecke  geplant,  bekommt  zwei 
Fronten  mit  97  und  30™;  es  besteht  aus  einem  Turnsaal 


665 


an  der  schmäleren  Seite,  einem  Schuldienerhause,  welches 
in  origineller  malerischer  Eckansbildung  gehalten  ist,  und 
dem  Hauptgebäude  mit  den  Schulsälen.  Die  Kosten  sind 
auf  597000  M.  veranschlagt  oder  17,40  M.  f.  d.  oder 
14000  M.  für  den  Schulsaal.  Der  Entwurf  ist  in  den  For- 
men der  deutschen  Renaissance  mit  barocken  Anklängen 
gehalten.  Der  Vorsitzende  dankte  Namens  des  Vereines 
dem  Vortragenden  für  die  Vorführung  und  sachgemässe 
Erläuterung  seiner  beiden  jüngsten  Bauausführungen.  — 

Arch.-  u.  Ing.-Verein  zu  Hamburg.  Vers,  am  7.  Nov. 
1902.  Vors.  Hr.  Zimmermann,  anw.  73  Pers. 

Vor  Eintritt  in  die  Verhandlungen  theilt  der  Vorsitzende 
mit,  dass  Hr.  Arch.  Ed  Hoppmann,  ein  langjähriges  treues 
Mitglied  des  Vereines,  am  i.  Nov.  verstorben  ist.  Hr. 
Faulwasser  giebt  zum  Gedächtniss  des  Verstorbenen 
eine  Schilderung  des  Lebens  und  Wirkens  desselben. 

Hoppraann  wurde  am  19.  Febr.  1849  in  Eutin  geboren 
und  besuchte  das  Gymnasium  daselbst.  Nachdem  er  seine 
ursprüngliche  Absicht,  Kunstmaler  zu  werden,  aufgegeben 
hatte,  widmete  er  sich  dem  Studium  der  Architektur  und 
besuchte  die  Bauschule  in  Dresden.  Nach  mehrjähriger 
Thätigkeit  in  Dresden  und  Altona  trat  Hoppmann  im  Jahre 
1877  Dienste  der  hamburger  Baudeputation  und 

wurde  bei  dem  Bau  des  Zentral-Gefängnisses  in  Fuhls- 
büttel beschäftigt.  Nach  Vollendung  dieser  umfangreichen 
Bauten  schied  Hoppmann  aus  dem  Staatsdienste  aus  und 
ist  seitdem  in  selbständiger  Ausübung  seines  Berufes  als 
Architekt  thätig  gewesen. . 

Von  Hoppmann’s  Bauausführungen  werden  vom  Red- 
ner als  die  wichtigsten  genannt:  Die  Glockengiesserei  und 
Metallwaaren-Fabnk  von  Lehntng  an  den  Vorsetzen,  die  Ma- 
schinenfabrik von  Deseniss  & Jacobi  im  Hammerbrook,  die 
Nähmaschinenfabrik  von  Neidlinger,desgl.  diejenige  von  Guhl 
& Harbeck, die Metallwaaren-Fabrik  von  HansHaller  in  Otten- 
sen, die  Meiallgiesserei  von  Fleck  & Söhne,  die  Gebäude  für 
dieOelfabriken  in  Rothenburgsort, dieHarburger Leinöl- und 
Firnis^sfabrik  von  Max  Brinkmann,  die  Maschinenfabrik  von 
Alfr.  Gnimann  in  Ottensen,  die  Margarine-Fabriken-  von 
A.  L.  Mohr  in  Bahrenfeld,  die  Eierspeicher  von  E.  Tannen- 
baum in  Barmbeck,  die  Metallwaarenfabrik  von  Fr.  Filler 
in  Eimsbüttel,  die  Harburger  Gumraiwaaren-Fabrik  von 
Dr.Traun,  die  Wollweberei  in  Oldesloe,  die  Eisengiesserei 
von  Fehrraann  in  der  Amsinckstrasse.  Neben  diesen  und 
anderen  Fabrikgebäuden  sind  auch-  eine  Reihe  von  Wohn- 
häusern z.  B,  an  der  Eilenau  und  am  Graumannsweg,  fer- 
ner das  Haus  des  Bürgermeisters  C.  H.  Mewes,  Stadthaus- 
brücke 12—14,  sowie  die  Villa  Guhl  in  Gremsmühlen  von 
Hoppinann  entworfen.  Redner  schliesst  mit  der  Versiche- 
rung, dass  Hoppmanns  Tod  unter  seinen  Freunden  eine 
klaffende  Lücke  gerissen  habe  und  dass  ihm  dieselben 
ein  treues  Andenken  bewahren. 

Der  Vorsitzende  verliest  sodann  ein  Schreiben  des 
Vorsitzenden^  der  Aussteliungs  - Kommission  des  Kunst- 
verei'ris,  in  welchem  die  Veranstaltung  einer  Architektur- 
Ausstellung  in  Verbindung  mit  der  im  Frühjahr  1903  statt- 


Ein  Prachtwerk  über  das  Bayerische  National- 
Museum  in  München.  (Schluss.) 
ie  Schilderung  des  Verlaufes  des  engeren  Wettbe- 
werbesfür  die  ersten  Entwürfe  eröffnet  interessante 
Einblicke  in  die  Vorgeschichte  des  Museums.  Zur  Be- 
urtheilung  der  3 Entwürfe  wurde  eine  grössere  Kommission 
gewählt,  in  welcher  sich  die  6 Architekten  von  Bezold, 
Buehlmann,  Rettig,  AlbertSchmidt,  Freih.  v. Schmidt 
und  Friedrich  Thiers ch  befanden.  Sie  wurden  durch  das 
Loos  in  zwei  Gruppen  getheilt  und  hatten  die  Aufgabe, 
in  einem  schriftlichen  Gutachten  ihre  Ansicht  über  die 
Entwürfe  kund  zu  geben.  Das  Gutachten  der  Hrn.  v.  Bezold, 
Buehlmann  und  AlbertSchmidt  gelangte  zu  dem  Ergebnisse, 
es  möge  den  3 konkurrirenden  Künstlern  zunächst  noch 
einmal  Gelegenheit  gegeben  werden,  ihre  Entwürfe  theil- 
weise  umzuarbeiten.  Das  Gutachten  der  Hrn.  Rettig, 
Freih.  v.  Schmidt  und  Thiersch  jedoch  erklärte  sich  sofort 
für  den  Seidl’schen  Plan  und  beantragte,  den  Auftrag  zur 
Ausführung  an  Gabriel  Seidl  zu  übertragen.  Auch  der 
Direktor  des  Nationalmuseums  von  Riehl  schloss  sich 
ungeachtet  einiger  Bedenken  gegenüber  dem  Seidl’schen 
Entwürfe  dem  Vorschläge  der  zweiten  Gruppe  an.  Als 
einen  Vorzug  betrachtete  er  in  dem  Entwürfe  Seidls  die 
Anlage  von  zwei  Geschossen  und  die  mit  ihnen  betonte 
Doppelnatur  der  Sammlungen,  der  historisch-räumliche 
und  der  wissenschaftliche  Magazincharakter  derselben. 
Die  Mannigfaltigkeit  der  von  Seidl  geschaffenen  Räume 
fand  seinen  Beifall  nicht  minder  wie  die  stilistische 
Haltung  des  Gebäudes,  aus  welcher  er  den  Eindruck  eines 
„altbayerischen  fürstlichen  Herrenhauses,  eines  Landsitzes 
inmitten  gärtnerischer  Anlagen  aus  der  Zeit  des  17.  und  18. 


findenden  grossen  Kunstausstellung  anheimgegeben  wird. 
Es  wird  ein  Ausschuss  gewählt  aus  den  Hrn  Groothoff, 
Grotjan,  Löwengard,  Wöhlecke  und  Wurzbach. 

Zum  dritten  Gegenstand  der  Tagesordnung  erhält  das 
Wort  Hr.  Faulwasser  zur  sehr  beifäll  g aufgenomraenen 
Besprechung  der  im  Saale  ausgestellten  Blätter  des  Werkes 
„Das  Bauernhaus  in  Oesterreich“  unter  Vorführung 
zahlreicher  Lichtbilder  (s.  S.  658  f.). 


Vermischtes. 

Besuche  deutscher  technischer  Hochschulen.  Die  Tech- 
nische Hochschule  in  Dresden  ist  im  laufenden  W.-S. 
von  zusammen  1279  Hörern  besucht,  von  welchen  155  auf 
die  Hochbau-Abtheilung,  296  auf  die  Ingenieur-Abihcilung, 
425  auf  die  mechanische  Abtheilung,  172  auf  die  chemische 
und  48  auf  die  allgemeine  Abtheilung  kommen.  Die  übrigen 
Hörer  sind  Hospitanten.  — Die  Technische  Hochschule 
in  Braunschweig  ist  im  gleichen  W.-S.  von  5a  Hörern 
besucht;  von  ihnen  entfallen  auf  die  Abtheilung  für  Archi- 
tektur 45,  auf  die  Abiheilung  für  Ingenieurwesen  82,  auf 
die  Abiheilung  für  Maschinenbau,  Elektrotechnik  und  Textil- 
industrie 218,  auf  die  Abtheilung  für  Chemie  75,  für  Phar- 
macie  51  und  für  allgemein  bildende  Wissenschaften  und 
Künste  40  Hörer.  — Der  Besuch  der  Technischen  Hochi- 
schule  in  Stuttgart  erreicht  1174  Hörer;  davon  kommen 
auf  die  Abtheilungen  für  Architektur  217,  für  Bauingenieur- 
wesen 219.  für  Maschineningenieurwesen  361,  für  Chemie 
III,  für  Mathematik  und  Naturwissenschaften  28  und  für- 
allgemein bildende  Fächer  12  Hörer.  Hierzu  treten  226 
Hospitanten.  — Die  Technische  Hochschule  in  München 
wird  ira  angeführten  Zeiträume  von  2943  Hörern  besucht, 
darunter  436  der  allg.  Abtheilung,  730  Bauingenieure,  437 
Architekten,  iioi  Maschineningenieure,  174  Chemiker  und 
65  Landwirihe,  — 

Hauptkatalog  der  Korksteinfabrik  von  Grunzwelg  & Hart- 
mann in  Ludwlgshafena.Ru.  Diese  Firma  hat  vor  kurzem 
einen  neuen  illustrirten  Hauptkaialog  herausgegeben,  der 
nicht  nur  dieEigenschaften  des  bekannten  und  im  Hochbau 
bereits  zu  den  mannigfachsten  Zwecken  verwendeten  Mate-: 
rials  schildert  und  in  zahlreichen  Konstruktions-Zeichnun- 
gen und  Aufnahmen  nach  dem  fertigen  Bauobjekt  die  An- 
wendung desselben  erläutert,  sondern  auch  auf  ein- 
gehenden Versuchen  beruhende  Vergleiche  der  Isolir- 
fähigkeit  dieses  Baustoffes  gegenüber  anderen  Materialien 
und  Konstruktionen  giebt.  Sind  auch  solche' Zahlen  nach 
ihren  absoluten  Werthen  stets  mit  einiger  Vorsicht  auf- 
zufassen, so  ergeben  sich  aus  ihnen  doch  manche  schätzens- 
werihe  Aufschlüsse. 

Die  wesentlichen  Eigenschaften  der  Korksteine:  gute 
Isolirung  gegen  Wärme,  Kälte  und  Feuchtigkeit;  Schall- 
därapfung;  Erhöhung  der  Feuersicherheit,  weil  selbst  das 
Feuer  nicht  übertragend;  grosse  Leichtigkeit  usw.  sind 
bekannt.  Wird  derKorksiein  dauerndmitFeuchtigkeitinBe- 
rührung  gebracht,  z.  B.  in  Eis-  und  Kühlkelleranlagen,  so 


Jahrhunderts“  gewann.  Es  wurden  nunmehr  der  Gesammt- 
kommission  zwei  Fragen  vorgelegt,  deren  erste,  ob  die  drei 
Künstler  zu  einer  erneuten  Vorlage  ihrer  umgearbeiteten  Enh 
würfe  aufgefordert  werden  sollten,  mit  ii  gegen  6 Stimmen 
verneint,  und  darauf  die  zweite  Frage,  ob  nur  ein  Künstler 
und  zwar  Seidl  zur  weiteren  Bearbeitung  der  von  ihm  ein- 
gereichten Entwürfe  „unter  der  Voraussetzung  der  Vor- 
nahme der  in  Bezug  auf  die  Fassade  und  innere  Ein- 
richtung gebotenen  Aenderungen  zu  empfehlen  sei“,  ein- 
stimmig bejaht.  Dieser  Beschluss  fand  am  18.  Oktober  1893 
die  Allerhöchste  Genehmigung  und  bald  darauf  schlug 
Seidl  sein  Atelier  im  Nationalmuseum  auf,  um  die  weiteren 
Arbeiten  in  stetem  Zusammenleben  mit  den  Sammlungen 
zu  unternehmen.  Die  so  entstandenen  neuen  Pläne  fanden 
im  September  1894  die  Genehmigung  des  Prinzregenten, 
und  es  folgte  im  Oktober  der  Abschluss  des  formellen 
Vertrages  zwischen  dem  Architekten  und  der  Staatsver- 
waltung. 

Ueber  die  Grundsätze  bei  der  künstlerischen  Gestal- 
tung des  Museums  hat  sich  der  Architekt  einmal  mit  den 
Worten  ausgesprochen:  „Wer  den  schönen  Eindruck 
kennt,  den  ein  Schritt  aus  dem  Stadtgewühle  in  Paris 
durch  die  Klosterpforte  des  Musee  de  Cluny  gewährt, 
wo  man  von  feieriicher  Ruhe  und  dem  schönen  Zauber 
mittelalterlicher  Kunst  empfangen  wird,  wer  ähnlicher 
Eindrücke  beim  Germanischen  Museum  in  seiner  früheren 
Gestalt  gedenkt,  oder  des  Doinmuseums  in  Basel,  des 
Thermenmuseums  in  Rom,  — für  den  kann  es  nicht 
zweifelhaft  sein,  dass  dasselbe  Bauprinzip  auch  beim 
Bayerischen  Nationalmuseum  am  rechten  Platze  war.“ 
So  kam  er  dazu,  das  Museum  hinter  die  Baulinie  zurück- 
zustellen und  es  damit  dem  Geräusche  des  Alltages  zu 

' No.  103/4. 


666 


wird  der  asphaltirte  Korkstein  verwendet^  dessen 
Oberfläche  in  der  Fabrik  einen  Ueberzug  aus  Pech  erhält. 

Zu  bestimmten  Zwecken  ist  Wasser- und  Wärme- 
beständigkeit erforderlich.  Diesen  Zweck  erfüllt  ein 
unter  Druck  mit  heissflüssigem  Pech  imprägnirter  Kork- 
stein. der  in  verschiedener  Dichte  auch  mit  gehobelter 
Oberfläche  (z.  B.  als  Unterbelag  für  Linoleum)  hergestellt 
wird  und  bei  feuchter  Wärme  nicht  aufquillt. 

Ein  neues  Erzeugnis  ist  schliesslich  armirter  Kork- 
stein, welcher  es  gestattet,  dieses  Material  nunmehr  auch 
für  selbständig  tragende  Konstruktionen  zu  verwenden,  was 
bei  der  verhältnissmässig  geringen  Festigkeit  des  Kork- 
steins bisher  nicht  möglich  war.  Nach  Versuchen  der 
Kgl.  Mechan.  Versuchsanstalt  in  Charlottenburg  ist  die  Druck- 
festigkeit etwa  zu  17,  die  Bruchfestigkeit  zu  7,35kgyqcm 
für  den  gewöhnlichen  Korkstein  der  Firma  festgestellt 
worden.  Um  die  Tragfähigkeit  zu  erhöhen,  werden  die 
(meist  6 starken)  Korksteinplaiten  je  nach  dem  Ver- 
wendungszwecke mit  Holzleisten  und  Bandeisen  armirt. 
Die  Platten  werden  25  cm  breit,  0,5—3  “ darüber 

lang  und  mit  Federn  und  Nuth  versehen  geliefert.  Eine 
solche  Platte,  unten  geputzt,  oben  mit  Asphalt-  oder 
Zementestrich  versehen,  soll  bei  1,5—2  “ freier  Spannweite 
500—1000  kg/qm  Tragfähigkeit  bei  nicht  mehr  als  10 
Durchbiegung  besitzen.  Diese  armirten  Platten  werden 
sich  daher  zu  Decken  in  Speichern  und  Ställen  (in 
letzteren  vortheühaft  wegen  der  Unempfindlichkeit  gegen 
Ammoniakdämpfe),  zu  llachen  Fabrikdächern  usw.  em- 
pfehlen. Das  Anwendungsgebiet  des  Korksteins  wird 
hierdurch  wesentlich  erweitert  werden  können.  Den  Be- 
schluss bildet  eine  Schilderung  der  Anwendbarkeit  des 
Korkes  zu  verschiedenen  Zwecken  in  der  Industrie.  — 

Ueber  Staukurven-Berechnung.*)  Die  durch  einen 
praktischen  Fall  veranlassten  und  auf  einfachen  Annahmen 
aufgebauten  Ausführungen  in  No.  80  d.  J.  gehen  von  dem 
Grundgedanken  aus,  den  Stau  bezw.  deu  vom  Stau  her- 
vorgerufenen hydraulischen  Druck  in  jedem  Profil  der 
Forderung  entsprechend  anzunehmen,  dass  durch  jeden 
Querschnitt  die  Wassermenge  vh  durchfliesse.  Dadurch 
und  nicht  aufgrund  einer  ganz  willkürlichen  Voraussetzung 
ergiebt  sich  von  selbst  der  Stauanfang  in  B,  der  Stau- 
höchstwerth in  A usw.  Der  Einsender  in  No.  99  berührt 
diesen  Grundgedanken  überhaupt  nicht ; dagegen  kämpft 
er  gegen  die  theoretische  Feststellung  eines  Knickes  im 
Wasserspiegel  an,  und  entdeckt  an  diesem  Knick  ver- 
schiedene vermeintlich  widersinnige  Eigenschaften.  Diese 
Entdeckung  nimmt  er  dann  als  vollgiliigen  Bew^eis  dafür 
an,  dass  das  Ganze  unrichtig  sei,  auf  unhaltbaren  Voraus- 
setzungen beruhe  usw. 

Die  bezeichneten  Eigenschaften  waren  mir  bei  Ab- 
fassung des  Artikels  in  No.  80  ebenfalls  wohlbekannt, 
schienen  mir  aber  zu  Zweifeln  an  der  Richtigkeit  der 
Formelentwicklungen  durchaus  keinen  Anlass  zu  geben. 


*)  Anmerkung  der  Redaktion.  Wir  schliessen  hiesmit  die  Er- 
örterungen über  diesen  Gegenstand  ab. 


Wenn  die  Formeln  einmal  von  A aus  nach  aufwärts  wag- 
rechten, nach  abwärts  mit  dem  Gefälle  q>  geneigten  Wasser- 
spiegel ergeben,  warum  denn  nicht?  Bei  den  gegebenen 
geringen  Neigungsverhältnissen  — es  ist  angenommen, 
dass  die  zur  Sohlenneigung  senkrecht  genommenen  Quer- 
profile von  der  Vertikalen  nicht  bedeutend  abweichen  — 
wird  die  Knickung  recht  zahm  ausfallen;  übrigens  wird 
sich  dieselbe  ja  in  derNatur  selbstverständlich  entsprechend 
abfeilen.  Und  warum  sollte  bei  geeigneten  Verhältnissen 
unter  den  dynamischen  Wirkungen  der  mit  der  Geschwin- 
digkeit V ankommenden  Wassermasse  nicht  sogar  auch 
einmal  ein  nachträgliches  Steigen  des  Wasserspiegels  in 
A möglich  sein?  Praktische  Beobachtungen  dürften  die- 
ses Ergebniss  der  Stauformeln  recht  wohl  rechtfertigen. 

Die  Schlussbelehrung,  dass  im  angenommenen  Falle 
überhaupt  besser  nicht  gerechnet  würde,  klingt  sehr  bequem. 
Im  allgemeinen  ist  es  doch  nie  zu  verwerfen,  wenn  das 
Vorhandensein  einfacher,  genügend  genaue  Ergebnisse  lie- 
fernder Formeln  eine  Berechnungs-Möglichkeit  bietet.  Es 
kommen  Planungen  vor,  bei  denen  aus  Gründen  der 
Sparsamkeit  usw.  strittige  Ausmaasse  nicht  nach  dem 
Gefühl  gut  gegriffen  werden,  sondern  nach  Möglichkeit 
theoretische  Begründung  finden  sollen.  Die  Formelent- 
wicklungen können  auch  da  dienen,  wo  die  beiden  höch- 
sten Hochwasser  einzeln  genügend  bekannt  sind  und  nur 
über  deren  Zusammenwirken  Aufklärung  erwünscht  ist.  — 
H.  Sailer. 


Bücherschau. 

Inhalts-Verzeichniss  der  Jahrgänge  1891  bis  elnschl.  1900  vom 
Centralblatt  der  Bauverwaltung.  Bearbeitet  von  R. 
Hartmann.  Berlin  1902.  Wilhelm  Ernst  & Sohn. 
98  Seiten  gr.  4°.  Preis  6 M. 

Das  übersichtliche  Verzeichniss  theilt  sich  in  I.  ein 
Verzeichniss  der  amtlichen  Mittheilungen  und  II.  ein  Ver- 
fasser-, Orts-  und  Sachverzeichniss.  Das  neue  Inhalts- 
Verzeichniss  ergänzt  das  erste,  für  einen  gleichfalls  10- 
jährigen  Zeitraum  von  Gillsch  bearbeitete  Verzeichniss 
aus  dem  Jahre  ]89t.  Beide  Verzeichnisse  umfassen  somit 
einen  Zeitraum  von  20  Jahren  des  Centralblattes.  — 
Hochbau  - Lexikon.  Bearbeitet  und  Herausgegeben  von 
den  Architekten  Dr.  phil.  Gustav  Schönermark  und 
Wilhelm  Stüber.  Berlin  1902.  Wilh.  Ernst  & Sohn. 
In  20  Liefrgn.  von  je  2 M.  oder  in  5 Abtheilungen 
von  je  8 M. 

Das  Hochbau-Lexikon  enthält,  nach  Schlagwörtern  ge- 
ordnet, kurz,  aber  umfassend  alles  Wissenswerthe  aus  dem 
Gebiete  des  Hochbaues.  Seine  Vorzüge  sind  Uebersicht- 
lichkeit  und  Anschaulichkeit.  Die  Ankündigung  der  Ver- 
lagsbuchhandlung sagt  in  dieser  Beziehung  nicht  zu  viel. 
Es  ersetzt  in  trefflicher  Weise  das  alte  Lexikon  vonMothes. 
Durch  eine  reiche  und  vorzügliche  Illustrirung  erhalten 
die  kurzen  Artikel  eine  grosse  Klarheit  und  Anschaulich- 
keit. Wo  irgend  möglich,  ist  anstelle  einer  Zeichnung  eine 
Naturaufnahme  gewählt,  welche  den  Vorgang  oder  Zu- 


entziehen. Durch  abwechslungsreich  gestaltete  Mauern 
wurde  die  Absonderung  des  Besuchers  von  der  Aussenwelt 
vollzogen  und  ihm  durch  die  Anlage  mit  Statuen  geschmückter 
Vorgärten  die  innere  Sammlung  zum  Betreten  des  Gebäudes 
geliehen.  Die  Losiösung  des  Gebäudes  von  derBauflucht  er- 
möglichte es  dem  Architekten  auch,  „den  Grundriss  unter  fort- 
währender Berücksichtigung  der  vorhandenenSammlungen, 
der  denkbar  reichsten  Lichtzufuhr  und  anderer  Vortheile 
mit  grösstmögiichster  Freiheit  zu  gestalten.“  Im  übrigen: 
„Je  bewegter  , der  Grundriss,  desto  einfacher  der  Aufbau.“ 
Der  Stil  einer  bestimmten  Zeit  ist  mit  Absicht  nicht  ver- 
wend_et_worden,  wohl  aber  hat  das  Werk  einen  bestimmten 
einheitlichen  Charakter,  den  der  Bauweise  der  bayerischen 
Lande,  wie  sie  vor  und  nach  dem  dreissigjährigen  Kriege  in 
Blüthestand  und  in  der  MünchenerResidenz  ihren  Höhepunkt 
erreicht  hat.  Die  Möglichkeit  abwechslungsreicher  Raum- 
gestaltung kam  einem  besonderen  Umstande  zu  statten. 
Mit  Recht  wird  in  der  Schilderung  unseres  Prachtwerkes 
ausgeführt,  es  verlören  gewisse  Werke  der  Kunst  nicht 
selten  bedeutend  an  Wirkung,  indem  sie  unter  dem  Zwang 
derUmständeinnach Grösse  und  Form  nichtentsprechenden 
Räumlichkeiten  untergebracht  werden.  Das  betrifft  haupt- 
sächlich Altäre,  Gobelins  und  Möbel  aller  Art,  namemhch 
aber  Raumbestandtheiie,  wie  Decken,  Vertäfelungen 
usw.,  welche  an  bestimmte  Maasse  gebunden  sind.  Im 
neuen  Museum  wurden  die  Grundform  und  die  Höhe 
der  meisten  Säle  nach  den  vorhandenen  Werken  gewählt 
und  dadurch  die  reichste  Abwechslung  erzielt.  Diese 
aber  „ist  bei  einem  so  umfangreichen  Museum  das  einzige 
Mittel,  um  nicht  allzurasch  zu  ermüden.“ 

Für  die  Wirkung  der  Räume  sind  verschiedene  Maass- 
nahmen beobachtet.  Zunächst  ist  die  farbige  Gesammt- 

25,  Dezember  1902. 


Wirkung  eines  jeden  Saales  in  einen  harmonischen 
Gegensatz  zu  der  Wirkung  des  benachbarten  Saales 
gebracht.  Ferner  ist  darauf  Bedacht  genommen,  dass  der 
in  einen  Saal  eintretende  Besucher  nicht  durch  ein  Fenster 
geblendet  wird,  sondern  dass  er  schon  beim  Eintritt  in 
den  Saal  ein  ruhiges  Bild  seiner  Gesammtwirkung  erhält. 

An  das  Museum  als  ein  in  sich  geschlossener  Bautheil 
angeschlossen  ist  das  Siudiengebäude  mit  Einrichtungen 
für  die  Fruchtbarmachung  der  reichen  Sammlungen,  Die 
Erweiterungsfähigkeit  des  Museums  ist  sorgfältig  bedacht. 
Sind  alle  Räume  erschöpft  und  auch  die  Höfe  und  Gärten 
soweit  thunlich  mit  Baulichkeiten  besetzt,  so  befinden 
sich  jenseits  der  Himbselstrasse  eine  Anzahl  von  Staats- 
gebäuden, die  jederzeit  ohne  Bedenken  dem  vornehmeren 
Zwecke  der  Erweiterung  des  Nationalmuseums  geopfert 
werden-  können. 

Eine  Frage  von  nicht  nebensächlicher  Bedeutung  war 
die  der  Umgestaltung  der  Strasse  vor  dem  Nationalmuseum. 
Das  sogenannte  Forum  der  Prinz-Regenten-Strasse, 
welches  sich  vor  dem  Museum  ausbreitet,  war  beim 
Baubeginn  ein  regelmässiger  Platz  mit  Rasen-  und  Baum- 
pflanzungen, „das  Musterbild  einer  Anlage,  wie  sie  die 
moderne  Städtebaukunde  mit  Recht  verwirft.“  Da  Seidl 
der  Ueberzeugung  war,  dass  das  unregelmässige  Museum 
einen  streng  symmetrischen  Platz  nicht  vertrage,  so 
arbeitete  er  mit  dem  damaligen  Vorstand  des  Stadterwei- 
terungsbüreaus  inMünchen.  Theodor  Fischer,  einen  Ent- 
wurf mit  unregelmässigem  Platz-jrundriss  aus,  bei  welchem 
wir  einen  Augenblick  verweilen  wollen,  da  die  hier 
angebahnten  Gedanken  von  grösstem  Einfluss  auf  die 
spätere  Wirkung  des  namentlich  auch  in  seinen  Be- 
ziehungen zu  dem  auf  dem  jenseitigen  Ufer  der  Isar  ge- 

667 


Stand  erläutert,  Mit  Recht  sagen  die  Herausgeber:  „Je 
weniger  sich  Jemand  auf  der  Baustelle  umsehen  konnte, 
um  so  willkommener  dürfte  ihm  ein  derartiger  Ersatz  der 
Wirklichkeit  sein“.  Das  Arbeitsgebiet  für  das  Lexikon 
ist  auf  den  Hochbau  beschränkt;  es  werden  dargestellt: 
Baukonstruktion,  Baumaterialien,  Bautechnologie,  Baufüh- 
rung, Bauformen,  Geschichte  der  Baukunst  und  Aesthetik. 
Aus  der  Mathematik  ist  nur  das  für  den  Architekten  Wich- 
tigste aus  Mechanik  und  Statik  gegeben,  dasselbe  bezieht 
sich  auf  Physik  und  Chemie,  sowie  auf  die  inbetracht 
kommenden  Zweige  des  Ingenieurwesens,  der  Elektro- 
technik, der  Bildhauerei  und  der  Malerei.  Wenn  etwas 
für  das  Bedürfniss  eines  derartigen  Lexikons  spricht,  so 
ist  es  die  starke  Inanspruchnahme  unseres  Briefkastens. 
Wir  hoffen,  dass  wenn  die  5 in  zweimonatlichen  Zwischen- 
räumen erscheinenden  Abtheilungen  vollständig  vorliegen 
werden,  die  Inanspruchnahme  unseres  Briefkastens  eine 
wesentliche  Verminderung  erfährt.  — 

Tabellen  zur  Berechnung  hölzerner  Träger  mit  besonderer 
Berücksichtigung  jener  Querschnitte,  deren  Breite 
zur  Höhe  sich  wie  5 : 7 verhält.  Von  Bmsir.  Emil 
Stoy.  2.  umgearbeitete  Aufl.  Wien  1902.  Lehmann 
& Wentzel  (Paul  Krebs).  Pr.  1,20  M.  — 

Die  kleine  Schrift  enthält  Tabellen  für  die  Fläche,  das 
Gewicht  für  i und  das  Widerstandsmoment  von  Balken- 
querschnitten bis  40  zu  56  cm  Seitenlange  und  zwar  unter 
besonderer  Hervorhebung  der  günstigsten  Querschnitte 
durch  fetten  Druck.  Durch  Beigabe  zweier  Tabellen  der 
österreichischen  und  der  deutschen  Normalprofile  für  I- 
Eisen  wird  das  praktische  Büchlein  noch  verwendbarer.  — 
Bei  der  Redaktion  d.  Bl.  eingegangene  litterar.  Neuheiten: 
Lenggenhager,  E.,  Mootage-Ing.  Erläuterungen  zu  den 
Feuersicherh eits- Vorschriften  für  elektrische 
Licht-  und  Kraftanlagen.  Zürich  1902.  Albert 
Raustein,  vorm.  Meyer  & Zellers  Verlag.  Pr.  i M. 
Liederbuch  für  Architekten  und  Ingenieure.  Zu- 
sammengestellt  von  der  Ortsgruppe  des  Mittelrhein.  Arch.- 
und  Ing.-Vereins  Wiesbaden.  Wiesbaden  1902.  Rudolf 
Bechtold  & Co. 

Lipinskl,  Rieh.  Das  Recht  im  gewerblichen  Arbeit s- 
Verhältniss.  Heft  i (vollst.  in  15  Heften).  Leipzig  1902. 
Rieh.  Lipinski.  Pr.  des  Werkes  2,25  M,  geb.  3 M.  • 

Dr.  Karsten,  B.,  Oberlehrer  und  Kleiber,  Joh.,  Reallehrer.  Lehr- 
buch der  Physik.  Zum  besonderen  Gebrauche  für 
Technische  Lehranstalten,  sowie  zum^Selbststudiuni.  München 
1902.  R.  Oldenbourg.  Pr.  4 M. 

Dr.  Lorenz,  Hans,  Prof.  Lehrbuch  der  technischen 
Physik.  I.  Bd.:  Technische  Mechanik  starrer  Systeme. 
München  1902.  R.  Oldenbourg.  Pr.  15  M. 

Mattar,  Stephan.  Dachpappe  und  Holzzement.  Prak- 
tische Anleitung  zur  Herstellung  der  Dachpappen-,  Holz- 
zement- und  Kiespapp-Dächer  und  deren  Materialien.  Wies- 
baden 1902.  P.  Plaum.  Pr.  75  Pf. 


Preisbewerbungen. 

Wettbewerb  Rathhaus  Ober-Schöncwelde  bei  Berlin. 
Es  handelt  sich  um  ein  mit  einer  Summe  von  3500C0  M. 
zu  errichtendes  Gebäude,  für  welches  die  Wahl  der  Form- 


legenenSiegesdenkraal  grossgedachten  Strassenbildes  sein 
werden.  Der  Entwurf  verbreiterte  unmittelbar  vor  demhohen 
Mittelbau  des  Museums  den  Platz  um  ein  Bedeutendes  und 
gab  ihm  hier  die  Form  eines  mit  seiner  Schmalseite  auf  dem 
Museum  stehenden  Rechtecks ; der  Rest  des  Forums  wurde 
dafür  etwas  verengert.  Den  Hauptarm  der  Strasse  führte 
der  Entwurf  durch,  sah  aber  vor  dem  Museum  einen 
schmalen  zweiten Strassenarm  vor.  Auf  der  hierdurch  ge- 
bildeten Strasseninsel  sollte  eine  monumentale  Garten- 
architektur angelegt  werden  mit  einer  vor  dem  Mittelbau 
angelegten  Vertiefung  von  i “und  im  Anschluss  an  sie  mit 
einer  gegen  die  Strasse  um  i “ erhöhten  mit  Balustraden 
und  Treppen  geschmückten  Terrasse.  Durch  die  Ver- 
tiefung sollte  der  Mittelbau  des  Museums  an  Sockel  und 
Höhenwirkung  gewinnen  und  es  wurde  der  hochgelegene 
Theil  der  Terrasse  für  ein  künftiges  Denkmal  des  Prinz- 
regenten ins  Auge  gefasst.  Adolf  Hildebrand  entwarf 
als  Abschluss  der  erhöhten  Schmuck-Anlage  einen  kunst- 
vollen offenen  Pavillon  mit  einem  Huberlusbrunnen,  dessen 
Wasser  sich  dereinst  in  ein  langgestrecktes  Becken  er- 
giessen  soll.  Man  weiss,  dass  der  Bildhauer  Adolf  Hildebrand 
mit  besonderem  Glück  Brunnenanlagen  geschaffen  und 
bei  ihnen  die  Aesthetik  des  Wassers  gepflegt  hat.  Von 
dem  Geplanten  ist  heute,  zumtheil  durch  die  Freigiebig- 
keit des  Prinzregenten,  das  Grundlegende,  die  Terrasse 
und  die  Schmuckanlage,  ausgeführt.  Das  Denkmal  und 
der  Brunnen  werden  noch  folgen.  Die  Gesammtwirkung 
dieserSchmuckanlageistabernicht  minder  gesichert,  wie  die 
Gesammtwirkung  der  Platzanlage  überhaupt,  denn  für  die 
Gestaltung  der  durch  das  Museum  nicht  eingenommenen 
Platzwandangen  erscheint  der  Einfluss  Seidls  gesichert. 

668 

UNIV.  OF 


gebung  den  Bewerbern  überlassen  ist,  doch  soll  seine  Er- 
scheinung der  Würde  des  iSpSgegründeten,  schnellwachsen- 
den und  schon  jetzt  gegen  9000  Einwohner  zählenden  Vor- 
ortes von  Berlin  entsprechen.  Die  Lage  des  neuen  Ge- 
bäudes ist  eine  bevorzugte  an  einem  schönen  Schmuck- 
platze. Das  Rauraprogramm  für  das  auf  Erweiterung  zu 
planende  Gebäude  ist  das  für  ähnliche  Bauten  übliche. 
Die  zeichnerischen  Anforderungen  halten  sich  innerhalb 
der  bisher  bei  erfolgreichen  Wettbewerben  gezogenen 
Grenzen.  Mit  Freude  verzeichnen  wir  die  Absicht  der 
Gemeinde,  „den  Sieger  oder  einen  der  Sieger  zur 
Bauausführung  mit  heranzuziehen“.  Mit  dieser 
Aussicht  wird  es  dem  Wettbewerbe  an  einer  starken  Be- 
theiligung nicht  fehlen.  — 

Einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
ein  Krematorium  mit  Kolumbarium  in  Prag  erlässt  die  Ge- 
sellschaft für  Leichenverbrennung  dorten  zum  30.  Aprili903. 
Es  gelangen  2 Preise  von  400  und  300  Kr.  zur  Vertheilung. 
Näheres  durch  dasPragerStadtphysikat,  Kleiner Ring459,  — 


Brief-  und  Fragekasten. 

M.  u.  Z.  in  Liegnitz.  Ihre  Frage,  ob  N.  N.  unter  den  von 
Ihnen  dargestellten  Umständen  befugt  ist,  den  Titel  Maurer-  und 
Zimmermeister  zu  führen,  kann  zuverlässig  nicht  beantwortet  wer- 
den, weil  die  Entscheidung  überwiegend  auf  thatsächlichem  Gebiete 
liegt.  Bei  der  vorherrschenden  Neigung  in  der  Rechtsprechung,  ira 
Zweifelsfalle  freizusprechen,  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  es  zur 
Anklage  und  Verurtheilung  des  Betreffenden  wegen  unbefugter 
Führung  des  Meistertitels  kommen  wird.  Denn  da  er  eine  grosse 
Anzahl  Häuser  gebaut  hat,  kann  ihm  füglich  die  Befähigung  zur 
Ausführung  von  Bauwerken  nicht  abgesprochen  werden.  Ob  die 
Bauherrin  seine  Ehefrau  oder  ein  Dritter  war,  ist  gleichgfltig.  Zur 
Erfüllung  des  persönlich  selbständigen  Ausführens  im  Sinne  G.  v. 
26.  Juli  1897  Art.  8 genügt,  dass  man  nicht  als  Gehilfe  eines  Anderen 
(z.  B.  Polier)  thätig  war,  sondern  der  Anleitende  bezw.  Verant- 
wortliche für  die  Ausführung  gewesen  ist,  weil  selbständig  nur  im 
Gegensätze  zum  Gehilfen,  Gesellen  gebraucht  wurde.  Dazu  tritt, 
dass  Ihre  Sachdarstellung  nicht  angiebt,  wann  N.  N.  zum  ersten 
Male  sich  Maurer-  und  Zimmermeister  genannt  hat,  ob  dies  nament- 
lich vor  dem  Inkrafttreten  des  § 133  in  neuer  Fassung  erfolgt  ist. 
Legen  Sie  auf  ein  Urtheil  im  beregten  Falle  grossen  Werth,  so 
können  Sie  dieses  Ziel  einfach  und  kostenlos  durch  Einreichung  eines 
Strafantrages  erreichen.  Wird  ihm  keine  Folge  gegeben,  so  haben 
Sie  noch  Rechtsmittel,  zu  deren  sachgemässen  Begründung  Sie 
allerdings  gut  thun  würden,  einen  Rechtskundigen  zuzudehen.  Zu 
bemerken  bleibt,  dass  weder  das  Leisten  des  Offeabarungseides 
noch  eine  etwaige  Bestrafung  wegen  Betruges  den  Verlust  des 
rechtswirksam  erworbenen  Meistertitels  nach  sich  zieht,  weshalb 
diese  Ereignisse  auch  nicht  angethan  sind,  Erwerb  und  Annahme 
des  Titels  zu  verhindern.  — K.  H-e. 


Inhalt:  Berliner  Neubauten.  Das  Palais  Staudt.  (Schluss).  — Bergauf- 
zug  nach  der  Bastei  in  der  Sächsischen  ächweiz.  — Das  deutsche  Bauern- 
haus iu  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn  und  der  Schweiz  (Schluss).  — 
MittheUungen  aus  Vereinen.  — Vermisentes.  — Preisbewerbungen.  — Bücher- 
schau.  — Ein  Prachtwerk  über  das  Bayerische  National-Museum  in  Mönchen 
(Schluss).  — Brief-  und  Fragekasten. 

Hierzu  eine  Bildbeilage:  Mu?iksaal  im  Palais  Staudt 
zu  Berlin. 

Verlag  der  Deutschen  Banzeitnng,  G.  m.  b.  H.,  Berlin.  Für  die  Redaktion 
verantwortl.  Albert  Hofmaun,  Berlin.  Druck  von  Wilh.  Greve,  Berlin. 


Wir  müssen  es  uns  versagen,  auf  die  nunmehr  in  dem 
Prachtwerke  folgende  Baugeschichte  des  Museums  und  die 
während  derselben  gemachten  Neuerwerbungen  in  ihren 
Beziehungen  zum  Gebäude  näher  einzugehen.  Am  15.  Sep- 
tember 1898  konnte  mit  dem  Umzug  in  das  neue  Gebäude 
begonnen  werden  und  zu  Beginn  des  Herbstes  1:900  hatte 
Rudolf  von  Seitz  die  Riesenaufgabe  der  Neuaufstellung  der 
Sammlungen  vollendet,  sodass  am  29.  September  1900  die 
feierliche  Eröffnung  des  Museums  stattfand.  „Erst  jetzt“, 
führte  der  Kultusminister  Dr.  v.  Landmann  in  seiner 
Ansprache  an  den  Prinzregenten  aus,  „tritt  so  recht  augen- 
scheinlich zu  Tase,  welchen  unvergleichlichen  Schatz 
Bayern  in  seinem  Nationalmuseum  besitzt.“  Dieser  Schatz 
ist  durch  unser  Prachtwerk  weiteren  Kreisen  erschlossen 
worden.  Es  ist  eine  der  vornehmsten  Veröffentlichungen, 
die  je  die  Druckerpresse  verlassen  hat.  Das  gedruckte 
Wort  ist  in  ihr  auf  die  nothwendigsten  Angaben  beschränkt 
und  den  zahlreichen  schönen  Abbildungen  die  Sprache  ge- 
lassen, die  beredter  und  begeisternder  kaum  je  vernommen 
worden  ist.  „Meinem  Volk  zu  Ehr  und  Vorbild,“  lautete 
die  Inschrift  des  königlichen  Gründers,  Maximilians  II.,  die 
er  dem  Museum  widmete.  Dem  bayerischen  Volke  zu  Ehr 
und  Vorbild  gereicht  auch  die  Veröffentlichung,  die  den 
Ruhm  des  Museums  kündet.  Was  wir  aus  derselben  in 
No.  100  wiedergeben  konnten,  giebt  auch  nicht  entfernt 
ein  Bild  von  der  Schönheit  der  Tafeln  und  der  Abildungen 
im  Text. 

Wer  sich  entschliesst , sich  mit  der  Veröffentlichung 
selbst  zu  beschäftigen  oder  sie  gar  als  werthvollen  Besitz 
in  seiner  stillen  Werkstatt  zu  hüten,  wird  bei  dem  Genüsse 
dieses  Schatzes  seltene  Standen  reiner  Freude  erleben.  — 

No.  103/4, 


APRI8  1913